5_2017 Leseprobe
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www.biogas.org Fachverband Biogas e.V. | ZKZ 50073 | 20. Jahrgang<br />
5_<strong>2017</strong><br />
Bi<br />
seit 20 jahren<br />
GaS Journal<br />
Das Fachmagazin der Biogas-Branche<br />
Wahlprüfsteine zur<br />
Bundestagswahl S. 22<br />
Methodenkritik zur<br />
Gasertragsermittlung S. 64<br />
Biogas in Nicaragua –<br />
ein Reisebericht S. 78<br />
Bio-<br />
LNG
Inhalt<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Alles aus einer Hand - Ihren Anforderungen entsprechend!<br />
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Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Editorial<br />
So schaffen wir<br />
das nicht!<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
am 24. September wird ein neuer Bundestag<br />
gewählt. Wir Wählerinnen und Wähler<br />
bestimmen mit unserer Stimmabgabe ganz<br />
wesentlich die Politik der nächsten Jahre –<br />
auch die Klimaschutzpolitik. Das sollten<br />
wir uns fest vor Augen führen. Was die<br />
großen Parteien in Sachen Energiewende<br />
und Klimaschutz machen wollen, lesen Sie<br />
ab Seite 22. Fest steht: In Sachen Klimaschutz<br />
muss sich die künftige Bundesregierung<br />
deutlich mehr anstrengen als ihre<br />
Vorgänger.<br />
Sie muss mutiger und ambitionierter die<br />
Zielerreichung angehen. Es reicht eben<br />
nicht, sich nur zum Pariser Klimaabkommen<br />
zu bekennen oder Klimaschutzziele zu<br />
formulieren. Nein, wir brauchen dringend<br />
von der Politik gesetzte Rahmenbedingungen,<br />
die in den Sektoren Strom, Wärme und<br />
Mobilität massive Emissionsreduktionen<br />
bringen.<br />
Im Jahr 2020 soll Deutschland seine klimawirksamen<br />
Emissionen um 40 Prozent<br />
gegenüber 1990 gesenkt haben. Schon<br />
heute ist klar, dass Deutschland dieses<br />
Ziel krachend verfehlen wird. Laut Umweltbundesamt<br />
(UBA) sind gerade einmal<br />
rund 28 Prozent gegenüber 1990 gesenkt<br />
worden. Mit einer Weiter-so-Politik werden<br />
wir es nicht schaffen, die Klimaerwärmung<br />
abzumildern oder gar zu stoppen. Wir müssen<br />
weniger Kohlestrom produzieren, wir<br />
brauchen mehr erneuerbare Wärme im<br />
Gebäudebestand und wir brauchen eine<br />
klimaneutrale Mobilität.<br />
Der Europäische Emissionshandel versagt<br />
als Klimaschutzinstrument völlig. Ein CO 2<br />
-<br />
Zertifikat war 2016 für durchschnittlich<br />
5,61 Euro pro Tonne zu haben. Die wahren<br />
CO 2<br />
-Kosten betragen laut UBA 80 Euro je<br />
Tonne. Als Einstieg in eine lenkungsorientierte<br />
CO 2<br />
-Bepreisung wäre jedoch ein<br />
Preis von 25 Euro pro Tonne angemessen.<br />
Die nächste Bundesregierung muss das<br />
Thema CO 2<br />
-Bepreisung massiv angehen.<br />
Wir mit unseren rund 9.000 Biogasanlagen<br />
in Deutschland ersparen der Atmosphäre<br />
jährlich knapp 15 Millionen Tonnen CO 2<br />
allein<br />
im Stromsektor. Hinzu kommen gut 4<br />
Millionen Tonnen durch die Bereitstellung<br />
von Wärme und 100.000 Tonnen im Verkehr.<br />
Unsere Biogasanlagen neutralisieren<br />
fast den gesamten CO 2<br />
-Fußabdruck aller<br />
Einwohner Hamburgs.<br />
Ob die Bestandsanlagen diese Leistung<br />
auch in den nächsten Jahren erbringen<br />
werden, bleibt abzuwarten. Die Vergütungsermittlung<br />
über Ausschreibungen,<br />
wie sie das EEG <strong>2017</strong> vorsieht, wird genau<br />
das zeigen. Wenn dieses Biogas Journal<br />
erscheint, dann hat im Biogasbereich erstmals<br />
in Deutschland eine Ausschreibungsrunde<br />
zur Vergütungsermittlung für ins<br />
Netz eingespeisten Strom stattgefunden.<br />
Bestandsanlagen, deren erster EEG-Vergütungszeitraum<br />
nach 20 Jahren endet, also<br />
im Jahr 2021, konnten an der Ausschreibung<br />
teilnehmen. Das Ergebnis wird mit<br />
Spannung erwartet und es wird zeigen, ob<br />
die Betreiber ihre Anlagen in der Leistung<br />
überbauen oder reduzieren – ob mehr oder<br />
weniger fossiles CO 2<br />
eingespart wird.<br />
Aber vielleicht liegt auch für einen Teil der<br />
Biogasanlagen die Zukunft nicht in der<br />
Stromerzeugung, sondern in der Bereitstellung<br />
von Kraftstoff. CBG, Compressed<br />
BioGas auf Biomethanbasis, das dem CNG<br />
(Compressed Natural Gas) auf Erdgasbasis<br />
gleich ist, wird heute schon im Bereich<br />
der Pkw-Mobilität genutzt. CBG hat einen<br />
Anteil von 20 Prozent am Absatz des gasförmigen<br />
Kraftstoffs. Mit CBG lassen sich<br />
im Vergleich zu Benzin die CO 2<br />
-Emissionen<br />
um bis zu 95 Prozent reduzieren.<br />
Während aufgrund seiner Energiedichte für<br />
leichtere Pkw eher CBG/CNG als Kraftstoff<br />
infrage kommt, ist für schwere Lkw, Schiffe<br />
und Flugzeuge eher BioLNG/LNG der<br />
geeignete Energieträger. BioLNG ist verflüssigtes<br />
Biomethan, LNG ist verflüssigtes<br />
Erdgas. Es existieren erst ganz wenige<br />
Verflüssigungsanlagen, die aufgrund ihrer<br />
Größe für Biogasanlagen interessant sind.<br />
Im Titelthema ab Seite 30 stellen wir Ihnen<br />
Projekte vor und wir werfen einen Blick auf<br />
den LNG-Markt. Mit BioLNG wird sich eine<br />
weitere Einkommensalternative eröffnen.<br />
Die Zukunft kennt keine Sackgasse, sondern<br />
nur Möglichkeiten. Hoffen wir, dass<br />
die nächste Bundesregierung für Klimaschutz<br />
und Energiewende Highways baut<br />
und keine Einbahnstraßen.<br />
Herzlichst Ihr<br />
Horst Seide,<br />
Präsident des Fachverbandes Biogas e.V.<br />
3
Inhalt<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Bio-<br />
LNG<br />
30 TITELTHEMA 58<br />
Editorial<br />
3 So schaffen wir das nicht!<br />
Horst Seide, Präsident des<br />
Fachverbandes Biogas e.V.<br />
AKTUELLES<br />
6 Meldungen<br />
8 Bücher & Termine<br />
9 Biogas-Kids<br />
10 Der Wärmewende den Weg bereiten<br />
Von Dipl.-Geogr. Martin Frey<br />
14 Interview<br />
„Mich fasziniert besonders die<br />
Methanisierung von Wasserstoff“<br />
Interviewerin: Dipl.-Ing. agr. Andrea Horbelt<br />
18 Biogas 4.0 – Im Spannungsfeld<br />
zwischen Energie und Klimapolitik:<br />
BIOGAS Convention & Trade Fair<br />
<strong>2017</strong> in Nürnberg<br />
20 Programmübersicht Biogas Convention<br />
30 Busse in Oslo fahren mit BioLNG<br />
aus Bioabfall<br />
Von Michael Kralemann<br />
34 Gas geht aufs Schiff<br />
Von Christian Dany<br />
40 Interview<br />
LNG kann Erdgaspreis nach oben<br />
abfedern<br />
Interviewer: Christian Dany<br />
42 Biogenes Flüssiggas – Machbarkeit<br />
noch im Demostadium<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH)<br />
Martin Bensmann<br />
POLITIK<br />
22 Die Qual der Wahl <strong>2017</strong>: Im Parforceritt<br />
durch die Wahlprogramme<br />
Von Sandra Rostek und Dr. Guido Ehrhardt<br />
28 Bioenergie – immer eine gute Wahl!<br />
Von Mareike Fischer<br />
PRAXIS<br />
46 Nachverstromung: Nutzungsgrad ist<br />
entscheidend<br />
Von Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel<br />
52 Nachverstromung: ORC-Anlage im<br />
Contractingmodell<br />
Von Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel<br />
55 Ökologische Landwirtschaft<br />
„Die Biogasanlage war die richtige<br />
Entscheidung“<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
58 „Wir wollen dabei bleiben“<br />
Von Dierk Jensen<br />
Beihefterhinweis:<br />
Das Biogas Journal enthält einen<br />
Beihefter der Firma agriKomp<br />
4
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Inhalt<br />
titelFoto: Rolf Kosecki i Fotos: Gate Terminal, Dierk Jensen, Martina Bräsel, Andreas Betten<br />
74 78<br />
WISSENSCHAFT<br />
64 Ungeeignete Messmethoden führen zu<br />
falschen Rentabilitätsprognosen<br />
Von Dipl. Des. (FH) Rainer Casaretto,<br />
Prof. Dr. Jens Born und<br />
B.Sc.Corin Dirk Nikoleiski<br />
74 Dem Schaum auf der Spur<br />
Von Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel<br />
INTERNATIONAL<br />
Nicaragua<br />
78 Energiewende à la Nicaragua<br />
Von Oliver Ristau<br />
86 Die Klimagelder können kommen –<br />
Biogas ist bereit<br />
Von Alexander Linke und Clemens Findeisen<br />
VERBAND<br />
Aus der Geschäftsstelle<br />
92 Heißer Herbst steht bevor!<br />
Von Dr. Stefan Rauh<br />
94 Aus den Regionalgruppen<br />
100 Aus den Regionalbüros<br />
106 Direktvermarktung<br />
Strommärkte 2016 mit unbefriedigenden<br />
Preissignalen –<br />
<strong>2017</strong> mit positiver Tendenz<br />
Dr. Stefan Rauh<br />
108 Nationale CO 2<br />
-Bepreisung<br />
nicht von Nachteil<br />
Von Dr. Stefan Rauh<br />
110 Biogas-Historie<br />
Pioniere vom Maschinenring und<br />
aus der Entwicklungshilfe<br />
Von Bernward Janzing<br />
114 Impressum<br />
5
Aktuelles<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Repräsentative Umfrage:<br />
95 Prozent der Deutschen wollen<br />
mehr Erneuerbare Energien<br />
Berlin – Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist für eine<br />
überwältigende Mehrheit der Deutschen ein wichtiges<br />
Anliegen. Das zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage<br />
von Kantar Emnid im Auftrag der Agentur für Erneuerbare<br />
Energien (AEE). So bewerten 95 Prozent der Befragten<br />
den Ausbau der Erneuerbaren als wichtig bis außerordentlich<br />
wichtig.<br />
„Das Ergebnis der Umfrage beweist, wie breit der gesellschaftliche<br />
Konsens ist, der die Energiewende in Deutschland<br />
trägt”, sagt Nils Boenigk, stellvertretender Geschäftsführer<br />
der AEE. „95 Prozent sind ein deutliches Votum<br />
an die kommende Bundesregierung, den Ausbau der Erneuerbaren<br />
Energien entschlossen voranzutreiben“, so<br />
Boenigk mit Blick auf die Bundestagswahl im September.<br />
Dabei sind die Bürger sehr wohl bereit, Erneuerbare-Energien-Anlagen<br />
auch in ihrer Nachbarschaft zu akzeptieren.<br />
65 Prozent der Umfrageteilnehmer äußern sich grundsätzlich<br />
positiv gegenüber Anlagen im Umkreis von 5 Kilometern<br />
vom Wohnort. Dabei ist die Zustimmung deutlich<br />
höher, sobald die Menschen bereits Erfahrung mit entsprechenden<br />
Anlagen haben. Während beispielsweise<br />
72 Prozent aller Befragten Solarparks im Wohnumfeld<br />
zustimmen, steigt der Zustimmungswert sogar auf 94 Prozent,<br />
wenn sich tatsächlich eine Anlage in der Umgebung<br />
der Befragungsteilnehmer befindet. Die Zustimmungswerte<br />
für Kohlekraftwerke sind hingegen weit abgeschlagen<br />
im einstelligen Prozentbereich.<br />
Die wichtigsten Vorteile der Erneuerbaren Energien sind<br />
für die Menschen in Deutschland die Zukunftssicherheit<br />
und der Klimaschutz. So stimmen 75 Prozent der Teilnehmer<br />
der Aussage zu, dass die Erneuerbaren zu einer<br />
sicheren Zukunft unserer Kinder und Enkel beitragen. 72<br />
Prozent bejahen die Aussage, dass die Energie aus Sonne,<br />
Wind, Biomasse & Co. das Klima schützt. „Die Menschen<br />
in Deutschland wissen, dass der Ausbau weiter vorangehen<br />
muss, damit wir unsere Verpflichtungen zum Klimaschutz<br />
und gegenüber den nachkommenden Generationen<br />
erfüllen können“, unterstreicht Boenigk.<br />
Zur Finanzierung des Erneuerbaren-Ausbaus ist die Mehrheit<br />
der Befragten bereit, ihren Beitrag per EEG-Umlage<br />
über den Strompreis zu leisten. So bewerteten 48 Prozent<br />
den aktuellen monatlichen Beitrag von 20 Euro je<br />
3-Personen-Haushalt (3.500 Kilowattstunden Jahresverbrauch)<br />
für angemessen, während 8 Prozent sogar bereit<br />
sind, mehr für den Ausbau der Erneuerbaren zu bezahlen.<br />
Lediglich 37 Prozent halten den Beitrag für zu hoch.<br />
6
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Aktuelles<br />
Deutscher Stromexport steigt<br />
erneut um 9 Prozent<br />
Freiburg – Deutschlands Stromexport nimmt<br />
immer weiter zu. Im ersten Halbjahr <strong>2017</strong><br />
gab es erstmals keinen einzigen Tag mehr<br />
mit einem Importüberschuss. Im Vorjahreszeitraum<br />
hatte es immerhin noch zwei Tage<br />
gegeben, an denen Deutschland per Saldo<br />
Strom importierte, vor zwei Jahren waren es<br />
noch sieben Tage.<br />
Der gesamte Exportüberschuss belief sich<br />
in den vergangenen sechs Monaten auf gut<br />
25 Milliarden Kilowattstunden, das entspricht<br />
etwa drei Viertel der in Deutschland<br />
noch erzeugten Atomstrommenge. Damit<br />
ist der Export gegenüber dem bereits rekordträchtigen<br />
Vorjahreswert abermals um<br />
rund 9 Prozent gestiegen. Diese Zahlen<br />
ergeben sich aus Daten der Übertragungsnetzbetreiber<br />
und der Strombörse nach<br />
Aufbereitung durch das Fraunhofer ISE.<br />
Die Exporte resultieren aus einer steigenden<br />
Produktion aus Erneuerbaren Energien<br />
bei gleichzeitig unverminderter Erzeugung<br />
aus konventionellen Kraftwerken.<br />
Die Windkraft legte in den ersten sechs<br />
Monaten <strong>2017</strong> gegenüber dem Vorjahreszeitraum<br />
um 19 Prozent zu, die Solarstromerzeugung<br />
um 10 Prozent. Die Windkraft<br />
hat nun erstmals die Steinkohle überholt.<br />
Der meiste Strom aus Deutschland ging im<br />
zurückliegenden Halbjahr nach Österreich,<br />
in die Schweiz und die Niederlande, gefolgt<br />
von Polen. Der Export in die Schweiz hatte<br />
im vergangenen Jahr mit mehr als 14 Milliarden<br />
Kilowattstunden sogar einen Rekordwert<br />
erreicht; deutsche Kraftwerke sprangen<br />
ein, nachdem die Atomstromerzeugung<br />
der Eidgenossen aufgrund der technischen<br />
Probleme mit den alten Reaktoren – Beznau<br />
1 ist heute das älteste AKW der Welt –<br />
deutlich einbrach.<br />
Die einzigen Länder, die in der Bilanz noch<br />
vergleichsweise geringe Mengen nach<br />
Deutschland liefern, sind inzwischen Dänemark,<br />
Schweden und Frankreich. Aber auch<br />
aus Frankreich sind die Importmengen massiv<br />
zurückgegangen, von 20 Milliarden Kilowattstunden<br />
im Jahr 2011 auf weniger als 6<br />
Milliarden im vergangenen Jahr. Im ersten<br />
Halbjahr <strong>2017</strong> bezog Deutschland nur noch<br />
2,4 Milliarden Kilowattstunden vom westlichen<br />
Nachbarn. Hält die Entwicklung an,<br />
wird selbst Frankreich in wenigen Jahren<br />
mehr Strom aus Deutschland beziehen als<br />
umgekehrt. Text: Bernward Janzing<br />
Erdgasfahrertreffen<br />
an Biogasanlage<br />
Eutingen-Weitingen – Am 23. Juli fand auf dem<br />
Energiehof von Juliane und Winfried Vees ein „Tag<br />
der Gläsernen Produktion mit CNG-Fahrertag-BW“<br />
statt. Veranstalter waren der Energiehof Weitenau<br />
und der im Februar dieses Jahres neu gegründete<br />
CNG-Club. Der CNG-Club ist eine Interessenvertretung,<br />
die den umweltfreundlichen Kraftstoff in der<br />
Öffentlichkeit voranbringen will. Der Club hat seinen<br />
Sitz in München in der Geschäftsstelle des Unternehmens<br />
gibgas. Neben mehreren hundert Besuchern<br />
kamen mit Norbert Barthle und Hans-Joachim Fuchtel<br />
gleich zwei parlamentarische Staatssekretäre zur<br />
Biogasanlage des Ehepaars Vees.<br />
Besonderes Highlight der Veranstaltung war der<br />
CNG-Prototyp des Schleppers T6.180 der Firma New<br />
Holland. Im Biogas Journal 1_<strong>2017</strong>, Seite 48 bis 50,<br />
haben wir den Schlepper vorgestellt, als er auf dem<br />
Betrieb von Fachverbandspräsident Horst Seide im<br />
Einsatz war. Ein Serienmodell soll im Herbst auf der<br />
Messe Agritechnica in Hannover vorgestellt werden.<br />
Die Vorzüge des Schleppers liegen auf der Hand:<br />
Verglichen mit Diesel stoßen Biomethan-Fahrzeuge<br />
etwa 90 Prozent weniger CO 2<br />
und 80 Prozent weniger<br />
Stickoxide aus.<br />
Vor dem Biogasbus des Fachverbandes Biogas auf dem Energiehof Weitenau während des Erdgasfahrertages,<br />
von links: Armin Jöchle, Bürgermeister der Gemeinde Eutingen, Juliane Vees, MdB Norbert Barthle,<br />
Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Winfried Vees und Dr. Claudius da<br />
Costa Gomez, Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes Biogas e.V.<br />
Club-Vorstand Birgit Maria Wober und Staatssekretär<br />
Barthle sind sich sicher: Der CNG-Motor ist<br />
die Rettung des Verbrennungsmotors. Zudem sei<br />
es der einzige Verbrenner, der mit Biomethan besonders<br />
klimafreundlich zu 100 Prozent regenerativ<br />
betrieben werden kann. Er steht sofort als sofort<br />
als einsetzbare und kostengünstige Technik bereit.<br />
Winfried Vees sieht gerade mit der Biogasaufbereitung<br />
für landwirtschaftliche Fahrzeuge eine große<br />
Chance für Biogasanlagenbetreiber, die sich jetzt<br />
für die Zeit nach der 20-jährigen EEG-Förderung<br />
umsehen.<br />
Dr. Claudius da Costa Gomez, Hauptgeschäftsführer<br />
des Fachverbandes Biogas e.V., der mit dem vereinseigenen<br />
Biogasbus gekommen war, hob die bedeutende<br />
Pionierleistung der Familie Vees hervor und wandte<br />
sich direkt an Barthle. Nach wie vor verdiene Vees kein<br />
Geld mit der Biomethan-Tankstelle und lege ordentlich<br />
drauf, um den eigenen Kraftstoff klimafreundlich<br />
tanken zu können und die Technik Landwirten bekannt<br />
zu machen. Wenn die Politik CNG-Traktoren auf die<br />
Höfe bringen will, dann sei noch weitere Unterstützung<br />
und Förderung notwendig.<br />
Text: Dominik Dörrie<br />
Foto: Fachverband Biogas e.V.<br />
7
Aktuelles<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Bücher<br />
Klimaschutz in der Landwirtschaft<br />
Das Heft soll Landwirte<br />
dabei unterstützen,<br />
einen Beitrag zur Reduzierung<br />
der Treibhausgasemissionen<br />
zu leisten. Landwirtschaftliche<br />
Produktionsverfahren<br />
bieten<br />
hierfür zahlreiche Ansatzpunkte.<br />
Vor allem<br />
die Verbesserung der Stickstoffausnutzung<br />
sollte hier im Fokus stehen. Weitere Maßnahmenfelder<br />
sind Ertrags- bzw. Leistungssicherung<br />
und Verlustminimierung, der Erhalt und<br />
Aufbau von Humus sowie die Verringerung<br />
des Energieaufwands. Zusätzlich ergeben<br />
sich positive Effekte für andere Umweltziele<br />
und Schutzgüter, wie Biodiversität, Gewässerschutz<br />
oder das Tierwohl. Einige Maßnahmen<br />
ermöglichen eine Kosteneinsparung, sodass<br />
sich Klimaschutz auch unter wirtschaftlichen<br />
Gesichtspunkten auszahlen kann.<br />
60 Seiten, DIN A5-Format, erhältlich als gedruckte<br />
Version, Bestell-Nummer: 40119,<br />
ISBN 978-3-945088-47-0. Preis: 9,- Euro<br />
inklusive MwSt., zzgl. Versandkosten – oder<br />
digital, nicht druckbar, Bestell-Nummer:<br />
P_40119, ISBN 978-3-945088-49-4,<br />
für 7,- Euro unter www.ktbl.de/shop<br />
Unter Strom<br />
Wer kann von sich behaupten,<br />
zu verstehen,<br />
worum es jenseits<br />
der oberflächlich<br />
geführten Pro-Contra-<br />
Debatten um die Energiewende<br />
geht? Die<br />
Mechanismen unserer<br />
Stromversorgung<br />
sind komplex, und<br />
populistische Forderungen von Lobbyverbänden<br />
erschweren häufig die objektive<br />
Meinungsbildung. Das Buch bringt Licht ins<br />
Dunkel. Anschaulich erklärt der Autor die<br />
komplexen Zusammenhänge der Energiewirtschaft<br />
und vermittelt den revolutionären,<br />
auch im Ausland viel diskutierten Umbauprozess<br />
der Stromversorgung in Deutschland.<br />
Die überarbeitete und aktualisierte 2.<br />
Auflage ergänzt die 1. Auflage um die sich<br />
abzeichnenden Megatrends der Elektromobilität<br />
und des Pariser Klimaabkommens.<br />
Springer Verlag, 297 Seiten, 14,99 Euro,<br />
ISBN 978-3-658-15164-5<br />
Termine<br />
14. bis 17. September<br />
MELA – 27. Fachausstellung für Landwirtschaft<br />
und Ernährung, Fischwirtschaft, Forst,<br />
Jagd und Gartenbau<br />
Mühlengeez, Mecklenburg-Vorpommern<br />
https://www.mela-messe.de<br />
17. September<br />
Tag der offenen Tür der LfL<br />
Freising<br />
www.lfl.bayern.de/tagderoffenentuer-<strong>2017</strong><br />
19. bis 22. September<br />
AHK-Geschäftsreise „Beheizung und Kühlung<br />
von gewerblichen und Industriegebäuden mit<br />
Erneuerbaren Energien“<br />
Norwegen<br />
www.german-energy-solutions.de/GES<br />
Diese und viele weitere AHK-Geschäftsreisen<br />
finden Sie bei den Terminen auf<br />
www.biogas.org<br />
21. und 22. September<br />
11. Biogastagung – Anaerobe Biologische<br />
Abfallbehandlung<br />
Dresden<br />
www.forum-abfallwirtschaft-altlasten.de<br />
21. September<br />
DFBEW: Konferenz zu Biogas in der lokalen<br />
Wertschöpfungskette<br />
Paris<br />
www.enr-ee.com/de/veranstaltungen<br />
26. und 27. September<br />
FNR/KTBL-Tagung: Biogas in der Landwirtschaft<br />
– Stand und Perspektiven<br />
Bayreuth<br />
www.veranstaltungen.fnr.de/biogaskongress<br />
26. September<br />
Umgang mit (finanziellen) Krisensituationen<br />
Nienburg<br />
Mail: biogas@leb.de<br />
28. September<br />
7. Erfahrungsaustausch für Sachverständige<br />
gemäß § 29b BImSchG<br />
Göttingen<br />
www.biogas.org<br />
13. Oktober<br />
Workshop Niederschlagswasser<br />
auf Biogasanlagen<br />
Rampe<br />
www.neues-ufer.de<br />
19. Oktober<br />
13. Sächsische Biogastagung<br />
Klipphausen, OT Groitzsch<br />
www.landwirtschaft.sachsen.de<br />
24. bis 26. Oktober<br />
Qualifizierung für Beschäftigte an<br />
Biogasanlagen<br />
Schwerin<br />
E-Mail: biogas@leb.de<br />
25. bis 27. Oktober<br />
RENEXPO ® Poland<br />
Warschau<br />
www.renexpo-warsaw.com<br />
30. und 31. Oktober<br />
Aufbauworkshop: Jährliche Unterweisung<br />
von Mitarbeitern an Biogasanlagen<br />
Nienburg<br />
E-Mail: biogas@leb.de<br />
28. und 29. November<br />
Zukunftsforum Energiewende –<br />
Den Wandel aktiv gestalten<br />
Kassel<br />
www.zukunftsforum-energiewende.de/<br />
12.–14. Dezember <strong>2017</strong>, Nürnberg<br />
12. bis 14. Dezember<br />
BIOGAS Convention & Trade Fair<br />
Nürnberg<br />
www.biogas-convention.com<br />
Alle Termine finden Sie auch auf er Seite www.biogas.org/Termine<br />
8
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
BIOGAS-KIDS<br />
Aktuelles<br />
Sanfter Tiger im Tank<br />
Bist du auch dafür, dass Autos und andere Fahrzeuge<br />
in Zukunft nur mit Kraftstoffen betrieben werden,<br />
die umweltfreundlich sind und das Klima nicht<br />
schädigen? Zurzeit steht ja besonders der Dieselkraftstoff<br />
in der Kritik, weil dessen Abgase zu viel<br />
Schadstoffe enthalten. Elektrofahrzeuge sind zwar<br />
eine Alternative, aber nur dann, wenn der Strom<br />
umweltfreundlich erzeugt wird. Dabei gibt es noch<br />
einen ganz anderen Kraftstoff, über den noch wenig<br />
gesprochen wird: Biogas! Denn aus Biogas kann<br />
nicht nur Strom und Wärme gewonnen<br />
werden. Der Fachbegriff dafür<br />
lautet abgekürzt „BioLNG“ oder<br />
auch „LBG“. LNG bezeichnet verflüssigtes<br />
Erdgas, also den Rohstoff, der<br />
wie Erdöl in den Tiefen des Erdreiches<br />
lagert – aber nur begrenzt zur Verfügung<br />
steht. BioLNG bzw. LBG dagegen<br />
ist ver flüssigtes Bio methan –<br />
also das Endprodukt aus der Biogasanlage aus<br />
nachwachsenden Rohstoffen und organischen Reststoffen.<br />
Warum jedoch verflüssigen? Weil große<br />
Lkw und auch Schiffe mit verflüssigtem Gas weiter<br />
fahren können als mit komprimiertem Gas, das auch<br />
CNG genannt wird. Um aus Biogas BioLNG herzustellen,<br />
muss das Gas in einem speziellen Verfahren gereinigt<br />
und dann auf etwa – 164 °C gekühlt werden.<br />
Bei dieser extrem niedrigen Temperatur verflüssigt<br />
sich das Gas von selbst. Und in dieser Form hat es<br />
auch einen weiteren super Vorteil: Es verbraucht viel<br />
weniger Platz als Gas und kann problemlos in Tanks<br />
gespeichert und mit Tankwagen oder -schiffen weitertransportiert<br />
werden. Beim Strom ist<br />
das viel schwieriger und teurer. Und<br />
noch etwas spricht für<br />
BioLNG. Nicht bei allen<br />
Fahrzeugen<br />
macht es Sinn, sie mit elektrischem Strom anzutreiben.<br />
BioLNG eignet sich als Kraftstoff deshalb ganz<br />
besonders für die großen Brummis, Schiffe und auch<br />
Flugzeuge. Umweltfreundliche Alternativen zum<br />
Diesel gibt es also – auch dank Biogas!<br />
Es stinkt gar nicht mehr. Wenn der Landwirt Gülle wie<br />
auf dem Foto auf seinem Acker ausbringt, stinkt es nicht mehr. Das liegt daran, dass die Gülle<br />
sofort in den Boden eingearbeitet wird. Und wenn es nicht mehr stinkt, dann nützt es auch<br />
dem Klima, weil keine schädlichen Gase aus der Gülle in die Atmosphäre entweichen können.<br />
Mit der Gülle, die in der Biogasanlage zur Strom- und Wärmegewinnung eingesetzt wird, ist<br />
es genauso. Klimaschädliche Gase können von dort nicht entkommen. Deshalb sollten möglichst<br />
viel Gülle und auch Mist in Biogasanlagen zur Energieproduktion eingesetzt werden.<br />
Mein Experiment – ein wasserdichtes Sieb<br />
Ein Sieb, durch dessen Löcher kein Wasser läuft? Gibt es das?<br />
Ja! Probiere es selbst aus: Nimm das Sieb und verteile auf dessen Innenseite mit<br />
dem Finger Speiseöl. Wenn das Sieb innen vollständig mit Öl bedeckt ist, gieße<br />
langsam und ganz vorsichtig ein wenig Wasser aus einem Glas in das Sieb.<br />
Was passiert? Das Wasser fließt nicht ab. Warum? Über den Maschen des Siebes<br />
hat sich eine geschlossene Ölschicht gebildet. Da Wasser und Öl sich gegenseitig<br />
abstoßen, vermag das Wasser diese Schicht nicht zu durchdringen und bleibt im Sieb.<br />
Dieses Prinzip nutzen wir z. B. auch, wenn wir unsere Schuhe mit fett- bzw. ölhaltiger<br />
Schuhcreme behandeln, um sie wasserabweisend zu machen.<br />
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9
Aktuelles<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Fotos: Martin Frey<br />
Präsentierten den<br />
Statusbericht zur Energiewende<br />
in Rheinland-<br />
Pfalz sowie eine<br />
Studie über attraktive<br />
PV-Geschäftsmodelle<br />
für Kommunen und<br />
Gewerbe: Dr. Christel<br />
Simon, Christina<br />
Kaltenegger-Braun<br />
und Thomas Pensel<br />
von der Energieagentur<br />
Rheinland-Pfalz sowie<br />
der rheinland-pfälzische<br />
Staatssekretär Dr.<br />
Thomas Griese.<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Der Wärmewende den Weg bereiten<br />
Die Sektorkopplung als wichtiger Beitrag zur Energiewende war das Schwerpunktthema<br />
des fünften Jahreskongresses der Energieagentur Rheinland-Pfalz. Zu der Veranstaltung<br />
am 14. Juni waren mehr als 100 Teilnehmer ins Kongresszentrum des Zweiten Deutschen<br />
Fernsehens (ZDF) nach Mainz gekommen. Die Energieagentur Rheinland-Pfalz beging<br />
damit zugleich das fünfte Jahr ihres Bestehens.<br />
Von Dipl.-Geogr. Martin Frey<br />
Die Energieagentur Rheinland-Pfalz wurde<br />
2012 als eine Einrichtung des Landes gegründet,<br />
um Kommunen, öffentliche Einrichtungen,<br />
Unternehmen und Bürger bei<br />
der Umsetzung von Projekten und anderen<br />
Aktivitäten zu unterstützen. Umweltministerin Ulrike<br />
Höfken (Die Grünen) bezeichnete die Energieagentur<br />
in ihrem Grußwort als „wichtigen Partner für das Land,<br />
um die Energiepolitik zu entwickeln“.<br />
Eines der Bestätigungsfelder der in Kaiserslautern und<br />
weiteren acht Regionalbüros in Rheinland-Pfalz ansässigen<br />
Einrichtung ist, „Investoren und Kommunen zu<br />
helfen, sich im Förderdschungel zurechtzufinden“, wie<br />
es Förderexperte Tobias Woll bezeichnete. Im Dschungel<br />
finden sich immer wieder auch neue Entdeckungen.<br />
Für Fördermittelsuchende könnte dies das neue ZEIS-<br />
Programm sein, ein seit 2015 bestehendes landeseigenes<br />
Förderprogramm, das zum Ziel hat, eine zukunftsfähige<br />
Energieinfrastruktur voranzubringen.<br />
Den aus Kommunen, Unternehmen, Verbänden und<br />
der Politik gekommenen Teilnehmern präsentierte<br />
Thomas Pensel, Geschäftsführer der Energieagentur<br />
Rheinland-Pfalz, die Einrichtung mit ihren landesweiten<br />
Regionalbüros als „bundesweit einzigartig“. Erstmals<br />
hatten er und sein Team einen Statusbericht zur<br />
Energiewende in Rheinland-Pfalz erstellt sowie eine<br />
Studie über attraktive PV-Geschäftsmodelle für Kommunen<br />
und Gewerbe. Beides wurde auf der Tagung der<br />
Öffentlichkeit präsentiert.<br />
Statusbericht zur Energiewende<br />
in Rheinland-Pfalz<br />
Der Statusbericht als Ergänzung zum Online-Portal des<br />
Energieatlas Rheinland-Pfalz (www.energieatlas.rlp.<br />
10
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Aktuelles<br />
de) soll künftig alle zwei Jahre den Fortschritt der Energiewende<br />
im Land nachvollziehbar machen. Aus dem<br />
Bericht geht hervor, dass bereits heute fast jede zweite<br />
Kilowattstunde in Rheinland-Pfalz aus Erneuerbaren<br />
Energien gewonnen wird.<br />
Wie für alle anderen Bereiche wird auch für den Sektor<br />
Biogas eine aktuelle Bestandsaufnahme präsentiert:<br />
So gab es Ende 2016 in Rheinland-Pfalz insgesamt<br />
172 Biogasanlagen (nach der Neudefinition des Anlagenbegriffs),<br />
wovon sich alleine 63 im Eifel-Kreis<br />
Bitburg-Prüm befanden. In 2015 und 2016 waren davon<br />
zwölf neue Güllekleinanlagen mit jeweils 75 kW el<br />
Leistung, davon acht in der Planungsregion Trier, neu<br />
errichtet worden.<br />
Insgesamt stehen die Biogasanlagen-Betreiber unter<br />
erheblichem Kostendruck, der nur teilweise durch<br />
Rationalisierungsmaßnahmen oder durch den Wärmeverkauf<br />
aufgefangen werden kann – erschwert noch<br />
durch den niedrigen Ölpreis. Dennoch sind beim Ausbau<br />
oder Neubau von Nahwärmenetzen auch Erfolge<br />
zu verzeichnen, wie zum Beispiel die 2016 realisierten<br />
Nahwärmenetze Pickließem und Habscheid mit einer<br />
Wärmenutzung aus der Biogas-Verstromung.<br />
In Pickließem östlich von Bitburg beispielsweise wird<br />
über ein 3.800 Meter langes Leitungsnetz Bio-Wärme<br />
für über 90 Wärmeabnehmer bereitgestellt. Das 2.000<br />
Meter lange Nahwärmenetz in Habscheid versorgt 25<br />
Privathaushalte, zwei Gaststätten, ein Altenheim, einen<br />
Kindergarten und einen Gewerbebetrieb. Jährlich<br />
werden rund 100.000 Liter Heizöl eingespart.<br />
Auch in Rheinland-Pfalz wollten viele Altanlagen-Betreiber<br />
die Möglichkeit nutzen, nach Auslauf der EEG-<br />
Vergütungen an den durch das EEG <strong>2017</strong> vorgesehenen<br />
Ausschreibungsrunden teilzunehmen, um ihre Anlagen<br />
für zehn weitere Jahre zu betreiben. Auf der Veranstaltung<br />
war zu erfahren, dass damit aber auch ein erhöhter<br />
Informationsbedarf einhergehe. Diesen deckt unter<br />
anderem das EFRE-Projekt „Zukunftscheck Biogasanlage“,<br />
das vom Land unterstützt und von der Energieagentur<br />
Rheinland-Pfalz angeboten wird.<br />
Regionales Verbundsystem Westeifel<br />
Eine weitere Zukunftsoption in der Biogasentwicklung<br />
des Landes stellt das Regionale Verbundsystem Westeifel<br />
dar. Es bündelt eine Vielzahl von Versorgungsleitungen<br />
innerhalb eines die Region von Nord nach Süd<br />
durchziehenden Grabens. Das Biogas Journal berichtete<br />
darüber bereits unter anderem in Ausgabe 4_2015,<br />
Seite 42 bis 44.<br />
„Das Regionale Verbundsystem Westeifel ist ein absolutes<br />
Zukunftsprojekt“, lobte denn auch der rheinlandpfälzische<br />
Staatssekretär Thomas Griese (Die Grünen)<br />
auf der Veranstaltung. Die Raumplanung für das Großprojekt<br />
sei inzwischen abgeschlossen, im Herbst solle<br />
der erste Spatenstich erfolgen. Das Projekt könne bis zu<br />
48 und damit den Großteil der Biogasanlagen im rheinland-pfälzischen<br />
Teil der Eifel miteinander verbinden.<br />
Das Roh-Biogas soll dann gesammelt und in einer<br />
Leitung nach Bitburg geführt werden. Dort wird es zu<br />
Erdgasqualität aufbereitet und danach ins allgemeine<br />
Erdgasnetz eingespeist. Gleichzeitig werden damit in<br />
Trier auch Blockheizkraftwerke betrieben, die bedarfsorientiert<br />
Strom und Wärme erzeugen. Griese machte<br />
deutlich, dass er diesen technologischen Ansatz künftig<br />
gerne weiter vorantreiben wolle: „Wir sehen auch<br />
künftig die Möglichkeit, in Rheinland-Pfalz neue Biogasanlagen<br />
zu bauen. Aber vor allem geht es um die<br />
bessere Nutzung bestehender Anlagen.“<br />
Dorfwärme-Projekt Ellern<br />
Ein aktuelles Projekt mit einer hoch effizienten Energieversorgung,<br />
das zwar nicht mit Biogas betrieben<br />
wird, aber dennoch eine überzeugende Nahwärmelösung<br />
darstellt, ist das Dorfwärme-Projekt Ellern. Das<br />
830-Einwohner-Dorf im Rhein-Hunsrück-Kreis erhält<br />
derzeit eine Dorfheizung, die zu 82 Prozent mit Holzhackschnitzeln,<br />
zu 16 Prozent mit Solarthermie und zu<br />
nur 2 Prozent mit Erdöl versorgt werden wird.<br />
Stephan Webering von der Verbandsgemeinde<br />
Rheinböllen berichtete: „Wir haben schon jetzt 105<br />
Anschlussnehmer, auch aus dem Gewerbe.“ Die Finanzierung<br />
des 4,8 Millionen Euro teuren Projektes erfolge<br />
unter anderem durch das ZEIS-Programm des Landes,<br />
das die Trassenführung und das Heizwerk mit 404.000<br />
Euro unterstützt.<br />
Wärmesenken zu erschließen ist sicherlich eine der<br />
größten Aufgaben der kommenden Jahre: Generell<br />
„eine frühzeitige grobe Abschätzung von Nahwärmepotenzialen<br />
in der Bauleitplanung“ forderte Iris Basche,<br />
die aus dem Umweltschutzamt der Stadt Freiburg im<br />
Breisgau einen Blick über den regionalen Tellerrand<br />
ermöglichte. Basche führte den Zuhörern vor Augen,<br />
dass sich selbst das klimaschutzerfahrene Freiburg<br />
nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen dürfe.<br />
Das Ziel, die lange Jahre vorbildliche Universitätsstadt<br />
bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen, sei<br />
derzeit nur noch unter allergrößten Anstrengungen<br />
zu erreichen. So habe man nicht einmal einen Modernisierungsgrad<br />
von 2 Prozent im Gebäudebestand<br />
Die rheinland-pfälzische<br />
Umweltministerin<br />
Ulrike Höfken (Bündnis<br />
90/Die Grünen) bezeichnete<br />
die Energieagentur<br />
als „wichtigen Partner<br />
für das Land, um<br />
die Energiepolitik zu<br />
entwickeln“.<br />
11
Aktuelles<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Über den Fortschritt<br />
des Dorfwärme-<br />
Projektes Ellern im<br />
Rhein-Hunsrück-Kreis<br />
berichtete Stephan<br />
Webering von der<br />
Verbandsgemeinde<br />
Rheinböllen.<br />
erzielt. Daher folgerte sie: „Wir müssen mit den CO 2<br />
-<br />
Einsparungen noch schneller werden.“ Doch man dürfe<br />
sich auch nicht entmutigen lassen: „Wir setzen auch<br />
darauf, dass sich die Technik noch weiter entwickelt.“<br />
Anpassungsstrategien an den Klimawandel<br />
Hiernach brachte Dr. Ulrich Matthes vom Kompetenzzentrum<br />
für Klimawandelfolgen Rheinland-Pfalz aus<br />
Trippstadt in der Pfalz einen aufrüttelnden Beitrag<br />
über den Klimawandel in Rheinland-Pfalz und die Folgen<br />
für die Gesellschaft und die Umwelt. Er analysierte<br />
die Extremwetterereignisse der letzten Jahre, die unter<br />
anderem dadurch ausgelöst worden seien, dass die<br />
Tiefdruckgebiete länger über dem Land hängenbleiben.<br />
Die bei alledem steigenden Jahresdurchschnittstemperaturen<br />
führten schon jetzt zu einer längeren Vegetationsperiode.<br />
Dies könne zwar zu Ertragssteigerungen<br />
führen, bringe aber auch zahlreiche Risiken wie eine<br />
erhöhte Spätfrostgefahr mit sich, was insbesondere<br />
im Obst-und Weinbau verheerend sein könne. Man<br />
versuche nun, geeignete Anpassungsstrategien zu<br />
entwickeln. Um Gesundheitsschäden in Städten zu<br />
vermeiden, nannte er beispielsweise Begrünungsmaßnahmen,<br />
für die es bereits Studien gebe, etwa für die<br />
Fußgängerzone in Speyer.<br />
Beratung und Kooperationen ausbauen<br />
Um im Bereich Biogas neue Akzente zu setzen, setzt<br />
die Energieagentur Rheinland-Pfalz künftig verstärkt<br />
auf Fortbildungsangebote und Kooperationen. Die<br />
an verschiedenen Standorten angebotenen Seminare<br />
würden bereits gut angenommen. Sie dienten dazu,<br />
Biogasanlagenbetreiber über die Vorzüge einer flexibilisierten<br />
Fahrweise zu informieren. Die Veranstaltungen<br />
finden schwerpunktmäßig in der Eifel, aber auch in der<br />
Pfalz statt.<br />
Außerdem haben nun die Energieagentur Rheinland-<br />
Pfalz und das Dienstleistungszentrum Ländlicher<br />
Raum (DLR) Eifel aus Bitburg eine Kooperationsvereinbarung<br />
geschlossen, um die „bereits bestehende<br />
Zusammenarbeit im Bereich der Bioenergienutzung<br />
Auf sein Statement, in Deutschland sei man mit der Energiewende<br />
auf einem guten Weg, musste sich Staatssekretär Rainer Baake<br />
Kritik anhören.<br />
aus der Landwirtschaft deutlich auszubauen“. Die<br />
Energieagentur konzentriere sich dabei unter anderem<br />
auf die Verbesserung von energetischen Prozessen bei<br />
Biogas-Bestandsanlagen.<br />
Podiumsdiskussion<br />
Die Veranstaltung in Mainz wurde durch eine hochkarätig<br />
besetzte Podiumsdiskussion abgerundet, zu der<br />
eigens Staatssekretär Rainer Baake aus Berlin angereist<br />
war. Zusammen mit Vertretern aus kommunalen<br />
Unternehmen und der Politik zeigte man sich einig<br />
darüber, dass die Energiewende weiter vorangebracht<br />
werden müsse. Doch über den Weg dorthin gingen die<br />
Meinungen auseinander.<br />
Was alle unterschreiben konnten, ist der noch stärkere<br />
Fokus auf Effizienzanstrengungen und den Ausbau der<br />
Sektorenkopplung, wie beim Zubau von neuen Powerto-Gas-Anlagen.<br />
Auf die in Baakes Impulsvortrag formulierte<br />
Position, dass man in Deutschland mit der<br />
Energiewende auf einem guten Weg sei, reagierte der<br />
rheinland-pfälzische Staatssekretär Griese jedoch mit<br />
deutlicher Kritik.<br />
Griese bemängelte dabei vor allem, dass die auf den<br />
Eigenverbrauch bei der Photovoltaik erhobene EEG-<br />
Umlage sinnvolle Geschäftsmodelle auf eine unnötige<br />
Art und Weise belaste. Baake konnte Grieses Ausführungen<br />
nicht folgen und verteidigte die Bundespolitik.<br />
Dem aus Berlin Angereisten gab Griese daher pointiert<br />
mit auf den Weg in die Hauptstadt: „Im Moment zementiert<br />
die EEG-Umlage ein Energiesystem, das auf<br />
fossilen Energien beruht.“<br />
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Dipl.-Geograph Martin Frey<br />
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12
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
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13
Aktuelles<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Interview<br />
»Mich fasziniert besonders die<br />
Methanisierung von Wasserstoff«<br />
Im Gespräch mit der deutschen Rennrodellegende Georg Hackl,<br />
der Biogasbotschafter des Fachverbandes Biogas e.V. ist.<br />
Interviewerin: Dipl.-Ing. agr. Andrea Horbelt<br />
Biogas Journal: Was würde Deine Mutter antworten auf<br />
die Frage: „Wie war der Schorsch als Kind?“<br />
Georg Hackl: Hm… Ein braver Schorsch. Er war sehr<br />
sauber. Ich hab meine Mutter immer genervt: Wenn<br />
ich vom Spielen schmutzige Finger hatte, mussten die<br />
gleich wieder gewaschen werden. Und – spaßigerweise<br />
im Hinblick auf Biogas – als Baby hatte ich eine angeborene<br />
Laktose-Intoleranz und hab die Milch sehr<br />
schlecht vertragen und war sehr stark von Blähungen<br />
gequält… (lacht).<br />
Biogas Journal: Wie bist Du zum Rodeln gekommen?<br />
Was ist so faszinierend an diesem Sport?<br />
Hackl: Die Nähe zur Rodelbahn am Königssee hat den<br />
Einstieg schon leicht gemacht. Das Angebot ist ja quasi<br />
direkt vor der Haustür. Ich war als Kind schon immer<br />
sehr affin für Geschwindigkeit, für das Gleiten auf<br />
Schnee und Eis. Was mich ganz besonders fasziniert<br />
hat, war die Physik von Steilkurven, dass man da an der<br />
senkrechten Wand klebt.<br />
Biogas Journal: Welche Eigenschaften qualifizieren einen<br />
zum Rodler?<br />
Hackl: Die Lust an Geschwindigkeit, ganz klar. Aber<br />
auch eine angeborene gründliche Vorsicht – weil Draufgängertum<br />
nützt hier gar nichts, sonst stürzt man zu oft<br />
und verliert die Lust. Der Wille, heil unten anzukommen<br />
ist wichtig. Und natürlich der Wille zum Wettkampf,<br />
sich zu vergleichen und das Ziel, besser zu sein als der<br />
andere. Das ist für jeden Sportler Grundvoraussetzung.<br />
Biogas Journal: Was hat Dich in deiner Kindheit am<br />
meisten geprägt?<br />
Hackl: Die Tatsache, dass meine Eltern am Anfang<br />
nicht viel hatten und sich mit Mühe und Fleiß ein Haus<br />
gebaut und erwirtschaftet haben. Das war ihr Lebenswerk.<br />
Und macht mich auch stolz auf meine Eltern.<br />
Biogas Journal: Warst Du mit Freunden auf dem Rodelberg<br />
auch schon immer der Schnellste?<br />
Hackl: Das Rodeln hat mich von Anfang an fasziniert.<br />
Da war eine Begeisterung von der ersten Minute an, ich<br />
war gleich Feuer und Flamme – und auch immer bei<br />
den Vordersten dabei.<br />
Foto: Rolf Kosecki<br />
Biogas Journal: Wie sieht der Winter im Leben eines<br />
Rodel-Profis aus?<br />
Hackl: Es geht los Anfang Oktober. Dann werden die<br />
Bahnen vereist. Bis Anfang März ist dann Wintersaison –<br />
und in der Zeit wird gerodelt, was das Zeug hält. Wir sind<br />
im Grunde ziemlich lückenlos unterwegs. Wir reisen<br />
immer als Team, und da ist alles organisiert. Allerdings<br />
ist der Aufwand, das ganze Material von A nach B zu<br />
bringen, schon hoch. Auf jeden Athleten kommen etwa<br />
100 bis 120 Kilogramm Equipment. Im Hotel müssen<br />
die Schlitten dann ausgepackt, zusammengebaut<br />
und fahrfertig gemacht werden. Der Trainingsablauf ist<br />
dann immer ähnlich: vom Hotel an die Bahn, Training,<br />
die Charakteristik der Bahn erarbeiten, Erfahrungen<br />
sammeln und auswerten, Video- und Teilzeitanalysen<br />
und dann natürlich das Nacharbeiten der Schlittenkufen.<br />
Die Kufengeometrie ist das Wesentliche. Sie ist die<br />
Schnittstelle zwischen Sportgerät und dem Eis. Ihre<br />
Beschaffenheit entscheidet, wie schnell der Schlitten<br />
übers Eis gleitet und wie er sich steuern lässt.<br />
Biogas Journal: Woran denkt man, wenn man mit über<br />
100 km/h die Rodelbahn herunterfährt?<br />
14
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Aktuelles<br />
Hackl: Unterschiedlich, je nach Entwicklungsgrad eines Sportlers.<br />
Ich als Trainer hab ja die Aufgabe, die Fahrspurkorrektur zu<br />
geben. Ich stehe an einer bestimmten Schlüsselstelle und erzähle<br />
den Sportlern dann: So musst Du fahren und so kannst Du es<br />
besser machen. Im Verlauf dieses Dialogs stelle ich oftmals fest,<br />
dass manch einer nicht mehr genau reproduzieren kann, was er<br />
oder sie während der Fahrt so erlebt hat. Später, als reifer Athlet,<br />
ist man dann sogar in der Lage, während der Fahrt noch andere<br />
Gedanken zu haben. Weil man so sortiert und routiniert ist. Da<br />
rutscht auch mal ein irrelevanter Gedanke dazwischen (lacht).<br />
Biogas Journal: Gab es auch Zeiten, in denen Du den Schlitten<br />
nicht mehr sehen konntest?<br />
Hackl: Nach einer abgelaufenen Saison ist man erst mal froh, es<br />
geschafft zu haben und muss Abstand gewinnen. Als Sportler hat<br />
man das Ganze noch aus Leidenschaft getan, für sich selbst. Jetzt<br />
als Trainer ist das doch mehr und mehr Routine und quasi ein „Job“.<br />
Dann ist man schon auch manchmal froh, wenn‘s vorüber ist.<br />
Mit der kommenden Olympiasaison steht wieder viel Arbeit und<br />
ein enormer Erfolgsdruck bevor, der mit der ganzen Sache einhergeht.<br />
Das ist normal, das ist unvermeidbar. Wir machen Leistungssport<br />
und daran werden wir gemessen.<br />
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Biogas Journal: Was hättest Du gemacht, wenn Du kein Rodler<br />
geworden wärst?<br />
Hackl: Das ist eine gute Frage … Nach dem Realschulabschluss<br />
bin ich Schlosser geworden. Auch mit dem Hintergedanken, dass<br />
mir das beim Rodeln zugutekommt. In erster Linie bin ich ein<br />
Praktiker und bestimmt hätte ich irgendetwas Handwerkliches<br />
angestrebt.<br />
Biogas Journal: Was haben Schlitten und Biogasanlagen gemeinsam?<br />
Hackl: Ich sehe das aus technischer Sicht. Im Rennrodelsport hat<br />
es mich erfolgreich und stark gemacht. Ich habe nie aufgehört,<br />
über weitere Optimierungsmöglichkeiten nachzudenken und bin<br />
durch Versuch und Irrtum klug geworden. Ich habe immer versucht,<br />
das Material zu optimieren und mich weiterzuentwickeln.<br />
Für mich ist auch eine Biogasanlage bei weitem noch nicht ausgereift.<br />
Diese Technologie birgt ein riesiges Optimierungspotenzial<br />
und eine große Chance für die Zukunft.<br />
Man kann biologische Reststoffe, Energiepflanzen und vor allem<br />
Gülle sinnvoll verwerten. Biogasanlagen tragen in vielfacher<br />
Hinsicht zum Umweltschutz bei, weil ja die biogenen Reststoffe,<br />
die in der Biogasanlage genutzt werden, sonst unweigerlich<br />
an der Atmosphäre zersetzt werden würden und entsprechende<br />
THG-Emissionen verursachen. Und die Verwertungspotenziale<br />
sind riesig – das ist das, was mich so gewaltig fasziniert: ob als<br />
Kraftstoff, direkt verstromt zur Regulierung und Netzstabilität, als<br />
Wärme oder ob man es mit Wasserstoff methanisiert und so auf<br />
biologischem Weg ein Erdgas-Äquivalent gewinnt.<br />
Biogas Journal: Seit einigen Jahren engagierst Du dich für Biogas –<br />
warum ausgerechnet Biogas?<br />
Hackl: Weil es mich fasziniert. Ich bin irgendwann einmal auf das<br />
Thema gestoßen, als ich über Erneuerbare Energien nachgedacht<br />
habe – und dann wirft sich automatisch die Problematik auf, dass<br />
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15<br />
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Aktuelles<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
regenerative Energien wie Wind und Sonne<br />
fluktuierend sind und man eine Energieform<br />
braucht, die einfach für einen Ausgleich<br />
sorgen kann. Wenn man jetzt Ressourcen<br />
betrachtet, die in unseren Breiten in regenerativer<br />
Form zur Verfügung stehen, kommt<br />
man automatisch auf das Thema Biogas.<br />
Und wenn man dann – wie ich es vorhin<br />
aufgezählt hab – die vielen Vorteile in ihrer<br />
Summe sieht, dann ist das eine Spielwiese,<br />
für die ich mich begeistern kann und die<br />
mich nicht mehr losgelassen hat.<br />
Biogas Journal: Wann und wie hast Du zum<br />
ersten Mal von Biogasanlagen gehört?<br />
Hackl: Ich war lange Zeit genauso Halbwissender<br />
wie die meisten Menschen da draußen,<br />
die irrtümlicherweise – was mich ein<br />
wenig traurig macht – glauben, dass Biogas<br />
schädlich wäre. Dann bin ich auf einen Bericht<br />
gestoßen über die Bundeskanzlerin,<br />
die in der Uckermark eine Windkraftanlage<br />
eingeweiht hat, bei der mit dem gewonnenen<br />
Strom Wasserstoff erzeugt wird. Dieser<br />
wird mit dem Biogas so kombiniert, dass<br />
ein speicherfähiges Medium entsteht:<br />
hochwertiges Biomethan.<br />
Danach hab ich begonnen, intensiv zu recherchieren<br />
und mich zu informieren. Allein<br />
diese Möglichkeiten und Potenziale für<br />
die Zukunft haben mich total vom Hocker<br />
gehauen. Ich habe dann mit vielen Leuten<br />
sprechen dürfen – unter anderem mit Mitarbeitern<br />
meines langjährigen Sponsors<br />
Viessmann, wo mehrere Biogas-Versuchsanlagen<br />
auf dem Firmengelände stehen.<br />
Allerdings musste ich dann leider auch<br />
feststellen, dass der politische Wille, Biogasanlagen<br />
zu fördern, rapide abnimmt.<br />
Wie auch der Gesamtwille, die nach dem<br />
traurigen Vorfall von Fukushima so euphorisch<br />
und erfolgreich eingeleitete Energiewende<br />
voranzubringen.<br />
Biogas Journal: Wie sähe Deine Biogasanlage<br />
aus?<br />
Hackl: Meine Biogasanlage würde an einem<br />
Ort stehen, wo möglichst viele biogene<br />
Reststoffe und viel Gülle anfallen.<br />
Meine Energiepflanzen würden eine hohe<br />
Biodiversität auf die Felder bringen. Meine<br />
Biogasanlage hätte natürlich ein vernünftiges<br />
Wärmekonzept, damit ich die anfallende<br />
Wärme gewinnbringend verwerten<br />
kann – was meinen Ertrag steigern würde.<br />
Die Gärprodukte würden in den natürlichen<br />
Kreislauf zurückgeführt werden zu den<br />
Landwirten, von denen ich meine Energiepflanzen<br />
beziehe. Ein sauberer, nachhaltiger<br />
Kreislauf. Und wenn ich eigene<br />
Felder hätte, dann würde ich Windräder<br />
aufstellen und auf nach Süden gerichteten<br />
Pultdächern von Scheunen PV-Anlagen installieren<br />
– weil es mich so fasziniert, aus<br />
dem gewonnenen Strom Wasserstoff zu erzeugen<br />
und diesen auf biologischem Wege<br />
mit Biogas zu methanisieren. Das daraus<br />
entstehende Methangas könnte ich entweder<br />
selbst in Gastanks speichern oder in<br />
das öffentliche Gasnetz einspeisen. Das ist<br />
dann für mich das Nonplusultra.<br />
Biogas Journal: Wo siehst Du die Biogasbranche<br />
in zehn Jahren?<br />
Hackl: In zehn Jahren hoffe ich – speziell<br />
vor dem jetzigen Hintergrund des Diesel-<br />
Skandals – , dass wieder verstärkt auf regenerative<br />
Kraftstoffe zurückgegriffen wird<br />
und dass die Politiker auf die Möglichkeit<br />
aufmerksam werden, Energie aus Biogasanlagen<br />
zu nutzen. Auch die viel propagierte<br />
Elektromobilität macht ja nur dann Sinn,<br />
wenn der Strom aus regenerativen Quellen<br />
stammt und nicht aus Atom- und Kohlekraftwerken.<br />
Und dass Biogasanlagen in verschiedenen<br />
Bereichen weiter optimiert werden, sodass<br />
sie auch ohne Unterstützung marktfähig<br />
sind. Darauf hab ich großes Vertrauen, weil<br />
die Optimierungspotenziale riesig sind und<br />
es nach wie vor Leute gibt, die sich die Köpfe<br />
darüber zerbrechen, wie sich Biogasanlagen<br />
weiter verbessern lassen.<br />
Biogas Journal: Sind wir auf dem richtigen<br />
Weg oder siehst Du Handlungsbedarf, um<br />
die Biogasnutzung weiter voranzubringen?<br />
Hackl: Ich sehe sowohl technologischen<br />
Entwicklungsbedarf als auch viel Potenzial.<br />
Auf der politischen Ebene sehe ich zum einen<br />
Handlungsbedarf, um mehr Akzeptanz<br />
und Aufklärung zu erreichen, zum anderen,<br />
um die Stellschräubchen der Subventionierung<br />
besser zu nutzen, damit es möglich ist,<br />
viel mehr biogene Abfallstoffe einzusetzen<br />
und biologisch wertvollere Energiepflanzen<br />
zu bevorzugen.<br />
Biogas Journal: Kein vernünftig denkender<br />
Mensch zweifelt die Notwendigkeit zum<br />
aktiven Klimaschutz heute noch an – tun<br />
wir genug?<br />
Hackl: Nein! In Deutschland sicher nicht!<br />
Ein ganz profanes Beispiel: Letzten Herbst<br />
hatten wir unser Trainingslager in Lillehammer.<br />
Die Anreise war wie üblich mit dem<br />
Schiff nach Oslo und dann haben wir in<br />
Oslo noch eine Stadtrunde gedreht. In der<br />
Stadt bekommst du eigentlich keinen Parkplatz<br />
und wenn, dann total überteuert. Aber:<br />
plötzlich lauter freie Parkplätze. Jeder Parkplatz<br />
hat eine Ladesäule, und es dürfen nur<br />
Elektroautos dort stehen. So viele Elektrofahrzeuge<br />
auf einen Haufen haben wir überhaupt<br />
noch nicht gesehen. Das wird dort<br />
schon gewaltig gefördert. Der Strom hierfür<br />
stammt in Norwegen aus der Wasserkraft.<br />
Biogas Journal: Was würdest Du Donald<br />
Trump sagen, wenn Du ihm begegnen würdest?<br />
Hackl: Dafür find ich jetzt keine Worte – zumindest<br />
keine die veröffentlichbar wären.<br />
Biogas Journal: Was würde ein Bundeskanzler<br />
Georg Hackl besser machen als<br />
Angela Merkel?<br />
Hackl: Wenn ich Bundeskanzler wäre, dann<br />
würde ich mich um wirkliche soziale Gerechtigkeit<br />
kümmern, um eine gute Ökonomie<br />
und verstärkt auch um Umweltschutz.<br />
Denn das schließt sich meiner Meinung<br />
nach gegenseitig nicht aus. Und vor allen<br />
Dingen würde ich die Energiewende mit<br />
Hochdruck voranbringen. Ich würde mich<br />
mit Wirtschaftsverbänden und Energieerzeugern<br />
besser vernetzen und absprechen<br />
und versuchen, Überzeugungsarbeit<br />
zu leisten. Denn die Energiewende ist die<br />
größte Chance unserer Zeit und sowohl<br />
langfristig als auch nachhaltig auch ein gutes<br />
Geschäft.<br />
Biogas Journal: Wenn Du einen (politischen)<br />
Wunsch frei hättest, wie würde der<br />
aussehen?<br />
Hackl: Eine Bundesregierung aus einer Koalition<br />
von Schwarz-Grün unter der Leitung<br />
von Herrn Kretschmann.<br />
Biogas Journal: Schorsch, vielen Dank für<br />
das Gespräch!<br />
Autorin<br />
Interviewerin<br />
Dipl.-Ing. agr. Andrea Horbelt<br />
Pressesprecherin<br />
Fachverband Biogas e.V<br />
Angerbrunnenstr. 12 · 85356 Freising<br />
Tel. 0 81 61/98 46 60<br />
E-Mail: info@biogas.org<br />
16
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
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17
12.–14. Dezember <strong>2017</strong>, Nürnberg<br />
Biogas 4.0 – Im Spannungsfeld zwischen Energieund<br />
Klimapolitik: BIOGAS Convention & Trade Fair<br />
<strong>2017</strong> in Nürnberg<br />
Vom 12. bis 14. Dezember <strong>2017</strong> findet in Nürnberg die 27. Jahrestagung des Fachverbandes Biogas e.V., die<br />
BIOGAS Convention & Trade Fair statt. Im Zentrum der Vorträge und Diskussionen steht nicht weniger als die<br />
Zukunft der Branche. Während die Ziele der Klima- und Energiepolitik nicht immer zusammenpassen, sucht die<br />
Branche im Rahmen dieses politischen Spannungsfeldes nach Lösungen, die langfristig die Zukunft sichern.<br />
In drei Monaten, vom 12. bis 14. Dezember<br />
findet die Jahrestagung des<br />
Fachverbandes Biogas e.V., die 27.<br />
BIOGAS Convention & Trade Fair, auf<br />
dem Nürnberger Messegelände statt.<br />
Die Teilnahme ist für jeden Branchenaktiven<br />
unverzichtbar, denn nur hier steht<br />
ausschließlich Biogas im Mittelpunkt, nur<br />
hier ist der intensive Austausch zwischen<br />
Experten, Unternehmen und Akteuren der<br />
Biogasbranche möglich.<br />
Für das große Plenum der BIOGAS Convention<br />
& Trade Fair am 13. Dezember<br />
konnten hochrangige Redner gewonnen<br />
werden, denn das Motto „Biogas 4.0 – im<br />
Spannungsfeld zwischen Energie- und Klimapolitik“<br />
trifft die Lage auf den Punkt. Die<br />
Biogasbranche muss sich jetzt positionieren,<br />
um in Zukunft eine dauerhafte Rolle im<br />
Energiemix einnehmen zu können. Horst<br />
Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas<br />
e.V., eröffnet daher mit einem Ausblick auf<br />
die nächsten Jahre und die anstehenden<br />
Herausforderungen.<br />
Es folgt dann ein Vortrag von Eberhard Hartelt<br />
vom Deutschen Bauernverband. Darin<br />
wird er schildern, warum Biogas wichtig für<br />
die Landwirtschaft ist, um die umweltpolitischen<br />
Herausforderungen zu meistern.<br />
Prof. Dr. Gerhard Linke vom DVGW zeigt<br />
auf, wie Gas grün wird, denn eine nachhaltige<br />
Energieversorgung braucht (Bio-)<br />
Gas. Aber wo liegt langfristig die Zukunft<br />
für Biogas? Im Strommarkt? Daniel Hölder<br />
vom BEE geht der Frage nach, ob die Biogasbranche<br />
langfristig am Strommarkt Geld<br />
verdienen wird.<br />
Zum Abschluss legt Helmut Brunner,<br />
Staatsminister im Bayerischen Staatsministerium<br />
für Ernährung, Landwirtschaft und<br />
Forsten, den hohen Stellenwert der Nutzung<br />
von Biogas für eine verlässliche und nachhaltige<br />
Energieversorgung in Bayern dar.<br />
Das Beispiel Bayern zeigt exemplarisch –<br />
trotz aller Unterschiede in den Bundesländern<br />
– die Chancen für Biogas in der Zukunft<br />
auf.<br />
Der Einstieg in die Vortragsblöcke erfolgt<br />
am Vortag über die <strong>2017</strong> verabschiedeten<br />
Neuregelungen der DüV und der AwSV, die<br />
dem Schutz unseres Trinkwassers dienen<br />
sollen, jedoch zugleich den Anlagenbetreibern<br />
einiges abverlangen. In diesem Kontext<br />
steht auch die Frage, welche Chancen<br />
möglicherweise eine Aufbereitung und Vermarktung<br />
von Gärprodukten bei dieser Herausforderung<br />
bieten können. Im Anschluss<br />
steht die Emissionsminderung an Biogasanlagen<br />
im Fokus: Wie kann man Methanoder<br />
Ammoniakemissionen vermindern und<br />
die kommende TA Luft umsetzen?<br />
Zwar hat sich die Aufregung um das EEG<br />
<strong>2017</strong> mittlerweile etwas gelegt, doch nun<br />
18
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Aktuelles<br />
geht es ganz konkret darum, mit den neuen<br />
Vorgaben zu arbeiten. Ein Vortragspanel<br />
widmet sich darum mit ersten Erfahrungsberichten<br />
ausschließlich der Flexibilisierung,<br />
ein Workshop den rechtlichen Aspekten<br />
des EEG und ein weiterer dem Thema<br />
Ausschreibungen. Auf Basis der erfolgreichen<br />
Intensivschulungen des Fachverbandes<br />
werden hier kompakt die Regelungen<br />
des EEG und die ökonomische Basis für das<br />
passende Gebot aufbereitet.<br />
Highlight zum Ende des zweiten Tages wird<br />
ein Panel sein, das sich den wichtigsten<br />
Fragen aus dem täglichen Anlagenbetrieb<br />
widmet. Nach Beleuchtung der aktuellen<br />
Sicherheitsanforderungen für Anlagen wird<br />
das Grundwissen zum Marktstammdatenregister<br />
vermittelt, und zum Abschluss stehen<br />
die Experten des Mitgliederservice vom<br />
Fachverband Biogas live auf der Bühne, um<br />
die Fragen von Teilnehmern, Firmen und<br />
Betreibern zu beantworten.<br />
Ein Teil dieser Vorträge wird auch in die<br />
englische Sprache übersetzt, darüber hinaus<br />
werden in englischsprachigen Panels<br />
Themen aufgegriffen, die für die Branche<br />
weltweit von Bedeutung sind: Den Anfang<br />
macht die Klimapolitik: Wie kann Klimaschutz<br />
erfolgreich sein? Welche politischen<br />
Rahmenbedingungen auf EU-Ebene<br />
und welche finanziellen Lösungen sind<br />
dafür nötig? In vielen Ländern steht Biomethan<br />
wesentlich stärker im Mittelpunkt<br />
als die Stromproduktion. Ist das ein Weg<br />
für Deutschland? Unser Partnerland und<br />
Zukunftsmarkt Indien wird in all seinen<br />
Biogas-Facetten am Mittwoch präsentiert.<br />
Und schließlich gewähren verschiedene<br />
innovative Biogasprojekte aus Brasilien,<br />
Costa Rica und Uganda einen Einblick in<br />
neue Märkte weltweit.<br />
Abgerundet wird die Jahrestagung mit Workshops<br />
zu Substraten, zur Aufbereitung und<br />
Vermarktung von Gärprodukten, zu Herausforderungen<br />
im BHKW-Betrieb, zu Innovationen<br />
& Wissenschaft. Als Spezialworkshop<br />
wird der erfolgreiche Umgang mit Sozialen<br />
Medien gezeigt. Teilnehmer erfahren, wie<br />
sie ihren Betrieb und die Biogasbranche der<br />
Öffentlichkeit optimal präsentieren. In englischer<br />
Sprache bietet „Biogas Basics“ die<br />
beliebte Einführung in die Biogaswelt an,<br />
ergänzt durch den neuen Workshop „Case<br />
studies of waste digestion plants“.<br />
www.biogas-convention.com<br />
Auf der Biogas Fachmesse gibt es an drei<br />
Tagen ausführlich Gelegenheit für die Besucher<br />
zum Austausch mit den Ausstellern.<br />
Ein Schwerpunkt wird bei Herstellern und<br />
Anbietern von Anlagenkomponenten liegen,<br />
ein weiterer bei der Optimierung bestehender<br />
Anlagen. Zugleich kann sich der Besucher<br />
ausführlich über Innovationen, Dienstleistungen,<br />
Logistik und mehr informieren.<br />
Für Mitglieder im Fachverband Biogas und<br />
der DLG ist der Besuch der Messe (gegen<br />
Vorlage des Mitgliedsausweises) frei.<br />
Abgerundet wird die Jahrestagung durch<br />
die Mitgliederversammlung (12. Dezember)<br />
und die internationale Lehrfahrt (15.<br />
Dezember). Auf der Abendveranstaltung<br />
begrüßen wir dieses Jahr im Programm die<br />
A-Capella-Truppe „Viva Voce“, die mit uns<br />
25 Jahre Fachverband Biogas feiern wird<br />
(13. Dezember).<br />
Verpassen Sie also nicht den Jahrestreff der<br />
Biogasbranche und sichern Sie sich Ihr Ticket<br />
für den 12. bis 14. Dezember <strong>2017</strong>!<br />
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Sie das Programm, den Ticketshop und<br />
ausführliche Informationen rund um die<br />
BIOGAS Convention & Trade Fair.<br />
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19
Aktuelles<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Programmübersicht<br />
Dienstag, 12. Dezember <strong>2017</strong> BIOGAS Fachmesse 9:00 – 18:00<br />
9:00 – 12:00<br />
Sitzungen der internen Gremien des Fachverbandes Biogas<br />
e.V. (nur auf Einladung)<br />
12:00 – 13:00 Mittagspause<br />
Biogas Basics Workshop<br />
(in Englisch)<br />
Panel 1 (in Deutsch) Panel 2 (in Englisch)<br />
13:00 – 14:30<br />
1.1 Wasser- und düngerechtliche Anforderungen<br />
an den Betrieb von Biogasanlagen<br />
14:30 – 15:00 Kaffeepause<br />
15:00 – 16:30 1.2 Emissionsminderung an Biogasanlagen<br />
2.1 Climate protection and climate finance<br />
2.2 Biomethane worldwide –<br />
experiences, challenges and opportunities<br />
17:30 – 20:00 Mitgliederversammlung<br />
Änderungen vorbehalten. Aktuelle Informationen unter www.biogas-convention.com<br />
Mittwoch, 13. Dezember <strong>2017</strong> BIOGAS Fachmesse 9:00 – 18:00<br />
Plenum<br />
(in Deutsch mit Simultanübersetzung)<br />
9:00 – 13:00 Biogas 4.0 – Im Spannungsfeld zwischen Energie- und Klimapolitik<br />
13:00 – 14:00 Mittagspause<br />
14:00 – 15:30<br />
Panel 1 (in Deutsch mit Simultanübersetzung) Panel 2 (in Englisch)<br />
1.3 Die Zukunft von Biogas:<br />
Flexibilität in Theorie und Praxis<br />
15:30 – 16:00 Kaffeepause<br />
16:00 – 17:30<br />
1.4 Tagesaktuelle Herausforderungen<br />
für Biogasanlagenbetreiber<br />
17:30 – 18:30 Verleihung der Heinz-Schulz-Ehrenmedaille<br />
19:00<br />
2.3 Introducing India’s biogas market<br />
2.4 Innovative approaches<br />
in international projects<br />
Abendveranstaltung<br />
mit Abschluss des Jubiläumsjahres „25 Jahre Fachverband Biogas e.V.“<br />
Änderungen vorbehalten. Aktuelle Informationen unter www.biogas-convention.com<br />
20
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Aktuelles<br />
Programmübersicht<br />
Donnerstag, 14. Dezember <strong>2017</strong> BIOGAS Fachmesse 9:00 – 17:00<br />
9:00 – 12:00 Workshop 1 (in Deutsch) Workshop 2 (in Deutsch) Workshop 3 (in Deutsch) Workshop 4 (in Deutsch)<br />
EEG –<br />
Entwicklungsmöglichkeiten,<br />
neue Entscheidungen,<br />
Risikovermeidung<br />
Substrate für Biogasanlagen /<br />
Neues und Altbewährtes<br />
Techniken zur Aufbereitung<br />
und Vermarktung von<br />
Gärprodukten<br />
Zukünftige Herausforderungen<br />
an den BHKW-Betrieb<br />
12:00 – 13:00 Mittagspause<br />
13:00 – 15:00 Workshop 5 (in Deutsch) Workshop 6 (in Deutsch) Workshop 7 (in Englisch) Workshop 8 (in Deutsch)<br />
Ausschreibungen –<br />
Grundlagen, Erfahrungen,<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
Innovation & Wissenschaft<br />
Case studies<br />
of waste digestion plants<br />
Wir bauen unser Netz –<br />
gemeinsam in den<br />
Sozialen Medien unterwegs<br />
15:00 Ende der Workshops<br />
Änderungen vorbehalten. Aktuelle Informationen unter www.biogas-convention.com<br />
Freitag, 15. Dezember <strong>2017</strong><br />
8:00 – 17:30<br />
Internationale Lehrfahrt<br />
(mit Simultandolmetscher)<br />
Änderungen vorbehalten. Aktuelle Informationen unter www.biogas-convention.com<br />
Foto: Fachverband Biogas e.v.<br />
Besuchen Sie auch die BIOGAS Fachmesse<br />
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Dienstag und Mittwoch<br />
Donnerstag<br />
9:00 – 18:00 Uhr<br />
9:00 – 17:00 Uhr<br />
21
Politik<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Die Qual der Wahl <strong>2017</strong>: Im Parforceritt<br />
durch die Wahlprogramme<br />
Wer seine Wahlentscheidung am 24. September von der Haltung der Parteien zur<br />
Energiewende im Allgemeinen und der Bioenergie im Speziellen abhängig machen<br />
möchte, dem sei die nachfolgende Orientierungshilfe ans Herz gelegt – querbeet<br />
durch die Wahlprogramme der wichtigsten Parteien.<br />
Von Sandra Rostek und Dr. Guido Ehrhardt<br />
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Energiewende<br />
spielt im Bundestags-Wahlkampf<br />
<strong>2017</strong> leider allenfalls eine untergeordnete<br />
Rolle. Dabei gäbe es aus Sicht<br />
des Fachverbandes Biogas natürlich mehr<br />
als genug zu tun: Deutschland wird seine Klimaziele<br />
krachend verfehlen – man müsste folglich unverzüglich<br />
den Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigen!<br />
Energiewende ist hierzulande immer noch nur eine<br />
Stromwende – der Wärmemarkt und der Verkehrssektor<br />
müssten endlich angepackt werden! Dreckiger Kohlestrom<br />
verstopft nach wie vor die Netze und<br />
verpestet die Luft – wir müssen aus der<br />
Kohle aussteigen und endlich Platz<br />
machen für die Bioenergie!<br />
Uns sind also viele Inhalte für<br />
die Wahlprogramme der wichtigsten<br />
zur Wahl stehenden<br />
Parteien aufgefallen, und<br />
es ist uns auch gelungen,<br />
den einen oder anderen bescheidenen<br />
Akzent für unsere<br />
Anliegen zu setzen. Aber<br />
natürlich hätten auch wir uns<br />
gewünscht, dass die eine oder<br />
andere Aussage gerade zur Bioenergie<br />
etwas konkreter ausgefallen<br />
wäre. Die meisten Parteien jedoch treffen<br />
keine spezifischen Aussagen zur Bioenergie.<br />
Wer die Programme aufmerksam studiert, findet aber<br />
dennoch viele Aspekte, die direkt oder indirekt von entscheidender<br />
Bedeutung für die weitere Entwicklung<br />
der Bioenergie sind. Diese seien im Folgenden kurz<br />
(und ohne Anspruch auf Vollständigkeit) wie folgt zusammengefasst:<br />
Alle Parteien bis auf die AfD stehen zu dem Klimaschutzabkommen<br />
von Paris. Sowohl CDU/CSU als<br />
auch SPD halten an den bisherigen Energie- und Klimaschutzzielen<br />
fest, einschließlich des Klimaschutzplans<br />
2050. Die FDP will den Klimaschutzplan und<br />
generell sektorspezifische Ziele abschaffen. Die AfD<br />
will alle Klimaschutzziele, -maßnahmen und -verträge<br />
beenden.<br />
CDU/CSU bekennen sich zwar grundsätzlich zur<br />
Energiewende, machen aber nur wenig spezifische<br />
Vorschläge. Ein bestimmendes Thema ist die Weiterentwicklung<br />
des Förderrahmens hin zu mehr Markt<br />
und Wettbewerb – konkrete Vorstellungen werden aber<br />
nicht genannt.<br />
Auch bei der SPD nimmt das Thema Energiewende keinen<br />
überragenden Stellenwert im Programm ein. Die<br />
SPD will sich aber für eine Stärkung des EU-Emissionshandels<br />
einsetzen. Eine nationale CO 2<br />
-Bepreisung,<br />
wie sie der Fachverband Biogas und andere fordern,<br />
wird nicht erwähnt.<br />
Bündnis 90/Die Grünen fordern eine deutliche Steigerung<br />
beim Thema Klimaschutz. Der EU-Emissionshandel<br />
soll reformiert und durch eine nationale<br />
CO 2<br />
-Bepreisung ergänzt werden. Bis 2030 soll die<br />
Stromerzeugung vollständig erneuerbar sein.<br />
Die FDP will keine nationalen Alleingänge, aber ebenfalls<br />
keine technischen Auflagen auf EU-Ebene. Der<br />
EU-Emissionshandel soll auf andere Sektoren ausgedehnt<br />
werden. Eine weitere nationale oder europäische<br />
CO 2<br />
-Bepreisung wird abgelehnt. Langfristig ausgelegte<br />
finanzielle Fördermaßnahmen wie das EEG sollen abgeschafft<br />
werden.<br />
Die Linke unterstützt deutlich höhere Klimaschutzund<br />
Ausbauziele. Das EEG soll um eine „soziale Komponente“<br />
ergänzt werden; Ausschreibungen werden<br />
abgelehnt. Der Einsatz von Erneuerbarer Wärme und<br />
die Gebäudesanierung sollen stark ausgebaut und ein<br />
Kohleausstieg soll zügig eingeleitet werden. Aussagen<br />
zur CO 2<br />
-Bepreisung finden sich nur in Form einer Kritik<br />
des EU-Emissionshandels.<br />
Die AfD will alle Fördermaßnahmen für Klimaschutz<br />
und Erneuerbare Energien, insbesondere EEG, EnEV,<br />
EEWärmeG und die Kaufprämie für Elektroautos,<br />
streichen. Der Ausbau der Windenergie wird generell<br />
abgelehnt.<br />
Soweit unser Kurzüberblick – verbunden mit der Lektüreempfehlung<br />
der ausführlicheren Tabelle auf den<br />
nachfolgenden Seiten, in der wir die verschiedenen<br />
Aussagen der unterschiedlichen Parteien zu den aktuell<br />
bestimmenden Themen sortiert und aufgeführt<br />
haben.<br />
22
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Politik<br />
CDU/CSU<br />
Bioenergie allgemein<br />
Energiewende allgemein<br />
Energiewende im Stromsektor / EEG<br />
Energiewende im Wärmesektor<br />
Energiewende im Verkehrssektor<br />
Konventionelle Energieträger<br />
CO 2<br />
-Bepreisung<br />
Sektorenkopplung<br />
CDU: Keine spezifischen Aussagen.<br />
CSU-Bayernplan: „Der Einsatz nachwachsender Rohstoffe bietet zusätzliche Einkommensquellen für Land- und Forstwirtschaft.“<br />
CDU: „[Wir] stehen zum weltweiten Klima-Abkommen von Paris.“<br />
„Wir halten an unseren bestehenden Energie- und Klimazielen fest und setzen sie Schritt für Schritt um. Dies gilt auch für den<br />
2016 beschlossenen Klimaschutzplan. Wir lehnen dirigistische staatliche Eingriffe in diesem Bereich ab und setzen stattdessen<br />
auf marktwirtschaftliche Instrumente.“<br />
„Durch den Ausbau erneuerbarer Energien wurde in erheblichem Umfang Wertschöpfung in die ländlichen Räume zurückverlagert.<br />
Deshalb ist der planbare, berechenbare und marktwirtschaftliche Fortgang der Energiewende für diese Regionen von besonderer<br />
Bedeutung.“<br />
CDU: Keine spezifischen Aussagen.<br />
CSU-Bayernplan: „[Beim] EEG brauchen wir einen Systemwechsel hin zu mehr Markt und Wettbewerb. Den Ausbau der erneuerbaren<br />
Energien wollen wir unter Wahrung des Bestandsschutzes auf neue verlässliche Grundlagen stellen.“<br />
CDU: „Wir werden […] keine Maßnahmen beschließen, die die Schaffung von Wohnraum zusätzlich verteuern. Wir werden prüfen,<br />
inwieweit durch die Abschaffung überflüssiger Vorschriften Kostensenkungspotenziale erschlossen werden können.“<br />
„Wir werden die energetische Gebäudesanierung steuerlich fördern und dadurch zusätzliche Anreize schaffen.“<br />
CDU: „Bis sich die Elektromobilität endgültig durchgesetzt hat, bleiben moderne Dieselfahrzeuge aufgrund ihres geringen CO 2<br />
-Austoßes<br />
eine wichtige Option.“<br />
„Wir unterstützen die Antriebswende im Verkehr und verfolgen eine technologieoffene Gesamtstrategie zur Förderung des Markthochlaufs<br />
alternativer Kraftstoffe und Antriebe wie der Elektromobilität und der Brennstoffzelle.“<br />
CDU: „Der langfristige Ausstieg aus der Braunkohle muss parallel zu einer konkreten neuen Strukturentwicklung verlaufen.“<br />
CDU/CSU: Keine spezifischen Aussagen.<br />
CDU: „Neben dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien wollen wir die Sektorenkopplung weiterentwickeln.“<br />
23
Politik<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
SPD<br />
Bioenergie allgemein<br />
Energiewende allgemein<br />
Energiewende im Stromsektor / EEG<br />
Energiewende im Wärmesektor<br />
Energiewende im Verkehrssektor<br />
Konventionelle Energieträger<br />
CO 2<br />
-Bepreisung<br />
Sektorenkopplung<br />
Keine spezifischen Aussagen.<br />
„Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass wir erneuerbare Energien weiter ausbauen. Erneuerbare Energien aus Windkraft (Offund<br />
Onshore) und Sonnenenergie sind langfristig die kostengünstigste Form der Energieerzeugung. Sie machen uns unabhängig<br />
von Öl, Erdgas und Uran aus Konfliktregionen. Sie tragen zur lokalen Wertschöpfung bei und zu einem fairen Energiemarkt.“<br />
„[Wir werden] den Klimaschutzplan 2050 weiterentwickeln. [… Wir werden] den Dialog mit den Unternehmen, den Gewerkschaften<br />
und den Beschäftigten in den betroffenen Sektoren führen. […] Im Rahmen dessen setzen wir auf Technologieneutralität und<br />
Innovationsoffenheit. Die Ergebnisse dieses Dialoges werden wir im Rahmen eines nationalen Klimaschutzgesetzes umsetzen.“<br />
„Wir wollen alternative Finanzierungsmodelle der Energiewende prüfen.“<br />
Keine spezifischen Aussagen.<br />
„Wir setzen uns auch für die Entwicklung und Nutzung alternativer Energiequellen für die Schifffahrt ein. […] Die Entwicklung<br />
alternativer Kraftstoffe und Antriebe für Flugzeuge wollen wir fördern. […] Um die Umweltbelastung in den Innenstädten zu reduzieren,<br />
werden wir die Anschaffung von Bussen und Taxis mit alternativen Antrieben sowie die Nutzung von Lastenrädern und die Umrüstung<br />
von innerstädtischen Lieferfahrzeugen fördern.“<br />
„Die vollständige Energiewende gelingt nur, wenn auf dem Weg dorthin konventionelle Energieträger den Ausbau der erneuerbaren<br />
Energien ergänzen. Erdgas, erneuerbares Gas aus Power-to-Gas-Anlagen und die bestehende Gasnetzinfrastruktur werden im<br />
Energiemix für eine flexible, sichere und CO 2<br />
-arme Energieerzeugung immer bedeutender.“<br />
„Den europäischen Emissionshandel werden wir so weiterentwickeln, dass er seine Funktion als zentrales Klimaschutzinstrument<br />
erfüllen kann. Sollte dies nicht zu erreichen sein, werden wir Verhandlungen für die Vereinbarung von CO 2<br />
-Mindestpreisen auf<br />
europäischer Ebene aufnehmen.“<br />
„Den europäischen Emissionshandel werden wir so weiterentwickeln, dass er seine Funktion als zentrales Klimaschutzinstrument erfüllen<br />
kann. Sollte dies nicht zu erreichen sein, werden wir Verhandlungen für die Vereinbarung von CO 2<br />
-Mindestpreisen auf europäischer<br />
Ebene aufnehmen.“<br />
„Speicher und andere Technologien für die Sektorenkopplung sowie die Flexibilisierung und die Digitalisierung der Energiewende<br />
wollen wir gezielt durch technologieoffene gesetzliche Rahmenbedingungen […] voranbringen.“<br />
Bündnis 90 / Die Grünen<br />
Bioenergie allgemein<br />
Energiewende allgemein<br />
Energiewende im Stromsektor / EEG<br />
Energiewende im Wärmesektor<br />
Energiewende im Verkehrssektor<br />
CO 2<br />
-Bepreisung<br />
Konventionelle Energieträger<br />
„Es ist […] unser Ziel, die Energieversorgung und Energie-Speicherung von Strom, Wärme und beim gesamten Verkehr komplett<br />
mit Sonne, Wind, Wasser, nachhaltig erzeugter Bioenergie, Umgebungstemperaturen und Erdwärme zu decken.“<br />
„Für alle 27 Staaten der EU muss bis 2050 eine CO 2<br />
-Reduktion von mindestens 95 Prozent gegenüber 1990 verpflichtend sein.“<br />
„100 Prozent Ökostrom bis 2030, das ist unser Ziel. Dafür werden wir den Kohleausstieg einleiten und die schwarz-rote<br />
Ausbaubremse für Erneuerbare abschaffen.“<br />
„[Wir wollen] alle EU-rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um Erneuerbare-Energien-Projekte vom bürokratischen<br />
Ausschreibungszwang und unberechtigten Umlagen zu befreien. Die sinnwidrige Erhebung der „Sonnensteuer“ wollen wir<br />
abschaffen und ein Ökostrommarktmodell einführen, damit aus deutschen erneuerbaren Anlagen Grünstrom auch wieder<br />
als Ökostrom vermarktet werden kann.“<br />
„[Mit den Einnahmen aus der CO 2<br />
-Bepreisung] schaffen wir die Stromsteuer ab, reduzieren die EEG-Umlage und finanzieren<br />
weitere Klimaschutzmaßnahmen.“<br />
„[Wir werden] zusätzliche Mittel für die energetische Gebäudesanierung bereitstellen [… und] Energieeffizienz […] fördern.“<br />
„Ab 2030 sollen nur noch abgasfreie Autos neu zugelassen werden.“<br />
„[Wir werden] die Kfz-Steuer reformieren und ein Bonus-Malus-System für Neuwagen einführen. Wer viel CO 2<br />
, NOx und Feinstaub-<br />
Emissionen verursacht, zahlt dann mehr.“<br />
„Es ist nicht einzusehen, warum Airlines von der Kerosinsteuer befreit sind. Das wollen wir beenden.“<br />
„[Wir wollen] weg vom Verbrennungsmotor und hin zum Elektroantrieb beziehungsweise emissionsfreien Antrieb. In der Schifffahrt<br />
weg vom Schweröl hin zu alternativen Antrieben.“<br />
„Der Einsatz von billigem Schweröl für Fracht- und Kreuzfahrtschiffe muss drastisch eingedämmt werden, wir fordern und fördern<br />
die Umrüstung auf umweltfreundlichere Energieträger.“<br />
„Der EU-Emissionshandel muss reformiert werden. […] Hierfür müssen überschüssige CO 2<br />
-Zertifikate dauerhaft gelöscht und<br />
die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten beendet werden.“<br />
„Durch einen gesetzlichen CO 2<br />
-Mindestpreis und eine ehrliche CO 2<br />
-Bepreisung auch außerhalb des Emissionshandels sorgen<br />
wir dafür, dass sich Investitionen in Klimaschutz betriebswirtschaftlich lohnen sowie planbarer werden.“<br />
„Grünes Ziel ist, die 20 dreckigsten Kohlekraftwerke sofort vom Netz zu nehmen und schrittweise die restlichen innerhalb der<br />
nächsten 20 Jahre abzuschalten.“<br />
„Hocheffiziente und zunehmend erneuerbare Kraft-Wärme-Kopplung wollen wir dabei unterstützen, dass sie immer flexibler auf<br />
den Strommarkt reagiert und so den Strom aus Wind und Sonne ergänzt.“<br />
24
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Politik<br />
FDP<br />
Bioenergie allgemein<br />
Energiewende allgemein<br />
Energiewende im Stromsektor / EEG<br />
Energiewende im Wärmesektor<br />
Energiewende im Verkehrssektor<br />
CO 2<br />
-Bepreisung<br />
Konventionelle Energieträger<br />
Sektorenkopplung<br />
Keine spezifischen Aussagen.<br />
„Erneuerbare Energien sind für uns ein wichtiges Element im Energiemix der Zukunft.“<br />
„[Wir] treten für eine vernünftige, international abgestimmte Politik auf Basis des Klimaschutzabkommens von Paris ein.“<br />
„Nationale Alleingänge wie den Klimaschutzplan 2050 lehnen wir ab.“<br />
„[Wir lehnen] auch auf Ebene der Europäischen Union technische Auflagen zur Treibhausgasminderung ab und treten für einen<br />
Verzicht auf Subventionen für Vermeidungstechnologien ein.“<br />
„[Wir lehnen] langfristige Pläne, mit denen für jeden Wirtschaftssektor spezifische Emissionsziele mittels restriktiver Vorgaben<br />
umgesetzt werden sollen, grundsätzlich ab.“<br />
„[Es sollen] nicht Gesetze und durch die Politik festgelegte Ausbauziele darüber entscheiden, mit welchem Energieträger und<br />
welcher Technologie zur Energieversorgung beigetragen wird.“<br />
„[Wir wollen] das Dauersubventionssystem des EEG mit Einspeisevorrang und -vergütung beenden. Anlagen mit Förderzusage<br />
genießen Bestandschutz.“<br />
Keine spezifischen Aussagen.<br />
„[Wir wollen alle staatlichen Subventionen überprüfen. […] So zum Beispiel die Kaufprämie für Elektroautos.“<br />
„Der EU-Emissionshandel […] muss auf weitere Sektoren (zum Beispiel Wohnen und Verkehr) ausgedehnt werden. […]<br />
Allerdings brauchen globale Wirtschaftsbereiche wie Schifffahrt und Luftverkehr auch globale Vereinbarungen. Gleichzeitig<br />
lehnen wir Eingriffe in die Preisbildung am Markt für Emissionszertifikate wie etwa Mindestpreise ab.“<br />
„[Auf] fossile Energieträger [kann] auf absehbare Zeit nicht verzichtet werden.“<br />
„[Wir] wollen Versorgungssicherheit im Wettbewerb erreichen und sind gegen staatliche Interventionen zur Bereitstellung ausreichender<br />
Kraftwerkskapazitäten. Wir wollen keine staatlich bestimmte Kapazitäts- und Klimareserve. […] In offenen Leistungsmärkten sollen alle<br />
Stromanbieter die dem Verbraucher zugesagte Leistung unter allen Bedingungen durch Versorgungsgarantien absichern müssen.“<br />
„[Wir] wollen die Potenziale der energietechnischen und energiewirtschaftlichen Verknüpfung von Strom, Wärme, Mobilität und<br />
Rohstoffen sowie deren Infrastrukturen („Sektorkopplung“) bei der Reduzierung von Treibhausgasemissionen marktwirtschaftlich<br />
nutzen. Wir lehnen eine planwirtschaftliche Umsetzung durch die Bundesregierung ab.“<br />
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25
Politik<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Die Linke<br />
Bioenergie allgemein<br />
„Die Linke unterstützt eine regional ausgerichtete und in der Bevölkerung verankerte Energiewende, [u.a.] Bioenergiedörfer.“<br />
„Die staatliche Subvention von […] »Biokraftstoff« wollen wir abschaffen [und] den Import von »Biokraftstoffen« verbieten,<br />
weil damit Nahrungsmittelproduktion in Ländern des globalen Südens verdrängt und Biotope zerstört werden. Regionale<br />
Pflanzenölkraftstoffe sollten nur im Agrarbereich und beim ÖPNV eingesetzt werden.“<br />
Energiewende allgemein Einsatz für ambitioniertere europäische Klimaschutzziele in 2030:<br />
60% THG-Reduktion ggü. 1990; 45% Erneuerbare Energie; 40% Primärenergiereduktion ggü. 2000<br />
Energiewende im Stromsektor / EEG EE-Ausbauziele im Stromsektor: 43% in 2020, 70% in 2030, 100% in 2050.<br />
„Wir wollen eine strukturelle Reform des EEG mit sozialen Komponenten.“ „Das Erneuerbare-Energien-Gesetz muss umgebaut<br />
oder durch eine neue Energiegesetzgebung abgelöst werden.“<br />
„Ausschreibungssysteme sind für Bürgerenergieprojekte […] teuer, riskant und aufwändig, wir lehnen sie ab.“<br />
Energiewende im Wärmesektor EE-Ausbauziel im Wärmesektor: 20% bis 2020.<br />
„Der verpflichtende Anteil erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung für Neubauten muss schrittweise gesteigert und bei<br />
grundlegenden Sanierungen auch auf den Gebäudebestand ausgeweitet werden.“<br />
„„Der Gebäudestand muss saniert und Neubauten müssen gut gedämmt werden.“<br />
„Die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden darf nicht zu höheren Warmmieten oder gar Verdrängung führen.“<br />
Energiewende im Verkehrssektor<br />
CO 2<br />
-Bepreisung<br />
Konventionelle Energieträger<br />
Sektorenkopplung<br />
„Der öffentliche Nahverkehr soll auf neue Antriebsmodelle umstellen.“<br />
„Die staatliche Subvention von Dieseltreibstoff, Flugbenzin und »Biokraftstoff« wollen wir abschaffen. DIE LINKE will den<br />
Import von »Biokraftstoffen« verbieten“ (siehe oben).<br />
„[Wir befürworten] ab 2030 nur noch Pkw mit Null CO 2<br />
-Emission zuzulassen.“<br />
„Die Kaufprämie für Elektroautos lehnen wir ab. Stattdessen wollen wir Elektromobilität im<br />
öffentlichen Verkehr fördern.“<br />
Nur Kritik des EU-Emissionshandels.<br />
„Der schrittweise Kohleausstieg beginnt 2018. Spätestens 2035 muss der letzte Kohlemeiler vom Netz gehen.“<br />
„[Wir fordern] einen Strukturwandelfonds in Höhe von jährlich 250 Millionen Euro für die soziale Absicherung der im Bergbau<br />
Arbeitenden und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.“<br />
„Den Einsatz von Blockheizkraftwerken (BHKW) und anderen Formen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) als hocheffiziente<br />
Brückentechnologie wollen wir besser fördern, um ihren Anteil bis 2020 auf 25 Prozent an der Bruttostromerzeugung zu erhöhen.“<br />
Keine spezifischen Aussagen.<br />
AfD<br />
Bioenergie allgemein<br />
Energiewende allgemein<br />
Keine spezifischen Aussagen<br />
„Wir wollen das Projekt der Dekarbonisierung über die „Große Transformation“ beenden und den Klimaschutzplan 2050 der<br />
Bundesregierung aufheben. Das Pariser Klimaabkommen vom 12.12.2015 ist zu kündigen.“<br />
Energiewende im Stromsektor / EEG<br />
Energiewende im Wärmesektor<br />
Energiewende im Verkehrssektor<br />
CO 2<br />
-Bepreisung<br />
Konventionelle Energieträger<br />
Sektorenkopplung<br />
„Das EEG ist ersatzlos zu streichen.“<br />
„Wir lehnen den weiteren Ausbau der Windenergie ab, denn er bringt mehr Schaden als Nutzen.“<br />
„Die EnEV und das EEWärmeG sind abzuschaffen.“<br />
„Die Elektromobilität muss sich wie jede Technik auf marktwirtschaftlicher Basis entwickeln.“<br />
Keine spezifischen Aussagen.<br />
„Die bestehenden Kernkraftwerke wollen wir deshalb nicht vor Ende ihrer Nutzungsdauer außer Betrieb nehmen.“<br />
„Auch auf die Nutzung moderner Gas- und Kohlekraftwerke wird Deutschland auf absehbare Zeit nicht verzichten können.“<br />
Keine spezifischen Aussagen.<br />
Autoren<br />
Sandra Rostek<br />
Leiterin des Hauptstadtbüros<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
Dr. Guido Ehrhardt<br />
Leiter des Referats Politik<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
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Tel. 030/275 81 79-0<br />
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26
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Politik<br />
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27
Politik<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Bioenergie – immer eine gute Wahl!<br />
Ein Überblick zur BEE-Kampagne zur Bundestagswahl <strong>2017</strong><br />
Oben: Im Rahmen<br />
der Sommertour der<br />
BEE-Kampagne war<br />
Hildesheim (Riedelsaal<br />
in der Volkshochschule)<br />
am 8. August eine der<br />
Stationen, wo eine<br />
Podiumsdiskussion<br />
zwischen Vertretern der<br />
Erneuerbaren Energien<br />
und Bundestagskandidaten<br />
stattfand.<br />
Unten: Volles Haus<br />
zur Podiumsdiskussion<br />
am 9. August im<br />
Energie-Bildungs- und<br />
Erlebnis-Zentrum in<br />
Aurich.<br />
Am 24. September werden bei der Bundestagswahl<br />
in diesem Jahr die Weichen für die<br />
Zukunft der Erneuerbare-Energien-Branche<br />
gestellt. Die Wählerinnen und Wähler<br />
werden dabei auch darüber entscheiden,<br />
welche Rolle die Bioenergie im Energiemix der Zukunft<br />
spielt. Auch in den kommenden Wochen und über die<br />
Wahl hinaus engagiert sich der Fachverband Biogas daher<br />
gemeinsam mit dem Bundesverband Erneuerbare<br />
Energie (BEE) und seinen Verbänden in einer Kampagne,<br />
um in der nächsten Legislaturperiode die politischen<br />
Rahmenbedingungen für Erneuerbare Energien<br />
deutlich zu verbessern.<br />
Auch viele Mitglieder des Fachverbandes tragen diese<br />
Kampagne durch ihre regen Spenden, zu denen<br />
wir in den vergangenen Wochen aufgerufen hatten.<br />
Zu den Aktivitäten mit dem BEE geben wir hier einen<br />
Überblick.<br />
Fotos: Fachverband Biogas e.V.<br />
Wie bringen wir Klimaschutz und Erneuerbare Energien<br />
nach der Bundestagswahl voran? Diese entscheidende<br />
Frage steht im Zentrum der BEE-Kampagne. Ziel ist,<br />
als Erneuerbare-Energien-Branche Lösungen anzubieten<br />
und als starker Partner für das Gelingen der Energiewende<br />
aufzutreten.<br />
Zu den ersten Schritten des BEE zählte daher, Studien<br />
zu den wichtigsten Fragen der Energiewende zu beauftragen<br />
– von CO 2<br />
-Bepreisung bis hin zu Sektorenkopplung.<br />
Gemeinsam wurden Vorschläge zur Bundestagswahl<br />
erarbeitet, mit denen der BEE dazu beitragen will,<br />
das Klima wirksamer zu schützen, den Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland zu stärken und sicherzustellen,<br />
dass die Energie auch in Zukunft bezahlbar bleibt.<br />
Das Herzstück der BEE-Kampagne ist die Sommertour,<br />
bei der in elf ausgewählten Wahlkreisen bei Podiumsdiskussionen<br />
mit Bundestagskandidatinnen und -kandidaten<br />
diskutiert wird. Viele Termine der Sommertour<br />
haben im August stattgefunden, natürlich mit reger<br />
Beteiligung des Fachverbandes Biogas. Im September<br />
wird es noch zwei weitere Stationen geben: am 14. bei<br />
der HUSUMWind und am 15. in Peine. Als „Verlängerung“<br />
der Sommertour haben regionale Akteure mithilfe<br />
eines Aktionskits zudem weitere Podiumsdiskussionen<br />
organisiert.<br />
Außerdem haben die Verbände eine Broschüre „Argumente<br />
für die Energie der Zukunft“ erstellt. Sie zeigt,<br />
dass es ökologisch notwendig und ökonomisch sinnvoll<br />
ist, jetzt konsequent auf die Energie der Zukunft<br />
umzusteigen. Viele weitere Aktivitäten wurden unternommen,<br />
um die richtige Weichenstellung bei der Bundestagswahl<br />
anzubahnen: Beispielsweise wurden die<br />
Positionen der Parteien mit Wahlprüfsteinen abgefragt,<br />
eine Akzeptanzumfrage bei der Agentur für Erneuerbare<br />
Energien beauftragt (siehe Seite 6) und Fachveranstaltungen<br />
organisiert. Zusätzlich werden die Verbände<br />
im Rahmen der BEE-Kampagne bei den Parteitagen im<br />
Herbst präsent sein.<br />
Weitere Informationen und die Materialien der BEE-<br />
Kampagne sind sowohl auf www.bee-ev.de als auch im<br />
Mitgliederbereich des Fachverbandes Biogas zu finden.<br />
Bei Fragen rund um die BEE-Aktivitäten zur Bundestagswahl<br />
<strong>2017</strong> können Sie sich an btw<strong>2017</strong>@bee-ev.de<br />
oder direkt an Mareike Fischer, Tel. 030/275 81 79-22,<br />
E-Mail: mareike.fischer@biogas.org, wenden.<br />
Autorin<br />
Mareike Fischer<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
28
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Politik<br />
ÜBERWACHUNG VON BIOGAS-ANLAGEN<br />
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Biogases auf die Gaskompo nenten hin.<br />
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29
praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Busse in Oslo<br />
fahren mit BioLNG<br />
aus Bioabfall<br />
In Norwegens Hauptstadt werden neue Wege in<br />
Sachen umweltfreundliche Mobilität beschritten.<br />
Verflüssigtes Biomethan, LBG (Liquefied Bio<br />
Gas) oder auch BioLNG genannt, soll die CO 2<br />
-<br />
Emissionen im Verkehrssektor senken. BioLNG<br />
ist das Gegenstück zum verflüssigten fossilen<br />
Erdgas (LNG = Liquefied natural gas).<br />
Von Michael Kralemann<br />
Die norwegische Energieversorgung zählt zu den<br />
umweltfreundlichsten in ganz Europa – die<br />
großen Potenziale der Wasserkraft machen es<br />
möglich. So basiert fast die gesamte Stromerzeugung<br />
auf diesem erneuerbaren Energieträger.<br />
Aber man findet ihn auch in der Wärmeversorgung. Wer<br />
jemals im Urlaub in Norwegen war, wird sich an die weitverbreiteten<br />
Stromheizungen erinnern.<br />
LNG-Vorratsbehälter im<br />
Busdepot Oslo Vest.<br />
Foto: 3N<br />
30
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
praxis / Titel<br />
Bleibt also der Verkehrssektor. Auch hier setzt das<br />
Land auf sein Strompotenzial, Erdgasfahrzeuge sind<br />
sehr selten und beschränken sich auf den öffentlichen<br />
Sektor. Elektroautos werden dagegen auf vielfältige<br />
Weise unterstützt. Dazu gehören die Aufhebung der<br />
Straßenmaut, die Benutzung der Busspur bei Stau und<br />
die Befreiung von der Importsteuer, auch von zukünftig<br />
möglichen Fahrverboten in Innenstädten könnten sie<br />
ausgenommen werden.<br />
Im Lkw-Verkehr sind dem Strom jedoch Grenzen gesetzt,<br />
hier sind Energieträger mit höherer Energiedichte<br />
gefragt. Bis 2020 sollen 7 Prozent der in Norwegen<br />
verbrauchten Kraftstoffe biogener Herkunft sein. Die<br />
Region Oslo geht deshalb einen ganz besonderen Weg<br />
bei der städtischen Busflotte. Der Bioabfall aus den<br />
Haushalten wird separat erfasst und seit 2013 in einer<br />
eigens dafür errichteten Biogasanlage vergoren. Das<br />
so erzeugte Gas wird aufbereitet und verflüssigt (LBG<br />
= verflüssigtes Biogas oder auch BioLNG), sodass es<br />
wesentlich kostengünstiger transportiert werden kann.<br />
Auf diese Weise gelangt es zurück in die Stadt und<br />
dient zum Antrieb der öffentlichen Busse.<br />
Biomüllsammlung nicht gängige Praxis<br />
So naheliegend diese Idee ist, so komplex ist ihre Realisierung,<br />
denn sie bedarf mehrerer Verfahrensschritte.<br />
Am Anfang steht die Erfassung des Bioabfalls. Im<br />
Gegensatz zu Deutschland stellt sie in Norwegen ein<br />
Novum dar, dementsprechend gering waren in den<br />
ersten Jahren die Beteiligung der Bevölkerung und die<br />
Qualität des Bioabfalls.<br />
Die Mengen erreichten nur langsam die Anlagenkapazität<br />
von jährlich 50.000 Tonnen (t), dies wurde aber zunächst<br />
durch eine Verlängerung der Verweilzeiten von<br />
24 auf 35 Tage ausgeglichen. Der Prozess läuft mittlerweile<br />
stabil und erreicht mit einem Gasertrag von<br />
150 Kubikmetern (m³) pro Tonne und einem Methangehalt<br />
von 60 Prozent gute Werte. Die Gasproduktion<br />
von 14.000 Normkubikmetern pro Tag entspricht einer<br />
elektrischen Leistung von 1.300 kW. Hieraus werden<br />
8.000 m³ Biomethan und anschließend rund 4.000<br />
Kilogramm LBG pro Jahr erzeugt.<br />
Mit der Vergärung des Bioabfalls entspricht die Anlage<br />
dem Ziel der norwegischen Regierung: Biogas soll<br />
ausschließlich aus derartigen Substraten, Wirtschaftsdünger<br />
und landwirtschaftlichen Reststoffen<br />
erzeugt werden. Die Verwendung von<br />
Energiepflanzen ist nicht erwünscht, bei den<br />
geringen Anbauflächen des nordeuropäischen<br />
Landes nicht verwunderlich. Als mittelfristiges<br />
nationales Ziel gilt die Vergärung von 30 Prozent<br />
des Wirtschaftsdüngers. Die Einspeisung von Biogas<br />
in das öffentliche Gasnetz stellt allerdings auch hier<br />
eine Besonderheit dar – in Norwegen arbeiten bisher<br />
nur acht derartige Anlagen.<br />
Mit der Aufbereitung des Biogases beginnt am Anlagenstandort<br />
in Nes der zweite Schritt des Produktionsprozesses.<br />
Die von der städtischen Gesellschaft Energigjenvinningsetaten<br />
(EGE) 60 Kilometer nordöstlich<br />
von Oslo errichtete Anlage übergibt das Gas nach der<br />
H 2<br />
S-Entfernung an eine Druckwasserwäsche, die den<br />
Methangehalt auf 98 Prozent erhöht. Was für die Einspeisung<br />
ins Erdgasnetz ausreichend wäre, erfordert<br />
bei der Verflüssigung jedoch einen weiteren Schritt.<br />
In einer nachgeschalteten Tiefenreinigung, ausgelegt<br />
als Temperatur- und Druckwechseladsorption, sinkt<br />
der CO 2<br />
-Gehalt von 20.000 auf 50 ppm (von 2 % auf<br />
0,005 %).<br />
Gasaufbereitung mittels Aminwäsche<br />
Diese Konfiguration ist dem Umstand geschuldet, dass<br />
die Verflüssigung erst in einem zweiten Schritt geplant<br />
wurde. Bei einer Neuanlage würde mit einer Aminwäsche<br />
ein einstufiger Prozess gewählt, sagt Sebastian<br />
Kunert von der Firma Wärtsilä Gas Solutions. Sie hat<br />
die Biogas-Tiefenreinigung und die LNG-Erzeugung<br />
Bio-<br />
LNG<br />
31
praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Bio-<br />
LNG<br />
Betankung eines<br />
Busses mit CNG.<br />
LBG-Erzeugung aus einer Abfallvergärungsanlage<br />
in Deutschland – ein Beispiel<br />
Foto: 3N<br />
gebaut. Die norwegische Tochtergesellschaft des finnischen<br />
Konzerns ist auf derartige Technologien spezialisiert<br />
und kann in ganz Europa Referenzanlagen<br />
aufweisen.<br />
Dass die nächste Anlage in Deutschland entstehen<br />
wird, freut den gebürtigen Berliner besonders. Das<br />
Vorhaben im Energiepark Hahnennest in Oberschwaben<br />
befindet sich derzeit im Genehmigungsverfahren<br />
und soll 2019 seinen Betrieb aufnehmen. Die von Erdgas<br />
Südwest betriebene Anlage hat eine Leistung von<br />
1.000 Normkubikmetern Rohbiogas pro Stunde und<br />
wird dann LBG aus Bioabfällen erzeugen, um unter<br />
anderem Fähren auf dem Bodensee zu versorgen. Ganz<br />
nach dem Grundsatz eines regionalen Kreislaufs.<br />
In der Osloer Anlage schließt sich der Tiefenreinigung<br />
des Biogases die eigentliche Verflüssigung an. Das aus<br />
dem Bioabfall erzeugte LBG liegt bei etwa minus 160 °C<br />
vor und wird zunächst in einem Tank von 180 m³ bei<br />
einem Druck von 2 bar gelagert. Diese hohe Energiedichte<br />
ermöglicht den Transport per Lkw zu seinem<br />
Bestimmungsort, den Osloer Busdepots. Die Nahverkehrsgesellschaft<br />
Ruter hat 2012 mit der Umstellung<br />
ihrer Flotte auf Erdgas begonnen und konnte ein Jahr<br />
danach auf das regional erzeugte Biogas umsteigen.<br />
BioLNG wird regasifiziert<br />
Im Depot Oslo Vest wurde beispielsweise eine Infrastruktur<br />
mit 44 Betankungsplätzen geschaffen. Nach<br />
15 bis 20 Minuten sind die Tanks auf den Dächern<br />
der Busse gefüllt. Dass dabei allerdings CNG verwendet<br />
wird, liegt an der Entstehungsgeschichte und an dem<br />
hohen Anspruch an Versorgungssicherheit, der durch<br />
einen Anschluss an das öffentliche Erdgasnetz gedeckt<br />
wird. Das angelieferte LBG wird deshalb in einem hohen<br />
Lagerbehälter vorgehalten und bei Bedarf wieder<br />
zu gasförmigem Kraftstoff expandiert. Hier ist anzumerken,<br />
dass die Regasifizierung zusätzliche Kosten<br />
verursacht und energetisch unsinnig ist.<br />
Die Nahverkehrsgesellschaft setzt mit dieser Versorgung<br />
das gesellschaftliche Ziel einer umweltfreundlichen<br />
Kraftstoffversorgung um. Die Biogasproduktion<br />
ermöglicht den Betrieb von 135 Bussen und führt<br />
zu einer Minderung der CO 2<br />
-Emissionen von jährlich<br />
10.000 t. Neben der Nutzung der regionalen Ressourcen<br />
liegt darin der Hauptgrund für den gewählten Weg.<br />
Die Umstellung der Busse auf den gasförmigen Energieträger<br />
reduziert außerdem die Staub- und Lärmemissionen<br />
in der Stadt.<br />
„Dieses gute Beispiel kennenzulernen, war das Ziel unserer<br />
Exkursion“, sagt Reent Martens vom 3N Kompentenzzentrum,<br />
der ein deutsch-niederländisches Projekt<br />
zur LBG-Erzeugung aus Biogas leitet. Das niedersächsische<br />
Landesberatungszentrum 3N untersucht die technischen,<br />
wirtschaftlichen und umweltseitigen Aspekte<br />
dieses Verwertungspfads, der für Biogasanlagen nach<br />
Ende der EEG-Vergütung interessant werden kann –<br />
und für abfallvergärende Anlagen auch schon vorher.<br />
Um die Realisierbarkeit und Konkurrenzfähigkeit<br />
der LBG-Erzeugung für eine Biogasanlage im EEG<br />
zu bewerten, hat 3N einen Beispielfall untersucht.<br />
Die betrachtete Anlage zur Vergärung von Lebensmittel-<br />
und Schlachtabfällen unterliegt den Bestimmungen<br />
des EEG 2004 und verfügt über eine<br />
Bemessungsleistung von 1.880 kW. Bei den insgesamt<br />
fünf BHKW an der Anlage und an zwei Satellitenstandorten<br />
werden 49 Prozent der entstehenden<br />
Wärme genutzt.<br />
Auch ein lebensmittelverarbeitender Betrieb zählt<br />
zu den Wärmekunden und bezieht außerdem Strom<br />
von den BHKW – die Anlage vermarktet also bereits<br />
einen Teil ihrer Erzeugung außerhalb des EEG. Bei<br />
einer Stromvergütung von rund 10 ct/kWh ist dies<br />
für beide Vertragspartner attraktiv. In der Summe<br />
werden 64 Prozent der Gaserzeugung zur lokalen<br />
Wärme- und Stromproduktion genutzt. Die verbleibende<br />
Menge könnte zu Biomethan (CNG) oder LBG<br />
aufbereitet werden. Aus einer Rohgasleistung von<br />
stündlich 300 m³ können 200 m³ Biomethan oder<br />
210 Kilogramm LBG produziert werden. Das Biomethan<br />
liegt zu Kosten vor, die als marktgängig zu<br />
bezeichnen sind. Als Nutzung kommt vor allem die<br />
Verstromung infrage, die Verwendung als Kraftstoff<br />
ist aufgrund der Bestimmungen der Biokraftstoffverordnung<br />
wenig attraktiv. Energieerzeugnisse,<br />
die vollständig oder teilweise aus tierischen Ölen<br />
oder Fetten hergestellt werden, werden seit 2012<br />
nicht mehr auf die Erfüllung dieser Verpflichtungen<br />
angerechnet.<br />
Bei der Vermarktung von LNG ist die Bewertung<br />
etwas schwieriger, da kein vergleichbarer Markt<br />
besteht. Die Erzeugungskosten aus der betrachteten<br />
Anlage führen jedoch zu Preisen, die 10 bis<br />
20 Prozent über dem aktuellen Marktniveau liegen.<br />
Ob das Vorhaben realisiert wird und welcher Nutzungspfad<br />
dabei eingeschlagen wird, ist noch nicht<br />
entschieden.<br />
32
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
praxis / Titel<br />
Fotos: Wärtsilä<br />
Kompressoreinheit der Bio-LNG-Produktion.<br />
Anlage zur Aufbereitung und Verflüssigung von Biogas der Stadt Oslo.<br />
Steuerbegünstigung<br />
In die Wirtschaftlichkeit des Osloer Projekts hat er allerdings<br />
keinen Einblick bekommen. „Entscheidende<br />
Größen sind die Kosten der Bioabfallbeseitigung, die<br />
als Erlös eingerechnet werden können, und die rechtlichen<br />
Rahmenbedingungen von Biogas als Kraftstoff“,<br />
sagt Martens. „Die Steuerbefreiung von Erdgas als<br />
Kraftstoff bis 2026 ist ein sehr wichtiger Schritt, dabei<br />
wird jedoch nicht zwischen fossilen und erneuerbaren<br />
Quellen unterschieden“, gibt er zu bedenken. Hier sei<br />
die Bundesregierung gefordert, zum Beispiel bei der<br />
Neufestlegung der Biokraftstoffquoten.<br />
Die Vergärung von Bioabfall bietet bereits heute ein Potenzial<br />
zur konkurrenzfähigen Biomethanerzeugung,<br />
auch unabhängig vom Verkehrssektor. Zu diesem Ergebnis<br />
kommt 3N in einer Untersuchung für zwei niedersächsische<br />
Landkreise. Wenn die Substrate den im<br />
EEG <strong>2017</strong> genannten Stoffgruppen entsprechen (kompostierbare<br />
Abfälle, gemischte Siedlungsabfälle oder<br />
Marktabfälle), beträgt die Stromvergütung 14,88 ct/<br />
kWh (Bemessungsleistung bis 500 kW) bzw. 13,05 ct/<br />
kWh (Bemessungsleistung über 500 kW). Dabei handelt<br />
es sich um eine Festvergütung, die nicht unter die<br />
Ausschreibungspflicht fällt. Die Nutzung als Kraftstoff<br />
ist somit eine Alternative zur Verstromung, eine gute<br />
Perspektive für die Anlagenbetreiber.<br />
Autor<br />
Michael Kralemann<br />
3N-Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk<br />
Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e.V.<br />
Büro Göttingen · Tel. 05 51/30738-18<br />
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33
praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Bio-<br />
LNG<br />
Gas geht aufs Schiff<br />
Der unter norwegischer Flagge fahrende LNG-Tanker<br />
Arctic Princess am „Gate Terminal“ für LNG in Rotterdam.<br />
Typisch sind die kugelförmigen, hinsichtlich Druckableitung<br />
und Wärmeisolierung optimierten LNG-Tanks.<br />
Foto: Gate Terminal<br />
Experten glauben, dass sich der Welthandel mit Gas dem mit Erdöl angleichen wird. Möglich macht das der<br />
globale Boom von LNG. Auch in Europa wird die Nachfrage nach verflüssigtem Erdgas zunehmen: Zum einen<br />
werden für den Straßengüter- und den Schiffsverkehr dringend umweltfreundlichere Kraftstoffe gebraucht;<br />
zum anderen hegen viele Länder das Ziel der Diversifizierung ihrer Energieversorgung. Bietet der LNG-Boom<br />
auch Chancen für Biogas? Schließlich steht mit BioLNG eine „grüne“ Alternative bereit.<br />
Von Christian Dany<br />
Deutschland Anfang August<br />
<strong>2017</strong>: Landauf, landab kennen<br />
die Medien nur ein Thema<br />
– den Diesel-Gipfel. Weil einer<br />
von ihnen geschummelt hat,<br />
müssen die deutschen Autobauer im Ensemble<br />
den Gang nach Canossa antreten<br />
und Besserung geloben. Während die Gipfel-Ergebnisse<br />
bescheiden blieben, dürfte<br />
der deutsche Michel jedoch seine Lektion<br />
gelernt haben: Der Diesel ist dreckig und<br />
muss weg!<br />
Auf den Randspalten der Zeitungen dieser<br />
Tage fand noch ein anderes Thema Beachtung:<br />
„Donald Trump erlässt neue Russland-<br />
Sanktionen“. Davon betroffen sein könnten<br />
auch der Gashandel Russlands mit europäischen<br />
Ländern und der Bau der „Nord<br />
Stream 2“. Was Dieselaffäre und Russlandsanktionen<br />
miteinander zu tun haben? Beides<br />
ebnet den Weg für einen prophezeiten<br />
Paradigmenwechsel in der Energieversorgung:<br />
den Aufschwung von Flüssigerdgas,<br />
international LNG (Liquified Natural Gas,<br />
siehe Kasten auf Seite 36) genannt.<br />
Der World Energy Outlook der Internationalen<br />
Energieagentur erwartet mit LNG eine<br />
„zweite Erdgas-Revolution“. Die weltweite<br />
LNG-Nachfrage erreichte im Vorjahr 265<br />
Millionen (Mio.) Tonnen (t). Diese Menge<br />
reicht aus, um 500 Mio. Wohnungen mit<br />
Energie zu versorgen. Der auf Ozeantankern<br />
basierende LNG-Welthandel hat sich<br />
seit dem Jahr 2000 verdoppelt und soll<br />
bis 2040 Pipeline gebundenes Erdgas im<br />
Gas-Fernhandel [mit einem Anteil von 53<br />
Prozent (%)] überwiegen. Dem Shell-LNG-<br />
Outlook zufolge wächst die LNG-Nachfrage<br />
mit 4 bis 5 % jährlich doppelt so schnell<br />
wie die von Erdgas (2 %).<br />
Der Nachfrageschub kommt vor allem aus<br />
Ostasien, wo der Energiehunger von China<br />
und Indien gestillt werden muss. Japan<br />
und Südkorea sind traditionelle LNG-Importländer.<br />
Aufgrund ihrer Insellage – ein<br />
Blick auf den Globus genügt, um zu erkennen,<br />
dass nicht Nord- sondern Südkorea<br />
das „isolierte Land“ ist – sind beide auf die<br />
LNG-Versorgung per Schiff angewiesen.<br />
Japan deckt nach dem Atomunfall in Fukushima<br />
inzwischen mehr als die Hälfte seines<br />
Energiebedarfs mit Gas und verbraucht<br />
so viel LNG wie kein anderes Land. Die<br />
Wachstumsaussichten führten zu gigantischen<br />
Ausbauplänen: Derzeit sind Verflüssigungsanlagen<br />
für 130 Milliarden (Mrd.)<br />
Kubikmeter (m³) im Bau, hauptsächlich in<br />
Australien und den USA.<br />
Als die LNG-Großmacht schlechthin gilt<br />
Katar. Mit einem Anteil von 30 % ist der<br />
kleine Golfstaat Weltmarktführer. Analysten<br />
rechnen jedoch schon für <strong>2017</strong> damit,<br />
dass Australien die „Pole“ übernehmen<br />
könnte. Der World Energy Outlook geht von<br />
einer „markanten Veränderung“ des bisherigen<br />
Systems der starren Beziehungen<br />
zwischen Anbietern und Abnehmern zu<br />
einem stärker vom Wettbewerb geprägten<br />
Umfeld aus. Vereinfacht heißt das: Mit der<br />
34
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Schifffahrt mit LNG:<br />
Jetzt geht’s los!<br />
Die Markteinführung von LNG in der deutschen Schifffahrt trat<br />
lange Zeit auf der Stelle. In jüngster Zeit sind jedoch einige Aktivitäten<br />
zu beobachten: Hohe Priorität hat LNG bei Kreuzfahrtschiffen.<br />
Die Umweltorganisation NABU beklagte vor Kurzem,<br />
dass ein großes Kreuzfahrtschiff so viel Schadstoffe ausstößt<br />
wie 5 Millionen Autos auf gleicher Strecke. Mit LNG sollen nicht<br />
zuletzt Urlauber vor Abgasen geschützt werden. So hat die<br />
Meyer Werft in Papenburg mittlerweile Aufträge zum Bau von<br />
neun LNG-Kreuzfahrtschiffen bis 2024. Schon Ende nächsten<br />
Jahres soll der erste mit Flüssigerdgas betankte AIDA-Kreuzer<br />
auslaufen.<br />
Die Bundesregierung hat für den Bau des neuen Hochsee-Forschungsschiffs<br />
Atair einen LNG-Motor bei Wärtsilä in Auftrag<br />
gegeben. LNG-betriebene Fähren sind in Skandinavien schon<br />
weit verbreitet. Seit Ende 2015 verkehrt zwischen Cuxhaven<br />
und Helgoland die erste neu gebaute LNG-Fähre in Deutschland.<br />
Ein großer LNG-Player ist der Mineralölkonzern Shell. In dessen<br />
Dienst fahren mehr als 40 LNG-Tanker – rund 11 % der weltweiten<br />
LNG-Flotte. 2016 schloss Shell einen Vertrag zum Bau<br />
von 15 LNG-Transportschiffen auf dem Rhein. Schon seit einigen<br />
Jahren sind die LNG-betriebenen Flussschiffe Green Rhin<br />
und Greenstream zwischen Rotterdam und Basel im Einsatz.<br />
Die LNG-Schiffe in Deutschland werden bislang mobil von Lkw<br />
aus oder mit Wechselcontainern betankt. Nun soll die erste<br />
feste Bunkerstation im Kölner Hafen entstehen. Mit ihr können<br />
LNG gespeichert, Lkw und Schiffe betankt werden. Das niederländische<br />
Unternehmen Pitpoint.LNG soll die Station bauen<br />
und betreiben. Mitte 2018 soll sie fertig sein.<br />
In der Rhein-Ruhr-Region gibt es noch weitere Pläne zur Etablierung<br />
einer LNG-Infrastruktur. Am Aufbau einer multimodalen<br />
LNG-Betankung für Land- und Wasserfahrzeuge im Duisburger<br />
Hafen etwa ist die RWE Supply & Trading beteiligt. Die<br />
Stadtwerke Konstanz wollen eine neue Bodenseefähre mit LNG<br />
betreiben. Der Motorenhersteller MTU Friedrichshafen entwickelt<br />
hierfür zurzeit einen Motor. Nach Möglichkeit soll die neue<br />
Fähre sogar mit LNG aus Biogas betrieben werden.<br />
Ausbreitung der LNG-Tanker diversifizieren<br />
sich Lieferbeziehungen. Die Preisbildung<br />
wird volatiler. Der Welthandel mit<br />
Gas gleicht sich dem mit Erdöl an und<br />
bedrängt diesen.<br />
Eine verstärkte Rolle auf dem LNG-Weltmarkt<br />
werden künftig auch die USA spielen.<br />
Die Amerikaner sind derzeit dabei,<br />
sich durch Fracking und neue Terminals<br />
vom Gasimport- zum Gasexportland zu<br />
entwickeln. Klar, dass sie ihre Macht pro<br />
LNG ausspielen. Wegen der Russlandsanktionen<br />
warf Außenminister Sigmar Gabriel<br />
den USA eine Vermischung politischer und<br />
wirtschaftlicher Interessen vor. „Hier soll<br />
russisches Gas vom europäischen Markt<br />
verdrängt werden, um Platz zu<br />
haben für amerikanisches Gas“,<br />
sagte er laut Handelsblatt.<br />
„Amerika sowie Polen und die<br />
baltischen Staaten im Schlepptau<br />
haben kein Veto- und Blockaderecht<br />
gegen europäischrussische<br />
Erdgasbeziehungen,<br />
Pipelines eingeschlossen“,<br />
kommentierte Rainer Seele,<br />
Generaldirektor des österreichischen<br />
Energiekonzerns OMV<br />
in der Frankfurter Allgemeinen<br />
Zeitung. Die OMV ist am Pipelineprojekt<br />
Nord Stream 2 beteiligt.<br />
Polen habe sich zwar den<br />
Bau des LNG-Terminals in Swinemünde<br />
von der EU mitfinanzieren<br />
lassen, opponiere aber in<br />
Brüssel und Washington gegen<br />
Nord Stream 2.<br />
Unser Nachbarstaat setzt offenbar<br />
voll auf LNG, denn das 2015<br />
eröffnete Swinemünder Terminal<br />
soll schon wieder erweitert<br />
werden. Viele weitere europäische<br />
Länder haben bereits Erfahrungen<br />
mit LNG gesammelt.<br />
Stark verbreitet hat es sich aber<br />
bislang nur in den Niederlanden.<br />
„In Europa gibt es etwa 20 LNG-<br />
Importterminals an Seehäfen“,<br />
weiß Korbinian Nachtmann<br />
von der Hochschule Landshut.<br />
Aufgrund der guten Pipelineversorgung<br />
seien diese im<br />
Schnitt nur zu weniger als 30 %<br />
ausgelastet.<br />
Nachtmann hat als Mitherausgeber<br />
an einer Marktpotenzialanalyse<br />
bis 2030 mitgewirkt.<br />
Mit künftig noch größeren, weltweit verfügbaren<br />
Mengen erwartet er eher sinkende<br />
Preise für LNG und meint: „Was am Weltmarkt<br />
nicht verkauft werden kann, geht<br />
nach Europa.“ Schon heute dient vor allem<br />
Nordeuropa als eine Art „Ramschmarkt“<br />
der LNG-Händler: Diese liefern lieber an<br />
Abnehmer in Asien, die mangels Alternativen<br />
Preise zahlen, die weit über dem europäischen<br />
Niveau liegen.<br />
Aus für Schweröl!?<br />
Trotz sinkender Preise: Dass LNG bald<br />
Erdgas in nennenswerten Mengen aus<br />
dem Netz drängen wird, erscheint unwahrscheinlich.<br />
Dafür sollen mit LNG neue Ziel-<br />
35<br />
praxis / Titel<br />
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praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
LNG-Schiffbetankung<br />
im Mannheimer Hafen.<br />
LNG – Daten und Fakten<br />
Foto: Hafen Mannheim<br />
LNG (Liquefied Natural Gas) ist Erdgas oder Methan, das bei atmosphärischem<br />
Druck auf -162 °C gekühlt und dadurch flüssig wird. Dabei schrumpft es bis<br />
auf ein Sechshundertstel seines Volumens zusammen und kann so in Tanks<br />
transportiert werden. Die Dichte von Flüssigerdgas liegt bei circa 450 kg/m 3 .<br />
Bezogen auf das Volumen beträgt der untere Heizwert (Hi) 6,11 kWh/Liter (l);<br />
zum Vergleich: Diesel 9,86 kWh/l und Superbenzin 8,77 kWh/l. Dagegen liegt<br />
die gravimetrische Energiedichte von LNG mit 13,89 kWh/kg über der von 11,83<br />
kWh/kg bei Diesel.<br />
Beim gasförmigen Erdgas-Kraftstoff (CNG) ist die durch Kompression erreichte<br />
Dichte, aber auch der Energieaufwand, wesentlich geringer als bei der Verflüssigung.<br />
Die Verflüssigung verbraucht 10 bis 25 % des Energiegehaltes des<br />
Erdgases. Großanlagen, zum Beispiel in einem LNG-Terminal, schaffen tendenziell<br />
niedrige Werte, während bei Kleinanlagen, zum Beispiel zur Verflüssigung<br />
von Biomethan, um die 20 % einzukalkulieren sind. Der Energieverbrauch des<br />
Ozeantankers beim Transport liegt bei 1 bis 2 % pro 1.000 Kilometer und damit<br />
in der Größenordnung eines Pipelinebetriebs.<br />
LNG wird als Kraftstoff in einem Druckbereich von 1 bis 8 bar verwendet. Eine<br />
spezielle Technik wird benötigt, um das sogenannte Boil-off-Gas (verdampftes<br />
Gas im Tank) zu kontrollieren. Sollte ein Lkw mehrere Tage lang stehen, steigt<br />
der Druck in dem isolierten Tank an. Bei 15 bar spricht ein Sicherheitsventil an<br />
und Methan muss abgelassen werden, was aber in jedem Fall zu vermeiden ist.<br />
LNG ist daher nicht für Nutzfahrzeuge mit vielen Standzeiten und Pkw geeignet.<br />
Beim Tanken der tiefkalten Flüssigkeit sind besondere Anforderungen zu beachten,<br />
wie beispielsweise das Tragen von Isolierhandschuhen.<br />
märkte erschlossen werden: der Straßengüter-<br />
und der Schiffsverkehr. Auf der Straße<br />
gilt LNG als einzige wettbewerbsfähige<br />
Alternative zum Diesel, auf dem Wasser<br />
helfen verschärfte Emissionsbestimmungen<br />
der Markteinführung. In der Binnenschifffahrt<br />
traten mit der neuen NRMM-<br />
Verordnung (Non-Road-Mobile-Machinery)<br />
Anfang <strong>2017</strong> verschärfte<br />
Grenzwerte<br />
der wichtigsten<br />
Luftschadstoffe in<br />
Kraft.<br />
Bis 2020 gelten<br />
aber noch Übergangsbestimmungen.<br />
Für Hochseeschiffe<br />
hat die<br />
International Maritime<br />
Organization<br />
(IMO) den Grenzwert<br />
für Schwefel<br />
im Kraftstoff ab 2020 weltweit von 3,5<br />
auf 0,5 % reduziert. Diese Bestimmung<br />
dürfte das Aus bedeuten für den Schweröl-<br />
Einsatz, wie er bisher betrieben wird. Abgasreinigungen<br />
werden wohl zugelassen.<br />
Ansonsten müssen die Reeder auf Marinediesel<br />
umsteigen (oder zumindest damit<br />
strecken) – oder eben auf LNG.<br />
Schiffsanlegeplatz mit LNG-Pumpstation am „Gate Terminal“ in Rotterdam.<br />
Das Flüssigerdgas ist der sauberste fossile<br />
Brennstoff: Die Emissionen von NOx (-23 %),<br />
Feinstaub (-92 %) und Lärm (-50 %) können<br />
gegenüber Dieselmotoren neuester Euro-VI-Generation<br />
deutlich reduziert werden.<br />
Dennoch hatte LNG jahrelang schlechte<br />
Karten, denn im öffentlichen Interesse war<br />
die Klimadebatte vorherrschend, und hier<br />
hat es weniger zu bieten: Laut einer Studie<br />
des internationalen Erdgasfahrzeug-Verbandes<br />
NGVA spart LNG im Schwerlastverkehr<br />
zwischen 6 und 15 % Treibhausgase<br />
im Vergleich zu Dieselfahrzeugen ein. Der<br />
höhere Wert ist jedoch nur mit einer neuen<br />
Generation an HDPI-Motoren (Hochdruck-<br />
Direkteinspritzung) zu erreichen, die aber<br />
noch nicht marktverfügbar sind. CNG-<br />
Trucks (komprimiertes Erdgas) schaffen 16<br />
% THG-Einsparung, haben aber das Reichweiten-Problem.<br />
LNG-Hochseeschiffe erreichen<br />
bis zu 21 % gegenüber Schweröl.<br />
Deutschland ist in Sachen LNG noch ein<br />
Foto: Shell<br />
36
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Nutzen Sie die praxis Flexibilisierungs-<br />
/ Titel<br />
prämie und sichern Sie sich<br />
neue Einkünfte neben der Landwirtschaft!<br />
Mobile LNG-Tankstelle als Lkw-Sattelauflieger von der Liqvis GmbH,<br />
einer Tochtergesellschaft von Uniper.<br />
Foto: Liqvis GmbH<br />
Mit PlanET <strong>2017</strong><br />
in die Flexprämie<br />
Mit dem PlanET Rendite-Konzept<br />
„BHKW Flex“ sind Sie auf der<br />
sicheren Seite:<br />
Zwerg, der der internationalen Entwicklung<br />
hinterher rennt. Um dies zu ändern, wurde<br />
2014 die Maritime LNG-Plattform gegründet<br />
– ein Zusammenschluss von mehr als<br />
80 nationalen und internationalen Unternehmen,<br />
Häfen, Verbänden und Initiativen.<br />
Die Plattform setzte sich das Ziel, bis<br />
Ende 2018 in wenigstens fünf deutschen<br />
Häfen Schiffe mit LNG versorgen zu können<br />
und mindestens 50 deutsche Schiffe<br />
neu mit LNG zu betreiben.<br />
Bislang sind die Erfolge noch recht bescheiden,<br />
doch allmählich kommt jetzt ein<br />
Schritt nach dem anderen (siehe Kasten<br />
Seite 35). Umstritten ist indessen noch<br />
die Frage, ob Deutschland einen eigenen<br />
LNG-Importterminal braucht. Experten<br />
halten dies bei den in absehbarer Zeit geringen<br />
Mengen nicht für erforderlich. Wilhelmshaven<br />
und Brunsbüttel buhlen hier<br />
als mögliche Standorte, doch die Importterminals<br />
von Rotterdam, Zeebrügge/Belgien<br />
und Swinemünde/Polen können von<br />
Deutschland aus gut erreicht werden.<br />
Taskforce und Blue Corridors<br />
Für den Straßengüterverkehr gibt es statt<br />
einer Plattform eine „LNG-Taskforce“, die<br />
2015 von der dena, dem Deutschen Verein<br />
des Gas- und Wasserfaches (DVGW) und<br />
der Initiative Zukunft Erdgas gegründet<br />
wurde. Parallel ließ das Bundesverkehrsministerium<br />
(BMVI) einen „Fahrplan für<br />
einen klimafreundlichen Straßengüterverkehr“<br />
erstellen (siehe nachfolgendes<br />
Interview). Die Taskforce fordert zunächst<br />
sechs LNG-Tankstellen an bedeutenden<br />
Transitrouten. Zwar unterstützt auch das<br />
BMVI Pilot- und Demoprojekte zu LNG. Für<br />
die initialen Tankstellen bietet sich jedoch<br />
das Projekt Blue Corridors an, mit dem die<br />
EU-Kommission LNG-Tankstellen entlang<br />
von fünf europäischen Hauptverkehrsachsen<br />
fördert.<br />
Bis 2020 sollen in Deutschland 30 bis 40<br />
weitere Tankstellen folgen. „Wir wollen mit<br />
einer zweistelligen Zahl an Tankstellen dabei<br />
sein“, sagt Karl-Josef Grobbel, Senior<br />
Project Manager bei der Liqvis GmbH. Das<br />
Tochter-Unternehmen des Energieriesen<br />
Uniper, der am Rotterdamer LNG-Terminal<br />
beteiligt ist, hat bislang drei Tankstellen<br />
für Flüssigerdgas gebaut: die erste hierzulande<br />
in Ulm, eine in der Nähe von Marseille<br />
sowie zuletzt die erste öffentliche<br />
LNG-Tankstelle in Deutschland in Berlin-<br />
Grünheide. Für die Tankanlagen reichen<br />
bislang mobile Stationen aus. In Berlin soll<br />
nächstes Jahr eine größere, stationäre Anlage<br />
gebaut werden und die mobile Anlage<br />
ablösen, was mit wesentlich höheren Kosten<br />
und Genehmigungsauflagen verbunden<br />
ist. Eine stationäre LNG-Zapfstelle kostet<br />
mindestens 1,2 Mio. Euro.<br />
Liqvis betreibt die Berliner „Blue-<br />
Corridor“-Tankstelle auf dem Gelände von<br />
Meyer Logistik. Die Kühllogistik-Spedition<br />
sorgt mit ihren 20 LNG-LKW für die Grundauslastung.<br />
Grobbel: „Falls diese ‚kritische<br />
Anfangsgröße‘ nicht gleich erreicht wird,<br />
37<br />
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praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Aus 1 m³ Rohbiogas wird 1 l BioLNG<br />
Zusammen mit weiteren Forschern der Hochschulen<br />
Landshut und Weihenstephan-Triesdorf hat Nachtmann<br />
ein zweistufiges Verfahren für Biogasaufbereitung<br />
und Bio-LNG-Produktion entwickelt. Nach einer<br />
Vorreinigung erfolge ein Kühlprozess, bei dem Stickstoff<br />
und Sauerstoff gasförmig entnommen werden.<br />
Das Methan verflüssige sich. CO 2<br />
werde fest und somit<br />
zu Trockeneis. Ein ausführlicher Artikel dazu wird im<br />
Biogas Journal 6_17 veröffentlicht werden.<br />
„Mit einer Kilowattstunde Strom lassen sich ein Kubikmeter<br />
Rohbiogas zu einem Liter BioLNG verflüssigen<br />
und 0,9 Kilogramm Trockeneis erzeugen.“ Das habe<br />
sich bei den Testreihen in Landshut herausgestellt. „Nur<br />
Biomethan ist zu wenig“, sagt Nachtmann. Er hält ein<br />
weiteres, vermarktbares Produkt für die Wirtschaftlich-<br />
Bio-<br />
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weiterer Nachfrager.“ Die innovationsfreudige Meyer<br />
Logistik hat 20 neue, für LNG-Betrieb konzipierte<br />
Iveco-LKW angeschafft. Diese verfügen über 1.700<br />
Nm Drehmoment und 400 PS. Die Reichweite liegt<br />
bei 1.500 Kilometern. Somit stehen die Fahrzeuge im<br />
Fernverkehr einem Diesel-Lkw in nichts nach.<br />
Zündstrahlmotoren für Lkw<br />
Scania will demnächst ein Fahrzeug mit ähnlich hohen<br />
Leistungswerten anbieten, und Volvo entwickelt<br />
einen LNG- und Euro-VI-kompatiblen HPDI-Motor, der<br />
bivalent mit Diesel und Methan arbeitet. Dem Vorteil<br />
des höheren Wirkungsgrades stehen allerdings höhere<br />
Kosten und ein höheres Eigengewicht gegenüber –<br />
schließlich muss auch die ganze Diesel-Abgasreinigungsfabrik<br />
an Bord sein. MAN und Mercedes-Benz<br />
haben bislang nur CNG-Motoren im 300-PS-Segment<br />
im Angebot. Iveco und Scania bauen monovalente<br />
Ottomotoren. Deren Verbrauch liegt volumetrisch betrachtet<br />
über dem von Diesel. Massebezogen sind sogar<br />
leicht bessere Werte erzielbar.<br />
Mit den derzeit niedrigen Dieselpreisen ist eine Wirtschaftlichkeit<br />
für LNG-Lkw nur schwer darstellbar. Von<br />
den Mehrkosten bei der Anschaffung – laut Grobbel typischerweise<br />
40.000 Euro – sind nach Abzug einer Investitionsförderung<br />
durch das BMVI 20.000 Euro vom<br />
Käufer aufzubringen. Ein Fachbericht nannte zuletzt<br />
900.000 Kilometer Laufleistung, die zur Amortisation<br />
über die Kraftstoffkosten benötigt werden. Grobbel:<br />
„Wir können den LNG-Preis mit einem Abschlag an den<br />
Dieselpreis binden.“ So könne der Kunde konkret planen<br />
und die Amortisation werde in einer angemessenen<br />
Zeit ermöglicht.<br />
Großes Potenzial sieht der Projektmanager bei Speditionen,<br />
die in Innenstädte oder gar Umweltzonen liefern.<br />
Beispielsweise legt in den Niederlanden, wo rund 20<br />
LNG-Tankstellen schon einige hundert Lkw versorgen,<br />
die PIEK-Regelung für Nachtfahrten in Stadtgebieten<br />
eine Geräuschobergrenze fest, die mit LNG zu schaffen<br />
ist, mit Diesel dagegen nicht.<br />
Als größtes Hemmnis für den Aufbau der Tankstellen-<br />
Infrastruktur identifiziert der LNG-Experte Nachtmann<br />
das berüchtigte „Henne-Ei-Problem“: „Die sechs Tankstellen<br />
für das Blue-Corridor-Projekt werden bis 2019<br />
kommen“, glaubt er. Die weitere Verbreitung hänge<br />
dann von der Wirtschaftlichkeit ab. Noch ungewisser<br />
ist für ihn die Markteinführung von LNG aus Biogas<br />
(BioLNG). Hier hält er kleine regionale Konzepte,<br />
eventuell für Sonderanwendungen, für möglich. Mittelfristig<br />
sei es wahrscheinlich, dass BioLNG dem LNG-<br />
Kraftstoff beigemischt werde, um die Klimabilanz zu<br />
verbessern, ähnlich dem E10. Langfristig könnte dann<br />
auch synthetisches Methan (als Power-to-gas oder<br />
„strombasierter Flüssigkraftstoff“) eine Rolle spielen.<br />
38
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
praxis / Titel<br />
keit von Biogas außerhalb des EEG-Förderrahmens für<br />
erforderlich. Trockeneis sei in der Industrie gefragt und<br />
25 Cent pro Kilogramm ein realistischer Preis für Großmengen.<br />
Das Forschungsprojekt sei abgeschlossen, über<br />
den Bau einer Technikumsanlage werde verhandelt.<br />
Die „Gasversorgungs-Tochter“ des Energiekonzerns<br />
EnBW geht bereits den Schritt in die Praxis: Erdgas<br />
Südwest will auf dem Gelände des Energieparks Hahnennest/Ostrach<br />
eine pilotmäßige „Biohybrid-Anlage“<br />
bauen. Die komplett von Wärtsilä gelieferte Anlage umfasst<br />
eine Aminwäsche zur Biogasaufbereitung, deren<br />
Verfahren von Puregas Solutions stammt, und die Verflüssigung<br />
mit einem Kältemittelgemisch.<br />
Der finnische Konzern ist ein Technologieführer in<br />
Sachen LNG: Er baut auch LNG-Schiffsmotoren und<br />
große Verflüssigungsanlagen. Die in Ostrach geplante<br />
Anlage kann aus 1.000 Normkubikmetern Rohbiogas<br />
pro Stunde bis zu 10 Tonnen BioLNG am Tag produzieren.<br />
Zurzeit läuft das Genehmigungsverfahren. 2018<br />
soll der Bau beginnen und ab 2019 das BioLNG vom<br />
Hahnennest verfügbar sein. Zwei derartige Kleinanlagen<br />
hat Wärtsilä schon in Norwegen gebaut.<br />
„Für uns ist es eine große Herausforderung, mit dem<br />
Produkt BioLNG im Kraftstoffmarkt Erfolg zu haben“,<br />
sagt Alexander Rozhkov, fachlicher Ansprechpartner<br />
für LNG bei Erdgas Südwest. Zielgruppen seien der<br />
Schwerlast- und der Schiffsverkehr, wie der Fährbetrieb<br />
auf dem Bodensee, Rhein- oder Neckarschiffe.<br />
Rozhkov sieht hier Chancen für einen regionalen und<br />
noch umwelt- und klimafreundlicheren Kraftstoff als<br />
LNG von einem Küstenterminal.<br />
„Wir wollen uns aber nicht auf den Kraftstoffmarkt<br />
einschränken“, sagt Rozhkov. Auch die Versorgung von<br />
gasnetzfernen Gebieten, „überall da, wo Heizöl eingesetzt<br />
wird“, werde angestrebt, und denkbar sei auch<br />
die Nutzung als Chemie-Rohstoff. Biogasanlagenbetreibern<br />
solle das<br />
Biohybrid-Projekt<br />
Perspektiven aufzeigen<br />
für die<br />
Post-EEG-Zeit.<br />
„LNG wird kommen.“<br />
Das kann<br />
als Fazit festgehalten<br />
werden. Ob es<br />
eine Nische bleibt<br />
oder ob es vermag,<br />
Kraftstoff- oder<br />
sogar noch weitere<br />
Energiemärkte<br />
umzukrempeln, bleibt abzuwarten. Im Hinblick auf<br />
die Umweltverträglichkeit stehen zweifellosen Vorteilen,<br />
wie dem guten Emissionsverhalten, zweifelhafte<br />
Risiken gegenüber: die Erdgasförderung mit Fracking,<br />
der immense Energieaufwand für Verflüssigung und Logistik<br />
und der potenzielle Methanschlupf. Zu befürchten<br />
ist, dass rein aus geostrategischen Gründen die<br />
Klima- und Umweltfreundlichkeit von LNG überbetont<br />
werden. Die bessere Alternative ist LNG aus Biogas: Im<br />
Sinne einer dezentralen Energiewende sollten noch viel<br />
mehr Projekte wie in „Hahnennest“ folgen.<br />
Foto: Iveco<br />
Autor<br />
Christian Dany<br />
Freier Journalist<br />
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praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
INTERVIEW<br />
Bio-<br />
LNG<br />
LNG kann Erdgaspreis nach<br />
oben abfedern<br />
Im Gespräch mit Prof. Dr. Martin Kaltschmitt. Er ist Arbeitsgruppenleiter der vom<br />
Bundesverkehrsministerium (BMVI) ins Leben gerufenen „Initiative für einen<br />
klimafreundlichen Straßengüterverkehr“, die vor Kurzem einen „Fahrplan“ für<br />
strombasierte Flüssigkraftstoffe, (erneuerbares) LNG und Wasserstoff ausgearbeitet<br />
hat. Kaltschmitt leitet das Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE)<br />
der TU Hamburg.<br />
Interviewer: Christian Dany<br />
Biogas Journal: Herr Kaltschmitt, wir erleben zurzeit<br />
neue, umstrittene Russland-Sanktionen und eine fast<br />
hysterische mediale Hetzjagd auf den Diesel. Könnte es<br />
sein, dass LNG auch ein geostrategisches Instrument<br />
ist?<br />
Prof. Kaltschmitt: LNG besitzt zweifelsfrei das Potenzial<br />
dazu. Es wird flexibel über Schiffe von örtlich<br />
unterschiedlichen Produzenten nach Europa gebracht.<br />
Da es mit Pipeline-Erdgas konkurriert, könnte der Erdgaspreis<br />
durch LNG nach oben abgefedert werden.<br />
Derzeit sind LNG-Importe zur Einspeisung ins Erdgasnetz<br />
für den Einsatz in „klassischen“ Erdgasmärkten,<br />
wie dem Wärmemarkt, bei Rohölpreisen um die 50<br />
US-Dollar pro Barrel (August <strong>2017</strong>) aber wirtschaftlich<br />
nur schwer darstellbar. Im Transportsektor ist die<br />
ökonomische Situation etwas besser, der Aufbau einer<br />
flächendeckenden LNG-Verteilinfrastruktur aber sehr<br />
aufwändig und bisher prohibitiv teuer.<br />
Biogas Journal: Wenn Sie einen Blick in die Glaskugel<br />
werfen: Wie wird sich der Straßengüterverkehr bis<br />
2030 entwickeln und welche Rolle wird LNG dabei<br />
spielen?<br />
Prof. Kaltschmitt: Auch 2030 dürfte noch die überwiegende<br />
Mehrzahl der Fahrzeuge im Güterfernverkehr<br />
den Kraftstoff Diesel nutzen. Aber die Bandbreite<br />
der insgesamt genutzten Energieträger dürfte<br />
zunehmen. LNG könnte auf bestimmten Strecken<br />
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Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
praxis / Titel<br />
verstärkt eingesetzt werden, wenn die entsprechende<br />
Infrastruktur in den kommenden Jahren aufgebaut<br />
wird und ein Kostenvorteil bestehen bleibt. Für den<br />
Nah- und Regionalverkehr dürften aber eher CNG oder<br />
batteriebetriebene Fahrzeuge eingesetzt werden.<br />
Foto: Privat<br />
Biogas Journal: Müsste der Zukunfts-Energieträger anstatt<br />
LNG nicht BioLNG heißen, um wirklichen Klimaschutz<br />
zu betreiben? Wie können relevante Mengen an<br />
BioLNG auf den Markt gebracht werden?<br />
Prof. Kaltschmitt: Biogas respektive Biomethan kann<br />
helfen, die Klimabilanz von LNG als auch von CNG zu<br />
verbessern. Das steht außer Frage. Aber angesichts<br />
eines Endenergieverbrauchs des gesamten Verkehrssektors<br />
von 728 Terawattstunden (TWh) (2015) dürfte<br />
auch zukünftig Biomethan immer nur einen (kleinen)<br />
Teil davon decken können; selbst wenn verstärkt Biomethan<br />
aus Osteuropa über die vorhandene Erdgasinfrastruktur<br />
importiert wird.<br />
Trotzdem ist die Nutzung auch kleinerer Biomethanmengen<br />
für den Transportsektor eine sinnvolle Option.<br />
Eine weitgehend klimaneutrale Option besteht auch<br />
durch Methan, das mit erneuerbarem Strom aus Wasser<br />
und CO 2<br />
erzeugt wird. Jedoch ist beides am Markt<br />
bisher nicht konkurrenzfähig. Sollen diese Möglichkeiten<br />
aus Klimaschutzgründen verstärkt genutzt werden,<br />
muss die staatliche Rahmensetzung entsprechend angepasst<br />
werden.<br />
Biogas Journal: Herr Prof. Kaltschmitt, vielen<br />
Dank für das Gespräch!<br />
Interviewer<br />
Christian Dany<br />
Freier Journalist<br />
Gablonzer Str. 21 · 86807 Buchloe<br />
Tel. 0 82 41/911 403<br />
E-Mail: christian.dany@web.de<br />
41
praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Biogenes Flüssiggas – Machbarkeit<br />
noch im Demostadium<br />
Foto: Guenter Fischer / imageBROKER / OKAPIA<br />
Mit Flüssigerdgas oder<br />
LNG betriebenes Fährschiff<br />
Romsdalsfjord<br />
an der Hafeneinfahrt,<br />
Molde, Norwegen.<br />
Nicht nur in Norwegens Hauptstadt Oslo wird aus Rohbiogas BioLNG produziert. Auch<br />
in anderen Ländern innerhalb und außerhalb Europas gibt es erste Pilotanlagen.<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Bio-<br />
LNG<br />
Norwegens Nachbar Schweden hat schon<br />
vor gut 15 Jahren mit der Aufbereitung von<br />
Rohbiogas zu Biomethan begonnen, um es<br />
als Kraftstoff zu nutzen. So wurde aus Deponie-,<br />
Klär- und Biogas ein regenerativer<br />
Energieträger für eine umweltfreundlichere Mobilität.<br />
Kein Wunder, dass es in Schweden nun mit der Verflüssigung<br />
von Biomethan zu BioLNG beziehungsweise<br />
BioLBG losgeht. Eine solche Anlage hat zum Beispiel<br />
das deutsche Unternehmen AIR LIQUIDE Advanced<br />
Technologies GmbH aus Düsseldorf in Lidköping errichtet.<br />
Die Stadt liegt an der südöstlichen Bucht namens Kinnevikens<br />
des Vänern-Sees. Dort hat das Unternehmen<br />
Swedish Biogas International (SBI) 2011 eine Biogasanlage<br />
in Betrieb genommen, die unter anderem<br />
Lebensmittelabfälle vergärt. Die Jahreskapazität liegt<br />
bei 60.000 Tonnen Bioabfall. 6 Millionen Normkubikmeter<br />
Biomethan liefert die Anlage jährlich. SBI wurde<br />
im April dieses Jahres vom finnischen Unternehmen<br />
Gasum Oy übernommen.<br />
Das Biogas wird mittels Druckwasserwäsche zu Biomethan<br />
(800 Nm³/Stunde) aufbereitet. Das ist der Part<br />
von Gasum Oy. Anschließend wird das Biomethan der<br />
LBG-Anlage zugeführt, in der es verflüssigt wird. 13<br />
Tonnen LBG kann die Anlage pro Tag produzieren. Das<br />
fertige LBG wird bei -162 °C auf eine Kompressoreinheit<br />
übergeben, die das verflüssigte Gas in mobilen<br />
Containern speichert. Das schwedische Unternehmen<br />
FordsonGas bringt das BioLBG in den Markt. Per Lkw<br />
werden die Container mit dem BioLBG zu Tankstationen<br />
gebracht. FordsonGas betreibt 48 BioLBG-Zapfsäulen<br />
in Schweden.<br />
Ebenfalls in Schweden befindet sich das Unternehmen<br />
BIOfrigas Sweden AB. Es hat seinen Sitz in Göteborg,<br />
im Südwesten des Landes. Das LBG-Verfahren wird<br />
CryoSep 35 genannt. Die Technik ist in einem Container<br />
(2,3 x 12 Meter) untergebracht und bringt ein<br />
Gewicht von etwa 15 Tonnen auf die Waage. Mit dem<br />
CryoSep-Verfahren lassen sich 35 bis 45 Kubikmeter<br />
Rohbiogas pro Stunde verarbeiten. Daraus entstehen<br />
laut Herstellerangabe am Ende 15 bis 20 Kilogramm<br />
LBG pro Stunde.<br />
Im ersten Verfahrensschritt werden bei -90 °C Schwefelwasserstoff,<br />
Wasserstoff, Siloxane und flüchtige<br />
organische Verbindungen entfernt. Im zweiten Schritt<br />
wird bei -120 °C Kohlenstoffdioxid abgetrennt. Über 99<br />
Prozent des CO 2<br />
werden bei 6 bar und -20 °C bis -30 °C<br />
gespeichert. Im dritten Schritt findet die Verflüssigung<br />
des Gases bei -165 °C statt.<br />
Pilotprojekt bei Paris<br />
Ein weiterer Akteur im Markt ist die Firma Cryo Pur<br />
aus Frankreich, die in Palaiseau, südlich von Paris, ihren<br />
Sitz hat. Seit Mitte 2015 betreibt sie eine erste<br />
LBG-Anlage im Rahmen des sogenannten „BioGNVal“-<br />
Projekts. In Valenton im Großraum von Paris steht die<br />
Pilotanlage an der zweitgrößten Kläranlage der Region.<br />
Die LBG-Anlage ist für Rohbiogasmengen in Höhe<br />
von 120 Normkubikmetern pro Stunde ausgelegt. Die<br />
42
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
praxis / Titel<br />
Tageskapazität an BioLBG liegt bei 1 Tonne pro Tag.<br />
Außerdem können noch 1,6 Tonnen flüssiges CO 2<br />
pro<br />
Tag gewonnen werden.<br />
Unterstützt wurde die Gewinnung dieser beiden Rohstoffe<br />
durch die Unternehmen ENGIE, IVECO und Thermo<br />
King. ENGIE war vertreten durch das Tochterunternehmen<br />
GNVert, das BioLBG-Tankstellen verkauft.<br />
IVECO ist Lkw-Hersteller und bietet erste schwere Lkw<br />
mit LNG-Technik an. Thermo King ist bekannt für die<br />
Herstellung von Lkw-Brücken mit Kühlaggregaten. Die<br />
Kühlexperten haben ein neues Kühlsystem entwickelt,<br />
das nicht mehr mit Diesel betrieben wird. Im Gegensatz<br />
zu einem diesel- oder elektromotorgetriebenen<br />
Kühlkompressor übernimmt das neue System auf -50<br />
Grad vorgekühltes, flüssiges CO 2<br />
im Laderaum des Tiefkühlaufbaus<br />
die Arbeit.<br />
Cryo Pur ist ein kryogenes Biogasaufbereitungs- und<br />
-verflüssigungsverfahren. In Valenton verlässt das Rohbiogas<br />
die Kläranlage mit etwa 60 Prozent Methan und<br />
rund 40 Prozent CO 2<br />
. Außerdem enthält das Gas noch<br />
einige Spurengase. Das Rohgas wird durch einen Aktivkohlefilter<br />
geschickt, mit dem der Schwefelwasserstoff<br />
aus dem Rohgas entfernt wird. Im folgenden Anlagenteil<br />
wird das Gas auf -40 °C runtergekühlt. Dabei<br />
gefriert der im Gas enthaltene Wasserdampf, in dem<br />
dabei die flüchtigen organischen Säuren und Siloxane<br />
eingeschlossen sind. Beim Durchströmen von zwei<br />
Foto: BIOfrigas Sweden AB<br />
Wärmetauschern taut der Wasserdampf wieder auf.<br />
Es folgt ein weiterer Behandlungsschritt. Dabei wird<br />
das Gas auf -75 °C runtergekühlt. Restlicher Wasserdampf<br />
sowie Siloxane und flüchtige organische Säuren<br />
können hier weiter eliminiert werden. Was dann folgt,<br />
ist die CO 2<br />
-Abtrennung. Das Gas wird auf -120 °C gekühlt.<br />
Das CO 2<br />
wird wechselweise gefroren und über<br />
zwei Wärmetauscher aufgetaut. Dabei sinkt der CO 2<br />
-<br />
Gehalt im Gas auf unter 0,3 Prozent. Nun kann das<br />
Biomethan verflüssigt werden. Das geschieht bei einem<br />
Druck von 14 barg (bar gauge) und einer Temperatur<br />
von -120 °C.<br />
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43
praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Demo-LBG-Anlage in<br />
Valenton im Großraum<br />
Paris.<br />
Bio-<br />
LNG<br />
Die erste kommerzielle Anlage soll in diesem Jahr mit<br />
einer Tageskapazität von 3 Tonnen LBG pro Tag in Nordirland<br />
in Betrieb gehen. Laut Cryo Pur führt die Integration<br />
von Gasaufbereitung und -verflüssigung zu Kosteneinsparungen,<br />
sie erleichtert das Anlagenmanagement<br />
und verbessert die Energieeffizienz der LBG-Produktion.<br />
Nach Unternehmensangaben benötigt das Verfahren<br />
lediglich 0,6 Kilowattstunden pro Kubikmeter<br />
Rohbiogas für die Aufbereitung und Verflüssigung des<br />
Gases, um das LBG bei 15 bar (a) und -120 °C zu produzieren.<br />
Der Energiebedarf erhöht sich auf 0,7 kWh/<br />
Nm³ Rohgas, wenn das LBG bei 2 bar (a) und -160 °C<br />
produziert wird.<br />
Die LBG-Anlagen sind beliebig skalierbar. Sie kommen<br />
auf Biogasanlagen zum Einsatz, die zwischen 100 und<br />
2.000 Nm³ Rohgas pro Stunde erzeugen. Während des<br />
Betriebes ist der Prozess flexibel genug, sodass der<br />
Gasfluss zwischen 50 und 120 Prozent variieren kann.<br />
Deponiegas wird zu BioLBG<br />
Nicht nur in Europa, sondern auch in Nordamerika<br />
wird das Thema BioLBG verfolgt. Das Unternehmen<br />
Linde North America hat schon in 2009 eine Gasverflüssigungsanlage<br />
auf einer Mülldeponie in Livermore,<br />
Kalifornien, bei San Francisco errichtet. Dort wird seit<br />
1987 das Gas der Deponie bei Altamont verstromt, womit<br />
rund 8.000 Haushalte versorgt werden können. Die<br />
2009 für 15,5 Millionen Dollar (heute gut 13 Millionen<br />
Euro) gebaute LBG-Anlage ist unter der Beteiligung<br />
von Linde und dem Unternehmen Waste Management<br />
entstanden. Mit der Anlage lassen sich täglich etwa<br />
22 Tonnen LBG produzieren. Genügend Kraftstoff, um<br />
damit täglich etwa 300 Müllsammelfahrzeuge in Kalifornien<br />
fahren zu lassen.<br />
Nach Angaben der Betreiber vermeidet der LBG-Kraftstoff<br />
pro Jahr 30.000 Tonnen fossile CO 2<br />
-Emissionen.<br />
Die Altamont-Deponie wird wohl noch 30 Jahre lang<br />
Gas liefern, das als LBG genutzt werden kann. In der<br />
Region um die San Francisco-Bucht betreibt Waste<br />
Management of Alameda County (WMAC) ein Drittel<br />
seiner Müllsammelfahrzeuge mit Erdgas. WMAC hat<br />
angekündigt, dass der gesamte Fuhrpark auf Gasantrieb<br />
umgestellt werden soll.<br />
Foto: Cryo Pur<br />
Die angeschlossene Erdgasverflüssigungsanlage von<br />
Linde komprimiert und reinigt das Biogas: Es wird entschwefelt,<br />
und auch CO 2<br />
, N 2<br />
, Alkohole und andere Verunreinigungen<br />
werden abgetrennt. In einem letzten Schritt<br />
kühlt ein Wärmetauscher das Gas auf -162 °C ab und verflüssigt<br />
es zu LBG. Der elektrische Strom dafür stammt<br />
ebenfalls aus Deponiegas: Beim Verbrennen erzeugt es<br />
Wasserdampf, der einen Stromgenerator antreibt. Per<br />
Tankwagen wird das Flüssigerdgas zu den Tankstellen<br />
transportiert. „LBG ist in den USA am profitabelsten<br />
als Kraftstoff. Der Markt bietet einen zusätzlichen<br />
Wert durch sogenannte Regenerative-Kraftstoff-Credits<br />
(RINs). Darüber hinaus wird die LBG-Nutzung durch Vorschriften<br />
und Gesetze unterstützt“, berichtet Eric Bass,<br />
Produktmanager Gas bei Linde North America.<br />
Maritimes LNG<br />
Die Hochschule Emden/Leer hat gemeinsam mit dem<br />
EUTEC Institut eine Studie für die LNG-Initiative Nordwest<br />
erstellt mit dem Titel „Perspektiven und Potenziale<br />
von Low-Emission LNG im Nordwesten“. Die Autoren<br />
schreiben, dass es bislang wenig Betriebserfahrungen<br />
über kleine Verflüssigungsanlagen gibt. Vor Ort sei ein<br />
Speichertank notwendig und die Logistik müsse etabliert<br />
werden. Die positiven Umwelteigenschaften würden<br />
durch Nachteile bei Lagerung und Logistik aufgezehrt.<br />
In Niedersachsen sind zurzeit etwa 1.546 Biogasanlagen<br />
errichtet mit einer installierten elektrischen<br />
Gesamtleistung von 885 MW. Daraus abgeleitet lässt<br />
sich ermitteln, dass die Anlagen pro Jahr etwa 3,5 Milliarden<br />
Normkubikmeter Rohbiogas produzieren. Die<br />
Menge entspricht 3,5 Milliarden Liter beziehungsweise<br />
1,4 Milliarden Kilogramm BioLBG, die daraus jährlich<br />
gewonnen werden könnten.<br />
Ein Beispiel: Eine Fähre braucht für die Fahrt von<br />
Emden nach Borkum 2 Stunden und 15 Minuten. Pro<br />
Stunde benötigt sie 255 Kilogramm LNG. Für die einfache<br />
Fahrt verbraucht sie insgesamt 575 Kilogramm<br />
LNG, was 800 Normkubikmeter Biomethan entspricht.<br />
Dafür wären 0,16 Hektar Silomais notwendig. Da die<br />
Fähre pro Tag zweimal hin- und zweimal zurückfährt,<br />
benötigt sie 180 Hektar Silomais im Jahr.<br />
Laut den Autoren der Studie ist die Aufbereitung und<br />
Verflüssigung von Biogas aufwändig und teuer. Deshalb<br />
sei es sinnvoll, dezentral produziertes Biogas in<br />
vorhandene Erdgasnetze einzuspeisen und andernorts<br />
als Gemisch mit Erdgas zu verflüssigen. Das scheint<br />
zurzeit der Königsweg zu sein. Es sei denn, dass stationäre<br />
Tankstellen deutlich unter 1 Million Euro zu<br />
haben sind.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Redakteur Biogas Journal<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
Tel. 0 54 09/90 69 426<br />
E-Mail: martin-bensmann@biogas.org<br />
44
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
praxis / Titel<br />
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etwa 3.500 Euro bis 7.700 Euro je kW. Für das Biogas<br />
Forum Bayern gingen Falko Stockmann und Robert<br />
Wagner vom C.A.R.M.E.N. e.V. gemeinsam mit anderen<br />
Experten der Wirtschaftlichkeit dieser Anschaffung auf<br />
die Spur.<br />
„Im Bereich NV-Anlagen gibt es verschiedene Techniken“,<br />
sagt Robert Wagner. Die Anlagen würden sich<br />
nicht nur beim Arbeitsmedium, sondern auch nach der<br />
Art der Wärmequelle, der thermischen Eingangsleistung<br />
und der Art des Expanders unterscheiden. Allen gemeinsam<br />
sei jedoch der Clausius-Rankine-Kreisprozess. Dabei<br />
wird nach der Verstromung des Biogases im BHKW<br />
die entstehende Wärme aus Abgas und/oder Motorblock<br />
einer NV-Anlage zugeführt. Dies geschieht entweder<br />
ohne Zwischenschritt oder über ein Übertragungsmedium,<br />
das aus Thermoöl oder Wasser bestehen kann.<br />
Im Verdampfer wird die Wärme auf das Arbeitsmedium<br />
übertragen. Dieses kann aus Wasser oder einem organischen<br />
Fluid bestehen. Der entstandene Dampf entspannt<br />
sich über eine Turbine, die mit einem Generator<br />
verbunden ist, dadurch wird ein Teil der Wärmeenergie<br />
in Strom umgewandelt. Im Anschluss verflüssigt ein<br />
Kondensator das Arbeitsmedium wieder. Eine Pumpe<br />
befördert es dann zurück in den Verdampfer, wo der<br />
Kreislauf erneut beginnt.<br />
Es können verschiedene Wärmeströme für die Nachverstromung<br />
genutzt werden, deshalb gibt es auf dem<br />
Markt Hoch-, Nieder- und Mischtemperaturanlagen<br />
in verschiedenen Größen. Der Abgasstrom besitzt das<br />
höchste Potenzial. NV-Anlagen, die in diesem Hoch-<br />
46
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
praxis<br />
temperaturbereich arbeiten, haben einen hohen Wirkungsgrad.<br />
Das Wärmeangebot und die Energiemenge<br />
sind auf diesem Niveau allerdings geringer. Hingegen<br />
stehen Anlagen, die im Bereich der Niedertemperatur,<br />
also ab etwa 80 Grad Celsius arbeiten, fast die ganze<br />
Abwärme zur Verfügung. Der Wirkungsgrad dieser NT-<br />
Anlagen ist niedriger, er liegt bei etwa 9 Prozent, dafür<br />
nutzen sie eine größere Energiemenge und das bedeutet<br />
insgesamt eine höhere Stromausbeute. Noch besser<br />
nutzen Anlagen das Wärmeangebot, die im Hoch- und<br />
Niedertemperaturbereich arbeiten. Ihr Wirkungsgrad<br />
ist relativ hoch, denn sie wandeln fast die ganze anfallende<br />
Abwärme zu Strom.<br />
Hoch- und Niedertemperatur-Wärme<br />
nutzbar<br />
„Bei Biogasanlagen sind vorrangig ORC- und Wasserdampfanlagen<br />
im Einsatz“, bemerkt Wagner. Hier<br />
sei der Stand der Technik bereits fortgeschritten und<br />
die Anlagen funktionierten gut. Der Vorteil gegenüber<br />
herkömmlichen Wasserdampfprozessen ist, dass ORC-<br />
Systeme bereits bei niedrigeren Abwärmetemperaturen<br />
funktionieren. Der Grund hierfür ist, dass beim<br />
ORC-Kreislauf statt Wasser ein organisches Medium<br />
durch den Prozess fließt. Durch die Wahl verschiedener<br />
Arbeitsmittel kann der Prozess an unterschiedliche<br />
Wärmequellen angepasst werden. Dadurch können<br />
Wärmequellen im Hoch- und Niedertemperaturbereich<br />
genutzt werden. Der mögliche Temperaturbereich<br />
reicht von 80 bis 600 Grad Celsius. Je nach gewählter<br />
Technik ist bei manchen Herstellern nach der NV noch<br />
eine weitere Wärmenutzung möglich.<br />
„Wir haben ermittelt, ob die Anschaffung für Biogasanlagen<br />
in der Größe von 250 und 500 kW und 1 MW<br />
ökonomisch ist“, erklärt Wagner. Dabei gingen die Experten<br />
von folgenden Annahmen aus: Es erfolgt eine<br />
Volleinspeisung des erzeugten Stroms. Die Höchstbemessungsleistung<br />
(HBL) beträgt 95 Prozent der<br />
installierten Leistung. Die HBL erhöht sich durch die<br />
Nachverstromung nicht. Die NV-Anlage bildet mit dem<br />
Blockheizkraftwerk (BHKW) eine Einheit und gilt nicht<br />
als eigenständige Anlage.<br />
„Dies ist nach dem BGH-Urteil VIIIZR626 vom Oktober<br />
2013 anzunehmen“, verdeutlicht Wagner, damit sei<br />
die NV-Anlage der Vergütung des BHKW gleichgestellt.<br />
Zudem wurden 1,5 Prozent Trafoverluste angesetzt. Die<br />
Vorteile durch eine weitere Wärmenutzung nach der NV<br />
und die Erhöhung der Stromkennzahl blieben hingegen<br />
unberücksichtigt. In die Kalkulation geht ein Zeitraum<br />
von zehn Jahren ein.<br />
„Viele Faktoren haben einen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit“,<br />
sagt Wagner. Für ihn gehören dazu: die<br />
Feuerungswärmeleistung, der Nutzungsgrad, das zuständige<br />
EEG sowie die Vergütung und die Förderung,<br />
der Anschaffungswert, die Nutzungsdauer und die Auslastung<br />
sowie eine mögliche Verringerung der Stromkosten.<br />
„Die meisten BGA unterliegen dem EEG 2004<br />
Fotos: Martina Bräsel<br />
„Die Anschaffung ist vor<br />
allem für Biogasanlagen ab<br />
500 kW vorteilhaft“<br />
Robert Wagner<br />
oder dem EEG 2009“, erklärt Wagner. Hinsichtlich der<br />
Wirtschaftlichkeit einer NV würden sich die beiden<br />
kaum unterscheiden. Allerdings würden die Anlagen<br />
aus dem EEG 2004 spätestens 2028 aus der 20-jäh-<br />
Das von Voith Turbo<br />
entwickelte System<br />
SteamDrive hat eine<br />
Nennleistung von<br />
30 kW el<br />
und wurde<br />
schlüsselfertig in das<br />
BHKW integriert. Als<br />
Arbeitsmedium verwendet<br />
es reines ionisiertes<br />
Wasser ohne Zusätze.<br />
Nur ein Schornstein<br />
ist mit der Nachverstromung<br />
verknüpft:<br />
Ihn verlässt das Abgas<br />
statt mit 470 Grad<br />
Celsius mit rund 200<br />
Grad.<br />
47
praxis<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Einige Anbieter von NV-Anlagen und ausgewählte Parameter<br />
Anbieter Technik Wärmequelle<br />
thermische Eingangsleistung<br />
in die NV ≥<br />
Bosch KWK Systeme GmbH ORC verschieden 363 kW<br />
Conpower Technik GmbH & Co. KG ORC verschieden 180 kW<br />
Dürr Clean Technology Systems ORC Abgas 400 kW<br />
energy intelligence LAB GmbH ORC Abgas 110 kW<br />
etatherm GmbH ORC verschieden 300 kW<br />
GMK mbH ORC verschieden 450 kW<br />
Orcan Energy GmbH ORC Abgas 300 kW<br />
PRO2 Anlagentechnik ORC verschieden 400 KW<br />
UAS Messtechnik GmbH Orcodile ORC Abgas 500 kW<br />
ElectroTherm ORC verschieden 300 kW<br />
Langlechner GmbH & Co KG Wasserdampf Abgas 180 kW<br />
SteamDrive GmbH Wasserdampf Abgas 250 kW<br />
Quelle: C.A.R.M.E.N. e.V.<br />
rigen Förderung herausfallen. Je<br />
nach Größe der BGA benötige der<br />
wirtschaftliche Betrieb einer NV-<br />
Anlage eine Nutzungsdauer von<br />
etwa zehn Jahren. Greife das EEG<br />
2009 oder 2012, könne sich die<br />
Anschaffung durchaus lohnen.<br />
Unter den Bedingungen des EEG<br />
2014 sei jedoch kein wirtschaftlicher<br />
Betrieb möglich.<br />
Die Betrachtung zeigt weiter, dass<br />
die Größe des BHKW einen wesentlichen<br />
Einfluss auf die Rentabilität<br />
der NV-Anlage hat. „Die Anschaffung<br />
ist vor allem für Biogasanlagen<br />
ab 500 kW vorteilhaft“, so der<br />
Experte, sie könne sich aber auch<br />
für kleinere Anlagen durchaus lohnen.<br />
Zwischen den Anlagengrößen<br />
500 kW und 1 MW seien hingegen<br />
die Unterschiede in der Rendite<br />
„nur marginal“.<br />
Aber auch die Auslastung sowie<br />
Nutzungsgrad und -dauer haben<br />
deutliche Auswirkungen auf das<br />
Betriebsergebnis. „Wichtig ist vor<br />
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48
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
praxis<br />
allem der Nutzungsgrad, denn<br />
nur der netto an der NV-Anlage<br />
entstandene, eingespeiste<br />
Strom wird vergütet“, erklärt<br />
Wagner. Dieser sei proportional<br />
zur Temperaturdifferenz<br />
zwischen Vor- und Rücklauf<br />
(Verdampfer und Kondensator).<br />
Hier sei eine hohe Spreizung<br />
wichtig. Je geringer dabei der<br />
Eigenstrombedarf der NV-Anlage,<br />
desto besser. Dies sollte bei<br />
jedem Angebot eines Herstellers<br />
bedacht und mit besonderer<br />
Sorgfalt geprüft werden.<br />
„Es zeigt sich ein exponentieller<br />
Zusammenhang“, erklärt Wagner.<br />
Anfänglich sei eine starke<br />
Zunahme der Gesamtkapitalrentabilität<br />
(GRK) erkennbar,<br />
dies würde sich aber in den<br />
weiteren Laufjahren abmildern.<br />
„Gleichgültig, um welche Leistungsklasse<br />
es sich handelt,<br />
eine Laufzeit von fünf Jahren<br />
rechnet sich nicht“, so Wagner.<br />
Einfluss der Variation der Nutzungsdauer auf die Gesamtkapitalrentabilität getrennt nach<br />
BHKW Leistung (250, 500 und 1.000 kW) als Mittelwert der EEG 2009 und 2012 bei einem<br />
Jahresnutzungsgrad der NV von 8 Prozent<br />
Gesamtkapitalrentabilität %<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
-5<br />
-10<br />
-15<br />
EEG 2009/2012<br />
250 kW 500 kW 1 MW<br />
10 Jahre<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21<br />
Nutzungsdauer a<br />
Quelle: C.A.R.M.E.N. e.V.<br />
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49
praxis<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Für den Biogasbereich<br />
vertreibt das<br />
Unternehmen Orcan<br />
Energy den thermischen<br />
Nachverstromer<br />
namens „ePACK“ in<br />
drei verschiedenen<br />
Versionen.<br />
Ab acht Jahren könnten die beiden größeren Anlagen<br />
wirtschaftlich betrieben werden. Bei neun Jahren Laufzeit<br />
sei die GKR auch bei einer Anlagengröße von 250<br />
kW interessant.<br />
Foto: Werkfoto<br />
Gewissenhaft kalkulieren<br />
„Da die ältesten Anlagen erst eine Laufzeit von wenigen<br />
Jahren haben, liegen leider noch keine Langzeiterfahrungen<br />
vor“, verdeutlicht der Fachmann. Ein Investor<br />
ginge deshalb ein Risiko ein. Viele Hersteller könnten<br />
aber zahlreiche gut funktionierende Referenzanlagen<br />
vorweisen. „Weil belastbare Langzeiterfahrungen noch<br />
fehlen und jedes Projekt seine eigene Wirtschaftlichkeit<br />
besitzt, sollte vor der Anschaffung eine gewissenhafte<br />
Kalkulation erfolgen“, mahnt der Experte. Dafür<br />
sollte die Höhe der Vergütung unbedingt im Vorfeld mit<br />
dem Netzbetreiber geklärt werden.<br />
In der Planung müsse auch berücksichtigt werden, dass<br />
die örtlichen Gegebenheiten einen wichtigen Einfluss<br />
auf die Stromausbeute haben. „Ich weiß aus der Praxis,<br />
dass die Hersteller bei ihren Kalkulationen dies nicht<br />
immer berücksichtigen“, führt Wagner aus und nennt<br />
ein Beispiel: „Wenn die räumlichen Bedingungen nicht<br />
passen und die Energie über längere Strecken transportiert<br />
werden muss, drohen schnell große Verluste“,<br />
verdeutlicht er. Dann sei der schönste Wirkungsgrad<br />
dahin. Auch längere Standzeiten des Blockheizkraftwerkes,<br />
zum Beispiel durch eine bedarfsgerechte Fahrweise,<br />
würden der Wirtschaftlichkeit zusetzen. Die<br />
Nachverstromung sei nur rentabel, wenn sie mindestens<br />
7.000 Stunden im Jahr laufe.<br />
„Besonders sinnvoll ist es, die entstehende Abwärme in<br />
einem sogenannten Kaskadenmodell zu nutzen“, sagt<br />
er. Die Wärme könnte also zunächst mittels NV-Anlage<br />
verstromt werden. Je nach verwendeter Technik würde<br />
danach noch genügend Wärme für andere Prozesse<br />
zur Verfügung stehen. Entscheidend sei jedoch die<br />
Temperatur, mit der die Wärme die NV-Anlage verlässt.<br />
„Gärrest- und Getreidetrocknung benötigen oft nur eine<br />
niedrige Temperatur“, erklärt er. Ob ein Wärmenetz<br />
mit niedrigen Temperaturen betrieben werden könne,<br />
hänge hingegen von der Netzauslegung sowie der Abnehmerstruktur<br />
ab. Für eine Nachverstromung spräche<br />
auch, dass die Stromkennzahl steige und damit die<br />
Bewertungsgrundlage für den KWK-Bonus. Zudem erhöhe<br />
sich der Wirkungsgrad der BGA, ohne dass mehr<br />
Substrat verbraucht würde.<br />
Rund 450.000 kWh<br />
Strom produziert die<br />
ORC-Anlage auf dieser<br />
BGA zusätzlich, und die<br />
Wärmenutzung wird<br />
nicht eingeschränkt.<br />
Autorin<br />
Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel<br />
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Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
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51
praxis<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Nachverstromung: ORC-Anlage im Contractingmodell<br />
Seit Dezember 2016<br />
sind zwei ePack Air<br />
installiert. „Das ist eine<br />
Besonderheit, denn<br />
meist installieren wir<br />
nur eine NV-Anlage“,<br />
berichtet Hermann<br />
Iding (links), doch<br />
die Module seien<br />
problemlos parallel<br />
verschaltbar.<br />
Bei Biogasanlagen ist die optimale Wärmenutzung vielfach ein Problem. Meist beschränkt<br />
sie sich auf die Beheizung des Fermenters und einzelner angrenzender Gebäude. Ein<br />
geeigneter Prozess, um die Abwärme zu nutzen, ist die Nachverstromung (NV). Manche<br />
ORC-Systeme, die auf dem Markt angeboten werden, funktionieren bereits bei niedrigeren<br />
Abwärmetemperaturen.<br />
Von Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel<br />
Es gibt einige Hersteller, die ORC-Anlagen<br />
auch im kleineren Leistungsbereich anbieten.<br />
Zu diesen gehört auch der NV-Anlagenhersteller<br />
Orcan Energy, der mit einer<br />
integrierten Containerlösung und einem<br />
interessanten Contractingmodell auf die aktuellen<br />
Bedürfnisse der Kunden eingehen will. Orcan Energy<br />
bietet Produkte, Komponenten und Komplettlösungen<br />
zur Abwärme-Verstromung an. Das Clean-Tech-Unternehmen<br />
mit Sitz in München wurde 2008 aus der<br />
Technischen Universität München ausgegründet und<br />
beschäftigt rund 65 Mitarbeiter.<br />
„Unsere allererste NV-Anlage läuft bereits seit zehn<br />
Jahren und hat mittlerweile rund 35.000 Betriebsstunden“,<br />
berichtet Dr. Andreas Sichert, Vorstandsvorsitzender<br />
der Orcan Energy AG. Weltweit seien<br />
etwa 65 Anlagen des Unternehmens installiert, etwa<br />
vierzig von ihnen sorgen in Deutschland an Biogasanlagen<br />
für zusätzlichen Strom. Für den Biogasbereich<br />
vertreibt Orcan den thermischen Nachverstromer namens<br />
„ePACK“ in drei verschiedenen Versionen. Die<br />
NT-Variante nutzt die Wärme des Motorkühlwassers ab<br />
80 Grad Celsius und benötigt eine Eingangsleistung ab<br />
180 kW. Das System bringt je nach Temperaturniveau<br />
und Wärmeinput eine Netto-Leistung von etwa 6 bis<br />
13 kW.<br />
Der ePACK-Air ist eine Mischtemperaturanlage, die<br />
etwa 21 kW an Netto-Leistung liefert. Die benötigte<br />
Wärme wird dem Abgasstrom und der Motorkühlung<br />
entnommen und dem ORC-Modul zugeführt. „Sie eignet<br />
sich für BHKW-Motoren ab 360 kW“, erklärt Sichert.<br />
BHKW mit integriertem ORC-Modul<br />
Bei dem dritten Produkt ist die NV-Anlage zusammen<br />
mit dem Motor in einem Container integriert. Das neue<br />
kompakte System sei gemeinsam mit dem Packager 2G<br />
entwickelt, getestet und optimiert worden. Der ePack<br />
und der Biogasmotor, ein Agenitor 408, seien dabei<br />
aufeinander abgestimmt. Die eingebaute Kraftmaschine<br />
besitzt eine elektrische Leistung von 360 kW, zu<br />
denen bis zu 15 kW el<br />
netto durch das integrierte ORC-<br />
Modul hinzukommen können. Die thermische Leistung<br />
liegt bei 381 kW.<br />
52
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
praxis<br />
„Ein großer Vorteil des Systems ist, dass nach dem<br />
ORC-Aggregat noch ein großer Teil der Wärme zur Verfügung<br />
steht“, führt Sichert aus. Zudem erhalte der<br />
Kunde beim Kauf ein effizienteres BHKW mit mehr<br />
Leistung. „Unsere NV-Anlagen liegen ohne Installationskosten<br />
bei 55.000 bis 70.000 Euro“, berichtet Dr.<br />
Hermann Iding, Leiter Kommunikation und Marketing<br />
bei Orcan. Die Installation schlage dann noch einmal<br />
mit etwa 8.000 bis 35.000 Euro zu Buche.<br />
Der allererste Container, der das neue Produkt beheimatet,<br />
sorgt seit September 2016 auf der Biogasanlage<br />
von Andreas Schneider in Schnürpflingen für zusätzlichen<br />
Strom. Für den Landwirt sprachen gleich mehrere<br />
Gründe für die Anschaffung: „Wir wollten unsere Abwärme<br />
in den Sommermonaten besser nutzen“, erklärt<br />
der Energiewirt. Zudem wäre im Zuge der Flexibilisierung<br />
und für die Wärmesicherung des Nahwärmennetzes<br />
sowieso ein neues BHKW nötig gewesen. „Eigentlich<br />
war nur ein Zubau von 200 kW el<br />
geplant“, erklärt<br />
er, die 360 kW el<br />
, die es nun geworden sind, waren „die<br />
obere Grenze“.<br />
Gesamtwirkungsgrad wird steigen<br />
Für Schneider sollte das neue BHKW möglichst effizient<br />
sein und einen hohen Wirkungsgrad besitzen. „Wir<br />
gehen davon aus, dass mit dieser neuen Kombination<br />
der Gesamtwirkungsgrad auf 44,5 Prozent steigt“, erklärt<br />
Iding. Und Andreas Schneider fügt hinzu: „Wir<br />
sind noch kein ganzes Jahr in Betrieb, doch eine Steigerung<br />
um etwa 2 Prozent durch das ORC-Modul halte<br />
ich für durchaus plausibel.“<br />
Die Biogasanlage von Andreas Schneider ist seit 2010<br />
in Betrieb und unterliegt dem EEG 2009. Seit 2011<br />
sind zwei Aggregate von jeweils 200 kW el<br />
und 249 kW th<br />
im Einsatz. Im Jahr 2013 kam noch ein Nahwärmenetz<br />
hinzu. „Mittlerweile haben wir 50 Abnehmer“, berichtet<br />
der Landwirt. Angeschlossen seien rund 40 Wohnhäuser,<br />
Gewerbebetriebe und ein Mehrzweckgebäude<br />
der Gemeinde. 2014 wurde ein Pufferspeicher mit 100<br />
Kubikmeter Wasser angeschafft, um in der Wärmelieferung<br />
flexibel zu sein. Für die Bedarfsspitzen und zur<br />
Redundanz steht zusätzlich ein Ölkessel mit 500 kW<br />
zur Verfügung.<br />
„Weil die erzeugte Wärme im Winter nicht ausreichte,<br />
wollen wir diese nun mit dem neuen dritten BHKW<br />
produzieren“, führt Schneider aus. Jedes Kilowatt, das<br />
dann noch übrig bleibe, solle das integrierte ORC-Modul<br />
in Strom umwandeln. In den Sommermonaten werde<br />
sowieso fast die ganze Wärme aus der Kühlung und<br />
dem Abgas dem NV-Modul zugeführt. Die Restwärme,<br />
die das ORC-Modul nicht verwerten kann, besitzt noch<br />
etwa 50 Grad Celsius. Sie wird in den Pufferspeicher<br />
gespeist. „Bei Bedarf können wir damit den Fermenter<br />
beheizen oder das Nahwärmenetz bedienen“, macht<br />
Schneider deutlich.<br />
Trotz flexibler Fahrweise und Nahwärmenetz hat der<br />
Landwirt keine Sorge, dass sich die Anschaffung nicht<br />
Fotos: Martina Bräsel<br />
rentiert. „Aber es bleibt ein Versuch, ORC mit Wärmenetz<br />
zu kombinieren“, erklärt der Energiewirt. Nach<br />
seiner Rechnung muss seine NV-Anlage jährlich rund<br />
5.800 Betriebsstunden laufen, um wirtschaftlich zu<br />
sein. Die Anlagen seien aber schlecht vergleichbar,<br />
deshalb sollte „jeder selber schauen, ab wann sich eine<br />
NV-Anlage lohnt“.<br />
ORC-Modul im Contractingmodell<br />
Orcan Energy bietet auch ein Contractingmodell für NV-<br />
Anlagen an. Die Unomondo KWK GmbH & Co. KG in<br />
Pforzheim nutzt diese Möglichkeit. Die beiden ePACK<br />
AIR, die die BGA von Thomas Knapp mit zusätzlichem<br />
Strom versorgen, kosten jeweils 120.000 Euro. Orcan<br />
hat die ePACKSs und deren Installation vorfinanziert,<br />
dafür werden die Mehrerlöse etwa zur Hälfte aufgeteilt.<br />
Die Biogasanlage der<br />
Unomondo KWK GmbH<br />
& Co. KG in Pforzheim<br />
ist seit Juni 2007 in<br />
Dauerbetrieb.<br />
„Zwei voneinander<br />
unabhängige BHKW<br />
liefern seit 2007 jeweils<br />
537 kW elektrische<br />
Energie“, sagt Thomas<br />
Knapp.<br />
53
praxis<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Links: Bei NV-Anlagen,<br />
die Hoch- und Niedertemperatur<br />
nutzen, ist<br />
die Verschaltung und<br />
Verrohrung komplizierter.<br />
Rechts: Die beiden<br />
ePack Air, die Thomas<br />
Knapp hier einem<br />
Werksstudenten zeigt,<br />
kosten jeweils<br />
120.000 Euro.<br />
Vorgesehen ist, dass die Nachverstromung die BGA bis<br />
zum Ende der Laufzeit (2027) begleitet. Bis dahin gibt<br />
es für den Betreiber Rahmenbedingungen über Produktion<br />
und Lieferzeit, die eingehalten werden müssen.<br />
„Das ist im Regelfall unproblematisch“, bemerkt<br />
Knapp.<br />
Die Biogasanlage des Unternehmens ist seit Juni 2007<br />
in Dauerbetrieb. Zwei voneinander unabhängige Aggregate<br />
liefern seit dieser Zeit jeweils 537 kW elektrische<br />
Energie. Die Biogasanlage gehört vier Gesellschaftern.<br />
Einer von ihnen ist Uwe Kiefer, ein Landwirt aus der Region,<br />
der einen Teil der Substrate liefert. Ein weiterer ist<br />
Thomas Knapp, der auch gleichzeitig Geschäftsführer<br />
ist. „Einige Jahre haben wir die entstehende Wärme zur<br />
Holztrocknung für unsere Pelletsfertigung genutzt“, so<br />
Knapp. Weil die Trocknungsanlage sich nicht rentierte,<br />
wurde sie Ende 2015 abgebaut.<br />
Ein Nahwärmenetz gibt es nicht. „Wir haben dann<br />
nach einer Möglichkeit zur Wärmenutzung gesucht<br />
und sind auf die ORC-Anlage gekommen“, berichtet<br />
der Geschäftsführer. Seit Dezember 2016 sind zwei<br />
ePack Air installiert. „Das ist eine Besonderheit, denn<br />
meist installieren wir nur eine NV-Anlage“, berichtet<br />
Hermann Iding, doch die Module seien problemlos parallel<br />
verschaltbar.<br />
„Jedes Aggregat liefert rund 20 kW netto“, erklärt<br />
Iding, dafür würden pro Modul rund 330 kW Wärme<br />
benötigt. Davon stammen jeweils 240 kW aus dem<br />
Abgas und 90 kW aus dem Motorkühlwasser. Das ist<br />
im Sommer vollkommen unproblematisch, muss im<br />
Winter jedoch anlagenspezifisch angepasst werden.<br />
„In der kalten Jahreszeit kann eine neue Optimierung<br />
erforderlich sein“, vermutet Iding. Und er fügt hinzu:<br />
„Das Heißwasser, das mit rund 140 Grad Celsius (°C)<br />
aus dem Abgaswärmetauscher kommt, steht der ORC-<br />
Anlage immer vollständig zur Verfügung.“ Das Motorkühlwasser,<br />
das etwa 85 Grad besitzt, werde hingegen<br />
auch für die Beheizung der Fermenter benötigt.<br />
ePack kann dynamisch betrieben werden<br />
Die Aggregate laufen seit acht Jahren reibungslos mit<br />
thermophiler Vergärung bei 52 °C. „Im letzten Winter<br />
wurde es deshalb manchmal etwas eng“, sagt der Unomondo-Geschäftsführer.<br />
In diesem Jahr soll getestet<br />
werden, ob die Bakterien auch bei Temperaturen um<br />
etwa 48 °C noch wirkungsvoll arbeiten. „In den mesophilen<br />
Vergärungsbereich, der bei etwa 39 °C liegt,<br />
wollen wir aber nicht zurück“, verdeutlicht der Anlagenbetreiber.<br />
Für die Nachverstromung stellt das kein<br />
Problem dar, denn der ePack Air kann dynamisch und<br />
auch in Teillast gefahren werden. „Der Fermenter hat<br />
immer Priorität“, sagt Iding, genutzt werde dann nur<br />
die Wärme, die vorwiegend aus dem Abgas übrig bleibe.<br />
„Wenn weniger Wärme zur Verfügung steht, stellt sich<br />
unsere NV-Anlage automatisch darauf ein“, erklärt er.<br />
Der gesamte Strom (etwa 40 kW netto), den die beiden<br />
ORC-Anlagen erzeugen, wird für den Eigenverbrauch<br />
genutzt. „Wir haben einen Grundbedarf von 55 kW und<br />
konnten dadurch unseren Strombezug deutlich reduzieren“,<br />
berichtet Knapp. Zudem gebe es durch die<br />
Eigennutzung keine Schwierigkeiten mit der Bemessungsleistung.<br />
Mit allen Abgaben liege der Strombezugspreis<br />
bei etwa 16 Cent. „Wir verlieren zwar etwas<br />
Geld dadurch, fühlen uns aber besser aufgestellt für die<br />
Zukunft“, verdeutlicht der Anlagenbetreiber.<br />
Dass die Mehrerlöse aufgeteilt werden, stört den Gesellschafter<br />
der BGA nicht: Diese Risikofreiheit sei ihm<br />
wichtig und Orcan Energy dürfe sehr gerne Geld daran<br />
verdienen. „Wir wollten nicht wieder über eine längere<br />
Laufzeit investieren“, denn im Biogasbereich sei schon<br />
so viel versprochen und manchmal nicht eingehalten<br />
worden. „Weil sich die Gesetze ständig ändern und<br />
nicht wirklich planbar sind, entsteht ein permanentes<br />
Gefühl der Unsicherheit“, bedauert Knapp. Diese Verunsicherungen<br />
im Bereich der Erneuerbaren Energien<br />
gebe es schon seit vielen Jahren. „Wir könnten viel<br />
mehr investieren, erreichen und optimieren, wenn wir<br />
wüssten, dass es morgen noch gilt.“<br />
Autorin<br />
Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel<br />
Freie Journalistin<br />
Hohlgraben 27 · 71701 Schwieberdingen<br />
Tel. 0 71 50/9 21 87 72<br />
Mobil: 01 63/232 68 31<br />
E-Mail: braesel@mb-saj.de<br />
www.mb-saj.de<br />
54
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
praxis<br />
Ökologische Landwirtschaft<br />
Foto: NATURSTROM AG<br />
„Die Biogasanlage war die<br />
richtige Entscheidung“<br />
In Deutschland sind zurzeit rund 180 Biogasanlagen auf Höfen in Betrieb, die nach ökologischen<br />
Grundsätzen wirtschaften. Diese Betriebe erfüllen entweder die Bedingungen<br />
der EU-Ökoverordnung oder sie setzen die strengeren Vorgaben von Anbauverbänden wie<br />
beispielsweise Naturland oder Bioland um. Fest steht: Biogasanlagen helfen Ökobetrieben<br />
ganz wesentlich, ihr Nährstoffmanagement zu verbessern.<br />
Biogasanlage<br />
Hallerndorf, die fünf<br />
Ökobetriebe gemeinsam<br />
mit dem Düsseldorfer<br />
Energieversorger<br />
NATURSTROM AG<br />
betreiben.<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Lothar Braun-Keller aus Leibertingen im Kreis<br />
Sigmaringen (Baden-Württemberg) ist Landwirt<br />
aus Leidenschaft. Er hat seinen Hof 1988<br />
auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt<br />
und gehört seitdem dem Biolandverband an.<br />
Er bewirtschaftet 250 Hektar und hält 120 Mastrinder.<br />
Seine erste Bio-Biogasanlage hat er 1996 mit einer installierten<br />
elektrischen Leistung von 45 kW in Betrieb<br />
genommen. Das Biogas hat er damals ausschließlich<br />
aus Stallmist produziert.<br />
„Ich war Mitte der Neunzigerjahre Jahre viel in Süddeutschland<br />
unterwegs und habe mir 40 bis 50 Biogasanlagen<br />
angesehen. Ich habe damals für den Landkreis<br />
Sigmaringen Biomasse kompostiert und Erfahrungen<br />
damit gesammelt. So begann ich den Versuch, meinen<br />
Stallmist zu kompostieren. Das funktionierte aber<br />
nicht zufriedenstellend. Zudem waren mir die Verluste<br />
an Stickstoff und Kohlenstoff zu hoch. Die Vergärung<br />
des Mistes in der Biogasanlage schien mir die bessere<br />
Option. Und so begann ich, diesen Betriebszweig aufzubauen“,<br />
blickt Braun-Keller zurück.<br />
Wärme fürs Gemeindenetz<br />
Heute liefert seine Biogasanlage, die in mehreren<br />
Stufen ausgebaut worden ist, Gas für 450 kW elektrische<br />
Leistung. 360 kW davon leistet ein sogenanntes<br />
Satelliten-BHKW, das im Ort Leibertingen steht. Die<br />
Abwärme des BHKW wird ins Nahwärmenetz der Gemeinde<br />
eingespeist. 50 Prozent des Wärmebedarfs im<br />
Netz deckt das Biogas-BHKW ab. Der Fermenter besitzt<br />
kein Rührwerk. Er ist nach dem Prinzip der Anlagenherstellers<br />
Sauter konzipiert. Das heißt, die Substratoberfläche<br />
im Fermenter wird über ein Pumpsystem und<br />
gesteuerte Düsen mit flüssigem Substrat beregnet, das<br />
unten aus dem Behälter entnommen wird. Bei dieser<br />
Umwälzung wird nicht vollständig durchmischt, sondern<br />
die verschiedenen Gärprozesse laufen in unterschiedlichen<br />
Zonen im Fermenter ab.<br />
Durch eine unterschiedliche Beregnungsintensität der<br />
Bereiche kann die Vergärung gesteuert werden. Da der<br />
Fermenter nicht vollständig homogenisiert wird, befinden<br />
sich aktive Biomassepartikel überwiegend im oberen<br />
Bereich des Fermenters, und bei der Entnahme aus<br />
der unteren Schicht wird fast nur ausgefaultes Substrat<br />
ausgetragen. Der Nachgärer ist allerdings mit einem<br />
Rührwerk ausgestattet.<br />
Besseres Nährstoffmanagement verbessert<br />
Erträge auf dem Acker<br />
„Die Biogasanlage war die richtige Entscheidung“,<br />
betont Braun-Keller, „schon im ersten Jahr nach der<br />
Integration der Biogasanlage in den Betrieb haben<br />
55
praxis<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
wir durch das bessere Nährstoffmanagement auf den<br />
Ackerflächen 20 bis 30 Prozent höhere Erträge verzeichnen<br />
können.“ Die Gärrestdüngung auf dem Grünland<br />
habe ebenfalls positive Ertragseffekte gezeigt.<br />
Neben dem Stallmist vergärt der Landwirt 60 bis 65<br />
Prozent Gras beziehungsweise Kleegras und Luzerne.<br />
Manchmal setzt er auch Getreide-Ganzpflanzensilage<br />
(GPS) ein, wenn zum Beispiel Getreideflächen durch<br />
Hagelschlag beschädigt worden sind. 50 Prozent des<br />
eingesetzten Gärsubstrats kommt vom eigenen Betrieb.<br />
Die andere Hälfte bezieht der Familienbetrieb von bis<br />
zu 15 anderen Lieferanten, von denen die meisten Biobetriebe<br />
sind. 90 Prozent des Inputmaterials stammt<br />
von Ökobetrieben.<br />
„Wenn wir das Kleegras wie in viehlosen Ökobetrieben<br />
üblich nur mulchen und auf der Fläche liegen lassen,<br />
dann sind die Ammoniak- und Kohlenstoffverluste insgesamt<br />
viel höher, als wenn wir die Aufwüchse in der<br />
Biogasanlage einsetzen. Es gibt einen leicht flüchtigen<br />
Kohlenstoffanteil, der in den ersten zehn Tagen abgebaut<br />
wird. Egal, ob wir die Biomasse vergären oder auf<br />
dem Acker biologisch umsetzen lassen. Insofern ist die<br />
Vergärung kein Problem“, erklärt der Praktiker, der im<br />
Biolandverband Sprecher war des Fachausschusses regenerative<br />
Energien und dessen Ausschussmitglied er<br />
immer noch ist.<br />
Im Gegenteil. Er erreicht in seinem Betrieb eine bessere<br />
Stickstoffverfügbarkeit, produziert dadurch mehr<br />
Pflanzenmasse, erhöht dadurch auch die Wurzelbiomasse<br />
im Boden, entzieht der Atmosphäre damit mehr<br />
CO 2<br />
und lagert mehr Kohlenstoff im Boden ein, was<br />
sich in Verbindung mit der Gärrestdüngung positiv auf<br />
den Humusgehalt des Bodens auswirkt.<br />
Vom neuen EEG enttäuscht<br />
Vom neuen EEG <strong>2017</strong> ist die Familie Braun-Keller<br />
enttäuscht, denn es bietet auch ökologisch wirtschaftenden<br />
Höfen keine Möglichkeit, neue Biogasanlagen<br />
wirtschaftlich zu betreiben. „Auch Bestandsanlagen,<br />
die aus der EEG-Festvergütung nach 20 Jahren rausfallen,<br />
werden ohne mindestens 30 bis 50 Prozent Wärmenutzungsgrad<br />
keine Chance haben“, prognostiziert<br />
er. Demnächst wird er ein weiteres Nahwärmenetz mit<br />
dem Rest seiner BHKW-Abwärme versorgen. Zusätzlich<br />
soll ein Holzhackschnitzel-Heizkessel auf seinem Hof<br />
aufgestellt werden, der dann ebenfalls in das Nahwärmenetz<br />
einspeist. Der umtriebige Landwirt kann sich<br />
aber auch vorstellen, aus seinem Biogas Kraftstoff zu<br />
machen. Seine Überlegungen gehen in Richtung Methanol.<br />
Der Brennwert sei zwar nur halb so hoch wie<br />
bei Diesel, dafür könne er aber diesen Kraftstoff mit<br />
nur geringen Modifikationen des Dieselaggregats nutzen.<br />
Oberste Priorität auf dem Hof der Familie Braun-<br />
Keller hat aber die Nahrungsmittelproduktion. Die<br />
Energieerzeugung aus Biogas müsse der Nahrungsmittelproduktion<br />
dienlich sein. Braun-Keller zeigt, dass<br />
die intelligente Verknüpfung zwischen Nahrungs- und<br />
Energieerzeugung unter Bedingungen der ökologischen<br />
Landwirtschaft möglich ist.<br />
Anlage auf Naturland-Betrieb<br />
Die positiven Seiten der Biogasanlagen in der ökologischen<br />
Landwirtschaft kennt auch Arthur Stein vom<br />
Scharlhof in Röhrmoos im oberbayrischen Landkreis<br />
Dachau nördlich von München. Stein ist 1986 dem<br />
Naturlandverband beigetreten. Er bewirtschaftet heute<br />
rund 230 Hektar ökologisch. In der Viehhaltung betreibt<br />
er Färsenaufzucht für andere ökologisch wirtschaftende<br />
Milchviehbetriebe.<br />
Seine Biogasanlage ging 2010 ans Netz mit einer elektrischen<br />
Leistung von 2 x 100 kW. Die beiden BHKW<br />
stehen an der Biogasanlage. Über eine Leitung werden<br />
die örtliche Grundschule, der Kindergarten, der Kinderhort<br />
sowie der Hof selbst mit Abwärme der Biogasanlage<br />
versorgt. „Als flächenstarker Betrieb haben wir uns<br />
die Frage gestellt, was wir mit den Kleegrasaufwüchsen<br />
sinnvoll machen können. Die Biogasproduktion ist ein<br />
gutes Konzept, weil wir die Nährstoffe aus dem Kleegras<br />
so besser einsetzen können. Zudem stellt die Biogasanlage<br />
eine zusätzliche Einkommensquelle dar, und<br />
wir erreichen betrieblich eine gewisse Unabhängigkeit<br />
von fremden Energiequellen“, beschreibt Stein einige<br />
der Vorteile.<br />
Ursprünglich sollte die Biogasanlage mit Gras und<br />
Gülle betrieben werden. „Wir haben versucht, von umliegenden<br />
Betrieben Gras einzusetzen. Im Gegenzug<br />
sollte der Gärdünger dann zurück auf die Flächen. Das<br />
Ganze ist aber aus Wirtschaftlichkeitsgründen grenzwertig.<br />
Das Gras zu ernten ist teuer und nicht so rentabel.<br />
Zudem ist Gras schwer vergärbar. Die gesamte<br />
Einbring- und Rührtechnik muss darauf ausgelegt sein,<br />
insbesondere die Rührtechnik ist vom Material und den<br />
Elektromotoren her stärker auszulegen“, gibt Stein zu<br />
bedenken.<br />
Um die Rentabilität zu verbessern setzt er bis zu 30<br />
Prozent Silomais beziehungsweise Getreide-Ganzpflanzensilage<br />
aus konventionellem Anbau ein. Das<br />
darf er mindestens noch bis zum Jahr 2020. Danach<br />
sollen laut den aktuellen Statuten des Naturlandverbandes<br />
keine Rohstoffe mehr aus der konventionellen<br />
Landwirtschaft eingesetzt werden dürfen. „Für uns ist<br />
diese Menge an Fremdsubstrat aber genau richtig, weil<br />
wir mit dem Mais die Betriebssicherheit der Anlage gewährleisten.<br />
Wir setzen mehr Mais im Winter ein, aber<br />
auch nicht zu 100 Prozent. Der Mais liefert im Winter<br />
das Gas für die hohe Auslastung der BHKW, damit wir<br />
auch das Wärmenetz bedienen können“, erklärt Arthur<br />
Stein.<br />
Das Kleegras mäht er viermal im Jahr und siliert es ein.<br />
Die Biogasanlage liefert ihm so viele Nährstoffe, dass er<br />
nicht nur seine Ackerfrüchte versorgen, sondern auch<br />
die Kleegrasflächen düngen kann. Sein Futtergetreide<br />
gibt er zum Teil an einen Biobetrieb mit Putenmast ab.<br />
Der hat ebenfalls eine Biogasanlage. Von dort bekommt<br />
56
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
praxis<br />
Stein auch Gärdünger zurück auf seine Flächen. So fließen<br />
die Nährstoffe nicht vom Betrieb Stein ab, sondern<br />
kommen auch wieder zurück, sodass der Kreislauf geschlossen<br />
ist.<br />
Beim Verkauf seiner Kartoffeln sowie seines Nahrungsgetreides<br />
fließen dagegen die Nährstoffe nicht wieder<br />
zurück, weil der Klärschlamm aus Siedlungsabwässern<br />
nicht auf die Flächen der Biobetriebe gebracht werden<br />
darf. Stein ist sich sicher, dass im Biobereich schon<br />
noch einige Betriebe gerne eine Biogasanlage bauen<br />
würden. Aber unter dem aktuellen EEG <strong>2017</strong> gehe<br />
das ökonomisch nicht mehr. Es sei auch zu befürchten,<br />
dass Bestandsanlagen in Biobetrieben nach dem<br />
Auslaufen ihres Vergütungszeitraumes wegen fehlender<br />
wirtschaftlicher Perspektiven stillgelegt werden.<br />
Foto: Privat<br />
Studienergebnisse<br />
Mit der Errichtung von Biogasanlagen in ökologisch<br />
wirtschaftenden Betrieben sind vielfältige Begleitwirkungen<br />
verbunden. Bei Versuchen in Gießen und<br />
Hohenheim wurden diese Begleitwirkungen näher erforscht.<br />
Die Ergebnisse hat Dr. Kurt Möller von der Uni<br />
Hohenheim 2011 in einer Publikation zusammengefasst,<br />
die hier in Auszügen widergegeben werden:<br />
Viehlose Anbausysteme – In viehlosen Öko-Anbausystemen<br />
ermöglicht die Vergärung die Erzeugung mobiler<br />
Düngemittel. Die veränderte Bewirtschaftung bewirkte<br />
eine signifikante Erhöhungen der Erträge der Nicht-Leguminosen<br />
(+16 %), und ihrer N-Aufnahmen (+19 %)<br />
und eine signifikante Erhöhung der Rohprotein-Gehalte<br />
des Getreides (+0,6 % absolut) sowie eine Verminderung<br />
des Nitratauswaschungspotenzials (ca. 20 %) und<br />
eine Verminderung bodenbürtiger Lachgasemissionen<br />
(ca. 40 %).<br />
Die Ursachen hierfür lagen in höheren N-Inputs via<br />
biologischer N2-Fixierung, in einer gleichmäßigeren<br />
N-Bereitstellung innerhalb der Fruchtfolge ( Gesetz<br />
des abnehmenden Ertragszuwachses), in einer höheren<br />
N-Versorgung der Nicht-Leguminosen zu Lasten der<br />
Leguminosen sowie in einer höheren N-Wirksamkeit<br />
der vergorenen Gärreste im Vergleich zum Ausgangssubstrat.<br />
Die Vergärung von Ernteresten aus viehlosen<br />
Fruchtfolgen ermöglichte somit eine „sichere“ N-Zwischenlagerung<br />
während des Winters und eine günstigere<br />
Verteilung des Stickstoffs im Anbausystem.<br />
Vieh haltende Anbausysteme – In den Vieh haltenden<br />
Anbausystemen zeigte der Vergleich des Stallmistsystems<br />
versus unvergorene Gülle niedrigere Erträge<br />
(-5 %) und eine geringere N-Aufnahme (-8 %) im Stallmistsystem.<br />
Zugleich war im Stallmistsystem die Nitratauswaschungsgefahr<br />
(+6 %) und die gesamte Höhe<br />
der gasförmigen N-Verluste (+19 %) höher.<br />
Die alleinige Vergärung von Gülle zeigte im Vergleich zu<br />
unvergorener Gülle keine Auswirkungen auf N-Erträge<br />
bei Kopfdüngung. Eine signifikante Wirkung auf Erträge<br />
wurde nur bei sofortiger Einarbeitung gemessen.<br />
Es wurden keine Auswirkungen auf die Nitratauswaschungsgefahr<br />
festgestellt. Die Ammoniakverluste nach<br />
der Ausbringung vergorener Gülle waren jedoch höher.<br />
Die Einbeziehung von Nebenernteprodukten (z. B.<br />
Aufwüchse von Zwischenfrüchten, Abfallkartoffeln<br />
etc.) bewirkte eine erhebliche Erhöhung des mobilen<br />
N-Düngerpools (+54 %), eine Reduzierung der Nitratauswaschungsgefahr<br />
(-8 %) und eine effizientere N-<br />
Verwertung durch Nicht-Leguminosen (+12 %).<br />
Im Hinblick auf die Klimabilanz des gesamten Anbausystems<br />
waren im Vieh haltenden System die berechneten<br />
Klimagasemissionen je Hektar Ackerland<br />
im Stallmistsystem am höchsten. Für das Güllesystem<br />
wurden deutlich niedrigere Emissionen berechnet, dieser<br />
Unterschied liegt<br />
zuvorderst an den<br />
„Für uns ist diese Menge an<br />
Fremdsubstrat aber genau<br />
richtig, weil wir mit dem Mais<br />
die Betriebssicherheit der<br />
Anlage gewährleisten“<br />
hohen Lachgasemissionen,<br />
die nach<br />
heutigem Stand des<br />
Wissens aus offenen<br />
Stallmistmieten entweichen.<br />
Die Vergärung von<br />
Gülle führt zu einer<br />
weiteren Verbesserung<br />
der Klimagasbilanz<br />
durch eine Vermeidung von Spurengasemissionen<br />
während der Lagerung (z. B. Methan) und aufgrund der<br />
Gutschriften als Folge der Einsparung von fossilen Energieträgern.<br />
Noch günstiger ist die Klimagasbilanz, wenn<br />
Zwischenfrüchte und Erntereste in das Vergärungskonzept<br />
integriert werden.<br />
Zu empfehlen ist an dieser Stelle der sehr ausführliche<br />
Abschlussbericht zum Verbundvorhaben Biogasanlagen<br />
im Ökolandbau, Teilvorhaben 1 bis 3, das von der Fachagentur<br />
Nachwachsende Rohstoffe mit Mitteln des Bundeslandwirtschaftsministeriums<br />
gefördert worden ist.<br />
Der Bericht wurde im September 2015 veröffentlicht.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Redakteur Biogas Journal<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
Tel. 0 54 09/90 69 426<br />
E-Mail: martin.bensmann@biogas.org<br />
Landwirt Arthur Stein<br />
vor seiner 2010 errichteten<br />
Biogasanlage<br />
auf seinem ökologisch<br />
bewirtschafteten Hof.<br />
Arthur Stein<br />
57
Praxis<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Vor der Toreinfahrt der<br />
Biogasanlage Lebrade-<br />
Rixdorf.<br />
„Wir wollen<br />
dabei bleiben“<br />
Die Investitionen sind groß. Dennoch rechne sich die fünffache Überbauung des bestehenden<br />
Biogasmotors für den Flex-Betrieb, sagen die Anlagenbetreiber. Garant dafür sind eine<br />
maximale Wärmenutzung sowie ein optimales Zusammenspiel von Motoren, Einspeisemanagement<br />
und Gas- bzw. Wärmespeichern.<br />
Von Dierk Jensen<br />
Ein sonniger Tag im August auf Gut Rixdorf.<br />
Nach einigen Regentagen ist es im Ort zwischen<br />
Kiel und Plöner See wieder trocken.<br />
Die Mähdrescher rücken aus den Maschinenhallen<br />
aus, sind auf den Feldern im<br />
Einsatz. Die Ernte nimmt wieder Fahrt auf, Raps und<br />
Weizen werden auf dem 1.600 Hektar großen Betrieb<br />
der Agricola GbR gedroschen. Unterdessen läuft die<br />
gutseigene Trocknungsanlage auf Hochtouren.<br />
Nur ein paar 100 Meter entfernt befindet sich das<br />
Schwesterunternehmen, die Biogasanlage der Bioenergie<br />
Lebrade-Rixdorf GmbH & Co. Anlagenfahrer Stefan<br />
Bern schließt die Tür des großen Containers auf,<br />
in dem seit Sommer 2016 ein 2-Megawatt-Gasmotor<br />
vom Hersteller Jenbacher untergebracht ist. Kein Motorenlärm<br />
ist zu hören. Stattdessen Stille. Das Aggregat<br />
steht. „Der Motor lief heute Morgen von 7.00 bis 10.00<br />
Uhr, jetzt bleibt der Motor bis zum späten Nachmittag<br />
abgestellt, dann wird er wieder hochgefahren“, erklärt<br />
Bern den Flex-Betrieb.<br />
Der beeindruckende Motor ist eine von mehreren Investitionen,<br />
die notwendig waren, um die im Jahr 2011 mit<br />
einem 550 kW großen BHKW gestartete Biogasanlage<br />
für einen zukunftsgewandten Flex-Betrieb fit zu machen.<br />
Dabei ging es nicht nur um die netzkompatible<br />
Stromproduktion, sondern zugleich auch um eine bedarfsgerechte<br />
Wärmeerzeugung – sowohl für die gutseigenen<br />
Gebäude in Rixdorf als auch im benachbarten<br />
Lebrade, sodass inzwischen mehr als 90 Gebäude in<br />
der Gemeinde mit der Abwärme der Biogasanlage sicher<br />
versorgt werden.<br />
Viele Anpassungen notwendig<br />
All das erforderte eine vollständige Neukonzeptionierung<br />
der bestehenden Anlage. Neben dem 2-MW-Motor<br />
und einem neuen Trafo mussten auch ein neuer Wärmespeicher<br />
und ein neuer Gasspeicher mit einem gänzlich<br />
neuen Rohrsystem errichtet werden. Als Berater für die<br />
Positionierung des Stromverkaufs kauften sich die Rixdorfer<br />
zusätzlich Fachleute von der GesamtBetriebs-<br />
Beratung Landwirtschaft (GBB) ein. Ganz abgesehen<br />
davon erforderte die fünffache Überbauung der alten<br />
Anlage ein aufwändiges Genehmigungsverfahren, außerdem<br />
musste die Software komplett neu konfiguriert<br />
werden. Für all dies mussten die Rixdorfer Biogaserzeuger<br />
tief in die Tasche greifen. Rund 2 Millionen Euro In-<br />
58
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Praxis<br />
Blick über die Fermenter<br />
respektive Gasspeicher hin zum<br />
Kirchturm von Lebrade.<br />
Fotos: Dierk Jensen<br />
Der neue 15.500 m 3 Gasspeicher ist<br />
Garant für die Flexibilisierung.<br />
vestitionssumme stehen zu Buche, rund 180.000 Euro<br />
flossen für das Pilotprojekt aus staatlichen Töpfen.<br />
Trotz dieses hilfreichen Fördergeldes ist das eine Stange<br />
Geld, das sieht Wilken von Behr, Betriebsleiter der<br />
Agricola GbR und zugleich Chef der Biogasanlage, ohne<br />
Umschweife ebenso. „Aber wir wollten unbedingt dabei<br />
bleiben, nicht nur 20 Jahre“, bekennt sich von Behr in<br />
seinem Büro im historischen Gutshaus zu einer langfristigen<br />
Biogas-Perspektive. Dabei sei der Motor mit<br />
der Flexprämie von jährlich 130 Euro pro Kilowatt über<br />
eine Laufzeit von 10 Jahren schon nach 7 Jahren bezahlt,<br />
rechnet er vor.<br />
Die übrige Million für die Peripherie nimmt dagegen<br />
eine längere Laufzeit in Anspruch. Sein Credo deshalb:<br />
„Die Zukunft liegt nicht in der Flexibilisierung, sondern<br />
in der bleibenden Flexibilisierung!“ Während er<br />
dies sagt, wandern seine Augen auf das Display seines<br />
Smartphones, das auf dem Arbeitstisch liegt. Es gibt<br />
ihm über eine App einen genauen Einblick ins Geschehen<br />
der Biogasanlage. „Der Umbau hin zu einer flexiblen<br />
Fahrweise und einer neuen Software und moderner<br />
Kommunikationstechnik bringt uns neben allen<br />
wirtschaftlichen Vorzügen noch einen großen Vorteil“,<br />
räumt von Behr frank und frei ein, „wir sind früher bei<br />
Störmeldungen immer aus dem Büro gerannt, waren<br />
permanent in Stress,<br />
das ist jetzt nicht<br />
„Das war alles goldrichtig,<br />
was wir gemacht haben“<br />
mehr der Fall.“<br />
Biogas 4.0 in Rixdorf?<br />
Ein bisschen<br />
schon. Stellvertretend<br />
steht dafür der<br />
große Gasspeicher<br />
mit 15.500 Kubikmeter<br />
Fassungsvermögen, der direkt neben den<br />
Fermentern steht. „Die Moschee“ wird der 20 Meter<br />
hohe Gasspeicher aufgrund seiner Größe und seiner<br />
gewölbten Gestalt von manchem Anwohner in der Um-<br />
Bürgermeister Jörg Pruß<br />
„ Er wollte wieder ohne!<br />
Da habe ich nein gesagt!“<br />
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Kompetenz in Biogas<br />
59
Praxis<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Betriebsleiter Wilken<br />
von Behr in seinem<br />
Büro.<br />
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gebung scherzhaft genannt.<br />
Ob der Bürgermeister von Lebrade,<br />
Jörg Pruß, auch diesen<br />
Ausdruck benutzt, bleibt sein<br />
Geheimnis. Dafür sagt er eines<br />
gerne mit Nachdruck: „Das war alles goldrichtig, was<br />
wir gemacht haben.“ Damit meint er die Gründung der<br />
Genossenschaft Bioenergieversorgung Lebrade im Jahr<br />
2010, deren Vorsitzender er heute ist.<br />
Die Genossenschaft besteht aus mittlerweile mehr als<br />
70 Hausbesitzern, die von der benachbarten Biogasanlage<br />
insgesamt rund 1,2 Millionen Kilowattstunden<br />
Wärme im Jahr beziehen. In eigener Regie planten und<br />
bauten die Genossen ein Wärmenetz, wofür sie 600.000<br />
Euro EU-Mittel einwerben konnten. Bei der Verlegung<br />
der Wärmerohre wurde huckepack ein Breitbandkabel<br />
eingegraben; damit brachten die Entrepreneure für Biogaswärme<br />
schnelles Internet nach Lebrade.<br />
„Die Bürger sind dabei“, freut<br />
sich Sozialdemokrat Pruß über eine<br />
Zwei-Drittel-Anschlussrate. Dies ist<br />
sicherlich auch dem günstigen Hausanschluss<br />
inklusive Wärmetauscher<br />
für eine Einmalzahlung von 750 Euro<br />
geschuldet. Darüber hinaus ist der Wärmepreis<br />
von 8 Cent pro Kilowattstunde,<br />
den die Wärmeabnehmer an die Genossenschaft<br />
zu entrichten haben, überzeugend, zumal<br />
Kosten für Schornsteinfeger, Wartung und Rücklagen<br />
weggefallen. „Wir haben die Klimaziele von 2050 schon<br />
heute erfüllt“, stellt der Bürgermeister zufrieden fest.<br />
Kirche heizt mit Öl<br />
Nur die Kirche im Ort hat sich nicht beteiligen wollen,<br />
weil Biogas aus Energiepflanzen nicht in ihr ethisches<br />
Konzept passe, bedauert er, stattdessen hat sich die<br />
Lebrader Kirchengemeinde für eine neue 15.000 Euro<br />
teure Ölheizung für ihr Gotteshaus entschieden. „Oh,<br />
mein Gott!“, möchte man den ostholsteinischen Protestanten<br />
entgegenhalten, geht so irdische Energiewende?<br />
Während hier und da offenbar noch Widersprüche<br />
herrschen, sind die Betreiber der Bioenergie Lebrade-<br />
Rixdorf mit einer Jahresproduktionsmenge von rund<br />
4,8 Millionen Kubikmeter Biogas schon längst in der<br />
Gegenwart angekommen. Sie sind in den hochflexiblen<br />
und preisvolatilen Strommarkt eingestiegen, leisten<br />
Netzstabilität und kommen obendrein im ersten Betriebsjahr<br />
auf eine Wärmenutzung von 83 Prozent. „Wir<br />
wollen noch besser werden, unser Ziel ist, auf über 90<br />
Prozent zu kommen“, blickt von Behr ehrgeizig auf die<br />
nächsten Jahre und hofft auch, dass auf der Stromseite<br />
noch höhere Erlöse als bisher winken.<br />
So hat er die Vermarktung des Stroms in die Hände des<br />
Stromhändlers Neas gelegt, der in der dänischen Stadt<br />
Aalborg seine Geschäfte abwickelt. Neas hat im virtuellen<br />
Kraftwerk nach eigenen Angaben Kraft-Wärme-<br />
Kopplungsanlagen im Volumen von 6.000 Megawatt<br />
gebündelt und vermarktet diese an der Börse. Neas gibt<br />
auch den Erzeugungsfahrplan für das BHKW in Rixdorf<br />
vor. Dabei spielt der großdimensionierte Gasspeicher<br />
hinsichtlich einer tatsächlich wirtschaftlichen Flexibilisierung<br />
eine entscheidende Rolle.<br />
Gas kann 56 Stunden gespeichert werden<br />
„Unsere Altanlage mit 500 kW, unsere Bemessungsgrundlage,<br />
erzeugt pro Stunde rund 275 Kubikmeter<br />
Biogas. Wir können dieses Gas rund 56 Stunden lang<br />
speichern, ohne dass wir Strom erzeugen“, verrät von<br />
Behr und verweist auf ein Wochenende hin, das genau<br />
diese Zeitspanne abdeckt. Aber nicht nur die richtigen<br />
Dimensionen der Speicher sind bedeutsam, sondern<br />
auch die technischen Detail-Innovationen, die in den<br />
Schnittstellen zwischen Gasspeicher, Motor und Wär-<br />
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60
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
mespeicher umgesetzt worden sind, tragen<br />
zum wirtschaftlichen Gelingen bei, so von<br />
Behr weiter. Nicht unerwähnt sollte bleiben,<br />
dass der Wirkungsgrad des 2-MW-Motors<br />
bei bemerkenswerten 44 Prozent liegt<br />
und damit wesentlich weniger Gas die gleiche<br />
Stromleistung im Vergleich zu älteren<br />
und kleineren Modulen erzielt. Damit nun<br />
die effizienten Motoren den Flex-Betrieb<br />
auch gut bewältigen, hat Anlagenfahrer<br />
Stefan Bern die Gaskühlung ständig im<br />
Blick. Das Gas muss im Temperaturbereich<br />
zwischen 25 und 30 Grad Celsius vor dem<br />
Verdichter ankommen, damit jegliche Kondensation<br />
vermieden wird. Zudem halten<br />
die Betreiber den Jenbacher bei 65 Grad<br />
Celsius warm, damit er die Starts von Null<br />
auf Hundert auch gut verkraftet.<br />
„Starten und Stoppen wird im kommunalen<br />
Klärgasbereich seit jeher betrieben,<br />
damit kommen unsere Motoren gut klar“,<br />
verweist Joachim Pott auf einen großen<br />
Erfahrungsschatz des Herstellers. Der<br />
Vertriebsleiter von Jenbacher für Norddeutschland<br />
verschweigt allerdings auch<br />
nicht, dass sowohl Anlasser als auch diverse<br />
Lager (Pleuel, Kurbelwelle etc.) bei<br />
einem Flex-Betrieb höheren Abnutzungen<br />
ausgesetzt sind und früher ausgetauscht<br />
werden müssen.<br />
Auf der Suche nach günstigeren<br />
Inputstoffen<br />
Aber nicht nur die Technik und die Flexibilisierung<br />
haben Behr und Bern im Blick.<br />
Ebenso versuchen sie, die Gärbiologie<br />
noch weiter zu verbessern. Gegenwärtig<br />
werden die Fermenter täglich mit rund 4<br />
Tonnen Hühnertrockenkot, 10 Kubikmetern<br />
Gülle und 22 Tonnen Mais gefüttert.<br />
Der Methan-Gehalt im Biogas liegt aber<br />
bei bescheidenen 52,5 Prozent. Das sei<br />
durchaus steigerungsfähig, wissen der<br />
62-jährige Betriebsleiter und sein Anlagenfahrer,<br />
der als Bauernsohn und gelernter<br />
Heizungsbauer ein Verständnis für alle<br />
Aspekte der Biogasproduktion mitbringt.<br />
Beide sind daher offen gegenüber neuen<br />
Fütterungsmethoden, die eventuell für<br />
noch höhere Methan-Erträge sorgen. Darüber<br />
hinaus schielt von Behr nach noch<br />
günstigeren Inputstoffen.<br />
Doch mag er Langzeitprognosen nicht<br />
mehr abgeben, zu oft schon sind diese<br />
durch plötzliche Wechsel in der Politik<br />
oder auch durch globale Verwerfungen widerlegt<br />
worden. Dabei kann von Behr auf<br />
einen langen Erfahrungsschatz als Energiewirt<br />
zurückblicken. Denn schon weit vor<br />
dem Bau der Biogasanlage beschäftigte er<br />
sich mit nachhaltiger Energieerzeugung<br />
aus eigener Kraft. Sein Fokus lag aber zu<br />
Beginn gar nicht auf Biogas, sondern vielmehr<br />
auf holzige Biomasse, genauer gesagt<br />
auf Holzhackschnitzel. So baute der<br />
Betriebsleiter des Rixdorfer Gutes im Jahr<br />
2006 einen Holzhackschnitzelkessel, in<br />
dem ein Teil des anfallenden Schnittholzes<br />
von rund 80 Kilometer Feldbaumreihen (in<br />
Schleswig-Holstein „Knicks“ genannt) und<br />
die Biomasse von 36 Hektar schnellwachsendem<br />
Gehölz eingefahren wird. Früher<br />
beheizte der Holzhackschnitzelkessel die<br />
Getreidetrocknung und die Gebäude des<br />
Gutes, das urkundlich zum ersten Mal im<br />
14. Jahrhundert erwähnt wurde und heute<br />
im Eigentum von Graf von Westphalen und<br />
Käthe Hirschberg ist.<br />
Heute liefert die Biogasanlage die Wärme,<br />
während der Holzhackschnitzelkessel<br />
für die Lastspitzen zuständig ist. Zudem<br />
trocknet die Abwärme der Biogasanlage die<br />
vom landwirtschaftlichen Betrieb erzeugten<br />
Holzhackschnitzel in einer großen, mit<br />
Photovoltaik bedachten Lagerhalle. Von<br />
dort wird das getrocknete Brennmaterial<br />
zum 15 Kilometer entfernten Kessel eines<br />
Krankenhauses in Bad Malente transportiert.<br />
Zwar funktioniert die Wärmelieferung<br />
mit fester Biomasse, doch sieht von Behr<br />
für den Anbau von schnellwachsendem<br />
Gehölz im größeren Stil – entgegen einst<br />
gehegter Hoffnungen – keine große Zukunft<br />
mehr, wenngleich sie eine nicht wegzudenkende<br />
Größe in der Wärmewende seines<br />
Betriebes und der Gemeinde Lebrade ist.<br />
Trotz einiger Rückschläge besteht kein<br />
Zweifel: Wenn von Behr in einigen Jahren<br />
die Verantwortung für Landwirtschaft und<br />
Energieerzeugung an Jüngere abgeben<br />
wird, dann hat er sich in Sachen Energiewende<br />
nichts vorzuwerfen: Er hat die außerordentlichen<br />
Chancen, die ihm der begüterte<br />
Betrieb bot, voll ausgeschöpft. Er hat<br />
vielen demonstriert, wie ein Zusammenspiel<br />
von Photovoltaik, fester Biomasse und<br />
Biogas zukunftsfähig funktionieren kann.<br />
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Regionen. Zahlreiche Wärmenetze, die<br />
teilweise genossenschaftlich betrieben<br />
werden, unterstreichen dieses Potenzial.<br />
Regionale Wertschöpfung<br />
Biogasanlagen produzieren dort Energie,<br />
wo sie gebraucht wird: In den Regionen.<br />
Das Geld für den Bau, den Betrieb und<br />
die Instandhaltung der Anlagen bleibt<br />
vor Ort – und fließt nicht in die Taschen<br />
der Ölmultis. Das sichert die regionale<br />
Energieversorgung und ist ein aktiver<br />
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Gas kann sowohl zur Strom- und Wärmegewinnung wie<br />
auch als Kraftstoff eingesetzt werden. Damit ist Biogas eine wichtige<br />
Säule für die bürgernahe und bezahlbare Energiewende!<br />
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Deutschland mit klimafreundlichem Strom. Bei der<br />
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auch Wärme.<br />
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Mit Biogaswärme können zum Beispiel private Haushalte,<br />
kommunale Einrichtungen wie Schulen, Schwimmbäder<br />
und Turnhallen, Gewerbebetriebe oder Gewächshäuser<br />
beheizt werden.<br />
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Zu Biomethan aufbereitetes Biogas kann als klimafreundlicher<br />
und effizienter Kraftstoff von jedem CNG<br />
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62
Um die Erderhitzung zu stoppen müssen wir auf Erneuerbare Energien umsteigen.<br />
Sonne und Wind stehen uns unbegrenzt und kostenlos zur<br />
Verfügung. Aber nicht immer. Deshalb brauchen wir zusätzliche regenerative<br />
Quellen, die verlässlich zur Verfügung stehen. So wie Biogas.<br />
Das in den Fermentern bei der Vergärung von Gülle, Bioabfall und<br />
Energiepflanzen entstehende Gas kann gespeichert und je nach Bedarf<br />
kurzfristig in Strom und Wärme umgewandelt werden. So wird der<br />
Wind- und Solarstrom genutzt, wenn er entsteht - und Biogas springt ein,<br />
sobald Sonne und Wind eine Pause machen.<br />
Die Biogasanlage Biogas GmbH hat zwei Blockheizkraftwerke (BHKW) mit<br />
einer Leistung von je 250 kW. Darin wird aus Biogas Strom und Wärme<br />
erzeugt.<br />
Die Kraftwerke werden von den Stadtwerken XY ferngesteuert. Je nach<br />
Strombedarf können sie an- oder abgeschaltet werden. Wenn das<br />
Stromnetz voll ist, wird das Biogas in der Kuppel des Fermenters<br />
gespeichert. Und wenn Strombedarf besteht, können die BHKWs<br />
innerhalb weniger Sekunden ihre maximale Leistung von 500 kW abrufen.<br />
Biogasanlage Biogas GmbH<br />
Planeten.<br />
Die im Fermenter befindlichen Bakterien wandeln die Biomasse, z.B. biologische Abfälle,<br />
nachwachsende Rohstoffe und Gülle, zu Biogas und Gärprodukten um. Das erzeugte Biogas<br />
wird in der Gashaube aufgefangen und von hier über Gasleitungen zum Blockheizkraftwerk<br />
(BHKW) transportiert. Im BHKW wird aus dem Biogas Strom und Wärme erzeugt.<br />
Bei der Ausgestaltung von Biogasanlagen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme,<br />
Techniken und Funktionsweisen. Der übliche Aufbau umfasst folgende Komponenten:<br />
1<br />
2<br />
6<br />
9<br />
3<br />
5 4<br />
3<br />
12<br />
8<br />
1 Lager für die zu vergärende Biomasse<br />
(Silo, Annahmestelle, Güllegrube)<br />
2 ggf. Aufbereitung, Sortierungs oder<br />
Reinigungssysteme für die zu vergärende<br />
Biomasse oder Reststoffe<br />
3 Einbring / Pumptechnik transportiert<br />
die Biomasse in die Fermenter bzw.<br />
aus diesen heraus<br />
4 Rührwerke vermischen die Bakterien<br />
im Fermenter mit der frischen Biomasse<br />
5 Heizung – die übliche Gärtemperatur<br />
liegt bei 40 °C<br />
6 Gasspeicher zur kurz und mittelfristigen<br />
Speicherung des Biogases<br />
7 Gasreinigungssysteme zur<br />
Entschwefelung und Entwässerung<br />
2<br />
1<br />
9<br />
3<br />
8<br />
7<br />
5<br />
8<br />
8<br />
11<br />
3<br />
Erdgasnetz<br />
10<br />
Strom<br />
Wärme<br />
8 Pumpleitungen für Gärsubstrate<br />
und Biogasleitungen<br />
9 Sicherheitstechnik: Drucksicherungen,<br />
Sicherheitsventile<br />
10 Blockheizkraftwerk für die gleichzeitige<br />
Strom und Wärmeproduktion<br />
11 ggf. Aufbereitungstechnik für die<br />
Umwandlung von Biogas zu Biomethan<br />
12 Lagerbehälter für die ausgefaulten<br />
Gärprodukte (ggf. mit entsprechender<br />
Technik zur Weiterverarbeitung<br />
(Fest/Flüssigtrennung, Trocknung,<br />
Pelletierung etc.)<br />
6<br />
5<br />
7<br />
8<br />
8<br />
1<br />
2<br />
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3<br />
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8<br />
1 Lager für die zu vergärende Bioma se<br />
2 gf. Aufbereitung, Sortierungs oder<br />
Reinigung systeme für die zu ver<br />
3 Einbring / Pumptechnik transportiert<br />
die Bioma se in die Fermenter bzw.<br />
(Silo, Annahmeste le, Gü legrube)<br />
gärende Bioma se oder Reststo fe<br />
aus diesen heraus<br />
ma se<br />
5 Heizung – die übliche Gärtemperatur<br />
liegt bei 40 °C<br />
6 Ga speicher zur kurz und mi telfristigen<br />
Speicherung des Biogases<br />
6<br />
Wärme<br />
8<br />
7<br />
5<br />
8<br />
Bei der Ausgestaltung von Biogasanlagen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme,<br />
Techniken und Funktionsweisen. Der übliche Aufbau umfa st folgende Komponenten:<br />
www.biogas.org<br />
1<br />
2<br />
9<br />
3<br />
5 4<br />
3<br />
12<br />
8<br />
1 Lager für die zu vergärende Bioma se<br />
(Silo, Annahmeste le, Gü legrube)<br />
2 gf. Aufbereitung, Sortierungs oder<br />
Reinigung systeme für die zu vergärende<br />
Bioma se oder Reststoffe<br />
3 Einbring / Pumptechnik transportiert<br />
die Bioma se in die Fermenter bzw.<br />
aus diesen heraus<br />
4 Rührwerke vermischen die Bakterien<br />
im Fermenter mit der frischen Bioma<br />
se<br />
5 Heizung – die übliche Gärtemperatur<br />
liegt bei 40 °C<br />
6 Ga speicher zur kurz und mi telfristigen<br />
Speicherung des Biogases<br />
7 Gasreinigung systeme zur<br />
Entschwefelung und Entwä serung<br />
11 gf. Aufbereitungstechnik für die<br />
Umwandlung von Biogas zu Biomethan<br />
12 Lagerbehälter für die ausgefaulten<br />
Gärprodukte ( gf. mit entsprechender<br />
Technik zur Weiterverarbeitung<br />
(Fest/Flü sigtrennung, Trocknung,<br />
Pe letierung etc.)<br />
1<br />
Strom<br />
10<br />
Erdgasnetz<br />
6<br />
Wärme<br />
8 Pumpleitungen für Gärsubstrate<br />
und Biogasleitungen<br />
9 Sicherheitstechnik: Drucksicherungen,<br />
Sicherheitsventile<br />
10 Blockheizkraftwerk für die gleichzeitige<br />
Strom und Wärmeproduktion<br />
11 gf. Aufbereitungstechnik für die<br />
Umwandlung von Biogas zu Biomethan<br />
12 Lagerbehälter für die ausgefaulten<br />
Gärprodukte ( gf. mit entsprechender<br />
Technik zur Weiterverarbeitung<br />
(Fest/Flüssigtrennung, Trocknung,<br />
Pe letierung etc.)<br />
1 Lager für die zu vergärende Biomasse<br />
(Silo, Annahmeste le, Gü legrube)<br />
2 ggf. Aufbereitung, Sortierungs- oder<br />
Reinigungssysteme für die zu vergärende<br />
Biomasse oder Reststo fe<br />
3 Einbring- / Pumptechnik transportiert<br />
die Biomasse in die Fermenter bzw.<br />
aus diesen heraus<br />
4 Rührwerke vermischen die Bakterien<br />
im Fermenter mit der frischen Bio-<br />
5 Heizung – die übliche Gärtemperatur<br />
6 Gasspeicher zur kurz- und mi telfristigen<br />
Speicherung des Biogases<br />
7 Gasreinigungssysteme zur Entschwefelung<br />
und Entwässerung<br />
8 Pumpleitungen für Gärsubstrate<br />
und Biogasleitungen<br />
9 Sicherheitstechnik: Drucksicherungen,<br />
Sicherheitsventile<br />
10 Blockheizkraftwerk für die gleichzeitige<br />
Strom- und Wärmeproduktion<br />
11 ggf. Aufbereitungs technik für die<br />
Um wandlung von Biogas zu Bio-<br />
12 Lagerbehälter für die ausgefaulten<br />
Gärprodukte (ggf. mit entsprechender<br />
Technik zur Weiterverarbeitung<br />
(Fest-/Flüssigtrennung, Trocknung,<br />
Pelletierung etc.)<br />
masse<br />
liegt bei 40 °C<br />
methan<br />
8<br />
7<br />
5<br />
8<br />
11<br />
Strom<br />
10<br />
Erdgasnetz<br />
Fast jede Pflanze kann in Biogasanlagen vergoren und zu Strom<br />
und Wärme umgewandelt werden – auch jene, die in der Lebensund<br />
Futtermittelproduktion keine Verwendung finden.<br />
Das bei der Energieerzeugung freigesetzte CO 2 entspricht in etwa<br />
der Menge, die die Pflanzen während Ihres Wachstums gebunden<br />
haben.<br />
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Biogas trägt dazu bei, dass unsere Felder bunter und artenreicher<br />
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vor allem Lebensraum für Insekten und Wildtiere und verbessern<br />
die Bodengesundheit.<br />
Die Pflanzen benötigen in der Regel keine Pflanzenschutzmittel,<br />
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Die im Fermenter befindlichen Bakterien wandeln die Biomasse, z.B. biologische Abfälle,<br />
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wird in der Gashaube aufgefangen und von hier über Gasleitungen zum Blockheizkraftwerk<br />
(BHKW) transportiert. Im BHKW wird aus dem Biogas Strom und Wärme erzeugt.<br />
Bei der Ausgestaltung von Biogasanlagen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme,<br />
Techniken und Funktionsweisen. Der übliche Aufbau umfasst folgende Komponenten:<br />
1<br />
2<br />
9<br />
3<br />
5 4<br />
3<br />
12<br />
8<br />
1 Lager für die zu vergärende Biomasse<br />
(Silo, Annahmestelle, Güllegrube)<br />
2 ggf. Aufbereitung, Sortierungs oder<br />
Reinigungssysteme für die zu vergärende<br />
Biomasse oder Reststoffe<br />
3 Einbring / Pumptechnik transportiert<br />
die Biomasse in die Fermenter bzw.<br />
aus diesen heraus<br />
4 Rührwerke vermischen die Bakterien<br />
im Fermenter mit der frischen Biomasse<br />
5 Heizung – die übliche Gärtemperatur<br />
liegt bei 40 °C<br />
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Speicherung des Biogases<br />
7 Gasreinigungssysteme zur<br />
Entschwefelung und Entwässerung<br />
Die im Fermenter befindlichen Bakterien wandeln die Biomasse, z.B. biologische Abfälle,<br />
nachwachsende Rohstoffe und Gülle, zu Biogas und Gärprodukten um. Das erzeugte Biogas<br />
wird in der Gashaube aufgefangen und von hier über Gasleitungen zum Blockheizkraftwerk<br />
(BHKW) transportiert. Im BHKW wird aus dem Biogas Strom und Wärme erzeugt.<br />
Bei der Ausgestaltung von Biogasanlagen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme,<br />
Techniken und Funktionsweisen. Der übliche Aufbau umfasst folgende Komponenten:<br />
1<br />
2<br />
9<br />
3<br />
5 4<br />
3<br />
12<br />
8<br />
1 Lager für die zu vergärende Biomasse<br />
(Silo, Annahmestelle, Güllegrube)<br />
2 ggf. Aufbereitung, Sortierungs- oder<br />
Reinigungssysteme für die zu vergärende<br />
Biomasse oder Reststoffe<br />
3 Einbring- / Pumptechnik transportiert<br />
die Biomasse in die Fermenter bzw.<br />
aus diesen heraus<br />
4 Rührwerke vermischen die Bakterien<br />
im Fermenter mit der frischen Biomasse<br />
5 Heizung – die übliche Gärtemperatur<br />
liegt bei 40 °C<br />
6 Gasspeicher zur kurz- und mittelfristigen<br />
Speicherung des Biogases<br />
7 Gasreinigungssysteme zur<br />
Entschwefelung und Entwässerung<br />
Die im Fermenter befindlichen Bakterien wandeln die Biomasse, z.B. biologische Abfälle,<br />
nachwachsende Rohstoffe und Gülle, zu Biogas und Gärprodukten um. Das erzeugte Biogas<br />
wird in der Gashaube aufgefangen und von hier über Gasleitungen zum Blockheizkraftwerk<br />
(BHKW) transportiert. Im BHKW wird aus dem Biogas Strom und Wärme erzeugt.<br />
Bei der Ausgestaltung von Biogasanlagen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme,<br />
Techniken und Funktionsweisen. Der übliche Aufbau umfasst folgende Komponenten:<br />
1<br />
2<br />
9<br />
3<br />
5 4<br />
3<br />
12<br />
8<br />
1 Lager für die zu vergärende Biomasse<br />
(Silo, Annahmestelle, Güllegrube)<br />
2 ggf. Aufbereitung, Sortierungs oder<br />
Reinigungssysteme für die zu vergärende<br />
Biomasse oder Reststoffe<br />
3 Einbring / Pumptechnik transportiert<br />
die Biomasse in die Fermenter bzw.<br />
aus diesen heraus<br />
4 Rührwerke vermischen die Bakterien<br />
im Fermenter mit der frischen Biomasse<br />
5 Heizung – die übliche Gärtemperatur<br />
liegt bei 40 °C<br />
6 Gasspeicher zur kurz und mittelfristigen<br />
Speicherung des Biogases<br />
7 Gasreinigungssysteme zur<br />
Entschwefelung und Entwässerung<br />
6<br />
6<br />
8 Pumpleitungen für Gärsubstrate<br />
und Biogasleitungen<br />
9 Sicherheitstechnik: Drucksicherungen,<br />
Sicherheitsventile<br />
10 Blockheizkraftwerk für die gleichzeitige<br />
Strom und Wärmeproduktion<br />
11 ggf. Aufbereitungstechnik für die<br />
Umwandlung von Biogas zu Biomethan<br />
12 Lagerbehälter für die ausgefaulten<br />
Gärprodukte (ggf. mit entsprechender<br />
Technik zur Weiterverarbeitung<br />
(Fest/Flüssigtrennung, Trocknung,<br />
Pelletierung etc.)<br />
8<br />
7<br />
5<br />
8<br />
Wärme<br />
8 Pumpleitungen für Gärsubstrate<br />
und Biogasleitungen<br />
9 Sicherheitstechnik: Drucksicherungen,<br />
Sicherheitsventile<br />
10 Blockheizkraftwerk für die gleichzeitige<br />
Strom- und Wärmeproduktion<br />
11 ggf. Aufbereitungstechnik für die<br />
Umwandlung von Biogas zu Biomethan<br />
12 Lagerbehälter für die ausgefaulten<br />
Gärprodukte (ggf. mit entsprechender<br />
Technik zur Weiterverarbeitung<br />
(Fest-/Flüssigtrennung, Trocknung,<br />
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FV Anlagenschild A0 quer.indd 1 11.02.16 16:10<br />
6<br />
8<br />
7<br />
5<br />
8<br />
Wärme<br />
8<br />
7<br />
5<br />
8<br />
Wärme<br />
11<br />
Strom<br />
11<br />
11<br />
Erdgasnetz<br />
10<br />
Strom<br />
Strom<br />
Erdgasnetz<br />
8 Pumpleitungen für Gärsubstrate<br />
und Biogasleitungen<br />
9 Sicherheitstechnik: Drucksicherungen,<br />
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10 Blockheizkraftwerk für die gleichzeitige<br />
Strom und Wärmeproduktion<br />
11 ggf. Aufbereitungstechnik für die<br />
Umwandlung von Biogas zu Biomethan<br />
12 Lagerbehälter für die ausgefaulten<br />
Gärprodukte (ggf. mit entsprechender<br />
Technik zur Weiterverarbeitung<br />
(Fest/Flüssigtrennung, Trocknung,<br />
Pelletierung etc.)<br />
10<br />
10<br />
Erdgasnetz<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
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So funktioniert eine Biogasanlage<br />
Die im Fermenter befindlichen Bakterien wandeln die Bioma se, z.B. biologische Abfä le,<br />
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Die Franken-Therme ist an das Fernwärmenetz der Stadtwerke Bad<br />
Windsheim angeschlossen. 30 Prozent des Wärmeangebotes der Stadtwerke<br />
werden von der Biogasanlage der Bio-Energie Bad Windsheim<br />
erzeugt.<br />
Als Kunde der Stadtwerke profitiert die Franken-Therme direkt von der<br />
umwelt- und klimafreundlichen Wärmegewinnung aus Biogas. So<br />
werden die Thermal-Badelandschaft, das Dampferlebnisbad und die<br />
Sauna zu rund einem Drittel mit Biogaswärme beheizt.<br />
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„So funktioniert eine Biogasanlage“<br />
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einer Biogasanlage<br />
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Wir müssen unser Klima schützen und den Ausstoß von CO 2<br />
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Biogasanlagen leisten einen wichtigen Beitrag auf unserem Weg in eine<br />
klimafreundliche Zukunft.<br />
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So funktioniert eine Biogasanlage<br />
Diese Biogasanlage schafft<br />
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So funktioniert eine Biogasanlage<br />
Regional. Verlässlich. Klimafreundlich.<br />
12<br />
5 4<br />
.durch Biogas<br />
regionale Wertschöpfung<br />
Regional. Verlässlich. Klimafreundlich.<br />
Energie für die Region…<br />
Seit dem Jahr 2009 erzeugt die Biogasanlage Biogas GmbH Strom für 700<br />
Haushalte und versorgt außerdem 26 Privathaushalte, die Schule, das<br />
Altenheim und das Rathaus mit umweltfreundlicher Wärme. Die Substrate<br />
für die Energieerzeugung bezieht die Biogasanlage vo lständig von<br />
Landwirten aus der Umgebung. Das nach der Vergärung entstehende<br />
Gärprodukt geht als hochwertiger Dünger zurück auf die Felder.<br />
Die Kilowa tstunde Biogaswärme kostet die Haushalte im Schni t zwei Cent weniger<br />
als die Wärme aus Heizöl.<br />
Durch das bei den Heizkosten gesparte Geld konnte Neustadt neue Sportgeräte für<br />
die Schule kaufen und den Gemeinschaftsraum im Altenheim renovieren.<br />
Der Bau der Anlagenteile, die Wartung und Erweiterung der Biogasanlage generiert<br />
weitere Jobs bei Handwerksbetrieben in der Umgebung.<br />
Vom Anbau vielfältiger Energiepflanzen profitieren die Bienen und mit ihnen die<br />
Imker in der Region.<br />
Die Biogasanlage Biogas GmbH erzeugt im Jahr 300.000 Kilowattstunden<br />
Strom. Das entspricht dem Verbrauch von 100 durchschnittlichen<br />
Haushalten.<br />
Die bei der Stromerzeugung anfa lende Wärme wird im Sta l und im<br />
Wohnhaus eingesetzt und außerdem zur Holztrocknung genutzt. In der<br />
Summe spart diese Biogasanlage 450 Tonnen CO 2 ein, die beim Einsatz<br />
fossiler Energieträger wie Kohle und Öl freigesetzt worden wären.<br />
Das entspricht 380 Flügen von München nach New York und zurück.<br />
Immer wenn wir Energie brauchen, kann Biogas liefern:<br />
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Die im Fermenter befindlichen Bakterien wandeln die Biomasse,<br />
z.B. biologische Abfälle, nachwachsende Rohsto fe und Gülle,<br />
zu Biogas und Gärprodukten um.<br />
Das erzeugte Biogas wird in der Gashaube aufgefangen<br />
und von hier über Gasleitungen zum<br />
Blockheizkraftwerk (BHKW) transportiert.<br />
Im BHKW wird aus dem Biogas<br />
Strom und Wärme erzeugt.<br />
Wärme<br />
So funktioniert eine Biogasanlage<br />
Die im Fermenter befindlichen Bakterien wandeln die Bioma se, z.B. biologische Abfä le,<br />
nachwachsende Rohsto fe und Gü le, zu Biogas und Gärprodukten um. Das erzeugte Biogas<br />
wird in der Gashaube aufgefangen und von hier über Gasleitungen zum Blockheizkraftwerk<br />
(BHKW) transportiert. Im BHKW wird aus dem Biogas Strom und Wärme erzeugt.<br />
Bei der Ausgestaltung von Biogasanlagen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme,<br />
Techniken und Funktionsweisen. Der übliche Aufbau umfa st folgende Komponenten:<br />
4 Rührwerke vermischen die Bakterien<br />
im Fermenter mit der frischen Bio<br />
7 Gasreinigungssysteme zur<br />
Entschwefelung und Entwä serung<br />
Immer wenn wir Energie brauchen, kann Biogas liefern: Bei Tag und Nacht, bei Wind und Wetter. www.biogas.org<br />
11<br />
Strom<br />
10<br />
8 Pumpleitungen für Gärsubstrate<br />
und Biogasleitungen<br />
9 Sicherheitstechnik: Drucksicherungen,<br />
Sicherheitsventile<br />
10 Blockheizkraftwerk für die gleichzeitige<br />
Strom und Wärmeproduktion<br />
Erdgasnetz<br />
Vorteile<br />
– Die Biogaswärme wird in einer Biogasanlage in Bad Windsheim erzeugt:<br />
Dies stärkt die Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten und fördert<br />
die Wirtschaftskraft in der Region.<br />
– Durch die umweltfreundliche Biogaswärme werden pro Jahr rund<br />
300.000 Liter Heizöl eingespart und damit knapp 800 Tonnen<br />
Kohlendioxid (CO 2 ) weniger ausgestoßen.<br />
– Neben der Wärme erzeugt die Biogasanlage der Bio-Energie<br />
Bad Windsheim jährlich Strom für mehr als 1.200 Haushalte.<br />
Bei der Ausgestaltung von Biogasanlagen<br />
gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher<br />
Systeme, Techniken und<br />
Funktionsweisen. Der übliche Aufbau<br />
umfasst folgende Komponenten:<br />
FV Schild - so funktioniert eine Anlage A0 quer.in d 1 16.06.16 1: 0<br />
Anlagenschild (individuell)<br />
Informieren Sie Wanderer und Gäste über Ihre Biogasanlage<br />
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Diese Biogasanlage erzeugt<br />
Strom und Wärme<br />
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Biogasanlage Bad Windsheim<br />
Die Fakten …<br />
Leistung der Anlage<br />
400 kW el<br />
Mit Strom versorgte Haushalte 800<br />
Wärmebereitstellung<br />
Schwimmbad und Wärmenetz<br />
Eingesetzte Substrate Gülle, Mist,<br />
Landschaftspflegematerial,<br />
Maissilage, Grassilage<br />
Besonderheit an der Anlage<br />
Gärpoduktaufbereitung (Herstellung eines hochwertigen Düngers)<br />
Immer wenn wir Energie brauchen, kann Biogas liefern:<br />
Bei Tag und Nacht, bei Wind und Wetter.<br />
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… sprechen für sich!<br />
Die deutschen Biogasanlagen erzeugen schon heute<br />
Strom für Millionen Haushalte<br />
Biogasanlagen reduzieren den CO 2 -Ausstoß<br />
und produzieren nahezu klimaneutral Strom und Wärme<br />
Biogas-Strom stabilisiert das Stromnetz<br />
und sichert eine gleichmäßige Versorgung<br />
Biogasanlagen<br />
sichern vielen Landwirten die Existenz<br />
In Biogasanlagen vergorene Gülle stinkt nicht und ist<br />
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Umweltfreundliche Wärme – vom Land, für’s Land<br />
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… aus der Region<br />
In Deutschland gibt es viele tausend Biogasanlagen, die umweltfreundliches<br />
Biogas erzeugen. Dieser Energieträger wird mittels eines Motors Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten und fördert die Wirtschaftskraft in<br />
Biogaswärme wird in einer nahe gelegenen Biogasanlage erzeugt. Dies stärkt die<br />
im Blockheizkraftwerk in Strom umgewandelt. Die dabei frei werdende der Region.<br />
Wärme sichert die lokale Versorgung und dient als Heizenergie in:<br />
Viele Dörfer und Kommunen setzen auf Biogas, um eine autarke Energieversorgung<br />
• öffentlichen Einrichtungen, z.B. Schwimmbädern, Schulen, Turnhallen vor Ort anzubieten.<br />
• Wohngebieten und Bioenergie-Dörfern<br />
Mit Biogaswärme können die jährlichen Kosten für Wärmeenergie deutlich gesenkt<br />
• Ställen und Gewächshäusern<br />
und langfristig stabil gehalten werden.<br />
• Unternehmen, z.B. Gärtnereien, Gastronomie, Industrie<br />
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63
Wissenschaft<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Ungeeignete Messmethoden führen<br />
zu falschen Rentabilitätsprognosen<br />
Es bestehen berechtigte Zweifel an der Zuverlässigkeit der Maßstäbe zur Messung der Erträge von Biogasanlagen.<br />
Damit verbunden ist die Frage, welchen Wert die Inputstoffe haben und welchen Gasertrag sie in der<br />
Realität liefern. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass eingelagerte Gärsubstrate im Laufe ihrer Lagerdauer<br />
einem biologischen Abbau unterliegen.<br />
Von Dipl. Des. (FH) Rainer Casaretto, Prof. Dr. Jens Born und B.Sc. Corin Dirk Nikoleiski<br />
Der Biogas-Branche mag es gehen,<br />
wie es will – entscheidend<br />
ist für die Autoren die Frage:<br />
„Wie geht es den Eigentümern<br />
von Biogasanlagen?“ Für Viele<br />
entpuppte sich der euphorisch beschrittene<br />
Weg vom „Landwirt zum Energiewirt“<br />
wahrlich als Irrfahrt und ökonomisches<br />
Abenteuer. Neben vielen andere Gründen<br />
haben auch die – aus Sicht der Autoren –<br />
ungeeigneten Methoden einen Anteil an<br />
den enttäuschten Erwartungen.<br />
Liegen einer Rentabilitätsprognose nicht<br />
die Methoden zugrunde, die für die besonderen<br />
Gegebenheiten des Betriebes einer<br />
Biogasanlage geeignet sind, wird sich die<br />
Prognose nicht erfüllen.<br />
Die Autoren sind daher folgenden Fragen<br />
nachgegangen:<br />
1. Sind die bisher verwendeten Standardmessverfahren<br />
geeignet, obwohl sie für<br />
die Tierernährung und die Klärtechnik<br />
entwickelt wurden?<br />
2. Entsprechen sie noch dem Stand des<br />
heutigen analytischen (bio)chemischen<br />
Wissens?<br />
3. Inwieweit wurde mit Näherungen<br />
(Beispiel Säurekorrektur) und realitätsfernen<br />
Annahmen (KTBL-Werte)<br />
gearbeitet?<br />
In Teil 1 unserer Ausführungen widmen wir<br />
uns der Bestimmung der anorganischen<br />
Masse anhand der DIN EN 12879.<br />
In Teil 2 betrachten wir Massen-Energiebilanzen<br />
und Silierverluste. Teil 3 widmet sich<br />
der Ermittlung von Trockenrückstand (TR),<br />
organischem Trockenrückstand (oTR) und<br />
Säurekorrekturen. Im 4. Teil geht es um die<br />
Gasertragsermittlungen nach der VDI 4630,<br />
die Anwendbarkeit des Hohenheimer Gasertragstests,<br />
die Aussagekraft der FoTS nach<br />
Weißbach, die Bedeutung der Weender Futtermittelanalytik<br />
und der Verdaulichkeitsquotienten<br />
nach Baserga. Zu allen Teilen<br />
stellen wir die ökonomischen Konsequenzen<br />
aus den von uns beobachteten Unsicherheiten<br />
bei Anwendung und Vergleich mit den<br />
von uns ermittelten Abweichungen dar, und<br />
im abschließenden Fazit entwerfen wir die<br />
aus unserer Sicht nötigen Konsequenzen.<br />
Methodenkritik Teil 1<br />
Die Bestimmung der anorganischen Masse<br />
anhand der DIN EN 12879<br />
Die BIOGAS-AKADEMIE ® hatte das Kompetenzzentrum<br />
Biomassenutzung, FuE-<br />
Zentrum FH Kiel GmbH mit der Durchführung<br />
einer Zeitreihenstudie beauftragt. Die<br />
Arbeiten wurden an der Fachhochschule<br />
Flensburg durchgeführt, die in der Zeit von<br />
Mai 2014 bis April 2015 wöchentlich die<br />
Proben von fünf Biogasanlagen im Rahmen<br />
dieser Zeitreihe untersuchte. Im Mai 2014<br />
gingen Proben aus der einsilierten Ernte des<br />
Jahres 2013 ein und ab Dezember 2014<br />
die einsilierte Ernte des Jahres 2014.<br />
Die Proben stammten von Anlagen aus<br />
Schleswig-Holstein und Sachsen, wobei<br />
die elektrische Dimension der Anlagen bei<br />
rund 1,5 Megawatt lag. Anlage 1 wird als<br />
Trockenfermentationsanlage betrieben,<br />
Abbildung 1: Gleichgewichtsdrücke bei der thermischen<br />
Zersetzung der Erdalkalimetallcarbonate. Bei der Zersetzungstemperatur<br />
erreicht der CO 2<br />
-Partialdruck den Wert des normalen<br />
Luftdrucks<br />
1.013 hPa<br />
CO 2<br />
-Druck<br />
Anlage 2 als Gülleanlage.<br />
Beide Anlagen<br />
verwenden jedoch die<br />
gleiche Maissilage,<br />
weshalb sie statistisch<br />
als eine Anlage betrachtet<br />
werden. Anlage<br />
5 hatte die Rohstoffe<br />
in Schichten<br />
einsiliert und fällt daher<br />
für die anstehende<br />
Betrachtung aus, da<br />
wir uns in diesem Kapitel<br />
ausschließlich<br />
mit der Maissilage<br />
beschäftigen wollen.<br />
Statistisch betrach-<br />
Zersetzungstemperatur<br />
540 °C 900 °C 1.270 °C 1.420 °C<br />
MgCO 3<br />
CaCO 3<br />
SrCO 3<br />
BaCO 3<br />
500 1.000 1.500<br />
Temperatur (°C)<br />
64
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Wissenschaft<br />
Abbildung 2 zeigt die bei 550 °C und 2 Stunden Glühzeit<br />
nicht vollständig veraschten Kohlenstoffe.<br />
Abbildung 3 zeigt die bei 800 °C und 2 Stunden Glühzeit<br />
vollständig veraschten Kohlenstoffe.<br />
Abbildung 4: aTR-Zeitreihe – im Versuch gemessene<br />
Ergebnisse im Vergleich zu den KTBL-aTR-Werten<br />
Abbildung 5: TR-Zeitreihe – im Versuch gemessene<br />
Ergebnisse im Vergleich zu den KTBL-TR-Werten<br />
aTR<br />
120<br />
122 124<br />
118<br />
116<br />
114<br />
112<br />
110<br />
108<br />
106<br />
104<br />
102<br />
100<br />
98<br />
96<br />
94<br />
92<br />
90<br />
88<br />
86<br />
84<br />
µ<br />
KTBL-aTR<br />
1 2 4 6<br />
8<br />
10<br />
0,06<br />
12<br />
14<br />
16<br />
0,05<br />
18<br />
0,04<br />
20<br />
22<br />
0,03<br />
24<br />
0,02<br />
26<br />
28<br />
0,01<br />
30<br />
32<br />
34<br />
36<br />
38<br />
82<br />
46<br />
80<br />
48<br />
78<br />
7674<br />
72<br />
70<br />
68 66 64 62 60 58 56 545250<br />
40<br />
42<br />
44<br />
TR<br />
122124<br />
120<br />
118<br />
116<br />
114<br />
112<br />
110<br />
108<br />
106<br />
104<br />
102<br />
100<br />
98<br />
96<br />
94<br />
92<br />
90<br />
88<br />
86<br />
84<br />
µ<br />
1 2<br />
KTBL-TR<br />
8<br />
10<br />
12<br />
14<br />
16<br />
18<br />
20<br />
22<br />
24<br />
82<br />
46<br />
80<br />
48<br />
78<br />
76 74 72 70 68 66 64 62 60 58 56 545250<br />
4<br />
0,40<br />
0,35<br />
0,30<br />
0,25<br />
0,20<br />
0,15<br />
0,10<br />
0,05<br />
6<br />
26<br />
28<br />
30<br />
32<br />
34<br />
36<br />
38<br />
40<br />
42<br />
44<br />
tet werden somit die Anlagen 1, 3 und 4.<br />
Nach DIN EN 12879 erfolgt die Ermittlung<br />
des Glührückstandes im Muffelofen<br />
bei 550 Grad Celsius (°C). Abbildung Nr. 1<br />
wurde dem Lehrbuch Allgemeine und Anorganische<br />
Chemie [Michael Binnewies et al.<br />
2004] entnommen und graphisch überarbeitet.<br />
Innerhalb des Temperaturbereiches<br />
von 550 bis 800 °C werden nicht mehr anorganische<br />
Substanzen als bei 550 Grad Celsius<br />
zersetzt, weshalb sich eine Differenz<br />
ausschließlich auf die Veraschung von organischer<br />
Masse zurückzuführen lässt.<br />
Abbildung Nr. 4 zeigt das Ergebnis bei<br />
800 °C von 119 bereinigten (125 unbereinigt)<br />
Maissilageproben in aufsteigender<br />
Sortierung des Trockenrückstandes aus dem<br />
genannten Zeitraum (aTR=anorganischer<br />
Trockenrückstand). Die Bereinigung beruht<br />
auf offensichtlichen Probenahmefehlern im<br />
Vergleich zur jeweiligen Vor- und Nachwoche.<br />
Da die Betreiber gleichzeitig die Probennehmer<br />
waren, wurden zum Beispiel<br />
Proben der vollkommen regendurchnässten<br />
Anschnittfläche genommen, die sich deutlich<br />
von den anderen Proben unterschieden.<br />
Nach den KTBL-Faustzahlen Biogas, 3.<br />
Ausgabe 2013, liegt der anorganische Anteil<br />
der Maissilage (rote Linie im Diagramm)<br />
bei 5,00 %, der organische Anteil oTR als<br />
Differenz von TR und aTR bei 95 %. Durch<br />
die Dreifachbestimmung wurden 375 Proben<br />
verascht. Der bereinigte Mittelwert der<br />
anorganischen Masse (grüne Linie im Diagramm<br />
der Abbildung 4) beträgt 3,49 %<br />
bei einer Standardabweichung von 0,68 %.<br />
In der Praxis zeigt sich durch Anwendung<br />
der höheren Temperatur ein organischer Anteil<br />
von rund 96,51 %, was sich positiv auf<br />
die prognostizierten Gaserträge auswirkt.<br />
Die Verteilung der Häufigkeit der aTR-Gehalte<br />
gliederten wir in bestimmte Intervalle,<br />
siehe Tabelle 1. Lediglich 18 % der Proben<br />
liegen im Bereich von >4 % bis 5 % aTR.<br />
Gemessene TR-Gehalte: Abbildung Nr. 5<br />
65
Wissenschaft<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Tabelle 1: Verteilung der Häufigkeit der<br />
aTR-Gehalte in Intervalle gegliedert<br />
Intervall Absolut = 119 Relativ<br />
0,02 0,03 0,04 0,05
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Wissenschaft<br />
Tabelle 3: Vergleich der KTBL-Prognosen von 2009 und 2013<br />
hinsichtlich anorganischer Massen und TR-Gehalten<br />
kg TR kg oTR kg aTR % aTR<br />
KTBL 2013 3.500 kg 3.325 kg 175 kg 5 %<br />
KTBL 2009 3.300 kg 3.135 kg 165 kg 5 %<br />
»Mit N·DYN hole ich<br />
mehr Energie<br />
aus meiner Anlage.«<br />
N·DYN Da ist mehr drin.<br />
Tabelle 4: Verteilung der Häufigkeit<br />
der aTR-Gehalte (siehe Abbildung 6)<br />
in Intervalle gegliedert (Anlage 3, Sachsen)<br />
Intervall Absolut = 50 Relativ<br />
0,0250 0,0300 0,0350 0,0400 0,0450 0,0500
Wissenschaft<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Abbildung 8: Maissilage – Masseströme und deren energetische<br />
(Basis KTBL mit 1.120 kWh/t) sowie ökonomische Verteilung<br />
Maissilage: 32% TR, 97% oTR<br />
Erwerbsmassen im Wert von 450.000 € (11.200.000 kWh)<br />
im Zeitstrahl von Anfangsbestand bis Endbestand<br />
10.000 t<br />
8.000 t<br />
6.000 t<br />
4.000 t<br />
2.000 t<br />
0<br />
aTR<br />
©<br />
B I O G A S - A K A D E M I E ®<br />
oTR<br />
Wasser<br />
Verdorben (336.000 kWh)<br />
aTR 162 €<br />
oTR 5.238 €<br />
Wasser 8.100 €<br />
Summe 13.500 €<br />
wMethodenkritik Teil 2<br />
Massen-Energiebilanzen und Silierverluste<br />
Veratmung (224.000 kWh)<br />
oTR 90 €<br />
Wasser 8.910 €<br />
Summe 9.000 €<br />
Gärsaft (1.120.000 kWh)<br />
aTR 122 €<br />
oTR 3.929 €<br />
Wasser 40.950 €<br />
Summe 45.000 €<br />
Fermenter<br />
(9.520.000 kWh)<br />
aTR 4.037 €<br />
oTR 130.424 €<br />
Wasser 248.040 €<br />
Summe 382.500 €<br />
Abbildung Nr. 8 zeigt beispielhaft die Masseströme<br />
einer Anlage und deren energetische<br />
(Basis KTBL mit 1.120 kWh/t) sowie<br />
ökonomische Verteilung. § 44c „Sonstige<br />
gemeinsame Bestimmungen für Strom aus<br />
Biomasse gemäß EEG <strong>2017</strong> (1): Der Anspruch<br />
nach § 19 Absatz 1 für Strom aus<br />
Biomasse besteht unbeschadet des § 44b<br />
nur, 1. wenn der Anlagenbetreiber durch<br />
eine Kopie eines Einsatzstoff-Tagebuchs<br />
mit Angaben und Belegen über Art, Menge<br />
und Einheit sowie Herkunft der eingesetzten<br />
Stoffe nachweist, welche Biomasse und<br />
in welchem Umfang Speichergas oder Grubengas<br />
eingesetzt werden.“<br />
Die BIOGAS-AKADEMIE ® erstellt Gutachten<br />
für die Kreditwirtschaft. In ihrem<br />
Archiv befinden sich mehr als 300<br />
Umweltgutachten, da zu jedem Fall die<br />
Unterlagen der vergangenen drei Jahre<br />
angefordert werden. In keinem einzigen<br />
Umweltgutachten konnte der Umweltgutachter<br />
flüssigen Mais, flüssige Zuckerrübe,<br />
flüssigen Roggen oder flüssiges Gras<br />
erfassen, da dafür keine Messvorrichtungen<br />
an den Anlagen bestehen (ihnen ist<br />
kein Vorwurf zu machen).<br />
Das Fehlen dieser Messvorrichtungen ist<br />
dann sehr sachlogisch, wenn man den<br />
Aussagen aus Wissenschaft und landwirtschaftlichen<br />
Landesämtern folgt. „Für<br />
Mais läge der extrapolierte TS-Schwellenwert<br />
unter den o. g. Druckverhältnissen<br />
bei etwa 21-22 % [140], mit 30 % TS-<br />
Gehalt sind Stapelhöhen bis 12 m ohne<br />
Gärsaftabfluss theoretisch möglich“ [Kahlstatt<br />
1999, Seite 8].<br />
Ebenso auch: „Dies und die Tatsache, dass<br />
heute teils sehr hohe Stapelhöhen vorliegen,<br />
ist der Grund für die Anhebung der Grenze<br />
in der Trockenmasse der Gesamtpflanze<br />
von 28 auf 30 % TM, unterhalb der ein<br />
Anfall von Gärsaft zu erwarten und die für<br />
die Bemessung des Auffangbehälters und<br />
die Zulässigkeit von Foliensilos ohne dichte<br />
Bodenplatte von Bedeutung ist“ [LfL-Information,<br />
8. Auflage 2013, Seite 9].<br />
Wenn kein Gärsaft anfällt, gibt es auch<br />
keine Notwendigkeit zur Installation einer<br />
Messvorrichtung. Demnach ist eine solche<br />
Messvorrichtung unnötig, da oberhalb eines<br />
Trockenrückstandes von 30 % kein<br />
Gärsaft austritt und für Biogasanlagen<br />
höhere TR-Gehalte geerntet werden. Die<br />
Versuchsanlage Grub verfügt über eine<br />
Siloanlage mit entsprechenden Messvorrichtungen.<br />
Die Abmessungen lauten wie folgt:<br />
4 Silos mit: B = 4,50 m, L = 27,0 m, H =<br />
1,45 m, Rauminhalt je Kammer = 175 m³.<br />
1 Traunsteiner Silo mit: B = 7,50 m, L =<br />
27,0 m, H = 1,45 m. 1 asphaltierte Platte<br />
mit: B = 9,80 m, L = 27,0 m, H = 1,45 m<br />
[Kahlstatt 1999, Abb. 12]. Flüssiger Mais<br />
spielt in der Ernährung von Tieren keine Rolle<br />
und Siloanlagen zur Tierernährung unterscheiden<br />
sich signifikant von Siloanlagen<br />
zur Konservierung für Biogasanlagen, deren<br />
Abmessungen eher B = 40 m, L = 80 m,<br />
H = 5 m betragen.<br />
Foto Nr. 1 zeigt eine Siloanlage, die im<br />
Januar <strong>2017</strong> noch mit Flatterband abgesperrt<br />
war, da Lebensgefahr durch aus 10<br />
Metern Höhe herabstürzende gefrorene<br />
Massen gegeben war. Foto Nr. 2 zeigt ein<br />
Beispiel für die Technik, mit der Maissilage<br />
für eine Biogasanlage verdichtet wird.<br />
Hier werden Verdichtungsleistungen und<br />
Stapelhöhen erreicht, die fern der Tierernährung<br />
sind, und hier tritt – nach Betreiberangaben<br />
– auch oberhalb von 30 % TR-<br />
Gehalt ganzjährig Gärsaft aus.<br />
Werden flüssiger Mais, flüssige Zuckerrübe,<br />
flüssiger Roggen und flüssiges Gras<br />
nicht bilanziert, entstehen einerseits virtuelle<br />
Vermögensmassen in der Handelsbilanz<br />
und andererseits freut sich der Betreiber<br />
über die Gasausbeute jeder Tonne,<br />
die von den (nicht geeichten) Wiegezellen<br />
seines Beschickers erfasst wurden. Die<br />
Aussage: „Ich erreiche 130 % der KTBL-<br />
Werte“ ist dann nicht verwunderlich.<br />
Ökonomische Betrachtung II<br />
Ein Anlagenbetreiber lagert 10.000 Tonnen<br />
Maissilage ein. Die Betreiberrealität<br />
kann beispielhaft wie folgt beschrieben<br />
werden: Über die geeichte Fahrzeugwaage<br />
werden eingehende 10.000 Tonnen Masse<br />
im Wert von 450.000 Euro erfasst und der<br />
Buchhaltung aufgegeben. Die Silierverluste<br />
werden auf 500 Tonnen bzw. 22.500<br />
Euro geschätzt. Die nicht geeichten und<br />
oftmals nachlässig kalibrierten Wiegezellen<br />
des Beschickers erfassen die Mengen,<br />
die in die Gärstrecke eingetragen werden,<br />
und weisen 8.500 Tonnen aus. Der Rest-<br />
68
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Wissenschaft<br />
Foto 1<br />
Foto 2<br />
Verwendete Abkürzungen:<br />
Abkürzung Beschreibung Einheit<br />
GM<br />
EM<br />
TR<br />
aTR<br />
oTR<br />
μ<br />
KTBL<br />
Gärmassen: Von den (nicht<br />
geeichten) Wiegezellen<br />
des Beschickers erfasstes<br />
Erntegut nach der Konservierung<br />
und den damit<br />
verbundenen Silierverlusten<br />
Erwerbsmassen ohne<br />
Silierverluste<br />
Trockenrückstand: Trocknung<br />
bei 105 °C bzw. bis zur<br />
Gewichtskonstanz<br />
anorganischer Trockenrückstand:<br />
Glührückstand<br />
bei der Veraschung im<br />
Muffelofen<br />
organischer Trockenrückstand:<br />
Differenz von TR<br />
und aTR<br />
Mittelwert<br />
Kuratorium für Technik<br />
und Bauwesen in der<br />
Landwirtschaft<br />
t<br />
t<br />
%<br />
%<br />
%<br />
Fotos: Rainer Casaretto<br />
bestand beträgt demnach 1.000 Tonnen<br />
bzw. 45.000 Euro und wird ebenfalls der<br />
Buchhaltung aufgegeben.<br />
Da 1.000 Tonnen als flüssiger Rohstoff<br />
der Gärstrecke zugeführt und nicht erfasst<br />
wurden, beträgt der reale Restbestand 0<br />
Tonnen oder 0 Euro, was nicht auffällt,<br />
da im Silo auch noch Ware des Vorjahres<br />
eingelagert war und lediglich optisch<br />
abgeschätzt wurde. Folglich weisen Handelsbilanz,<br />
Einsatzstofftagebuch und Umweltgutachten<br />
keine korrekten Werte aus.<br />
Bilanziell besteht hier ein erhebliches Risiko<br />
der mehrjährigen Kumulation, wenn<br />
schon nach einem Jahr 45.000 Euro zu<br />
bewerten sind. Die Erwerbsmassen im<br />
Wert von 450.000 Euro in Abbildung 8<br />
verteilen sich im Rahmen der Konservierung/Lagerung<br />
in:<br />
a. Veratmungsverluste im Wert von<br />
9.000 Euro.<br />
b. Nicht mehr fermentierbare Ware<br />
im Wert von 13.500 Euro.<br />
c. Den Gärsaft im Wert von<br />
45.000 Euro und<br />
d. die Gärmasse im Wert von<br />
382.500 Euro.<br />
Ebenso ist das Risiko möglicher Rückforderungsansprüche<br />
auf erhaltene EEG-Vergütungen<br />
zu beachten, wenn durch flüssige<br />
NawaRo vergütungsrelevante Grenzen<br />
nicht eingehalten werden. Eine telefonische<br />
Betreiberbefragung vom 1. August<br />
<strong>2017</strong> bei fünf Anlagen mit jeweils 1,5<br />
MW Leistung brachte eine grobe Schätzung<br />
der austretenden Gärsäfte zwischen<br />
5 % (bei 40 % TR, 5 Metern Stapelhöhe<br />
und 100 % Mais) bis 40 % (bei 26 % TR,<br />
8 Metern Stapelhöhe und 100 % Zuckerrüben).<br />
Die Bandbreite der Schätzungen wird naturgemäß<br />
durch TR-Gehalt, Stapelhöhe,<br />
Dichte und Rohstoff beeinflusst. Insbesondere<br />
Schichtensilagen aus Mais und<br />
Zuckerrübe oder Mais und Roggen weisen<br />
demnach sehr hohe Werte aus. Genaue<br />
Messungen oder aktuelle und belastbare<br />
Studien liegen allerdings zurzeit noch<br />
nicht vor.<br />
Fazit: Die Methoden der Masseerfassung<br />
sind ungenau, führen zu falschen Rentabilitätsrechnungen<br />
und die Gärsaftmengen<br />
sollten dringend im Rahmen einer<br />
Studie überprüft werden.<br />
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Wissenschaft<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Methodenkritik Teil 3<br />
Die Ermittlung von Trockenrückstand (TR), organischem Trockenrückstand (oTR) und Säurekorrekturen<br />
Die Bestimmung des Trockenrückstands<br />
(TR) erfolgt durch das Behandeln der<br />
Substratproben bei 105 °C bis 110 °C so<br />
lange, bis sich das Gewicht nicht ändert.<br />
Die Intention ist, dass dann das gesamte<br />
Wasser aus der Frischmasse verdampft ist.<br />
Allerdings verdampfen dabei auch in der<br />
Frischmasse enthaltene organische Flüssigkeiten,<br />
die aber leicht vergärbar sind<br />
und zur Biogasbildung beitragen.<br />
Alle darauf aufbauenden Analysen (oTR)<br />
und Biogasertragsabschätzungen sind also<br />
Tabelle 10: Anwendung des höheren oTR-Gehaltes<br />
zu niedrig. Das ist bei Maissilage, in der der<br />
Anteil gering ist, eher unerheblich als im<br />
Fall von Zuckerrüben, bei denen dieser Anteil<br />
signifikant hoch ist. Um diesen Fehler<br />
zu vermeiden, wurde die sogenannte Säurekorrektur<br />
eingeführt. Sie besteht in der<br />
Untersuchung dieser organischen Flüssigkeiten<br />
aus der Probe mittels eines analytischen<br />
Standardverfahrens, der Chromatographie.<br />
Dieses Verfahren gestattet es nicht<br />
nur, die verschiedenen Substanzen zu trennen,<br />
sondern so jede organische Substanz<br />
t EM % TR % oTR t oTR % oTR / TR kWh / t EM<br />
10.000 35,00 96,51 3.378 33,78 1.138<br />
Tabelle 11: Werte des austretenden Gärsaftes<br />
t GM % TR % oTR t oTR % oTR / TR kWh / t GM<br />
1.000 9,00 96,51 87 8,69 293<br />
Tabelle 12: Bewertung der Gärmasse im Silo nach Abzug der Gärsaftverluste<br />
t GM % TR % oTR t oTR % oTR / TR kWh / t GM<br />
9.000 37,89 96,51 3.291 36,57 1.232<br />
in der Probe zu quantifizieren. Aus diesen<br />
Informationen lassen sich dann die Gaserträge<br />
ermitteln, die bei der TR-Bestimmung<br />
unberücksichtigt geblieben sind. Dieses<br />
Verfahren liefert unserer Erfahrung nach<br />
sehr genaue Biogasertragsabschätzungen.<br />
WEIßBACH & STRUBELT (2008 a, 2008<br />
b, 2008 c) schlugen ein Verfahren vor,<br />
bei dem die chromatographisch gewonnenen<br />
Daten in Klassen (organische Säuren,<br />
einwertige und zweiwertige Alkohole etc.)<br />
zusammengeführt und dann die Gaserträge<br />
über eine empirisch ermittelte Regressionsgleichung<br />
abgeschätzt werden.<br />
Der organische Trockenrückstand wird, wie<br />
schon in Teil 1 beschrieben, durch Veraschung<br />
im Muffelofen ermittelt. Auch hier<br />
führen „falsche“ Methoden mit zu geringen<br />
Temperaturen dazu, dass der organische<br />
Anteil geringer ausgewiesen wird, als er tatsächlich<br />
ist. Dazu eine beispielhafte Darstellung<br />
mit 10.000 Tonnen Erwerbsmasse<br />
(EM) Mais: Über die geeichte Fahrzeugwaage<br />
werden 10.000 Tonnen EM Mais im<br />
Wert von 450.000 Euro oder 11.378.021<br />
kWh mit einer Energiedichte von 1.138<br />
kWh pro Tonne EM erfasst und einsiliert.<br />
Im Silierprozess tritt Gärsaft (Siliersaft) im<br />
Wert von 45.000 Euro oder 292,578 kWh<br />
mit einer Energiedichte von 293 kWh pro<br />
Tonne Gärmasse aus, siehe Tabelle 11. Es<br />
verbleiben im Silostapel 405.000 Euro<br />
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Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Wissenschaft<br />
Tabelle 13: Auswirkungen der Säurekorrektur<br />
45 € / t GM für Ware mit 35% TR (10.000 t GM = 450.000 €)<br />
t GM % TR t TR % oTR t oTR €<br />
Vor der Korrektur gem. Trockenschrank:<br />
10.000 31,46 3.146 95,30 2.998 404.527<br />
Korrektur durch Chromatographen:<br />
10.000 34,61 3.461 95,75 3.313 444.986<br />
Korrektur durch Schätzgleichung:<br />
10.000 33,55 3.355 95,61 3.208 431.357<br />
oder 11.085.443 kWh mit einer Energiedichte<br />
von 1.232 kWh pro Tonne Gärmasse,<br />
siehe Tabelle 12. Von diesem Silostapel<br />
wird eine Probe gezogen und im Labor<br />
analysiert. Bei der Trocknung verdampfen<br />
die organischen Flüssigkeiten und die ausgewiesene<br />
organische Masse ist geringer<br />
als die tatsächliche organische Masse. Die<br />
Methode weist also zu geringe Werte aus.<br />
Tabelle 14: Einfluss verschiedener Flüchtigkeitsquoten<br />
von Milchsäure auf TR- und oTR-Gehalt<br />
Selbst eine Korrektur, mit der die organische<br />
Masse wieder erhöht wird, erfasst<br />
den Gärsaft nicht und weist immer noch<br />
weniger organische Masse aus, als dem fermentativen<br />
System tatsächlich zugeführt<br />
wurde. Durch den Silierprozess hat sich<br />
zudem der Wert der Ware erhöht, da seine<br />
Umsetzungsgeschwindigkeit, die Vergärbarkeit,<br />
durch den Silierprozess verbessert<br />
% TR t TR % oTR t oTR €<br />
3 % 33,49 3.349 95,60 3.202 430.586<br />
8 % 33,55 3.355 95,61 3.208 431.357<br />
16 % 33,64 3.364 95,62 3.217 432.514<br />
wurde, was sich in der benötigten Verweilzeit<br />
bzw. im benötigten Faulraumvolumen<br />
niederschlägt.<br />
Ökonomische Betrachtung III<br />
In Tabelle 13 sind die Auswirkungen der<br />
Säurekorrektur dargestellt. Die Schätzgleichung<br />
beinhaltet eigene Flüchtigkeitsquoten<br />
und Standardabweichungen für<br />
die Einzelpositionen: Milchsäure, Fettsäuren,<br />
1,2-Propandiol und Alkohole. Allein<br />
die Anwendung der Schwankung der<br />
Flüchtigkeitsquote der Milchsäure auf den<br />
angegebenen Höchstwert von 16 % den,<br />
angegebenen Mittelwert von 8 % und den<br />
niedrigsten Wert von 3 % führt zu den Zahlen<br />
in Tabelle 14.<br />
Es ist daher sicher anzunehmen, dass<br />
eine Anwendung der Flüchtigkeitsquoten<br />
auf die anderen Bestandteile (Tabelle 14<br />
betrachtet nur die Auswirkung der Milchsäure)<br />
die gesamte Schwankungsbreite<br />
erhöht. Für die Bepreisung angelieferter<br />
Siloware nach deren TR-Gehalt spielt jede<br />
Säurekorrektur eine entscheidende Rolle<br />
für Verkäufer und Käufer. Für die Siloverwiegung<br />
gilt ein Eichintervall von drei<br />
Jahren und eine Systemgenauigkeit von<br />
0,2 %. Die Ergebnisse geeichter Waagen<br />
werden deshalb im Geschäftsverkehr als<br />
wahre Werte anerkannt. Führt ein Verzicht<br />
auf die Schätzgleichung und die Vornahme<br />
der Korrektur durch die vorliegenden Werte<br />
der Chromatographie zu einer „wahreren“<br />
Bepreisung?<br />
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Wissenschaft<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Methodenkritik Teil 4<br />
Gasertragsermittlungen nach der VDI 4630, die Anwendbarkeit des Hohenheimer Gasertragstests, die Aussagekraft<br />
der FoTS nach Weißbach, die Bedeutung der Weender Futtermittelanalytik, der Verdaulichkeitsquotienten<br />
nach Baserga und der KTBL-Richtwerte<br />
Es gibt verschiedene Methoden zur Vorhersage<br />
möglicher Biogaserträge. Jede<br />
Methode führt zu anderen Ergebnissen.<br />
Rentabilitätsberechnungen werden also, je<br />
nach zugrundeliegender Methode, zu unterschiedlichen<br />
Aussagen führen.<br />
KTBL<br />
Allgemein anerkannt sind die Faustzahlen<br />
Biogas des KTBL, 3. Auflage 2013. Dort<br />
werden auf Seite 133 Richtwerte für die<br />
Gasausbeute angegeben, weshalb es von Interesse<br />
ist zu wissen, auf welchen Methoden<br />
sie beruhen. Auf den Seiten 125 bis 130<br />
werden verschiedene Methoden (Batchversuche,<br />
kontinuierliche Versuche, Rechenmodelle)<br />
beschrieben und ihre jeweiligen<br />
Vor- und Nachteile genannt.<br />
Zusammenfassend ist das Ergebnis auf den<br />
Seiten 126 und 132 wie folgt zu lesen: „Verlässliche<br />
Methode, um die Biogas- und Methanausbeuten<br />
von Substraten zu ermitteln<br />
und so ihren Einsatz ökonomisch zu bewerten.<br />
Die Werte entsprechen Biogasausbeuten<br />
von Praxisanlagen bei ausreichender hydraulischer<br />
Verweilzeit (ca. 100 Tage) und<br />
intakter Gärbiologie (Essigsäureäquivalent<br />
unter 100 mg/1) […] Bei den Richtwerten<br />
für die Gasausbeuten handelt es sich um<br />
statistisch abgesicherte Angaben aus Laboruntersuchungen,<br />
die zusätzlich mit einer<br />
Expertengruppe abgestimmt sind.“<br />
VDI 4630<br />
„Gärtests erlauben keine Aussagen zur<br />
Biogasausbeute unter Praxisbedingungen<br />
aufgrund möglicher negativer oder<br />
positiver Synergieeffekte“ (VDI 4630,<br />
November 2016, Seite 46). Die VDI<br />
4630 definierte bis November 2016 ein<br />
Abbruchkriterium von 1 % des bis zu diesem<br />
Zeitpunkt angefallenen Biogasgesamtvolumens<br />
(VDI 4630, August 2004,<br />
Seite 30). Ab November 2016 gilt: „Als<br />
Abbruchkriterium für den Versuch gilt,<br />
dass die tägliche Biogasrate an drei aufeinanderfolgenden<br />
Tagen unter 0,5 % des<br />
bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Biogasgesamtvolumens<br />
beträgt“ (VDI 4630,<br />
November 2016, Seite 63).<br />
Die Änderung ab November 2016 führt im<br />
Vergleich zur vorherigen Norm bei schwer<br />
abbaubaren Rohstoffen zur Messung höherer<br />
Gasproduktionen. Wenn das vorhandene<br />
Volumen (Verweilzeit) der Gärtestdauer entspricht,<br />
wird die Prognose damit der Realität<br />
nahekommen. Wenn sich der Gärtest<br />
hingegen auf eine Monovergärung bezieht,<br />
bleiben alle Einflüsse der Rezeptur unberücksichtigt<br />
und es gilt die Aussage der<br />
Norm auf Seite 46.<br />
HBT (Hohenheimer<br />
Biogasertragstest)<br />
Erfolgt der Gärtest nach der HBT-Methode,<br />
vermerkt Ohl in „Ermittlung der Biogasund<br />
Methanausbeute ausgewählter Nawaro“<br />
2011:<br />
1. „Die Substrate erreichen im Batch-Test<br />
wesentlich geringere Gaserträge als im<br />
HBT“ (Seite 144).<br />
2. „Demzufolge sind die im HBT ermittelten<br />
Gaserträge durchschnittlich<br />
1,14-mal höher als die im Batch bestimmten<br />
Gaserträge“ (Seite 145).<br />
3. „Für alle pflanzlichen Substrate liegt<br />
die mit dem HBT gemessene immer<br />
über der theoretisch berechneten Methanproduktion“<br />
(Seite 170).<br />
Da die Rohstoffe für den HBT auf 1 mm<br />
Korngröße vorvermahlen werden müssen<br />
und nur sehr wenige Praxisanlagen über<br />
entsprechende Vermahlungssysteme verfügen,<br />
muss die Relevanz der Aussage dieser<br />
Methode bei Rentabilitätsprognosen berücksichtigt<br />
werden. Gehen viele HBT-Ergebnisse<br />
in andere statistische Daten ein,<br />
führt dies zu einer Aussageverschiebung.<br />
FoTS<br />
Frühzeitig und richtig erkannte Weißbach<br />
die Untauglichkeit der Ergebnisse aus der<br />
Weender-Analyse für die Vorhersage von<br />
Biogaserträgen. Mit seinem Rechenmodell<br />
zur fermentierbaren – in Abgrenzung zur verdaulichen<br />
– organischen Trockensubstanz<br />
fand eine Konzentration auf die Belange<br />
der Biogasproduktion und Abwendung von<br />
Methoden aus der Tierernährung statt. Ganz<br />
unabhängig von der grundsätzlichen Unterscheidung<br />
zwischen Rechenmodellen und<br />
belastbaren Messungen wird die Anwendung<br />
der FoTS-Formel durch die jeweilige Rezeptur,<br />
die der Betreiber einsetzt, begrenzt.<br />
Wir wissen insgesamt noch viel zu wenig<br />
über die Wechselwirkungen, die sich aus<br />
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72
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Wissenschaft<br />
Tabelle 15: Pauschale Annahmen von Biogasbildungsraten nach Baserga<br />
den Rezepturen ergeben, um Rentabilitätsprognosen<br />
auf der Basis von Rechenmodellen<br />
eine hinreichende Verlässlichkeit<br />
zuschreiben zu können.<br />
Weender Futtermittelanalytik<br />
Einer der Grundfehler der Methode liegt in<br />
der Tatsache, dass Verdaulichkeit mit Vergärbarkeit<br />
gleichgesetzt wird. Ein weiterer<br />
Fehler liegt in der Bestimmung der Rohfaser<br />
durch Säuren, die auch Teile des Lignin<br />
mit auflösen, und der pauschalen Annahme<br />
eines Stickstoffgehaltes von 16 % für die<br />
Bestimmung des Rohprotein. Ein weiterer<br />
wichtiger Kritikpunkt ergibt sich in der Betrachtung<br />
des Lignins. Die drei primären<br />
Zimtalkohole, die Lignin darstellen, gehören<br />
zu den Phenolen, und die Abbauprodukte<br />
der Phenole hemmen den Biogasprozess<br />
vollständig, wenn eine Konzentration von<br />
30 Milligramm pro Kilogramm Gärmasse<br />
(mg/kg GM), bestimmt als Phenolindex,<br />
überschritten wird.<br />
Auch im Fermenter findet sich gelöstes Lignin<br />
aus halmgutartiger Biomasse, ob nun<br />
l N<br />
Biogas je kg<br />
% Methangehalt<br />
Kohlenhydrat 790 50<br />
Fett 1.250 68<br />
Protein 700 71<br />
Tabelle 16: Biogasausbeute nach Weißbach im Vergleich zu Baserga<br />
% TR<br />
Maissilage<br />
ø<br />
l N<br />
/ kg<br />
TR<br />
Biogasausbeute nach<br />
Weißbach<br />
Min<br />
l N<br />
/ kg<br />
TR<br />
CH 4<br />
nach Weißbach<br />
CH 4<br />
nach Baserga<br />
% TR Maissilage ø l N<br />
/kg TR ø l N<br />
/kg TR<br />
35 336 291<br />
11.200.000 kWh benötigen demnach bei 45 € / t GM:<br />
Max<br />
l N<br />
/ kg<br />
TR<br />
ø<br />
l N<br />
/ kg<br />
TR<br />
Biogasausbeute nach<br />
Baserga<br />
Min<br />
l N<br />
/ kg<br />
TR<br />
35 661 600 728 576 526 610<br />
Tabelle 17: Ermittelter Methangehalt von Maissilage mit 35 % TR<br />
nach Weißbach im Vergleich zu Baserga<br />
Tabelle 18: Auswirkungen der Bewertungsmethoden auf die benötigten<br />
Rohstoffmengen und Rohstoffkosten<br />
Baserga 11.037 t 496.675 € 110,36 %<br />
Weißbach 9.542 t 429.402 € 95,41 %<br />
KTBL 10.000 t 450.000 € 100,00 %<br />
Max<br />
l N<br />
/ kg<br />
TR<br />
aber frisches Gras mehr und früher Lignin<br />
in Lösung gibt als Maissilage mit 35 % TR<br />
und welchen Umfang die damit verbundene<br />
Phenolhemmung verursacht, wird bisher<br />
von keiner gängigen Methode für Biogas<br />
bestimmt. Eine Aussage hierzu wäre jedoch<br />
mit Blick auf Rezeptur und Rentabilität hilfreich<br />
(H. J. Uphoff <strong>2017</strong>).<br />
Verdaulichkeitsquotienten<br />
nach Baserga<br />
Da die Pauschalen Annahmen, siehe Tabelle<br />
15, lediglich grobe Werte liefern, kritisiert<br />
Weißbach: „Neben dieser und anderen<br />
Schwächen der Methode, die hier nicht<br />
alle diskutiert werden können, besteht ihr<br />
Hauptmangel darin, dass sie im Vergleich<br />
zu zahlreichen Messungen aus Fermentationsversuchen<br />
wesentlich zu niedrige<br />
Gasausbeuten ergibt“ [aus Landtechnik<br />
6/2008].<br />
Wendet man die verschiedenen Methoden<br />
(mit TR-Bezug und ohne Säurekorrektur)<br />
auf die gleiche Zielgröße von 11.200.000<br />
kWh an, ergeben sich unterschiedliche Gärmassen<br />
und bei 45 Euro pro Tonne Gärmasse<br />
mit 35 % TR unterschiedliche Rohstoffkosten,<br />
siehe Tabelle 18.<br />
Fazit der Kapitel 1 bis 4: Eine<br />
Biogas-Anlage funktioniert nicht<br />
wie ein Kuhmagen!<br />
Allein die Fähigkeit, die Kuh Elsa füttern zu<br />
können, ist kein überzeugendes Argument<br />
für den Betrieb einer verfahrenstechnischen<br />
Produktionsanlage zur Herstellung<br />
explosionsgefährlicher Gemische. Rentabilitätsprognosen<br />
auf Basis ungeeigneter<br />
Methoden führen zu einer unwahren Abschätzung<br />
der Rohstoffkosten, Einzelwertberichtigungen<br />
in der Kreditwirtschaft und<br />
Vermögensverlusten bei den Betreibern/<br />
Investoren. Die Kompetenz zur Beurteilung<br />
vorgelegter Rentabilitätsprognosen für<br />
Biogasprojekte ist innerhalb der Kreditwirtschaft<br />
unterschiedlich. Gleichzeitig spielen<br />
vielfach deren Regionalprinzip und der Verkaufserfolg<br />
von Herstellern geeigneter oder<br />
weniger geeigneter Biogasanlagen in dieser<br />
Region ebenfalls eine Rolle.<br />
So haben Banken sich in der Folge ihre<br />
ganz individuellen und institutseigenen<br />
Risikoportfolien geschaffen. Eine Überprüfung<br />
des Bestandes anhand objektiver Kriterien<br />
kann nicht nur Klarheit bringen, sie<br />
vermeidet nachweislich Ausfälle. Es sind<br />
Überarbeitungen und Neuentwicklungen<br />
der analytischen Bewertungsmethoden –<br />
zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Biogasbranche<br />
– und auf der Basis modernster<br />
(bio-)chemischer Analytik erforderlich, die<br />
dann als Standardverfahren zugänglich sind<br />
und die Verlässlichkeit von Rentabilitätsprognosen<br />
deutlich verbessern.<br />
In Kürze werden die Autoren weitere ausführliche<br />
und rein wissenschaftliche Arbeiten<br />
hierzu veröffentlichen.<br />
Hinweis: Die Literaturangaben können bei<br />
Bedarf bei den Autoren angefordert werden.<br />
Autoren<br />
Dipl. Des. (FH) Rainer Casaretto<br />
B I O G A S - A K A D E M I E ®<br />
E-Mail: info@biogas-akademie.de<br />
Prof. Dr. Jens Born<br />
Hochschule Flensburg<br />
E-Mail: jens.born@hs-flensburg.de<br />
B.Sc. Corin Dirk Nikoleiski<br />
Hochschule Flensburg<br />
E-Mail: corin.nikoleiski@hs-flensburg.de<br />
73
Wissenschaft<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Schaum: Er kann<br />
grob- oder so feinporig<br />
wie Badeschaum sein.<br />
Manchmal ist er eher flüssig<br />
oder flockig wie Eischnee,<br />
selten sogar fest wie Bauschaum.<br />
Seine Ausdehnung<br />
kann von wenigen Zentimetern<br />
bis zu einigen Metern<br />
reichen, alles ist möglich.<br />
Dem<br />
Schaum<br />
auf der<br />
Spur<br />
Schaum gehört zu den häufigsten Prozessstörungen<br />
bei der Produktion von Biogas.<br />
Seine Bekämpfung kann schwierig und<br />
teuer sein.<br />
Von Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel<br />
Auch bei den Betreibern der Agrarenergie<br />
Andelbach führte der Schaum im<br />
Fermenter über Jahre hinweg zu erheblichen<br />
Betriebskosten und Sorgen. 2008<br />
wurde die schlüsselfertige Biogasanlage<br />
am Ortsrand von Markgröningen eingeweiht. Seitdem<br />
betreiben die drei Landwirte Ernst Reutter, Waldemar<br />
Schöwe und Werner Zibold die Anlage. Gemeinsam bilden<br />
sie die Agrarenergie Andelbach GmbH & Co KG.<br />
Rund 20 Betriebe aus dem nahen Umkreis liefern der<br />
Gemeinschaft etwa 13.000 Tonnen Substrat im Jahr.<br />
Die Anlage leistet 550 Kilowatt elektrisch pro Stunde,<br />
insgesamt sind das gut 4,6 Millionen Kilowattstunden<br />
im Jahr. Ein Teil der entstehenden Wärme, etwa 50 Prozent,<br />
nutzt eine Körperbehindertenschule mit Heimbetrieb<br />
in der Nähe.<br />
Nach den ersten reibungslosen Anfangsjahren gingen<br />
2011 die Probleme los: „Ohne besondere Vorzeichen<br />
blähte sich das Gärsubstrat im Fermenter“, berichtet<br />
Ernst Reutter. Es bildete sich ein starker Schaum, der<br />
sich in eine zähe Masse verwandelte. Mit der Folge,<br />
dass das Gärsubstrat nicht mehr, wie es technisch vorgesehen<br />
war, über einen freien Überlauf vom Fermenter<br />
in den Nachgärer gelangte. „Das bereitete mir schlaflose<br />
Nächte, weil ich größere Anlagenschäden befürchtete“,<br />
erinnert sich der Energiewirt.<br />
Vor allem sorgte er sich um den Fermenter, denn dieser<br />
ist mit einer befahrbaren Betondecke überdacht, die<br />
auf 60 Zentimeter hohen Unterzügen aufliegt. Durch<br />
das Aufblähen und die Schaumbildung kam das Gärsubstrat<br />
vermehrt mit den Unterzügen in Kontakt.<br />
Dadurch wurde die Drehbewegung im Behälter an der<br />
Oberfläche deutlich behindert. „Erreichte die Schaummasse<br />
die Unterzüge, konnte das Gas nicht mehr über<br />
den Gasauslass hinaus“, erklärt der Landwirt. Weil das<br />
Gas nicht ungehindert in Richtung Gasauslass entweichen<br />
konnte, bildete sich ein hoher Druck in den Hohlräumen<br />
zwischen den Unterzügen. Ein Teil des Gases<br />
wurde über die Noteinrichtung der Über- und Unterdrucksicherung<br />
in die Umgebung abgeblasen. „Ich befürchtete<br />
eine Verschmutzung der Gasleitungen oder<br />
sogar das Anheben des Fermenterdaches“, berichtet<br />
Reutter.<br />
Teure Prozessstörung<br />
Die Sorgen waren nicht unbegründet, denn Schaum<br />
gehört zu den häufigsten Prozessstörungen bei der<br />
Produktion von Biogas. Seine Bekämpfung kann teuer<br />
werden. Die Kosten reichen von einigen hundert Euro<br />
für erhöhten Personalaufwand und den Einsatz von<br />
Antischaummitteln bis zu einer halben Million für die<br />
Reparatur eines beschädigten Dachs. Oft verschmutzt<br />
„nur“ die Überdrucksicherung und es kommt zur Störung<br />
von Messsonden und Rezirkulationspumpen.<br />
Wenn jedoch Schwebestoffe, die in der Flüssigkeit<br />
vorhanden sind, zur Schaumstabilisierung beitragen,<br />
kann eine derartige Mischung eine hohe Festigkeit<br />
erreichen, wenn sie trocknet. „Schwere Betriebsstörungen<br />
können die Folge sein, wenn der Schaum die<br />
Gasleitungen und sicherheitstechnische Einrichtungen<br />
verstopft“, weiß Dr. Ing. Lucie Moeller. So verwandelte<br />
sich bei einer Abfallanlage in Sachsen der gesamte Fermenterinhalt<br />
in eine riesige Schaummasse.<br />
„Dabei wurde die Behälterdecke beschädigt und es<br />
entstand ein Gesamtschaden von etwa einer halben<br />
Million Euro“, berichtet die Fachfrau vom Helmholtz-<br />
Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Die<br />
Wissenschaftlerin erforschte im Rahmen des geförderten<br />
Verbundprojektes „Optgas“ die Ursachen der<br />
Schaumbildung in Biogasanlagen. Dabei untersuchten<br />
verschiedene Forscher unter Leitung des Geo-<br />
ForschungsZentrum (GFZ) deutschlandweit Störungen<br />
der anaeroben Gärung. Dazu gehörte auch der Betriebsalltag<br />
in schäumenden Praxisanlagen.<br />
Über die wichtigsten Ergebnisse berichtet das Fokusheft<br />
Schaumbildung in Biogasanlagen (www.ufz.de/<br />
biogas-schaum). Auch die Erkenntnisse, die bei der Biogasanlage<br />
von Ernst Reutter gesammelt wurden, sind<br />
darin zu finden. Hans Joachim Nägele von der Landesanstalt<br />
für Agrartechnik und Bioenergie der Universität<br />
Hohenheim berichtet im Heft über die umfassende Erforschung<br />
der Schaumproblematik bei der Agroenergie<br />
Andelbach. „Herr Nägele begleitete mich sehr engagiert<br />
bei der umfangreichen Suche nach den möglichen Ursachen“,<br />
erinnert sich Reutter, dafür sei er dankbar.<br />
74
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Wissenschaft<br />
Fotos: Martina Bräsel<br />
Im Jahr 2014<br />
baute Ernst Reutter<br />
eine Exzenterschneckenpumpe<br />
ein, damit hörten<br />
die Sorgen um die Schaumproblematik<br />
auf.<br />
Den Ursachen auf der Spur<br />
Bei den untersuchten Anlagen zeigte sich, dass viele Faktoren<br />
bei der Schaumbildung eine Rolle spielen können. Häufige<br />
Verursacher sind die Substrate, eine Übersäuerung oder die<br />
Betriebsführung. Aber auch eine Überfütterung, Nährstoffmangel,<br />
plötzliche Temperaturschwankungen, eine schlechte<br />
Durchmischung und Ablagerungen im Reaktor können zur<br />
Schaumbildung führen. Kritisch ist auch das Anfahren der<br />
Anlage oder ein schneller Substratwechsel.<br />
Die Wissenschaftler fanden auch heraus, dass das Phänomen<br />
meist nicht an einer Störung der Mikrobiologie lag, denn die<br />
Laborwerte wie FOS/TAC, flüchtige organische Säuren, Ammonium-Stickstoff<br />
etc. waren meist unauffällig. Auch bei der<br />
BGA Andelbach ergab die Untersuchung des Gärsubstrats auf<br />
prozessbiologische Parameter und Spurennährstoffe keine wesentlichen<br />
Störungen. „Es zeigte sich nur ein geringer Nährstoffmangel,<br />
den wir schnell ausgleichen konnten“, erinnert<br />
sich Reutter, dies hätte aber keinen wesentlichen Einfluss auf<br />
die Schaumbildung gehabt.<br />
„Zunächst vermuteten wir, dass der Fermenter nicht genug<br />
durchmischt wurde“, so der Landwirt. Dafür sprach, dass in<br />
den Rührpausen der Füllstand innerhalb weniger Minuten<br />
stark anstieg. Nur durch häufiges intensives Rühren bekam<br />
Reutter den Schaum in den Griff. Der Eigenstromverbrauch<br />
stieg auf rund 300 kWh am Tag. In seiner Not testete der Energiewirt<br />
verschiedene Einstellungen des Rührwerks, änderte die<br />
Drehrichtung und variierte die Rührzeiten, doch die positiven<br />
Effekte blieben aus.<br />
Um das Gärsubstrat pumpfähig zu bekommen, vermischte er<br />
im Pumpenschacht einen Teil aus dem Fermenter mit dem<br />
aus dem Nachgärer. „Zuerst tauschten wir die Rührwerksflügel<br />
durch eine optimierte Variante aus“, berichtet er, doch das<br />
reichte nicht. In der Hoffnung, die Lage zu verbessern, baute<br />
er ein neues Rührwerk, einen Strömungsbeschleuniger, ein.<br />
„Dadurch stieg der Eigenverbrauch noch einmal um 50 kWh<br />
pro Tag, doch das Gärgut schäumte weiter“, sagt er bedauernd.<br />
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können das verflüssigte CO 2<br />
auch an einen<br />
externen Abnehmer verkaufen und so eine<br />
zusätzliche Einnahmequelle erschlieβen.<br />
Die Menge an Treibhausgasen, die in die<br />
Atmosphäre gelangen, geht gegen Null.<br />
Das macht diese Technologie zu einer<br />
zukunftsweisenden Investition.<br />
Viele Maßnahmen blieben ohne Erfolg<br />
Auch eine Temperaturerhöhung im Fermenter um 3 Grad<br />
Celsius auf 53 Grad, die über etwa drei Wochen gehalten wurde,<br />
brachte keine Besserung. Eine weitere mögliche Ursache<br />
für die starke Schaumbildung konnte auch die zugelieferte<br />
75<br />
WWW.HAFFMANS.NL
Wissenschaft<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Das Pumpenhaus<br />
beherbergt die neue<br />
Pumpe. Rechts im Bild<br />
ist eines der beiden<br />
Rührwerke zu sehen,<br />
die den zähen, schaumigen<br />
Fermenterinhalt<br />
nicht allein bewältigen<br />
konnten.<br />
Der Blick in den<br />
Fermenter bestätigt,<br />
dass die große<br />
Schaumproblematik<br />
überwunden ist.<br />
Gülle sein. Sie kam aus fünf verschiedenen landwirtschaftlichen<br />
Betrieben. Eine Fütterung von Kraftfutter<br />
oder die Verwendung von Reinigungsmitteln kann auch<br />
Schaum auslösen. Um dies auszuschließen, wurde<br />
über einen Zeitraum von vier Wochen auf Gülle verzichtet.<br />
„Für die Fließfähigkeit gab ich in dieser<br />
Zeit ständig Wasser (5 m³/Tag) hinzu“,<br />
erinnert sich der Landwirt.<br />
Auch dies blieb ohne Erfolg.<br />
Eine weitere Maßnahme<br />
war die Verringerung<br />
der Raumbelastung<br />
im Fermenter, die<br />
häufig von Experten<br />
empfohlen wird. Sie<br />
verschlimmerte das<br />
Problem: „Am Abend<br />
zeigte der Fermenter<br />
eine starke Schaumbildung,<br />
die das bekannte<br />
Maß übertraf“,<br />
so Nägele. Die Zugabe von<br />
Pflanzenöl in sehr kurzen Zeitabständen<br />
über mehrere Tage hinweg<br />
brachte Hilfe.<br />
Ein Einsatz von Enzymen kann gleichfalls helfen. In<br />
Absprache mit dem Hersteller wurden diese acht Wochen<br />
beigefügt. „Nach etwa vier Wochen bemerkte ich,<br />
dass das Fermentersubstrat etwas flüssiger wurde“, so<br />
Reutter. Doch auf die Schaumbildung zeigten die Enzyme<br />
keine Wirkung. Insgesamt führten alle bis dahin<br />
bekannten, von Experten empfohlenen Maßnahmen<br />
bei dieser Biogasanlage zu keiner Lösung.<br />
Das Ende des Schaums<br />
Im Jahr 2014 baute Reutter eine Exzenterschneckenpumpe<br />
ein, die seitdem den<br />
Überlauf unterstützt. Dadurch sank<br />
der Füllstand im Fermenter und<br />
das Substrat konnte sich ungehindert<br />
ausdehnen. Die Angst<br />
vor einem Behälterschaden<br />
war damit gebannt, leider<br />
blieb der Rührwerkseinsatz<br />
hoch. „Aus heutiger Sicht<br />
kann nur vermutet werden,<br />
dass die Schaumbildung<br />
an der Biogasanlage auf die<br />
Inputsubstrate aus Mais und<br />
Gras zurückzuführen war“, berichtet<br />
Nägele.<br />
Die Versuche hätten „sehr zuverlässig<br />
eine Neigung zur Schaumbildung<br />
bei den Inputsubstraten“ gezeigt. Verdächtig<br />
waren auch die sehr hohen Trockensubstanzgehalte.<br />
Weil das Lager jedoch voll mit Mais- und<br />
Grassilage war, konnte nicht darauf verzichtet werden.<br />
„Ich bekam die Empfehlung, darauf zu achten, dass<br />
der Trockensubstanzgehalt unter 35 Prozent bleibt“,<br />
erinnert sich der Landwirt. Schließlich verbesserte die<br />
Fütterung des Fermenters mit „neuen“ Silagen die<br />
Bläh- und Schaumwirkung deutlich. Der Fermenterinhalt<br />
floss wieder und musste nicht mehr abgesenkt<br />
werden und die Rührwerke liefen deutlich weniger.<br />
Was kann vorbeugen?<br />
Bei anderen Biogasanlagen halfen verschiedene Maßnahmen<br />
gegen den Schaum: Oftmals brachte eine<br />
Optimierung der Rührintervalle, eine Veränderung des<br />
Substrats, des Fütterungszyklus oder die Zugabe von<br />
Spurenelementen den Erfolg. Ein langsames Anfahren<br />
der BGA und ein behutsamer Substratwechsel beugten<br />
dem Problem vor. Zur Vorbeugung eignet sich auch der<br />
„Leipziger Schaumtester“. Er wurde vom UFZ entwickelt<br />
und wird von der Firma Eismann & Stäbe GbR<br />
produziert. Mit ihm ist es ohne aufwendige Analytik<br />
möglich, Substrate vor Ort auf ihre Schaumneigung zu<br />
untersuchen.<br />
Dafür werden Proben des Gärsubstrats und des neuen<br />
Substrats in das Testset gefüllt und verrührt. Im Gerät<br />
verbleibt die Mischung bei konstanter Temperatur.<br />
Nach etwa 14 Stunden liegt das Ergebnis vor: Gefahr<br />
besteht, wenn sich Schaum zeigt. Ohne Schaumbildung<br />
ist auch im Fermenter nicht damit zu rechnen.<br />
Autorin<br />
Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel<br />
Freie Journalistin<br />
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76
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Wissenschaft<br />
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Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
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Technologie verbessern viele Landwirte seit Kurzem außerdem mit Biogas aus den Reststoffen<br />
Einkommen und Lebensqualität. Ein Besuch im Herzen Zentralamerikas<br />
Von Oliver Ristau<br />
Managua<br />
Es ist 5.45 Uhr, als Guillermo Largaespada die<br />
Hauptstraße verlässt. Die dicken Reifen des<br />
Geländewagens graben sich in den erdigen<br />
Weg, der den Hügel hinaufführt, und wirbeln<br />
roten Staub auf. Die Morgenröte ist schon verschwunden,<br />
aber noch steht die Sonne nicht über dem<br />
Horizont. In der Ferne zeigt sich die Bergkette der Kordilleren.<br />
Durch das geöffnete Fahrerfenster strömt kühle<br />
Luft in das Fahrzeug. An einer Kehre weist Largaespada<br />
mit dem Arm aus dem Fenster auf ein silbernes Silo.<br />
„Das ist ein Kühllager für die Milch. Hier treffen sich<br />
Händler, um Milch zu kaufen und zu verkaufen“, sagt er<br />
und lenkt den Wagen weiter bergauf. „Wir müssen weiter.<br />
Um 6.00 Uhr wird auf der Farm gemolken.“<br />
Largaespada ist Nicaraguaner und arbeitet für die niederländische<br />
Nichtregierungsorganisation (NGO) SNV.<br />
Die leitet in dem zentralamerikanischen Land ein Programm,<br />
das Landwirten die Vorteile näherbringen will,<br />
eigenes Biogas aus Kuhdung zu erzeugen. Es läuft seit<br />
2012 und hat geholfen, bisher über 1.000 Anlagen<br />
verschiedener Größe zu realisieren. Finanziert wird es<br />
neben SNV von der Interamerikanischen Entwicklungsbank,<br />
dem Nordic Development Funds (NDF), hinter<br />
dem Finanzinstitutionen aus fünf nordischen Ländern<br />
stehen, und der niederländischen NGO Hivos.<br />
Largaespada ist für die kommerziellen Kunden des<br />
Programms zuständig – also für Landwirte, die deutlich<br />
mehr produzieren als zur Selbstversorgung nötig<br />
wäre. Heute führt sein Weg als erstes zu einem mittelgroßen<br />
Milchbauern. Üppiges Grün prägt die wellige<br />
Landschaft links und rechts. Weiden mit hüfthohem<br />
Gras und große Laubbäume ziehen vorbei. Die Region<br />
Chontales im Herzen Nicaraguas ist das Zentrum der<br />
Viehwirtschaft.<br />
Milch und Fleisch sind wichtige Exportgüter, sorgen für<br />
etwa 20 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes.<br />
„Nicaragua hat rund 6 Millionen Rinder. Damit kommt<br />
auf jeden Einwohner eine Kuh“, sagt er und lacht. Kurz<br />
darauf versperrt ein Gatter den Weg. Largaespada steigt<br />
aus, um das Tor zu öffnen und passiert die Stelle. Nur<br />
78
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
International<br />
noch ein kurzes Stück, dann ist die<br />
Farm erreicht. Der Biogas-Experte<br />
parkt den Wagen vor einem unverputzten,<br />
aus grauen Steinen gemauerten<br />
Stall, begrenzt von einem<br />
Holzgatter, hinter dem rund 20 Kühe<br />
warten.<br />
Zwei junge Arbeiter mit Baseballmützen<br />
kommen auf ihn zu. Sie<br />
schütteln Hände und begrüßen sich.<br />
Es sind die Manager der Farm. Der<br />
Chef ist der 22-jährige Norlan Avan.<br />
Er lebt hier oben, seit er 5 Jahre alt<br />
ist, wie er später erzählen wird. Jetzt<br />
sind erst einmal die Kühe an der Reihe.<br />
Es ist 6.00 Uhr. Die Sonne geht<br />
auf und schickt ihre ersten gleißenden<br />
Strahlen herab.<br />
Biogas für die Melkmaschine<br />
Der Boden des Stalls ist mit trockener<br />
Erde bedeckt, verdichtet von den<br />
Hufen der Tiere: Darauf verteilen sich<br />
Kuhfladen und Stroh. An einer aus<br />
Holzlatten gezimmerten Führung, in<br />
der die Kühe eine nach der anderen<br />
hineingetrieben werden, stehen zwei<br />
Melkschemel und eine Apparatur<br />
aus Schläuchen und Pumpen, die<br />
Melkmaschine. Sie arbeitet erst seit<br />
Kurzem hier oben, berichtet Largaespada.<br />
Einen Stromanschluss gibt<br />
es nicht. Aber seit der Eigentümer<br />
Biogas aus Kuhdung erzeugt und das<br />
in einem Gasmotor zum Antrieb der<br />
Maschine verbrennt, ist das anders.<br />
Norlan Avan zündet den Motor. Ein<br />
Höllenlärm breitet sich aus. Zum Anfahren braucht er<br />
Benzin. Nachdem der Motor eine halbe Minute gelaufen<br />
ist, legt Avan einen Hebel um, damit das Biogas<br />
einströmen kann. Doch jetzt beginnt der Motor zu<br />
wackeln. „Der Gasdruck reicht nicht“, ruft er seinem<br />
Kompagnon zu, der aufsteht und aus dem Stall eilt. An<br />
der Längsseite liegt ein etwa 6 Meter langer Behälter<br />
aus schwarzer Kunststofffolie auf der Erde. Er sieht aus<br />
wie ein überdimensionierter schwarzer Müllbeutel. Das<br />
ist der Fermenter, der das Biogas enthält.<br />
In der Mitte ist ein Ventil angeflanscht, über das das<br />
Gas abgenommen werden kann. Doch die Oberfläche<br />
des Beutels ist schlaff. Avans Kollege nimmt einen<br />
großen Stein und legt ihn darauf. Das Geräusch der<br />
Melkmaschine aus dem Stall ändert sich nicht. Noch<br />
immer holpert der Motor. Dann greift er nach einen<br />
10-Kilo-Sack mit Speisesalz, der bereitliegt und wuchtet<br />
ihn auf den Gassack. Ein zweiter folgt. Einen Augenblick<br />
später ändert sich der Klang der Maschine. Jetzt<br />
scheint der Druck zu reichen. Der Motor läuft jetzt rund.<br />
Fotos: Andreas Betten<br />
16 Eimer Dung – 48 Eimer Wasser<br />
40 Minuten später sind die Kühe gemolken. Während<br />
sich sein Kollege auf ein Maultier schwingt und die<br />
Milch in Kanistern links und rechts am Sattel befestigt<br />
talwärts zur Kühlstation bringt, berichtet Avan über<br />
seine Erfahrungen mit dem Biogas: „Das System arbeitet<br />
jetzt seit einem halben Jahr. Wir haben vorher<br />
von Hand gemolken. Das ist jetzt viel angenehmer,<br />
schneller und auch besser für die Qualität der Milch,<br />
weil hygienischer.“ Täglich wird genug Gas produziert,<br />
um die Melkmaschine mit vier Anschlüssen für alle 20<br />
Tiere zu versorgen.<br />
„Dafür brauchen wir jeden Tag 16 Eimer Kuhdung und<br />
48 Eimer Wasser“, erklärt er und demonstriert das an<br />
einer der Kurzseiten des Fermenters. Der ist mit einem<br />
quadratischen Auffangbehälter aus schwarzem Kunststoff<br />
verbunden. Dort füllt er Inputstoffe hinein, die<br />
Dank der Abschüssigkeit in den tiefer liegenden Sack<br />
fließen. Wasser ist in der tropischen Region über das<br />
Jahr gesehen übrigens keine Mangelware. Jährlich fal-<br />
Wellige Landschaft:<br />
Das Landesinnere<br />
Nicaraguas prägen<br />
Weiden und Berge.<br />
Melken mit Biogas:<br />
Ein Gasmotor sorgt für<br />
bessere Bedingungen<br />
im Stall.<br />
79
International<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Fermenter aus Kunststoff:<br />
Hier produzieren<br />
Dung und Wasser bei<br />
Nolan Avan Biogas für<br />
den Gasmotor und zum<br />
Kochen. Im Vordergrund<br />
die Zuführung.<br />
Fotos: Oliver Ristau<br />
Festkuppel: Der in<br />
den Boden gemauerte<br />
Fermenter bei Milchbaron<br />
Wilmer fasst 27<br />
Kubikmeter und wird<br />
täglich mit 300 Litern<br />
Dung gefüttert.<br />
len hier laut offiziellen Klimadaten rund 1.200 Millimeter<br />
Niederschläge. Das sind 70 Prozent mehr als in<br />
Deutschland.<br />
„Den Kuhdung haben wir vorher den Abhang runtergekippt“,<br />
sagt Avan und weist mit der Hand hinter den<br />
Stall, wo es steil abwärts geht. Jetzt wird er mit Spaten<br />
in Eimern gesammelt. Wichtig ist, dass möglichst keine<br />
Erde in den Fermenter gelangt. Denn die vergärt nicht<br />
und setzt sich am Boden des Systems ab, wodurch es<br />
an Leistung verliert. Alle paar Wochen muss der Sack<br />
deshalb ausgespült werden, wie Berater Largaespada<br />
berichtet. Und er fügt hinzu: „Der Landwirt plant den<br />
Stall mit einem Steinboden zu versehen. So wird er den<br />
Kuhdung künftig mit weniger Verunreinigungen einsammeln<br />
können.“<br />
Wertvoller Dünger<br />
Neben dem Gas ist es vor allem der flüssige Gärdünger,<br />
der den Farmern Freude bereitet. Der Biodünger<br />
treibe das Pflanzenwachstum an. „Das Gras wächst<br />
besser als vorher“, lobt Avan die Qualität und zeigt auf<br />
eine Weide, wo kräftiges Futter für die Kühe sprießt.<br />
Pro Jahr erzeugt der 40 Kubikmeter fassende Fermenter<br />
365 Kubikmeter des Düngers. Die Gasausbeute<br />
beträgt laut SNV-Berechnung 3.320 Kubikmeter. Entwickler<br />
und Hersteller ist das mexikanische Unternehmen<br />
Biobolsa.<br />
Weil das Biogas vor der Nutzung im Motor gefiltert<br />
werden muss, wird es zunächst aus dem Fermenter<br />
in einen kleinen Nebenraum des Stalls geleitet. Dort<br />
stehen zwei Filterapparaturen. Die eine enthält laut<br />
Largaespada Kokosfasern, die Wasser im Gas aufnehmen<br />
können. Schwefel wird mit einem Aktivkohlefilter<br />
entnommen. Neben dem Motor gibt es auf dem Hof<br />
einen zweiten Verbraucher. Eine Abzweigung des Gasschlauchs<br />
führt am Stall vorbei zu einem Essensplatz,<br />
an dem die Farmarbeiter ihre Mahlzeiten wie Bohnen,<br />
Reis und Fleisch zubereiten oder Kaffee kochen. Früher<br />
80
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
International<br />
geschah das ausschließlich<br />
über Feuerholz. Jetzt stehen<br />
dort zwei mobile Kochplatten,<br />
die mit dem Biogas betrieben<br />
werden. „Wir grillen<br />
heute deutlich seltener“, sagt<br />
Manager Avan.<br />
che beladen mit Vieh auf der Ladefläche. Juigalpa ist<br />
ein zentrales Umschlagszentrum für Kaffee und Kühe.<br />
Am Rand des ältesten Teils, der von Kopfsteinpflaster<br />
und kleinen Kolonialstilhäusern geprägt ist, führt eine<br />
Landstraße ins Tal. Von oben sind die großen Weiden zu<br />
sehen, die zum Gut zählen.<br />
Fernandez ist ein kräftiger Mann, der mit seinem karierten<br />
Hemd, dem Seidentuch, den Jeans mit Gürtel und<br />
Metallbeschlägen und den schwarzen Cowboystiefeln<br />
den Prototyp eines lateinamerikanischen Viehbarons<br />
abgeben könnte. In einem der landestypischen Schaukelstühle<br />
aus Holz auf seiner Veranda erzählt er von den<br />
vielen Vorteilen, die die Technologie seiner Farm bringt.<br />
„Wir nutzen das Gas einmal für unsere Küche, wo bis-<br />
Milch-Handelskammerchef<br />
Fernandez<br />
und Biogas-Experte<br />
Largaespada (rechts)<br />
im Gespräch.<br />
Foto: Andreas Betten<br />
Amortisation:<br />
anderthalb Jahre<br />
Für den Eigentümer rechnet<br />
sich die Investition. Laut<br />
dem SNV-Vertreter hat er für<br />
die Biogasanlage gut 5.500<br />
Euro bezahlt. Jetzt spare er<br />
jährlich 1.600 Euro an Feuerholz,<br />
320 Euro Benzin für<br />
die Melkmaschine und erhält<br />
Dünger im Gegenwert von<br />
1.700 Euro. Für ihn hat sich<br />
die Anlage in anderthalb Jahren<br />
amortisiert.<br />
Als Avans Kollege auf dem Maultier mit den leeren<br />
Milchkanistern zurückgekehrt, ist es Zeit für Largaespada<br />
aufzubrechen. Sein Job als Berater ist wichtig,<br />
denn für die kommerziellen Betreiber der Biogasanlagen<br />
ist Planung und technische Begleitung die einzige<br />
Unterstützung, die sie bekommen. Eine finanzielle Förderung<br />
erhalten nur die Haushalte, die das Biogas zur<br />
Selbstversorgung nutzen.<br />
Nun geht es zu seinem größten Kunden, dem Farmer<br />
Wilmer Fernandez, Präsident der Handelskammer<br />
Nicaraguas für den Milchsektor (Canislac). Die<br />
schnurgerade Asphaltstraße, die am Fuße der Hügel<br />
aus Richtung Managua herkommt, führt in die Provinzhauptstadt<br />
Juigalpa. Bunte Lkw sind unterwegs, man-<br />
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Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Wasser marsch: Dank<br />
des Biogasmotors kann<br />
Landwirt Fernandez<br />
seine Farm im Tal<br />
auch in der Trockenzeit<br />
bewässern und spart<br />
Viehtransporte auf die<br />
Almen.<br />
her mit Feuerholz gekocht wurde. Wir erhitzen damit<br />
auch Wasser, um die Milchkannen zu desinfizieren.“<br />
Fernandez ist einer der größten Rinderzüchter der Region<br />
mit vier verschiedenen Farmen und 300 Tieren.<br />
Am Stammhof leben 25 Kühe.<br />
Einfaches Festkuppelsystem<br />
Was den Agrarökonom besonders interessiert, ist die<br />
Wirtschaftlichkeit des Systems. „Es ist nicht nur so,<br />
dass ein solches System sehr rentabel ist. Die Anschaffung<br />
rechnet sich nach zwei Jahren. Es eröffnet auch<br />
viele Einsatzmöglichkeiten.“ Fernandez will das bei einem<br />
Rundgang über die Farm verdeutlichen. Ein paar<br />
Meter geht es zu den Ställen, dann fällt das Gelände<br />
ein paar Meter in Richtung eines kleinen Flusses ab.<br />
Unten breitet sich eine Grasfläche mit<br />
teils kräftig grüner, teils vertrockneter<br />
Vegetation aus. Dazwischen wachsen<br />
Bäume. Am Fuße des Hügels steckt<br />
eine große kreisrunde Betonplatte in<br />
grüner Farbe im Boden, auf der die<br />
Worte Biogas Nicaragua zu lesen sind.<br />
Fernandez führt den Hügel hinab<br />
zu seinem Festkuppel-System. Die<br />
Ausführung wurde von der SNV und<br />
einheimischen Experten entwickelt.<br />
Herzstück ist der gemauerte Fermenter<br />
in Form einer bauchigen Kugel, der<br />
in die Erde eingegraben ist und dessen<br />
Kuppel von der großen runden Betonplatte<br />
abgedeckt wird. Nicht zu sehen<br />
ist, dass der Fermenter unterirdisch<br />
mit einem zweiten Behälter verbunden<br />
ist, dessen Tiefe geringer ist.<br />
Über einen externen Zugang, der etwas<br />
höher liegt und aussieht wie ein<br />
Brunnenschacht, kann die Mischung aus Kuhdung und<br />
Wasser dem Fermenter zugeführt werden. Und so funktioniert<br />
das Festkuppelsystem: Das Gas, das von den<br />
Bakterien aus dem Kuhdung weitgehend unter Sauerstoffabschluss<br />
erzeugt wird, steigt in die Kuppel, wo<br />
es über eine Leitung abgenommen werden kann, und<br />
drängt die Flüssigkeit in den Ausgleichsbehälter. Wird<br />
Gas entnommen, schwappt die Flüssigkeit zurück.<br />
Flüssige Gärreste sammeln sich im Ausgleichsbehälter<br />
und können dort zur Düngung entnommen werden.<br />
Fotos: Oliver Ristau<br />
Biogas-Bewässerung spart Viehtransporte<br />
Täglich befüttern Fernandez‘ Arbeiter das System, das<br />
über ein Gärvolumen von 27 Kubikmetern verfügt, mit<br />
300 Kilo Dung. „Davon fällt hier auf der Farm mehr<br />
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Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
International<br />
als genug an“, sagt er und geht über die Wiese, wo der<br />
Gasmotor in einem kleinen gemauerten Häuschen mit<br />
Wellblechdach untergebracht ist. Der kann aus dem<br />
Biogas eine elektrische Leistung von 2,5 kW gewinnen.<br />
Optimiert ist der Gasmotor auf das Gas aus dem<br />
Fermenter nicht. Bei höherer Methankonzentration<br />
könnte er eine Leistung von 3 kW abgeben.<br />
Nichtsdestotrotz ist Fernandez zufrieden. Denn der<br />
Motor gibt ihm mehr Flexibilität bei der Versorgung<br />
seiner Kühe. Der Landwirt erklärt: „In der Trockenzeit<br />
von Januar bis April fällt hier auf dem Grundstück zu<br />
wenig Regen. Es gibt dann nicht genügend Gras für<br />
das Vieh. In der Vergangenheit haben wir die Tiere mit<br />
Transportern zu höhergelegenen Weiden bringen müssen,<br />
wo ausreichend Futter zur Verfügung stand. Das<br />
hat Arbeit, Zeit und Kraftstoff gekostet. Jetzt haben wir<br />
eine andere Lösung.“<br />
Er bittet seinen Vorarbeiter, den Motor anzuwerfen. Der<br />
zündet sofort und es dauert nicht lange, bis mehrere<br />
in Reih und Glied stehende Sprenkelanlagen einsetzen<br />
und Wasser eruptionsartig auf der Weide verteilen.<br />
Elektrisch angetriebene Pumpen schaffen das Wasser<br />
aus dem nur ein paar Meter entfernt vorbeifließenden<br />
Fluss herbei. Würde er sich für die Wasserpumpe<br />
Strom aus dem Netz besorgen, käme ihn das deutlich<br />
teurer, rechnet Fernandez vor: „Normalerweise kostet<br />
der Strom rund 8 US-Cent je Kilowattstunde. Doch für<br />
solche speziellen Anwendungen müsste ich 40 Cent<br />
bezahlen. Das ist viel zu teuer“, sagt er mit zusammengezogenen<br />
Augenbrauen und winkt ab.<br />
Gut für die Lungen<br />
Guillermo Largaespada diskutiert noch ein wenig mit<br />
dem Grundbesitzer. Schließlich verabschieden sich<br />
beide voneinander. Bevor der Tag zur Neige geht, will<br />
der SNV-Berater noch einen dritten Hof aufsuchen. Er<br />
lässt die kleine Hazienda und die Stadt Juigalpa hinter<br />
sich. Über die Hauptstraße geht es Richtung Atlantikküste<br />
und nach einer Viertelstunde hoch in die Hügel.<br />
Von dem Feldweg aus sind extensive Weiden zu sehen,<br />
auf denen nur wenige Tiere grasen.<br />
Vorbei an einer ärmlichen Siedlung, wo Kinder und<br />
Jugendliche am Straßenrand dem Auto nachsehen,<br />
erreicht er die beiden Häuser von Reynalda Arguello<br />
und ihrem Sohn Geovani. Der hat für beide Familien<br />
eine Festkuppelanlage gebaut, mit 9 Kubikmetern<br />
Fassungsvermögen deutlich kleiner als die von Großlandwirt<br />
Fernandez. Das Gas dient ausschließlich zum<br />
Kochen und ersetzt Feuerholz, wie Mutter Reynalda<br />
betont: „Vorher gab es so viel Rauch in der Küche und<br />
das war nicht gut für die Lungen. Außerdem geht das<br />
Wenn der Motor<br />
stottert: Um den<br />
Gasdruck zu erhöhen,<br />
legt der Farmarbeiter<br />
einen Sack Salz auf den<br />
Fermenter.<br />
83
International<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Biogas statt Feuerholz:<br />
Mit dem 9 Kubikmeter<br />
Festkuppelsystem<br />
können die beiden<br />
Haushalte der Arguellos<br />
je fünf Stunden lang<br />
kochen.<br />
Zufrieden dank Biogas: Reynalda Arguello und ihr Sohn Geovani<br />
freuen sich darüber, dass die Küchen rauchfrei bleiben.<br />
Foto: Andreas Betten<br />
Foto: Oliver Ristau<br />
Essen kochen jetzt sehr viel schneller.“ Sie teilt sich<br />
das Gas mit der Familie ihres Sohnes. Rechnerisch<br />
können beide damit etwa fünf Stunden lang kochen.<br />
Dem Sohn hat es vor allem der Dünger angetan. „Der<br />
ist von bester Qualität“, sagt er und präsentiert den<br />
quaderförmigen Zugang, aus dem er sich entnehmen<br />
lässt. „Schauen Sie, wie kräftig die Bananen wachsen“,<br />
weist er auf ein paar Stauden gleich nebenan.<br />
Einfach haben es die Arguellos, ohne elektrischen<br />
Strom, aber idyllisch mit dieser Landschaft aus grünen<br />
Hügeln, die sich bis zum Horizont ausbreiten. In der<br />
warmen Luft flattern unter blauem Himmel zahlreiche<br />
Schmetterlinge.<br />
Einige weitere Familienmitglieder sind zusammengekommen,<br />
es wird viel gelacht, zwei kleine Mädchen<br />
toben durch den Garten, ein Schwung freilaufender<br />
Hühner pickt im Gras. „Ich finde das mit dem Biogas<br />
sehr gut. Aber nicht jeder kann sich das leisten“, sagt<br />
eine Schwester Geovanis. Immerhin 2.500 Euro kostet<br />
das System inklusive Arbeitsaufwand. Selbst wenn<br />
der Zuschuss von 20 Prozent abgezogen wird, den<br />
das Biogasprogramm Nicaragua dazugibt, entspricht<br />
die Investition in etwa dem nicaraguanischen Durchschnittseinkommen.<br />
Doch neben den Ersparnissen für Feuerholz und Dünger<br />
gibt es für Geovani noch einen anderen handfesten<br />
Vorteil. Er ist einer von 120 Maurern, die von der SNV<br />
ausgebildet wurden, um im ganzen Land solche Festkuppelsysteme<br />
zu bauen. Mehr als ein Dutzend hat er<br />
bereits realisiert. Als der Tag sich allmählich dem Ende<br />
neigt und der Himmel in prächtigen Farben von rot<br />
bis lila leuchtet, ist es Zeit für Guillermo Largaespada<br />
aufzubrechen. Der Job gebe ihm Zufriedenheit, sagt<br />
er, während er den Motor startet. „Wir versuchen, das<br />
Leben der Bauern zu verbessern, ihnen neues Wissen<br />
zu bringen. Sie können den Wandel sehen“, sagt er<br />
und rollt den Hügel hinab. Einer davon ist, dass bei<br />
den Arguellos zum Abendessen kein Qualm mehr aus<br />
den offenen Fenstern ihrer Küchen dringt.<br />
Autor<br />
Dipl.-Pol. Oliver Ristau<br />
Redaktion und Kommunikation<br />
Sternstraße 106 · 20357 Hamburg<br />
Tel. 040/38 61 58 22<br />
E-Mail: ristau@publiconsult.de<br />
Weite Wege: Das Biogasprogramm<br />
Nicaragua der SNV hat bisher<br />
etwa 1.000 Landwirte erreicht.<br />
84<br />
Foto: Andreas Betten
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
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„What was once unthinkable has now become unstoppable“, kommentierte der ehemalige UN-Generalsekretär<br />
Ban Ki-Moon das Pariser Klimaabkommen im Dezember 2015, das am 4. November 2016 in Kraft getreten<br />
ist. Einer der Eckpfeiler zur Erreichung der Klimaziele ist die Klimafinanzierung. Die Biogasbranche leistet viel<br />
zur Reduzierung von CO 2<br />
-Emissionen. Aber lassen sich auch mit den unterschiedlichen neuen Klimageldern<br />
Biogasprojekte finanzieren und umsetzen?<br />
Von Alexander Linke und Clemens Findeisen<br />
Seit 1992 ist die Klimarahmenkonvention<br />
(United Nations<br />
Framework Convention on Climate<br />
Change – UNFCC) das<br />
maßgeblich völkerrechtliche<br />
Vertragswerk im Bereich Klimasschutz. Im<br />
Jahr 2015 kam es in Paris zu einem Durchbruch<br />
in den internationalen Klimaverhandlungen,<br />
dort wurden drei langfristige<br />
Ziele beschlossen:<br />
1. Die globale Erderwärmung auf deutlich<br />
unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad im<br />
Vergleich zum vorindustriellen Niveau<br />
begrenzen.<br />
2. Die Anpassung an den Klimawandel<br />
erhält dasselbe politische Gewicht wie<br />
die Minderung von Treibhausgas (THG)-<br />
Emissionen.<br />
3. Umlenkung der Finanzströme in<br />
Richtung einer klimaresilienten und<br />
emissionsarmen Entwicklung.<br />
Des Weiteren bilden den Kern des Klimaabkommens<br />
die sogenannten nationalen Klimaschutzbeiträge<br />
(Nationally Determined<br />
Contributions – NDCs), mit denen sich die<br />
Unterzeichnerstaaten zu nationalen Klimaschutzmaßnahmen<br />
verpflichtet haben.<br />
Und schließlich wird der Klimafinanzierung<br />
immer mehr Bedeutung zugemessen, um<br />
die entsprechenden Ziele auch umzusetzen<br />
zu können. Eine neue Chance für die Biogasbranche?<br />
CO 2<br />
-Reduktion dank<br />
Biogasanlagen<br />
Die 9.000 Biogasanlagen in Deutschland<br />
konnten mit ihrer installierten elektrischen<br />
Leistung von zirka 4 Gigawatt in 2016 rund<br />
19 Millionen Tonnen CO 2<br />
einsparen. Neben<br />
der Substitution von fossilen Energieträgern<br />
können zusätzlich unkontrollierte<br />
Methan-Emissionen vermieden werden,<br />
die bei der Lagerung von Biomasse entstehen<br />
und in die Atmosphäre entweichen. So<br />
ist es möglich, dass bei der Vergärung von<br />
Reststoffen Negativemissionen pro produzierter<br />
Kilowattstunde durch die Nutzung<br />
der Biogastechnologie angerechnet werden<br />
können (Gutschriften).<br />
Laut dem Umweltbundesamt gingen von<br />
1990 bis 2015 die Methan-Emissionen<br />
in Deutschland um 2,6 Millionen Tonnen<br />
(Mio. t) auf 2,2 Mio. t zurück. Besonders<br />
stark sanken die Emissionen im Bereich<br />
der Abfallablagerung. Die zur Deponierung<br />
vorgesehenen Abfallmengen gingen auch<br />
aufgrund der Nutzung der Biogastechnologie<br />
stark zurück. Könnte nicht Biogas vor<br />
diesem Hintergrund sehr viel zu den neuen<br />
ambitionierten Klimazielen beitragen?<br />
Sind die Klimagelder schon bereit? Was<br />
ist eigentlich Klimafinanzierung? Gibt es<br />
schon funktionierende Klima-Instrumente,<br />
die Erneuerbare Energien und insbesondere<br />
Biogas fördern und finanzieren?<br />
Klimafinanzierung bezieht sich im weitesten<br />
Sinne auf alle Finanzströme, die die<br />
Reduzierung von THG-Emissionen und die<br />
Anpassung an die negativen Auswirkungen<br />
des Klimawandels unterstützen. Im<br />
Kontext der Klimaverhandlungen wird der<br />
86
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
International<br />
Begriff internationale Klimafinanzierung<br />
in einem engeren Sinne verwendet. Der<br />
Begriff beschreibt also den Transfer von<br />
öffentlichen finanziellen Ressourcen und<br />
dadurch mobilisierten (privaten) Mitteln<br />
von Geberländern an Entwicklungs- und<br />
Schwellenländer zur Unterstützung von<br />
Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen.<br />
Eine international akzeptierte Definition<br />
von Klimafinanzierung gibt es bisher nicht,<br />
weshalb deren Messung uneinheitlich ist.<br />
Grund dafür sind strittige Elemente einer<br />
solchen Definition aufgrund von Kontroversen<br />
in den internationalen Klimaverhandlungen.<br />
Zum Beispiel zur Frage, ob als Klimafinanzierung<br />
nur öffentliche oder auch<br />
private Finanzströme oder nur Finanzströme<br />
von Industrienationen an Schwellenoder<br />
Entwicklungsländer gelten sollten.<br />
Milliardenbeträge sollen<br />
transferiert werden<br />
Ein wichtiger Bestandteil der Klimafinanzierung<br />
sind finanzielle Beiträge von Industrieländern<br />
an Entwicklungs- und Schwellenländer.<br />
Die internationale Gemeinschaft<br />
hat sich auf der Klimakonferenz 2009 in<br />
Kopenhagen geeinigt, bis zum Jahr 2020<br />
jährlich 100 Milliarden (Mrd.) US-Dollar<br />
(USD) zu mobilisieren. So hat Deutschland<br />
beispielsweise 2015 zugesagt, die bilaterale<br />
Klimafinanzierung bis zum Jahr 2020<br />
auf 4 Mrd. Euro zu verdoppeln.<br />
Die globale Klimafinanzierungsarchitektur<br />
ist sehr komplex und verändert sich stetig.<br />
Die wichtigsten öffentlich finanzierten Elemente<br />
der globalen Klimafinanzierungsarchitektur<br />
umfassen:<br />
ffBilaterale Kanäle: Der Großteil der<br />
öffentlichen Klimafinanzierung wird<br />
durch bilaterale Kanäle bereitgestellt.<br />
So stellen Regierungen finanzielle Ressourcen<br />
aus ihren Haushalten bereit.<br />
Dies geschieht entweder in Form von<br />
Regierungszusagen oder von eigenen<br />
Klimafonds, wie der Internationalen Klimaschutzinitiative<br />
(IKI) in Deutschland<br />
oder des Internationalen Klimafonds<br />
im Vereinigten Königreich. Diese Mittel<br />
werden hauptsächlich von nationalen<br />
Durchführungsorganisationen der<br />
technischen Zusammenarbeit, wie der<br />
Deutschen Gesellschaft für Internationale<br />
Zusammenarbeit (GIZ) GmbH,<br />
oder der finanziellen Zusammenarbeit,<br />
wie der unterschiedlichen Sparten der<br />
KfW-Bankengruppe (beispielsweise<br />
KfW-Entwicklungsbank oder die Deutsche<br />
Entwicklungs- und Investitionsgesellschaft<br />
mbH – DEG), umgesetzt.<br />
ffMultilaterale Kanäle: Regierungen<br />
stellen Haushaltsmittel auch über UN-<br />
Organisationen – multilaterale Entwicklungsbanken<br />
(MDBs) und Fonds – zur<br />
Verfügung:<br />
ZZDer finanzielle Mechanismus der<br />
Klimarahmenkonvention umfasst<br />
die Globale Umweltfazilität [Global<br />
Environment Facility (GEF)] und die<br />
von ihr verwalteten Klimafonds Least<br />
Developed Countries Fund (LDCF)<br />
und Special Climate Change Fund<br />
(SCCF) sowie den GCF.<br />
ZZZur Verfügung gestellt werden auch<br />
andere Klimafonds wie der im Kyoto-<br />
Protokoll verankerte Anpassungsfonds<br />
(Adaptation Fund) sowie Fonds<br />
außerhalb der Klimarahmenkonvention,<br />
zum Beispiel die Climate Investment<br />
Funds (CIFs) der Weltbank.<br />
ZZMultilaterale Entwicklungsbanken<br />
stellen eine Vielzahl von Finanzierungs-<br />
und Beratungsinstrumenten<br />
bereit und fungieren manchmal auch<br />
als Umsetzungsorganisationen internationaler<br />
Klimafinanzierungsmittel.<br />
Sie können auch eigene Mittel (die<br />
sie am internationalen Kapitalmarkt<br />
aufnehmen) mit öffentlichen Klimafinanzierungsbeiträgen<br />
kombinieren<br />
(„blending“).<br />
ffRegionale und nationale Institutionen<br />
in Partnerländern: Einige Entwicklungs-<br />
und Schwellenländer haben<br />
eigene Klimafinanzierungsinstitutionen<br />
für den Zugriff auf und die Verwaltung<br />
von internationaler Klimafinanzierung<br />
etabliert. Beispiele sind der Amazon<br />
Fund in Brasilien, der Indonesia Climate<br />
Change Trust Fund (ICCTF), der<br />
National Environment Fund of Benin,<br />
der Rwanda Climate Change and Environment<br />
Fund (FONERWA), der South<br />
African Green Fund oder der CDM Fund<br />
in China.<br />
Die meisten dieser Fonds werden durch<br />
multilaterale oder nationale Institutionen<br />
verwaltet und die Förder- und Finanzierungsmittel<br />
können oftmals nicht direkt<br />
durch private Unternehmen beantragt<br />
werden. Internationale oder nationale<br />
Durchführungsorganisationen können hier<br />
Projektvorschläge einreichen, die dann in<br />
der Abwicklungsphase eventuell auch Förderungen<br />
oder Finanzierungen für private<br />
Unternehmen bereitstellen. Neue Initiativen,<br />
wie die zum Beispiel von Deutschland<br />
initiierte NDC-Partnerschaft, helfen aber<br />
dabei, einen Überblick über die verschiedenen<br />
Finanzierungs- und Unterstützungsangebote<br />
zu bekommen.<br />
Ein Beispiel für ein konkretes Projekt aus<br />
diesen vorgenannten Klimafonds ist das<br />
„Extended Biogas Program“ in Nepal, das<br />
durch den Climate Investment Fund finanziert<br />
und durch die Weltbank abgewickelt<br />
wird. In der Umsetzung kooperiert die Weltbank<br />
mit der staatlichen Agentur „Alternative<br />
Energy Promotion Centre“ (AEPC). Im<br />
Rahmen dieses Projektes werden sowohl<br />
private Unternehmen als auch Kommunen<br />
bei der Entwicklung und Umsetzung von<br />
Off-Grid-Biogasprojekten unterstützt.<br />
Aufwändig, passende Geldgeber<br />
zu finden<br />
Die Identifikation und Nutzung geeigneter<br />
internationaler Klimafinanzierungsquellen<br />
ist sowohl für viele Entwicklungsländer als<br />
auch für private Investoren aufgrund der<br />
Vielzahl und Heterogenität der Zugangsmodalitäten<br />
eine große Herausforderung. Zudem<br />
ist die Beantragung und Abwicklung<br />
von internationalen Klimafinanzierungsfonds<br />
mit einem nicht zu unterschätzenden<br />
Aufwand verbunden.<br />
Neben öffentlichen Mitteln aus den Staatshaushalten<br />
von Industrie- und Entwicklungsländern<br />
spielen auch private Investitionen<br />
in der Klimafinanzierung eine überaus<br />
wichtige Rolle. Es gibt eine Vielzahl an<br />
Akteuren im Privatsektor, die mit eigenen<br />
Mitteln in Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen<br />
investieren oder dafür Kapital<br />
bereitstellen. Diese können in zwei Gruppen<br />
eingeteilt werden: Unternehmen der „Realwirtschaft“<br />
(zum Beispiel nationale oder internationale<br />
Industrieunternehmen, kleine<br />
und mittlere Unternehmen, Projektentwickler)<br />
sowie Finanzierer (Banken, Leasinggesellschaften,<br />
Eigenkapitalfonds, Mikrofinanzierungsorganisationen,<br />
institutionelle<br />
Investoren, Stiftungen, Versicherer).<br />
Der Green Climate Fund (GCF) ist aktuell<br />
der neueste und größte multilaterale Klimafonds.<br />
Aktuell (Stand Juli <strong>2017</strong>) ist der<br />
GCF mit Kapitalzusagen von 10,3 Mrd.<br />
USD ausgestattet, arbeitet mit 48 akkre-<br />
87
International<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
ditierten Institutionen zusammen und hat<br />
bisher Förderzusagen für 43 Projekte gegeben<br />
(entspricht einem Fördervolumen<br />
von 2,2 Mrd. USD). Private Unternehmen<br />
können nicht direkt Mittel aus dem GCF<br />
beantragen, dies dürfen nur sogenannte<br />
„akkreditierte Institutionen“, die zuvor einen<br />
strengen Prüf- und Aufnahmeprozess<br />
durchlaufen mussten (http://www.greenclimate.fund/how-we-work/tools/entitydirectory).<br />
Biogas-Projektierer sollten die<br />
EBRD kontaktieren<br />
Es dürfen auch nur akkreditierte Institutionen<br />
Förderanträge (sogenannte „Funding<br />
Proposals“) an den GCF stellen. Beispielsweise<br />
wurde ein Projekt der Europäischen<br />
Bank für Wiederaufbau und Entwicklung<br />
(EBRD) zur Finanzierung von nachhaltigen<br />
Energieprojekten in ausgewählten Ländern<br />
in der MENA-Region, Süd-Osteuropa und<br />
Zentralasien durch den GCF genehmigt.<br />
Die EBRD erhält hierbei Klimafinanzierungsmittel<br />
direkt vom GCF, mischt diese<br />
mit eigenen Mitteln („blending“) und<br />
investiert dieses Kapital in Erneuerbare-<br />
Energien-Projekte, darunter auch Biogas.<br />
Interessierte Unternehmen, die aussichtsreiche<br />
Projektideen haben, können hier<br />
direkt mit der EBRD bzw. mit lokalen Partnerbanken<br />
der EBRD in den jeweiligen Ländern<br />
in Kontakt treten.<br />
Aus deutscher Sicht sind folgende internationale<br />
Klimafinanzierungsfazilitäten und<br />
-instrumente hervorzuheben:<br />
ffInternationale Klimaschutzinitiative<br />
(IKI): Die Internationale Klimaschutzinitiative<br />
des Bundesministeriums<br />
für Umwelt, Naturschutz, Bau und<br />
Reaktorsicherheit (BMUB) finanziert<br />
seit 2008 gezielt Klima- und Biodiversitätsprojekte<br />
in Entwicklungs- und<br />
Schwellenländern und ist ein wichtiger<br />
Bestandteil der deutschen Klimafinanzierung.<br />
ffNAMA Facility: Hier werden Fördermittel<br />
für national angemessene<br />
Minderungsmaßnahmen (NAMAs)<br />
zur Verfügung gestellt. Neben dem<br />
BMUB wird diese Fazilität auch durch<br />
Großbritannien, Dänemark und die EU-<br />
Kommission finanziell unterstützt.<br />
ffKlimapartnerschaften mit der Wirtschaft<br />
(DEG): Mit diesem Programm<br />
fördert die DEG den Technologie- und<br />
Know-how-Transfer, um den Aufbau<br />
einer klimaschonenden Wirtschaft zu<br />
unterstützen.<br />
ffdeveloPPP.de: Mit develoPPP.de fördert<br />
das Bundesministerium für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(BMZ) entwicklungspolitisch sinnvolle<br />
Projekte von privaten Unternehmen in<br />
Entwicklungs- und Schwellenländern.<br />
ffDas Instrument „upscaling“ der DEG<br />
hat bis dato nur Projekte bis 500.000<br />
Euro finanziert. Nun wurde dies bis auf<br />
2,5 Millionen EUR ausgeweitet. Eine<br />
tolle Möglichkeit für Biogasprojekte in<br />
Entwicklungs- und Schwellenländer.<br />
CDM-Markt zurzeit uninteressant<br />
Der direkte Zugang des Privatsektors zu<br />
internationaler Klimafinanzierung, beispielsweise<br />
für Projektentwickler aus der<br />
Biogasbranche, gestaltet sich bis dato<br />
schwierig. Dies war noch vor einigen Jahren<br />
anders, als privaten Projektentwicklern<br />
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88
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
International<br />
der CDM-Marktmechanismus unter dem<br />
Kyoto-Protokoll als Finanzierungsquelle<br />
zur Verfügung stand. Durch den starken<br />
Preisverfall der Emissionszertifikate bietet<br />
der CDM-Markt aktuell keinen geeigneten<br />
finanziellen Anreiz für Projektentwickler.<br />
Derzeit sind etwa 8 Prozent aller registrierten<br />
CDM-Projekte der Kategorie „Methane<br />
avoidance“ zuzuordnen. Wie bereits ausgeführt<br />
arbeiten die meisten Klimafinanzierungsfazilitäten<br />
mit internationalen oder<br />
nationalen Durchführungsorganisationen,<br />
beispielsweise multilateralen oder bilateralen<br />
Entwicklungsbanken, zusammen. Entwicklungsbanken<br />
stellen aber oftmals nur<br />
großvolumigen Investitionsprojekten eine<br />
direkte Kreditfinanzierung zur Verfügung.<br />
Kleinere Investitionsprojekte können aber<br />
eventuell durch lokale Partnerbanken, die<br />
durch Entwicklungsbanken über Kreditlinien<br />
refinanziert werden, unterstützt werden.<br />
Neben Kreditprogrammen könnte für Biogasunternehmen<br />
auch der Zugang zu Risikokapital<br />
(zum Beispiel Eigenkapital oder<br />
nachrangige Darlehen) interessant sein.<br />
Ein Beispiel ist der Fonds „Asia Climate<br />
Partners“ (ACP), an dem auch die ADB<br />
beteiligt ist. Dieser Private-Equity-Fonds<br />
stellt Risikokapital für Erneuerbare Energie,<br />
Ressourceneffizienz und Umwelttechnologien<br />
in Asien zur Verfügung. Bislang<br />
wurde dieser Fonds zwar nicht durch Klimagelder<br />
finanziert, kürzlich hat die ADB<br />
aber eine Aufstockung des Fonds für Mezzaninfinanzierung<br />
bei den Climate Investment<br />
Funds beantragt.<br />
„GEEREF Next“-Globalfonds als<br />
Finanzierungsquelle ausloten<br />
Ein anderes Beispiel ist der von der Europäischen<br />
Entwicklungsbank (EIB) aufgelegte<br />
Fonds „GEEREF Next“, der auch vom<br />
Green Climate Fund (GCF) finanziert wird.<br />
Es handelt sich hier um einen Globalfonds<br />
(„fund of funds“), der in Entwicklungsländern<br />
in private Eigenkapitalfonds mit dem<br />
Fokus Erneuerbare Energie und Energieeffizienz<br />
investiert.<br />
Spannend für Entwickler von Erneuerbaren<br />
Energien und insbesondere Biogasprojekten<br />
in Entwicklungs- und Schwellenländern<br />
sind auch Projektvorbereitungsprogramme<br />
wie beispielsweise das Private Finance<br />
Advisory Network (PFAN) und das Finance<br />
Catalyst Programm (Teil des Africa-EU Renewable<br />
Energy Cooperation Programme<br />
RECP).<br />
PFAN unterstützt beispielsweise vielversprechende<br />
Projekte in einem frühen<br />
Stadium und bietet Mentoring für die Entwicklung<br />
von Business-Plänen, um so die<br />
Chancen auf eine erfolgreiche Finanzierung<br />
und Umsetzung zu erhöhen. Es wurden<br />
bereits über 296 Energieprojekte aus<br />
den Bereichen Biogas, Biomasse, Wind,<br />
Solar, Transport, Energieeffizienz und Wasserkraft<br />
in die Pipeline aufgenommen. 86<br />
davon bekamen bereits eine Finanzierungszusage.<br />
Ähnlich der Finance Catalyst, der<br />
durch Beratung Projektentwickler dabei<br />
unterstützt, Projektansätze „bankable“ zu<br />
machen und den Zugang zu kommerziellen<br />
Finanzierungsquellen zu erleichtern.<br />
Fazit: Die Bedeutung der internationalen<br />
Klimafinanzierung für die Umsetzung<br />
von Erneuerbare-Energien-Projekten wird<br />
noch weiter zunehmen. Die internationale<br />
Klimafinanzierungsarchitektur ist jedoch<br />
aktuell komplex und unübersichtlich. Die<br />
wichtigste Empfehlung an Biogasunternehmen<br />
ist, sich laufend über relevante neue<br />
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International<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Projekte und Programme zu informieren<br />
und frühzeitig mit den Durchführungsorganisationen<br />
Kontakt aufzunehmen. Eine<br />
besondere Bedeutung haben multilaterale,<br />
bilaterale oder regionale Entwicklungsbanken<br />
und Eigenkapitalfonds, da diese auch<br />
ohne internationale Klimafinanzierung immer<br />
an gut vorbereiteten Projekten Interesse<br />
haben.<br />
Da das Investitionsvolumen vieler Erneuerbarer-Energien-Projekte<br />
(vor allem PV<br />
und Biogas) oftmals zu gering für eine direkte<br />
Projekt- oder Unternehmenskreditfinanzierung<br />
von Entwicklungsbanken ist,<br />
spielen Kreditlinien von lokalen Kommerzbanken<br />
eine wichtige Rolle. Eine professionelle<br />
Ansprache solcher internationaler<br />
Finanzierungsinstitutionen und Fonds<br />
will gut geplant und vorbereitet sein. Ein<br />
überzeugender Geschäftsplan, ein verlässlicher<br />
lokaler Partner und bei Bedarf<br />
die Unterstützung externer Berater sind<br />
dafür wichtige Voraussetzungen. Die Dynamik<br />
in der Klimafinanzierung ist gerade<br />
ziemlich hoch, deshalb sollte die deutsche<br />
Biogasbranche hier kontinuierlich am Ball<br />
bleiben.<br />
Weiterführende Links:<br />
EU Global Climate Change Alliance (GCCA): https://www.gcca.eu/<br />
NAMA Facility: http://www.nama-facility.org/<br />
Global Environment Facility (GEF): https://www.thegef.org/<br />
Green Climate Fund (GCF): https://www.greenclimate.fund/home<br />
Internationale Klimaschutzinitiative: https://www.international-climate-initiative.com/<br />
Klimapartnerschaften mit der Wirtschaft (BMUB): https://www.deginvest.de/Internationale-Finanzierung/DEG/Unsere-Lösungen/Klimapartnerschaften/index.html<br />
Private Finance Advisory Network (PFAN): https://cti-pfan.net/<br />
The Finance Catalyst: https://www.africa-eu-renewables.org/finance-catalyst/<br />
Upscaling der DEG:<br />
https://www.deginvest.de/Internationale-Finanzierung/DEG/Unsere-Lösungen/Up-Scaling/<br />
NDC Funding and Initiatives Navigator: https://www.ndcpartnership.org/initiatives-navigator<br />
Autoren<br />
Alexander Linke<br />
Berater für Klimafinanzierung im<br />
Kompetenzzentrum für Klima und Umweltpolitik<br />
Deutsche Gesellschaft für<br />
Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH<br />
Tel. 0 61 96/79 11 94<br />
E-Mail: alexander.linke@giz.de<br />
Clemens Findeisen<br />
Berater Entwicklungszusammenarbeit<br />
Fachverband Biogas e.V. (FvB)<br />
Tel. 0 8161/98 46 811<br />
E-Mail: clemens.findeisen@biogas.org<br />
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Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
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Aus der<br />
Verbandsarbeit<br />
Bericht aus der Geschäftsstelle<br />
Heißer Herbst steht bevor!<br />
Dem Land, dem Verband und der Biogasbranche steht ein<br />
ereignisreicher Herbst bevor. Neben der omnipräsenten Bundestagswahl<br />
finden im September die ersten Ausschreibungen für<br />
Biomasse statt. Zudem wurden neue Regelwerke veröffentlicht,<br />
zu denen Stellungnahmen zu verfassen sind.<br />
Von Dr. Stefan Rauh<br />
Der September wird spannend!<br />
Die Biogasbranche<br />
wartet gespannt auf das<br />
Ergebnis der ersten Ausschreibung<br />
für Biomasse.<br />
Wie viele Biogasanlagen beteiligen<br />
sich? Welche Größe haben die Anlagen?<br />
Wie viele Anlagen sind Neu- beziehungsweise<br />
Bestandsanlagen? Noch<br />
ist vieles unklar. Dennoch bereitet sich<br />
das Hauptstadtbüro bereits auf alle<br />
möglichen Szenarien vor und erarbeitet<br />
die daraus resultierenden Forderungen<br />
an die Politik.<br />
Die befindet sich zum Ausschreibungstermin<br />
noch mitten im Wahlkampf. Auch<br />
das Hauptstadtbüro befindet sich seit<br />
Wochen im Wahlkampfmodus. Innerhalb<br />
der Kampagne des BEE (Bundesverband<br />
Erneuerbare Energie) sind die<br />
Mitarbeiter stark eingebunden. Insbesondere<br />
die Planung und Durchführung<br />
der Sommertour mit Diskussionsterminen<br />
in den Wahlkreisen wichtiger Politiker<br />
war sehr zeitaufwändig. Gleichzeitig<br />
wurden Vorschläge für die Wahlprogramme<br />
der Parteien und die Koalitionsverhandlungen<br />
entwickelt und verbreitet.<br />
Darüber hinaus wurde eine gemeinsame<br />
Erklärung mit der Gaswirtschaft zur Rolle<br />
von grünem Gas in der Energiewende<br />
abgestimmt und veröffentlicht.<br />
Ländergespräche zur Umsetzung<br />
der Düngeverordnung<br />
Trotz des endgültigen Inkrafttretens<br />
der Düngeverordnung am 2. Juni <strong>2017</strong><br />
bestehen weiterhin viele Unklarheiten,<br />
wie diese konkret vollzogen werden soll.<br />
Eine von vielen Fragen ist, ob gewerbliche<br />
Biogasanlagen zukünftig pauschal<br />
neun Monate Lagerkapazität vorhalten<br />
müssen oder ob ausreichend vertragliche<br />
gesicherte Fläche den Betreiber<br />
davon befreit. Ebenfalls unklar ist die<br />
Umsetzung der Düngebedarfsermittlung,<br />
wenn in einem Jahr mehrere<br />
Kulturen aufeinanderfolgen. Um diese<br />
und weitere Fragen mit den einzelnen<br />
Ländern zu klären, wurden nach dem<br />
Austausch mit dem bayerischen Landwirtschaftsministerium<br />
inzwischen<br />
auch Gespräche mit den zuständigen<br />
Ministerien in Thüringen, Rheinland-<br />
Pfalz und Nordrhein-Westfalen geführt.<br />
Zudem wurde ein auf Grundlage der<br />
Gespräche und Rückmeldungen aus<br />
den zahlreichen Vorträgen in den Regionalgruppen<br />
erarbeiteter Fragenkatalog<br />
mit entsprechenden Forderungen<br />
des Fachverbandes an alle Landwirtschaftsminister<br />
der Länder versandt.<br />
Insbesondere wird damit auf die steigende<br />
Bürokratie durch Doppelregelungen<br />
und Benachteiligungen von<br />
92
Engagiert. Aktiv. Vor Ort. Und in Berlin: Der Fachverband Biogas e.V.<br />
gewerblichen Biogasanlagen durch die<br />
geplante Stoffstrombilanz hingewiesen.<br />
Die Stoffstrombilanzverordnung soll am<br />
22. September und damit noch vor der<br />
Bundestagswahl im Bundesrat verabschiedet<br />
werden, damit die Stoffstrombilanz<br />
pünktlich zum 1. Januar 2018 eingeführt<br />
werden kann. Die Ländergespräche sollen<br />
dazu beitragen, noch die eine oder andere<br />
Veränderung zu erreichen.<br />
Gelbdruck zur TRwS 391-1 im<br />
August veröffentlicht<br />
Am 1. August ist der Gelbdruck (= Entwurf)<br />
der „Technische Regel wassergefährdender<br />
Stoffe (TRwS) – Biogasanlagen, ‒ Teil<br />
1: Errichtung und Betrieb mit Gärsubstraten<br />
landwirtschaftlicher Herkunft“ bei der<br />
DWA erschienen. Diese technische Regel<br />
beinhaltet Anwendungshinweise zur<br />
Umsetzung der Anlagenverordnung zum<br />
Umgang mit wassergefährdenden Stoffen<br />
(AwSV), die seit dem 1. August gültig ist.<br />
Damit ist das öffentliche Beteiligungsverfahren<br />
eingeleitet. Das heißt: Bis zum 31.<br />
Oktober <strong>2017</strong> besteht die Gelegenheit, zu<br />
dem Entwurf Stellung zu nehmen. Natürlich<br />
wird auch der Fachverband Biogas eine<br />
Stellungnahme erarbeiten. Im September<br />
erfolgt dabei eine umfangreiche Beratung<br />
innerhalb der zuständigen Gremien innerhalb<br />
des Verbandes.<br />
Der genannte Gelbdruck bezieht sich nur<br />
auf den Bau von Neuanlagen und verweist<br />
in vielen Bereichen auf die noch<br />
nicht final veröffentlichte technische Regel<br />
für den Bau von JGS (Jauche, Gülle,<br />
Silagesickersaft)-Anlagen. Insbesondere<br />
der Bestand muss sich noch gedulden, da<br />
hierfür ein eigenständiges Regelwerk vorgesehen<br />
ist, dessen Gelbdruck noch nicht<br />
veröffentlicht wurde.<br />
Entwurf der TRAS 120<br />
„Biogasanlagen“ veröffentlicht<br />
Ebenfalls im August hat die Kommission<br />
für Anlagensicherheit den Vorentwurf<br />
der Technischen Regel Anlagensicherheit<br />
(TRAS) 120 „Biogasanlagen“ veröffentlicht.<br />
Bei dem sehr umfangreichen Regelwerk<br />
(über 70 Seiten) handelt es sich um<br />
eine Erkenntnisquelle, die den Stand der<br />
Technik im Bereich der Anlagensicherheit<br />
(Qualifikation der Branche, Gasspeicher,<br />
Brandschutz, Betriebsorganisation und<br />
-dokumentation etc.) beschreibt.<br />
Sie ist somit mindestens für BImSchG-<br />
Anlagen und Anlagen im Regelungsbereich<br />
der Störfallverordnung von besonderem Interesse.<br />
Es ist davon auszugehen, dass sich<br />
die zuständigen Landesbehörden größtenteils<br />
bei Neu- und Änderungsgenehmigungen<br />
auf dieses Regelwerk beziehen werden.<br />
Bis zum 30. September <strong>2017</strong> besteht hier<br />
die Möglichkeit, Änderungsvorschläge zu<br />
dem Vorentwurf einzureichen. Nach Ablauf<br />
der Frist wird die Kommission für Anlagensicherheit<br />
die Änderungsvorschläge<br />
bewerten. Der Fachverband Biogas wird<br />
sich selbstverständlich auch an diesem<br />
Verfahren beteiligen und unter Beteiligung<br />
seiner Fachgremien eine Stellungnahme<br />
erarbeiten.<br />
5. Abfallvergärungstag des<br />
Fachverbandes<br />
Auf dem 5. Abfallvergärungstag, der am<br />
13. und 14. September in Papenburg<br />
stattfindet, werden alle genannten Themen<br />
aus dem „heißen Herbst“ aufgegriffen. Der<br />
Fokus liegt dabei auf den Chancen und Risiken<br />
für Abfallvergärungsanlagen vor dem<br />
Hintergrund des EEG <strong>2017</strong>, den Anforderungen<br />
aus der AwSV und der TA Luft sowie<br />
den düngerechtlichen Anforderungen an<br />
die Ausbringung von Komposten und Gärprodukten.<br />
Am zweiten Tag bieten wir Ihnen<br />
die Besichtigung der Biogasanlage mit<br />
Biomethanaufbereitung und der Power-to-<br />
Gas-Anlage von Audi in Werlte.<br />
Erfolg beim Eichrecht<br />
Am 7. Juli hat der Bundesrat eine wichtige<br />
Änderung der Mess- und Eichverordnung<br />
(MessEV) beschlossen, die die Tarawiegung<br />
bei der Ernte betrifft. Der Fachverband<br />
Biogas hat durch zahlreiche Briefe und Gespräche<br />
mit den zuständigen Ministerien<br />
und Länderregierungen die Änderung mit<br />
erwirkt.<br />
Die Änderung wurde nun am 15. August im<br />
Bundesgesetzblatt veröffentlicht und gilt<br />
seit dem 16. August. In der Biogasbranche<br />
ist es üblich, bei der Fahrzeugverwiegung<br />
im Rahmen von Biomassetransporten ermittelte<br />
Festtaragewichtswerte auch bei<br />
mehrmaligem Ent- und Beladen zu verwenden.<br />
Hierbei wird zum Beispiel zu Beginn<br />
und Ende eines Erntetages das Leergewicht<br />
vom Zugfahrzeug inklusive Anhänger ermittelt<br />
und dieses während des gesamten<br />
Tages vom Gewicht im beladenen Zustand<br />
abgezogen, um so die Masse der Ladung zu<br />
bestimmen.<br />
Dieser Aspekt war bei der Novellierung der<br />
MessEV im Jahr 2014 negativ bewertet<br />
worden. Demnach durften seit dem 1. Januar<br />
2015 gespeicherte Taragewichte zur<br />
Bestimmung von Nettogewichtswerten nur<br />
herangezogen werden, wenn sie unmittelbar<br />
vor oder nach der Wägung im beladenen<br />
Zustand ermittelt wurden. Je nach Bundesland<br />
gab es Übergangsfristen, die aber<br />
spätestens <strong>2017</strong> ausgelaufen wären. Dies<br />
hätte in der Praxis zur Folge gehabt, dass<br />
auch während der Ernte das Leergewicht<br />
des Gespanns nach jedem Entladen hätte<br />
bestimmt werden müssen.<br />
Autor<br />
Dr. Stefan Rauh<br />
Geschäftsführer<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
Angerbrunnenstr. 12 ∙ 85356 Freising<br />
Tel. 0 81 61/98 46 60<br />
E-Mail: info@biogas.org<br />
93
Verband<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Regionalgruppe Weser-Ems<br />
Fachtagung des Netzwerks<br />
Bürgerenergie<br />
Von links: Henrik<br />
Borgmeyer, Matthias<br />
Schütte, Jens Geveke,<br />
Horst Seide und<br />
Ralf Otten.<br />
Im Auftrag des niedersächsischen Umweltministeriums<br />
hat das Innovationszentrum Niedersachsen<br />
das Netzwerk Bürgerenergiegesellschaften gegründet.<br />
Ziel ist, die Aktivitäten in der Energiewende<br />
zu bündeln und Möglichkeiten der Vernetzung zu<br />
generieren. Partner des Netzwerks sind die niedersächsischen<br />
Organisationen der Erneuerbaren Energien,<br />
neben dem Fachverband Biogas der Bundesverband<br />
Windenergie und der BSW sowie die Genossenschaftsverbände.<br />
In einer ersten Veranstaltung in Verden unter dem<br />
Motto „Bürgerenergie eine Chance für die Zukunft“,<br />
tauschten sich rund 120 Aktive aus. Auftakt war ein<br />
Vortrag des niedersächsischen Umweltministers Stefan<br />
Wenzel, wo er unter anderem die Bedeutung der Erneuerbaren<br />
Energien für die Wertschöpfung hervorhob.<br />
Vor dem Hintergrund war es besonders interessant, das<br />
Grußwort des Landesvorsitzenden des Verbandes kommunaler<br />
Unternehmen Frank Wiegelmann zu hören,<br />
der sich für mehr Kooperation zwischen Erneuerbaren<br />
und kommunalen Unternehmen aussprach. Gerade bei<br />
regionalen Versorgungsprojekten könnten hier Synergien<br />
gehoben werden.<br />
Im Vortrag des Fachverbandes Biogas wurde die Thematik<br />
Sektorkopplung und die Möglichkeit der Unterstützung<br />
der Infrastruktur im Bereich der E-Mobilität<br />
angesprochen. Großes Hemmnis des technisch einfach<br />
Foto: Fachverband Biogas e.V.<br />
umzusetzenden Angebots ist die EEG-Umlage auf Eigenstromverbrauch.<br />
Minister Wenzel versicherte, dass<br />
er an der Seite der Erneuerbaren sei, um diese abzuschaffen.<br />
Nicht so viel Einigkeit gab es mit dem Vertreter des<br />
Bundeswirtschaftsministeriums, Dr. Volker Hoppenbrock.<br />
Die Umstellung der Förderung auf Ausschreibungen<br />
wurde von den vielen ehren- und nebenamtlich<br />
Aktiven in regionalen Initiativen kritisiert, und man<br />
sah insbesondere die Akteursvielfalt in Gefahr. Hoppenbrock<br />
verwies auf die Ausschreibungen im Windbereich,<br />
die diese Ansicht nicht bestätigen würden. Zum<br />
Thema Biomasse im Strommarkt äußerte er sich ganz<br />
eindeutig. Eine kleine Menge zu einem relativ hohen<br />
Preis würde das BMWi unterstützen, aber die Bedeutung<br />
der Speichermöglichkeit wäre nicht groß genug,<br />
um die Menge im Strommix zu erhöhen. Hier hat der<br />
Fachverband schon etwas erreicht, aber es steht harte<br />
Arbeit für das nächste EEG bevor.<br />
Nach dieser Auftaktveranstaltung ist geplant, das Netzwerk<br />
Bürgerenergie in die Verantwortung der Erneuerbaren<br />
zu übergeben. Eine grundsätzlich gute Idee, die<br />
aber auch mit finanziellen Mitteln untermauert werden<br />
muss.<br />
Wahlen in der Regionalgruppe Weser-Ems<br />
Die fünf Regionalgruppen im Gebiet des Regionalbüros<br />
Nord haben sich für die nächsten vier Jahre aufgestellt.<br />
Mit der Regionalgruppe Weser-Ems fand auch die letzte<br />
Wahl statt. Ralf Otten wurde als Regionalgruppensprecher<br />
genauso bestätigt wie sein Stellvertreter Henrik<br />
Borgmeyer. Betreibersprecher bleibt Matthias Schütte<br />
und neu als stellvertretender Betreibersprecher wurde<br />
Jens Geveke gewählt.<br />
Geleitet wurde die Wahl von Fachverbandspräsident<br />
Horst Seide, der im Vorfeld der Regularien über die aktuellen<br />
politischen Gespräche berichtete. In dem interessanten<br />
Austausch wurde die Situation der Anlagen in<br />
Weser-Ems diskutiert und auch die Asuwirkungen der<br />
neuen Gülleverordnung angesprochen. Die Akteure vereinbarten,<br />
hierzu eine Veranstaltung durchzuführen.<br />
Autorin<br />
Dipl.-Ing. agr. Silke Weyberg<br />
Regionalreferentin Nord<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
Ostring 6 · 31249 Hohenhameln<br />
Tel. 0 51 28/33 35 510<br />
E-Mail: silke.weyberg@biogas.org<br />
94
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Verband<br />
Regionalgruppe Schleswig-Holstein<br />
Treffen mit Landtagsabgeordneten<br />
und Bundestagskandidaten<br />
In den Landkreisen Schleswig-Flensburg<br />
und Nordfriesland müssen Politiker<br />
nicht von der wirtschaftlichen<br />
Bedeutung Erneuerbarer Energien für<br />
die Region überzeugt werden. Da sind<br />
sich die Politiker parteiübergreifend der<br />
Bedeutung bewusst. Wo es klemmt und<br />
wie Abhilfe geschaffen werden kann bei der<br />
Weiterentwicklung des Sektors, stand im<br />
Mittelpunkt der Gespräche auf der Biogasanlage<br />
Linnau.<br />
Die Kandidaten für den Bundestag Astrid<br />
Damerow, Petra Nicolaisen (CDU) und Clemens<br />
Teschendorf (SPD) sowie Claus Jens<br />
MdL (CDU) und Carsten Peter Brodersen<br />
(FDP) erfuhren von Peter Jepsen einiges<br />
über die Entwicklung seiner Biogasanlage.<br />
Neben der Stromversorgung verfügt<br />
die Anlage über ein Wärmenetz. Ein großer<br />
Warmwasserspeicher sichert die ständige<br />
Versorgung der angeschlossenen Gebäude.<br />
Ein großes Problem ist die Umsetzung<br />
der Sektorenkopplung, wurde in den Gesprächen<br />
deutlich. Die Umwandlung des<br />
Redispatch-Stroms in Wärme ist technisch<br />
unproblematisch möglich, aber rechtlich<br />
nicht. Damit werden Potenziale, die einfach<br />
gehoben werden könnten, nicht genutzt.<br />
Netzentgelte und insbesondere<br />
die EEG-Umlage auf Eigenstrom<br />
müssen überdacht werden, war<br />
eine Forderung an die Politik.<br />
Die letzten EEG-Novellierungen<br />
haben zudem dazu geführt, dass<br />
eine starke Verunsicherung bei<br />
den Biogasanlagenbetreibern<br />
besteht. Das Gesetz ist mittlerweile<br />
so kompliziert geworden,<br />
das klare rechtliche Aussagen,<br />
auf deren Grundlage kalkuliert<br />
werden kann, nicht mehr möglich<br />
sind. Es stellt sich vor der<br />
nächsten Novellierung des Gesetzes<br />
die Frage, ob der bestehende Rechtsrahmen<br />
tatsächlich klare und verlässliche<br />
Rahmenbedingungen schaffen kann, auf<br />
deren Grundlage die Energiewende zielorientiert<br />
weiter geführt werden kann. Es wurden<br />
durchaus Stimmen laut, die sich ein Leben<br />
nach dem EEG vorstellen können, aber<br />
wichtig ist, dass die Subventionierung der<br />
konventionellen Kraftwerke aufhören muss.<br />
Die Kandidaten nahmen die Anregungen<br />
und Probleme sehr offen auf. Das schwierigste<br />
bei der Umsetzung ist weniger eine<br />
norddeutsche Einigung, als die Suche nach<br />
Foto: Fachverband Biogas e.V.<br />
Politikerbesuch auf der Biogasanlage Linnau.<br />
Bündnispartnern für die richtigen Rahmenbedingungen<br />
der Energiewende aus dem<br />
Rest Deutschlands. Es wurde vereinbart die<br />
Gespräche nach den Bundestagswahlen in<br />
Berlin oder vor Ort weiter zu vertiefen.<br />
Autorin<br />
Dipl.-Ing. agr. Silke Weyberg<br />
Regionalreferentin Nord<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
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95
Verband<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Regionalgruppe Niederbayern<br />
Walter Danner geehrt<br />
Walter Danner (Mitte)<br />
erhielt die Silberne<br />
Ehrennadel des Fachverbandes<br />
Biogas e.V.<br />
Der 36. Niederbayerische Biogaspraxistag<br />
am 4. Juli endete diesmal nicht mit einem<br />
Fachvortrag. Es galt vielmehr einen großen<br />
Geist, Förderer und Ideengeber zu ehren.<br />
Robert Wagner hob in seiner Funktion als<br />
stellvertretender Regionalgruppensprecher in einem<br />
Rückblick die besonderen Verdienste des ehemaligen<br />
Regionalgruppensprechers Walter Danner für die Biogasbranche<br />
hervor.<br />
Im Namen des Fachverbandes Biogas e.V. verlieh Regionalreferent<br />
Markus Bäuml an Walter Danner die<br />
silberne Ehrennadel. Der<br />
Verband zeichnet damit<br />
Danners Engagement für<br />
die Biogasbranche, aber<br />
vor allem für die Regionalgruppe<br />
Niederbayern in<br />
besonderer Weise aus. Mit<br />
der Überreichung der Ehrennadel<br />
bedankt sich der<br />
Verband für Danners unermüdliches<br />
Einstehen und<br />
seinen Einsatz über all die<br />
Jahre von 2003 bis 2016.<br />
Schließlich sagt die Regionalgruppe<br />
ihm damit für<br />
seine positive Kritik, für<br />
seinen Ideenreichtum und<br />
seine Zukunftsvisionen.<br />
Walter Danner verstand<br />
es gemeinsam mit seinen<br />
Foto: Fachverband Biogas e.V.<br />
Mitstreitern nicht nur wichtige fachliche Themen zu<br />
vermitteln, sondern auch den Betreibern die Vorteile<br />
einer Teilhabe und Mitgliedschaft im Fachverband<br />
Biogas e.V. aufzuzeigen, und sie regelmäßig zu den<br />
Veranstaltungen zusammenzurufen. In seiner Zeit<br />
wuchs die Regionalgruppe von 41 auf über 250 Mitglieder<br />
an und erreichte mit rund 75 Prozent einen<br />
beachtlichen Organisationsgrad unter den BGA-Betreibern<br />
in der Region.<br />
Der Fachverband Biogas e.V. – und die Regionalgruppe<br />
Niederbayern im Besonderen – wünschen ihm auf<br />
seinem weiteren Weg alles erdenklich Gute! Walter<br />
Danner versicherte in seinem Schlusswort, dass er<br />
auch weiterhin der Branche treu bleibe, außerdem<br />
arbeite er bereits an der nächsten visionären Idee für<br />
eine positiven Fortentwicklung der Branche.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. agr. Markus Bäuml<br />
Regionalreferent Süd-Ost<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
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Grundmaschine leicht modifiziert, Annahme wurde ersetzt durch großen Überladebunker,<br />
Zum Überladen von Mais ab Feldrand mit sehr hoher Durchsatzleistung,<br />
auch für moderne Großhäcksler in Parallelbetrieb geeignet, „Fördern statt Schieben“<br />
– auch zur Fahrsilobeschickung von der Seite geeignet, Überladeweite bis<br />
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Kontakt: Hr. Schmidmeier, Telefon 0151/18066677<br />
96
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Verband<br />
Regionalgruppe Südwürttemberg<br />
Offen angehen: TA Luft und StörfallV<br />
Gut 20 Biogasanlagenbetreiber<br />
und Multiplikatoren waren<br />
der Einladung von Franz-<br />
Josef Schenk nach Laupheim<br />
gefolgt, um sich zu den Auflagen<br />
aus Störfall-Verordnung und Technischer<br />
Anleitung (TA) Luft zu informieren.<br />
Zu den Formaldehydgrenzwerten (FA) siehe<br />
Betreiberfaxe B_2016-10 und Biogas<br />
Journal, 1_2016. Ergänzend berichtete<br />
Manuel Maciejczyk, Geschäftsführer des<br />
Fachverbandes Biogas e.V. vom Nachweis<br />
über jährlich wiederkehrende Einzelmessungen.<br />
Der Emissionsminderungsbonus wird aktuell<br />
diskutiert (Höhe, Übergangsfristen,<br />
Überwachung), wobei die Behörden die<br />
BGA-Betreiber sehr skeptisch beobachten.<br />
Grund hierfür ist die „weite Auslegung der<br />
Messung“. Unangekündigte Überprüfungen<br />
per Messwagen sind vorgesehen. Aus<br />
der TA Luft wird NOx das nächste, wichtigere<br />
Thema sein, da hier Deutschland<br />
seine Ziele im Rahmen der EU-Richtlinien<br />
nicht erfüllt. Zur StörfallV und der damit<br />
verbundenen Pflicht zur andauernden<br />
Information der Öffentlichkeit bietet der<br />
Fachverband seinen korrekt eingestuften<br />
Mitgliedern den hierzu erforderlichen Service<br />
kostenlos an: auf einer neuen Website<br />
www.biogas-störfallverordnung.de<br />
Von der Schnellmotoren AG erläuterte<br />
Christian Wollin zur TA Luft zunächst innermotorische<br />
Veränderungen (Zylinderkopf,<br />
Kolben, Brennraum und Vorkammer)<br />
ohne SCR-Kat zu prüfen. Für den Gas-<br />
Otto-Motor kann der CO-Wert eingehalten<br />
werden, eine NOx-Absenkung durch Einstellung<br />
ist möglich, aber mit reduziertem<br />
Wirkungsgrad (oder Harnstoff) und erhöhtem<br />
Verbrauch verbunden, FA ist durch<br />
Oxikats hoher Qualität sicherzustellen und<br />
CHx muss innermotorisch gelingen. Vom<br />
Kat-Hersteller Air-Sonic berichtete Stefan<br />
Fröhlich über die seit 1993 gemachten Erfahrungen<br />
aus einem der federführenden<br />
Unternehmen für Abgasreinigungssysteme<br />
der Branche. Der Oxi-Kat besteht aus KS-<br />
Folie, Keramik und Platin. Ihn gibt es in<br />
verschiedenen Bauformen. Ein rascher Ersatz<br />
sei möglich. Temperaturbedingt müsse<br />
der Kat vor dem Abgaswärmetauscher<br />
angeordnet werden. Probleme bereiteten<br />
Ölschläge, nicht dagegen die Flexibilisierung.<br />
Die Alterung hänge ab von Temperatur,<br />
Vergiftung (zum Beispiel Schwefel,<br />
Phosphor, Silizium) und mechanischen<br />
Beeinträchtigungen.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. RU Otto Körner<br />
Regionalreferent Süd<br />
Gumppstr. 15 · 78199 Bräunlingen<br />
Tel. 07 71/18 59 98 44<br />
E-Mail: otto.koerner@biogas.org<br />
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mehrerer Doppelmembran-Gasspeicher<br />
auf gleichen oder vordefinierten<br />
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Verband<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Foto: Fachverband Biogas e.V.<br />
Biogas-Bus, Biogas-Pkw<br />
und Biogas-Traktor –<br />
Fahrzeuge die während<br />
des CNG-Fahrer-Tages<br />
auf dem Hof der Familie<br />
Vees große Anlaufpunkte<br />
waren.<br />
Regionalgruppe Nordwürttemberg/Nordbaden<br />
Statt Dieselgate: Biomethan-CNG<br />
Im Rahmen eines Tages der offenen Tür/Gläsernen<br />
Produktion stellten Juliane und Winfried Vees ihren<br />
Energiehof Weitenau der geladenen Bevölkerung<br />
und Prominenz in beeindruckender Art und Weise<br />
vor. Die hier eingesetzte Vielfalt der Möglichkeiten<br />
mit der Biogastechnologie überzeugte die zahlreichen<br />
Besucher. Mit Biogas sind Beiträge zur Energiewende<br />
möglich in „Vor-Ort-Verstromung“, „Wärmenutzung“<br />
und „Mobilität (Biomethan-Tankstelle)“. Den eindeutigen<br />
Schwerpunkt der Veranstaltung bildete dabei der<br />
CNG-Fahrertag mit der Biomethan-Tankstelle.<br />
Als besondere Gäste konnte Familie Vees die beiden<br />
parlamentarischer Staatssekretäre Hans-Joachim<br />
Fuchtel (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit)<br />
und Norbert Barthle (Bundesverkehrsministerium,<br />
beide CDU), Bürgermeister Armin Jöchle,<br />
Vorstand Birgit Maria Wöber vom CNG-Club e.V., und<br />
Hauptgeschäftsführer Dr. Claudius da Costa Gomez vom<br />
Fachverband Biogas e.V. begrüßen. Als Befürworter der<br />
Erdgas-Mobilität (CNG) hob Norbert Barthle die von<br />
der Bundesregierung verlängerte Steuerbefreiung für<br />
Erdgas betriebene Fahrzeuge bis 2024 (auslaufend bis<br />
2026?) als wichtige unterstützende Maßnahme hervor.<br />
Claudius da Costa Gomez sieht in der Mobilität mit Biogas/Biomethan<br />
die vordringliche Arbeit des Verbandes<br />
im Rahmen der Mobilitäts-Energiewende und forderte<br />
Politik und Industrie zum Handeln auf. Erdgasmobilität<br />
mit CNG ist unerlässlich als kurz- und mittelfristige<br />
Brückentechnologie zur Pkw-Mobilität über längere<br />
Distanzen und ihre „verflüssigte Schwester“ LNG bei<br />
Lkw, Schifffahrt und Flugverkehr auch dauerhaft für<br />
diese über Elektromobilität nicht abdeckbaren Mobilitätsarten.<br />
Die Kosten liegen hier bereits nahe an, und bei Einbeziehung<br />
externer (zum Beispiel CO 2<br />
) Kosten sogar unter<br />
den fossilen Kraftstoffen. Verschiedene Aussteller<br />
präsentierten um den BiogasBus des Fachverbandes<br />
Biogas herum Fahrzeuge der Erdgas-Mobilität, so auch<br />
die Firma New Holland mit einem erdgasbetriebenen<br />
Traktor. Hier deutet sich ein Wiederaufleben der Autarkie<br />
landwirtschaftlicher Mobilität über den Umweg<br />
Biomethan an: früher war es der Zugochse, das Pferd,<br />
die für Zugleistungen gefüttert wurden, heute eben der<br />
Schlepper.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. RU Otto Körner<br />
Regionalreferent Süd<br />
Gumppstr. 15 · 78199 Bräunlingen<br />
Tel. 07 71/18 59 98 44<br />
E-Mail: otto.koerner@biogas.org<br />
98
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Regionalgruppe Schwarzwald<br />
Verband<br />
Mischen – Fördern –<br />
Zerkleinern<br />
VHS erstmals Partner<br />
für Öffentlichkeitsarbeit<br />
Eine gelungene Premiere für die<br />
Vorstellung der flexibilsierten<br />
Biogasanlage (BGA) auf dem<br />
Palmhof von Philipp Ewald.<br />
Rund 30 interessierte Bürger<br />
von der Baar nahmen das Angebot dieser<br />
BGA-Führung an. Als Partner hatte Regionalgruppensprecher<br />
Otto Körner die<br />
Volkshochschule Baar gewinnen können,<br />
mit deren Hilfe eine hervorragende Multiplikation<br />
und Werbung in der Bevölkerung<br />
erreichbar ist.<br />
Die Einladung bezog sich auf das herausfordernd<br />
formulierte Thema „Unsere<br />
Energiewende gelingt (nur) mit Biogas!“.<br />
Denn Philipp Ewald hat seine Biogasanlage<br />
in der elektrischen Leistung fünffach<br />
überbaut, und das wollte die Regionalgruppe<br />
der Bevölkerung zeigen und<br />
erklären. Vorher griff jedoch Otto Körner<br />
zwei in der örtlichen Presse der letzten<br />
14 Tage hochgespielte Themen auf. Zum<br />
einen die steigende Trinkwasserbelastung<br />
mit Nitrat in einem Wasserschutzgebiet<br />
(WSG), in dem auch Philipp Ewald einer<br />
der Bewirtschafter ist.<br />
Und zweitens das bei manchen Zeitgenossen<br />
tief sitzende Thema Mais. Zur Nitratbelastung<br />
in diesem sogenannten Problemgebiet<br />
ist der Nitratgehalt seit 2001<br />
von 20 auf heute 30,5 Milligramm pro<br />
Liter (mg/l) angestiegen – vom EU-Grenzwert<br />
50 mg/l also noch deutlich entfernt.<br />
Die Vorinformationen aus dem Wasserund<br />
dem Landwirtschaftsamt ergaben,<br />
dass deshalb im Herbst mit den 20 bis 25<br />
Bewirtschaftern (außer Philipp Ewald) ein<br />
Gespräch über vorsorgende Maßnahmen<br />
geführt werden wird. Zum Mais war neben<br />
den grundlegenden Informationen ein<br />
quer denkender Ansatz interessant, der<br />
von Walter Maier, dem Leiter des Landwirtschaftsamtes<br />
im Schwarzwald-Baar-<br />
Kreis, kam: die seit 1991 durch Siedlungsentwicklung<br />
(Wohnen, Gewerbe,<br />
Verkehr, Rohstoffe usw.) im Landkreis der<br />
Landwirtschaft entzogene landwirtschaftliche<br />
Nutzfläche entspricht recht genau<br />
der heute für Biogas eingesetzten Maisanbaufläche<br />
– etwa 800 ha!<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. RU Otto Körner<br />
Regionalreferent Süd<br />
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Verband<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Bundestagsabgeordnete für Abschaffung<br />
der EEG-Umlage auf Eigenstrom<br />
Thorsten Kruse, Geschäftsführer<br />
der Biogasanlage Rosche<br />
(bigaro) und Betreibersprecher<br />
der Regionalgruppe<br />
Lüneburger Heide, konnte<br />
trotz Regen rund 200 Gäste<br />
beim Tag der offenen Tür<br />
der bigaro begrüßen. 45 Anteilseigner sind<br />
an der Gesellschaft, die einerseits flexibel<br />
Strom produziert und andererseits Gas direkt<br />
einspeist, beteiligt.<br />
Ein tolles Projekt für eine Diskussion mit<br />
Bundestagsabgeordneten im Rahmen der<br />
Sommertour des Bundesverbandes Erneuerbare<br />
Energie e.V. (BEE). Horst Seide, Präsident<br />
des Fachverbandes Biogas, machte<br />
deutlich, dass die Erneuerbaren insgesamt<br />
in der Lage sind, die Energieversorgung<br />
zu übernehmen, wenn denn die Rahmenbedingungen<br />
passen. Das sei im Moment<br />
nicht der Fall. Die Klimaschutzziele könnten<br />
mit der Politik auf dem Bremspedal<br />
nicht eingehalten werden. Steffen Föllner<br />
vom Bundesverband Windenergie e.V. sekundierte,<br />
dass es völlig unsinnig sei, Netzengpassgebiete<br />
zu definieren, in denen<br />
Regional<br />
büro<br />
NORD<br />
der Windkraftausbau<br />
gestoppt werde, aber<br />
gleichzeitig die konventionellen<br />
Energien<br />
am Netz blieben.<br />
Genug Stoff für die<br />
anschließende Diskussion<br />
mit den örtlichen<br />
Bundestagsabgeordenten,<br />
dem<br />
verteidigungspolitischen<br />
Sprecher der<br />
CDU, Henning Otte,<br />
der verkehrspolitischen<br />
Sprecherin der<br />
SPD, Kirsten Lühmann,<br />
und der energiepolitischen<br />
Sprecherin von Bündnis 90/<br />
Die Grünen, Julia Verlinden. Außerdem<br />
dabei Rainer Fabel, Landtagskandidat der<br />
FDP und selbst Biogasanlagenbetreiber,<br />
sowie Herbert Rätzmann, Samtgemeindebürgermeister<br />
von Rosche. Letzterer betonte<br />
die besondere Bedeutung der Erneuerbaren<br />
Energien für die Gemeinde. Hier erhielt<br />
er Unterstützung von allen Beteiligten.<br />
Von links: Kirsten Lühmann, Henning Otte, Herbert Rätzmann, Silke Weyberg,<br />
Julia Verlinden und Rainer Fabel.<br />
Die Einigkeit hörte bei der Bewertung des<br />
EEG auf. Während Kirsten Lühmann sagte,<br />
das aktuelle EEG würde die richtigen Rahmenbedingungen<br />
setzen, sprach Verlinden<br />
vom Ausbremsen der Erneuerbaren. Einig<br />
war sie sich aber gemeinsam mit Lühmann,<br />
dass der Maisdeckel richtig sei. Dem wiedersprach<br />
Henning Otte, der sich gegen die<br />
Bevormundung des ländlichen Raums und<br />
der Landwirtschaft wehrte. Thorsten Kruse<br />
unterstrich, dass der Maisanbau im Landkreis<br />
Uelzen vor den Biogasanlagen bei<br />
rund 16 Prozent Anteil in der Fruchtfolge<br />
lag und jetzt bei 17 Prozent ohne Maisdeckel.<br />
Auch Rainer Fabel sprach sich gegen<br />
unsinnige Bevormundungen aus.<br />
Beim Thema Probleme der Umsetzung der<br />
Sektorkopplung wurde schnell klar, dass<br />
die EEG-Umlage auf Eigenstrom ein großes<br />
Problem ist. Die Vertreter aller anwesenden<br />
Parteien sprachen sich daher für<br />
die Abschaffung dieser Umlage aus. Auch<br />
die CO 2<br />
-Bepreisung, wie vom BEE gefordert,<br />
fand den einmütigen Zuspruch des<br />
Podiums.<br />
Fotos: Fachverband Biogas e.V.<br />
Hausbesitzer mit Wärmeschildern ausgezeichnet<br />
Beim Tag der offenen Tür der Biogasanlage Rosche<br />
(bigaro) stellte Geschäftsführer Thorsten<br />
Kruse die Wärmeversorgung durch die Anlage<br />
in den Mittelpunkt. Die Wärmeabnehmer wurden<br />
mit einem Wärmeschild des Fachverbandes<br />
ausgezeichnet. So kann jeder sehen, dass das<br />
Haus mit umweltfreundlicher, regional erzeugter<br />
Wärme versorgt wird. Auch der örtliche Landtagsabgeordnete<br />
Jörg Hillmer gratulierte zu dem<br />
Projekt.<br />
Autorin<br />
Dipl.-Ing. agr. Silke Weyberg<br />
Regionalreferentin Nord<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
Ostring 6 · 31249 Hohenhameln<br />
Tel. 0 51 28/33 35 510<br />
E-Mail: silke.weyberg@biogas.org<br />
100
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Verband<br />
Fachverband zeichnet Nahwärmeprojekt<br />
in Hermeskeil aus<br />
Wie ein Nahwärmenetz erfolgreich<br />
die Umwelt schont<br />
und gleichzeitig wirtschaftlich<br />
betrieben werden kann, verdeutlicht<br />
die Versorgergemeinschaft<br />
„Energiepartner Hermeskeil“<br />
seit rund drei Jahren.<br />
Dort liefert eine örtliche Biogasanlage kontinuierlich<br />
klimafreundliche Wärme und versorgt<br />
öffentliche Gebäude wie die Integrierte<br />
Gesamtschule, das Frei- und Hallenbad,<br />
die Grundschule, das Rathaus sowie das<br />
Evangelische Gemeindezentrum. Dieses<br />
nachhaltige Konzept hat der Fachverband<br />
Biogas e.V. am 8. August ausgezeichnet.<br />
Während einer kleinen Feierstunde enthüllten<br />
die Gesellschafter im Beisein von Landrat<br />
Günther Schartz ein Biogas-Wärmeschild<br />
am Frei- und Hallenbad in Hermeskeil, das<br />
den Badegästen von nun an die ökologischen<br />
und ökonomischen Vorteile der Biogaserzeugung<br />
erläutert. „Das klimaschonende<br />
Nahwärmenetz der Energiepartner Hermeskeil<br />
ist ein zukunftsweisendes Projekt mit<br />
Modellcharakter, das die Energiewende vor<br />
Ort erfolgreich voranbringt“, erklärte Landrat<br />
Günther Schartz und ergänzte: „Dieses<br />
sinnvolle Konzept vermindert die Heizkosten<br />
in öffentlichen Gebäuden und verbessert<br />
gleichzeitig die Öko-Bilanz.“<br />
Regional<br />
büro<br />
West<br />
Ulrich Drochner, Regionalreferent<br />
West des Fachverbandes<br />
Biogas, erklärte:<br />
„Biogas produziert neben<br />
Strom auch Wärme, mit der<br />
Gebäude umweltfreundlich<br />
beheizt werden können. Dadurch<br />
leistet dieser regenerative<br />
Energieträger wie hier<br />
in Hermeskeil einen wichtigen<br />
Beitrag zur Umstellung<br />
der Energieversorgung auf<br />
Erneuerbare Energien. Deswegen<br />
war es uns wichtig,<br />
diese gelungene lokale Umsetzung<br />
der Energiewende<br />
auszuzeichnen.“<br />
Die Gesellschaft der Energiepartner Hermeskeil<br />
ist ein gemeinsames Unternehmen<br />
der Verbandsgemeinde Hermeskeil, des<br />
Landkreises Trier-Saarburg, der Eiden Agro<br />
GmbH als Betreiber der Biogasanlage in<br />
Hermeskeil und von innogy. Das Nahwärmenetz<br />
in Hermeskeil erstreckt sich dabei<br />
über eine Gesamtlänge von rund 1,5 Kilometern.<br />
Die Wärme zur Versorgung von<br />
öffentlichen Gebäuden wird vollständig<br />
dezentral aus regenerativen Energieträgern<br />
erzeugt: Für die Grundlastversorgung<br />
wird die umweltschonende Abwärme aus<br />
Foto: LBV Sachsen-Anhalt<br />
Bei der Übergabe des Wärmeschildes dabei, von links: Ulrich Drochner,<br />
Regionalreferent West des Fachverbandes Biogas e.V., Michael Hülpes,<br />
Bürgermeister der Verbandsgemeinde Hermeskeil, Biogasanlagenbetreiber<br />
Markus Eiden, Michael Arens vom Unternehmen innogy sowie<br />
Günther Schartz.<br />
der Biogas-BHKW-Anlage der Eiden Agro<br />
GmbH in Hermeskeil genutzt. In den kalten<br />
Wintermonaten stützt ein Biomassekessel<br />
am Standort der Integrierten Gesamtschule<br />
Hermeskeil die Wärmeversorgung.<br />
Autoren<br />
David Kryszons<br />
innogy SE<br />
Rebekka Schlicker<br />
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Verband<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Regional<br />
büro<br />
ost<br />
Eindrucksvolle Leistungsschau an den<br />
Tagen des offenen Hofes<br />
Traditionell laden viele Agrarbetriebe Anfang<br />
Juni die Bevölkerung aus dem Umfeld zur Besichtigung<br />
ihrer Betriebe ein. Die Besucher<br />
kommen dann nicht nur, um die Möglichkeit<br />
zu nutzen, mit den Beschäftigten ins Gespräch<br />
zu kommen, Fragen zu stellen und sich direkt<br />
vor Ort informieren zu können.<br />
Zu den landeszentralen Veranstaltungen des Tages<br />
des offenen Hofes in der Agrargesellschaft Prießnitz<br />
in Sachsen-Anhalt am 10. Juni und am 17. Juni in<br />
Tag des offenen Hofes in der Agrargesellschaft Prießnitz in Sachsen-Anhalt am 10. Juni.<br />
Der Fachverband Biogas e.V. war mit seinem Biogas-Infobus dabei.<br />
Foto: LBV Sachsen-Anhalt<br />
der Agrargesellschaft Pfiffelbach in Thüringen hatten<br />
wir als Fachverband Biogas e.V. die Gelegenheit, uns<br />
hier als Partner der Landwirtschaft zu präsentieren. Der<br />
Biogas-Infobus mit seinen vielen Angeboten „drumherum“<br />
war immer gut besucht.<br />
Nach Prießnitz kamen schätzungsweise 6.500 Besucher.<br />
Der Betrieb organisierte gemeinsam mit EDEKA<br />
und dem MDR ein informatives und unterhaltsames<br />
Bühnenprogramm. Flurfahrten, eine umfangreiche<br />
Technikpräsentation und eine Tierausstellung boten die<br />
Gelegenheit, eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit der<br />
Landwirtschaft zu demonstrieren. Als besonderer Gast<br />
konnte der Ministerpräsident des Landes, Dr. Reiner<br />
Haseloff, begrüßt werden.<br />
In Pfiffelbach stand das Betriebsfest unter dem Motto<br />
„Gemeinsam mit der Region – gemeinsam für die<br />
Region“. Die Verantwortlichen des Betriebes sahen das<br />
immense Interesse der Bevölkerung sowie die positive<br />
Resonanz als große Anerkennung der täglichen Arbeit<br />
der Mitarbeiter der Agrargesellschaft an. Daraus lässt<br />
sich sehr viel Motivation für die zukünftigen Herausforderungen<br />
schöpfen. Auch in der Agrargesellschaft<br />
Pfiffelbach nutzten die bis zu 5.000 Besucher die Flurfahrten,<br />
Betriebsführungen auch zur Biogasanlage, die<br />
imposanten Technikvorführungen von Alt bis Neu, die<br />
Betriebsbesichtigungen vom 50 Meter hohen Kran aus<br />
und die vielen Informationsstände für den Dialog mit<br />
den Mitarbeitern des Betriebes. Und der Biogas-Infobus<br />
des Fachverbandes trug mit zum Erfolg des Festes bei,<br />
dem besten aller Zeiten, so die allgemeine Meinung.<br />
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Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Verband<br />
Pressefahrt – „Bioenergie: Wirtschaftsund<br />
Klimafaktor in Thüringen“<br />
Das Thüringer Erneuerbare Energien Netzwerk (ThEEN)<br />
e.V. und der Fachverband Biogas e.V. hatten zu einer<br />
Pressefahrt am 10. August eingeladen. Erfreulich gut<br />
war das Medieninteresse. Regionale Thüringer Pressevertreter<br />
und überregionale Journalisten nahmen teil.<br />
Ein Kamera- und Reporterteam des MDR begleitete von<br />
Beginn an die Pressefahrt bis zu ihrem Ende.<br />
Erste Anfahrstation war die Biogasanlage der GraNott<br />
Gas GmbH in Grabsleben, die bei einem Betriebsrundgang<br />
von Geschäftsführer Thomas Balling vorgestellt<br />
wurde. Die 2010 in Betrieb genommene Einspeiseanlage<br />
(625 kW installiert, 350 Nm³ Biomethan) wird ab<br />
diesem Jahr zusätzlich Stroh vergären. Das stieß auf das<br />
besonderes Interesse der Teilnehmer, die sehr angetan<br />
waren von den praktischen Erklärungen hinsichtlich<br />
Technikeinsatz und Technologie zu diesem innovativen<br />
Verfahren, das deutlich spürbar den bisherigen Maiseinsatz<br />
in Grabsleben reduzieren wird.<br />
Passend wurde eine Woche vor dem Termin der Pressefahrt<br />
der erste Spatenstich für die Erweiterung der<br />
Anlage auf 1.437 kW und 700 Nm³ vollzogen. Die Fahrt<br />
wurde fortgesetzt zur Biogasanlage der Naturenergie<br />
Gotha GmbH in Sundhausen. Die 500-kW-NawaRo-<br />
Anlage wird mit Maissilage, Triticale-GPS, Hühnertrockenkot<br />
und Pferdemist betrieben. In der noch jungen<br />
Anlage (Inbetriebnahme 2014 nach EEG 2012) wird<br />
neben der aktuellen Teilnahme an der Direktvermarktung<br />
nach weiteren Möglichkeiten zur Verbesserung der<br />
Wirtschaftlichkeit gesucht.<br />
Die vom Geschäftsführer der Biogasanlage, Matthias<br />
Kley, sehr anschaulich demonstrierten Ideen zur<br />
effektiven Wärmenutzung wurden von Udo Weingart,<br />
Vertriebsleiter bei den Stadtwerken Gotha, unterstützt,<br />
der durchaus Möglichkeiten sieht, die Biogaswärme aus<br />
Foto: Fachverband Biogas e.V.<br />
Sundhausen in das Wärmenetz der Stadtwerke einfließen<br />
zu lassen. Also nicht „nur“ die Beheizung des nahegelegenen<br />
Krankenhauses der Stadt Gotha oder der Aufbau<br />
einer Fischzuchtanlage stehen in der Diskussion.<br />
Der Besuch der dritten und letzten Station in der Agrargenossenschaft<br />
Goldbach begann mit einer von Jana<br />
Liebe moderierten Pressekonferenz am Betriebssitz in<br />
Warza. Der Geschäftsführer, Heiko Giese, stellte sein<br />
Unternehmen im liebevoll vorbereiteten „Traditionskabinett“<br />
vor. Schwerpunkt seiner Ausführungen waren<br />
dabei auch die Vorstellungen, wie ein insgesamt sehr<br />
gut aufgestellter Agrarbetrieb mit Milchproduktion und<br />
Biogasanlage die ständig neuen Herausforderungen,<br />
die das EEG, die Düngeverordnung, die AwSV und die<br />
Sicherheitsanforderungen an die Betreiber stellen, bewerkstelligen<br />
kann.<br />
Herzlichen Dank an alle Teilnehmer und die Organisatoren,<br />
die zum guten Gelingen der Thüringer Bioenergie-<br />
Pressefahrt beigetragen haben.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. agr. Volker Schulze<br />
Regionalreferent Ost<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
Pressefahrt des<br />
Thüringer Erneuerbare<br />
Energien Netzwerks<br />
(ThEEN) e.V. und des<br />
Fachverbandes Biogas<br />
e.V. am 10. August.<br />
Unter anderem wurde<br />
die Biogasanlage<br />
Sundhausen besichtigt.<br />
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103
Verband<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
2. Silphieblütenfest war wie ein Volksfest<br />
Regional<br />
büro<br />
süd<br />
Der Energiepark Hahnennest<br />
(EPH) feierte das zweite Silphieblütenfest<br />
am Sonntag,<br />
den 13. August von 10.30<br />
Uhr bis 18.00 Uhr. Der Fachverband<br />
Biogas e.V. war mit<br />
dem BIOGAS-BUS vor Ort und informierte<br />
über Biogas. Die Fachverbands-Truppe<br />
hatte jede Menge zu tun und absolvierte<br />
den Tag mit großer Bravour. Geduldig und<br />
freundlich wurden die zahlreichen Besucher<br />
am Bus empfangen. Viele Fragen<br />
mussten beantwortet werden.<br />
Das Silphieblütenfest entwickelt sich zu einem<br />
regionalen Volksfest. Und den BiogasBus finden<br />
Jung und Alt ganz toll.<br />
Politik zum Anfassen: Minister Peter Hauck und MdB<br />
Andreas Jung auf dem Betrieb von Markus Traber.<br />
Die Kinder vergnügten sich am Glücksrad,<br />
Maltisch oder mit den Hopps-Kühen.<br />
Interesse weckten auch die Modell-Biogasanlage<br />
oder die Biogas-Filme mit dem<br />
Foto: Otto Körner<br />
Foto: Doris Eichhorn<br />
Hackl-Schorsch. Das war bisher einer der<br />
bedeutendsten Termine für Team und BiogasBus<br />
überhaupt gemessen an Resonanz<br />
und interessierten Gästen.<br />
Die Besucherzahlen wurden von der Presse<br />
auf etwa 7.000 bis 8.000 geschätzt, die<br />
durch zahlreiche Attraktionen zum Energiepark<br />
gelockt wurden. Das begann am<br />
Freitag mit der Silphie-Partynacht mit DJ<br />
und Wahl der ersten Silphieblüten-Königin.<br />
Am Sonntag konnten die Besucher mit der<br />
Museumsbahn statt mit dem Auto anreisen<br />
und direkt am EPH aussteigen. Auf dem<br />
weitläufigen Gelände fanden der Handwerker-<br />
und Künstlermarkt mit 38 Ständen,<br />
die Oldtimertraktoren und regional erzeugte<br />
Produkte sowie der Bienenstand, der<br />
auch Kurzlehrgänge anbot, große Resonanz<br />
bei den Erwachsenen.<br />
Zum EPH selbst gab es Fachinformationen.<br />
Den Schwerpunkt bildeten Kurzvorträge zur<br />
Durchwachsenen Silphie, zu ihrem Anbau,<br />
ihren Vorzügen für die Biogasnutzung und<br />
der CO 2<br />
-Speicherung als Geschäftsmodell.<br />
Der von den vier Hahnenester Landwirten<br />
geplante 1.000-Kuh-Stall sorgte für große<br />
Neugier und hohen Informationsbedarf.<br />
Nicht zu vergessen die allerdings nur mäßig<br />
frequentierte Landmaschinenausstellung.<br />
Die Kinder waren begeistert von Hüpfburg<br />
und High-Jumping-Trampolinen. Und<br />
beim Silphie-Rätsel konnten tolle Preise<br />
gewonnen werden, darunter etliche Kinder-<br />
Traktoren. Kurzum: Die Silphie war in aller<br />
Munde und sorgte für beste Stimmung auf<br />
dem Volksfest.<br />
Silphie: Anbauzahlen <strong>2017</strong><br />
Nach Durchführung der Aussaat <strong>2017</strong><br />
stehen die aktuellen Zahlen des Energieparks<br />
Hahnennest beziehungsweise des<br />
Donau-Silphie-Projektes der Metzler &<br />
Brodmann KG fest. Für <strong>2017</strong> wurden etwas<br />
über 1.100 Hektar (ha) im neuartigen Verfahren<br />
der Kombinationsaussaat Mais als<br />
Deckfrucht mit Durchwachsener Silphie als<br />
Untersaat bestellt. Damit ergibt sich eine<br />
Gesamtaussaatfläche nach 80 ha in 2015<br />
und 480 ha in 2016 von aktuell 1.700 ha<br />
bundesweit.<br />
Eine beeindruckende Leistung für diese<br />
neue, umwelt- und bienenfreundliche<br />
Kultur auf dem Acker. Denn die Metzler &<br />
Brodmann KG setzt auf eigene Aussaat und<br />
Betreuung während der ersten fünf Jahre<br />
für Kunden in ganz Deutschland – eine logistische<br />
Herausforderung für ein Start-up-<br />
Unternehmen aus dem Süden der Republik,<br />
da die Aussaat nicht digital, sondern<br />
mit Maschinen-Hardware durchgeführt<br />
werden muss.<br />
Polit-Talk mit Minister Peter Hauk<br />
und MdB Andreas Jung<br />
Auf Einladung des Bundestagsabgeordneten<br />
Andreas Jung trafen sich etwa 50<br />
Interessierte auf dem Milchvieh- und Biogasbetrieb<br />
von Markus Traber in Mühligen-<br />
Hecheln. Besonderer Gast war der Minister<br />
für den Ländlichen Raum, Peter Hauk, der<br />
zu vielen Fragen – unter anderem von der<br />
ungenügenden Förderung des „Lernortes<br />
Bauernhof“ über die bei rückläufigen Schülerzahlen<br />
unklaren Perspektiven der Landwirtschaftschulen<br />
in Baden-Württemberg<br />
bis zur neuen Düngeverordnung – Rede und<br />
Antwort stehen musste.<br />
Aus Biogassicht stehen sowohl Jung als<br />
auch Hauk für einen Ausstieg aus der<br />
Braun- und Steinkohle in der kommenden<br />
Legislaturperiode – das sei nach den bundespolitischen<br />
Energie- und Klimaschutzzielen<br />
zwingend. Und sie unterstützen das<br />
Nachjustieren des Ausschreibungsrahmens,<br />
damit<br />
1. kleinere Biogasanlagen (z. B. 100 bis<br />
300 kW el<br />
) eine Chance erhalten und<br />
2. besonders umweltfreundliche Substrate<br />
berücksichtigt werden.<br />
Auch der Umstieg jetzt bestehender Kleinstanlagen<br />
zum Beispiel unter 100 kWel in<br />
eine 75-kW el<br />
-Klasse ohne Rückbau und<br />
Wiederneubau stieß auf positive Resonanz.<br />
Eine weitere intensive Abstimmung auf<br />
Landes- und Bundesebene wurde vereinbart<br />
mit Blick auf die im Oktober anstehenden<br />
Koalitionsvereinbarungen.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. RU Otto Körner<br />
Regionalreferent Süd<br />
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104
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
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Verband<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Direktvermarktung<br />
Strommärkte 2016 mit unbefriedigenden<br />
Preissignalen – <strong>2017</strong> mit positiver Tendenz<br />
Im Frühsommer <strong>2017</strong> fand sowohl ein<br />
Austausch der Betreiberexpertengruppe<br />
Direktvermarktung (12 Betreiber<br />
aus ganz Deutschland) als auch des<br />
Arbeitskreises Direktvermarktung (7<br />
Vermarkter von Biogasstrom) statt. Einer<br />
der Diskussionspunkte in beiden Gremien<br />
des Fachverbandes Biogas e.V. war die<br />
Marktlage bei der Direktvermarktung von<br />
Strom.<br />
Die Betreiber konnten anhand eigener Erfahrungen<br />
in der Direktvermarktung und<br />
des Einblicks in größere Betreiberpools<br />
berichten, dass im Jahr 2016 Mehrerlöse<br />
für den Betreiber zwischen 0,3 und<br />
0,8 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) die<br />
Regel waren. Dabei ist die sogenannte<br />
Managementprämie bereits eingepreist.<br />
Im Vergleich zu den zurückliegenden Jahren<br />
ist dies eine vergleichsweise niedrige<br />
und damit unbefriedigende Erlösspanne.<br />
Hauptursache für den Einbruch sind die<br />
sinkenden Erlöse auf den Regelenergiemärkten<br />
aufgrund der steigenden Anzahl<br />
von Anbietern und damit des Angebots von<br />
Regelenergie – dazu zählt auch die Biogasbranche,<br />
die somit in gewisser Weise Opfer<br />
ihres eigenen Erfolgs geworden ist.<br />
Ein Großteil der Betreiber agierte 2016 auf<br />
dem Regelenergiemarkt und war somit von<br />
der negativen Entwicklung direkt betroffen.<br />
Lukrativ war in diesem Segment vor allem<br />
das Anbieten von positiver Regelenergie,<br />
was jedoch auch mit steigenden Anforderungen<br />
an die Technik der Anlage und die<br />
Organisation des Betreibers einhergeht.<br />
Dies gilt in gleicher Weise für den erlösoptimierten<br />
Einsatz der Anlagen auf der Grundlage<br />
täglicher und untertägiger Einsatzfahrpläne<br />
(„Fahrplanfahrweise“). Je nach<br />
Umfang der Mengen, deren Erzeugung von<br />
billigen in teure Stunden verlagert werden<br />
konnte, waren hier in der Regel ähnliche<br />
Erlöse wie oben geschildert möglich.<br />
Flexible Anlagenkonzepte mit<br />
guten Aussichten<br />
Die Strombörse kann aber auch schnell<br />
sehr deutliche Preissignale senden, wie im<br />
kalten Januar <strong>2017</strong> geschehen. Aufgrund<br />
von Problemen bei den Atomkraftwerken<br />
in Frankreich kam es zu einer temporären<br />
Verknappung der Stromerzeugung, die<br />
umgehend zu Preisausschlägen an den<br />
Strommärkten geführt hat. Waren in diesem<br />
Zeitraum Anlagen flexibel genug, in<br />
ihrer Fahrweise auf diese kurzfristigen Bewegungen<br />
zu reagieren, waren ansehnliche<br />
Mehrerlöse – deutlich über der vorgenannten<br />
Spannbreite – möglich.<br />
Die Vermarkter betonten, dass die technische<br />
Flexibilität der Einzelanlage grundsätzlich<br />
der größte Einflussfaktor dafür ist,<br />
welche Mehrerlöse möglich sind. Je flexibler<br />
eine Anlage ist, desto mehr kann an<br />
den Strommärkten verdient werden. Häufig<br />
führen technische Einschränkungen<br />
und unsichere Datenlagen jedoch dazu,<br />
dass der Vermarkter auch aus flexiblen<br />
Anlagen nicht das Optimum herausholen<br />
kann. Insbesondere die unsichere Anzeige<br />
des Gasspeicherfüllstandes ist hier ein begrenzender<br />
Faktor.<br />
Die Betreiber aus der Expertengruppe sehen<br />
sich hier durchaus in der Pflicht. Mehrerlöse<br />
ließen sich zukünftig nur erwirtschaften,<br />
wenn tatsächlich Flexibilität bereitgestellt<br />
werde. Aus diesem Grund der dringende<br />
Appell beider Gremien an die Branche, die<br />
Flexibilisierung technisch und organisatorisch<br />
so umzusetzen, dass die Anlagen<br />
flexibel betrieben werden können und einen<br />
Mehrwert für die Energieversorgung<br />
bringen. Dazu gehören die Ausstattung mit<br />
ausreichend Gasspeicherkapazität inklusive<br />
passender Gasstrecke, eine darauf ausgelegte<br />
Verstromung inklusive Einspeisung<br />
und eine Anpassung der Anlagensteuerung<br />
an das flexible Fahrregime.<br />
Nicht vergessen werden darf dabei die Absicherung<br />
der Wärmeversorgung im Flexbetrieb.<br />
Schlussendlich muss auch der<br />
Betreiber organisatorisch bereit dafür sein,<br />
seine Anlage flexibel fahren zu lassen. Hier<br />
ist der Austausch mit dem Vermarkter<br />
wichtig, um die Vermarktung Schritt für<br />
Schritt weiterzuentwickeln.<br />
Betreiber als auch Vermarkter wünschen<br />
sich, dass die Rahmenbedingungen der<br />
verschiedenen Strommärkte besser aufeinander<br />
abgestimmt werden. So war es durch<br />
die aktuell wochenweise Ausschreibung<br />
der Regelenergie einem Betreiber nicht<br />
möglich, auf kurzfristige Ereignisse – wie<br />
die Probleme in Frankreich – zu reagieren.<br />
Ab Sommer 2018 wird die Ausschreibung<br />
der Regelenergie auf einen täglichen Turnus<br />
umgestellt und somit die Kombination<br />
von Regelenergie und Fahrplanfahrweise<br />
erleichtert. Gleichzeitig öffnet sich damit<br />
der Regelenergiemarkt für weitere Teilnehmer,<br />
sodass in diesem Bereich die Preise<br />
eher sinken werden.<br />
Flexibilisieren macht Sinn!<br />
Geht die Branche den eingeschlagenen<br />
Weg hin zur bedarfsgerechten Stromerzeugung<br />
weiter, sind sowohl Betreiber als<br />
auch Vermarkter hinsichtlich der Zukunft<br />
trotzdem optimistisch: „Flexibilisieren<br />
macht Sinn!“ so der Tenor. Nicht nur für<br />
die Anschlussregelung im EEG <strong>2017</strong>,<br />
sondern vielmehr als Grundlage jeglicher<br />
Mehrerlöse in der näheren und ferneren<br />
Zukunft. Wenn die Politik den Ausstieg aus<br />
der Atom- und Kohleenergie in den Zwanzigerjahren<br />
konsequent umsetzt, wird es<br />
häufiger Situationen wie im Januar <strong>2017</strong><br />
geben und die Stromvermarktung lukrativer<br />
werden.<br />
Aber auch kurzfristig zeigt die Marktentwicklung<br />
nicht unwesentliche Potenziale.<br />
Das wachsende Windenergievolumen, das<br />
nach wie vor schwer zu prognostizieren<br />
ist, führt immer wieder zu Preissignalen,<br />
die ein flexibles Erzeugungsverhalten jetzt<br />
schon belohnen. Wichtig ist, dass die Branche<br />
konsequent und noch stärker als bisher<br />
den Umstieg auf eine bedarfsgerechte<br />
Erzeugung vollzieht.<br />
Autor<br />
Dr. Stefan Rauh<br />
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107
Verband<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Nationale CO 2<br />
-Bepreisung<br />
nicht von Nachteil<br />
Gastbeitrag von Dr. Peter Röttgen, Geschäftsführer des<br />
Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. (BEE)<br />
Die Klimaerwärmung unter 2<br />
Grad zu halten, ist ein Wettlauf<br />
mit der Zeit. Und es sieht derzeit<br />
so aus, dass die Klimaziele der<br />
Bundesregierung für 2020 nicht<br />
erreicht werden. Offenkundig besteht zu wenig<br />
Anreiz, die notwendige Minderung der<br />
Emissionen durch technologische Innovation<br />
voranzutreiben. Dabei geht es insbesondere<br />
darum, Erneuerbare Energien besser zu<br />
integrieren, was inzwischen sehr engagiert<br />
unter dem Stichwort Sektorenkopplung diskutiert<br />
wird. Damit es nicht allein bei einer<br />
technokratischen Wortschöpfung bleibt,<br />
müssen in der nächsten Legislaturperiode<br />
neue Rahmenbedingungen für eine moderne<br />
Energiewirtschaft gesetzt werden.<br />
Es darf nicht länger voneinander isoliert<br />
organisierte Welten für Strom, Gas und<br />
Wärme geben. Vielmehr ist der Begriff<br />
Energie in den Vordergrund zu stellen,<br />
deren Erzeugung, geografischer als auch<br />
zeitlicher Transport und Verbrauch in einer<br />
möglichst einheitlichen Abgaben-, Umlagen-<br />
und Steuersystematik darzustellen<br />
ist. Zielsetzung ist dabei, dass Energie den<br />
technisch-wirtschaftlich optimalen Weg<br />
zum Verbrauch nimmt, der in unterschiedlichster<br />
Form in Haushalten, Industrie und<br />
Mobilität erfolgt.<br />
Dem stehen heute noch zahlreiche formale<br />
Barrieren gegenüber, sodass beispielsweise<br />
eine Nutzung von Erneuerbarem Strom im<br />
Fernwärmebereich oder die Umwandlung<br />
in Wasserstoff, der beispielsweise die Effizienz<br />
von Biogasanlagen steigern kann, wirtschaftlich<br />
noch nicht hinreichend attraktiv<br />
ist. Wenn zudem Erneuerbare Energie im<br />
Wettbewerb stehen soll, bedarf es fairer<br />
Rahmenbedingungen, die insbesondere<br />
den Charakter der Emissionsfreiheit auch<br />
honorieren.<br />
Der Bundesverband Erneuerbare Energie<br />
(BEE) schlägt deshalb eine CO 2<br />
-Bepreisung<br />
vor. Damit wäre ein grundsätzliches Instrument<br />
mit Lenkungswirkung zu emissionsarmer<br />
Erzeugung gegeben und in diesem<br />
Rahmen auch Technologieoffenheit sichergestellt.<br />
Ansonsten ist die weitere Akzeptanz<br />
der Erzeugung mit kostenloser CO 2<br />
-<br />
Emission bzw. deren Vergesellschaftung<br />
und gleichzeitige Forderung konkurrenzfähiger<br />
Erneuerbarer Energie widersinnig.<br />
Mit der Studie „Wirkungsweise einer CO 2<br />
-<br />
Steuer im Strommarkt“ von Energy Brainpool,<br />
die der BEE beauftragt hat, gibt es<br />
nun eine erste Vorstellung, wie das für den<br />
Bereich Strom in Deutschland aussehen<br />
könnte. Der Emissionshandel auf europäischer<br />
Ebene alleine reicht hier nicht aus,<br />
da er infolge des geringen Preisniveaus in<br />
Deutschland nicht die erforderliche technologische<br />
Veränderung zur Emissionsminderung<br />
bewirkt.<br />
Eine aufsattelnde, nationale CO 2<br />
-Bepreisung<br />
ist gleichsam nicht von Nachteil, denn<br />
einerseits sollen für die Stromkunden keine<br />
Kosten entstehen, da die schon vorhandene<br />
Stromsteuer durch die CO 2<br />
-Steuer ersetzt<br />
werden kann und weil andererseits im<br />
großen Rahmen der Sektorenkopplung der<br />
überfällige Innovationsschub ermöglicht<br />
wird, was eine wirtschaftliche Entwicklung<br />
und nicht zuletzt neue Arbeitsplätze bedingt.<br />
Eine Kombination mit europäischen<br />
Klimaschutzinstrumenten ist möglich.<br />
Das heißt, die CO 2<br />
-Bepreisung im Strombereich<br />
sollte aus zwei Komponenten bestehen:<br />
dem bestehenden EU ETS und der<br />
CO 2<br />
-Steuer. Im Jahr 2020 sollen Emissionen<br />
mit etwa 25 Euro pro Tonne CO 2<br />
bepreist<br />
werden, was bei einem Zertifikatspreis<br />
von 5 Euro pro Tonne CO 2<br />
einen festen<br />
Steueraufschlag von 20 Euro pro Tonne<br />
CO 2<br />
bedeutet. Bei negativen Strompreisen<br />
sieht der Vorschlag eine vollständige Internalisierung<br />
der Kohlendioxidkosten vor. Die<br />
Berechnungen ergeben, dass ein nationaler<br />
CO 2<br />
-Preis die Kohleverstromung reduziert.<br />
Die Einspeisung aus Gaskraftwerken bleibt<br />
hingegen stabil.<br />
Die Berechnungen von Energy Brainpool<br />
zeigen, dass bereits ein CO 2<br />
-Preis von insgesamt<br />
25 Euro pro Tonne die Emissionen im<br />
Stromsektor im Jahr 2020 um ein Drittel reduziert.<br />
Zudem wird bereits mit 25 Euro pro<br />
Tonne CO 2<br />
die Hälfte der Klimaschutzwirkung<br />
eines CO 2<br />
-Preises von 80 Euro pro<br />
Tonne erreicht. Gleichzeitig werden die<br />
Börsenstrompreise stabilisiert und damit<br />
die EEG-Umlage sowie die Förderkosten reduziert.<br />
Die EEG-Umlage könnte zusätzlich<br />
durch den Vorschlag des BEE, die Industrieprivilegien<br />
in den Bundeshaushalt zu<br />
verlagern, um 1,5 Cent pro Kilowattstunde<br />
gesenkt werden.<br />
Darüber hinaus steigen die Marktwerte am<br />
Strommarkt für Erneuerbare Energien durch<br />
einen angemessenen Preis für CO 2<br />
-Emissionen.<br />
Für Biomasse ergeben sich bei einer<br />
CO 2<br />
-Steuer von 20 Euro pro CO 2<br />
-Tonne im<br />
Jahr 2020 Vermarktungswerte in Höhe von<br />
34 Euro pro Megawattstunde für Anlagen,<br />
die mit einer hohen Volllaststundenzahl gefahren<br />
werden. Für flexible Biomasseanlagen<br />
steigt der Marktwert sogar auf 40 Euro<br />
pro Megawattstunde.<br />
Aufgrund der engen Verflechtung der europäischen<br />
Strommärkte führt grundsätzlich<br />
jede Form einer nationalen CO2-Bepreisung<br />
zur teilweisen Verlagerung von Emissionen<br />
ins Ausland und zu Stromimporten. Für alle<br />
in der Studie untersuchten Steuersätze ergibt<br />
sich jedoch sowohl auf nationaler als<br />
auch auf europäischer Ebene eine Emissionsreduktion.<br />
Zudem würden Stromimporte<br />
infolge einer nationalen CO 2<br />
-Steuer mit einem<br />
stärkeren Ausbau Erneuerbarer Energien<br />
vermindert.<br />
Dabei wird Deutschland international als<br />
Vorreiter in der Energiewende wahrgenommen<br />
und intensiv beobachtet. Lösungen,<br />
die hierzulande gut funktionieren, können<br />
als Blaupause für andere Staaten dienen.<br />
Es ist deshalb umso wichtiger, die Energiewirtschaft<br />
konstruktiv weiterzuentwickeln<br />
und nach vorne zu bringen.<br />
Weitere Informationen zur Wirkungsweise<br />
und Umsetzung einer CO 2<br />
-Steuer im Strommarkt<br />
sind auf der BEE-Website verfügbar.<br />
108
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Verband<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Biogas-Historie<br />
Pioniere vom Maschinenring<br />
und aus der Entwicklungshilfe<br />
In Hessen stand lange nur die Vergärung von Klärschlamm im Fokus,<br />
doch Anfang der Neunzigerjahre kam auch in der Landwirtschaft der<br />
Durchbruch – dank unterschiedlichster Akteure.<br />
Von Bernward Janzing<br />
Treffen Arbeitskreis Biogas auf einer Anlage bei Limburg: Das<br />
Gruppenbild entstand bei einem der ersten Treffen des Arbeitskreises<br />
Biogas 2003.<br />
In Hessen brachten auch die Entwicklungshelfer<br />
das Biogas voran. Nach<br />
Feierabend sozusagen: Vom hessischen<br />
Eschborn aus hatte die Gesellschaft<br />
für Technische Zusammenarbeit<br />
(GTZ, heute GIZ) in den Neunzigerjahren<br />
als bundeseigene Institution mit einem<br />
Dutzend Mitarbeitern in diversen Ländern<br />
das „Biogasverbreitungsprogramm“ koordiniert.<br />
Und manch einer der Mitarbeiter<br />
musste sich nach Rückkehr von seinem<br />
Auslandseinsatz doch wundern, wie wenig<br />
das Biogas in Deutschland bisher genutzt<br />
wurde. Einige wurden dann im Sinne der<br />
Sache selbst aktiv – leisteten also Entwicklungshilfe<br />
in der Heimat.<br />
Ein wenig Erfahrung hatte man mit der<br />
anaeroben Vergärung in Hessen zu diesem<br />
Zeitpunkt durchaus – aber vor allem aus der<br />
Klärtechnik. An der Kläranlage in Kassel<br />
zum Beispiel wurden bereits um das Jahr<br />
1960 zwei Faultürme und ein Blockheizkraftwerk<br />
in Betrieb genommen, um den<br />
Klärschlamm energetisch zu nutzen. Auch<br />
in der Wissenschaft dominierte lange Zeit<br />
die Forschung an der anaeroben Faulung<br />
aus der Klärtechnik, die an der FH Gießen<br />
(heute: Technische Hochschule Mittelhessen)<br />
angesiedelt war. Ein Beispiel für erste<br />
Entwicklungen in der landwirtschaftlichen<br />
Biogasproduktion in Hessen sei dann eine<br />
durch die TU Darmstadt im Jahr 1947 entwickelte<br />
Biogasanlage für kleine landwirtschaftliche<br />
Betriebe gewesen, erinnert sich<br />
Bernd Krautkremer, Bioenergie-Systemtechniker<br />
am Fraunhofer-Institut für Windenergie<br />
und Energiesystemtechnik (IWES)<br />
Fotos: Maschinenring Kommunalservice GmbH<br />
Der Arbeitskreis Biogas bei einer Schulung: Workshop zur<br />
Wartung von BHKW im Jahr 2005.<br />
in Kassel. Die Bauweise mit einem horizontalen<br />
Fermenter („Gärkanal“) ist bis heute<br />
unter dem Namen „System Darmstadt“ bekannt.<br />
Den Durchbruch freilich brachte die<br />
Entwicklung noch lange nicht: „Bis 1998<br />
gab es nur rund 10 Biogasanlagen in Hessen“,<br />
sagt Krautkremer.<br />
Erste Anlage in Frankenberg<br />
Als erste Anlage in Hessen, die aus dem<br />
landwirtschaftlichen Umfeld heraus entstand,<br />
wird oft jene von Rudolf Kring in<br />
Frankenberg (Eder) beschrieben. Im Stadtteil<br />
Friedrichshausen bewirtschaftete der<br />
Landwirt seit 1961 den Betrieb seiner<br />
Schwiegereltern. Er interessierte sich früh<br />
für ökologische Zusammenhänge und erkannte<br />
die Gefahren, die Mensch und Natur<br />
durch den steigenden Einsatz von Chemie<br />
in der Landwirtschaft drohen. Also machte<br />
er erste Versuche mit einer naturnahen,<br />
biologisch-organisch ausgerichteten Landwirtschaft.<br />
Bioenergie passte gut dazu. Und so baute<br />
Kring dann im Jahr 1982 eine Biogasanlage,<br />
in der er den Mist und die Gülle von fast<br />
50 Großvieheinheiten (überwiegend Rinder,<br />
aber auch einige Pferde) verwertete. 60 Prozent<br />
des Substrats waren Festmist, der bereits<br />
zum damaligen Zeitpunkt in einer Mixpumpe<br />
zerkleinert wurde, um pumpfähig<br />
zu werden. Kring war einer von denen, die<br />
Michael Köttner von der IBBK Fachgruppe<br />
Biogas im Kirchberg/Jagst meint, wenn er<br />
sagt: „Es gab auch in Hessen einige Biogas-<br />
Tüftler, aber es waren nicht so viele wie in<br />
Baden-Württemberg und Bayern.“<br />
Rund ein halbes Dutzend Anlagen in Hessen<br />
waren jedoch bereits so sehenswert,<br />
dass die vor allem in Württemberg aktive<br />
Bundschuh Biogasgruppe sie während<br />
mehrerer Touren durchs<br />
Land in den Jahren 1989<br />
bis 1992 besuchte. Die<br />
Fahrten weckten bei<br />
manchem späteren Biogaspionier<br />
das Interesse.<br />
Zumal zeitgleich ohnehin<br />
ein politischer Umbruch<br />
stattfand, da zum Jahresbeginn<br />
1991 das Stromeinspeisungsgesetz<br />
in<br />
Kraft trat.<br />
Zuvor war es noch schwierig<br />
gewesen, dezentral<br />
erzeugten Strom an die<br />
monopolistisch organisierten<br />
und ebenso selbstgerecht auftretenden<br />
Energieversorger zu verkaufen:<br />
„Die Einspeisung war kaum möglich, die<br />
Energieversorger nutzen ihre Hausmacht“,<br />
erinnert sich Agraringenieur Andreas Krieg,<br />
der 1999 mit der Göttinger Firma Krieg &<br />
Fischer ins Biogasgeschäft einstieg.<br />
Ökolandwirte und Eigenstromnutzer<br />
waren die ersten Interessierten<br />
Vor dem Einspeisegesetz habe es daher<br />
im Biogassektor nur zwei Arten von Interessenten<br />
gegeben, sagt Krieg. Zum einen<br />
seien das Landwirte gewesen, die viel<br />
Strom verbrauchten und ihren Strombezug<br />
senken wollten, was ihnen auch die Strommonopolisten<br />
nicht verwehren konnten.<br />
Und dann habe es einzelne Ökobetriebe<br />
gegeben, die stark nach Autarkie strebten.<br />
110
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
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111
Verband<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Ortstermin: Termin mit dem Bundestagsabgeordneten Rolf Karwecki auf der Biogasanlage von Erhard Hofmeyer<br />
im Jahr 2008, initiiert durch Reinhard Knipker (Geschäftsführer MR Kassel/Maschinenring Kommunalservice<br />
GmbH) und Friedrich Schäfer (MR Hessen), Anlass damals die Abschaffung des Güllebonus und die<br />
drohenden Auswirkungen für die Biogasanlagen.<br />
Mit dem Stromeinspeisungsgesetz ging es<br />
dann voran in Hessen. Aus Österreich kam<br />
das Technische Büro Weidel (TBW) und<br />
etablierte sich als der erste Projektierer im<br />
Bundesland. Das Unternehmen plante fünf<br />
Anlagen zwischen 1993 und 1998. Zu den<br />
Pionieren dieser Zeit gehörte auch Landwirt<br />
Bernd Weiß in Ulrichstein, der im Jahr<br />
1995 eine Anlage mit einer elektrischen<br />
Leistung von 75 Kilowatt errichtete (die er<br />
im Jahr 2006 auf 265 Kilowatt ausbaute).<br />
Auch das Land Hessen förderte bald die<br />
neue Technik. Angestoßen durch die erste<br />
rot-grüne Landesregierung war 1991 die<br />
Hessenenergie gegründet und damit die<br />
Forderung der Grünen nach einer Landesenergieagentur<br />
umgesetzt worden. Die Hessenenergie<br />
baute nun Biogas-Know-how<br />
auf, denn das, was man im Land an Biogasanlagen<br />
sah, war seinerzeit noch „sehr<br />
rustikal“, wie sich Hans-Werner Greß, einer<br />
der ersten Mitarbeiter der Hessenenergie,<br />
erinnert. Die Kleinkraftwerke standen in<br />
Schuppen oder auch im Hühnerstall, der<br />
Fermenter war ein Betonbehälter mit Folie<br />
drüber. Die Landwirte nutzten alte Fordoder<br />
Opelmotoren. Diese Maschinen hielten<br />
zwar mitunter keine 1.000 Stunden durch,<br />
was aber keinen störte, weil die Aggregate<br />
dann eben durch Ersatz vom Schrottplatz<br />
ausgetauscht wurden.<br />
Hessenenergie gab Fördergeld<br />
Hier war also Professionalisierung nötig. In<br />
den Jahren 1995 bis 2002 gingen 18 Biogasanlagen<br />
in Betrieb, die von der Hessenenergie<br />
mit Landesgeld gefördert wurden.<br />
Dahinter stand auch die Erkenntnis, dass<br />
das Stromeinspeisungsgesetz noch nicht<br />
ausreichte, um die Anlagen wirtschaftlich<br />
zu machen. Also bezahlte das Land 30 Prozent<br />
Investitionszuschuss. Ziel war, auch<br />
die Technik voranzubringen, weshalb die<br />
geförderten Anlagen wissenschaftlich begleitet<br />
wurden.<br />
Das Fazit des Programms, das vom Fraunhofer<br />
IWES und der Hessenenergie später<br />
evaluiert wurde: „Die Ausrüstung der untersuchten<br />
Anlagen mit erforderlichen Messstellen,<br />
Regel- und Steuersystemen sowie<br />
einer Datenerfassung und -auswertung war<br />
ungenügend.“ Zudem: „Der biologische Abbau<br />
der Substrate und Ko-Substrate verlief<br />
mehrheitlich unkontrolliert.“ So seien stark<br />
schwankende Methankonzentrationen im<br />
Biogas zu beobachten, mit der Folge einer<br />
schlechten Auslastung der BHKW. „Forciert<br />
wurden diese negativen Effekte durch suboptimal<br />
betriebene biologische Entschwefelungen<br />
im Fermenter.“<br />
Das IWES, das damals als Institut an der<br />
Universität Kassel noch ISET hieß (Institut<br />
für Solare Energieversorgungstechnik)<br />
hatte zwischenzeitlich mit dem Landesbetrieb<br />
Landwirtschaft Hessen (LLH) für den<br />
ländlichen Raum und dem Landesbetrieb<br />
Hessisches Landeslabor (LHL) im Landwirtschaftszentrum<br />
Eichhof in Bad Hersfeld das<br />
Hessische Biogas-Forschungszentrum aufgebaut.<br />
Dort betreibt das Fraunhofer IWES<br />
heute auch eine Forschungsbiogasanlage,<br />
und baut eine Plattform auf, die Forschung<br />
zum Thema Power-to-Gas unter realen Bedingungen<br />
einer landwirtschaftlichen Biogasanlage<br />
ermöglicht.<br />
Maschinenring Kassel sorgte<br />
maßgeblich für Anlagenbau<br />
Eine bundesweit einmalige Rolle beim Ausbau<br />
der Biogasnutzung spielte in Hessen<br />
auch der Maschinenring. Es war der Maschinenring<br />
Kassel, der sich im Jahr 1999<br />
des Biogases annahm. Er entwickelte mit<br />
seinen landwirtschaftlichen Mitgliedsbetrieben<br />
ein Anlagenkonzept. Hauptziel des<br />
Geschäftsführers Reinhard Knipker war,<br />
Anlagen zu bauen, die möglichst vielfältige<br />
Substrate verarbeiten können.<br />
Anfangs als rein informeller Kreis gegründet,<br />
stieg der Maschinenring Kassel bald intensiv<br />
in den Bau von Biogasanlagen ein. Er<br />
organisierte den gemeinschaftlichen Kauf<br />
von Anlagenkomponenten für die Landwirte<br />
und half auf den Baustellen mit. „2004<br />
bauten 14 Mitglieder des Maschinenrings<br />
jeweils baugleiche Biogasanlagen“, sagt<br />
Klaus Anduschus, Biogasberater beim Maschinenring.<br />
Längst sind die Kasseler dank<br />
ihres Engagements und ihrer Fachkenntnis<br />
über die Region hinausgewachsen: Aus Kassel<br />
werden heute rund 250 Anlagen bundesweit<br />
betreut. „Rund ein Drittel davon<br />
haben wir auch geplant“, sagt Anduschus.<br />
Und etwa 60 Anlagen seien mit Unterstützung<br />
durch den Maschinenring in einer Art<br />
Bauherrenmodell erstellt worden.<br />
Mit Stand Ende 2015 sind nach Zahlen<br />
des IWES in Hessen 215 Biogasanlagen<br />
mit einer elektrischen Leistung von 101<br />
Megawatt in Betrieb. Heute habe das Biogas<br />
unter allen Formen der Bioenergie den<br />
größten Anteil an der Stromproduktion in<br />
Hessen, bilanzieren die Wissenschaftler;<br />
dabei dominieren die „landwirtschaftlichen<br />
und abfallstämmigen Substrate“. Der Anstieg<br />
der Stromerzeugung nach der Jahrtausendwende<br />
war enorm: Im Jahr 2000 habe<br />
die Produktion im ganzen Bundesland noch<br />
bei 4 Gigawattstunden pro Jahr gelegen, bis<br />
2014 habe sie sich auf über 700 Gigawattstunden<br />
vervielfacht.<br />
Die meisten Anlagen stehen heute im<br />
Norden des Landes, an der Spitze steht<br />
der Landkreis Kassel mit 26 Anlagen, die<br />
zusammen auf 6,5 Megawatt Leistung<br />
kommen. Im Südosten, etwa im Landkreis<br />
Rheingau-Taunus, gibt es keine einzige. Und<br />
ebenfalls noch ohne Biogasanlage ist auch<br />
der Main-Taunus-Kreis, zu dem Eschborn<br />
gehört – jene Stadt der Entwicklungshelfer,<br />
in der so manche Biogasanlage der Welt ihren<br />
konzeptionellen Ursprung hat.<br />
Autor<br />
Bernward Janzing<br />
Freier Journalist<br />
Wilhelmstr. 24a · 79098 Freiburg<br />
Tel. 07 61/202 23 53<br />
E-Mail: bernward.janzing@t-online.de<br />
112
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Verband<br />
Wir<br />
brauchen<br />
Verstärkung!<br />
Der Fachverband Biogas e.V. ist mit über 4.700 Mitgliedern die größte deutsche und europäische Interessenvertretung der Biogas-Branche. Er vertritt<br />
bundesweit Hersteller, Anlagenbauer und landwirtschaftliche wie industrielle Biogasanlagenbetreiber. Ziel der Verbandsarbeit ist es, die Biogaserzeugung<br />
und -nutzung für die bundesweite Strom-, Wärme- sowie Kraftstoffversorgung, den Wirtschaftsstandort Deutschland und einen wirkungsvollen<br />
Klimaschutz auszubauen. Zur Unterstützung suchen wir:<br />
Jurist, Juristin /<br />
Rechtsanwalt, Rechtsanwältin<br />
Fachreferent/in Abfall, Düngung<br />
und Hygiene<br />
Leiter/in Stabsstelle Kraftstoff<br />
und Biomethan<br />
Ihre Aufgaben:<br />
• die Beratung unserer Mitglieder (Erneuerbare-<br />
Energien-Gesetz, Energiewirtschaftsgesetz,<br />
öffentliches Recht etc.),<br />
• die zielgruppenorientierte Vermittlung von<br />
Informationen,<br />
• die Fertigung von Rechtsgutachten,<br />
• die Erarbeitung wissenschaftlicher und politischer<br />
Stellungnahmen<br />
• sowie die Vertretung der Verbandspositionen<br />
gegenüber Ministerien und Netzbetreibern.<br />
Der/Die Stelleninhaber/in hat unter Berücksichtigung<br />
der technischen Belange eigene Rechtspositionen<br />
zu erarbeiten und zu begründen.<br />
Dabei müssen Fragestellungen aus verschiedenen<br />
Rechtsbereichen im Blick gehalten werden<br />
(i.d.R. Erneuerbare Energien, Genehmigungsrecht<br />
und Abfallrecht).<br />
Ihr Profil:<br />
Es werden eine sehr zügige wissenschaftliche<br />
Arbeitsweise sowie eine betriebswirtschaftliche<br />
Denkweise erwartet. Eine vorherige anwaltliche<br />
Tätigkeit von ein bis zwei Jahren, wünschenswerterweise<br />
im energiewirtschaftlichen Bereich,<br />
liegt idealerweise vor. Ein souveräner Umgang<br />
mit den Officeprodukten Word, Excel und Power-<br />
Point wird genauso wie eine hohe Affi nität zu<br />
Erneuerbaren Energien vorausgesetzt.<br />
Ihre Aufgaben:<br />
Als Mitarbeiter/in des Referates Abfall, Düngung<br />
und Hygiene arbeiten Sie an den aktuellen<br />
fachlichen, rechtlichen und organisatorischen<br />
Aufgaben in Abstimmung mit der Referatsleitung.<br />
Dazu zählen die Erstellung von Stellungnahmen,<br />
Mitgliederinformationen und anderen<br />
Veröffentlichungen, die Vorstellung der Inhalte<br />
in Fachvorträgen im In- und Ausland sowie Präsenz<br />
auf Messen, Verbandsveranstaltungen und<br />
Arbeitsgruppensitzungen. Zudem unterstützen<br />
Sie den Mitgliederservice durch die telefonische<br />
Betreuung und Beantwortung der gestellten<br />
Fragen in allen Biogas relevanten Bereichen.<br />
Ihr Profi l:<br />
• Sie verfügen über ein abgeschlossenes<br />
Studium in den Bereichen Umwelt, Abfall,<br />
Erneuerbare Energien, Landwirtschaft oder<br />
Verfahrenstechnik bzw. sind Jurist mit entsprechender<br />
Spezialisierung.<br />
• Sie können fundierte Kenntnisse in den Bereichen<br />
Biogas, Abfallvergärung, Düngung und<br />
Hygiene nachweisen.<br />
• Sie haben Interesse bzw. Erfahrung an dem<br />
aktiven Umgang mit Gesetzestexten und<br />
Rechtsverordnungen insbesondere im Abfall-,<br />
Dünge- und Veterinärrecht.<br />
• Sie sind bereit und in der Lage, die Interessen<br />
und Ziele des Fachverbandes Biogas e.V. auf<br />
nationaler und EU-Ebene zu vertreten.<br />
• Sie zeigen ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten<br />
und beherrschen die englische Sprache<br />
sehr gut in Wort und Schrift.<br />
Ihre Aufgaben:<br />
Als Leiter/in der Stabstelle Kraftstoff und<br />
Biomethan koordinieren Sie die Arbeit in dem<br />
Bereich Kraftstoff und Biomethan. Dabei arbeiten<br />
Sie teamorientiert mit den Referaten Energierecht-<br />
und Handel, Firmen und Technik und<br />
Politik zusammen. Sie treten auch nach außen<br />
als Ansprechpartner für den Bereich Kraftstoff<br />
und Biomethan auf. Dabei wird die politische<br />
Interessenvertretung durch die Leitung des<br />
Hauptstadtbüros Biogas koordiniert und mit ihr<br />
abgestimmt. Sie vertreten das Thema auch nach<br />
innen, indem Sie die Biogasanlagenbetreiber<br />
und Firmenmitglieder mit Fachinformationen<br />
unterstützen und deren Bedürfnisse abfragen.<br />
Sie sind direkt der Hauptgeschäftsführung unterstellt<br />
und damit auf der Ebene der Referatsleiterinnen<br />
und Referatsleiter im Fachverband<br />
Biogas angesiedelt.<br />
Ihr Profi l:<br />
• Sie können fundierte rechtliche, technische und<br />
ökonomische Kenntnisse der Erzeugung und<br />
Nutzung von Biogas und Biomethan nachweisen.<br />
• Sie verfügen über Erfahrungen im Bereich der<br />
Interessenvertretung.<br />
• Sie sind in der Lage, sich in komplexe technische<br />
und rechtliche Zusammenhänge einzuarbeiten,<br />
Lösungsansätze zu entwickeln und<br />
diese nach innen und außen zu kommunizieren.<br />
• Sie verfügen über ausgeprägte kommunikative<br />
Fähigkeiten und können diese auch mindestens<br />
in einer Fremdsprache (Englisch) sicher<br />
und erfolgreich einsetzen.<br />
• Sie sind belastbar und bereit, zu reisen.<br />
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Bitte senden Sie Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen ausschließlich in<br />
digitaler Form mit Angaben zum frühestmöglichen Arbeitsbeginn sowie zu Ihren<br />
Gehaltsvorstellungen schnellstmöglich, jedoch spätestens bis zum 22.09.<strong>2017</strong> an:<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
Dr. Claudius da Costa Gomez<br />
Angerbrunnenstr. 12<br />
85356 Freising<br />
E-Mail: personal@biogas.org<br />
Für Rückfragen stehen wir<br />
Ihnen gerne zur Verfügung.<br />
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113
Verband<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
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Herausgeber:<br />
Fachverband Biogas e. V.<br />
Dr. Claudius da Costa Gomez (V.i.S.d.P.)<br />
Andrea Horbelt (redaktionelle Mitarbeit)<br />
Angerbrunnenstraße 12 · 85356 Freising<br />
Tel. 0 81 61/98 46 60<br />
Fax: 0 81 61/98 46 70<br />
E-Mail: info@biogas.org<br />
Internet: www.biogas.org<br />
ISSN 1619-8913<br />
Redaktion:<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Fachverband Biogas e. V.<br />
Tel. 0 54 09/9 06 94 26<br />
E-Mail: martin.bensmann@biogas.org<br />
Anzeigenverwaltung & Layout:<br />
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An der Surheide 29 · 28870 Ottersberg-Fischerhude<br />
Tel. 0 42 93/890 89-0<br />
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Druck: Druckhaus Fromm, Osnabrück<br />
Auflage: 10.000 Exemplare<br />
Das BIOGAS Journal erscheint sechsmal im Jahr auf Deutsch. Zusätzlich erscheinen<br />
zwei Sonderhefte und zwei Ausgaben in englischer Sprache.<br />
Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich<br />
geschützt. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die Meinung des<br />
Verfassers wieder, die nicht unbedingt mit der Position des Fachverbandes<br />
Biogas e.V. übereinstimmen muss. Nachdruck, Aufnahme in Datenbanken,<br />
Onlinedienste und Internet, Vervielfältigungen auf Datenträgern wie CD-<br />
Rom nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung. Bei Einsendungen<br />
an die Redaktion wird das Einverständnis zur vollen oder auszugsweisen<br />
Veröffentlichung vorausgesetzt. Für unverlangt eingehende Einsendungen<br />
wird keine Haftung übernommen. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe<br />
sinnerhaltend zu kürzen.<br />
114
Biogas Journal | 5_<strong>2017</strong><br />
Verband<br />
Hydrozym DP: Echte Methan-Mehrerträge<br />
Viele Biogas-Produzenten sehen im Proteingehalt ihrer<br />
Substrate einen Garanten für schnellstmöglichen<br />
Methanertrag. Doch was im Prinzip richtig ist, stimmt nur<br />
in Teilen. Denn längst nicht alle Proteine, die über hohe<br />
GPS-, Gräser-, Mistanteile oder Schlachtabfälle eingebracht<br />
werden, sind auch tatsächlich biologisch verfügbar, und<br />
somit wirkungslos.<br />
Um sie dennoch im Fermenter zu wertvollem Methangas<br />
vergären zu können, bedarf es der Wirkung proteolytischer<br />
Enzyme. In Form von Exoproteasen greifen sie die Peptidketten<br />
an den Enden an und „verdauen“ so mit Hilfe der<br />
Endoproteasen die sonst nicht verfügbaren Proteine.<br />
Das so gewonnene Methangas ist ein echter Mehrertrag.<br />
Erzielt aus sonst völlig ungenutzten Substratbestandteilen.<br />
Mit dem neuen Hydrozym DP ist es uns gelungen, ein<br />
solches Enzympräparat zu entwickeln.<br />
Für echte Methan-Mehrerträge<br />
Hydrolyse<br />
Makromoleküle<br />
DP<br />
Kohlehydrate, Cellulose Proteine Fette<br />
Cellulasen, Amylasen Proteasen Lipasen<br />
Wir freuen uns, Ihnen mit Hydrozym DP – ganz im Sinne<br />
unserer ganzheitlichen Biogas-Prozess-Optimierungs-<br />
Philosophie – eine Neuentwicklung anbieten zu können,<br />
die einen weiteren wichtigen Schritt zu mehr Nachhaltigkeit<br />
bei der Biogas-Produktion bedeutet.<br />
Monosaccaride<br />
Enzyme<br />
Aminosäuren<br />
Fettsäuren,<br />
Glycerin<br />
In diesem Sinne: „Holen Sie doch einfach nur das aus Ihrem<br />
Fermenter raus, was schon drin ist! Es lohnt sich.“<br />
SaM-Power Unternehmensgruppe<br />
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Tel. (04282) 6 34 99-0<br />
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