MÄA-04-2022online
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TITELTHEMA
Münchner Ärztliche Anzeigen
Dr. Andreas Schießl ist
Oberarzt am Fachzentrum für
Anästhesie & Intensivmedizin der
Schön Klinik München Harlaching
und Ärztlicher Leiter PSU Akut e.V.
Foto: www.psu-akut.de
Wer allein gelassen
oder sogar an den
Pranger gestellt wird,
reduziert sein
Engagement schnell.
Dr. Andreas Schießl
Das erleben wir immer wieder –
sowohl nach schwerwiegenden
Ereignissen als auch bei chronischer
Dauerbelastung. Zu spüren, dass
man damit nicht alleine ist und neue
Ideen bekommt, hilft aus dem Fatalismus
heraus. Wir werben dafür,
berufliche Entscheidungen nicht in
einer Defizit-Lage zu treffen – auch
wenn der Wunsch, die Flinte ins Korn
zu werfen, oft völlig verständlich ist.
Stattdessen gilt es, potentielle Traumatisierung
und übermäßigen Stress
abzubauen. In diesem Zusammenhang
müssen wir zunächst zwar oft
akzeptieren, dass manche ihre
Arbeitszeit reduzieren. Indem wir mit
ihnen im Gespräch bleiben, haben
wir als Gesellschaft aber die Chance,
etwas am System zu verändern.
Und das führt dann vielleicht dazu,
dass diese Menschen schließlich
wieder mehr in ihrem Beruf arbeiten
möchten. Auch nach der Pandemie
muss dies eine wichtige Anstrengung
bleiben. Wir haben eine gesellschaftliche
Verantwortung, unseren
Helfenden zu helfen, die jetzt in vorderster
Linie für uns alle bis zur
Erschöpfung arbeiten, diese Belastung
positiv aufarbeiten zu können,
damit sie nicht doppelt geschädigt
aus der Pandemie gehen.
Wie stellen Sie sich das konkret
vor?
Die meisten funktionieren derzeit
nur. Aber nach der Pandemie wird es
Zeiten geben, in denen sie das Erlebte
aufarbeiten müssen. Wenn man
wieder etwas stärker ist, hilft es, das
Erlebte wieder ruhiger anzuschauen,
zu beweinen, zu bewüten etc., um es
schließlich zu verarbeiten und ggf.
ein posttraumatisches Wachstum
einzuleiten. Dies kann z.B. unser
jährliches Resilienzseminar, dieses
Jahr vom 19. bis 22. Mai im Kloster
Bernried, ermöglichen. „Und wie
geht’s Dir, Doc“?: Dieser Titel des
Seminars ist auch nach der Pandemie
immer noch eine gute Frage.
Gibt es weitere Neuerungen seit
der Pandemie?
Besonders interessant für unsere
Delegierten, aber auch für alle anderen
Ärzt*innen Münchens, ist unser
Beschluss beim 124. Deutschen Ärztetag
2021 (Online). Der Ärztetag
bekennt sich darin zur psychosozialen
Unterstützung als Aufgabe der
ärztlichen Selbstverwaltung. Gleichzeitig
ruft er alle ärztlichen Vertreter*innen
bei Sozialversicherungsträgern,
Krankenkassen etc. dazu
auf, sich für eine bessere Fokussierung
auf die „psychische Gesunderhaltung
der Ärztinnen und Ärzte
sowie für die Ausarbeitung konkreter
Unterstützungsangebote unter Mitwirkung
der Ärzteschaft einzusetzen“.
Wir überlassen diese Aufgabe
nicht nur den anderen, sondern
möchten dies als Ärzteschaft mitgestalten.
Auch beim GBA setzen wir
uns aktuell dafür ein, die Einführung
von Peer-Support in Kliniken in
einem Modellprojekt zu fördern.
Welche Botschaft haben Sie als
Gründer von PSU-Akut e.V. an die
Münchner Ärzteschaft?
Der mutige Einsatz der ÄKBV-Delegierten
und der Münchner Ärztinnen
und Ärzte schon bei der Gründung
von PSU Akut e.V. im Jahr 2013 trägt
Früchte: Ohne sie wären wir nie so
weit gekommen. Wir freuen uns sehr
darüber, dass die Gelder zu unserer
Unterstützung auf Beschluss der
Delegiertenversammlung 2021
nochmal verdoppelt wurden. Durch
die aktive Unterstützung des ÄKBV
lassen sich auch andere Geldgeber
überzeugen. Es ist aber weiterhin
nötig, konsequent dranzubleiben
und unseren Peer-to-Peer-Ansatz
weiter zu verfolgen. Wenn wir möchten,
dass die Hilfsangebote für
Beschäftigte im Gesundheitsbereich
fundiert ärztlich geprägt sind, müssen
wir weiter das Heft in der Hand
behalten.
Wie blicken Sie in die Zukunft?
Derzeit reden alle davon, etwas verändern
zu wollen. Aber was passiert
nach der Pandemie? Wir müssen
hartnäckig dranbleiben, die Aufarbeitung
von kleineren und größeren
Katastrophen zu enttabuisieren und
psychosoziale Unterstützung stattdessen
zum Standard und zum klinischen
Alltag zu machen. Diese Veränderungen
brauchen Freiräume in
unserer Arbeitssituation und Zeit
zum kollegialen Austausch.
Das Gespräch führte Stephanie Hügler
Liebe Leserinnen
und Leser,
im Verlauf der Corona-Pandemie
ändert sich vieles täglich. Wir bitten
daher bei allen Beiträgen dazu um Verständnis,
falls manche Informationen
oder Aussagen wegen der zwischen
Redaktionsschluss und Erscheinungstermin
verstrichenen Zeit nicht mehr
aktuell sein sollten.
Die MÄA-Redaktion
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