24.12.2012 Aufrufe

© SCHWEIZERISCHE TEXT AKADEMIE Sara Ferraro – 13. Januar ...

© SCHWEIZERISCHE TEXT AKADEMIE Sara Ferraro – 13. Januar ...

© SCHWEIZERISCHE TEXT AKADEMIE Sara Ferraro – 13. Januar ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Sara</strong> <strong>Ferraro</strong> <strong>–</strong> <strong>13.</strong> <strong>Januar</strong> 2012<br />

Einmal Röschti mit Speckwürfeli, bitte!<br />

Ein Besuch im Bergrestaurant Rinerhorn bei Davos<br />

Noch sind wir die einzigen Gäste an diesem nebligen Morgen. Daniel Rodegast, der zusammen mit Maja Werdmann den<br />

Betrieb leitet, setzt sich zu uns an den Tisch. Er erzählt, wie er vor zehn Jahren aus Deutschland nach Davos gekommen<br />

ist, und dass er seit vier Jahren hier arbeitet. «Im Moment ist es zu ruhig hier», seufzt er. «Die Skipiste und die Schlittelbahn<br />

bieten für Jugendliche zu wenig, und die Familien kommen hauptsächlich während der Schulferien. Für heute bereiten<br />

wir deshalb nur 200 Mahlzeiten zu. Gut wären so etwa 1000.»<br />

In der Küche ist noch nicht viel los. Marco aus Usedom, einer ostdeutschen Insel an der Grenze zu Polen, brät gerade<br />

mehrere Portionen Rösti in kleinen Bratpfannen. Er hat noch etwas Mühe mit meiner Aussprache und ich mit seiner,<br />

aber ich verstehe trotzdem, dass man die Rösti möglichst nur einmal umdrehen soll, damit sie eine schöne Kruste bekommt.<br />

Und dass ein «Beng Marie» ein heisses Wasserbad ist, sehe ich ja. Nach Möglichkeit bereiten Daniel Rodegast<br />

und sein Team alles frisch zu. «Auch die Speckwürfeli schneiden wir selbst», erklärt Marco. Nebenan kocht Kevin aus<br />

St. Gallen Kartoffelscheiben im grossen Kessel. Er ist einer von drei Schweizern, die hier auf der Personalliste stehen.<br />

Ausser Semmelknödeln werden hier keine deutschen Gerichte serviert, obwohl hier drei deutsche Köche arbeiten.<br />

Etwas weiter drüben schneidet ein junger Mann Raclettekäse. Als ich ihn frage, was er damit macht, schüttelt er den<br />

Kopf und zeigt auf seine Kollegin, die neben ihm Salat zubereitet. Etwas nervös fragt sie mich, ob ich italienisch spreche.<br />

«Questa insalata è per dert äne», erklärt sie und zeigt auf das Salatbuffet. «Sie arbeitet schon seit 20 Jahren in der<br />

Schweiz und kann immer noch kaum ein Wort Deutsch», raunt mir Daniel Rodegast zu. «Nach 20 Jahren sollte man eine<br />

Sprache können, ausserdem würde das die Arbeit sehr erleichtern.»<br />

Daniel Rodegast hat klare Vorstellungen davon, wie ein guter Mitarbeiter sein soll: ausser Deutschkenntnissen und<br />

Fleiss sind ihm angenehme Umgangsformen wichtig. «Wir hatten hier mal einen Koch, der hat rumgebrüllt und die Leute<br />

runtergemacht. Die waren dann richtig verunsichert. Sowas geht hier nicht. Der musste gehen», erzählt er. «Teamgeist<br />

und Fairness sind zentral.» Nach diesen Erläuterungen hat der Betrieblseiter gerade noch Zeit, uns die Lager- und Kühlräume<br />

zu zeigen, bevor er in der Küche mit anpacken muss.<br />

Bei Snezana aus Serbien ist es noch ruhig. Sie richtet gerade das hintere, kleine Buffet her, wo jene Leute ihr Essen holen,<br />

die es eilig haben. «Meine Tochter lebt in Serbien, mit Mann und Kinder, andere Tochter mit serbische Mann in Italien»,<br />

berichtet sie. Ihre Familie sieht sie nur während der drei Monaten Betriebsferien pro Jahr. «Grüezi!» Schon steht<br />

der erste Gast vor der Theke. Snezana gibt Spaghetti mit Pesto aus. Kassiert. Stellt Getränke in den Kühlschrank.<br />

Wischt nochmal über alle Tische.<br />

Langsam füllt sich das Lokal. Bestellungen werden in die Küche gerufen. Marco holt die vorbereiteten Röstiportionen,<br />

wärmt sie auf, gibt Raclettekäse und Spiegelei dazu. Kevin holt noch mehr Spaghettisauce. Stellt die Pasta ins «Bain<br />

Marie». Es brutzelt, zischt und dampft. An den Tischen hört man vor allem Bündner Dialekt. Ein Paar spricht offenbar<br />

Englisch und wird am Buffet auch in der Sprache Shakespeares bedient. «Enjoy your meal und en Guete!», ruft die<br />

Kassiererin den beiden nach. Sie trägt ein blaues Gilet mit aufgestickten Enzianen.<br />

Die Rösti mundet prächtig. Nach dem Essen mache ich mich auf die Suche nach der Kaffeemaschine. Die Frau, die<br />

vorher den Salat zubereitet hat, wischt jetzt Tische sauber und räumt Teller ab. Als sie mich sieht, kommt sie strahlend<br />

auf mich zu. In einer Mischung aus italienisch, portugiesisch und Bündner Dialekt erklärt sie mir, wie ich zu meinem<br />

<strong>©</strong> <strong>SCHWEIZERISCHE</strong> <strong>TEXT</strong> <strong>AKADEMIE</strong>


Espresso komme.<br />

Inzwischen sind fast alle Tische besetzt. Zum Plaudern hat jetzt niemand mehr Zeit. Also heisst es Abschied nehmen.<br />

Muito obrigada und vielen Dank an Daniel Rodegast, Maja Werdmann und ihr Team!<br />

<strong>©</strong> <strong>SCHWEIZERISCHE</strong> <strong>TEXT</strong> <strong>AKADEMIE</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!