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STADTMAGAZIN-06-2022-web

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BILDUNG<br />

„Arbeitnehmende können<br />

den Lohn einklagen“<br />

Lohnrückstände, Kündigung und Ungewissheit:<br />

Torben Diers über die Insolvenz des Arbeitgebers<br />

Die Regale bleiben leer, der Stapel<br />

mit Rechnungen wird immer höher,<br />

die Gerüchteküche brodelt und<br />

schließlich bestätigen sich die Vermutungen:<br />

Der Arbeitgeber ist insolvent und<br />

kann nicht mehr zahlen. So komplex wie<br />

das eigentliche Insolvenzverfahren sind<br />

auch die damit verbundenen Sorgen und<br />

Fragen der Beschäftigten: Werde ich jetzt<br />

gekündigt? Muss ich trotz ausbleibendem<br />

Lohn zur Arbeit? Und welche Maßnahmen<br />

sollte ich nun selbst in die Hand nehmen?<br />

Torben Diers ist Rechtsberater bei der<br />

Arbeitnehmerkammer und hat Antworten.<br />

Eine Firma hat Insolvenz angemeldet.<br />

Was bedeutet das genau?<br />

Dafür gibt es klare Kriterien. Grundsätzlich<br />

ist eine Firma insolvent, wenn einer<br />

von drei konkreten Tatbeständen erfüllt ist.<br />

Das kann zum Beispiel die Zahlungsunfähigkeit<br />

sein. Sie liegt vor, wenn das Unternehmen<br />

mindestens zehn Prozent seiner<br />

fälligen Verbindlichkeiten in den nächsten<br />

drei Wochen nicht zahlen kann. Der zweite<br />

Insolvenzgrund ist ähnlich: die drohende<br />

Zahlungsunfähigkeit. Arbeitgebende können<br />

ihre Schulden in diesem Fall zwar noch<br />

bezahlen, ahnen aber, dass es eng werden<br />

könnte. Wenn Geschäftsführende also<br />

schon perspektivisch sicher sind, dass sie in<br />

den nächsten drei Wochen über zehn Prozent<br />

ihrer Verbindlichkeiten nicht zahlen<br />

können, können sie auf Basis dieser Vermutung<br />

bereits Insolvenz anmelden. Der<br />

dritte Aspekt, der eine Insolvenz begründet,<br />

ist die sogenannte Überschuldung. Die<br />

Schulden des Unternehmens übertreffen in<br />

diesem Fall vereinfacht gesagt die Vermögenswerte.<br />

Eine Insolvenz entsteht in der Regel nicht<br />

plötzlich. Inwieweit ist der Arbeitgeber<br />

seinen Mitarbeitenden gegenüber zur<br />

Transparenz verpflichtet, wenn eine Zahlungsunfähigkeit<br />

absehbar wird?<br />

Tatsächlich hat der Arbeitgeber rechtlich<br />

erst eine Auskunftspflicht, wenn das Insolvenzverfahren<br />

eröffnet ist. Solange das nicht<br />

der Fall ist, gibt es keine Rechtspflicht, über<br />

eine Zahlungsunfähigkeit zu berichten.<br />

Was bedeutet die Insolvenz eines Unternehmens<br />

konkret für die Beschäftigten,<br />

muss mit Lohnausfällen gerechnet<br />

werden?<br />

Foto: AdobeStock<br />

Ja, leider ist das so. Dort, wo Zahlungsschwierigkeiten<br />

bestehen, gibt es natürlich<br />

auch das Risiko, dass Löhne nicht gezahlt<br />

werden.<br />

Wie sollten Arbeitnehmende damit umgehen?<br />

Ist der Lohn zum regulären Zeitpunkt<br />

nicht gezahlt, ist es am Anfang erst einmal<br />

empfehlenswert, den Arbeitgeber schriftlich<br />

dazu aufzufordern, und zwar mit einer<br />

Fristsetzung von sieben Tagen. Ist im Rahmen<br />

dieser Frist nichts passiert, können<br />

Arbeitnehmende eine Zahlungsklage beim<br />

Arbeitsgericht erheben und den Lohn einklagen.<br />

Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn<br />

absehbar ist, dass der Arbeitgeber finanziell<br />

noch über gewisse Mittel verfügt. In den Beratungen<br />

der Arbeitnehmerkammer prüfen<br />

wir entsprechende Fälle gemeinsam mit den<br />

Ratsuchenden und überlegen, was im Einzelfall<br />

Sinn ergibt. Nicht empfehlenswert ist<br />

es, als Arbeitnehmerin oder als Arbeitnehmer<br />

einen Insolvenzantrag zu stellen.<br />

Warum nicht?<br />

Grundsätzlich gelten Arbeitnehmende, bedingt<br />

durch den Lohnanspruch, als Gläubiger<br />

des Arbeitgebers und haben daher auchdas<br />

Recht, einen Insolvenzantrag zu stellen.<br />

Das Problem ist aber: Wenn das Gericht seine<br />

Vorprüfung startet und dabei überprüft,<br />

ob noch genug Masse vorhanden ist, um<br />

das Insolvenzverfahren zu zahlen, und dann<br />

zu dem Schluss kommt, dass das Verfahren<br />

aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht<br />

eröffnet wird, tragen Arbeitnehmende, die<br />

einen Insolvenzantrag gestellt haben, die<br />

Kosten für diese Vorprüfung.<br />

Wie steht es um die Nutzung des Leistungsverweigerungsrechts,<br />

können<br />

Arbeitnehmende, die ihren Lohn nicht<br />

erhalten, einfach zu Hause bleiben?<br />

Das ist nur selten empfehlenswert, da es sehr<br />

voraussetzungsvoll ist. Es müssen erheb-<br />

Für Ihr gutes Recht!<br />

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