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Bahnhof Davos Platz. Hier kommen Menschen mit der Rhätischen ...

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Britta Trachsler<br />

«Muasch es bitzali nöcher hära»<br />

<strong>Bahnhof</strong> <strong>Davos</strong> <strong>Platz</strong>. <strong>Hier</strong> <strong>kommen</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>der</strong> <strong>Rhätischen</strong><br />

Bahn (RhB) an und reisen wie<strong>der</strong> ab. Doch wer weiss schon, was im<br />

Hintergrund passiert, da<strong>mit</strong> alles reibungslos abläuft? Ein Blick hinter<br />

die Kulissen bringt Licht ins Dunkle.<br />

«Ich hätte gerne zwei Billetts nach Bergün», sagt ein älterer Herr und<br />

nestelt nervös in seiner Geldbörse. Die junge zierliche Frau am<br />

Billettschalter <strong>der</strong> <strong>Rhätischen</strong> Bahn tippt flink auf <strong>der</strong> Tastatur.<br />

«Ratatata!», und schon spuckt <strong>der</strong> Drucker die Tickets aus. «Ich<br />

wünsche Ihnen eine angenehme Reise.» Der Mann schlen<strong>der</strong>t<br />

zufrieden davon. Annina Bearth ist 19 Jahre alt und absolviert im<br />

<strong>Bahnhof</strong> <strong>Davos</strong> <strong>Platz</strong> ein Praktikum. «Mir gefällt <strong>der</strong> direkte Kontakt<br />

<strong>mit</strong> den <strong>Menschen</strong> und dass ich meine Fremdsprachenkenntnisse<br />

anwenden kann.» Sie lächelt versch<strong>mit</strong>zt. Das Praktikum ist Teil ihrer<br />

Berufsmaturitätsausbildung. «Zuvor habe ich die Handelsschule<br />

gemacht. Es ist schwierig eine Stelle zu finden.» In ihren rehbraunen<br />

Augen spiegelt sich Besorgnis. «Im April ist das Praktikum fertig, nun<br />

bin ich auf <strong>der</strong> Suche nach einer Arbeit im kaufmännischen Bereich.»<br />

Neben Tickets und Fahrplanauskünften erledigt sie auch allgemeine<br />

Büroarbeiten. Mit sicherem Handgriff zupft sie ein Formular aus einer<br />

<strong>der</strong> zahlreichen Schubladen. Einzig die sanften Töne eines Songs<br />

aus dem Radio sind zu vernehmen.<br />

1


Vorne in <strong>der</strong> Stellwerkkabine beobachtet Felix Murk die Lehrtochter.<br />

«Du bisch zwit aweg gsi vom Mikrofon, du muasch as bizali nöcher<br />

hära», sagt er in ruhigem, gelassenen Ton. Felix Murk arbeitet bereits<br />

seit 1965 bei <strong>der</strong> <strong>Rhätischen</strong> Bahn. Bereits sein Vater war bei <strong>der</strong><br />

Bahn angestellt. Murk ist ein Mann <strong>mit</strong>telgrosser Statur, die Haare<br />

sind wohl schon lange ergraut, Lach- und Sorgenfalten zieren sein<br />

Gesicht. Nebst <strong>der</strong> Betreuung <strong>der</strong> Lehrtochter ist er für die<br />

Dienstpläne und den reibungslosen Ablauf des Bahnverkehrs<br />

zuständig. 32 Mitarbeitende arbeiten Hand in Hand auf dem <strong>Bahnhof</strong><br />

<strong>Davos</strong> <strong>Platz</strong>. «Ich habe immer gerne bei <strong>der</strong> Bahn gearbeitet.» Er<br />

stockt und streicht sich <strong>mit</strong> seiner sehnigen Hand durch die Haare.<br />

«Aber was in <strong>der</strong> letzten Zeit so alles passiert, das habe ich in all den<br />

vielen Jahren zuvor nie erlebt. Die Rhätische Bahn will bis spätestens<br />

im Herbst 140 Stellen streichen, wobei <strong>der</strong> <strong>Bahnhof</strong> <strong>Davos</strong> Dorf<br />

geschlossen werden soll.» Felix Murk schaut orientierungslos aus<br />

dem Fenster. «Ich verstehe das einfach nicht, <strong>der</strong> <strong>Bahnhof</strong> <strong>Davos</strong><br />

Dorf macht einen Jahresumsatz von einer Million Franken», sagt er<br />

seufzend und schüttelt den Kopf. «Wenn die Rhätische Bahn mir ein<br />

gutes finanzielles Angebot macht, gehe ich in Pension.» Die<br />

Sorgenfalten auf seinem Gesicht glätten sich, ein Lächeln huscht<br />

über sein Gesicht.<br />

Draussen steigen Hans Gasser (60) und Claudio Wohler (30) in den<br />

Rangierzug, den beide liebevoll «Traktor» nennen. Sie müssen den<br />

Bierwagen ins Calandabräu-Depot bringen. «Isch grüan, chasch<br />

fahra», ruft Claudio Wohler seinem Kollegen zu. «Pfffiiii!», und <strong>der</strong><br />

Rangierzug setzt sich in Bewegung. Es rumpelt und ruckelt. Mit<br />

fünfzig Stundenkilometer fährt <strong>der</strong> Traktor in Richtung <strong>Bahnhof</strong> <strong>Davos</strong><br />

Dorf. «So, wir sind da», sagt Hans Gasser. «Ich gehe das Tor<br />

2


öffnen», ruft Claudio Wohler, und <strong>mit</strong> einem grossen Sprung landet er<br />

im Schnee. «Ist gut, du kannst fahren», ruft er über Funk. Hans<br />

Gasser witzelt und schaltet den grossen Hebel um auf «Fahren». Seit<br />

vierzig Jahren arbeitet er bei <strong>der</strong> <strong>Rhätischen</strong> Bahn – und er macht<br />

einen zufriedenen Eindruck. Im Calandabräu-Depot ange<strong>kommen</strong>,<br />

löst Claudio Wohler den Bierwagen vom Traktor. «Alles in Ordnung,<br />

du kannst zurückfahren», ruft er seinem Kollegen zu. Seit 17 Jahren<br />

arbeitet Wohler bei <strong>der</strong> Bahn. Er ist ein hagerer, zurückhalten<strong>der</strong> Typ.<br />

«Mir gefällt das Rangieren. Ich bin gerne draussen an <strong>der</strong> frischen<br />

Luft.» Auf <strong>der</strong> Fahrt zurück zum <strong>Bahnhof</strong> <strong>Davos</strong> <strong>Platz</strong> sind beide still,<br />

<strong>der</strong> Traktor rumpelt und quietscht. «Du Hans, i ha jetz Firobe, waisch<br />

du das?», sagt Wohler grinsend. Der Traktor hält an und <strong>der</strong> junge<br />

Mann hüpft vom grossen Ungetüm, blickt zurück, winkt, lacht und<br />

läuft davon.<br />

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