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150 3.1 Grundlagen der Thermogravimetrie<br />
3 Thermogravimetrie - TG<br />
3.1 Grundlagen der Thermogravimetrie<br />
3.1.1 Einleitung<br />
Mit Hilfe der Thermogravimetrie (TG) wird die Masse bzw. die Massenänderung<br />
einer Probe in Abhängigkeit von der Temperatur und/oder der Zeit gemessen.<br />
Massenänderungen treten bei Verdampfung, Zersetzung, chemischen Reaktionen,<br />
magnetischen oder elektrischen Umwandlungen auf. Die Thermogravimetrie ist in<br />
DIN EN ISO 11358 [1] und DIN 51 006 [2] genormt. Um Verwechslungen mit der<br />
Abkürzung Tg für die Glasübergangstemperatur zu entgehen, wird häufig auch die<br />
Abkürzung TGA für die Thermogravimetrische Analyse gebraucht.<br />
Massenänderung in Abhängigkeit von Temperatur und/oder Zeit<br />
Von großer Bedeutung sind die Wahl des Spülgases und der Zustand im Probenraum.<br />
Verwendet werden inerte oder oxidierende Spülgase, z.B. Stickstoff, Helium, Argon<br />
bzw. Sauerstoff oder Luft (in Einzelfällen wird die Messung auch unter Vakuum<br />
durchgeführt, bzw. der Probenraum vor Messbeginn evakuiert). Die Wärmeübertragung<br />
auf die Probe ist von der Strömungsgeschwindigkeit des Gases abhängig.<br />
3.1.2 Messprinzip<br />
Ofen<br />
Probe Thermoelement<br />
Kompensation<br />
Bild 3.1 Schematische Darstellung einer horizontalen Thermowaage<br />
Die während der Messung auftretende Massenänderung der Probe wird durch eine<br />
elektromagnetisch oder elektromechanisch kompensierende Waage mittels lichtschrankengesteuertem<br />
Regelkreislauf zur Nulllage ausgeregelt. Aus dem Kompensa-<br />
0
3 Thermogravimetrie – TG 151<br />
tionssignal wird die Masse der Probe in Abhängigkeit von Temperatur und Zeit bestimmt.<br />
In Bild 3.1 ist eine horizontale Thermowaage dargestellt; ebenso werden auch vertikal<br />
aufgebaute thermogravimetrische Apparaturen eingesetzt.<br />
Neben reinen Thermowaagen liefern sog. simultane Thermowaagen während eines<br />
Aufheizvorgangs gleichzeitig Informationen über die Massen- (TG-Signal) und<br />
Temperatur- (DTA-Signal) bzw. Wärmestromänderung (DSC-Signal) der Probe. Auf<br />
diese Weise kann beispielsweise ein endothermer Effekt anhand der TG-Kurve direkt<br />
einem mit Massenverlust verbundenen (Abdampfen) oder nicht mit Massenverlust<br />
(Schmelzen) verbundenen Vorgang zugeordnet werden. Manche Geräte erlauben<br />
auch quantitative Aussagen z.B. über Schmelz- oder Vernetzungsenthalpien, die<br />
jedoch, verglichen mit einem eigenständigen DSC-Gerät, vor dem Hintergrund ungünstigerer<br />
Gerätekennwerte zu sehen sind.<br />
Auch Kopplungen von Thermowaagen mit FTIR- oder Massenspektrometern werden<br />
in der Kunststoffanalytik eingesetzt. Der Einsatz von Kopplungen ist immer<br />
dann vorteilhaft, wenn eine Identifizierung der Stoffe erfolgen muss, die zu einem<br />
bestimmten Massenverlust gehören. Das Prinzip solcher Kopplungen besteht darin,<br />
dass, die beim Aufheizen in der Thermowaage entstandenen gasförmigen Komponenten<br />
mit einem konstanten Gasstrom in eine weitere Messzelle überführt werden.<br />
Bei einer TGA/FTIR-Kopplung geschieht dies über eine Transferleitung, die ebenso<br />
wie die Messzelle geheizt werden muss, um die Bildung von Kondensat zu unterdrücken.<br />
Die Interpretation der Ergebnisse bedarf einiger Erfahrung, vor allem dann,<br />
wenn beim thermischen Abbau mehrere Komponenten gleichzeitig auftreten. Bei IRinaktiven<br />
Gase, wie Sauerstoff oder Stickstoff empfiehlt sich eine TGA/MS-<br />
Kopplung. Kritisch bei dieser Kopplungsmethode ist die Verknüpfung von TG und<br />
MS, da hierbei der Druck von der Thermogravimetrie kommend auf Vakuum im<br />
Massenspektrometer reduziert werden muss.<br />
3.1.3 Messablauf und Einflussfaktoren<br />
Die Vorgehensweise bei der Thermogravimetrie ist:<br />
– Probenpräparation<br />
– Einstellen des Spülgasstroms<br />
– Tarieren der Waage<br />
– Probeneingabe/ automatisches Wiegen der Probenmasse<br />
– Wahl eines geeigneten Messprogramms<br />
Die geräte- und probenspezifischen Einflussgrößen sind:
152 3.1 Grundlagen der Thermogravimetrie<br />
Heizrate<br />
Einwaage<br />
ProbenvorProbenvorbehandlungbehandlung Einflussfaktoren<br />
Spülgas/-strom<br />
Die Einflussfaktoren und Fehlermöglichkeiten bei der Versuchsdurchführung werden<br />
anhand von Messkurven praktischer Beispiele in Kap. 3.2.2 ausführlich erläutert.<br />
3.1.4 Auswertung<br />
Bei der Thermogravimetrie wird die Massenänderung einer Probe entweder absolut<br />
in mg oder relativ in %, bezogen auf die Ausgangsmasse, über der Temperatur oder<br />
der Zeit aufgetragen. Die Massenänderung von Kunststoffen kann einstufig oder<br />
mehrstufig erfolgen.<br />
Massenänderung kann einstufig oder mehrstufig erfolgen.<br />
3.1.4.1 Einstufige Massenänderung<br />
Bild 3.2 zeigt die Bestimmung charakteristischer Temperaturen einer einstufigen<br />
Massenabnahme nach DIN EN ISO 11358 [1]. Dabei werden aus der TG-Kurve<br />
anhand von Tangentenkonstruktionen die Punkte A, B und C sowie die zugehörenden<br />
Temperaturen TA als Anfangs-, TB als End- und TC als Mittenpunktstemperatur:<br />
bestimmt. Bei einer Auftragung über die Zeit werden die Zeiten tA, tB und tC<br />
ausgewertet.<br />
Die Massenabnahme ML in %, ergibt sich aus den Massen ms (vor dem Aufheizen)<br />
und mf (bei der Endtemperatur TB) anhand folgender Gleichung:<br />
Thermoelement<br />
Tiegel
3 Thermogravimetrie – TG 153<br />
A<br />
m s<br />
Masse [mg]<br />
m f<br />
Anfangspunkt:<br />
ms<br />
− mf<br />
ML<br />
= × 100<br />
m<br />
s<br />
T A<br />
t A<br />
A<br />
T C<br />
t C<br />
C<br />
T B<br />
t B<br />
B<br />
[ % ]<br />
Temperatur T [°C]<br />
Zeit t [ min]<br />
Schnittpunkt der Extrapolationsgeraden für die Anfangsmasse<br />
mit der Tangente an die TG-Kurve im maximalen<br />
Gradienten<br />
B Endpunkt:<br />
Schnittpunkt der Extrapolationsgeraden für die Endmasse<br />
nach der Reaktion mit der Tangente an die TG-Kurve<br />
im maximalen Gradienten<br />
C Mittenpunkt: Schnittpunkt der TG-Kurve mit der Parallelen zur Abszissenachse<br />
durch den Mittelpunkt zwischen A und B<br />
TA/tA Anfangspunkttemp./-zeit: Temperatur/Zeit beim Anfangspunkt<br />
TB/tB Endpunkttemp./-zeit: Temperatur/Zeit beim Endpunkt<br />
TC/tC Mittenpunkttemp./-zeit: Temperatur/Zeit beim Mittelpunkt<br />
ms Ausgangsmasse: Masse vor dem Aufheizen<br />
mf Endmasse: Masse nach Erreichen der Endtemperatur<br />
Bild 3.2 Auswertung einer typischen Messkurve mit einstufiger Massenabnahme nach<br />
DIN EN ISO 11358 [1], TG-Kurve<br />
Kommt es zu einer Massenzunahme MG, z.B. bei Oxidationsreaktionen (s. Bild<br />
3.13) wird diese unter Berücksichtigung der maximal auftretenden Masse mmax bezogen<br />
auf die Ausgangsmasse ms nach folgender Gleichung berechnet:
154 3.1 Grundlagen der Thermogravimetrie<br />
M<br />
G<br />
m<br />
=<br />
− ms<br />
× 100<br />
m<br />
max<br />
s<br />
In Tabelle 3.1 sind die für die einstufige Massenabnahme vorgestellten Kennwerte<br />
aufgelistet, die in verschiedenen gültigen Normen unterschiedlich bezeichnet werden.<br />
DIN EN ISO 11358 [1] DIN 51006 [2] Einheit<br />
TA<br />
Anfangspunkttemperatur<br />
tA<br />
Anfangspunktzeit<br />
TB<br />
Endpunkttemperatur<br />
tB<br />
Endpunktzeit<br />
TC<br />
Mittenpunkttemperatur<br />
tC<br />
Mittenpunktzeit<br />
ms<br />
Ausgangsmasse<br />
mf<br />
Endmasse<br />
[ % ]<br />
Ti<br />
Anfangstemperatur<br />
ti<br />
Anfangszeit<br />
Tf<br />
Endtemperatur<br />
tf<br />
Endzeit<br />
-<br />
[°C]<br />
[min]<br />
[°C]<br />
[min]<br />
[°C]<br />
- [min]<br />
mi<br />
Masse bei Ti<br />
mf<br />
Masse bei Tf<br />
Tabelle 3.1 Bezeichnungen für charakteristische Werte einer TG-Kurve<br />
3.1.4.2 Mehrstufige Massenänderung<br />
[mg]<br />
[mg]<br />
Bei mehrstufigen Massenverlusten werden die zu bestimmenden Punkte mit einem<br />
Index A1, B1, C1; A2, B2, C2 usw. beschrieben und den entsprechenden Temperaturen<br />
und Zeiten zugeordnet, Bild 3.3. Die resultierenden Temperaturen und Zeiten folgen<br />
dieser Bezeichnung entsprechend mit TA1, TB1, TC1 bzw. tA1, tB1, tC1. Zusätzlich zur<br />
Ausgangs- und Endmasse ms und mf wird die Masse mi zwischen den zwei Massenverlusten<br />
bestimmt. Zur Kennzeichnung des Massenverlustes werden jeweils die<br />
Differenzen dieser Massen angegeben. Der erste Massenverlust ML1 sowie jeder<br />
weitere Massenverlust ML2,.. ergeben sich aus folgenden Gleichungen:
3 Thermogravimetrie – TG 155<br />
Masse [mg]<br />
M<br />
m s<br />
m i<br />
m f<br />
L1<br />
m − m<br />
m<br />
s i<br />
i f<br />
= × 100 [ % ]<br />
M = × 100 [ % ]<br />
s<br />
A 1<br />
C 1<br />
B 1<br />
TA1 TC1TB1 tA1 tC1 tB1 L2,..<br />
m − m<br />
m<br />
A 2<br />
s<br />
T A2 T C2<br />
C 2<br />
T B2<br />
B 2<br />
tA2 tC2 tB2 T [°C]<br />
t [ min]<br />
Bild 3.3 Auswertung einer typischen Messkurve mit zweistufiger Massenabnahme nach<br />
DIN EN ISO 11358 [1], TG-Kurve, Bezeichnungen s. Bild 3.2<br />
Masse [mg]<br />
m s<br />
m B1<br />
mi mA2 m f<br />
A 1<br />
C 1<br />
B 1<br />
TA1 TC1TB1 tA1 tC1 tB1 i<br />
A 2<br />
T A2 T C2<br />
C 2<br />
T B2<br />
B 2<br />
tA2 tC2 tB2 T [°C]<br />
t [ min]<br />
Bild 3.4 Auswertung einer mehrstufigen Massenabnahme, wobei zwischen den einzelnen<br />
Stufen die Masse nicht konstant bleibt [1]<br />
mi = Mittelpunkt zwischen m B1 und m A2, Bezeichnungen s. Bild 3.2
156 3.1 Grundlagen der Thermogravimetrie<br />
Mehrstufige TG-Kurven weisen oft aufgrund dicht aufeinanderfolgender oder sich<br />
überlagernder Massenänderungen keinen Kurvenabschnitt mit konstanter Masse auf,<br />
wie in Bild 3.4 veranschaulicht. In einem solchen Fall wird mi als Mittelpunkt zwischen<br />
mB1 und mA2 ermittelt.<br />
Ist auch dies nicht sinnvoll möglich, liefert das differentielle Messsignal dm/dt weiterführende<br />
Informationen. Bild 3.5 zeigt am Beispiel einer zweistufigen Massenänderung<br />
neben der TG-Kurve die differentielle, sog. DTG-Kurve, anhand derer mi als<br />
kleinster Wert der Kurve zwischen den 2 Stufen festgelegt werden kann.<br />
Masse [mg]<br />
m i<br />
T P1<br />
M L1<br />
kleinstes DTG-Signal<br />
zwischen den zwei Stufen<br />
T [°C]/ t [min]<br />
Bild 3.5 Auswertung zweier dicht aufeinanderfolgender Stufen mit Hilfe des DTG-<br />
Signals<br />
ML1, M L2 = Massenverlust, T p1, T p2 = Peaktemperatur der DTG-Kurve<br />
Das Peakmaximum Tp der DTG-Kurve kennzeichnet den Wendepunkt der TG-Kurve<br />
und damit die Temperatur maximaler Massenänderung. In der Praxis wird dieser<br />
Wert aufgrund der einfachen und reproduzierbaren Auswertung häufig zu Vergleichen<br />
herangezogen. Wie bei anderen thermoanalytischen Prüfungen sollten die ausgewerteten<br />
Temperaturen aufgrund der Vielzahl der Einflussfaktoren nur auf 1 °C<br />
genau angegeben werden. Der Massenverlust kann bei einer einstufigen Zersetzung<br />
zuverlässig auf +/- 0,1 % angegeben werden.<br />
Kennzeichnende Temperaturen auf 1 °C genau angeben<br />
T P2<br />
M L2<br />
DTG-Signal [%/min]
3 Thermogravimetrie – TG 157<br />
3.1.4.3 Prüfbericht<br />
DIN EN ISO 11358 liefert wertvolle Hinweise zur Erstellung eines vollständigen<br />
Prüfberichts, der alle Messparameter und Probeninformationen beschreibt.<br />
Der Prüfbericht soll, soweit zutreffend, folgende Angaben enthalten [1]:<br />
– Hinweis auf verwendete Normen;<br />
– alle nötigen Angaben für die vollständige Kennzeichnung des untersuchten<br />
Materials;<br />
– Form und Größe der Prüfkörper;<br />
– Masse der Prüfkörper;<br />
– Vorbehandlung der Prüfkörper vor der Prüfung;<br />
– Typ des verwendeten Gerätes;<br />
– Größe und Konstruktionswerkstoff der Probenhalterung;<br />
– Typ des verwendeten Temperaturfühlers und seine Lage (innerhalb oder<br />
ausserhalb der Probenhalterung);<br />
– Atmosphäre (Art des Spülgases) und Gasvolumenstrom;<br />
– Rate der Temperaturerhöhung (programmiertes Aufheizen) oder Prüftemperatur<br />
beim isothermen Verfahren;<br />
– für die Temperaturkalibrierung verwendete Kalibriersubstanz;<br />
– Massenverlust und/oder Massenzuwachs;<br />
– Rückstand;<br />
– Temperaturen der Massenänderungen;<br />
– jegliche Beobachtungen hinsichtlich Gerät, Prüfbedingungen oder Verhalten<br />
der Probe;<br />
– Datum der Prüfung;<br />
– Messkurve.<br />
3.1.5 Kalibrierung<br />
Die Kalibriermessungen müssen unter den Bedingungen der realen Prüfung durchgeführt<br />
werden, d.h. Heizrate, Durchfluss des Spülgases und Position des Thermoelementes<br />
müssen übereinstimmen.
158 3.1 Grundlagen der Thermogravimetrie<br />
3.1.5.1 Auftriebskorrektur<br />
Die Thermowaage muss in verschiedener Hinsicht kalibriert werden. Einerseits ist<br />
der temperaturbedingte Auftrieb zu berücksichtigen, andererseits bedarf das Signal<br />
der Masse bzw. Massenänderung einer Korrektur. Des weiteren erfolgt wie auch bei<br />
der DSC eine Temperaturkalibrierung. Auftriebseffekte resultieren aus Einflüssen der<br />
temperaturabhängigen Gasdichte und der aerodynamischen Reibung des Spülgases<br />
an der Aufhängung und der Probe [10]. Zur Auftriebskorrektur wird eine Blindmessung<br />
ohne Probe durchgeführt, deren Kurve dann, unter Voraussetzung gleicher<br />
Messparameter, von der Messkurve abgezogen wird.<br />
3.1.5.2 Kalibrierung der Masse<br />
Die Thermowaage wird mit geeichten Gewichtstücken mit einer Masse zwischen 10<br />
und 100 mg kalibriert; dabei wird kein Spülgas durch die Waage geführt, um Auftriebseffekte<br />
und Turbulenzen zu vermeiden [1].<br />
3.1.5.3 Temperaturkalibrierung<br />
Die Kalibrierung muss unter den gleichen Bedingungen für Art des Spülgases, Volumenstrom<br />
des Spülgases und Heizrate durchgeführt werden, unter denen die Prüfung<br />
an dem Probenkörper durchgeführt werden soll [1]. Zur Kalibrierung der „wahren“<br />
Probentemperatur dienen Curie-Temperaturen ferromagnetischer Substanzen.<br />
Wird eine solche Substanz in einer Thermowaage einem Magnetfeld ausgesetzt,<br />
erfährt sie eine zusätzliche Kraft, die als scheinbare Massenänderung angezeigt wird.<br />
Beim Aufheizen verliert die Substanz bei der Curie-Temperatur ihre ferromagnetischen<br />
Eigenschaften, so dass die scheinbare Massenänderung wieder verschwindet.<br />
Die angezeigten Temperaturen werden auf die tatsächlichen, tabellierten Curie-<br />
Temperaturen korrigiert .<br />
Referenzmaterial TA [°C] TC [°C] TB [°C]<br />
Permanorm 3 253 259 267<br />
Nickel 351 353 355<br />
Mumetall 378 382 386<br />
Permanorm 5 451 455 458<br />
Tratoperm 749 750 751<br />
Tabelle 3.2 Kalibriersubstanzen für magnetische Phasenumwandlungen [1]<br />
Nach DIN EN ISO 11358 [1] wird diese Kalibrierung anhand von zwei oder mehr<br />
Standardreferenzsubstanzen mit Curie-Temperaturen in dem für Messungen relevan-
3 Thermogravimetrie – TG 159<br />
ten Temperaturbereich durchgeführt. Die Prozedur einer solchen Kalibrierung ist in<br />
[1,3,4,5] näher beschrieben. Nachteilig an diesem Verfahren ist, dass tabellierte Curie-Umwandlungstemperaturen<br />
lediglich experimentelle Mittelwerte mit einer relativ<br />
hohe Streuung darstellen [3].<br />
Eine weitere, jedoch nicht genormte Methode zur Temperaturkalibrierung nutzt die<br />
Schmelztemperaturen reiner Metalle (Indium, Blei, Zink, Aluminium, Silber,<br />
Gold).<br />
Masse [mg ]<br />
T A= 156 °C (Indium) T A= 418 °C (Zink)<br />
Temperatur [°C]<br />
Bild 3.6 TG-Kurve von Indium und Zink für die Temperaturkalibrierung mittels Abtropfen<br />
bei der Schmelztemperatur<br />
Heizrate 10 °C/min, Spülgas Stickstoff, T A = Anfangstemperatur (kalibriert)<br />
Ein oder mehrere Metallkörper werden so am Probenhalter befestigt, dass sie beim<br />
Schmelzen abtropfen. Dabei hat es sich bewährt, dem verwendeten Metall ein kleines<br />
Gewicht anzuhängen, um diesen Effekt zu verstärken. Der Wert TA, d.h. der Schnittpunkt<br />
der Extrapolationsgeraden der Anfangsmasse mit der Tangente an den Steilabfall<br />
dient zur Kalibrierung der Temperatur. Bild 3.6 veranschaulicht die TG-Kurven<br />
von Indium und Zink.<br />
Messparameter = Kalibrierparameter
160 3.1 Grundlagen der Thermogravimetrie<br />
Anmerkung: Aus eigener Erfahrung muss davor gewarnt werden, die Rolle von<br />
Kalibrierungen, vor allem bei Kunststoffen, überzubewerten. Die<br />
Kalibrierung auf zehntel- oder hundertstel- °C genau ist aufgrund<br />
der Vielzahl von Einflussfaktoren auch bei der Thermogravimetrie<br />
unrealistisch.<br />
3.1.6 Übersicht praktischer Anwendungen<br />
Beispielhaft verdeutlicht Tabelle 3.3, welche TG-Kennwerte zur Beurteilung von<br />
Qualitätsmängeln, Mischungszusammensetzung, Verarbeitungsfehlern und anderen<br />
Parametern herangezogen werden können. Anhand von Kurven praktischer Beispiele<br />
werden diese in Kap. 3.2.3 - Beispiele aus der Praxis erläutert.<br />
Anwendung Kennwert Beispiel<br />
Quantifizierung der<br />
Werkstoff-<br />
Zusammensetzung<br />
Füllstoffgehalt<br />
Zersetzungsverhalten<br />
(definierte Atmosphäre)<br />
Zersetzungskinetik<br />
Trocknungszeiten/<br />
- temperaturen<br />
Feuchtigkeitsgehalt,<br />
Abdampfen niedermolekularer<br />
Bestandteile<br />
ML1,2..<br />
ML1,2..<br />
TA, TC,<br />
TB, ML<br />
Weichmacher- und Kunststoffanteile z.B.<br />
bei Gummimischungen, flüchtige Bestandteile<br />
Bestimmung des Gehalts an Ruß, Kreide,<br />
Glasfasern oder anderen anorganischen<br />
Füllstoffen<br />
Zersetzungsbeginn und -fortschritt bei bestimmten<br />
Temperaturen; quantitative Erfassung<br />
entstehender Zersetzungsprodukte<br />
t-Werte Zersetzungsgeschwindigkeit<br />
TA, tA, TB,<br />
tB<br />
ML<br />
Zeit und Temperatur, bei der vorhandenes<br />
Lösemittel oder Wasser z.B. aus Lacken<br />
vollständig ausgetreten ist<br />
Gehalt an Wasser und flüchtigen<br />
Substanzen<br />
Tabelle 3.3 Beispiele für praktische Anwendungen von TG-Messungen bei Kunststoffen mit<br />
den jeweils relevanten Kennwerten.