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MÄA-04-2022online

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Münchner Ärztliche Anzeigen

TITELTHEMA 5

Herr Dr. Schießl, was hat sich bei

PSU Akut e.V. in den letzten beiden

Coronajahren getan?

Wir haben eine gute Kooperation mit

der Landeshauptstadt München aufgebaut.

Zum einen haben wir im Juli

2021 den ersten, mit 10.000 Euro

dotierten, Gesundheits- und Pflegepreis

der Stadt München erhalten.

Zum anderen fördert die Landeshauptstadt

2022 unsere Interventionen

und supervisorischen Begleitungen

in Kliniken und Praxen: Wir bieten

dazu an, an den Arbeitsplatz zu

kommen und vor Ort Gespräche mit

Mitarbeiter*innen zu führen – zur

Vorsorge, Schulung und Krisenintervention

als psychosoziale Unterstützung

(PSU) durch Peers, also Kolleg*innen

im Gesundheitswesen.

Auch Niedergelassene oder Medizinische

Versorgungszentren können

dies bei uns anfordern.

Sie betonen die Praxen. Wie sieht

es in den Kliniken aus?

Lange Zeit gab es Supervision vor

allem in den Bereichen Schmerztherapie

und Palliativmedizin. Auf den in

der Pandemie stark belasteten

Covid-Normalstationen und Intensivstationen

z.B. war psychosoziale

Unterstützung zunächst nicht als

Ressource etabliert. In den letzten

beiden Jahren haben einige Kliniken

unsere supervisorische Begleitung

gerne angenommen. Natürlich ist es

in der Krise schwierig, neue Strukturen

aufzubauen und dabei auf etwas

zurückzugreifen, was man nicht

kennt. Gerade dann ist man so darauf

fokussiert, zu funktionieren, dass

man alles Neue zunächst mit Vorsicht

betrachtet. Doch wir sehen,

dass kollegiale psychosoziale Unterstützung

und supervisorische

Begleitung bisher gefehlt haben –

und dass es funktioniert. Bis jetzt

haben etwa 15 Stationen an zehn

Münchner Kliniken unser Angebot

angenommen. Die langfristige Einführung

des Peer-Systems in unterschiedlicher

Ausführung ist ebenso

an zehn Kliniken geplant.

Was passiert bei der supervisorischen

Begleitung?

Wir bieten keine reine Supervision,

sondern eine Mischung aus Supervision,

Intervention, Psychoedukation

und Perspektivenentwicklung – nicht

nur mit dem Ziel, den oder die Einzelne*n

zu stärken, sondern auch mit

dem Wunsch, systemverändernd zu

wirken. Wir generieren also etwas

Neues. Optimalerweise führen wir die

supervisorische Unterstützung zu

zweit durch: Mit dabei ist dann jeweils

ein Peer, also jemand aus einem

medizinischen Beruf, und ein Supervisor.

Allerdings stoßen auch wir derzeit

manchmal mit unserem Personal

an unsere Grenzen, sodass wir dies

nicht immer garantieren können.

Welche weiteren Neuerungen gab

es in Coronazeiten?

Seit Beginn der Pandemie im Frühjahr

2020 gibt es unsere telefonische

Helpline für Angehörige medizinischer

Berufe: Von 9 Uhr morgens

bis 9 Uhr abends können Angehörige

medizinischer Berufe bei uns anrufen

und erhalten kollegiale Unterstützung

am Telefon. Wenn unser

Peer oder unsere psychosoziale

Fachkraft am Telefon merkt, dass

der oder die Anrufer*in mehr

Gespräche oder Hilfe benötigt, können

wir oft am gleichen Tag eine

Sprechstunde bei erfahrenen Psychotherapeut*innen

vermitteln, die

sich dafür jeweils eine Stunde pro

Tag freihalten. In dieser Stunde

beginnt keine Therapie, aber falls

dies nötig ist können die ersten fünf

kostenfreien Gespräche die Zeit bis

zu einer Therapie überbrücken.

Haben Sie einen Überblick darüber,

wie vielen Kolleg*innen Sie

dadurch helfen konnten?

Unsere Evaluation ist noch nicht wissenschaftlich

ausgewertet. Wir

schätzen aber, dass derzeit ungefähr

zwei Menschen pro Tag bei uns

anrufen. Das klingt zunächst nicht

nach sehr viel. In letzter Zeit melden

sich aber auch zunehmend Führungskräfte,

denen wir nicht nur persönlich

helfen können, sondern

denen wir auch Veranstaltungen vor

Ort anbieten. Dazu besprechen wir

mit ihnen zunächst, was sie in ihrer

Klinik oder Praxis konkret brauchen.

Unabhängig von Covid-19 gibt es ja

nach wie vor auch andere schwerwiegende

Ereignisse, bei denen wir

begleiten können.

Melden sich derzeit eher Pflegekräfte

oder eher Ärzt*innen?

Bei schwerwiegenden Ereignissen

melden sich eher die ärztlichen Kolleg*innen.

Bei coronabedingten Fällen

ist es von Welle zu Welle unterschiedlich.

Aktuell kommen mehr

Pflegekräfte und Führungskräfte der

Pflege auf uns zu. Wir arbeiten mittlerweile

auch sehr gut mit der Vereinigung

der Pflegenden in Bayern

(VdPB) zusammen.

PSU-Akut ist inzwischen nicht mehr

nur ein Verein, sondern eine ganze

Bewegung. Immer wieder werden

wir zu Kongressen und Vorträgen

eingeladen, z.B. auf den DIVI-Kongress,

den interdisziplinären Online-

Kongress der Intensivmediziner*innen.

Außer mit der VdPB und dem

ÄKBV arbeiten wir derzeit z.B. auch

mit dem Aktionsbündnis Patientensicherheit,

der Bayerischen Landesärztekammer,

der KVB oder dem

Marburger Bund zusammen.

Gemeinsam mit diesen Organisationen

haben wir im Herbst 2021 einen

schriftlichen Appell an den bayerischen

Gesundheitsminister Holetschek

gerichtet, das medizinische

Personal stärker zu unterstützen. Es

geht darum, nachhaltig etwas zu verändern

– nicht nur am Geld, sondern

auch an den Umständen der Arbeit.

Was meinen Sie damit konkret?

Aus unserer Sicht geht es für viele

Angehörige von Gesundheitsberufen

um Wertschätzung – natürlich auch

über das Geld, aber eben auch über

psychosoziale Unterstützung, wenn

schlimme Dinge passieren. Wenn

Menschen in der Krise spüren, dass

sie an einem guten Arbeitsplatz, in

einem guten Team „aufgefangen“

werden, möchten sie dort weiterarbeiten.

Wer hingegen allein gelassen

oder sogar an den Pranger gestellt

wird, reduziert sein Engagement

schnell. Es geht darum, Menschen

auf die Risiken unserer Berufe, auf

akute wie chronische Stresssituationen,

gut vorzubereiten. Unsere niederschwellige

Versorgung vor Ort ist

übrigens auch eine gute Möglichkeit

für Führungskräfte und Arbeitgeber,

den Arbeitsplatz attraktiver zu

machen.

Sprechen Sie öfter mit Menschen,

die ihren Beruf verlassen möchten?

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