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Anwesenheit - Die Seelsorge der ERKF in den Institutionen des Kantons Freiburg

Broschüre Seelsorge_deutsch-def-20220223

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ANWESENHEIT<br />

DIE SEELSORGE DER EVANGELISCH-<br />

REFORMIERTEN KIRCHE IN DEN<br />

INSTITUTIONEN DES KANTONS FREIBURG


LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />

Wo Kirche ist, ist <strong>Seelsorge</strong>: Es gehört zum<br />

Auftrag <strong>des</strong> Evangeliums, e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> beizustehen,<br />

zuzuhören, zu trösten, zu ermutigen.<br />

<strong>Seelsorge</strong> geschieht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kirchgeme<strong>in</strong>de,<br />

zum Beispiel bei Hausbesuchen. Aber auch<br />

<strong>in</strong> Schulen, Spitälern, an <strong>der</strong> Uni o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Justizvollzugsanstalt. In dieser Broschüre erhalten<br />

Sie e<strong>in</strong>en Überblick über die Arbeit reformierter<br />

<strong>Seelsorge</strong>r und <strong>Seelsorge</strong>r<strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> <strong>Institutionen</strong> <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> <strong>Freiburg</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Vielfalt dieses <strong>Seelsorge</strong>angebots ist bemerkenswert.<br />

Bekanntlich gehört die Evangelisch-reformierte<br />

Kirche <strong>des</strong> grossmehrheitlich<br />

katholischen <strong>Kantons</strong> <strong>Freiburg</strong> nicht<br />

zu <strong>den</strong> grossen Kirchen. Deshalb haben<br />

die reformierten <strong>Seelsorge</strong>n<strong>den</strong> auch entsprechend<br />

weniger Stellenprozente zur Verfügung.<br />

Umso wichtiger ist die ökumenische<br />

Zusammenarbeit. An <strong>den</strong> meisten Orten<br />

funktioniert sie ausgezeichnet. E<strong>in</strong> Grund<br />

zur Dankbarkeit.<br />

Auch wenn die <strong>Seelsorge</strong>n<strong>den</strong> reformiert<br />

s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d sie nicht nur für die Reformierten<br />

da. <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> <strong>Institutionen</strong> ist auch e<strong>in</strong><br />

<strong>Die</strong>nst <strong>der</strong> Kirche an <strong>der</strong> Welt, e<strong>in</strong> Zeichen<br />

für die Zuwendung Gottes, die ohne Unterschied<br />

<strong>der</strong> tamilischen Patient<strong>in</strong> und dem<br />

<strong>Freiburg</strong>er Stu<strong>den</strong>ten, <strong>der</strong> Heimbewohner<strong>in</strong><br />

und dem Asylbewerber gilt.<br />

Für die Qualität <strong>der</strong> <strong>Seelsorge</strong> ist die Zusammenarbeit<br />

mit <strong>der</strong> Institution wesentlich.<br />

Hier gibt es e<strong>in</strong>e erfreuliche Entwicklung:<br />

<strong>Die</strong> spirituellen Bedürfnisse <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong>nen,<br />

Heimbewohner o<strong>der</strong> Gefängnis<strong>in</strong>sassen wer<strong>den</strong><br />

mehr und mehr ernstgenommen. In <strong>den</strong><br />

allermeisten <strong>Institutionen</strong> wird die <strong>Seelsorge</strong><br />

sehr geschätzt, an e<strong>in</strong>igen Stellen wird <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är<br />

zusammengearbeitet. Hilfreich<br />

dabei ist, dass <strong>in</strong>zwischen fast alle <strong>Seelsorge</strong>n<strong>den</strong><br />

e<strong>in</strong>e Zusatzausbildung für ihre<br />

Tätigkeit haben und sich permanent weiterbil<strong>den</strong>.<br />

<strong>Die</strong>se Broschüre ist e<strong>in</strong>e Momentaufnahme.<br />

In e<strong>in</strong>igen Jahren wer<strong>den</strong> die Stellen von<br />

an<strong>der</strong>en besetzt se<strong>in</strong>. Was bleibt, ist die E<strong>in</strong>sicht,<br />

dass wir mit relativ beschei<strong>den</strong>en<br />

Mitteln sehr viel bewirken können.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>formative Lektüre wünscht<br />

Therese Chammart<strong>in</strong>, Synodalrät<strong>in</strong>,<br />

Ressort <strong>Seelsorge</strong><br />

An diesen Orten im Kanton können Sie <strong>Seelsorge</strong>rn<br />

und <strong>Seelsorge</strong>r<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Evangelisch-reformierten Kirche<br />

<strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> <strong>Freiburg</strong> begegnen (unvollständige Liste):<br />

Menschen im Spital<br />

Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie<br />

Junge Menschen<br />

Menschen mit e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

Studierende<br />

Menschen im Gefängnis<br />

Menschen, die nicht hierbleiben dürfen<br />

Alte Menschen<br />

Foto: Patrick Pellegr<strong>in</strong>i


DAS ABENTEUER DER BEGEGNUNG<br />

<strong>Seelsorge</strong>r<strong>in</strong> Elsbeth von Känel im Gespräch mit e<strong>in</strong>er Patient<strong>in</strong>.<br />

GESUNDHEIT: HFR<br />

<strong>Freiburg</strong>er Spitäler<br />

· Standorte: <strong>Freiburg</strong>, Meyriez, Tafers, Riaz, Billens<br />

· <strong>Seelsorge</strong>nde: Daniel Nagy, Christian R<strong>in</strong>iker,<br />

Elsbeth von Känel, Marianne Weymann<br />

Foto: Margrit Seiler<br />

Fünf reformierte Pfarrpersonen s<strong>in</strong>d aktuell<br />

an <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Standorten <strong>des</strong> <strong>Freiburg</strong>er<br />

Spitals HFR tätig: Daniel Nagy und<br />

Tania Guillaume im <strong>Kantons</strong>spital <strong>Freiburg</strong>,<br />

Christian R<strong>in</strong>iker <strong>in</strong> Meyriez, Elsbeth von Känel<br />

<strong>in</strong> Tafers und Marianne Weymann <strong>in</strong> Riaz<br />

und Billens. In Riaz, Billens und Meyriez besuchen<br />

die <strong>Seelsorge</strong>r schon seit e<strong>in</strong>iger Zeit<br />

nicht mehr nur die reformierten Patienten,<br />

son<strong>der</strong>n s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Absprache mit <strong>den</strong> katholischen<br />

Kollegen für alle Patienten e<strong>in</strong>er Abteilung<br />

zuständig. Damit fängt man im <strong>Kantons</strong>spital<br />

gerade an. Daniel Nagy f<strong>in</strong>det die<br />

neue Aufteilung s<strong>in</strong>nvoll: «Wenn wir immer<br />

auf die gleiche Abteilung gehen, lernt uns<br />

das Spitalpersonal besser kennen», sagt er.<br />

<strong>Die</strong> allermeisten Patient<strong>in</strong>nen und Patienten<br />

freuen sich über <strong>den</strong> Besuch, auch wenn sie<br />

ke<strong>in</strong>en Bedarf für e<strong>in</strong> Gespräch haben. Vor<br />

allem, wenn ihnen klar wird, dass die Pfarrer<strong>in</strong><br />

we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Moralpredigt halten, noch<br />

bekehren will. «Mit Ihnen kann man ja ganz<br />

normal re<strong>den</strong>», sagte e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Patient erstaunt<br />

zu Elsbeth von Känel. <strong>Die</strong> Konfession<br />

ist dabei zweitrangig. Oft ist die Reaktion<br />

katholischer Patienten: «Wir haben doch alle<br />

<strong>den</strong> gleichen Gott.» Und wenn tatsächlich<br />

e<strong>in</strong> katholischer Kollege gewünscht wird,<br />

gibt <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Reformierte das weiter.<br />

<strong>Die</strong> eigentliche Arbeit ist <strong>in</strong> allen Spitälern<br />

die gleiche. Zuerst kommt das Zuhören.<br />

Manche Patienten wollen über die Gründe<br />

sprechen, die sie <strong>in</strong>s Spital geführt haben.<br />

An<strong>der</strong>e machen sich Sorgen um ihre Angehörigen<br />

o<strong>der</strong> um <strong>den</strong> bevorstehen<strong>den</strong><br />

Umzug <strong>in</strong>s Altersheim. Immer wie<strong>der</strong> ist<br />

auch <strong>der</strong> Tod e<strong>in</strong> Thema. Dann versucht die<br />

<strong>Seelsorge</strong>r<strong>in</strong> herauszuf<strong>in</strong><strong>den</strong>, ob spirituelle<br />

Elemente gut tun könnten, e<strong>in</strong> Gebet, e<strong>in</strong><br />

Bibeltext o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Lied. Man muss es ansprechen,<br />

sagt Elsbeth von Känel. «Von selber<br />

kommen die Leute meist nicht darauf,<br />

um e<strong>in</strong> Gebet zu bitten. Wenn man es vorschlägt,<br />

s<strong>in</strong>d über zwei Drittel dafür.»<br />

Erschwerend f<strong>in</strong><strong>den</strong> die <strong>Seelsorge</strong>n<strong>den</strong>, dass<br />

sie für ihre Besuche immer Nischen im normalen<br />

Spitalalltag f<strong>in</strong><strong>den</strong> müssen. Der Vormittag<br />

wird von Pflege und Arztvisite geprägt,<br />

am Nachmittag kommen Angehörige<br />

und Freunde. Wünschenswert wäre manchmal<br />

auch e<strong>in</strong> stärkeres Bewusstse<strong>in</strong> <strong>des</strong> Pflegepersonals<br />

für die Angebote <strong>der</strong> <strong>Seelsorge</strong>.<br />

Trotz allem machen die <strong>Seelsorge</strong>n<strong>den</strong><br />

ihre Arbeit ausgesprochen gern. Vor allem<br />

die vielfältigen Begegnungen s<strong>in</strong>d für sie<br />

e<strong>in</strong> unschätzbares Plus. «Jede Begegnung<br />

ist e<strong>in</strong> neues Abenteuer», sagt Daniel Nagy.<br />

E<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Arbeit macht Tania Guillaume,<br />

die für die Palliativabteilung arbeitet:<br />

Sie betreut nicht kranke Menschen, son<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong>en Angehörige nach e<strong>in</strong>em Trauerfall. E<strong>in</strong>ige<br />

Zeit später bietet sie ihnen Gespräche<br />

an. Wenn Menschen schwer Worte f<strong>in</strong><strong>den</strong>,<br />

arbeitet sie kreativ: <strong>Die</strong> Trauern<strong>den</strong> dürfen<br />

SoulCollage®-Karten gestalten o<strong>der</strong> e<strong>in</strong><br />

Trauertagebuch führen, das sie mit nach<br />

Hause nehmen können. «Damit haben sie<br />

e<strong>in</strong> eigenes Werkzeug, um selbständig weitertrauern<br />

zu können», sagt Guillaume.


DAS ÖL AUF DER VELOKETTE<br />

Zum Spital <strong>in</strong> Marsens gehört e<strong>in</strong>e Kapelle aus dem 17. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

GESUNDHEIT: FNPG<br />

Foto: Marianne Weymann<br />

Es ist e<strong>in</strong> Ort, <strong>der</strong> immer noch Ängste weckt:<br />

<strong>Die</strong> stationären Behandlungszentrum <strong>des</strong><br />

<strong>Freiburg</strong>er Netzwerks für psychische Gesundheit<br />

<strong>in</strong> Marsens und Villars-sur-Glâne.<br />

Von <strong>in</strong>nen sieht das ganz an<strong>der</strong>s aus. «Ich<br />

treffe wun<strong>der</strong>bare Menschen hier», sagt<br />

Pfarrer<strong>in</strong> Marianne Weymann, reformierte<br />

<strong>Seelsorge</strong>r<strong>in</strong> vor Ort. <strong>Die</strong> Psychiatrie sei e<strong>in</strong><br />

Ort, an dem es e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es Bedürfnis<br />

für seelsorgerliche Begleitung gebe. Denn<br />

e<strong>in</strong>e psychische Erkrankung zw<strong>in</strong>gt die Betroffenen,<br />

sich Fragen zu stellen, die wir im<br />

täglichen Leben gern verdrängen: Wer b<strong>in</strong><br />

ich überhaupt? Was für e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n hat das<br />

Ganze? Wie kann ich weiterleben?<br />

«<strong>Die</strong> Instagram-Fassade, die wir normalerweise<br />

von uns preisgeben, erhält hier e<strong>in</strong>en<br />

Riss», sagt Weymann. Was darunter liegt,<br />

betrifft uns alle, ob krank o<strong>der</strong> gesund: <strong>Die</strong><br />

Endlichkeit und Beschränktheit menschlichen<br />

Lebens, die Unverfügbarkeit von Gesundheit<br />

o<strong>der</strong> Erfolg. Was die <strong>Seelsorge</strong>r<strong>in</strong><br />

zu vermitteln versucht: Dass wir mit unseren<br />

Abgrün<strong>den</strong> nicht nur leben müssen,<br />

son<strong>der</strong>n auch können. Dass <strong>der</strong> Wert e<strong>in</strong>es<br />

Menschen nicht von se<strong>in</strong>er Leistungsfähigkeit,<br />

se<strong>in</strong>em Funktionieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

abhängt, son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong> unbed<strong>in</strong>gten<br />

Liebe Gottes. Dass er uns immer und<br />

<strong>in</strong> allen Situationen Vergebung und e<strong>in</strong>en<br />

möglichen Neuanfang verspricht.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Seelsorge</strong>r<strong>in</strong> ist dankbar für die Wertschätzung,<br />

die sie erfahren darf. Tief berührt<br />

hat sie zum Beispiel dieser Ausspruch e<strong>in</strong>es<br />

Patienten: «Du bist wie das Öl auf <strong>der</strong> Velokette.<br />

Treten muss ich selber, aber mit geölter<br />

Kette geht es leichter.»<br />

<strong>Freiburg</strong>er Netzwerk für psychische Gesundheit<br />

· Standorte: Marsens, Villars-sur-Glâne<br />

· <strong>Seelsorge</strong>r<strong>in</strong>: Marianne Weymann<br />

Foto: FNPG


DEN BLICK AUF DIE WELT ÖFFNEN<br />

BILDUNG:<br />

SEELSORGE AN HÖHEREN SCHULEN<br />

Gymnasien und Fachmittelschulen<br />

· Standorte: <strong>Freiburg</strong>, Bulle<br />

· <strong>Seelsorge</strong>r<strong>in</strong>: Estelle Zb<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

8<br />

Fotos: Estelle Zb<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Pfarrer<strong>in</strong> Estelle Zb<strong>in</strong><strong>den</strong> hat ke<strong>in</strong>e Bürozeiten,<br />

die <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> fünf Mittelschulen<br />

<strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> geschieht <strong>in</strong> Projekten.<br />

Dafür müssen die Angebote aber erst e<strong>in</strong>mal<br />

bekannt gemacht wer<strong>den</strong>.<br />

«Im normalen Schulalltag gehen wir schnell<br />

unter», sagt Zb<strong>in</strong><strong>den</strong>. «Wir», das s<strong>in</strong>d ausser<br />

Zb<strong>in</strong><strong>den</strong> noch fünf katholische Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

und Kollegen, mit <strong>den</strong>en sie eng zusammenarbeitet,<br />

sie haben sich die Schulen untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

aufgeteilt. Zum Schuljahresbeg<strong>in</strong>n<br />

gibt es e<strong>in</strong>e Präsentation und e<strong>in</strong>en Stand,<br />

an dem die Jugendlichen zum Beispiel spielerisch<br />

über ihren Lebensweg nach<strong>den</strong>ken<br />

können. Weitere Höhepunkte <strong>des</strong> Jahres s<strong>in</strong>d<br />

e<strong>in</strong>e ökumenische Weihnachtsfeier <strong>in</strong> je<strong>der</strong><br />

Schule und natürlich das W<strong>in</strong>tercamp auf<br />

dem Simplon, für das die Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schüler sich vom Unterricht befreien lassen<br />

können. Ski, Snowboard o<strong>der</strong> Schneeschuhwan<strong>der</strong>n<br />

s<strong>in</strong>d da angesagt, aber auch Diskussionen<br />

zu e<strong>in</strong>em vorher gewählten Thema<br />

und Andachten. Je<strong>des</strong> Jahr s<strong>in</strong>d zwischen<br />

25 und 30 Jugendliche mit dabei, katholisch<br />

reformiert o<strong>der</strong> auch muslimisch.<br />

Diskutiert wird auch an <strong>den</strong> Projektwochen,<br />

für die die <strong>Seelsorge</strong>n<strong>den</strong> regelmässig<br />

Themen anbieten. Zum Beispiel «Mission<br />

(im)possible». O<strong>der</strong>: «Wie können wir mit<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gen umgehen?» Dafür konnten die<br />

Teilnehmen<strong>den</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gen begegnen,<br />

ihnen Fragen stellen und sich das von ihnen<br />

zubereitete Essen schmecken lassen.<br />

«Uns geht es vor allem um die Begegnung»,<br />

sagt Zb<strong>in</strong><strong>den</strong>. <strong>Die</strong>s ermögliche <strong>den</strong> Jugendlichen,<br />

für e<strong>in</strong>mal ihre kuschelige Blase zu<br />

verlassen, etwas an<strong>der</strong>es von <strong>der</strong> Welt zu<br />

sehen als Schule, Familie und Handy. Daran<br />

s<strong>in</strong>d auch die Jungen <strong>in</strong>teressiert. Und sie<br />

wollen sich auch engagieren. So gründete<br />

e<strong>in</strong> Schüler vom Collège St Michel e<strong>in</strong>en<br />

Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> schwangere Frauen <strong>in</strong> Afrika unterstützt.<br />

Wenn e<strong>in</strong>e Schüler<strong>in</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Schüler gern<br />

alle<strong>in</strong> mit <strong>der</strong> <strong>Seelsorge</strong>r<strong>in</strong> re<strong>den</strong> möchte,<br />

geht das natürlich auch. Aber es ist eher<br />

selten. E<strong>in</strong>e neue Entwicklung zeichnet sich<br />

nach mehreren Suizi<strong>den</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Mittelschule<br />

ab: <strong>Die</strong> <strong>Seelsorge</strong>n<strong>den</strong> wur<strong>den</strong> gebeten,<br />

Schüler und Lehrer bei <strong>der</strong> Bewältigung dieser<br />

tragischen Ereignisse zu unterstützen.<br />

«In mehreren Schulen wird jetzt <strong>der</strong> Wunsch<br />

geäussert, dass wir auch so etwas wie Care-<br />

Team-Aufgaben übernehmen», so Zb<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

«Langsam wird erkannt, dass wir nicht nur<br />

dazu da s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong> bisschen Religion <strong>in</strong> die<br />

Schule zu br<strong>in</strong>gen.»


GEGEN KOPFLASTIGKEIT UND PRÜFUNGSSTRESS<br />

Studierende wer<strong>den</strong> kreativ.<br />

Fotos: Tania Guillaume<br />

BILDUNG: SEELSORGE AN DER UNIVERSITÄT<br />

Lustiges Stu<strong>den</strong>tenleben, das war e<strong>in</strong>mal.<br />

Heute s<strong>in</strong>d die Erwartungen an Studierende<br />

gestiegen: Lernen, präsentieren, Bologna-<br />

Punkte sammeln, Bewerbungen für das<br />

Praktikum schreiben, vielleicht nebenbei<br />

noch Geld verdienen. Das kann zu regelrechtem<br />

Stress ausarten. Momente <strong>der</strong> Stille,<br />

<strong>des</strong> Zur-Ruhe-Kommens und Loslassens s<strong>in</strong>d<br />

<strong>des</strong>halb unentbehrlich.<br />

Genau dies bietet die reformierte Uniseelsorger<strong>in</strong><br />

Tania Guillaume an, an drei Tagen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche über Mittag. Am <strong>Die</strong>nstag ist<br />

es Meditation <strong>in</strong> Bewegung (Shibashi). «An<br />

<strong>der</strong> Uni sitzt man sowieso andauernd», sagt<br />

die <strong>Seelsorge</strong>r<strong>in</strong>. «Da tut Bewegung gut.» Der<br />

Kurs wurde auf Anfrage <strong>der</strong> Teilnehmen<strong>den</strong><br />

gestartet, es kommen immer um die fünfzig<br />

Leute. Auch Achtsamkeitsmeditation, Meditation<br />

im Sitzen o<strong>der</strong> Techniken <strong>der</strong> Stressbewältigung<br />

kann man bei Guillaume lernen.<br />

Spiritueller Austausch f<strong>in</strong>det auf kreative<br />

Weise statt, <strong>in</strong> Angeboten wie «SpiriBubble»,<br />

«Bible Art» o<strong>der</strong> «Zentrieren<strong>des</strong> Malen». In<br />

E<strong>in</strong>zelgesprächen können die Studieren<strong>den</strong><br />

o<strong>der</strong> auch die Angestellten <strong>der</strong> Universität<br />

Klarheit über ihre Ziele und <strong>den</strong> Weg dorth<strong>in</strong><br />

gew<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> mit Entspannungstechniken<br />

das «Gedankenkarussell <strong>in</strong> ihrem Kopf<br />

stoppen», so Guillaume. Das Angebot wird<br />

gern <strong>in</strong> Anspruch genommen. Es ist nie<strong>der</strong>schwelliger<br />

als <strong>der</strong> Gang zum Psychotherapeuten.<br />

Und ausserdem kann man hier etwas<br />

machen, was man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Psychotherapie<br />

oft nicht wagt: Über <strong>den</strong> Glauben re<strong>den</strong>.<br />

So wird Guillaume im wahrsten S<strong>in</strong>ne <strong>des</strong><br />

Wortes zur Seel-Sorger<strong>in</strong>: «Es geht mir nicht<br />

nur um die Psyche. Ich sorge mich um die<br />

Seele, die sonst kaum zum Zug kommt.» Das<br />

Ziel ist immer das gleiche: «Dass Menschen<br />

so se<strong>in</strong> dürfen, wie Gott es für sie vorgesehen<br />

hat».<br />

· Standort: <strong>Freiburg</strong><br />

· <strong>Seelsorge</strong>r<strong>in</strong>: Tania Guillaume


«DAS WAR NICHT ICH, DAS WAR GOTT»<br />

<strong>Seelsorge</strong>r Willy Niklaus.<br />

SEELSORGE FÜR MENSCHEN<br />

MIT EINER BEHINDERUNG<br />

· Standorte: Diverse <strong>Institutionen</strong> im Kanton<br />

· <strong>Seelsorge</strong>r: Willy Niklaus, Fabienne Weiler<br />

12<br />

Foto: Ellena Aldo<br />

Für Menschen mit e<strong>in</strong>er kognitiven Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

s<strong>in</strong>d im Kanton zwei <strong>Seelsorge</strong>nde<br />

tätig: Sozialdiakon<strong>in</strong> Fabienne Weiler<br />

für die Französischsprachigen, Pfarrer<br />

Willy Niklaus für die Deutschsprachigen. Dazu<br />

erteilt Niklaus noch Religionsunterricht an<br />

<strong>der</strong> Heilpädagogischen Schule <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong><br />

(Les Buissonnets). Dort wird am Anfang e<strong>in</strong>er<br />

Unterrichtsstunde je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne Schüler,<br />

jede Schüler<strong>in</strong> persönlich begrüsst, zum Beispiel<br />

mit e<strong>in</strong>em ihm o<strong>der</strong> ihr zugesungenen<br />

Liedvers. Dann zündet je<strong>des</strong> K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Kerze<br />

an und darf sagen, was es auf dem Herzen<br />

hat und was es sich wünscht, e<strong>in</strong> Gebet o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong> Lied o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fach still se<strong>in</strong>. Beim Unterricht<br />

ist es dann wichtig, konkret zu bleiben.<br />

Wenn zum Beispiel das Reich Gottes im Unservater<br />

Thema ist, dürfen sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus<br />

Ste<strong>in</strong>en, Fe<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Muscheln e<strong>in</strong> eigenes<br />

kle<strong>in</strong>es Reich aufbauen. Und Niklaus sagt<br />

dazu vielleicht: «Im Reich von Jesus lebt man<br />

im Frie<strong>den</strong>, da hat man nicht Krach mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.»<br />

Nicht zu allen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ist <strong>der</strong> Kontakt e<strong>in</strong>fach.<br />

Manchen wird es zu viel, sie wer<strong>den</strong> unruhig<br />

o<strong>der</strong> beteiligen sich nicht. «In e<strong>in</strong>er Gruppe,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> nur Autisten s<strong>in</strong>d, kann ich nicht damit<br />

rechnen, dass etwas ankommt», sagt Niklaus.<br />

«Umso schöner, wenn dann doch e<strong>in</strong>e Reaktion,<br />

e<strong>in</strong> Lächeln kommt, das ist sehr berührend.»<br />

In <strong>den</strong> <strong>Institutionen</strong> für Erwachsene f<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

regelmässig Rituale o<strong>der</strong> «animations spirituelles»<br />

statt. Auch hier wer<strong>den</strong> alle fünf<br />

S<strong>in</strong>ne angesprochen, mit Lie<strong>der</strong>n, Bil<strong>der</strong>n,<br />

Gesten o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em farbigen Dom<strong>in</strong>ospiel,<br />

das durch <strong>den</strong> Jahreslauf begleitet. «Es gibt<br />

Heimbewohner, die nicht sprechen können»,<br />

sagt Fabienne Weiler. Und trotzdem s<strong>in</strong>d sie<br />

gern da. «Es ist nicht so wichtig, was ich sage,<br />

son<strong>der</strong>n wie ich es sage. <strong>Die</strong> Leute hören zu,<br />

auch wenn sie es nicht verstehen.» Wenn die<br />

Kerze angezündet wird, ist es Zeit zum Beten.<br />

«An wen willst du jetzt <strong>den</strong>ken?», fragt<br />

Weiler. Oft s<strong>in</strong>d es Mama, Papa, o<strong>der</strong><br />

Geschwister. «Und dann s<strong>in</strong>d sie so <strong>in</strong>s Gebet<br />

versunken, dass es fast mit Hän<strong>den</strong> greifbar<br />

ist», so Weiler.<br />

Manchmal ist es schwer abzuschätzen, was<br />

die Teilnehmen<strong>den</strong> mitnehmen, vor allem<br />

wenn sie kaum Feedback geben können. Aber<br />

auch hier gibt es Ausnahmen: Zum Beispiel<br />

e<strong>in</strong>e sehr schwer beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Patient<strong>in</strong>, die<br />

während e<strong>in</strong>es Gebetsrituals zwei Mal spontan<br />

nie<strong>der</strong>kniete. «Irgendetwas hat sie berührt»,<br />

sagt Weiler. «Aber wir wer<strong>den</strong> nie wissen,<br />

was es war. Auf alle Fälle war das nicht<br />

ich, das war etwas Grösseres. Das war Gott.»<br />

Sowohl Weiler als auch Niklaus schätzen<br />

die Direktheit und Unmittelbarkeit ihrer Patienten.<br />

«Ob sie sich freuen o<strong>der</strong> ärgern, es<br />

ist viel <strong>in</strong>tensiver. Da ist e<strong>in</strong> sozialer Filter<br />

weniger da», sagt Niklaus. Und Weiler me<strong>in</strong>t:<br />

«Da kann ich mich nicht verstecken. Wenn<br />

ich nicht so <strong>in</strong> Form b<strong>in</strong>, merken sie es sofort<br />

und fragen, was los ist.»<br />

Zwei- bis dreimal im Jahr gibt es e<strong>in</strong>en Gottesdienst<br />

zusammen mit e<strong>in</strong>er katholischen<br />

o<strong>der</strong> reformierten Geme<strong>in</strong>de. Da wird spürbar,<br />

dass Menschen mit e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

ausseror<strong>den</strong>tliche Botschafter s<strong>in</strong>d. Ihr Theater,<br />

ihre Gesten, ihr Tanz ist authentischer,<br />

starker Ausdruck. Das kommt an. Wer damit<br />

schon Erfahrungen hat, möchte es wie<strong>der</strong><br />

machen. Vielleicht besteht die Predigt<br />

dann nur aus e<strong>in</strong> paar Sätzen, aber die Leute<br />

sagen: «Das war jetzt aber schön! Und wir<br />

haben für e<strong>in</strong> Mal alles verstan<strong>den</strong>.» E<strong>in</strong>ige<br />

deutschsprachige Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> bieten dreimal<br />

im Jahr e<strong>in</strong>e Disco für Menschen mit<br />

und ohne Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung an. Das Repertoire<br />

sei eher schlagermässig, die Stimmung<br />

super, sagt Niklaus: «Es gibt Leute, die s<strong>in</strong>d<br />

immer auf dem Parkett am Tanzen.»


«MIT MIR KANN MAN ÜBER ALLES SPRECHEN»<br />

<strong>Seelsorge</strong>r Urs Schmidli mit e<strong>in</strong>em Untersuchungshäftl<strong>in</strong>g. Foto: Jean-Claude Gadamer<br />

SEELSORGE FÜR MENSCHEN IM GEFÄNGNIS<br />

<strong>Freiburg</strong>er Strafanstalten<br />

· Standorte: <strong>Freiburg</strong>, Bellechasse<br />

· <strong>Seelsorge</strong>r: Urs Schmidli, Andreas Hess<br />

Der Kamera <strong>in</strong>s Auge blicken. Tür auf – Tür<br />

zu. Über <strong>den</strong> Hof, Tür auf – Tür zu. An <strong>den</strong><br />

Empfang. Natel abgeben. Tür auf – Tür zu.<br />

So beg<strong>in</strong>nt <strong>der</strong> typische E<strong>in</strong>satz von Pfarrer<br />

Urs Schmidli im <strong>Freiburg</strong>er Untersuchungsgefängnis.<br />

E<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche verbr<strong>in</strong>gt<br />

er dort e<strong>in</strong>en Nachmittag. Und hat immer<br />

etwas zu tun. Drei, vier Gefangene s<strong>in</strong>d es<br />

regelmässig, die sich auf <strong>der</strong> Liste angemeldet<br />

haben, die Gespräche dauern gerne<br />

e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Stunde, manchmal mehr. In <strong>der</strong><br />

Untersuchungshaft s<strong>in</strong>d die Bed<strong>in</strong>gungen<br />

beson<strong>der</strong>s hart: 23 Stun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zelle,<br />

e<strong>in</strong>e Stunde Hofgang, ke<strong>in</strong>e Kontakte nach<br />

aussen. Aber am Schlimmsten ist das Warten:<br />

Es geht nicht voran, wann passiert endlich<br />

was, wann kommt endlich <strong>der</strong> Prozess?<br />

Schmidli nimmt alles auf, was kommt. Wenn<br />

die Häftl<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>fach nach Abwechslung im<br />

monotonen Gefängnisalltag suchen. Wenn<br />

sie Frust loswer<strong>den</strong> müssen. Sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

seelischen Notlage bef<strong>in</strong><strong>den</strong>. O<strong>der</strong> wie<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bibel o<strong>der</strong> im Koran lesen o<strong>der</strong><br />

beten wollen. «Das ist dann immer e<strong>in</strong> sehr<br />

<strong>in</strong>tensiver Moment», sagt Schmidli. «<strong>Die</strong><br />

Gefangenen fühlen sich dann über das Gespräch<br />

h<strong>in</strong>aus getragen.» Schwierig wird es,<br />

wenn <strong>der</strong> Häftl<strong>in</strong>g nicht Französisch o<strong>der</strong><br />

Englisch spricht. O<strong>der</strong> wenn er psychisch so<br />

bee<strong>in</strong>trächtigt ist, dass er eher e<strong>in</strong>e Therapie<br />

als e<strong>in</strong> <strong>Seelsorge</strong>gespräch bräuchte. Aber<br />

<strong>in</strong>sgesamt liebt Schmidli se<strong>in</strong>e Arbeit. Weil<br />

er das Gefühl hat, gebraucht zu wer<strong>den</strong>. «Es<br />

ist sehr wichtig, was Sie hier machen», hat<br />

ihm e<strong>in</strong> Gefangener gesagt.<br />

Fasz<strong>in</strong>ierend f<strong>in</strong>det Schmidli auch <strong>den</strong> Blick<br />

auf «Bereiche <strong>der</strong> Gesellschaft aus <strong>der</strong> Perspektive,<br />

dem Blickw<strong>in</strong>kel von direkt Betroffenen.<br />

Dazu hätte ich sonst nie die Gelegenheit»,<br />

sagt er.<br />

Etwas an<strong>der</strong>s läuft es bei Pfarrer Andreas<br />

Hess, <strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>em 10-Prozent-Pensum die<br />

reformierte <strong>Seelsorge</strong> am Standort Bellechasse<br />

ausübt. Hier verbüssen rund 200<br />

Häftl<strong>in</strong>ge aus 50 Nationen ihre Haftstrafe.<br />

Sie haben mehr Freiheiten als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Untersuchungshaft,<br />

und Hess darf sie unangemeldet<br />

<strong>in</strong> ihrer Zelle aufsuchen. Für nicht wenige<br />

Insassen ist <strong>der</strong> <strong>Seelsorge</strong>r <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Kontakt<br />

zur Aussenwelt. Langzeithäftl<strong>in</strong>ge wünschen<br />

oft regelmässigen Besuch. <strong>Die</strong>se seien<br />

übrigens häufiger Schweizer, während bei<br />

kürzeren Strafen die Auslän<strong>der</strong> überwögen,<br />

sagt Hess. Bei e<strong>in</strong>zelnen geht er jede Woche<br />

vorbei, oft auch kurz, um zu fragen, wie’s<br />

geht. Sprechen kann man mit ihm über alles,<br />

auch über <strong>den</strong> letzten Fussballmatch. «Viele<br />

Insassen s<strong>in</strong>d froh, wenn jemand von aussen<br />

kommt, mit dem sie über das ganz normale<br />

Leben ausserhalb <strong>der</strong> Gefängnismauern re<strong>den</strong><br />

können», sagt Hess. Oft geht es aber<br />

auch um Krisensituationen, e<strong>in</strong>en To<strong>des</strong>fall<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie etwa, o<strong>der</strong> die Enttäuschung<br />

nach e<strong>in</strong>em abgelehnten Rekurs. Viele Gefangene<br />

s<strong>in</strong>d dankbar für e<strong>in</strong> Gebet. An <strong>den</strong><br />

hohen Feiertagen f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e ökumenische<br />

Feier statt, an <strong>der</strong> Hess mitwirkt.


«SILBER UND GOLD HABE ICH NICHT»<br />

SEELSORGE IM ASYLZENTRUM GUGLERA<br />

Bun<strong>des</strong>asylzentrum ohne Verfahrensfunktion (BAZoV)<br />

· Standort: Giffers<br />

· <strong>Seelsorge</strong>r: Andreas Hess<br />

Foto: Andreas Hess<br />

Es ist früh am Morgen, wenn Pfarrer Andreas<br />

Hess se<strong>in</strong>e Arbeit im Bun<strong>des</strong>asylzentrum<br />

ohne Verfahrungsfunktion (BAZoV) <strong>in</strong> Guglera<br />

antritt. Der <strong>Seelsorge</strong>raum bef<strong>in</strong>det sich<br />

gleich neben dem Speisesaal, und so sehen<br />

die Asylsuchen<strong>den</strong> gleich, wenn sie zum<br />

Frühstück kommen, dass <strong>der</strong> <strong>Seelsorge</strong>r da<br />

ist. In Guglera s<strong>in</strong>d Menschen aus allen En<strong>den</strong><br />

<strong>der</strong> Welt anzutreffen. Das ist e<strong>in</strong>e sprachliche<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung für <strong>den</strong> <strong>Seelsorge</strong>r, <strong>der</strong>,<br />

wenn Deutsch, Französisch, Englisch o<strong>der</strong><br />

Italienisch nicht ausreichen, <strong>in</strong>zwischen<br />

auch gern <strong>den</strong> Googel-Translator zur Hand<br />

nimmt. Fast alle Asylsuchen<strong>den</strong> br<strong>in</strong>gen von<br />

zu Hause traumatische Erfahrungen von<br />

Krieg, Gewalt und Armut mit. O<strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />

oft monatelangen Reise über das Mittelmeer<br />

o<strong>der</strong> die Balkanroute, auf <strong>der</strong> sie Schleppern<br />

und Krim<strong>in</strong>ellen ausgeliefert waren.<br />

Und doch haben diese Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Schweiz ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Asyl. Im Gegenteil:<br />

Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Guglera, weil sie die<br />

Schweiz so schnell wie möglich verlassen<br />

sollen. Meistens müssen sie wegen <strong>des</strong> «Dubl<strong>in</strong>-Verfahrens»<br />

<strong>in</strong> das Land zurückreisen, <strong>in</strong><br />

dem sie erstmals e<strong>in</strong>en Asylantrag gestellt<br />

haben. Und nach europäischen Asyl-Standards<br />

s<strong>in</strong>d Armut und gesellschaftliche<br />

Gewalt eben ke<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividueller Asylgrund.<br />

Das ist e<strong>in</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung für <strong>den</strong> <strong>Seelsorge</strong>r,<br />

<strong>der</strong> hier noch mehr als an<strong>der</strong>swo<br />

zwischen se<strong>in</strong>er persönlichen E<strong>in</strong>stellung<br />

und se<strong>in</strong>er Rolle unterschei<strong>den</strong> muss. «Wenn<br />

ich diese Menschen sehe, möchte ich etwas<br />

tun, helfen, E<strong>in</strong>fluss nehmen», sagt Hess. «Als<br />

Privatperson mag ich die Asylpolitik für verfehlt<br />

halten. Als <strong>Seelsorge</strong>r jedoch b<strong>in</strong> ich Teil<br />

<strong>des</strong> Systems, <strong>des</strong>sen Spielregeln ich respektieren<br />

muss.»<br />

Dem Wunsch <strong>der</strong> Asylsuchen<strong>den</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Schweiz bleiben zu dürfen, kann Hess nicht<br />

gerecht wer<strong>den</strong>. Was kann <strong>der</strong> <strong>Seelsorge</strong>r<br />

aber dann tun? Wofür wird er überhaupt<br />

bezahlt? Hess erläutert es an e<strong>in</strong>em Beispiel<br />

aus <strong>der</strong> Apostelgeschichte (3,1-10): Petrus<br />

trifft vor dem Tempel e<strong>in</strong>en gelähmten Bettler.<br />

Er sagt zu ihm: «Silber und Gold habe ich<br />

nicht… Was ich habe, gebe ich dir» und reicht<br />

ihm die Hand, dass er aufstehen kann. So ist<br />

es mit <strong>der</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Guglera: Hess hat ke<strong>in</strong><br />

Silber und Gold, er kann nichts «machen», damit<br />

diese Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz bleiben<br />

können. Aber er kann ihnen zuhören, ihnen<br />

e<strong>in</strong> Stück Würde zurückgeben, e<strong>in</strong>en Bezug<br />

zum jeweiligen Glauben anbieten, beten und<br />

segnen. Und das ist se<strong>in</strong>e Hoffnung: «Dass<br />

die Asylsuchen<strong>den</strong> auf ihre Reise dieses Bild<br />

mitnehmen: Da oben, <strong>in</strong> diesem Zentrum,<br />

da waren Menschen, die mir im Namen <strong>der</strong><br />

christlichen Kirchen zugehört haben, die<br />

mich wahr- und ernstgenommen haben,<br />

die mir die Hand gegeben haben.»


ALTERSHEIME BROYE:<br />

GEMEINSAM AUF DEM WEG<br />

<strong>Die</strong> allermeisten Altersheime <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong><br />

<strong>Freiburg</strong> wer<strong>den</strong> seelsorgerlich von Pfarrern<br />

o<strong>der</strong> sozialdiakonischen Mitarbeitern <strong>der</strong><br />

zuständigen Kirchgeme<strong>in</strong>de betreut. E<strong>in</strong>e<br />

Ausnahme ist <strong>der</strong> Bezirk Broye: E<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barung<br />

zwischen <strong>den</strong> politischen und <strong>den</strong><br />

Kirchgeme<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>der</strong> Region stellt die reformierte<br />

und katholische <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> vier<br />

Altersheimen <strong>des</strong> freiburgischen Broye-Bezirks<br />

sicher. <strong>Die</strong>s entspricht e<strong>in</strong>er 30-Prozent-Stelle<br />

für die reformierte <strong>Seelsorge</strong>.<br />

<strong>Die</strong> aktuelle Stellen<strong>in</strong>haber<strong>in</strong> Pfarrer<strong>in</strong> Liliane<br />

Himbaza ist froh darüber: «Als ich noch Geme<strong>in</strong>depfarrer<strong>in</strong><br />

war, hatte ich kaum Zeit für<br />

die Altersheime. Jetzt ist viel mehr möglich»,<br />

sagt sie.<br />

und Bewohner daran teil. Geschätzt wer<strong>den</strong><br />

auch die vor kurzem e<strong>in</strong>geführten Abschiedsrituale<br />

für Verstorbene: e<strong>in</strong>e Kerze, e<strong>in</strong> bes<strong>in</strong>nlicher<br />

Text, e<strong>in</strong> Lied, e<strong>in</strong> Bild, e<strong>in</strong> Objekt,<br />

das <strong>der</strong> Person wichtig war – e<strong>in</strong>mal war es<br />

e<strong>in</strong>e elektrische Eisenbahn. Er<strong>in</strong>nerungen<br />

an e<strong>in</strong> gelebtes Leben – das ist hilfreich für<br />

Menschen, die sich meistens nicht mehr selber<br />

auf e<strong>in</strong>e Abdankung begeben können.<br />

All dies wäre nicht möglich ohne die <strong>in</strong> je<strong>der</strong><br />

H<strong>in</strong>sicht erfreuliche Zusammenarbeit<br />

mit dem Personal für Pflege und Animation.<br />

«So kann die <strong>Seelsorge</strong> e<strong>in</strong> Teil <strong>des</strong> Heimlebens<br />

wer<strong>den</strong>», sagt Himbaza.<br />

SEELSORGE FÜR ALTE MENSCHEN<br />

· Standorte: Estavayer-le-Lac, Domdidier,<br />

Montagny-la-Ville, Gletterens<br />

· <strong>Seelsorge</strong>r<strong>in</strong>: Liliane Himbaza<br />

Foto: Pixabay<br />

Himbaza besucht vor allem die reformierten<br />

Bewohner. Sie bietet e<strong>in</strong> offenes Ohr und e<strong>in</strong>e<br />

Begleitung an, auf spiritueller o<strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong><br />

menschlicher Ebene. Offene Fragen, Suche<br />

nach S<strong>in</strong>n, Leid und Freude wer<strong>den</strong> hier offen<br />

und e<strong>in</strong>fach geteilt. Für die Bewohner, die<br />

das wünschen, hat sie e<strong>in</strong>en Bibeltext o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong> Gebet bereit. Manchmal s<strong>in</strong>gt sie. «Musik<br />

öffnet noch an<strong>der</strong>e Räume als Sprache», sagt<br />

sie. Damit könne zuweilen noch e<strong>in</strong> Kontakt<br />

mit Menschen hergestellt wer<strong>den</strong>, die sonst<br />

nicht mehr kommunizieren können.<br />

Ausser <strong>in</strong>dividuellen Besuchen gibt es <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Altersheimen regelmässige Gottesdienste,<br />

ökumenische Feiern und «groupes de parole»<br />

(Gesprächskreise), <strong>in</strong> <strong>den</strong>en sich die<br />

Bewohner über e<strong>in</strong> vorher festgelegtes Thema<br />

austauschen können. <strong>Die</strong>se Gruppen f<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

grossen Anklang, <strong>in</strong> Estavayer nehmen<br />

je<strong>des</strong> Mal rund zwanzig Bewohner<strong>in</strong>nen


Von l<strong>in</strong>ks: Elsbeth von Känel, Estelle Zb<strong>in</strong><strong>den</strong>, Christian R<strong>in</strong>iker, Marianne Weymann,<br />

Andreas Hess, Urs Schmidli, Daniel Nagy, Willy Niklaus, Liliane Himbaza.<br />

Nicht auf dem Bild: Tania Guillaume, Fabienne Weiler.<br />

Foto: Therese Chammart<strong>in</strong><br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber: <strong>ERKF</strong><br />

Texte:<br />

Marianne Weymann<br />

Layout: QuadroArt, Murten<br />

Übersetzung: Apostroph Group, Bern<br />

Fotos Deckblatt: Marianne Weymann/Pfarrbriefservice

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