Quality Engineering 03.2022
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Ausgabe 03 | 2022<br />
www.qe-online.de<br />
Smarte Fabrik<br />
Prüftechnik<br />
Qualitätsmanagement<br />
Rauheitsnormen<br />
OPC-UA-Spezifikation pusht<br />
die Messtechnik<br />
» Seite 18<br />
Fraunhofer LBF verbessert<br />
Auslegung von Hartschaum<br />
» Seite 32<br />
Babtec nimmt<br />
die Nachhaltigkeit ins Visier<br />
» Seite 10<br />
Neue Standards für<br />
die Oberflächenmesstechnik<br />
» Seite 36<br />
TITELSTORY<br />
Wie Bosch<br />
Messraum und<br />
Fabrik verzahnt<br />
» Seite 22<br />
Qualität in der Fertigung
CT-Volumen eines Gussteils<br />
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2 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
» EDITORIAL<br />
Gemeinsam<br />
geht´s besser<br />
Wir leben in einer vernetzten Welt. Es geht um den Austausch von Informationen,<br />
um Kommunikation. Solche Aussagen klingen wie Plattitüden.<br />
Aber gerade in der Industrie ist Vernetzung von fundamentaler Bedeutung.<br />
Die smarte Fabrik – das Fokus-Thema in diesem Heft – eröffnet neue<br />
Chancen für Unternehmen (ab Seite 18). Und in der intelligenten Fabrik<br />
dreht sich alles um Kommunikation. Es geht darum, dass Maschinen sich<br />
verknüpfen und untereinander sowie mit übergeordneten Systemen Daten<br />
austauschen. Der Closed Loop – quasi der heilige Gral der Qualitätssicherung<br />
– hat im Kern die Verknüpfung zwischen Mess- und Werkzeugmaschine.<br />
Wie wichtig Vernetzung ist, zeigen auch die Reaktionen der Experten auf<br />
die OPC UA Companion Specification für geometrische Messsysteme, die<br />
jetzt als erster Entwurf verfügbar ist. Mit dieser ist es nun möglich, die<br />
Messtechnik in die smarte Fabrik einzubinden. Experten wie Karl-Dietrich<br />
Imkamp von Zeiss oder Heiko Wenzel-Schinzer von Wenzel sehen die Spezifikation<br />
als wichtigen Schritt hin zur Interoperabilität. Zwar wurden bisher<br />
nur Mindestanforderungen definiert. Aber die Botschaft ist klar: Die<br />
Grundlage zum Datenaustausch ist gelegt. Die Standardisierung schreitet<br />
voran und nimmt die Messtechnik mit.<br />
Zusammenarbeit, Kommunikation, Vernetzung – diese Begriffe gewinnen<br />
auch im Qualitätsmanagement an Bedeutung. Das zeigte zum Beispiel das<br />
Kunden-Event von Babtec (Seite 10). Die Qualitätsmanager müssen Abteilungs-<br />
und Unternehmensgrenzen überwinden. Sie brauchen Werkzeuge,<br />
um mit Lieferanten zusammenzuarbeiten. Und neue Themen wie Nachhaltigkeit<br />
erfordern nicht nur ein offenes Denken, sondern die Verknüpfung<br />
mit anderen Unternehmensbereichen. Denn die für Nachhaltigkeit<br />
relevanten Informationen sind über die gesamte Organisation hinweg<br />
verteilt.<br />
Erfolg braucht also Kooperation – auf technischer wie auf menschlicher<br />
Ebene.<br />
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Markus Strehlitz, Redaktion<br />
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Siemensstraße 19<br />
35394 Gießen, Deutschland<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 3<br />
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» INHALT 03 | 2022 41. JAHRGANG<br />
IM FOKUS<br />
Standard bringt<br />
Messtechnik<br />
Experten sind sich einig: in die smarte<br />
OPC UA Spezifikation für Fabrik<br />
geometrische Messsysteme » Seite 18<br />
eröffnet viele Möglichkeiten in<br />
der Qualitätssicherung<br />
Titelbild: Funtap/stock.adobe.com<br />
MANAGEMENT<br />
Control<br />
Die Messe zeigt die aktuellen QS-Trends<br />
und legt geglückten Neustart hin 06<br />
Qualitätsmanagement<br />
Mehr als nur Software:<br />
Babtec nimmt das große Ganze ins Visier 10<br />
Personal & Karriere<br />
Was Bewerber abschreckt<br />
und Personaler nervt 13<br />
Studie<br />
Cyber-Risiken werden zu wenig<br />
ins Risikomanagement integriert 14<br />
Eine Redaktion — zwei Meinungen<br />
IT-Security – nervig oder nützlich? 16<br />
Alles was Recht ist<br />
Produktbeobachtung wird oft vernachlässigt 17<br />
IM FOKUS:<br />
SMARTE FABRIK<br />
OPC UA<br />
Spezifikation für die Messtechnik<br />
treibt Interoperabilität voran 18<br />
Closed Loop<br />
Bosch verzahnt Messraum<br />
und Fertigung miteinander 22<br />
KUNSTSTOFF<br />
Extrusion<br />
Saargummi nutzt Vision-System<br />
zum Messen an und in der Extrusionslinie 28<br />
Thermoplaste<br />
Zugversuche helfen bei Vorhersage<br />
der Dauerfestigkeit von Bauteilen 30<br />
Harte Schäume<br />
Prüfsysteme unterstützen die<br />
Auslegung entsprechender Bauteile 32<br />
Elastomere<br />
Freudenberg entwickelt visuelles<br />
Inspektionssystem für die eigene Fertigung 34<br />
TECHNIK<br />
Neue Rauheitsnormen<br />
Verbesserte Standards<br />
für die Oberflächenmesstechnik 36<br />
Additive Fertigung<br />
CT sorgen bei Prototypenbauer 1zu1<br />
für schnelle und genaue Ergebnisse 40<br />
Farbmessung<br />
Multispektralkamera sichert<br />
die Einhaltung von Farbvorgaben 43<br />
Zerstörungsfreie Prüfung<br />
Dank Quantentechnologie lassen<br />
sich Materialschäden früher detektieren 46<br />
Bildverarbeitung<br />
Startup setzt für Inspektionsaufgaben<br />
auf KI und Vision-Lösungen 49<br />
News und Produkte 52<br />
QUALITY WORLD<br />
Digitalisierung<br />
3D-Scantechnik verarbeitet<br />
evolutionäre Artefakte 57<br />
Firmenindex 59<br />
Impressum 59<br />
4 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
Bild: <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Auf seinem Kunden-Event blickt Software-Anbieter Babtec über das klassische<br />
Qualitätsmanagement hinaus.<br />
» Seite 10<br />
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Oberflächenbeschaffenheiten liefern saubere und praktikablere Definitionen.<br />
» Seite 36<br />
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<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 5<br />
micro-epsilon.de/opto
Es herrschte reges Treiben in den Messehallen. Die Besucher freuten sich, neue Technik wieder live sehen zu können.<br />
Bild: Tobias Meyer/<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Messe zeigt Trends in der Qualitätssicherung<br />
Geglückter Neustart<br />
der Control<br />
Deutlich weniger Besucher und weniger internationale Atmosphäre – und<br />
dennoch war die Control in diesem Jahr für die meisten Aussteller eine gute<br />
Messe. Sie zeigte die Trends in der Qualitätssicherung auf.<br />
» Sabine Koll<br />
Mit 18.531 Fachbesuchern zählte die<br />
Control vom 3. bis 6. Mai 2022<br />
rund ein Drittel weniger Besucher als bei<br />
der letzten Veranstaltung 2019. Auch die<br />
Zahl der Aussteller war rückläufig: Statt<br />
870 waren es in diesem Jahr 617 auf<br />
knapp 23.000 m 2 Fläche in sechs Hallen<br />
auf dem Stuttgarter Messegelände. 31 %<br />
der Aussteller waren aus dem Ausland<br />
angereist; dabei kamen 6 % Prozent aus<br />
der Schweiz, 4 % aus Italien, 3 % aus den<br />
USA und gut 2 % aus Großbritannien.<br />
Dennoch war es für die meisten Aussteller,<br />
die Weiterentwicklungen aus den<br />
Bereichen Mess- und Prüftechnik, Qualitätsmanagement,<br />
Bildverarbeitung, Sensortechnik<br />
zeigten, eine gute Messe nach<br />
der pandemiebedingten zweijährigen<br />
Pause.<br />
Die Erwartungen im Vorfeld<br />
waren verhalten<br />
Allenthalben war auf den Ständen zu hören,<br />
dass die Erwartungen hinsichtlich<br />
Besucherzahl und -qualität übertroffen<br />
wurden. Vielfach hatte man im Vorfeld<br />
Zweifel, ob die Besucher nach der Pandemie<br />
wieder den Weg zur Control finden<br />
würden.<br />
„Es ist klasse, dass wir wieder auf der<br />
Control ausstellen können nach zwei Jahren<br />
Verzicht“, sagte zum Beispiel Gerhard<br />
Mohr, Geschäftsführer von Kapp Niles<br />
Metrology in Großostheim. „Es ist erfreulich<br />
zu erleben, dass die Fachbesucher<br />
wieder anreisen, dass die Präsenzmessen<br />
6 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
MANAGEMENT «<br />
wieder Fahrt aufnehmen und dass wir uns<br />
ein Stück der alten Realität nähern.“<br />
Ebenfalls erfreut äußerte sich Matthias<br />
Ruf, Leiter Vertrieb am Kunststoffzentrum<br />
SKZ in Würzburg: „Wir freuen uns, dass<br />
wir wieder hier sein können. Für uns verlief<br />
die Control schon ab dem ersten Messetag<br />
erfolgreich und mit großem Interesse<br />
seitens der Besucher.“<br />
„In erster Linie habe ich die Aussteller<br />
und Fachbesucher erfreut und erleichtert<br />
darüber erlebt, dass man<br />
sich nun endlich wieder<br />
persönlich auf einer Fachmesse<br />
treffen kann“, sagte<br />
Bettina Schall, Geschäftsführerin<br />
von Control-Veranstalter<br />
P. E. Schall, am<br />
letzten Messetag gegenüber<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong>.<br />
„Der Nachholbedarf nach<br />
dem persönlichen Austausch<br />
ist groß, und so war durchweg eine<br />
positive und vorwärts gerichtete<br />
Stimmung mit intensiven Gesprächen zu<br />
erleben.“<br />
Der Automatisierungsgrad<br />
wird deutlich höher<br />
Schall stellt fest: „Aufgrund der steigenden<br />
Automatisierung und der geforderten<br />
Null-Fehler-Produktion ist die Qualitätssicherung<br />
so bedeutend wie noch nie. Ich<br />
finde es bemerkenswert, was sich seit der<br />
letzten Control im Jahr 2019 technologisch<br />
getan hat.“<br />
Andere Aussteller bestätigen diese Entwicklungen:<br />
„Der Automatisierungsgrad<br />
in der Qualitätssicherung nimmt erheblich<br />
zu. Ein Grund dafür ist, dass die Zeit<br />
im Messablauf ein immer wesentlicher<br />
Faktor wird. Es geht darum, ,mit Hilfe von<br />
Messergebnissen Probleme in der Fertigung<br />
immer schneller zu erkennen“, sagte<br />
Dr. Heike Wenzel, CEO der Wenzel Group,<br />
»Die Elektromobilität eröffnet der<br />
Messtechnik ein größeres Potenzial.<br />
Zwar sinkt die Zahl der Teile, doch<br />
müssen viele Bauteile aufgrund des<br />
Risikos zu 100 % vermessen werden.«<br />
Dr. Marc Wawerla, CEO, Zeiss Industrial <strong>Quality</strong> Solutions<br />
auf der Eröffnungs-Pressekonferenz am<br />
ersten Messetag. Wenn Messergebnisse<br />
immer schneller verfügbar sein sollen,<br />
dann bedeutet dies, dass immer weniger<br />
Bauteile taktil, sondern beispielsweise mit<br />
optischen Sensoren vermessen werden<br />
müssen. „Dies geht natürlich auf Kosten<br />
der Genauigkeit, sodass man abwägen<br />
muss zwischen Genauigkeit und Geschwindigkeit“,<br />
erklärt sie.<br />
„Damit verbunden ist die Rückkopplung<br />
der Messergebnisse von der Messmaschine<br />
zur Bearbeitungsmaschine: Der Closed<br />
Loop wird zunehmend wichtig“, so Wenzel<br />
weiter. Eine Folge dieser Entwicklung:<br />
Die Mess- und Inspektionsgeräte wandern<br />
zunehmend an oder in die Fertigungslinie.<br />
Schwingungen setzen<br />
Shopfloor-Lösungen zu<br />
Entsprechende Shopfloor-Lösungen hat<br />
der Hersteller aus Wiesthal denn auch auf<br />
der Control gezeigt. „Diese<br />
stellen uns als Hersteller<br />
aber vor neue Herausforderungen:<br />
Die erzielten Messergebnisse<br />
müssen zwar<br />
nicht so genau sein wie im<br />
Messraum, aber doch ein<br />
sehr hohes Niveau erreichen<br />
– und das in einer<br />
Umgebung, in der es Temperaturschwankungen,<br />
Staub und Schwingungen gibt.“<br />
Eine weitere Herausforderung für den<br />
Closed Loop sieht die Wenzel-Chefin bei<br />
der Kommunikation zwischen Messgeräten<br />
und Produktionsmaschinen: „Wir<br />
brauchen dringend standardisierte<br />
Schnittstellen für den Datenaustausch.“<br />
Gemeinsam mit anderen Branchengrößen<br />
entwickelt Wenzel derzeit im VDMA solche<br />
standardisierten Schnittstellen auf<br />
Basis von OPC UA (lesen Sie mehr dazu ab<br />
Seite 18).<br />
Bild: Sabine Koll/<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Für Messechefin Bettina Schall war die Control nach zwei Jahren Pandemie-<br />
Pause eine gelungene Messe.<br />
Bild: Sabine Koll/<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Dr. Heike Wenzel, CEO der Wenzel Group, sieht die Automatisierung in der<br />
Messtechnik als einen großen Trend.<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 7
» MANAGEMENT<br />
Hinzu kommt, dass die Messtechnik in<br />
der Fertigung deutlich leichter bedienbar<br />
sein muss: „In der Produktion haben wir<br />
andere Anwender als im Messraum, daher<br />
müssen wir die Bedienbarkeit der Messgeräte<br />
deutlich vereinfachen“, betonte<br />
Wenzel. Hier prallen nach ihrer Darstellung<br />
allerdings zwei Welten aufeinander:<br />
die 30 Jahre und teilweise auch noch länger<br />
nutzbare Hardware der Messgeräte<br />
Die Trends im Video<br />
trifft auf die deutlich kurzlebigere Software,<br />
die modern und anwenderfreundlich<br />
gestaltet sein muss. Beides muss perfekt<br />
miteinander abgestimmt sein.<br />
„Es ist unser großes erklärtes Ziel, die<br />
Anwendungs-Software für unsere Messtechnik<br />
deutlich zu vereinfachen“, bestätigte<br />
auch Dr. Marc Wawerla, CEO von<br />
Zeiss Industrial <strong>Quality</strong> Solutions, auf<br />
der Pressekonferenz seines Unterneh-<br />
mens auf der Control. „Das User Interface,<br />
also die Nutzerschnittstelle, wollen<br />
wir einfacher gestalten, damit der Anwender<br />
in der Produktion unsere Messgeräte<br />
auch ohne messtechnisches<br />
Know-how bedienen kann.“ Zeiss arbeitet<br />
in diesem Zuge auch daran, seine Applikations-Software<br />
<strong>Quality</strong> Suite für<br />
unterschiedliche Systeme – optische und<br />
taktile Messgeräte, Computertomographen<br />
sowie Mikroskope – zu vereinheitlichen,<br />
sodass der Anwender nicht jedes<br />
Mal umdenken muss. Gleichzeitig gibt es<br />
bei der <strong>Quality</strong> Suite für Messtechnik-<br />
Profis jeweils eigene Module, um in die<br />
Tiefe gehen zu können.<br />
Auf dem Messestand von <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> fanden während<br />
der Messe durchgängig Video-Interviews statt. Hier berichteten<br />
Experten aus der Branche über die aktuellen Trends in Sachen<br />
Qualitätsmanagement, Messtechnik und Prüftechnik. Zu den Interviewten<br />
gehörten zum Beispiel:<br />
• Jürgen Horst, Accretech<br />
• Tobias Bender, XFT & Claus Bruckner, SAP QM<br />
• Dr. Heike Wenzel, Wenzel Group<br />
• Steven Renders, Nikon Metrology<br />
• Patrick Werder, IMS<br />
• Dr. Robert Zarnetta, Zeiss<br />
Alle Videos sehen Sie unter:<br />
http://hier.pro/geEbH<br />
Bild: <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Die E-Mobilität bietet<br />
neue Chancen<br />
Zeiss sieht vor allem im Bereich der<br />
E-Mobilität ein großes Wachstumspotenzial.<br />
„Im Automotive-Markt sinkt zwar<br />
durch den Shift vom Verbrenner zum<br />
Elektroantrieb die Zahl der Bauteile pro<br />
Auto, die vermessen werden müssen.<br />
Doch gibt es sehr viele Teile im Elektroauto,<br />
vor allem in der Batterie, die aufgrund<br />
von Risiken zu 100 Prozent vermessen<br />
werden müssen“, so Wawerla. „Daher ist<br />
das Potenzial für die Qualitätssicherung<br />
in Zukunft größer als heute.“<br />
Patrick Stempfle, Projektleiter New<br />
Energy Vehicles bei Zeiss, nennt die Batteriewanne<br />
als ein typisches Bauteil: „Es<br />
handelt sich um ein sicherheitskritisches<br />
Bauteil, das aufgrund seiner Bauteilgröße<br />
und den engen Toleranzen sehr hohe Anforderungen<br />
an die Qualitätssicherung<br />
stellt.“ Die Kontrolle des Fügeprozesses ist<br />
hier sehr wichtig. Daher bietet Zeiss für<br />
diese Aufgabe Komplettinspektionssysteme<br />
von GOM an – einschließlich digitalem<br />
Zwilling und digitaler Montage.<br />
KI ist angekommen in der<br />
Qualitätssicherung<br />
Messe-Chefin Bettina Schall sieht noch<br />
einen weiteren Trend in der Branche: „Die<br />
Künstliche Intelligenz hat Einzug in die<br />
Qualitätssicherung gehalten und ist kein<br />
theoretisches Gebilde mehr. KI war bei<br />
sehr vielen Ausstellern ein Thema, das uns<br />
weiter begleiten wird.“ Vor allem für Inline-Prüf-<br />
und Messvorgänge habe KI das<br />
8 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
»Vision-Systeme und KI sind ein stark<br />
wachsender Bereich, da man hier einen<br />
schnellen Return on Investment erzielt.«<br />
Marvin Krebs, Leiter Technischer Vertrieb, Xactools<br />
Potenzial zum Gamechanger: „Hier gewinnt<br />
die Bildverarbeitung noch mehr<br />
Relevanz, auch im Zusammenhang mit<br />
KI-Algorithmen. Hier werden wir in den<br />
nächsten Jahren noch spannende, praxisrelevante<br />
Fortschritte erleben.“<br />
Dass auch kleinen industriellen Unternehmen<br />
der einfache Einstieg in die KIunterstützte<br />
Qualitätssicherung gelingen<br />
kann, das zeigten zum Beispiel die beiden<br />
Aussteller Denkweit und Xactools gemeinsam<br />
auf der Control: Sie arbeiten<br />
seit zwei Jahren zusammen, um schlüsselfertige<br />
Lösungen – Mess- und Prüfanlagen<br />
wie zum Beispiel für optische Oberflächenmessungen<br />
mit Standardmaschinen<br />
– zu entwickeln. „Vision-Systeme und<br />
KI sind dabei ein stark wachsender Bereich,<br />
da man hier einen schnellen Return<br />
on Investment (ROI) erzielt“, betonte<br />
Marvin Krebs, Leiter des technischen Vertriebs<br />
bei Xactools.<br />
Der KI reichen 15 Bilder<br />
für das Training<br />
„Mit KI lassen sich selbst aus sehr<br />
schlechten Datenergebnissen etwa aus<br />
der Computertomographie noch gute Ergebnisse<br />
erzielen“, ergänzte Dr. Dominik<br />
Lauch, Geschäftsführer des KI-Startups<br />
Denkweit, einer Ausgründung des Fraunhofer-Instituts<br />
für Mikrostruktur von<br />
Werkstoffen und Systemen IMWS. „15<br />
Bilder reichen unserem Vision AI Hub für<br />
das Training der KI durch einen Operator<br />
aus. Dabei läuft eine solche integrierte<br />
Lösung zu 100 Prozent offline ohne<br />
Cloud-Anbindung.“<br />
Messehostessen verteilten<br />
auf der Control<br />
erneut die offizielle<br />
Messezeitung „Control<br />
Express“, die das Team<br />
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jeden Tag neu<br />
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Bild: Tobias Meyer/<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 9
» MANAGEMENT<br />
Babtec und das neue Qualitätsmanagement<br />
Es geht um das große Ganze<br />
Nachhaltigkeit, Lieferantenmanagement, die veränderte Rolle des Qualitäters –<br />
das Qualitätsmanagement entwickelt sich rasant und verlässt seinen engen<br />
Rahmen. Das verdeutlicht etwa das Kunden-Event von Babtec, auf dem mehr<br />
über Moral und Kommunikation als über Software gesprochen wird.<br />
» Markus Strehlitz<br />
Auf der Kundenveranstaltung<br />
Q.Event in<br />
Essen war Nachhaltigkeit<br />
eines der Hauptthemen.<br />
Bild: <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Wer sich mit Michael Flunkert und Lutz Krämer<br />
unterhält, hört dabei wenig von den üblichen<br />
Qualitätsmanagement-Akronymen wie etwa FMEA<br />
oder SPC. Die beiden Mitglieder der Geschäftsleitung<br />
von Babtec wollen nicht über Module sprechen. Ihnen<br />
geht es um das große Ganze.<br />
Sie sprechen viel lieber von Qualität als von Qualitätsmanagement.<br />
Bei letzterem denkt man an eine<br />
einzelne Abteilung. Qualität betrifft jedoch das ganze<br />
Unternehmen. „Wenn wir Qualität als das begreifen<br />
wollen, was sie wirklich ist, sollten wir besser von<br />
einem qualitätsorientierten Management sprechen“,<br />
sagt Krämer. Dieses kleine Wortspiel verändere völlig<br />
die Perspektive. „Nun geht es um verantwortungsvolle<br />
Unternehmensführung, bei der man die Interessen<br />
der Kunden, aber eben auch der anderen interessierten<br />
Parteien (Stakeholder), nicht nur kennen und verstehen<br />
will, sondern diese auch in die Qualitätspolitik<br />
des Unternehmens, seine Prozesse, Produkte,<br />
Dienstleistungen und in das gesamte gesellschaftliche<br />
Handeln integriert.“<br />
So wie Qualität bei dieser Denkweise quasi aus<br />
dem Qualitätsmanagement heraus in die gesamte<br />
Organisation schwappt, muss auch der Qualitätsmanager<br />
über den Tellerrand blicken. Sein Berufsbild<br />
verändert sich. QM-Experten wie zum Beispiel Benedikt<br />
Sommerhoff von der Deutschen Gesellschaft für<br />
Qualität (DGQ) werden nicht müde, darauf hinzuwei-<br />
10 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
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DÜSSELDORF, 21.–24. JUNI<br />
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„Das klassische Qualitätsmanagement verkompliziert Dinge“,<br />
sagt Lutz Krämer von Babtec.<br />
Bild: Babtec<br />
sen. Das Jobprofil wandelt sich hin zum Organisationsentwickler.<br />
In diesem spielen Begriffe wie ganzheitliches<br />
Denken, Agilität und Vernetzung die<br />
Schlüsselrollen.<br />
Formalien stehen im Weg<br />
Traditionelle Themen wie etwa das Denken in Formalien<br />
und Normen stehen der neuen Entwicklung im<br />
Weg. „Wir müssen die Überformalisierung stoppen<br />
und Entformalisierung vorantreiben“, schreibt etwa<br />
Sommerhoff in einem Blog-Post. Das gelte besonders<br />
bei den Branchenstandards für Qualitätssicherung<br />
und bei den Qualitätsmanagementsystemen. „Die<br />
Revision der ISO 9001 in 2015 hat die Tür zu mehr<br />
Agilität bereits einen Spalt geöffnet.“ Krämer schlägt<br />
in die gleiche Kerbe: „Das klassische QM verkompliziert<br />
Dinge, erhöht den Verwaltungsaufwand und<br />
tritt letztendlich sogar bremsend auf.“<br />
Auf seiner Kundenveranstaltung Q.Event in Essen<br />
zeigt Software-Anbieter Babtec dann auch, dass die<br />
eigene Strategie diesem breiten Ansatz folgt. Eines<br />
der Hauptthemen dort ist Nachhaltigkeit. Das Thema<br />
hat nicht nur in der Gesellschaft an Bedeutung gewonnen,<br />
sondern auch konkret in jedem größeren<br />
Unternehmen. Mittlerweile gibt es die Pflicht, entsprechende<br />
Kennzahlen in den Geschäftsbericht mitaufzunehmen.<br />
Damit wird Nachhaltigkeit auch für das Qualitätsmanagement<br />
im Unternehmen zu einem wichtigen<br />
Thema – vor allem wenn es ganzheitlich gedacht<br />
wird. Eine moderne Qualitätsdefinition dürfe sich<br />
nicht auf inhärente Merkmale eines Produkts beschränken,<br />
so Sommerhoff. Stattdessen müssten<br />
auch globale ethische Themen einbezogen werden.<br />
„Eine moderne Qualitätsdefinition muss die gesellschaftliche<br />
Gesamtbilanz und damit auch Aspekte<br />
der Nachhaltigkeit berücksichtigen.“<br />
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<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 11
» MANAGEMENT<br />
Bild: Babtec<br />
Themen wie Lieferantenmanagement<br />
und<br />
Lieferantenbewertung<br />
werden von Anbietern<br />
entsprechender Software<br />
zunehmend in<br />
den Funktionsumfang<br />
eingebunden.<br />
Auf dem Q.Event fordert auch Unternehmensberater<br />
und Qualitätsauditor Markus Reimer, das Qualitätsmanagement<br />
weiter zu denken. Und dazu gehöre,<br />
dass „wir auch die Entstehungsgeschichte eines Produkts<br />
oder einer Dienstleistung berücksichtigen“, so<br />
Reimer. Das bedeutet: Ein Produkt,<br />
das zwar funktionell und<br />
optisch perfekt ist, aber unter<br />
fragwürdigen Bedingungen<br />
hergestellt wird, hat ein Qualitätsproblem.<br />
In Essen bringt<br />
Krämer es auf den Punkt: „Ein<br />
moralfreies Qualitätsmanagement<br />
kann es nicht geben.“<br />
Cloud-Plattform für die Lieferkette<br />
Wenn von Nachhaltigkeit die Rede, kommt auch die<br />
Lieferkette ins Spiel. Unternehmen müssen sicherstellen,<br />
dass ethische und ökologische Anforderungen<br />
nicht nur in der eigenen Organisation, sondern<br />
auch von den Lieferanten erfüllt werden. Auch hier<br />
zeigt sich, dass Qualitätsmanagement mittlerweile<br />
größer gedacht wird. Themen wie Lieferantenmanagement<br />
und Lieferantenbewertung werden von Anbietern<br />
entsprechender Software zunehmend in den<br />
Funktionsumfang eingebunden.<br />
Babtec treibt diese Entwicklung seit einigen Jahren<br />
voran. Mit Qube bietet der Softwerker eine cloudbasierte<br />
Plattform, über die sich Firmen mit ihren Geschäftspartnern<br />
vernetzen können, um Qualitätsprozesse<br />
unternehmensübergreifend zu digitalisieren.<br />
Alle Beteiligten lassen sich direkt an die CAQ-Software<br />
anbinden. Qube bietet dabei das ganze Spektrum<br />
an notwendigen Funktionen: von der Verwal-<br />
»Wir müssen auch die<br />
Entstehungsgeschichte<br />
eines Produkts<br />
berücksichtigen.«<br />
Markus Reimer, Qualitätsauditor<br />
tung der Betriebs- und Prüfmittel über<br />
die Prüfdatenerfassung, die Erstellung und<br />
Bearbeitung von Reklamationen bis hin zur<br />
gemeinsamen Bearbeitung von Aufgaben und<br />
Maßnahmen.<br />
Ein Nutzer von Qube ist Weinor, ein Hersteller<br />
von Markisen und Terrassendächern. Das<br />
Unternehmen setzt in der Zusammenarbeit<br />
mit seinen Lieferanten auf die Babtec-Lösung.<br />
Benedikt Hülsken, Leiter Qualitätsentwicklung<br />
bei Weinor, spricht auf dem Q.Event von einer<br />
Lernkurve, einige Lieferanten hätten sich zunächst<br />
an die Arbeit mit der Plattform gewöhnen<br />
müssen. Doch das Fazit zum Einsatz der<br />
Cloud-Software fällt positiv aus. „Der Qube<br />
macht die Kommunikation mit den Lieferanten<br />
einfach und sehr schnell“, so Hüsken.<br />
Auf der Kundenveranstaltung in Essen wird<br />
am Ende auch deutlich, dass die Entwicklung in<br />
Sachen Qualitätsmanagement noch weiter gehen<br />
soll. Krämer spricht die High Level Structure an,<br />
die in der ISO 9001 genannt ist. In dieser seien Kernanforderungen<br />
beschrieben, die nicht nur Qualitätsmanagement-Systeme<br />
betreffen, sondern auch das<br />
Umweltmanagement oder die Arbeitssicherheit. Wenn<br />
man sich die Kapitel der Norm<br />
anschaue, dann rede man<br />
letztendlich nicht mehr von einem<br />
Qualitätsmanagement-<br />
System, es gehe stattdessen<br />
um ein integriertes Managementsystem.<br />
„Wir kommen<br />
nicht umhin, uns mit diesem<br />
Thema zu beschäftigen“, sagt<br />
Krämer. Vielleicht hat er damit schon mal einen Ausblick<br />
darauf gegeben, wohin sich das Babtec-Portfolio<br />
künftig entwickeln wird: zu einem integrierten Managementsystem.<br />
Webhinweis<br />
Ein ausführliches Gespräch zwischen<br />
Markus Reimer und Lutz<br />
Krämer zur Zukunft des Qualitätsmanagements<br />
zeigt dieses Video:<br />
http://hier.pro/im5Kn<br />
12 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
Was Bewerber abschreckt und Personaler nervt<br />
Lost in Recruiting<br />
Bewerbungsgespräche sind das entscheidende Mittel, um den<br />
richtigen Kandidaten für die passende Stelle zu finden. Doch auf<br />
beiden Seite passieren dabei immer wieder typische Fehler.<br />
Hier kommt eine kleine Auswahl der gröbsten Schnitzer.<br />
Wie schwierig der Arbeitsmarkt zur Zeit ist,<br />
dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein.<br />
Die Arbeitswelt verändert sich im Rekordtempo und<br />
das hat wiederum Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.<br />
Aus einem Arbeitgeber- ist ein Arbeitnehmermarkt<br />
geworden. Unternehmen müssen lernen, möglichst<br />
schnell auf die Bewerber einzugehen und sie<br />
für sich zu gewinnen. Die Bewerber haben heute die<br />
Qual der Wahl — nämlich in einer Vielzahl von Stellenangeboten<br />
die für sie richtigen auszusuchen. Dennoch<br />
kommt es häufig nach ersten Gesprächen nicht<br />
zu einer Stellenbesetzung. Transparent werden diese<br />
Dinge oft nicht so recht – deshalb ein kleiner Überblick<br />
als Hilfe, vor allem für Bewerber.<br />
Was Personaler nervt:<br />
• Bewerber, die auf Kontaktversuche, Anfragen, Gesprächseinladungen<br />
etcetera nicht antworten beziehungsweise<br />
nie erreichbar sind,<br />
• Nutzer der unterschiedlichsten Bewerberdatenbanken,<br />
die sich zwar als „suchend“ outen, aber<br />
nie auf Anfragen reagieren oder „danke nein“ sagen<br />
können,<br />
• Bewerber, die vereinbarte Gesprächstermine nicht<br />
wahrnehmen, ohne sie vorher abzusagen,<br />
• Bewerber, die nach ausführlichen guten Gesprächen<br />
ihre Bewerbung ohne Begründung sowie<br />
stillos zurückziehen,<br />
• Bewerber, die sich auf ein Vorstellungsgespräch<br />
nicht vorbereiten und keine Motivation für Firma<br />
und Aufgabe zeigen,<br />
• Bewerber, die einen Entscheidungsdruck verbreiten<br />
mit der Aussage, dass sie ja noch so viele weitere,<br />
tolle Angebote vorliegen häben.<br />
Lange Prozesse schrecken ab<br />
Was Bewerber abschreckt:<br />
• supertolle Stellenausschreibungen, aber es werden<br />
keine erreichbaren und/oder aussagefähigen Ansprechpartner<br />
des Unternehmens genannt,<br />
• außer einem „automatisierten“ Eingangsbescheid<br />
keine weiteren Informationen oder Zwischenbescheide<br />
– oft über einen längeren Zeitraum hinweg,<br />
• zu komplizierte digitale Bewerbungsabläufe mit<br />
wenig Möglichkeiten, die eigene Individualität<br />
einbringen zu können,<br />
• Aussagen und Informationen über Unternehmen<br />
auf Bewerbungsplattformen, die nicht der Realität<br />
entsprechen,<br />
• Inflexibilität bei der Vereinbarung von Vorstellungsterminen,<br />
• zu lange und schwerfällige Entscheidungsprozesse<br />
innerhalb des Unternehmens,<br />
Personal & Karriere<br />
Bild: wirth + partner<br />
Die Beratungsgruppe wirth +<br />
partner informiert regelmäßig<br />
über Personal und Karriere.<br />
www.wirth-partner.com<br />
Der Autor: Udo Wirth<br />
• Entscheidungsdruck ausüben, weil man auch noch<br />
weitere tolle Bewerber hat,<br />
• wenn man im Vorstellungsgespräch den Eindruck<br />
gewinnt, dass sich der Gesprächspartner noch nicht<br />
mit der Bewerbung konkret befasst hat oder auch<br />
nicht kompetent für den Entscheidungsablauf ist.<br />
Natürlich sind diese Aussagen nicht vollständig. Aber<br />
es sind doch einige wichtige Punkte dabei, die beide<br />
Seiten in dieser schwierigen Arbeitsmarktlage bedenken<br />
sollten – für den gemeinsamen Erfolg.<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 13
» MANAGEMENT<br />
Studie der Hochschule Luzern<br />
Cyber-Risiken sind weit<br />
mehr als IT-Risiken<br />
Cyber-Risiken werden von vielen Organisationen zu wenig ins unternehmensweite<br />
Risikomanagement integriert, zeigt eine Umfrage der Hochschule<br />
Luzern unter Schweizer Unternehmen. Ein risikoorientierter Ansatz etwa<br />
nach ISO 27001/27005 könnte für Abhilfe sorgen, so die Empfehlung.<br />
» Sabine Koll<br />
Ein Verständnis über die<br />
Zusammenhänge und<br />
Abhängigkeiten zwischen<br />
Organisations -<br />
zielen, Organisations -<br />
bereichen, kritischen<br />
Geschäftsprozessen,<br />
kritischen Assets und<br />
der IT ist eine zentrale<br />
Voraussetzung für ein<br />
effektives Cyber Risk<br />
Management.<br />
Bild: hearty/stock.adobe.com<br />
Bei vielen Unternehmen scheint ein zentrales<br />
Fundament zum Managen von Cyber-Risiken<br />
grundsätzlich zu fehlen: Keine der von der Hochschule<br />
Luzern für ihre aktuelle Cyber-Risk-Management-Studie<br />
befragten 18 Schweizer Organisationen<br />
hat explizit definiert, in welchem Ausmaß Cyber-Risiken<br />
bewusst eingegangen werden sollen, um die<br />
Geschäftsziele zu erreichen. „Aus der Sicht des Risikomanagements<br />
ist das vergleichbar mit einem<br />
Schiff, das keinen Kapitän hat“, sagt Professor Stefan<br />
Hunziker, Studienautor und Leiter des Kompetenzzentrums<br />
Risk & Compliance Management an der<br />
Hochschule Luzern.<br />
Offenbar bereitet das Entwickeln von sogenannten<br />
Risikoappetit-Aussagen in der Praxis große Mühe.<br />
Risikoappetit meint die Gesamtheit der Risiken, die<br />
eine Organisation jederzeit bereit ist einzugehen, um<br />
ihre Organisationsziele zu verfolgen. Bezogen auf<br />
Cyber-Risiken bedeutet dies, dass das Aufsichtsorgan<br />
explizite Aussagen zum akzeptierbaren Risikoumfang<br />
hinsichtlich Cyber-Risiken trifft.<br />
Die Studie, für die 33 Interviews mit Risk-Management-Verantwortlichen<br />
und Chief Information Security<br />
Officers (CISO) in 18 größeren Schweizer Unternehmen<br />
aus unterschiedlichen Branchen geführt<br />
wurden, zeigt: Im Umgang mit Cyber-Risiken<br />
herrscht eine Lücke zwischen der technischen IT-Infrastruktur-Ebene<br />
und der organisatorischen Ebene.<br />
„Cyber-Risiken werden noch zu stark als reines IT-<br />
Thema verstanden. Entsprechend werden sie dezen-<br />
14 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
tral und operativ gesteuert und zu wenig in das unternehmensweite<br />
Risk Management integriert“, so<br />
Hunziker. Hier ist eine Diskrepanz der Relevanz des<br />
Risikos (Awareness) und der Risk Governance feststellbar.<br />
„Dieser Umstand verhindert einen konsistenten<br />
Vergleich – und damit auch eine sinnvolle Priorisierung<br />
– von Cyber-Risiken und anderen Risikokategorien<br />
auf oberster Führungsebene“, sagt der Experte.<br />
CISO und Risk Manager müssen<br />
enger zusammenarbeiten<br />
Als ersten Schritt in die richtige Richtung empfiehlt<br />
er, die Zusammenarbeit zwischen Chief Information<br />
Security Officer (CISO) und Risk Manager zu fördern.<br />
„Denn hier wird primär die Brücke zwischen der<br />
technischen Cybersicherheit und dem betriebswirtschaftlichen<br />
Risk Management geschlagen“, so Hunziker.<br />
In kleineren Organisationen halten es die Autoren<br />
der Studie für grundsätzlich problematisch, dass<br />
die Verantwortung über Cyber Risiken „extern vergeben“<br />
wird, das heißt auf externe Audits und Dienstleister<br />
verwiesen wird. „Cyber Risiken müssen methodisch<br />
so beurteilt und beschrieben werden, dass<br />
sie anschlussfähig an das Enterprise Risk Management<br />
(ERM) sind. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung,<br />
dass der Cyber-Risk-Management‐Prozess eng<br />
mit dem ERM verzahnt ist. Die Bedeutung des CISOs<br />
in der Schnittstelle Cyber-Risiken und ERM ist absolut<br />
zentral und muss in der Praxis stärker verankert<br />
werden“, mahnt Hunziker.<br />
Risiko‐ versus<br />
kontrollorientierter Ansatz<br />
Um Cyber-Risiken besser in das Risikomanagement<br />
zu integrieren, empfehlen die Autoren Organisationen<br />
einen risikoorientierten Ansatz zum Beispiel<br />
nach ISO 27001/27005 zu verfolgen. Da es sich um<br />
einen Top-Down‐Ansatz handelt, sind sie in der Lage,<br />
explizite Bezüge zu den Geschäftsrisiken herzustellen<br />
– eine Voraussetzung, um Cyber-Risiken via Szenarioanalysen<br />
ins ERM zu überführen. Im Gegensatz<br />
dazu greife ein kontrollbasierter Ansatz zu kurz – also<br />
ein Grundschutzansatz etwa nach dem Bundesamt<br />
für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).<br />
Die beiden Ansätze unterscheiden sich in der Art<br />
und Weise wie die Maßnahmen zum Schutz vor Cyber-Risiken<br />
ermittelt werden. Beim kontrollbasierten<br />
Ansatz werden Maßnahmen aus einem vorgegebenen<br />
Maßnahmenkatalog – also zum Beispiel dem<br />
IT‐Grundschutz‐Kompendium des BSI – ausgewählt.<br />
Die Auswahl orientiert sich an der zu schützenden<br />
Systemlandschaft: Fileserver, Webserver, Virtualisierungsumgebungen,<br />
Client‐Computer, mobile Geräte<br />
etc.. Die implementierten Maßnahmen haben somit<br />
keinen direkten Bezug zur Risikosituation, der eine<br />
Organisation gegenübersteht. Dies führt dazu, dass<br />
es in bestimmten Bereichen zu einem „Über‐Schutz“<br />
(zu viele Maßnahmen) und in anderen Bereichen zu<br />
einem „Unter‐Schutz“ (zu wenige Maßnahmen)<br />
kommen kann. Der risikoorientierte Ansatz setzt genau<br />
an diesem Punkt an. Er geht von den Risiken aus,<br />
mit denen eine Organisation und damit ihre IT‐Landschaft<br />
konfrontiert ist und leitet davon die notwendigen<br />
Maßnahmen ab, um die Risiken auf das akzeptierte<br />
Niveau zu senken.<br />
In der Studie geben acht Organisationen an, dass<br />
sie einen risikoorientierten Ansatz verfolgen. Zwei<br />
Organisationen verfolgen einen kontrollbasierten<br />
Ansatz. Eine dieser beiden Organisationen ist von einem<br />
anfänglich risikoorientierten Ansatz mit dem<br />
Wachstum der Unternehmung zu einem kontrollbasierten<br />
Ansatz übergegangen. Grundsätzlich sind<br />
Zertifizierungen in beiden „Welten“ möglich: entweder<br />
als klassische ISO-27001‐Zertifizierung beim risikoorientierten<br />
Ansatz oder als „ISO-27001-Zertifizierung<br />
auf der Basis von IT‐Grundschutz“ beim kontrollbasierten<br />
Ansatz.<br />
Hunziker: „Organisationen, die den Weg eines risikoorientierten<br />
Ansatzes gehen, erreichen in der Regel<br />
ein effektiveres und mit den Organisationszielen abgestimmtes<br />
Cyber Risk Management.“<br />
Eine gemeinsame Sprache fehlt<br />
Bei der Abstimmung des Cyber Risk Management<br />
mit den Prozessen des Enterprise Risk Management<br />
(ERM) gibt es laut der Studie allerdings noch Herausforderungen:<br />
So existiert grundsätzlich keine kompatible<br />
Sprache beziehungsweise Terminologie zwischen<br />
Cyber Risk Management und ERM. Das heißt,<br />
CISO und Risk Manager „verstehen“ sich oft nicht.<br />
Auch sind Abhängigkeitsanalysen zwischen Cyber<br />
Risiken und anderen Risiken zu wenig vorhanden. So<br />
hat zum Beispiel die Pandemie Cyber-Risiken verursacht,<br />
welche wiederum ökonomische Folgen haben.<br />
Außerdem, so die Autoren, folge die Bewertung der<br />
Cyber-Risiken einer anderen methodischen Vorgehensweise<br />
als bei anderen Risikokategorien: „Sie<br />
sind oft nicht quantifiziert, berücksichtigen nur das<br />
negative Risiko, weisen eine schwache Datengrundlage<br />
auf, sind hochdynamisch und lassen sich kaum<br />
über Erwartungswerte sinnvoll bewerten.“<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 15
» MANAGEMENT<br />
Eine Phishing-Attacke ist nur eine<br />
der vielfältigen Gefahren, die in der<br />
Online-Welt drohen.<br />
Bild: julia prykina/stock.adobe.com<br />
Eine Redaktion – zwei Meinungen<br />
Nervig oder nützlich?<br />
Cyber-Risiken betreffen nicht nur Unternehmen, sondern auch Privatnutzer.<br />
Doch welche Bedeutung haben Security-Lösungen im täglichen digitalen<br />
Leben? Die Redaktion von <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> hat dazu unterschiedliche<br />
Meinungen.<br />
Bild: Studioline Photography<br />
Sabine Koll, Redaktion<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong>,<br />
geht eher lässig mit<br />
der IT-Security um.<br />
Das Leben ist einfach gefährlich<br />
– in allen seinen<br />
Facetten. Also das reale Leben<br />
genauso wie das virtuelle. In<br />
beiden Bereichen lauern ständig<br />
Gefahren und in beiden<br />
Bereichen gehe ich mit ihnen<br />
eher lässig um. Sprich: Ich<br />
nutze Apple-Produkte ohne<br />
besondere Security-Software.<br />
Ein IT-Security-Experte sagte<br />
mal zu mir im Interview leicht<br />
verächtlich: „Das ist in etwa<br />
so, als wenn Sie Ihre Haustür weit offen stehen lassen<br />
würden.“ Ja, mir ist ein Open House tatsächlich<br />
lieber als ein Hochsicherheitstrakt, in den ich nur mit<br />
Drölfzig-Fakoren-Authentifizierung reinkomme.<br />
Mein Mann hat in unserem Haushalt die Rolle des Sicherheitsbeauftragten.<br />
Die Gene seines Vaters; der<br />
hat schon mal ein Vogelhaus abgeschlossen, damit<br />
Nachbars Katze nicht reinkommt. Nun ja, mein Mann<br />
hat meinem Macbook Antiviren- und anderweitige<br />
Security-Software aufgezwungen – und ich sitze jedes<br />
Mal davor und fluche, weil ich eine halbe Ewigkeit<br />
warten muss, bis die ihre Arbeit getan haben.<br />
Im März wurde ich von einer<br />
Nachricht böse aufgeschreckt:<br />
Das BSI warnte vor<br />
dem Einsatz der Virenschutz-<br />
Software von Kaspersky – wegen<br />
des russischen Hintergrunds<br />
des Herstellers. Das<br />
warf bei mir vor allem die Frage<br />
auf: Wie viel Aufwand bedeutet<br />
es, meinen Passwort-<br />
Manager, den ich neben den<br />
sonstigen Sicherheits-Tools<br />
Markus Strehlitz,<br />
Redaktion <strong>Quality</strong><br />
<strong>Engineering</strong>, hängt an<br />
Passwort-Manager.<br />
von Kaspersky nutze, zu einem<br />
anderen Anbieter zu migrieren? Ich habe nicht die<br />
geringste Ahnung, wie ich die riesige Menge an Accounts<br />
mit entsprechenden Passwörtern ohne ein geeignetes<br />
Tool im Griff behalten sollte. Ich würde sogar<br />
so weit gehen zu sagen: Ich möchte mir mein Leben<br />
ohne einen Passwort-Manager nicht mehr vorstellen.<br />
Es kommt mir auch fast wie Verrat vor, jemanden<br />
zu verlassen, der mir bisher so gute Dienste<br />
geleistet hat. Ich werde wohl Zeit brauchen, um<br />
nachzudenken – über Trennungen im Allgemeinen,<br />
das Risiko russischer Hackerangriffe und die Aufgabe,<br />
mir circa 300 Passwörter im Kopf zu merken.<br />
Bild: Tom Oettle<br />
16 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
Produktbeobachtung<br />
Nützliches Werkzeug<br />
Produktbeobachtung ist nicht nur Pflicht, sondern auch<br />
wichtig für die Weiterentwicklung. Doch selbst in der<br />
Autoindustrie wird diese oft vernachlässigt. Das ist ein<br />
Fehler – aus verschiedenen Gründen.<br />
Die Produktbeobachtung – also das Erkennen<br />
und Bewerten der Produktperformanz im Feld<br />
mit Fokus auf eine unbekannte Gefährlichkeit – ist<br />
nicht nur eine wesentliche Stütze bei der klassischen<br />
Produktweiterentwicklung, sondern auch schlicht<br />
gesetzliche Verpflichtung eines jeden als „Hersteller“<br />
beziehungsweise „Inverkehrbringer“ zu qualifizierenden<br />
oder diesen gleichzusetzenden Wirtschaftsakteurs.<br />
Die Produktbeobachtung kann aktiv wie passiv<br />
stattfinden und sollte, nicht zuletzt zu Nachweiszwecken,<br />
stets gut dokumentiert werden.<br />
Vor diesem Hintergrund sollte man davon ausgehen<br />
dürfen, dass bei nahezu allen produzierenden<br />
und/oder Produkten in Verkehr gebenden Unternehmen<br />
stets ausreichende Datensätze vorliegen, um etwaige<br />
Auffälligkeiten – auch im Bereich „normaler“,<br />
das heißt nicht sicherheitskritischer Ausfälle – im<br />
Feldeinsatz bewerten und interpretieren zu können.<br />
Doch selbst im Bereich der Automobilzulieferindustrie,<br />
die hinsichtlich der Produktrückverfolgbarkeit<br />
und Beobachtung der Fahrzeuge und deren Bauteilen<br />
sehr erfahren und geschickt ist, kommt es durchaus<br />
häufig vor, dass Lieferanten – also Hersteller von<br />
Bauteilen und deren Komponenten – kaum bis gar<br />
keine Produktbeobachtung betreiben und nur in kritischen<br />
Fällen die von den eigenen Kunden (OEM) zur<br />
Verfügung gestellten Daten selten archivieren, geschweige<br />
denn bewerten und interpretieren. Das ist<br />
ein Fehler – aus diversen Gründen.<br />
Folgen für Versicherungsschutz<br />
Zum einen stellt dies einen klaren Verstoß gegen gesetzliche<br />
Verpflichtungen dar, nicht zuletzt als Teil<br />
der sogenannten Sorgfaltspflichten nach § 823 Abs.<br />
1 BGB. Die Folgen hiervon sind komplex, im Ergebnis<br />
wird damit schlicht die Grundlage für die Haftung<br />
gegenüber geschädigten Dritten, dem eigenen Kunden<br />
und auch den Marktaufsichtsbehörden gegenüber<br />
gelegt. Darüber hinaus kann dies auch negative<br />
Auswirkungen auf den eigenen Versicherungsschutz<br />
haben. Zum anderen führt dieses „Wegschauen“ und<br />
„Nicht-Hinterfragen“ aber auch und vor allem deutlich<br />
häufiger als die erstgenannten Fälle dazu, dass<br />
Haftungsansprüchen des Kunden aus dem klassischen<br />
Gewährleistungsbereich nicht begegnet werden<br />
kann.<br />
In der Beratung des Handlings großvolumiger<br />
Schadensfälle erkennt man häufig, dass einfachste<br />
Zusammenhänge oder Widersprüche in den Datensätzen<br />
schon sehr früh zu Nachfragen beim Kunden<br />
oder der eigenen Entwicklung<br />
oder Fertigung hätten<br />
erfolgen können. Oftmals<br />
fällt nämlich schon<br />
früh auf, dass bei außerdienstlichen<br />
Ausfällen Besonderheiten<br />
zu vermerken<br />
sind: bestimmte Produktions-<br />
oder Lieferdaten,<br />
besondere Einsatzbedingungen,<br />
Häufungen<br />
von Ausfällen in einzelnen<br />
geografischen Zonen, die<br />
zudem Besonderheiten im<br />
Klima oder auch im Nutzerverhalten<br />
zeigen. All<br />
dies sind Punkte, die gegen<br />
einen Designfehler<br />
oder auch für einen Anwenderfehler<br />
oder für unzureichende<br />
Kundenvorgaben<br />
sprechen können.<br />
Solche Positionen helfen<br />
aber, einen „Anfangsverdacht“ hinsichtlich der Mangelhaftigkeit<br />
der eigenen Produkte zu erschüttern<br />
und den eigenen Kunden dazu zu bringen, die bisher<br />
an den Tag gelegte Argumentation und Forderung zu<br />
hinterfragen.<br />
Klar ist, dass Produktbeobachtung auch stets Aufwand<br />
bedeutet. Dennoch scheint es meist so, dass es<br />
häufig nur anfänglicher Aufwand ist, bis durchdachte<br />
Systeme aufgesetzt wurden, die diese Daten sammeln<br />
und gar bestenfalls eigenständig auswerten.<br />
Dafür benötigt man nicht zwingend Künstliche Intelligenz,<br />
einfache Tabellenfilterfunktionen können hier<br />
schon Interessantes zutage bringen.<br />
Alles was Recht ist<br />
Daniel Wuhrmann<br />
von Reusch Rechtsanwälte<br />
liefert regelmäßige Beiträge<br />
zu rechtlichen Themen.<br />
www.reuschlaw.de<br />
Bild: Reusch Rechtsanwälte<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 17
IM FOKUS » Smarte Fabrik<br />
Auf Basis von OPC UA entstehen derzeit viele<br />
Spezifikationen, welche die Informationen<br />
innerhalb einer Domäne beschreiben.<br />
Bild: Funtap/stock.adobe.com<br />
OPC-UA-Spezifikation<br />
Messtechnik ohne<br />
Sprachbarrieren<br />
Die Fabrik der Zukunft braucht einen einheitliche Standard, um alle<br />
Informationen problemlos austauschen zu können. Als wichtiger<br />
Datenlieferant muss auch die Messtechnik diesen beherrschen. Mit<br />
der OPC UA Companion Specification für geometrische Messsysteme<br />
hat der VDMA dafür einen ersten Entwurf bereit gestellt, der auf der<br />
Control zu begutachten war. Experten sind sich einig: Dies ist ein<br />
wichtiger Schritt für die Interoperabilität.<br />
» Markus Strehlitz<br />
18 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
Die smarte Fabrik braucht Daten. Diese sind die<br />
Grundlage für alle Szenarien, die mit der Digitalisierung<br />
der Fertigungsumgebung verbunden sind.<br />
Maschinen und Anlagen müssen Informationen austauschen<br />
– untereinander und mit übergeordneten<br />
IT-Systemen.<br />
Doch bisher ist es ein mühsames Unterfangen, diesen<br />
Datenaustausch zu ermöglichen. Proprietäre<br />
Schnittstellen und unterschiedlichen Datenprotokolle<br />
behindern die Kommunikation. Die Schnittstellen-<br />
Programmierung in diesem heterogenen Umfeld ist<br />
aufwändig, sie kostet Zeit und Geld. Die Folge: Viele<br />
Digitalisierungsprojekte scheitern.<br />
Es braucht eine einheitliche Sprache für die smarte<br />
Fabrik. Und die scheint mit OPC UA gefunden. Viele<br />
Experten setzen große Hoffnungen darauf, dass der<br />
Standard für die nötige Interoperabilität sorgt. Auf<br />
Basis von OPC UA entstehen daher zur Zeit viele Spezifikationen.<br />
Diese beschreiben die Informationen innerhalb<br />
einer Domäne. Sie leisten quasi die Übersetzungsarbeit,<br />
damit die Maschinen sich verstehen.<br />
Ein wichtiger Datenlieferant in der intelligenten<br />
Fabrik ist die Messtechnik. Für sie braucht es daher<br />
ebenfalls eine entsprechende Spezifikation. Um diese<br />
kümmert sich ein Arbeitskreis des VDMA in enger<br />
Abstimmung mit der OPC UA Foundation. Beteiligt<br />
sind die Technik-Anbieter Hexagon, Jenoptik, Mahr,<br />
Marposs, Mitutoyo, OGP, Wenzel und Zeiss IQS.<br />
Ergebnis ist die OPC UA Companion Specification<br />
for Geometric Measurement Systems, für die jetzt<br />
ein erster Entwurf vorliegt. „Ziel ist die Bereitstellung<br />
von Informationen für den Datentransfer von und zu<br />
geometrischen Messsystemen über eine einheitliche<br />
Schnittstelle, die von MES-Systemen oder anderen<br />
Datenverwaltungssystemen genutzt werden kann“,<br />
heißt es in einer Pressemeldung.<br />
Dashboard zeigt das Potenzial<br />
Auf der Messe Control konnte am VDMA-Stand sowie<br />
an denen der involvierten Aussteller ein Dashboard<br />
begutachtet werden. Dieses zeigt, was mithilfe<br />
der OPC UA Companion Specification für die Messtechnik<br />
künftig möglich sein wird. Auf dem Dashboard<br />
werden Informationen zur jeweiligen Messmaschine<br />
dargestellt, die diese per OPC UA übermittelt.<br />
Dazu zählen zum Beispiel Informationen zu Hersteller<br />
und installierter Software-Version, zum aktuellen<br />
Betrieb der Maschine und zu den Messergebnissen<br />
oder auch Kalibrierinformationen.<br />
„Wir haben in der Spezifikation darauf geachtet,<br />
dass wir einen verpflichtenden Minimal-Umfang definieren“,<br />
erklärt Karl-Dietrich Imkamp, Head of Metrological<br />
Qualification bei Zeiss IQS und Vorsitzender<br />
der OPC UA Arbeitsgruppe Geometrische Messsysteme<br />
beim VDMA. „Dieser liefert wesentliche statische<br />
– zum Beispiel Typ – und dynamische Maschinendaten<br />
– wie etwa Status.“<br />
Das Dashboard, das auf der Control zu sehen war,<br />
ist lediglich ein Demonstrator. Es handelt sich dabei<br />
um eine Erweiterung des Umati-Dashboards für geometrische<br />
Messsysteme. Umati (universal machine<br />
technology interface) ist eine Community des Maschinen-<br />
und Anlagenbaus sowie seiner Kunden zur<br />
Verbreitung und Nutzung offener Schnittstellenstandards<br />
auf Basis von OPC UA.<br />
Das heißt, das Dashboard soll potenziellen Nutzern<br />
einen Eindruck vermitteln, welche Daten über die<br />
OPC-UA-Spezifikation zur Verfügung gestellt werden<br />
Integration von geometrischen Messsystemen in Smart Factories mit<br />
OPC UA<br />
Bild: VDMA Mess- und Prüftechnik<br />
Vertikale Integration<br />
Betriebsleitebene<br />
Prozessleitebene<br />
…<br />
Horizontale Integration<br />
Unternehmensexterne<br />
Kommunikation<br />
Produktionsplanung<br />
Entwicklung,<br />
Konstruktion<br />
1 Systemzustand statisch<br />
2 Systemzustand dynamisch<br />
Unternehmen<br />
Arbeitsvorbereitung<br />
Prüfplanung<br />
3 Job Management<br />
4 Teiledaten Management<br />
Fertigung<br />
Erfassung<br />
Auswertung<br />
<br />
Integration von geometrischen Messsystemen in eine smarte Fabrik mithilfe von OPC UA.<br />
5 Messergebnisübertragung<br />
(Closed Loop)<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 19
IM FOKUS » Smarte Fabrik<br />
Heiko Wenzel-Schinzer<br />
sieht die Spezifikation<br />
als Fortschritt. Denn<br />
bisher habe jeder Hersteller<br />
seine eigenen<br />
Tools bauen müssen.<br />
können. Auch wenn es sich dabei nur um einen Teil<br />
der Daten handelt, wird das Potenzial von OPC UA als<br />
Standard für die Industrie 4.0 klar.<br />
Imkamp nennt ein relativ einfaches Einsatzszenario,<br />
um die Möglichkeiten zu verdeutlichen. „Zu den<br />
Daten, die bereit gestellt werden können, zählt auch<br />
der Messbereich eines Koordinatenmesssystems“, so<br />
Imkamp. „Wenn ein Anwender nun eine Messaufgabe<br />
mit einer Messlänge von<br />
beispielsweise einem Meter<br />
hat, dann kann er sich eine<br />
Liste mit allen verfügbaren<br />
Systemen anzeigen lassen<br />
und diese nach dem benötigten<br />
Messbereich filtern.“<br />
Auf einem Roundtable<br />
von <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> im<br />
Vorfeld der Control stellte<br />
Frank Herr, Director Application<br />
Technology & Support EMEA bei Hexagon, einen<br />
weiteren Use Case vor – und zwar im Asset Management.<br />
Dabei gehe es darum, den Status eines<br />
Systems zu sehen und zum Beispiel Kalibrier-Zeiträume<br />
zu überwachen. „Denn die Fachleute für die<br />
Messtechnik sitzen ja weiterhin in den Messräumen,<br />
in der Qualitätssicherung“, so Herr. „Wenn jetzt aber<br />
die einzelnen Geräte zunehmend in der Fertigung<br />
verteilt stehen, müssen diese auch in irgendeiner<br />
Form überwacht werden.“ Daher sei es eine deutliche<br />
Vereinfachung, wenn die Messtechniker den Zustand<br />
ihres Assets auf einem Dashboard sehen können.<br />
Bild: Ulrich Pfeiffer<br />
» Ich gehe davon aus,<br />
dass man als Hersteller<br />
nicht daran vorbeikommen<br />
wird, diesen Standard zu<br />
unterstützen.«<br />
Karl-Dietrich Imkamp<br />
Auch andere Experten begrüßen die Spezifikation.<br />
„Die Definition der Companion Specification ist ein<br />
wichtiger Schritt für die Interoperabilität in der Fabrik<br />
der Zukunft“, sagt etwa Sebastian Friedl vom Institut<br />
für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen<br />
und Fertigungseinrichtungen der Uni Stuttgart.<br />
Er ist Editor der Spezifikation und besonders darüber<br />
erfreut, dass der Entwurf kompatibel mit der Companion<br />
Specification für Machine Tools ist.<br />
„Das Ergebnis am Ende wird sein, dass jede Messmaschine<br />
über das gleiche Protokoll auf diesem<br />
Dashboard veröffentlichen kann – egal von welchem<br />
Hersteller sie kommt“, sagt Professor Heiko Wenzel-<br />
Schinzer, Geschäftsführer und Chief Digital Officer<br />
von Wenzel. Dann ließen sich aus verschiedenen Maschinen<br />
die gleichen Informationen zusammenbringen<br />
und visualisieren. „Das ist ein großer Fortschritt.<br />
Denn bisher hat jeder Hersteller dafür seine eigenen<br />
Tools gebastelt.“<br />
Closed Loop ist kein Selbstläufer<br />
Imkamp stimmt in den positiven Tenor mit ein. Die<br />
OPC UA Companion Specification für geometrische<br />
Messsysteme eröffne viele Möglichkeiten. „Daher gehe<br />
ich davon aus, dass man als Hersteller nicht daran<br />
vorbeikommen wird, diesen Standard zu unterstützen“,<br />
sagt der Experte.<br />
Ein Feld, auf dem sich viele einen positiven Effekt<br />
durch die Spezifikation erwarten, ist der Closed Loop<br />
- also das Rückspielen von Informationen aus der<br />
Messtechnik in den Fertigungsprozess und einer damit<br />
verbunden Anpassung<br />
der Werkzeugmaschine. Die<br />
OPC UA Companion Specification<br />
wird die Entwicklung<br />
des Closed Loops sicherlich<br />
weiter vorantreiben.<br />
Schließlich gehört dafür<br />
die Kommunikationsfähigkeit<br />
zwischen den Maschinen<br />
zur grundlegenden<br />
Voraussetzung.<br />
Doch der Closed Loop wird damit nicht zum<br />
Selbstläufer. „Ich habe immer wieder erlebt, dass es<br />
eine große Erwartungshaltung gibt“, so Imkamp.<br />
Aber es gibt noch Hürden zu überwinden. Dazu zähle<br />
zum Beispiel die Frage: Wie rechnet man eine festgestellte<br />
Messabweichung in einen Korrekturwert bei<br />
der Werkzeugmaschine um? Diese Umrechnung liege<br />
in der Verantwortung des Werkzeugmaschinenbetreibers.<br />
„Solche Fragen werden nicht automatisch<br />
von einem Standard beantwortet“, sagt Imkamp.<br />
„Dafür braucht es die Bereitschaft zur Zusammenarbeit<br />
zwischen alle Beteiligten“, sagt Imkamp.<br />
20 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
I Q M<br />
T O O L S<br />
Bild: Zeiss<br />
Der Weg zur smarten Fabrik ist also noch lange<br />
nicht zu Ende. Und auch für die OPC UA Companion<br />
Specification for Geometric Measurement Systems<br />
geht es weiter. Imkamp ist zuversichtlich, dass bis<br />
spätestens Herbst der endgültige Standard definiert<br />
ist.<br />
Die Entwicklungsarbeit rund um den OPC-UA-<br />
Standard ist dann aber noch lange nicht beendet.<br />
„Gerade was die Companion Specifications betrifft,<br />
gibt es noch einiges zu tun – zum Beispiel wenn es<br />
um Themen geht wie Job-Management und Teile-<br />
Management“, berichtet Imkamp. Die aktuelle Vorgehensweise<br />
soll dabei fortgesetzt werden: „Wir<br />
werden uns weiterhin an den Strukturen der Werkzeugmaschinen<br />
orientieren.“ So stehen die Chancen<br />
also gut, dass in der modernen Fabrik künftig in einer<br />
gemeinsamen Sprache gesprochen wird.<br />
Bild: Zeiss<br />
Laut Karl-Dietrich Imkamp<br />
gibt es bezüglich<br />
der Companion Specifications<br />
noch einiges<br />
zu tun – zum Beispiel<br />
wenn es um Themen<br />
geht wie Job-Management<br />
und Teile-Management.<br />
Per OPC UA werden statische und dynamische<br />
Informationen der jeweiligen<br />
Messmaschine übermittelt.<br />
Überblick<br />
Auf einer speziellen Website<br />
gibt der VDW einen<br />
einen Blick auf das<br />
Dashboard zur OPC UA<br />
Companion Specification<br />
für die geometrische<br />
Messtechnik. Auf einer<br />
Karte können konkrete<br />
Maschinen der Hersteller<br />
mit ihren entsprechenden<br />
Informationen angeklickt<br />
werden:<br />
www.umati.app<br />
Fließtext std<br />
23 1Bild:<br />
2 3 4 5<br />
9<br />
24<br />
25<br />
26<br />
Nächste<br />
Überprüfung<br />
8<br />
9<br />
8<br />
101112<br />
7<br />
12 11 10<br />
101112<br />
1<br />
26<br />
6<br />
2<br />
7<br />
9<br />
1<br />
25<br />
5<br />
9<br />
3<br />
4<br />
8<br />
6<br />
7<br />
8<br />
Prüfplaketten<br />
Industriestifte<br />
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6<br />
101112<br />
7<br />
9<br />
2<br />
3<br />
5<br />
1<br />
9<br />
6<br />
8<br />
27<br />
4<br />
2<br />
8<br />
101112<br />
101112<br />
3<br />
5<br />
7<br />
7<br />
4<br />
1<br />
6<br />
1<br />
24<br />
6<br />
2<br />
23<br />
3<br />
5<br />
2<br />
4<br />
3<br />
5<br />
4
IM FOKUS » Smarte Fabrik<br />
Bosch realisiert in der Lenkmutterfertigung den Closed Loop<br />
Messraum und Fertigung<br />
eng miteinander verzahnt<br />
Seit zwei Jahren werden bei Robert Bosch Automotive Steering in Schwäbisch<br />
Gmünd die Messdaten der Messmaschinen von der Reporting- und<br />
Statistiksoftware Piweb an die Lenkmutterfertigung übermittelt. In Kürze<br />
landen die Korrekturwerte sogar direkt in den neun Bearbeitungszentren.<br />
Mit Hilfe der Software<br />
Piweb erkennen die<br />
Werker bei Bosch<br />
Trends in der Lenkmutterfertigung<br />
– und können<br />
gegensteuern. Bald<br />
soll sich das Bearbeitungszentrum<br />
dann<br />
mithilfe der Messwerte<br />
selbst korrigieren.<br />
Bild: Zeiss<br />
Syra Thiel<br />
Storymaker<br />
im Auftrag von<br />
Zeiss<br />
www.zeiss.de/imt<br />
Lange reifte bei den Fertigungsplanern von Robert<br />
Bosch Automotive Steering, Andreas Tisljar<br />
und Sebastian Schniepp, die Idee, den 35 Maschinenbedienern<br />
in der Lenkmutterfertigung in Schwäbisch<br />
Gmünd den Umgang beziehungsweise<br />
die Nutzung der Messdaten zu erleichtern.<br />
Denn auch wenn sich in der<br />
Fertigung einiges verändert hatte, „wie<br />
wir die Messprotokolle gehandhabt haben,<br />
das war die vergangenen 15 Jahre<br />
mehr oder weniger gleich“, so Schniepp.<br />
Das größte Problem für den Fertigungsplaner:<br />
Ein Messprotokoll dokumentiert<br />
immer nur den Moment. Wollten Werker einen Trend<br />
erkennen, dann mussten sie in der Lenkmutterfertigung<br />
die letzten Protokolle aus dem Ordner nehmen<br />
und Seite für Seite den Wert vergleichen. „Unmöglich,<br />
das im Tagesgeschäft zu realisieren“, ergänzt<br />
Tisljar.<br />
Angesichts von einzuhaltenden Toleranzen, die<br />
mitunter im „Größenbereich eines Ebola-Virus“ liegen,<br />
wie es Daniel Hübscher, Mitarbeiter in der Abteilung<br />
Technologieentwicklung von Bosch gern visualisiert,<br />
hing die Stabilität der Prozesse in Schwäbisch<br />
Gmünd deshalb stark von der Erfahrung beziehungsweise<br />
von der Tagesform der Werker ab. Als die<br />
22 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
Abteilung durch die Bemühung von Tisljar und<br />
Schniepp 2018 dann die Voraussetzungen schuf, um<br />
die Messprotokolle als pdf-Files auf einen Rechner<br />
an den Bearbeitungszentren zu spielen, „hatten wir<br />
bereits eine andere Lösung im Kopf“, so Schniepp.<br />
Denn die Umstellung senkte zwar den jährlichen Papierverbrauch<br />
der Abteilung um 6.400 kg und reduzierte<br />
damit den CO 2<br />
Ausstoß um 5.330 kg pro Jahr.<br />
Aber sie lieferte den Werkern keine zusätzlichen Informationen.<br />
Auswertung und grafische<br />
Darstellung für die Werker<br />
Tisljar und Schniepp wollten eine Lösung, die den<br />
Werkern eine Auswertung sowie eine grafische Darstellung<br />
der Messwerte erlaubte. Sie prüften deshalb<br />
mehrere Statistiklösungen. „Das, was wir wollten,<br />
ließ sich nur mit Piweb von Zeiss umsetzen“, erinnert<br />
sich Schniepp. Um die Geschäftsführung von einem<br />
Investment in die Software zu überzeugen, hinterlegten<br />
die Fertigungsplaner ihre Vision mit konkreten<br />
Zahlen zu den erwarteten Einsparungen beziehungsweise<br />
Vorteilen. Sie prognostizierten, dass sich die<br />
Auslastung der Anlagen um mindestens 1 % erhöhen<br />
würde. „Wie sich mittlerweile zeigt, haben wir hier<br />
tiefgestapelt“, freut sich Schniepp. „Zwar wurde kein<br />
Projekt aufgesetzt, um konkrete Zahlen zu gewinnen,<br />
aber wir sehen eine höhere Auslastung der Anlagen<br />
und weniger Ausschuss“, so Tisljar. „Die Produktion<br />
läuft ruhiger, der Fertigungsprozess ist insbesondere<br />
Über Robert Bosch<br />
Automotive Steering<br />
Robert Bosch Automotive Steering zählt zu den führenden<br />
Herstellern von Lenksystemen. Der Standort<br />
Schwäbisch Gmünd umfasst das Werk und die Zentrale<br />
des Geschäftsbereichs Automotive Steering.<br />
Dort arbeiten rund 4.300 Mitarbeiter. Gefertigt werden<br />
Fahrzeugkomponenten für Pkw und Nutzfahrzeuge.<br />
Neben der Elektrolenkung Servolectric für<br />
Pkw wird die RB-Servocom, eine kompakte Kugelmutter-Hydrolenkung<br />
für Lkw und Omnibusse, in<br />
Schwäbisch Gmünd hergestellt.<br />
bei unerfahrenen Werkern stabiler geworden“, ergänzt<br />
Schniepp.<br />
Nach einem dreitätigen Workshop zum Leistungsumfang<br />
der Software, fing die Arbeit für die Produktionsplaner<br />
dann richtig an. „Denn so vielversprechend<br />
die angedachte Verzahnung zwischen Koordinatenmessgeräten,<br />
Piweb und den Fertigungszentren<br />
auch ist, sie ist nur mit Daten möglich, die konsistent<br />
sind und sich eindeutig zuordnen lassen“, so Tisljar.<br />
Deshalb standen 2020 alle 90 Messprogramme, mit<br />
denen 20 bis 35 Merkmale der einzelnen Lenkmut-<br />
Bild: Zeiss<br />
Sebastian Schniepp<br />
(links), Fertigungsplaner<br />
bei Robert Bosch<br />
Automotive Steering,<br />
im Gespräch mit Daniel<br />
Hübscher von der<br />
Abteilung Technologieentwicklung<br />
bei Bosch.<br />
Gemeinsam arbeiteten<br />
sie daran, die Fertigung<br />
mit dem Messraum zu<br />
verzahnen.<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 23
IM FOKUS » Smarte Fabrik<br />
Auf einem Bildschirm<br />
werden den Werkern die<br />
Piweb Reports und Korrekturwerte<br />
dargestellt.<br />
Ob sie die Korrekturen 1:1<br />
in ihre Fertigungsmaschinen<br />
übertragen, entscheiden<br />
die Werker.<br />
Bild: Zeiss<br />
tertypen kontrolliert werden, auf dem Prüfstand. Eine<br />
Aufgabe, die Daniel Hübscher von der Abteilung<br />
Technologieentwicklung bei Bosch in Schwäbisch<br />
Gmünd übernahm. Er standardisierte und parametrisierte<br />
die Programme. Da ihm schnell klar war, dass<br />
es nicht damit getan war, die Verwendung von Unterstrichen<br />
oder Doppelpunkten<br />
zu vereinheitlichen, suchte er von<br />
Anfang an den Dialog mit den<br />
Mitarbeitern an der Maschine.<br />
„Neu ist immer schwierig, aber<br />
wenn man sich der Diskussion<br />
stellt, dann kommt man ans Ziel“,<br />
so Hübscher. Dass sich seine Arbeit<br />
auszahlte, steht für alle Beteiligten<br />
außer Frage. Zum einen<br />
könnte die Abteilung jetzt innerhalb<br />
kürzester Zeit und ohne großen<br />
Aufwand betreiben zu müssen,<br />
das 91ste oder 200ste Messprogramm erstellen.<br />
Und zum anderen verkürzte die mit der Standardisierung<br />
verbundene Bereinigung der Messprogramme<br />
die Messzeit der Lenkmuttern.<br />
Werker erhalten genau die<br />
Reports, die sie benötigen<br />
Gearbeitet wird mit Piweb-Reports in der Abteilung<br />
bereits seit 2020. Den Experten bei Bosch war dabei<br />
das Thema Standardisierung wichtig. Deshalb suchten<br />
sie den Dialog mit den Maschinenbedienern, um<br />
»Die Produktion<br />
läuft ruhiger, der<br />
Fertigungsprozess<br />
ist insbesondere<br />
bei unerfahrenen<br />
Werkern stabiler<br />
geworden.«<br />
Sebastian Schniepp, Bosch<br />
sicherzustellen, dass sie genau die Reports erhalten,<br />
die sie für die Steuerung der Maschinen brauchen.<br />
Dafür wurden Filter gesetzt. Der Bediener klickt dafür<br />
den jeweiligen Arbeitsgang, Maschinentyp, Maschine<br />
und die entsprechende Sachnummer an und kommt<br />
dann auf eine Ebene auf der er unter anderem das<br />
Prozess-, das Gesamtprotokoll<br />
oder auch die Prozessübersicht<br />
inklusive Korrekturen auswählen<br />
kann. Die Struktur erlaubt es ihnen,<br />
ganz schnell und einfach<br />
weitere Lenkmuttermodelle oder<br />
Fertigungsmaschinen zu integrieren.<br />
Neben den Reports entwickelte<br />
Schniepp auch die Formel für die<br />
Berechnung der Korrekturwerte<br />
für die Bearbeitungsmaschinen in<br />
Piweb. Diese geben an, um welchen<br />
Wert die Bearbeitung korrigiert werden muss,<br />
um den Soll-Wert zu erhalten. „Durch die Vorgabe<br />
dieser Korrekturwerte nehmen wir den Werkern viel<br />
Arbeit bei der Berechnung dieser ab und reduzieren<br />
so Fehlerquellen – insbesondere dann, wenn mehrere<br />
Bearbeitungsschritte auf ein Messmerkmal einzahlen“,<br />
betont der Fertigungsplaner. Noch erhalten die<br />
Maschinenbediener in Schwäbisch Gmünd diese Korrekturwerte<br />
mit dem Aufruf des entsprechenden Reportings.<br />
Ob sie diese Werte dann 1:1 in die Fertigungsmaschinen<br />
übertragen oder aber angepasst<br />
24 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
werden, das entscheiden die Werker individuell aufgrund<br />
ihrer Erfahrungen.<br />
Bosch und Emag entwickeln eine<br />
gemeinsame Schnittstelle<br />
Und weil bei der händischen Übertragung der Korrekturwerte<br />
in die Maschinensteuerung schnell Fehler<br />
entstehen, sollen in den nächsten Wochen direkt im<br />
Display der Bearbeitungszentren angezeigt werden.<br />
Die Schnittstelle für die Datenübertragung erstellt<br />
Bosch derzeit in Zusammenarbeit<br />
mit<br />
Emag, dem Hersteller<br />
der Fertigungszentren.<br />
Doch auch bei<br />
der automatisierten<br />
Datenübergabe muss<br />
der Bediener per Andreas Tisljar, Bosch<br />
Knopfdruck noch<br />
entscheiden, ob er die Werte übernimmt. Dies ist ein<br />
wichtiger Punkt für die Fertigungsplaner, denn die<br />
Werker haben die Verantwortung für das Bearbeitungsergebnis<br />
und müssen diese behalten. „Wären<br />
sie hier außen vor, dann bestände die Gefahr, dass<br />
Aufgaben wie das Reinigen der Bauteile vor dem<br />
Messen auf der Koordinatenmessmaschine nicht<br />
mehr ganz so ernst genommen werden“, so Schniepp.<br />
Er und Tisljar denken deshalb heute bereits – und<br />
zwar gemeinsam mit KI-Experten von Bosch – darüber<br />
nach, wie der Prozess in Zukunft gestaltet sein<br />
muss. Denn auch bei einer weiteren Verzahnung und<br />
einer stärkeren Einbeziehung von Künstlicher Intelligenz<br />
soll der Werker im Fokus bleiben. Welches Potenzial<br />
die Entwicklung hin zu einem Closed Loop<br />
»Wir sehen eine<br />
höhere Auslastung<br />
der Anlagen und<br />
weniger Ausschuss.«<br />
Übersichtliche Reports<br />
Piweb ist eine Reporting-Software von Zeiss, die<br />
aufwändig gewonnene Messdaten in aussagekräftige<br />
Erkenntnisse übersetzt. Dabei lassen sich<br />
die Messdaten sowohl über Diagramme, statistische<br />
Auswertungen als auch über farbliche Abweichungen<br />
zu den CAD-Modellen visualisieren.<br />
Messdaten verschiedener Bauteile und Messgeräte<br />
können außerdem einfach und schnell in einem<br />
Dokument zusammengefasst werden. Zudem<br />
errechnet Piweb Korrekturwerte, die Werker dabei<br />
unterstützen, die vorgegebenen Soll-Werte zu erreichen.<br />
Durch die Möglichkeit firmenspezifische<br />
Reports zu erstellen, lässt sich der Produktionsprozess<br />
optimal überwachen. Die Software ist<br />
skalierbar und erlaubt Firmen bei der Anwendung<br />
der datenbankgestützten Versionen den<br />
aus Industrie 4.0 resultierenden Informationsfluss<br />
effizient zu organisieren und die Digitalisierung<br />
voranzutreiben.<br />
besitzt, hat sich bei Bosch in Schwäbisch Gmünd bereits<br />
herumgesprochen. „Wir hatten Kollegen von der<br />
Zahnstangenfertigung hier, die sind begeistert und<br />
wollen diesen Weg ebenfalls gehen“, freut sich<br />
Schniepp. Und die Werker? „Das sind echte Schwaben“,<br />
so Hübscher, „nicht geschimpft ist genug gelobt“.<br />
Seit 2020 arbeitet<br />
Bosch in Schwäbisch<br />
Gmünd mit Piweb-<br />
Reports. Über Filter, die<br />
der Bediener anklickt,<br />
erhält er schnell genau<br />
die Daten und Reports,<br />
mit denen er die Maschine<br />
optimal steuert.<br />
Bild: Zeiss<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 25
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26 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022<br />
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SPECIAL<br />
» Kunststoff<br />
Die Digitalisierung ist in der Kunststoffverarbeitung angekommen.<br />
Sie hilft, das Langzeitverhalten von Bauteilen<br />
etwa aus Thermoplasten oder Schäumen vorherzusagen.<br />
Zug- und Druckversuche sind dabei elementar.<br />
Extrusion<br />
Saargummi nutzt Vision-System<br />
zum Messen an und in der<br />
Extrusionslinie<br />
» Seite 28<br />
Thermoplaste<br />
Zugversuche helfen, die<br />
Dauerfestigkeit entsprechender<br />
Bauteile vorherzusagen<br />
» Seite 30<br />
Harte Schäume<br />
Mit Zug- und Druckversuchen<br />
lässt sich ihr Materialverhalten<br />
modellieren<br />
» Seite 32<br />
Bild: Fraunhofer LBF<br />
Elastomere<br />
Freudenberg entwickelt vollautomatisches<br />
visuelles Inspektionssystem<br />
für die eigene Fertigung<br />
» Seite 34<br />
Eine praxisrelevante Methode zur Versagensvorhersage von harten Polymerschäumen<br />
wird am Fraunhofer LBF entwickelt.<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 27
SPECIAL » Kunststoff<br />
Saargummi nutzt kamerabasierte Inline-Inspektionssysteme<br />
Messen im Takt<br />
der Extrusionslinie<br />
Automobilzulieferer Saargummi setzt schon lange auf die Expertise von<br />
Pixargus, um jedes Jahr Millionen von Metern Endlosdichtungen zeitgleich<br />
hinsichtlich Oberfläche und Geometrie in Form des Profilquerschnitts zu<br />
überprüfen. Dies erfolgt in der Extrusionslinie inline mit einer Vision-Lösung.<br />
In den vier Fertigungslinien<br />
im Saargummi-<br />
Werk in Büschfeld sind<br />
die Zwei-in-Eins-Geräte<br />
der Systemreihe Profilcontrol<br />
von Pixargus integriert,<br />
die Oberfläche<br />
und Geometrie zeitgleich<br />
abprüfen können.<br />
Bild: Pixargus<br />
Heike Freimann<br />
Redaktionsbüro AIX<br />
im Auftrag von<br />
Pixargus<br />
www.pixargus.de<br />
In Halle 33 im Saargummi-Werk Büschfeld werden<br />
Endlosdichtungen für die Großen in der Automobilindustrie<br />
auf 1400-Meter-Spulen gewickelt. Beim<br />
Autobauer werden die Spulen später vollautomatisch<br />
abgewickelt und je nach Fahrzeugmodell auf Länge<br />
gebracht. Ein Roboter reicht hier mit starken Armen<br />
die Autotüren an und die Dichtungen werden mannlos<br />
und passgenau aufgeklebt. „Die<br />
Endlosdichtung war die Idee, bei uns<br />
und beim Automobilhersteller einen<br />
höher automatisierten Prozess zu realisieren“,<br />
erzählt Christian Kast, Director<br />
Global Product Automotive und<br />
damals, 2006, der Erfinder der Endlostechnologie<br />
bei Saargummi. Das ist<br />
keine einfache Aufgabe bei elastischen<br />
Gummiprofilen, die sich anders als starre Produkte<br />
maschinell nicht so einfach greifen, fördern und bearbeiten<br />
lassen. Heute fertigen sie hier am Standort<br />
im nördlichen Saarland fast 50 Mio. m Endlosdichtungen<br />
pro Jahr. Daimler, BMW, Ford, VW und Seat<br />
sowie der Nutzfahrzeughersteller Scania gehören zu<br />
den Kunden. Für die Qualitätskontrolle der neuen<br />
Endlosprodukte war von Anfang an Pixargus mit seinen<br />
kamerabasierten digitalen Inline-Inspektionssystemen,<br />
die sich in Produktionsanlagen und Unternehmensnetzwerke<br />
integrieren lassen, an Bord.<br />
Oberfläche und Geometrie werden<br />
gleichzeitig überprüft<br />
„Wenn ich über diese Länge von 1400 Metern die<br />
Qualität sicherstellen muss, brauchen wir zerstö-<br />
28 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
ungsfreie Prüfmethoden, die idealerweise im Inline-<br />
Prozess funktionieren“, erzählt Kast. Inzwischen sind<br />
hier in vier Fertigungslinien die Zwei-in-Eins-Geräte<br />
der Profilcontrol-Systemreihe von Pixargus integriert,<br />
die Oberfläche und Geometrie in Form des<br />
Profilquerschnittes in einer Funktionseinheit zeitgleich<br />
abprüfen können. „Die Daten haben wir gleich<br />
online“, so Kast.<br />
Auf der Unterseite der Dichtung muss außerdem<br />
die Spurlage des aufgetragenen Klebebands stimmen.<br />
„Das muss an der richtigen Position sitzen,<br />
welche auf wenige zehntel Millimeter toleriert ist,<br />
dies ist extrem wichtig.“ Nicht weniger anspruchsvoll<br />
ist die Oberflächenprüfung. „Wir legen gemeinsam<br />
mit dem Kunden fest, ab welcher Ausprägung<br />
ein Pickel ein Pickel<br />
und ein Produkt fehlerhaft<br />
ist“, so Kast.<br />
Das vereinbarte Toleranzspektrum<br />
muss dann einerseits<br />
in die Prozesswelt<br />
von Saargummi,<br />
aber auch in die<br />
Fehlerdetektion von<br />
Pixargus übersetzt werden. Bei den Inspektionssystemen<br />
lassen sich dazu die Parameter für die Rauigkeit,<br />
die den Kameras Kontrast und Detailgenauigkeit<br />
vorgeben, sehr einfach und genau einstellen, erzählt<br />
Kast: „Wir wollten keine Technik, die wir selbst<br />
programmieren müssen, sondern einfache, bedienerfreundliche<br />
Systeme.“<br />
An drei Linien produziert der Dichtungshersteller<br />
heute im Doppelstrangverfahren die Endlosdichtung<br />
unter dem Markennamen Sealmatic. Die Profilstränge<br />
werden hierbei spiegelbildlich Rücken an Rücken<br />
extrudiert. Damit der Doppelstrang im Sensorkopf individuell<br />
vermessen werden kann, hat Pixargus das<br />
Profilcontrol-7-System mit einem speziellen Frequenzgenerator<br />
ausgerüstet. Er misst die Geschwindigkeit<br />
der Profilstränge und gibt den optischen Sensoren<br />
den Takt für die Bildverarbeitung vor.<br />
Szenenwechsel. In der Halle 22 werden auf Länge<br />
geschnittene Dichtungen produziert. „Das ganze Repertoire<br />
rund um die Karosserie“, erzählt der Prozesstechniker<br />
Jan Müller. Auch hier ist an vier Fertigungslinien<br />
jeweils ein Profilcontrol-System im Einsatz.<br />
Acht Kameras haben die Gummiprofile im Blick<br />
und detektieren zuverlässig Pickel, Blasen, Knoten<br />
oder Flockreste. Ist beispielsweise die C-Lippe zu<br />
kurz, meldet die Dimensionsmessung sofort den Fehler.<br />
„Ich sehe dann auf einen Blick, wo meine Fehlerursachen<br />
liegen und kann dementsprechend eingreifen“,<br />
erklärt Müller.<br />
Gerade hat Kamera 3 bei Laufmeter 2870 einen<br />
Fehler erkannt, eine Verunreinigung. Das System hat<br />
die betroffene Stelle<br />
»Wir wollten keine Technik,<br />
die wir selbst programmieren<br />
müssen, sondern einfache,<br />
bedienerfreundliche Systeme.«<br />
Christian Kast, Saargummi<br />
markiert. Das Personal,<br />
das die Teile verpackt,<br />
sieht die gelbe<br />
Markierung auf der<br />
Profiloberfläche und<br />
entsorgt das entsprechende<br />
Teil.<br />
Rechts im Bild springen<br />
vor der hinterlegten<br />
Sollkontur des Profils indessen leuchtende<br />
Graphen hin und her. Sie markieren, wo gerade welcher<br />
Profilbereich, welcher Wert geprüft wird. „So<br />
können wir immer abgleichen, dass wir uns innerhalb<br />
der Toleranz befinden“, so Müller. „Wir sind sehr<br />
selbständig, was die Problembeseitigung angeht.“<br />
Saargummi fertigt in<br />
Büschfeld fast 50 Mio.<br />
m Endlosdichtungen<br />
pro Jahr. Produziert<br />
wird in hochautomatisierten<br />
Prozessen.<br />
Bild: Saargummi<br />
Frequenzgenerator gibt<br />
dem Vision-System den Takt vor<br />
Bild: Saargummi<br />
Die Inspektionssysteme<br />
von Pixargus prüfen<br />
auch die Spurlage des<br />
aufgetragenen roten<br />
Klebebands. Dies muss<br />
an der richtigen Position<br />
sitzen, welche auf<br />
wenige zehntel Millimeter<br />
toleriert ist.<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 29
SPECIAL » Kunststoff<br />
Bild: SKZ<br />
Mit dem neuen Prüfund<br />
Auswerteverfahren<br />
zur Bestimmung werkstofflicher<br />
Einsatzgrenzen<br />
an thermoplastischen<br />
Kunststoffbauteilen<br />
wird die dauerfeste<br />
Auslegung solcher Bauteile<br />
erleichtert.<br />
Neues Verfahren nutzt Zugversuche, um Bauteilversagen vorzubeugen<br />
Belastbare Werte<br />
für Thermoplaste<br />
Das mechanische Langzeitverhalten von Kunststoffen ist sehr komplex. Entsprechend<br />
schwierig ist auch eine zuverlässige Auslegung von thermoplastischen<br />
Bauteilen im Bereich der Langzeit- beziehungsweise Dauerfestigkeit.<br />
Das Kunststoff-Zentrum SKZ hat nun ein neues Verfahren dafür entwickelt.<br />
Malte Nebel<br />
Scientist<br />
Gruppe<br />
Bauteileigenschaften<br />
SKZ<br />
www.skz.de<br />
Für thermoplastische Kunststoffbauteile<br />
existiert bisher keine allgemeingültige<br />
Vorgehensweise zum Festigkeitsnachweis<br />
der Langzeit- beziehungsweise<br />
Dauerfestigkeit – und damit der Auslegung<br />
entsprechender Bauteile. Eine besondere<br />
Herausforderung ist dabei die Ermittlung<br />
werkstofflicher Einsatzgrenzen,<br />
um Materialschädigungen und zukünftiges<br />
Bauteilversagen zu verhindern. Bisherige<br />
Auslegungsverfahren sind meist mit<br />
erheblichem Prüf- und Kostenaufwand<br />
verbunden oder liefern bei Verwendung<br />
pauschaler Abminderungsfaktoren und<br />
hoher Sicherheitsbeiwerte meist sehr<br />
konservative Ergebnisse, was dem<br />
Wunsch nach Leichtbau und Ressourceneffizienz<br />
entgegensteht.<br />
Energiebasiertes<br />
Bemessungskonzept<br />
Daher hat das SKZ für die Bestimmung<br />
derartiger Grenzwerte ein energiebasier-<br />
tes Bemessungskonzept erarbeitet, welches<br />
auf Basis intermittierender Zugversuche<br />
die Detektion werkstofflicher Einsatzgrenzen<br />
durch eine Auswertung der<br />
Dehnungsamplitude erlaubt. Durch geeignete<br />
Zerlegung der umgesetzten Energie<br />
in gespeicherte und dissipierte Energieanteile<br />
kann eine kritische dissipierte Energiedichte<br />
bestimmt werden, welche charakteristisch<br />
für die Schädigungsgrenze<br />
des Werkstoffs ist. Unterhalb dieser Schädigungsgrenze<br />
ist der Werkstoff „dauerfest“<br />
in dem Sinne, dass es auch nach<br />
sehr häufiger Belastung oder langen Belastungsdauern<br />
zu keinen Mikroschädigungen<br />
kommt, die später zu einem Bauteilversagen<br />
führen können.<br />
30 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
Das neue Verfahren wurde am SKZ unter<br />
dem Gesichtspunkt entwickelt, eine<br />
anwendungsbezogene Auslegung bei geringem<br />
Prüfaufwand zu ermöglichen.<br />
Durch die Beschränkung auf einfache<br />
Versuche, die mit Universalprüfmaschinen<br />
durchgeführt werden, ergibt sich die<br />
Möglichkeit, Belastungsgrenzen unter direkter<br />
Berücksichtigung anwendungsbezogener<br />
Einflussfaktoren festzulegen.<br />
Anwendungsbezug dank<br />
einfacher Prüftechnik<br />
So lassen sich zum Beispiel durch Nutzung<br />
einer Temperierkammer Belastungsgrenzen<br />
für Temperaturen ermitteln, die<br />
vom Normklima abweichen. Auch lassen<br />
sich Schädigungsgrenzen in Abhängigkeit<br />
von einer durch eine Faserverstärkung bedingten<br />
Anisotropie der Werkstoffeigenschaften<br />
ermitteln.<br />
Durch die direkte Berücksichtigung<br />
festigkeitsmindernder Einflussfaktoren<br />
während der Materialprüfung kann somit<br />
auf pauschale Abminderungsfaktoren<br />
verzichtet werden. Die innovative Prüfmethodik<br />
erlaubt zudem den Verzicht<br />
auf zeit- und kostenintensive Langzeitversuche.<br />
Die Anwendbarkeit des neuen Verfahrens<br />
wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts<br />
an unterschiedlichen Thermoplasten<br />
(amorph/teilkristallin, spröd/duktil,<br />
faserverstärkt/unverstärkt) demonstriert.<br />
Die ermittelten Belastungsgrenzen<br />
wurden gegenüber gängigen Auslegungsverfahren<br />
(spannungs- beziehungsweise<br />
dehnungsbezogen) abgeglichen und erzielten<br />
gute Übereinstimmungen.<br />
Teure Langzeitversuche<br />
entfallen künftig<br />
Entlang der Wertschöpfungskette von<br />
Kunststoffen werden zahlreiche Unternehmen<br />
von einer anwendungsbezogenen<br />
Bestimmung der Belastungsgrenzen ihrer<br />
eingesetzten Kunststofftypen profitieren.<br />
Kostenintensive Langzeitversuche oder<br />
pauschale Bemessungsmethoden werden<br />
vermieden. Dies steigert die Sicherheit<br />
und Lebensdauer von Produkten, spart<br />
Material und vermeidet teure Regressansprüche.<br />
Die geplante perspektivische<br />
Aufnahme des Verfahrens in Normen und<br />
Richtlinien wird den Anwendern zusätzliche<br />
Sicherheit bei der Auslegung bieten<br />
und eine effizientere Gestaltung der Entwicklungsprozesse<br />
erlauben.<br />
Bild: SKZ<br />
Durch geeignete Zerlegung der umgesetzten Energie in gespeicherte und dissipierte Energieanteile<br />
kann bei dem neuen Verfahren eine kritische dissipierte Energiedichte bestimmt werden,<br />
welche charakteristisch für die Schädigungsgrenze des Werkstoffs ist.<br />
Ein Unternehmen von <strong>Quality</strong> Vision International<br />
Der größte optische Multisensorkonzern der Welt<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 31<br />
65719 Hofheim-Wallau<br />
T: 06122/9968-0 • www.ogpgmbh.de
SPECIAL » Kunststoff<br />
Neue Prüftechnik<br />
Damit Hartschaum nicht versagt<br />
Multiaxiale Zug- und Druckversuche sind von entscheidender Bedeutung zur<br />
Modellierung des Materialverhaltens von harten Schäumen. Für die sichere<br />
und kosteneffektive Auslegung von Verbundbauteilen mit Schäumen hat das<br />
Fraunhofer LBF nun neue Prüfverfahren und verbesserte Methoden entwickelt.<br />
Umschlingungsversuch<br />
für die 2D-Druckbelastung:<br />
Die Blechschleife<br />
mit dem Probekörper<br />
wird mit dem Steg nach<br />
unten in die Backen der<br />
Prüfmaschine eingesetzt<br />
und danach gezogen.<br />
Bild: Fraunhofer LBF<br />
Bild: Fraunhofer LBF<br />
Dr. Vladimir A. Kolupaev<br />
Axel Nierbauer<br />
Mechanik und Simulation, Bereich Kunststoffe<br />
Fraunhofer LBF<br />
www.lbf.fraunhofer.de<br />
Bild: Fraunhofer LBF<br />
Für multiaxiale Prüfungen von harten Schäumen<br />
fehlt aktuell ein bewährtes Verfahren. Einige<br />
Belastungsfälle sind experimentell kaum realisierbar.<br />
So sind zum Beispiel plausible Prüfvorschriften für<br />
den hydrostatischen Zugversuch nicht bekannt und<br />
der äquibiaxiale Zugversuch ist kostspielig in der<br />
Durchführung. Um diese Problematik in den Griff zu<br />
bekommen, haben die Experten des Fraunhofer-Instituts<br />
für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit<br />
LBF einen equibiaxialen und einen hydrostatischen<br />
Druckversuch aufgebaut. Die Ergebnisse dieser<br />
Versuche sind eindeutig und einfach zu interpretieren.<br />
Zusammen mit den uniaxialen Zug- und Druckversuchen<br />
sowie Torsionsversuchen sorgen diese Versuchsdaten<br />
für eine zuverlässige Modellierung und<br />
32 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
plausible Extrapolationen, die eine Abschätzung der<br />
nicht verfügbaren Daten aus dem hydrostatischen<br />
Zugversuch ermöglichen.<br />
Die equibiaxiale (gleichmäßige biaxiale) Druckbelastung<br />
wird in einer konventionellen Zugprüfmaschine<br />
mit einer Kreisscheibe als Probenkörper und<br />
einer Blechschleife zum Aufbringen der Lasten realisiert.<br />
Die Blechschleife hat an einem Ende ein rechteckiges<br />
Loch und am anderen Ende einen Steg. Das<br />
vorgebogene Blech ist so geschlossen, dass der Steg<br />
durch das Loch geführt wird und so eine Schlaufe<br />
entsteht.<br />
Der Probekörper wird mit dieser Schlaufe umwickelt.<br />
Im Bereich der Schleifenüberlappung werden<br />
dünne vorgebogene Bleche eingelegt. Diese Bleche<br />
stützen den konstruktiv geschwächten Bereich des<br />
Schleifenlochs und sorgen für eine bessere Verteilung<br />
der Belastung. Vor der Prüfung wird der Probekörper<br />
mit trockener Druckluft gereinigt, vermessen<br />
und gewogen. Die Schleife, die Bleche und die Umfangsfläche<br />
des Probekörpers werden mit einem<br />
Schmiermittel vorbehandelt, um Reibung zu verringern.<br />
Der Aufwand dieser Prüfung ist minimal und<br />
vergleichbar mit den Standard-Zugversuchen. Der<br />
2D-Druckversuch stellt eine effektive Methode zur<br />
ersten Abschätzung des Materialverhaltens dar. Für<br />
eine genaue Modellierung ist jedoch ein hydrostatischer<br />
Druckversuch unerlässlich.<br />
Zwei Arten des Materialverhaltens<br />
unter hydrostatischem Druck<br />
Forschende am Fraunhofer LBF haben eine neue Methode<br />
zur Prüfung des Materialverhaltens unter hydrostatischer<br />
Druckbelastung implementiert und auf<br />
mehrere offen- und geschlossenporige polymere<br />
Hartschäume angewendet. Es sind zwei Arten des<br />
Materialverhaltens unter hydrostatischem Druck zu<br />
unterscheiden: das Versagen der Zellen und der hydrostatische<br />
Kollaps der Gesamtstruktur. Diese Unterschiede<br />
sind vor allem in Unterwasseranwendungen<br />
von Bedeutung.<br />
Die Probekörper mit und ohne Schutzschicht werden<br />
geprüft, um verschiedene Versagensarten zu erhalten.<br />
Zur Bestimmung der Festigkeit der Gesamtstruktur<br />
wird der Probekörper unter Vakuum in einen Schutzbeutel<br />
verpackt. Die gemessenen Unterschiede zwischen<br />
den beiden Festigkeiten erreichten bei einigen<br />
Schäumen bis zu 6 %.<br />
Der würfelförmige Probekörper hat die Abmessungen<br />
50×50×50 mm 3 . Die Kanten sind abgerundet,<br />
um eine Beschädigung des Schutzbeutels während<br />
der Fixierung und der Belastung zu vermeiden. Anschließend<br />
werden die Ecken mit Schleifpapier geglättet,<br />
um eventuelle Grate zu entfernen. Die Abmessungen<br />
des Probekörpers sind durch die Größe<br />
des Sichtfensters der Druckkammer und die Abmessungen<br />
des gelieferten Materials begrenzt. Vor dem<br />
Versuch wird die Probe mit einem statistisch verteilten<br />
Schwarz-und-Weiß-Muster gesprenkelt.<br />
Die Deformationen auf der Probenoberfläche werden<br />
von einer CCD-Kamera erfasst. Die Dehnungsauswertung<br />
der Geometrieänderung in der Platte erfolgt<br />
im Post-Processing unter Verwendung der<br />
Grauwert-Korrelationssoftware. Diese Auswertung<br />
erfolgt bis zum Versagen.<br />
Für eine zuverlässige Modellierung von Materialien,<br />
die unter hydrostatischem Druck versagen, ist<br />
der hydrostatische Druckversuch zwingend erforderlich.<br />
Die Materialeigenschaften aus dieser Prüfung<br />
können nicht aus den Daten der Zug-, Druck- und<br />
Torsionsprüfung berechnet werden. Mögliche Extrapolationen,<br />
wie zum Beispiel auf der Basis des<br />
2D-Druckversuchs, können nur Abschätzungen liefern<br />
und sollten für kritische Bauteile nicht angewendet<br />
werden. Der hydrostatische Druckversuch<br />
liefert die notwendigen Informationen zur Modellierung<br />
des elastischen Verhaltens und des Versagens<br />
bei mehraxialen Druckbelastungen.<br />
Die Ergebnisse des hydrostatischen Versuchs führen<br />
direkt zu den benötigten Parametern im Materialmodell,<br />
was das Fitting erheblich vereinfacht. Unter<br />
anderem ist der Kompressionsmodul des elastischen<br />
Verhaltens ein Ergebnis dieser Versuche. Die<br />
Methode erlaubt es somit, Entscheidungen über die<br />
Materialwahl für bestimmte Anwendungen zu treffen.<br />
Sie erscheint auch für weitere Materialien wie<br />
keramische Schäume, Porenbeton, Boden, gesinterte<br />
und granulare Materialien vielversprechend.<br />
Bild: Fraunhofer LBF<br />
Hydrostatischer Druckversuch:<br />
So sieht der<br />
Probekörper ohne<br />
Schutzschicht nach<br />
der Prüfung aus.<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 33
SPECIAL » Kunststoff<br />
Automatisches Vision-Inspektionssystem<br />
Zwei Drittel kleiner und günstiger<br />
Ob kleine Automobildichtungen, Federn oder O-Ringe aus Thermoplasten oder<br />
Elastomeren – Kunststoffverarbeiter Freudenberg Sealing Technologies hat<br />
dafür selbst ein vollautomatisches visuelles Inspektionssystem entwickelt.<br />
Es analysiert gleichzeitig die Daten von bis zu vier Kameras.<br />
Geprüft wird ein Kleinteil in diesem<br />
Fall mit drei Kameras. Das Bildverarbeitungssystem<br />
F-Vision GP 50<br />
analysiert deren Daten gleichzeitig.<br />
Bild: Freudenberg<br />
Dr. Helmut Hamfeld<br />
Senior <strong>Engineering</strong> Specialist<br />
Freudenberg<br />
Sealing Technologies<br />
www.fst.com<br />
denberg Sealing Technologies seine Prüfsysteme<br />
genau auf spezifische Produktionsanwendungen<br />
und Fehlerparameter<br />
ausrichten.“ Die Automatisierung minimiert<br />
beim Kunststoffverarbeiter zudem<br />
den Bedarf an manuellen Kontrollen, die<br />
in der Regel mehr Zeit in Anspruch nehmen<br />
und bei denen winzige Fehler häufiger<br />
unentdeckt bleiben.<br />
Anfang 2022 wurde das erste F-Vision<br />
GP 50 System mit rotierender Glasplatte<br />
am US-amerikanischen Freudenberg-<br />
Standort Morristown installiert. Für das<br />
Werk sind bereits weitere Maschinen geordert,<br />
die noch in diesem Jahr in Betrieb<br />
gehen sollen. Auch die Produktionsstätten<br />
von Freudenberg Sealing Technologies<br />
in Öhringen, Oberwihl und Weinheim in<br />
Deutschland sowie in Bristol/USA sind an<br />
den neuen Systemen interessiert.<br />
Das F-Vision GP 50 System arbeitet mit<br />
neuer Bildverarbeitungstechnologie – einschließlich<br />
der Fähigkeit, sich selbständig<br />
Wir sind ständig auf der Suche nach<br />
Möglichkeiten, unsere Produktionsprozesse<br />
zu verbessern“, erklärt Robert<br />
Scavuzzo, Vice President Global Advanced<br />
Manufacturing Technology bei Freudenberg.<br />
„Die aktualisierte Bildverarbeitungstechnologie<br />
ist ein weiterer Entwicklungsschritt,<br />
mit dem wir die Null-Fehler-<br />
Vorgabe noch effektiver erfüllen und damit<br />
für unsere Kunden und die Endverbraucher<br />
klare Vorteile bieten. Durch die<br />
unternehmensinterne Entwicklung der<br />
F-Vision GP 50-Technologie kann Freuan<br />
Prozessschwankungen anzupassen –<br />
und kann gleichzeitig Daten von bis zu<br />
vier Kameras analysieren. Mit einer Größe<br />
von gerade einmal 80 cm x 80 cm – ohne<br />
Zuführungs- und Verpackungskomponenten<br />
– ist das System nur etwa ein Drittel<br />
so groß und so teuer wie aktuelle, handelsübliche<br />
Prüfsysteme. Es wird am Ende<br />
einer Produktionslinie oder eines Prozesses<br />
positioniert, um mögliche Fehler bereits<br />
unmittelbar nach der Fertigstellung<br />
der Teile zu überwachen. Dabei lassen sich<br />
bis zu zehn Teile pro Sekunde prüfen.<br />
Jedes neue Teil wird mit Hunderten von<br />
zuvor freigegebenen Teilen verglichen,<br />
um Unterschiede zu erkennen und zwischen<br />
tatsächlichen Fehlern und zufälligen<br />
Prozessabweichungen zu unterscheiden,<br />
die beispielsweise durch Schmutz<br />
oder Staub verursacht wurden. Die Anlage<br />
kann mehr als 20 verschiedene Oberflächenprüfungen<br />
vornehmen. Zusätzliche<br />
Prüfungen der Oberflächen und/oder der<br />
Einhaltung von Maßtoleranzen lassen<br />
sich je nach Bedarf hinzufügen.<br />
Fehler beim Spritzgießen<br />
schneller beheben<br />
Die meisten Defekte entstehen während<br />
der Formgebung. Auch bei der Endbearbeitung<br />
können Probleme auftreten, zum<br />
Beispiel beim Abstechen oder Entgraten<br />
von überschüssigem Gummi. Die F-Vision<br />
GP 50 Prüfgeräte erhöhen die Prüfgenauigkeit<br />
und tragen damit dazu bei, teure<br />
Kundenreklamationen zu vermeiden. Sie<br />
erkennen fehlerhafte Teile und sortieren<br />
34 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
diese aus, kategorisieren die Defekte,<br />
zeichnen sie visuell auf und geben –<br />
wenn zu viele davon entdeckt werden –<br />
beispielsweise per Textnachricht aufs<br />
Handy Alarm.<br />
Die Maschinenführer können auf diese<br />
Daten zugreifen und basierend darauf<br />
Probleme im Formgebungsprozess direkt<br />
beheben. Die Prüfsysteme aller Freudenberg-Werke<br />
sind vernetzt und teilen Daten<br />
miteinander. Damit lassen sich flächendeckend<br />
Fehler beseitigen und die<br />
Qualität weiter erhöhen.<br />
Ziel ist der Closed Loop mit<br />
der Spritzgießmaschine<br />
Das neue Inspektionssystem ist Teil der<br />
Standardisierung von Maschinen und<br />
Prozessen in allen Werken von Freudenberg<br />
Sealing Technologies weltweit. Scavuzzo<br />
schätzt, dass es sich mit minimalen<br />
Designänderungen an Kameras, Beleuchtung<br />
und der Software für spezifische An-<br />
wendungen in etwa 80 % der Werke von<br />
Freudenberg Sealing Technologies einsetzen<br />
lässt. Davon würden auch Industrie-4.0-Initiativen<br />
und der Trend zur zunehmenden<br />
Automatisierung der Produktionsanlagen<br />
profitieren.<br />
Die meisten der Vision-Control-Einheiten<br />
bei Freudenberg sind mit einer Datenbank<br />
verbunden, die Live-Statusinformationen<br />
über den Prozess und die Maschinenbedingungen<br />
liefert. Das integrierte<br />
System benachrichtigt das Bedienpersonal<br />
über Abweichungen. In vielen Fällen<br />
können diese Informationen sofort genutzt<br />
werden, um Probleme zu beheben<br />
oder die Effizienz während eines laufenden<br />
Prozesses zu verbessern.<br />
Grundsätzlich soll die F-Vision GP 50<br />
Technologie ein Echtzeit-Kommunikationsnetzwerk<br />
zwischen den Systemen und<br />
den Spritzgießmaschinen schaffen, das<br />
den Prozess korrigiert, sobald zu viele<br />
Fehler entdeckt werden.<br />
Anfang 2022 hat Freudenberg Sealing<br />
Technologies das erste F-Vision GP 50<br />
System mit rotierender Glasplatte an<br />
seinem US-Standort in Morristown<br />
installiert.<br />
Bild: Freudenberg<br />
Erleben Sie innovative Technologien<br />
wie Künstliche Intelligenz, Embedded Vision und die enge Verzahnung von<br />
Bildverarbeitung und Automation – für die Smart Factory von morgen und<br />
für stetig wachsende nichtindustrielle Anwendungen.<br />
04. – 06. Oktober 2022<br />
Messe Stuttgart<br />
www.vision-messe.de<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 35
Insgesamt wurde bei der neuen Norm<br />
21920 ein großer Wert auf Kontinuität<br />
gelegt. Die Schwachstellen der alten<br />
Norm – etwa unsaubere und nichtpraktikable<br />
Definitionen – sind entfallen.<br />
Dort, wo die alte Norm unscharf war,<br />
ist die neue Norm präziser geworden.<br />
Bild: MYZONEFOTO/stock.adobe.com<br />
Neue Rauheitsnormen EN ISO 21920-x<br />
Verbesserte Standards für die<br />
Oberflächenmesstechnik<br />
Die neuen Profilnormen EN ISO 21920-1, -2 und -3 für das Messen von<br />
Oberflächenbeschaffenheiten fassen die bisherigen Oberflächennormen in<br />
einer Normreihe zusammen. Sie liefern im Vergleich zu den alten Normen<br />
saubere und praktikable Definitionen.<br />
Die drei Teile des neuen Standardwerks EN ISO<br />
21920-x sind ein wichtiger Baustein in dem<br />
seit fast 25 Jahren erarbeiteten internationalen Normenkonzept<br />
der Geometrischen Produktspezifikation<br />
(GPS-System). Nach den bereits veröffentlichten<br />
Normen zur flächenhaften Spezifikation<br />
der Oberflächenbeschaffenheit, der<br />
Normreihe DIN EN ISO 25178, stehen<br />
mit DIN EN ISO 21920 auch die relevanten<br />
Profilnormen in aktualisierter<br />
Bild: Mahr<br />
Heinz-Joachim Kedziora<br />
Leiter Entwicklung<br />
Oberflächenmesstechnik<br />
Mahr<br />
www.mahr.com<br />
Fassung zur Verfügung. Damit werden<br />
die bisherigen Profilnormen zurückgezogen:<br />
• ISO 4287:1997-04 „Kenngrößen“<br />
• ISO 4288:1996-08 „Messbedingungen“<br />
• ISO 13565-1 bis 3 „Rk-Auswertung“<br />
• ISO 1302:2002-02 „Zeichnungseintragungen“<br />
Der Grund: Sie decken nicht mehr alle<br />
Möglichkeiten moderner Messgeräte ab<br />
– etwa, weil sie bis dato keine standardisierten Verfahren<br />
für die optischen Messgeräte boten. Zudem<br />
entsprachen sie nicht immer der aktuellen industriellen<br />
Praxis und hatten teilweise Unschärfen in der Definition<br />
einiger Kennwertalgorithmen. Die DIN EN ISO<br />
12085 („Motif“) bleibt bestehen; mit der Überarbeitung<br />
der DIN EN ISO 3274 („Tastschnittgerät“) wurde<br />
zwischenzeitlich begonnen.<br />
Aktualisierung und Optimierung<br />
Historisch bedingt hatten die bisherigen Normen<br />
zum Teil recht unterschiedliche Nummern. Sie reichen<br />
von „ISO 3274:1996-12 Messgeräte” über „ISO<br />
4287:1997-04 Kenngrößen“ bis zu „ISO<br />
4288:1996-08 „Messbedingungen“ – um nur einige<br />
von ihnen zu nennen. Ab sofort werden sie in der<br />
neuen DIN ISO 21920 zusammengefasst. Sie bildet<br />
damit den gesamten Prozess – von der Konstruktion<br />
über die Fertigung bis zur Qualitätskontrolle – in drei<br />
Teilen ab. So geht es im ersten Teil (ISO 21920-1) um<br />
36 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
TECHNIK «<br />
Fertigung und Spezifikation, also „Zeichnungseintragungen“.<br />
Teil 2 (ISO 21920-2) definiert die Kenngrößen,<br />
und Teil 3 (ISO 21920-3) formuliert die Bedingungen,<br />
wie diese Kenngrößen am Ende überprüft<br />
werden.<br />
Teil 1: Zeichnung stellt Funktionen<br />
des Bauteils sicher<br />
Teil 1 löst die bisherige ISO 1302 ab und umfasst die<br />
Prozesse rund um die Zeichnungseintragungen, die<br />
ein Konstrukteur für die Fertigung eines Bauteils vorgibt.<br />
Wichtigste Änderung: Ab sofort ist ausschließlich<br />
die Zeichnung die Basis für die Bedingungen, mit<br />
denen ein gefertigtes Bauteil überprüft wird. Auch<br />
wenn ein Konstrukteur sich etwas besonders Kompliziertes<br />
ausdenkt, ist in Teil 1 definiert, wie er das Teil<br />
spezifizieren muss, ohne dass er Freitext hinzufügt.<br />
Auf diese Weise ist es möglich, dass allein die Spezifikation<br />
die Funktion des Teils sicherstellt.<br />
Ein Beispiel: Wenn man nur die Kenngröße „Ra“<br />
sowie einen Wert angibt, dann ist in vielen Fällen<br />
nicht sichergestellt, dass diese Angabe mit dem<br />
Funktionsverhalten des Teiles korreliert. Hier gibt es<br />
komplexere und weniger komplexe Kenngrößen. Zudem<br />
umfasst Teil 1 neue Begriffe für die Oberflächenparameter<br />
(siehe Tabelle auf Seite 38).<br />
Wichtig für alle Anwender: Die neue Norm gilt nur<br />
für neue Zeichnungen. Älter datierte Zeichnungen<br />
behalten ihre Gültigkeit unter der früheren Norm.<br />
Ebenfalls neu sind einige Symbole, die eingeführt<br />
wurden, um den eindeutigen Bezug einer Zeichnung<br />
nach DIN EN ISO 21920-1 herzustellen (siehe Grafik<br />
auf Seite 39).<br />
Teil 2: Konstrukteure sind gefragt<br />
Der zweite Teil der neuen ISO 21920 beschäftigt sich<br />
mit dem Zusammenhang zwischen Kenngrößen und<br />
Funktionen von Bauteilen. Er ist der umfangreichste<br />
und wohl schwierigste Teil und ersetzt die frühere<br />
ISO 4287. Über 100 Kenngrößen sind hier beschrieben,<br />
die den Konstrukteuren einen enormen Werkzeugkasten<br />
bieten. Sie sind künftig gefragt, aus diesem<br />
Teil die richtige Kenngröße auszuwählen. Die<br />
Auswahl fällt erfahrungsgemäß vielen Anwendern<br />
schwer, da dieses Thema keinen Ausbildungsschwerpunkt<br />
darstellt.<br />
Bei den Kenngrößen, die aus Profilelementen (ein<br />
Berg und ein Tal im Profil) berechnet werden, gab es<br />
bisher größere Messunsicherheiten, da die Profilelemente<br />
zwar beschrieben, aber im Detail, insbesondere<br />
in Grenzfällen, nicht eindeutig definiert waren.<br />
Das wurde jetzt deutlich verbessert. Die Hersteller<br />
von Messtechnik sind jedoch nicht gezwungen, all<br />
diese Kenngrößen in ein Gerät oder eine Software zu<br />
programmieren, da manche von ihnen nur regional<br />
eine Rolle spielen.<br />
Änderungen durch die neuen Profilnormen<br />
• Wenige neue Begriffe<br />
• Neues Symbol für die Spezifikation<br />
• Die Default-Toleranzakzeptanzregel ist<br />
die Höchstwert-Regel („max.-Regel“)<br />
• Die Regelwerte basieren auf der Spezifikation<br />
(Zeichnungseintragung) und nicht<br />
auf Schätzwerten der spezifizierten<br />
Kenngröße. Dadurch ist die Zuordnung<br />
Nesting-Index abhängig vom spezifizierten<br />
Ra-beziehungsweise Rz-Wert etwas<br />
verschoben.<br />
• Wenn nichts anderes spezifiziert ist, erfolgt<br />
die Verifikation an dem Ort des spezifizierten<br />
Geometrieelements, an dem<br />
die Höchstwerte zu erwarten sind; Unvollkommenheiten<br />
wie etwa Kratzer oder<br />
Poren müssen einbezogen werden.<br />
• Keine Unterscheidung zwischen periodischen<br />
und aperiodischen Profilen<br />
• Kennwerte sind (bis auf wenige Ausnahmen)<br />
über die Auswertestrecke definiert.<br />
• Nur wenige Kennwerte, zum Beispiel Rz,<br />
Rp, Rv, sind über Profilabschnitte definiert.<br />
Der Begriff „sampling length“ beziehungsweise<br />
„Einzelmessstrecke“ wird<br />
nicht mehr verwendet.<br />
• Die Spezifikation der Toleranzgrenze erfolgt<br />
unmittelbar nach der Kennwertbezeichnung.<br />
• Vereinfachte Schreibweise zur Spezifikation<br />
von bilateralen Toleranzgrenzen<br />
• Eine dritte Toleranzakzeptanzregel:<br />
„Tmed“: Der Medianwert aller Messwerte<br />
muss innerhalb der spezifizierten Toleranzgrenzen<br />
liegen.<br />
• Die Spezifikation von optischen Verfahren<br />
zur Profilerfassung ist möglich, zum<br />
Beispiel EP OR(1).<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 37
» TECHNIK<br />
Teil 3: Wie man zu einem validen<br />
Ergebnis gelangt<br />
Teil 3 definiert die Bedingungen, nach beziehungsweise<br />
unter denen gemessen wird. Er ersetzt die bisherige<br />
ISO 4288 und beschäftigt sich mit dem Thema<br />
„Specification and Verification“ – also Anforderungen<br />
an Messverfahren und deren korrekte Umsetzung.<br />
Damit definiert Teil 3 den Default-Fall. Das bedeutet:<br />
Wenn in der Zeichnung keine expliziten Angaben<br />
gemacht werden, gilt das, was in der Norm<br />
steht – also all das, was nicht explizit spezifiziert<br />
werden muss.<br />
In diesem Teil geht es also nicht nur um die Messbedingungen,<br />
sondern auch um zusätzlich zu beachtende<br />
Faktoren, wie man zu einem validen Ergebnis<br />
gelangt. Deshalb gibt es in diesem Teil keine Vorschriften,<br />
wie man etwas misst, sondern lediglich die<br />
Beschreibung eines vollständigen Spezifikationsoperators.<br />
Die Spezifikation ist theoretisch ideal und<br />
eindeutig. Gemäß ISO 8015 gilt: „Der Verifikationsoperator<br />
ist die physikalische Implementierung des<br />
Spezifikationsoperators. Er kann genau dieselben<br />
Operationen in derselben Reihenfolge besitzen (in<br />
diesem Fall ist die Verfahrensunsicherheit gleich null)<br />
oder er kann unterschiedliche Operationen besitzen<br />
oder die Operationen in einer anderen Reihenfolge<br />
durchführen (in diesem Fall ist die Verfahrensunsicherheit<br />
nicht gleich null).“<br />
Für die Verifikation gibt man also lediglich die Unsicherheit<br />
an, was in der Praxis zumeist nicht einfach<br />
ist. Als Beispiel sei die Verwendung des Gauß-Filters<br />
betrachtet: Wenn im Standardfall die Spezifikation<br />
von einem Profilpunktabstand von 0,5 µm ausgeht,<br />
so ist es nicht verboten, bei der Verifikation einen<br />
größeren oder kleineren Punktabstand zu verwenden;<br />
der Anwender muss dieses dann bei der Abschätzung<br />
der Messunsicherheit berücksichtigen.<br />
Fazit: Erweiterte Möglichkeiten der<br />
Funktionsbeschreibungen<br />
Für die meisten Anwender ändert sich mit der neuen<br />
Norm überhaupt nichts. Sie bietet nur erweiterte<br />
Möglichkeiten der Funktionsbeschreibung, etwa bei<br />
additiven Fertigungsverfahren, bei denen zum Teil<br />
neue Strukturen oder neue Filter benötigt werden.<br />
Anders als früher bestimmt nicht mehr das Werkstück<br />
die Filtereinstellung, sondern die dazugehörige<br />
Zeichnung. Dadurch wird die Zuverlässigkeit der Entscheidung<br />
erhöht, ob die geprüfte Oberfläche die Anforderungen<br />
erfüllt oder nicht. Es entfällt das gemäß<br />
DIN EN ISO 4288 aufwändige – und in der Praxis<br />
kaum beachtete – Verfahren zur Prüfung einer Werkstückoberfläche<br />
einschließlich der subjektiven Beurteilung,<br />
ob ein Profil periodisch oder aperiodisch ist.<br />
Insgesamt wurde bei der neuen Norm ein großer<br />
Wert auf Kontinuität gelegt. Unterm Strich kann man<br />
sagen: Die Schwachstellen der alten Norm – etwa<br />
unsaubere und nicht-praktikable Definitionen – sind<br />
entfallen. Dort, wo die alte Norm vernünftige Ergebnisse<br />
geliefert hat, gilt dies auch für die neue Norm.<br />
Dort, wo die alte Norm unscharf war, ist die neue<br />
Norm schärfer.<br />
Die neuen Oberflächenparameter<br />
des ersten<br />
Norm-Teils auf einen<br />
Blick.<br />
Tabelle: Mahr<br />
38 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
Sowohl bei der ISO<br />
1302 als auch bei der<br />
ISO 21920–1 ist das<br />
spezifizierte Geometrieelement<br />
durch die<br />
Oberflächenkenngröße<br />
Rz spezifiziert. Die obere<br />
Toleranzgrenze für Rz<br />
beträgt 1 µm.<br />
Bild: Mahr<br />
Derzeit erfolgt im DIN, dem Deutschen Institut für<br />
Normung, die Erstellung der nationalen Normen DIN<br />
EN ISO 21920-1, -2 und -3. Es wird dringend empfohlen,<br />
die als frühe Entwürfe bereits im Jahr 2020<br />
veröffentlichten Ausgaben DIN EN ISO 21920-1, -2<br />
und -3 aus dem Verkehr zu ziehen, da es in der internationalen<br />
Diskussion bis zur finalen Version der<br />
Normreihe noch Änderungen gab.<br />
Anzeige_93x133_16_05.pdf - Mai 17, 2022 x<br />
Weiterbildung zur<br />
EN ISO 21920<br />
Die neuen Profilnormen EN ISO 21920-x<br />
sind auch Thema einer dreitägigen Intensivschulung<br />
mit dem Fokus auf<br />
Oberflächenmessung von Mahr vom 6.<br />
bis 8. September 2022. Zielgruppe der<br />
Veranstaltung „Aukom Surf“ sind Anwender<br />
der Oberflächenmesstechnik in<br />
Qualitätssicherung, Messraum, Konstruktion,<br />
Labor, Fertigung und Arbeitsvorbereitung.<br />
http://hier.pro/jVPTk<br />
enigmasoft.at<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 39
Mit Computertomographie zur raschen<br />
Diagnose: die neue Exact-L-Anlage in<br />
der Messtechnik bei 1zu1.<br />
Bild: Darko Tadorovic<br />
Computertomographie in der additiven Fertigung<br />
Kein Problem mit komplexen Formen<br />
Für Prototypenbauer 1zu1 spielt Messtechnik bei der additiven Fertigung<br />
von Bauteilen eine entscheidende Rolle. Dafür nutzt das Unternehmen<br />
Computertomographie, die für genaue und schnelle Ergebnisse sorgt.<br />
Das beschleunigt auch die Entwicklungszeiten.<br />
Steffen Hochrein<br />
Communications<br />
Manager<br />
Wenzel<br />
www.wenzel-group.com<br />
1zu1 produziert Prototypen, Kleinserien- und Serienteile<br />
für Kunden aus aller Welt und für jede<br />
erdenkliche Branche. In der Fertigung setzt das Unternehmen<br />
die wichtigsten 3D-Druck-Verfahren wie<br />
Lasersintern und Stereolithografie ein. Aufgrund des<br />
hohen Qualitätsbewusstseins hat 1zu1 zahlreiche<br />
Mess- und Prüfaufgaben für seine Kunden zu lösen:<br />
Ob maßliche Auswertungen, Kompensation von<br />
Schwund und Verzug, Prüfung auf Einschlüsse<br />
und Verunreinigungen, geometrische<br />
Prüfungen, Baugruppenanalysen<br />
(Multiscan) und Prozessüberwachungen<br />
(Messreihen) – die Mess- und<br />
Prüfberichte werden immer kundenfreundlich<br />
und verständlich dargestellt.<br />
Seit elf Jahren nutzt das Unternehmen<br />
bereits optische Messlösungen<br />
und erstellt mehrere hundert Messberichte pro Jahr.<br />
„Wir kennen die Grenzen der optischen Messtechnik<br />
sehr genau“, erklärt Geschäftsführer Wolfgang<br />
Humml. „Vor dem Hintergrund, dass die von uns hergestellten<br />
Bauteile immer komplexer und kleiner<br />
werden, war für uns klar, dass wir in der Messtechnik<br />
den nächsten, innovativen Schritt setzen wollen und<br />
dass die Vergleiche der 3D-Messergebnisse zu den<br />
3D-Datensätzen besser und genauer werden müssen.“<br />
Bei der Suche nach einer neuen Messlösung<br />
waren mehrere Kriterien wichtig.<br />
Im Vordergrund stand die Genauigkeit des Messergebnisses<br />
über das gesamte 3D-Teil und nicht nur für<br />
den Bereich, welcher mit der optischen Messtechnik<br />
erfasst werden kann. Hier hat die industrielle Computertomographie<br />
(CT) klare Vorteile. Im Vergleich zu<br />
taktilen oder optischen Messmaschinen können mit<br />
40 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
TECHNIK «<br />
dem Computertomographen auch innen liegende<br />
Merkmale mit hoher Präzision zerstörungsfrei gemessen<br />
werden.<br />
Die industrielle Computertomographie und die Additive<br />
Fertigung sind zwei vergleichsweise junge<br />
Technologien, die sich hervorragend miteinander verbinden<br />
lassen. Während Additive Manufacturing<br />
neue Strukturen erlaubt, erfolgt die Qualitätsabsicherung<br />
dieser neuartigen Produkte durch ein CT. Auf<br />
Basis dieser Ergebnisse werden Korrekturdaten generiert,<br />
welche sowohl die Maßhaltigkeit, als auch die<br />
mechanische Stabilität von 3D-gedruckten Teilen<br />
entscheidend verbessern können. Besonders die komplexen<br />
Formen, die durch den 3D-Druck entstehen,<br />
stellen für herkömmliche Messsysteme oft Schwierigkeiten<br />
da. Lediglich die CT-Technologie ermöglicht<br />
hier eine zerstörungsfreie Materialanalyse und Maßhaltigkeitsprüfung.<br />
Optische Messtechnik bei<br />
transparenten Bauteilen schwierig<br />
Die optische Messtechnik hat dagegen insbesondere<br />
bei Messaufgaben transparenter Bauteile sowie Teilen<br />
mit hochglänzender Spiegeloberfläche klar ihre<br />
Grenzen. Ein Messen ohne vorherige Behandlung mit<br />
einem Laser-Scanning-Entspiegelungsspray ist bei<br />
solchen Teilen nicht möglich. Zudem ist die geforderte<br />
Messgenauigkeit mit einem Sprayauftrag nicht erreichbar.<br />
Ein weiterer großer Vorteil der industriellen<br />
Computertomographie liegt in der Geschwindigkeit<br />
der Scans und Auswertung. So können tausende<br />
Messpunkte binnen Sekunden vermessen werden.<br />
Zudem bietet die Durchführung so genannter Paletten-Scans<br />
(mehrere Bauteile in einem Scan) eine<br />
Verkürzung der Prozesszyklen und eine Erhöhung der<br />
Wirtschaftlichkeit.<br />
Zum Unternehmen<br />
1zu1 Prototypen mit Sitz in Dornbirn/Österreich produziert<br />
Prototypen, Kleinserien- und Serienteile. Für<br />
die Fertigung setzt 1zu1 die wichtigsten 3D-Druck-<br />
Verfahren wie Lasersintern und Stereolithografie<br />
ein. Seit 2020 ist 1zu1 Pilotkunde und Entwicklungspartner<br />
neuer 3D-Druck-Technologien für EOS. Zusätzlich<br />
kommt Vakuumguss zum Einsatz. Im Spritzguss<br />
fertigt das Unternehmen Kunststoffteile mittels<br />
Aluminium-Werkzeugen – bei Bedarf auch im eigenen<br />
Reinraum. Die Werkzeuge stellt der Geschäftsbereich<br />
Tooling inhouse her.<br />
Gegründet wurde das Unternehmen 1996 von den<br />
beiden Geschäftsführern Wolfgang Humml und Hannes<br />
Hämmerle. Heute beschäftigt es 160 Mitarbeiter.<br />
Seit Mitte November 2021 gehört es der international<br />
tätigen Prototal-Gruppe an.<br />
Nach einem umfangreichen Auswahlprozess entschied<br />
sich 1zu1 für das CT-System Exact L mit 150<br />
kV von Wenzel Metrology. Das System ist die jüngste<br />
Entwicklung der umfangreichen Exact-Baureihe. Ende<br />
2020 wurde es von Frost & Sullivan mit dem Global<br />
New Product Innovation Award 2020 ausgezeichnet.<br />
„Das Exact L verfügt über eine überlegene<br />
Röntgenleistung in Kombination mit einem schnellen<br />
Detektor, so dass es Objekte und Defekte schnell<br />
messen kann“, erklärt Mariano Kimbara, Senior Industry<br />
Analyst bei Frost & Sullivan. „Wenzel hat mit<br />
Bildverarbeitung ganz einfach<br />
In-Sight 2800<br />
erschließt das Potenzial von Deep Learning ohne Komplexität<br />
MEHR INFORMATIONEN UNTER:<br />
cognex.com/de-de/in-sight-2800<br />
IS2800_Automotive-Electronics_188x65mm_DE.indd 1<br />
4/1/2022 3:22:35 PM<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 41
» TECHNIK<br />
Bild: Darko Tadorovic<br />
CT-Vermessung eines<br />
miniaturisierten Automotiv-Steckers.<br />
einer intuitiven Benutzerführung, die mit intelligenter<br />
Software alle Messparameter automatisiert und<br />
damit einen robusten Kundennutzen bietet, einen<br />
wichtigen Schritt in den Markt gemacht.“ Drei unabhängige<br />
Verfahrachsen sorgen für große Flexibilität<br />
und ermöglichen hohe Geschwindigkeiten und kurze<br />
Mess- und Prüfzeiten.<br />
„Entscheidend für den Kauf waren letztlich die garantierte<br />
Messunsicherheit von +/- 5 µm, die überzeugende<br />
CT-Vermessung unserer fünf Benchmark-<br />
Problemteile und die beeindruckende Oberflächen-<br />
Abbildungsgenauigkeit ohne softwaremäßige Glättung“,<br />
sagt Humml. „Die Messergebnisse waren für<br />
uns so beeindruckend, dass wir gerne die erste gebaute<br />
Maschine mit dieser Konfiguration bestellt haben<br />
und wir glücklich sind, dass die Anlage bei uns in<br />
Betrieb ist. Die Scan-Zeiten der Anlage sind beeindruckend<br />
schnell, so dass wir in den ersten drei Betriebswochen<br />
circa 120 Scans in Normalarbeitszeit<br />
machen konnten.“ Die hohe Effizienz der CT-Lösung<br />
ermöglicht schnellere Entwicklungszeiten und spart<br />
damit auch für den Endkunden Zeit und Kosten.<br />
Darüber hinaus hat die CT-Lösung von Wenzel die<br />
kleinste Stellfläche in ihrer Klasse mit 150 kV und<br />
bietet zudem ein Scanvolumen von 400 mm in der<br />
Höhe und 235 mm im Durchmesser. „Der Wunsch<br />
nach einem möglichst großem Messvolumen bei vergleichsweise<br />
kleiner Maschinenbauart war ein weiteres<br />
wichtiges Anforderungskriterium“, betont<br />
Humml. Neben der kleinen Stellfläche und dem großen<br />
Scan-Volumen bietet das Exact L einen weiteren<br />
großen Vorteil: Transport und Aufbau verlangen keine<br />
Durchbrüche von Türen und Gängen, was eine<br />
schnelle und reibungslose Installation ohne Mehraufwand<br />
sichert. Auch in Puncto Systemgewicht ist<br />
der Exact L Klassenbester – mit nur 2.650 kg, was eine<br />
Flexibilität der Aufstellplätze ermöglicht.<br />
Vorabnahme des CTs<br />
mit kompetenen Erklärungen<br />
„An Wenzel schätzen wir die kompetente Beratung<br />
und die Fähigkeit, im Verkauf zuzuhören und unsere<br />
Bedürfnisse und hohen Anforderungen zu verstehen“,<br />
sagt Humml. Überzeugend sei für ihn auch die Vorabnahme<br />
der Anlage gewesen, die von Uwe Hilpert,<br />
Produktmanager CT bei Wenzel, begleitet wurde.<br />
Dieser erklärte fundiert und kompetent die Messung<br />
jedes einzelnen Bildpunkts auf dem ultraschnellen<br />
7,5-Megapixel-Detektor.<br />
Die CT-Schulung wurde vor Ort in Dornbirn durchgeführt.<br />
„Nach einer Woche intensiver Schulung und<br />
Einführung tief in die CT-Technik waren unsere<br />
Messtechniker zwar ‚schnitzelfertig‘, aber von der<br />
ersten Messaufgabe weg bestens für den Betrieb der<br />
Anlage gerüstet“, so Humml. „So machen Investitionen<br />
Freude und schaffen einen Mehrwert für uns und<br />
unsere Kunden.“<br />
Bild: Darko Tadorovic<br />
Farbvergleich des gescannten Bauteils:<br />
Rot zeigt eine Abweichung von<br />
+0,2 mm und blau von –0,2 mm an.<br />
42 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
Hochgenaue Farbmessung<br />
Exakt aufeinander abgestimmt<br />
Multispektralsysteme wie die von Panovotec kontrollieren die Einhaltung von<br />
Farbvorgaben. Eine hochauflösende Kamera von JAI sorgt dabei für die optimale<br />
Bildaufnahme. Die Technik stellt sicher, dass etwa in der Autoproduktion keine<br />
Produkte mit falsch bestückten Beleuchtungskomponenten ausgeliefert werden.<br />
In vielen Branchen stellt die genaue<br />
Einhaltung von Farbvorgaben ein<br />
wichtiges Qualitätsmerkmal dar. Beispiele<br />
solcher Anwendungen finden sich unter<br />
anderem in der Automotive-Industrie, wo<br />
Hersteller extremen Wert darauf legen,<br />
dass Bedien- und Anzeigeelemente sowie<br />
Cockpit- und Ambientebeleuchtungen in<br />
ihren Fahrzeugen farblich exakt aufeinander<br />
abgestimmt sind. In der Medizintechnik<br />
müssen LED-OP-Leuchten und<br />
viele andere Komponenten genauen Vorgaben<br />
entsprechen, um die strengen Auflagen<br />
dieser Branche zu erfüllen. Vor der<br />
Montage von dekorativen Kunststoffkomponenten<br />
wie zum Beispiel Blenden muss<br />
häufig nicht nur aus ästhetischen Gründen<br />
sichergestellt werden, dass die verwendeten<br />
Farben zueinander passen.<br />
Denn die Wertschöpfung steigt mit jedem<br />
Montageschritt und ein Austausch farblich<br />
aus dem Rahmen fallender Teile wird<br />
zu einem späteren Prozessschritt immer<br />
teurer oder sogar unmöglich.<br />
Für derartige Aufgabenstellungen entwickelt<br />
Panovotec (ehemals Systec) Systeme,<br />
mit denen der Farbort, die Leuchtdichte<br />
und die optische Homogenität<br />
überprüft werden können. Neu im Portfolio<br />
ist die Multispektralkamera MSC 8X8.<br />
Diese sei eine konsequente Weiterentwicklung<br />
der bisherigen Produkte für<br />
lichttechnische Analysen, sagt Panovotec-Geschäftsführer<br />
Tobias Postler.<br />
„Durch den Einsatz eines von uns eigens<br />
entwickelten Doppelfilterrades stehen<br />
Bild: Panovotec<br />
Die Multispektralkamera MSC 8X8<br />
nutzt ein Doppelfilterrad mit zweimal<br />
acht übereinander liegenden<br />
Filterplätzen, um Farbort, Leuchtdichte<br />
und optische Homogenität<br />
zu überprüfen.<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 43
» TECHNIK<br />
Bild: Panovotec<br />
Mit der Teaching-App kann die MSC8x8 manuell angesteuert werden, um<br />
beispielsweise einzelne Analysen durchzuführen.<br />
Anwendern zweimal acht übereinander<br />
liegende Filterplätze zur Verfügung, die<br />
automatisiert in den Strahlengang gebracht<br />
werden können.“ Daraus ergeben<br />
sich 64 unterschiedliche Filterkombinationen.<br />
Extrem genaue<br />
lichttechnische Analysen<br />
Zweites wesentliches Element der Neuentwicklung<br />
ist eine CMOS-Industriekamera<br />
des dänischen Herstellers JAI vom<br />
Typ Spark. Sie verfügt über eine Auflösung<br />
von 45 Megapixeln, eine hohe Bittiefe<br />
von 14 Bit und arbeitet mit einem<br />
HDR-Modus (High Dynamic Range). Diese<br />
Eigenschaften ermöglichen in Kombination<br />
mit den Filtern der MSC 8X8 extrem<br />
genaue lichttechnische Analysen, um<br />
Werte wie die Leuchtdichte, die dominante<br />
Wellenlänge und den Farbort zu bestimmen.<br />
Das System ist sowohl für den Inline-<br />
Einsatz in kontinuierlichen Produktionsanlagen<br />
als auch für Offline-Anwendungen<br />
zum Beispiel im Labor oder zur Stichprobenprüfung<br />
geeignet. Die ursprüngliche<br />
Motivation stammt jedoch aus dem<br />
Inline-Betrieb. Daher wählte Panovotec<br />
eine Spark-Variante mit Global Shutter,<br />
einer maximalen Bildaufnahmefrequenz<br />
von 38 Bildern/s und einer CoaXPress-<br />
Schnittstelle mit zwei oder vier Kanälen,<br />
die eine Datenübertragungsrate von bis<br />
zu 6,25 Gbps pro Kanal an den auswertenden<br />
Rechner ermöglicht. In Abhängigkeit<br />
von der eingestellten Belichtungszeit<br />
und den gewünschten Ausgabeparametern<br />
können damit Taktzeiten ab 0,5 s für<br />
unterschiedliche Belichtungsstärken erzielt<br />
werden, was für viele Inline-Prozesse<br />
eine ausreichende Geschwindigkeit darstellt.<br />
Hohe Anforderungen<br />
an die Bildqualität<br />
„Wir haben uns an JAI gewandt, weil wir<br />
sehr hohe Anforderungen an die Bildqualität<br />
der Kameras hatten, die JAI mit diesem<br />
gewählten Spark-Modell erfüllen<br />
konnte“, erklärt Postler. Neben der Auflösung<br />
von 45 Megapixeln sei auch wichtig<br />
gewesen, dass die integrierte Kamera eine<br />
hervorragende Stoß- und Vibrationsfestigkeit<br />
aufweist und eine verteilte Bildverarbeitung<br />
auf mehreren PCs erlaubt.<br />
„Über die Link Sharing-Funktion von Coaxpress<br />
war dies mit der Spark-Kamera<br />
möglich.“<br />
JAI unterstützte Panovotec nicht nur<br />
bei der Auswahl des geeigneten Kameramodells,<br />
sondern auch bei der Wahl des<br />
Objektivs, des richtigen Objektivflansches<br />
und des richtigen Abstands von Objektiv<br />
zu Kamera. Zudem war ein optimales<br />
Wärmemanagement erforderlich, um<br />
möglichst rauschfreie Bilder aufzunehmen<br />
und somit die Grundlage für qualitativ<br />
hochwertige lichttechnische Analysen<br />
zu schaffen. Auch hier steuerten Experten<br />
von JAI wertvolles Know-how bei, um die<br />
Gesamtlösung in Bezug auf die Temperaturentwicklung<br />
optimal zu gestalten. Ein<br />
Peltier-Kühlaggregat sorgt in der MSC<br />
8X8 für die aktive Kühlung des kompletten<br />
Systems und somit auch des Kamerasensors.<br />
Bild: JAI<br />
Die Spark-Kamera von JAI bietet 45<br />
Megapixel Auflösung, eine hohe<br />
Aufnahmegeschwindigkeit und die<br />
schnelle CoaXPress-Schnittstelle.<br />
44 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
Im Einsatz profitieren Anwender von<br />
einer hohen Flexibilität des Multispektralkamerasystems,<br />
das Panovotec zunächst<br />
auf Basis der vorliegenden Anforderungen<br />
mit verschiedenen Filterkombinationen<br />
zusammenbaut und kalibriert.<br />
Aktuell existieren dafür zwei optimierte<br />
und verifizierte Bestückungen der beiden<br />
Filterräder, bei denen entweder drei CIE-<br />
Tristimulus-Filter oder mehrere Filter für<br />
multispektrale Messungen eingesetzt<br />
werden. Darüber hinaus sind jedoch auch<br />
individuelle Bestückungen nach Kundenanforderung<br />
möglich.<br />
Algorithmen sind integriert<br />
In Abhängigkeit von den erforderlichen<br />
Ausgabeparametern führt die zugehörige<br />
Software von Panovotec anschließend eine<br />
automatisierte Snap-Sequenz mit verschiedenen<br />
Filterkombinationen durch.<br />
Die RAW-Bilddaten werden dabei mit Hilfe<br />
der für die jeweilige Kamera-/Filterkombination<br />
hinterlegten Kalibrierfunktionen<br />
in gültige physikalisch-technische<br />
Einheiten, das heißt in Messwerte umgewandelt.<br />
Die Algorithmen für alle erforderlichen<br />
Berechnungen sind bereits in<br />
der zugehörigen Software integriert, so<br />
dass Anwender ihr System ohne langwierige<br />
Vorbereitungen einsetzen können.<br />
Aktuell ist das System für die Integration<br />
in Testsystemen von Panovotec ausgelegt.<br />
Damit erhalten Kunden eine optimal<br />
auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Komplettlösung<br />
inklusive der erprobten und<br />
bewährten Software. Anwender mit Bildverarbeitungs-Know-how<br />
können das<br />
System auch separat bei Panovotec beziehen<br />
und in eigene Applikationen integrieren<br />
oder als Stand-alone-System im Laboreinsatz<br />
nutzen.<br />
Im Einsatz liefert das Multispektralkamerasystem<br />
genaue Messwerte für die<br />
Beleuchtungsstärkeverteilung, die Lichtstärkeverteilung,<br />
die Farbkoordinaten, die<br />
dominante Wellenlänge, die diskrete<br />
Spektralcharakteristik sowie die korrelierte<br />
Farbtemperatur. Mit diesen Angaben<br />
sind aussagekräftige Tests zur Qualitätssicherung<br />
in der Produktion und viele<br />
weitere Anwendungen möglich.<br />
Grenzwerte für Helligkeit<br />
werden eingehalten<br />
Postler nennt ein Beispiel: „Der Zulieferer<br />
eines deutschen Sportwagenherstellers<br />
setzt MSC 8X8 bereits in einem End-of-<br />
Line-Testsystem für Cockpitkomponenten<br />
ein und ist mit den Ergebnissen hochzufrieden.<br />
Das System stellt sicher, dass keine<br />
Produkte mit falsch bestückten Beleuchtungskomponenten<br />
wie LEDs mit<br />
falscher Wellenlänge oder Helligkeit ausgeliefert<br />
werden, was zu Kundenreklamationen<br />
führen würde. Zudem wird so die<br />
Gefahr ausgeschlossen, dass Fahrer bei<br />
einer fehlerhaften Einmessung oder Kalibrierung<br />
geblendet werden, wenn in der<br />
Nacht die Grenzwerte für die maximale<br />
Helligkeit überschritten werden.“<br />
Auch bei Monitoren in der Medizintechnik<br />
ist es sehr wichtig, dass Leuchtdichte<br />
und Homogenität den Anforderungen<br />
entsprechen: Sie ersetzen bei der<br />
Darstellung von Röntgenaufnahmen die<br />
klassischen Aufnahmen vor einem<br />
Leuchtschirm und dürfen keine Schwankungen<br />
in der Homogenität aufweisen.<br />
Denn im schlimmsten Fall könnte dies zu<br />
Fehlinterpretationen durch den Arzt führen.<br />
Praxisbeispiel aus der<br />
Automotive-Industrie:<br />
Beim End-of-Line-Test<br />
werden die Prüflinge<br />
auf einem Drehteller<br />
von einer Station zur<br />
anderen befördert.<br />
Bild: Panovotec<br />
Peter Stiefenhöfer<br />
im Auftrag von<br />
JAI<br />
www.jai.com<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 45
» TECHNIK<br />
Quantenmagnetometrie<br />
Materialschädigungen<br />
früher detektieren<br />
Die Quantentechnologie hält Einzug in der Qualitätssicherung. So lassen<br />
sich mit Hilfe von hochempfindlichen optisch gepumpten Magnetometern<br />
(OPM) Defekte an Metallen analysieren. Das Fraunhofer IPM untersucht<br />
an Stählen, wie sich magnetischen Signaturen von Schäden während des<br />
Ermüdungsprozesses quantifizieren lassen. Dies würde eine zerstörungsfreie<br />
mechanische Prüfung von Werkstoffen ermöglichen.<br />
Ein Blick in die Zukunft<br />
der Materiaprüfung?<br />
Schon heute können<br />
hochempfindliche<br />
Quantenmagnetometer<br />
Materialschädigungen<br />
in einem frühen Stadium<br />
detektieren.<br />
Bild: Fraunhofer IPM<br />
Bild: Fraunhofer IPM<br />
Dr. Alexander Bertz<br />
Gruppenleiter<br />
Geometrische<br />
Inline-Messsysteme<br />
Fraunhofer IPM<br />
www.ipm.fraunhofer.de<br />
Quantentechnologien eröffnen neue<br />
Wege zur Lösung technologischer<br />
Probleme. Sei es die abhörsichere Datenübertragung<br />
mittels verschränkter Photonen<br />
in der Quantenkryptographie oder die<br />
Qubit-basierten Algorithmen der Quantencomputer<br />
– der Mensch macht sich<br />
die Welt der Quanten im zunehmenden<br />
Maße nutzbar. Das gilt auch für die Messtechnik:<br />
Quantenbasierte Sensoren verschaffen<br />
Zugang zu immer besseren Genauigkeiten<br />
und damit zur Beobachtung<br />
und Vermessung bislang unzugänglicher<br />
Prozesse. Einige Messsysteme sind bereits<br />
kommerziell verfügbar und von einem<br />
Einsatz in der industriellen Qualitätssicherung<br />
nicht mehr weit entfernt.<br />
Insbesondere viele materialwissenschaftliche<br />
Anwendungen bieten große<br />
Chancen für den Einsatz von Quantensensoren<br />
– zum Beispiel, um Mechanismen<br />
besser zu verstehen, Prozesse weiter<br />
zu optimieren oder sicherheitsrelevante<br />
Komponenten zuverlässiger zu überwachen.<br />
In der industriellen Qualitätssicherung<br />
sind magnetische Prüfverfahren und<br />
Sensoren schon lange etabliert. Das<br />
wahrscheinlich prominenteste Beispiel<br />
stellt die sogenannte Wirbelstromprü-<br />
46 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
So funktioniert ein optisch gepumptes<br />
Magnetometer (OPM): Ein Laser regt<br />
Alkali-Atome in einer Gas-Zelle an.<br />
Durch die Einwirkung eines äußeren<br />
Magnetfeldes (= finale Messgröße des<br />
Sensors) präzedieren die Spins der angeregten<br />
Atome. Das kann man in der Absorption<br />
der Laserstrahlung detektieren.<br />
Bild: Fraunhofer IPM<br />
fung dar, bei der durch Induktion ein<br />
magnetisches Moment im Prüfling erzeugt<br />
und mittels Magnetsensoren vermessen<br />
wird. Diese Prüfung wird beispielsweise<br />
zur Schädigungserkennung<br />
beim Drahtziehen verwendet. Der Grundgedanke<br />
dahinter ist, dass sich durch die<br />
Schädigung im Material magnetische<br />
„Bezirke“ derart verändern, dass diese<br />
Änderung als Anomalie im magnetischen<br />
Streufeld zu erkennen ist.<br />
Aktuell gängige Verfahren leiden jedoch<br />
unter einer niedrigen Detektionsempfindlichkeit<br />
in Kombination mit einer<br />
reduzierten Ortsauflösung. Das heißt, die<br />
magnetischen Streufelder lassen sich nur<br />
gemittelt über relativ große Messvolumina<br />
erfassen.<br />
Mit sehr hohem örtlichen<br />
Auflösungsvermögen<br />
Quantenmagnetometer, die Magnetfelder<br />
mit sehr hoher Empfindlichkeit und sehr<br />
hohen örtlichen Auflösungsvermögen<br />
vermessen, können bei vielen Herausforderungen<br />
Abhilfe schaffen und darüber<br />
hinaus viele weitere Fragen beantworten.<br />
Dazu gehören:<br />
• Gibt es lokale Spannungskonzentrationen,<br />
an denen sich im Betrieb Risse<br />
bilden können?<br />
• Können Phasenumwandlungen in Wärmebehandlungsverfahren<br />
besser kontrolliert<br />
werden – beispielsweise zur<br />
Produktoptimierung?<br />
• Ist Korrosion zum Beispiel im Sinne der<br />
Wasserstoffversprödung detektierbar?<br />
• Lässt sich die Integrität von Batterien<br />
überwachbar?<br />
Diese und viele weitere industrielle Einsatzmöglichkeiten<br />
von Quantenmagnetometern<br />
erforschen das Fraunhofer-Institut<br />
für Physikalische Messtechnik IPM<br />
und das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik<br />
IWM in enger Kooperation.<br />
Aktueller Schwerpunkt der Arbeiten ist es,<br />
ein besseres Verständnis über Materialschädigungsmechanismen<br />
zu gewinnen.<br />
Das daraus abgeleitete Wissen fließt in<br />
die Materialoptimierung ein, führt dann<br />
zu einer besseren Abschätzung der Wartungszyklen<br />
im Sinne der Predictive<br />
Maintenance oder findet in der zerstörungsfreien<br />
Prüfung von versagenskritischen<br />
Bauteilen Anwendung. Zentrales<br />
Element sind dabei optisch gepumpte<br />
Magnetometer (OPM).<br />
Empfindlichkeiten bis<br />
in den Femto-Tesla-Bereich<br />
Mit optisch gepumpten Magnetometern<br />
lassen sich externe Magnetfelder durch<br />
die Wechselwirkung zwischen resonantem<br />
Licht und Atomdampf messen. Im<br />
Wesentlichen bestehen OPM aus einer<br />
kleinen Gas-Zelle befüllt mit ca. 1 mm ³<br />
Helium- oder Alkaliatomen, die durch einen<br />
Laser resonant angeregt werden –<br />
vergleichbar mit der Funktionsweise von<br />
Atomuhren. Die Spins der angeregten<br />
Atome präzedieren einheitlich im externen<br />
Magnetfeld mit der sogenannten Lamor-Frequenz,<br />
die proportional zur magnetischen<br />
Flussdichte ist. Dieser zeitabhängige<br />
quantenmechanische Effekt wird<br />
anschließend spektroskopisch gemessen<br />
und auf die finale Messgröße – die magnetische<br />
Flussdichte – zurückgeführt.<br />
Kommerziell sind verschiedene Arten<br />
von OPM erhältlich:<br />
Webhinweis<br />
Die entsprechende wissen -<br />
schaftliche Veröffentlichung<br />
zum Thema –<br />
„Optically Pumped Magnetometer<br />
Measuring<br />
Fatigue-Induced Damage<br />
in Steel“ – ist bei Applied<br />
Sciences nachzulesen:<br />
http://hier.pro/<br />
mqiq4<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 47
» TECHNIK<br />
Bild: Fraunhofer IPM<br />
Messaufbau zur magnetischen und optischen Erfassung von Mikrozug-Versuchen: Ein miniaturisierter<br />
OPM wird in einen mikromechanischen Zugaufbau eingebettet.<br />
• Nullfeld-OPM: Sie erreichen Empfindlichkeiten<br />
von unter 50 fT/Hz, benötigen<br />
aber auch ein sehr niedriges Umgebungsmagnetfeld<br />
von unter 50 nT.<br />
Ihre Empfindlichkeit ist vergleichbar<br />
mit der von supraleitenden Magnetometern,<br />
wie sie beispielsweise in der<br />
Magnetresonanztomographie eingesetzt<br />
werden. Es sind jedoch keine<br />
kryogenen Temperaturen erforderlich<br />
und OPM können sehr viel kleiner gebaut<br />
werden. Dadurch sind sie im<br />
Einsatz flexibler und auch kostengünstiger.<br />
• Totalfeld-OPM: Sie sind weniger empfindlich<br />
(< 1 pT/Hz), können aber problemlos<br />
im Magnetfeld der Erde betrieben<br />
werden. Der bekannteste Anwendungsfall<br />
ist in der Magnetoenzephalographie<br />
zur Erfassung der durch die<br />
im menschlichen Gehirn fließenden<br />
Ströme erzeugten Magnetfelder.<br />
Die außergewöhnlichen Eigenschaften<br />
haben zu einer sehr erfolgreichen Kommerzialisierung<br />
dieser Sensoren in den<br />
letzten Jahren geführt – insbesondere in<br />
Hinblick auf medizinische Anwendungen.<br />
Darauf aufbauend werden gerade verschiedenste<br />
Anwendungsgebiete für diese<br />
Sensoren untersucht: In Bereichen wie<br />
der Nullfeld-NMR-Spektroskopie, der<br />
elektrochemischen Batteriecharakterisie-<br />
rung und der zerstörungsfreien Prüfung<br />
konnten bereits erste Erfolge verzeichnet<br />
werden.<br />
Potenzial in der Materialprüfung<br />
– etwa bei Stählen<br />
Zum besseren Verständnis von Materialschädigungsmechanismen<br />
setzen Forschende<br />
von Fraunhofer IPM und Fraunhofer<br />
IWM aktuell winzige Proben einer<br />
zyklischen Belastung aus, deren Abmessungen<br />
ähnlich einem menschlichen Haar<br />
sind. Dabei werden verschiedenste ferromagnetische<br />
Materialien untersucht, zum<br />
Beispiel Stähle. Dort wird die irreversible<br />
Wechselwirkung der magnetischen Domänenwände<br />
(Bloch-Wände) während<br />
des Ermüdungsvorgangs gemessen. Die<br />
Defektdichte steigt im Verlauf der Versuche<br />
und lässt sich über die Veränderung<br />
der magnetomechanischen Hysterese<br />
messen.<br />
OPM sind in der Lage, bereits kleinste<br />
Veränderungen in der magnetischen Signatur<br />
des Materials zu messen. Somit<br />
können Schädigungen wie Plastizitätsspuren<br />
oder Risse auch deutlich vor dem<br />
technischen Anriss anhand von Spannungskonzentrationen<br />
detektiert werden.<br />
Anders als bei optischen Verfahren können<br />
auch Risse im Probeninneren erkannt<br />
und vermessen werden.<br />
Für die Untersuchungen wird ein miniaturisierter<br />
OPM in einen mikromechanischen<br />
Zugaufbau eingebettet. Äußere<br />
magnetische Störsignale werden durch<br />
eine Magnetfeldabschirmung gedämpft.<br />
So entsteht eine geeignete Messumgebung.<br />
Komponenten des Aufbaus, die potenziell<br />
veränderliche Magnetfelder erzeugen<br />
können, sind außerhalb der Abschirmung<br />
positioniert. Die mechanische<br />
Lastführung erfolgt mittels steifer, hochfester,<br />
nicht-magnetischer und nicht leitfähiger<br />
Materialien wie Keramiken und<br />
Titanlegierungen.<br />
Bauteilüberwachung vor<br />
Ort – in-situ oder inline<br />
Erkenntnisse aktueller Versuche zielen<br />
vorrangig darauf ab, das Verständnis über<br />
Schädigungsvorgänge in verschiedenen<br />
Materialien zu verbessern und damit Bauteilauslegung<br />
zu optimieren. In den<br />
nächsten Schritten soll die Messung näher<br />
„an den Ort des Geschehens“ gebracht<br />
werden: Das Konsortium ist zuversichtlich,<br />
in den kommenden Jahren quantenmagnetometrische<br />
Sensoren – insbesondere<br />
OPM – näher an den industriellen<br />
Einsatz heranführen zu können – zur Prozessüberwachung<br />
und -regelung, zur<br />
Qualitätssicherung in der Linie und zur<br />
Bauteilüberwachung und Bestimmung<br />
der Restlebensdauer kritischer Komponenten.<br />
Webhinweis<br />
Was Quantensensoren<br />
sind und wozu sie – insbesondere<br />
optisch gepumpte<br />
Magnetometer (OPM) –<br />
einsetzbar sind, erklären<br />
Experten der Physikalisch-<br />
Technischen Bundesanstalt<br />
(PTB) in diesem Video:<br />
http://hier.pro/<br />
GchfF<br />
48 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
Bildverarbeitungssystem von Instrumental für die Produktion<br />
Schneller inzipiert mit KI<br />
Produktionsoptimierung hat sich das kalifornische Technologie-Startup<br />
Instrumental auf die Fahnen geschrieben. Für Inspektionsaufgaben werden<br />
Vision-Lösungen und Künstliche Intelligenz (KI) genutzt. Dabei kommen<br />
Kameras und Bildverarbeitungstechnologie von Teledyne Flir zum Einsatz.<br />
Bild: Teledyne Flir<br />
Die neuartige KI-Inspektionsplattform von Instrumental nutzt Machine-Vision-Kameras von Teledyne Flir.<br />
Eine Umfrage von Instrumental unter 100 Elektronikmarken<br />
zum Stand von neuen Produkteinführungen<br />
ergab, dass 76 % der <strong>Engineering</strong>-Zeit für<br />
Aufgaben aufgewendet werden, die leicht automatisiert<br />
oder mit besseren Daten beschleunigt werden<br />
könnten. Die Zeitverschwendung bei der Konstruktion<br />
macht es unter anderem für Unternehmen<br />
schwierig, mit der Innovationsgeschwindigkeit<br />
Schritt zu halten, die der Markt fordert. Instrumental,<br />
2015 von ehemaligen Apple-Ingenieuren gegründet,<br />
bietet daher über seine Produktionsoptimierungs-<br />
Plattform die automatisierte Fehlererkennung, Ursachenanalyse,<br />
Berichterstattung, sicheres Produktdatenmanagement<br />
und native Tools für die Zusammenarbeit<br />
von jedem Ort der Welt an. Die Plattform aggregiert<br />
Bilder und funktionale Testdaten aus der gesamten<br />
Lieferkette und nutzt künstliche Intelligenz,<br />
um mögliche Ursachen automatisch einzuordnen.<br />
Kunden von Instrumental erhalten dadurch die Möglichkeit,<br />
die Problemlösung zu beschleunigen,<br />
schnellere Erträge zu erzielen und die Qualität zu<br />
verbessern.<br />
Bei der Massenproduktion setzen die Bediener von<br />
Montagelinien die Produkte in Bildgebungsstationen<br />
von Instrumental ein, drücken eine Taste und warten<br />
4 bis 5 s: Wenn die Produkte die Inspektion bestehen,<br />
wird ein grünes Licht angezeigt, und der Bediener<br />
leitet das Produkt zur weiteren Montage weiter. Bediener<br />
überprüfen das Produkt im Bildgebungssystem<br />
erneut zwischen den wichtigsten<br />
Montageschritten und stellen den<br />
Kunden wertvolle Bilddaten sowie<br />
Pass-/Fail-Ergebnisse für das Produkt<br />
in seinen verschiedenen Stadien<br />
zur Verfügung.<br />
Das System bietet auch eine Anwendungsprogrammier-Schnittstelle<br />
(API) für elektronische Tests,<br />
Messungen und andere relevante<br />
Daten, die auf der Fertigungslinie<br />
Riana Sartori<br />
Senior Manager<br />
Machine Vision Products<br />
Teledyne Flir<br />
www.flir.de/mv<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 49
» TECHNIK<br />
Die Produktionsoptimierungs-Plattform<br />
von<br />
Instrumental aggregiert<br />
Bilder und funktionale<br />
Testdaten aus der gesamten<br />
Lieferkette<br />
und nutzt künstliche<br />
Intelligenz, um mögliche<br />
Ursachen automatisch<br />
einzuordnen.<br />
gesammelt werden. Diese Informationen sind in der<br />
Cloud-Software von Instrumental für verschiedene<br />
Benutzer sofort verfügbar, beispielsweise für Qualitätsingenieure<br />
und andere Betriebsmitarbeiter, die<br />
auf Testergebnisse mit Bilddaten zugreifen. „Instrumental<br />
konzentriert sich darauf, die Daten für Benutzer<br />
aussagekräftiger zu machen, wodurch diese<br />
agiler sind und ihr Werk aus der Ferne verwalten<br />
können“, erläutert Tobias Harrison-Noonan, Direktor<br />
für geschäftliche Entwicklung und Lösungen bei Instrumental.<br />
Standard- und kundenspezifische<br />
Lösungen<br />
Instrumental bietet eine Drop-in-Bildgebungsstation<br />
– wobei es sich um die Standardlösung mit typischer<br />
Implementierung handelt – sowie kundenspezifische<br />
Optionen für die automatisierte Bereitstellung von<br />
Produktionslinien. Innerhalb der Station befindet<br />
sich eine Kamera von Teledyne Flir, in der Regel mit<br />
einem 20 MP Rolling-Shutter-CMOS-Bildsensor. Das<br />
System verwendet Linsen von Edmund Optics und<br />
verfügt über industrielle Linienbeleuchtung. Kunden<br />
haben dabei die Wahl, die Instrumental-Station als<br />
sofort einsatzbereite Lösung zu nutzen, mit einfacher<br />
Installation, die von Expertenteams in den USA und<br />
China koordiniert wird. Darüber hinaus können Kunden<br />
ihre eigene Hardware verwenden.<br />
Für die Kameras von Teledyne Flir entschied sich<br />
Instrumental wegen des Spinnaker Software Development<br />
Kit (SDK). Harrison-Noonan: „Basierend auf<br />
unserer Forschung sah das Spinnaker-SDK extrem<br />
zugänglich aus und schien relativ einfach zu integrieren,<br />
was sich dann auch als richtig erwies.“ Darüber<br />
hinaus gibt es eine große Familie von Kameras in<br />
der Blackfly S-Serie von Teledyne Flir, was unseren<br />
Kunden die Flexibilität bietet, die Kamera mit minimaler<br />
zusätzlicher Softwareentwicklung auszutauschen.“<br />
Als Instrumental beispielsweise kürzlich die<br />
USB3-Kamera von 20 MP Blackfly S als Standard<br />
einsetzte, benötigte das Team eine Blackfly-S-Kamera<br />
mit einem einem global Shutter, um Bildverzerrungen<br />
bei einer sich bewegenden Förderbandanwendung<br />
zu reduzieren. Instrumental musste sehr<br />
wenig Software-Modifikationen vornehmen, weil die<br />
Kamera zur gleichen Familie gehörte.<br />
Ganz ähnlich war die Situation, als das Instrumental-Team<br />
eine monochrome Kamera mit Infrarotlichtern<br />
für eine spezifische Anwendung einsetzte, die<br />
einen Durchblick beim transparenten Material erforderte.<br />
Erneut konnte Instrumental ein anderes Blackfly-S-Modell<br />
problemlos nutzen.<br />
Bild: Teledyne Flir<br />
50 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
Selbst wenn die Instrumental-Plattform in der Regel<br />
in Elektronikanwendungen zum Einsatz kommt,<br />
kann die Station viele unterschiedliche Produkte aufnehmen.<br />
Das Defekt-Training wird in der Cloud<br />
durchgeführt, und Instrumental berücksichtigt etwaige<br />
Sicherheitsbedenken, indem neue Benutzer<br />
auf der unternehmenskonformen Hosting-Sicherheitslösung<br />
für die verwaltete Cloud-Plattform zahlreiche<br />
Maßnahmen und Protokolle durchlaufen müssen.<br />
Der Machine-Learning-Prozess von Instrumental<br />
erfordert weniger Bilder, als dies bei einer gezielten<br />
Deep Learning-Inspektion erforderlich wäre. Die<br />
Software analysiert mehrere Terabytes an Daten und<br />
stellt Korrelationen her.<br />
Die KI benötigt nur 30 Bilder<br />
zum Einlernen<br />
„Die Plattform ist absichtlich so konzipiert, dass sie<br />
allgemein wirksam ist. Es handelt sich also gerade<br />
nicht um AI-as-a-Service, bei dem das Team zwei<br />
Monate lang mit der Entwicklung eines sehr spezifischen<br />
Algorithmus beschäftigt wäre“, erklärt Harrison-Noonan.<br />
„In der Regel benötigen wir nur 30 Bilder<br />
eines Produkts, und die Künstliche Intelligenz beginnt<br />
automatisch, neue Probleme ohne Benutzereingabe<br />
zu identifizieren, was den gesamten Prozess<br />
für einen Nicht-Vision-Spezialisten wirklich vereinfacht.“<br />
Die Inferenz findet an der Peripherie statt, typischerweise<br />
auf einem Dell-Computer mit einer leistungsstarken<br />
GPU, sodass das System schnellere Entscheidungen<br />
treffen und im Falle eines Internetausfalls<br />
weiterarbeiten kann. Sobald das System über 30<br />
Bilder verfügt, kann es damit beginnen, Daten zu<br />
analysieren und Auffälligkeiten für den Bediener hervorzuheben,<br />
der dann ein markiertes Problem bestätigen<br />
oder entfernen kann.<br />
Darüber hinaus können mehrere Benutzer von<br />
überall auf der Welt auf ein einzelnes Projekt zugreifen<br />
und Daten in die Schulungsphase einbringen und<br />
dann dieses Verzeichnis als zentrale Plattform für die<br />
Datenzusammenarbeit nutzen. „Konstrukteure in den<br />
USA, die die Instrumental-Plattform für die Fehleranalyse<br />
nutzen, teilen beispielsweise häufig Ergebnisse<br />
und Aktionen direkt mit Qualitäts- und Fabrikteams<br />
in Asien, um die globale Kommunikation zu<br />
beschleunigen“, so Harrison-Noonan.<br />
Defekt-Beseitigung<br />
mit Mikrometer-Präzision<br />
Die Verwendung der Blackfly S 20 MP Kamera ermöglicht<br />
es der Instrumental-Bildgebungsstation, ein hohes<br />
Detailniveau zu erfassen. Dies ist für die Inspektion<br />
kleiner elektronischer Mikrobaugruppen erforderlich,<br />
bei denen bereits sehr kleine Fehler zum Ausfall<br />
führen können. Für Aufgaben wie beispielsweise die<br />
Inspektion von Mobiltelefonen misst Instrumental die<br />
Optik, stellt den Arbeitsabstand entsprechend ein und<br />
berechnet auf dieser Grundlage die Auflösung. „Instrumental<br />
verwendet einen Rechner, mit dem wir<br />
Schätzungen darüber anstellen können, wie viele Pixel<br />
erforderlich sind, um einen Defekt aufzuspüren“,<br />
erläutert Harrison-Noonan. „Normalerweise sind etwa<br />
5 oder 6 Pixel erforderlich, um einen Defekt zu erfassen,<br />
was in etwa einer Defektgröße von 150 bis<br />
200 µm für gebräuchliche mobile Elektronikgeräte<br />
bedeutet. Das ist im Allgemeinen auch der Wert, den<br />
wir in solchen Anwendungen anstreben.“<br />
Während das System von Instrumental typischerweise<br />
eine Farbkamera mit sichtbarem Spektrum<br />
verwendet, hat das Unternehmen seine Palette vor<br />
kurzem um neue Datenquellen wie Infrarot- und sogar<br />
Röntgen- und 3D-Bildgebung-Technologien erweitert.<br />
„Die Unternehmen unterschiedlicher Branchen<br />
sind sich der Notwendigkeit von Cloud-Technologien<br />
bewusst beziehungsweise stehen diesen aufgeschlossener<br />
gegenüber. Das System kann ihnen<br />
helfen, ihre Metriken zu erfüllen und diese sogar zu<br />
übertreffen“, so Harrison-Noonan. „Die Kameras von<br />
Teledyne Flir verleihem unserem System die Flexibilität,<br />
neue Aufgaben zu bewältigen.“<br />
Bild: Teledyne Flir<br />
Die Verwendung von<br />
Blackfly S 20 MP<br />
Kameras ermöglicht es<br />
der Bildgebungsstation<br />
von Instrumental, ein<br />
hohes Detailniveau zu<br />
erfassen.<br />
»In der Regel benötigen wir nur<br />
30 Bilder eines Produkts, und die KI<br />
beginnt automatisch, neue Probleme<br />
ohne Benutzereingabe zu identifizieren,<br />
was den gesamten Prozess für<br />
einen Nicht-Vision-Spezialisten<br />
wirklich vereinfacht.«<br />
Tobias Harrison-Noonan, Instrumental<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 51
» NEWS & PRODUKTE<br />
Optische Messtechnik<br />
Mehr Möglichkeiten dank Multipart-Funktion<br />
Nela stellt die neue Multipart‐Funktion<br />
für seine optischen Mess‐, Prüf und Sortiersysteme<br />
vor. Diese sorgt laut Hersteller<br />
für noch mehr Einsatzmöglichkeiten<br />
und Flexibilität in der Qualitätssicherung.<br />
Mit der Multipart‐Funktion können unterschiedliche<br />
Bauteile in demselben<br />
Prüfsystem verarbeitet werden – bei vollautomatischer<br />
Anpassung der Sensorik<br />
und der Prüfalgorithmen. Die neue Funktion<br />
ermöglicht es Anwendern, durchmischte<br />
Teile durch die Prüfanlage laufen<br />
zu lassen, ohne vorherige Änderung der<br />
Einstellungen an der Maschine. Das Prüfsystem<br />
erkennt automatisch, welcher Teiletyp<br />
vorliegt und aktiviert die entsprechenden<br />
Sensoreinstellungen und Prüfbäume<br />
– und zwar on‐the‐fly. Dabei wird,<br />
je nach Materialbeschaffenheit der Prüflinge<br />
und der Prüfaufgabe, gegebenenfalls<br />
auch die Wellenlänge der Beleuchtung<br />
angepasst. So können bei unterschiedlich<br />
farbigen Bauteilen noch schärfere<br />
Kontraste erzeugt werden.<br />
Die Multipart‐Funktion sorgt auch bei der<br />
Prüfung von Bauteilen mit zwei unterschiedlichen<br />
Seiten dafür, dass die jeweils<br />
richtigen Parameter automatisch geladen<br />
beziehungsweise Prüfzonen und Beleuchtung<br />
entsprechend angepasst werden.<br />
Bild: Nela<br />
Werkstoffprüfung<br />
Drei in einem Gerät<br />
Bild: Imprintec<br />
Als universelles Laborgerät vereint das I3D MBV von Imprintec drei wesentliche Nutzenaspekte<br />
in einem Gerät. Zum ersten lassen sich Fließkurven und mechanische Kennwerte<br />
wie die Zugfestigkeit mithilfe des neuen Eindruckverfahrens nach DIN SPEC<br />
4864 bestimmen. Dies geschieht vollautomatisiert und innerhalb von 30 bis 90 s. Hierzu<br />
werden Härteprüfeindrucke dreidimensional vermessen und im Anschluss die mechanischen<br />
Eigenschaften mithilfe von Softwarealgorithmen und FEM-Simulationen<br />
bestimmt. Im Vergleich zum Zugversuch ist dieses Verfahren schneller, kostengünstiger<br />
und punktgenau anwendbar.<br />
Zum zweiten kann das Gerät frei in Bezug auf die normgerechte Härteprüfung konfiguriert<br />
werden. Die verfügbaren Verfahren sind Brinell, Vickers, Knoop und Rockwell.<br />
Der dritte Nutzen liegt in der hochgenauen optischen 3D-Messung von Oberflächen.<br />
Die 3D-Messungen dienen beispielsweise zur Bestimmung der Maßhaltigkeit, zur Messung<br />
von Konturen und der Rauheit sowie vielen weiteren Anwendungen.<br />
Messtaster<br />
Kompakter Alleskönner<br />
Blum-Novotest hat mit dem Messtaster<br />
TC55 sein Produktportfolio um ein kompaktes<br />
System mit Shark-360-Messwerk<br />
und schneller Infrarotübertragung erweitert.<br />
Der TC55 ist der bisher kleinste kabellose<br />
Messtaster von Blum. Mit einer<br />
Länge von gerade einmal 46 mm und einem<br />
Durchmesser von nur 32 mm eignet<br />
er sich für den Einsatz in sehr kompakten<br />
Fräszentren, Drehzentren und Dreh-Fräszentren<br />
in der Mikrobearbeitung, der Medizintechnik<br />
sowie zur Messung von Bauteilen<br />
auf Maschinen der additiven Ferti-<br />
gung. Dabei kann er nicht nur zur Werkstückmessung<br />
eingesetzt werden. Dank<br />
des planverzahnten Messwerks eignet er<br />
sich auch sehr gut für die taktile Messung<br />
von Drehwerkzeugen.<br />
Der TC55 verfügt über das aus anderen<br />
Messsystemen des Herstellers bekannte<br />
Shark-360-Messwerk. Diese Technologie<br />
ergänzt das multidirektionale Messwerk<br />
um eine Planverzahnung mit 72 Zähnen,<br />
wodurch ziehende sowie torsionsbeaufschlagte<br />
Messungen in der C-Achse möglich<br />
werden. Die auftretenden Torsionskräfte<br />
werden durch die Planverzahnung<br />
aufgenommen und haben somit keinen<br />
Einfluss auf das Messergebnis.<br />
Bild: Blum-Novotest<br />
52 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
3D-Inspektion<br />
Inline-Lösung mit KI<br />
Das Automatic Vision Inspection (AVI)<br />
System von Kitov ist nun auch als inlinefähige<br />
Lösung erhältlich. Der auf künstlicher<br />
Intelligenz (KI) basierende Kitov Inline<br />
kann zur vollautomatischen intelligenten<br />
Überprüfung der Endqualität von Geräten<br />
und Gehäusen in einer Linienfertigung<br />
eingesetzt werden. Das Roboterund<br />
Kamerasystem ist dabei identisch<br />
zum Kitov Core, der bereits vom deutschen<br />
Vertriebspartner Atecare vorgestellt<br />
wurde. Dieser ist mit einem einzelnen<br />
Drehteller ausgestattet und eignet<br />
sich ideal für die Inspektion im hohen<br />
Produkt-Mix und bei kleinen oder mittleren<br />
Volumen. Der Kitov Inline deckt nun<br />
die hochvolumige, taktzeitoptimierte Inlinefertigung<br />
ab.<br />
Bei allen Kitov-Systemen handelt es sich<br />
um Smart-3D-Universalsysteme, die jedes<br />
Produkt effektiv inspizieren können.<br />
Durch den Einsatz von 3D-Computer-Vision-Algorithmen<br />
und künstlicher Intelligenz<br />
wie maschinelles Lernen und Deep-<br />
Learning, erreichen die Kitov-Systeme ein<br />
sehr hohes Erkennungsniveau. Sie elimi-<br />
Bild: Atecare<br />
nieren die mit der manuellen Inspektion<br />
verbundenen mühsamen Arbeiten und inkonsistente<br />
Ergebnisse. Die Kitov-Systeme<br />
prüfen komplexe 3D-Strukturen und<br />
unterschiedlichste Materialien und berücksichtigen<br />
dabei Prüfvorschriften.<br />
Optische Oberflächeninspektion<br />
Scannen anspruchsvoller Oberflächen<br />
Bild: AIT<br />
Mit dem neuen Xposure Photometry des AIT (Austrian Institute of Technology)<br />
lassen sich anspruchsvolle 2D- und 3D-Oberflächen zuverlässig scannen.<br />
Das Gerät kann in der optischen Qualitätskontrolle vielseitig eingesetzt<br />
werden. Hochqualitative Oberflächen wie zum Beispiel Batteriefolien<br />
lassen sich damit auf Fehler und Anomalien, die sich als kleine Erhebungen<br />
oder Vertiefungen äußern, zuverlässig überprüfen. Auch lassen sich<br />
3D-Qualitätsmerkmale wie Prägungen oder Braille-Schrift auf Verpackungen<br />
oder der Tiefdruck auf Banknoten präzise untersuchen. Und im Bereich<br />
von Infrastruktur eignet sich die Technologie etwa zur Überprüfung von<br />
Schienen. Allen Anwendungen ist gemein, dass die Inspektion zuverlässig<br />
trotz herausfordernder Oberflächeneigenschaft (metallisch, reflektierend,<br />
dunkel, körnig, etc.) und bei hoher Geschwindigkeit erfolgt, um den Produktionsprozess<br />
oder den Bahnverkehr nicht zu behindern.<br />
Robotersystem<br />
Flexible automatische Prüfungen<br />
Mit Robotest N hat Zwick-Roell ein Roboterprüfsystem<br />
für die Bearbeitung häufig<br />
wechselnder Prüfserien entwickelt.<br />
Auf Basis eines Smart Robots eignet sich<br />
Robotest N für beliebige Pick&Place-Aufgaben<br />
in Verbindung mit einer Vielzahl<br />
von Zwick-Roell-Prüfmaschinen. Auch die<br />
Nachrüstung eines bereits bestehenden<br />
Prüfsystem lässt sich umsetzen.<br />
Das System ist in die Prüfsoftware<br />
Testxpert III und die Automatisierungssoftware<br />
Autoedition 3 integriert. Die<br />
Programmierung erfolgt direkt aus dem<br />
Prüfprogramm. Dabei lassen sich die Achsen<br />
des Roboters frei schalten, um ihn per<br />
Hand zu führen. Durch die einfache Bedienung<br />
ist es laut Hersteller leicht, dem<br />
Roboter kurzfristig wechselnde Aufgaben<br />
zu übertragen. Selbst wenn zur Zeit noch<br />
keine wechselnden Serienprüfungen anstehen,<br />
lässt sich eine Prüflösung auf Basis<br />
des Systems realisieren, um bei Bedarf<br />
in kurzer Zeit eine andere Aufgabe zu<br />
übernehmen. Der Roboter stellt keine Gefahr<br />
für den Menschen dar, wird aber aufgrund<br />
des verlängerten Zangengreifers<br />
innerhalb einer Schutzeinrichtung aus<br />
Plexiglas betrieben – weiträumige<br />
Schutzmaßnahmen wie eine Einzäunung<br />
oder räumliche Abtrennung sind nicht<br />
nötig.<br />
Bild: Zwick-Roell<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 53
» NEWS & PRODUKTE<br />
Software<br />
Leichte Korrelationsanalysen<br />
Anwender der Raman-Spektroskopielösungen<br />
von Horiba können mit der Software<br />
Graphyx, die mit Digital Surf entwickelt<br />
wurde, Korrelationsanalysen erstellen.<br />
Die neue Software dient der Korrelationsanalyse<br />
von Raman-, AFM-, Raman-<br />
AFM-, Kathodolumineszenz- und Fluoreszenzdaten<br />
sowie Mikroskopiebildern<br />
(optische Mikroskopie, Rastersondenmikroskopie,<br />
Elektronenmikroskopie). Graphyx<br />
nutzt die Mountains-Algorithmen<br />
von Digital Surf und ist Teil des Horiba-<br />
Programmpakets Labspec 6, mit dem sich<br />
Merkmale in Proben durch das Kombinieren<br />
multimodaler Bilder hervorheben<br />
lassen, die mit REM-, Raman-,<br />
KL-, AFM-, NanoRaman-,<br />
EDX-, EBSD-, FTIR- und anderen<br />
Verfahren aufgenommen wurden.<br />
Die App wird standardmäßig in Instrumenten<br />
wie dem AFM-Raman und dem<br />
Nano-GPS Navyx geliefert. Nano-GPS<br />
Navyx ist eine multimodale und Mehrskalen-Lösung,<br />
die Musterstudien und<br />
die Zusammenarbeit zwischen Forschungsteams<br />
erleichtert, wenn diese<br />
Bild: Digital Surf<br />
unterschiedliche Analysewerkzeuge an<br />
verschiedenen Standorten einsetzen.<br />
Graphyx stellt in Verbindung mit Nano-<br />
GPS Navyx eine vollständige Lösung zum<br />
schnellen Verschieben von Untersuchungspunkten<br />
und zum Überlappen von Kartendaten<br />
auf mehreren Oberflächen dar.<br />
Messplattform<br />
System erkennt Defekte im Mikrometerbereich<br />
Bild: DW Fritz<br />
Die Inline-Messplattform Zerotouch von DW Fritz verwendet 3D-Scanner und erstellt<br />
innerhalb von 20 Sekunden ein 3D-Modell von Bremsscheiben. Zerotouch erkennt dabei<br />
Oberflächendefekte im Mikrometerbereich. Um Kosten und Zeitaufwand zu minimieren,<br />
hat DW Fritz Automation seine Zerotouch-Messplattform speziell für die Inspektion<br />
von Bremsscheiben angepasst. Das Zerotouch Rotational Metrology System<br />
(ZTR) prüft alle relevanten Parameter in einem Prüfvorgang und lässt sich platzsparend<br />
direkt in die Produktionslinie integrieren. Sämtliche Prozessschritte können automatisiert<br />
werden – einschließlich des Be- und Entladens des Teils in die Messplattform.<br />
Diese Plattform rotiert, während mehrere, berührungslose Sensoren die Bremsscheibe<br />
von verschiedenen Seiten abtasten. Der Vorgang dauert 20 s. Eine Analysesoftware erstellt<br />
dann ein mikrometergenaues 3D-Modell der Bremsscheibe. Dieses wird in Echtzeit<br />
auf geometrische Fehler oder Defekte an der Oberfläche überprüft, indem es mit<br />
einem Referenzmodell verglichen wird.<br />
Thermografie<br />
Messsystem für die additive Fertigung<br />
Ein neues Messsystem des SKZ gewährt<br />
einen zerstörungsfreien Blick ins Innere<br />
von additiv gefertigten Kunststoffprodukten.<br />
Das SKZ besitzt langjährige Erfahrungen<br />
und umfassendes Know-how in der<br />
zerstörungsfreien Prüfung. Erstmals bietet<br />
es nun ein thermografisches Prüfsystem<br />
zur Fehlstellendetektion mittels Wärmebildkameras,<br />
das speziell für die additive<br />
Fertigung von Kunststoffbauteilen<br />
mit dem FDM-Verfahren (Fused Deposition<br />
Modeling) konzipiert wurde. Beim<br />
FDM-Verfahren wird das Bauteil durch<br />
schichtweisen Auftrag von erhitzten<br />
Kunststofffilamenten hergestellt. Typische<br />
Fehler, die beim Druckprozess auftreten<br />
können, sind eine fehlende<br />
Schichthaftung, Risse,<br />
Hohlräume und Verzug des<br />
Bauteils. Diese können mit<br />
dem Prüfsystem des SKZ<br />
durchgehend live während des<br />
Bauteildrucks visualisiert werden.<br />
Das neue System überwacht<br />
und dokumentiert den<br />
Druckprozess mithilfe von<br />
Wärmebildkameras, erfasst produktionsbedingte<br />
Fehlstellen und sortiert die Bauteile<br />
gegebenenfalls aus.<br />
Bild: SKZ<br />
54 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
Renishaw und Zeiss kooperieren<br />
Flexible Werkstückprüfung<br />
Das Prüfgerät Equator von Renishaw für<br />
die flexible Werkstückprüfung ist nun mit<br />
der Messsoftware Zeiss Calypso kompatibel.<br />
Anwender von Zeiss können das Prüfgerät<br />
künftig in ihrer gewohnten Umgebung<br />
betreiben und es nahtlos in ihre<br />
Produktion integrieren. Die Einbindung,<br />
Schulung und der Support der Hard- und<br />
Software erfolgen gemeinsam durch beide<br />
Unternehmen.<br />
„Das Equator-Prüfgerät ermöglicht eine<br />
Prozessüberwachung über äußerst wiederholgenaue,<br />
thermisch unempfindliche,<br />
Bild: Renishaw<br />
und vor allem neu<br />
programmierbare<br />
Messungen in der<br />
Fertigungsumgebung.<br />
Aus diesen<br />
Gründen ersetzen<br />
bereits viele Fertigungsunternehmen<br />
weltweit ihre aktuellen Prüfgeräte und<br />
Messlehren durch unsere Equator-Systeme“,<br />
sagt Rainer Lotz, President EMEA<br />
von Renishaw. „Mit der Einbindung von<br />
Equator können fertigungsnahe Daten<br />
aus Zeiss Calypso effizient zur Prozesssteuerung<br />
und Prozessoptimierung eingesetzt<br />
werden. Damit entfallen nicht nur<br />
die Betriebskosten zusätzlicher Softwarepakete,<br />
für die gesonderte Schulungen<br />
notwendig wären, sondern wir erweitern<br />
den Funktionsbereich unserer Software in<br />
gewohnter Umgebung.“<br />
Prüfzelle<br />
Automatisierte Scans mit zwei Robotern in der Linie<br />
Bild: Enigmasoft<br />
Enigmasoft bringt mit seiner Prüfzelle IQ-<br />
One die Qualitätskontrolle in die Linie. Für<br />
jedes Produkt wird anhand der Scandaten<br />
ein virtueller Zwilling erzeugt. Der standardisiert<br />
modulare Maschinenaufbau ermöglicht<br />
die Integration in kleine, mittlere<br />
und große Fertigungsanlagen. Die Zelle<br />
ist je nach Leistungsbedarf mit einem<br />
oder zwei Scan-Robotern erhältlich.<br />
Durch den parallelisierten Scan mit zwei<br />
Robotern wird laut Hersteller die Prüfzeit<br />
je Bauteil um 45 % reduziert. Je nach Kapazitätsbedarf<br />
lassen sich mehrere Zel-<br />
lenmodular aneinander reihen. Per Ethernet-Kabel<br />
ist die Maschine über Profinet,<br />
Profisafe, OPC-UA und SQL mit den Fertigungslinien<br />
vernetzt.<br />
Im Inneren der Zelle wird das zu prüfende<br />
Bauteil stationär und ohne Umspannen<br />
allseitig von robotergeführten 3D-Scannern<br />
digitalisiert. Durch den stationären<br />
Scan des Produktes werden keine komplexen<br />
Spann- und Drehvorrichtungen zur<br />
Bauteilaufnahme benötigt. Es besteht somit<br />
keine Gefahr, das zu prüfende Bauteil<br />
zu verspannen.<br />
Röntgenröhren<br />
Für ein großes Aufgabenspektrum<br />
Mit den neuen Mikrofokus-Röntgenröhren<br />
von Viscom lässt sich eine großes<br />
Spektrum von Aufgaben abdecken – und<br />
zwar mit ein und derselben Röntgenquelle.<br />
Von der Inspektion kleiner, filigraner<br />
Objekte über zeitoptimierte Serienprüfungen<br />
bis hin zur Durchstrahlung großer<br />
und massiver Bauteile reicht das Einsatzspektrum<br />
der Mikrofokus-Röntgenröhren,<br />
die über eine große Flexibilität verfügen.<br />
Die Mikrofokus-Röntgenröhren, die Viscom<br />
seit über 20 Jahren auf seinem Campus<br />
in Hannover entwickelt und fertigt,<br />
zeichnen sich insbesondere durch<br />
vielfältige Einsatzmöglichkeiten in<br />
Röntgenlaboren oder als Bestandteil<br />
von Premium-Inspektionssystemen<br />
aus. OEMs können zum Beispiel<br />
ihre Computertomographen und<br />
röntgenbasierten Koordinatenmesssysteme<br />
mit Röhren von Viscom ausstatten.<br />
Durch die kleinen Brennfleckdurchmesser<br />
der Röhren stehen bei Bedarf sehr hohe<br />
Auflösungen bereit. Mit besonders hohen<br />
Beschleunigungsspannungen (bis zu 320<br />
kV) gelingt eine sehr gute Durchdringung<br />
von massiven Objekten. Über sehr lange<br />
Zeit konstante Betriebsparameter der<br />
Röhren werden dadurch erreicht, dass<br />
automatisch die Filamentheizung den<br />
Betriebsbedingungen angepasst und der<br />
Elektronenstrahl nachjustiert wird, zudem<br />
ist der Ort des Brennflecks auf dem<br />
Target verstellbar.<br />
Bild: Viscom<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 55
» NEWS & PRODUKTE<br />
Computertomographie<br />
Auf das Wesentliche reduziert<br />
Diondos neuer Computertomograph Evo<br />
03 ist für komplexe Mess- & Prüfaufgaben<br />
kleiner und mittelgroßer Teile konzipiert.<br />
„Mit der Evo-03-Anlage erweitern<br />
wir unser Angebot um ein CT-System, das<br />
durch seine Reduktion auf das Wesentliche<br />
bei gleichzeitig vielfältigen Einsatzmöglichkeiten<br />
gewissermaßen zwei Welten<br />
miteinander verbindet“, erklärt Martin<br />
Münker, Geschäftsführer von Diondo.<br />
„Als kompaktes CT-System eignet sich<br />
Evo 03 zur zuverlässigen Analyse und für<br />
komplexe Mess- & Prüfaufgaben kleiner<br />
Bild: Diondo<br />
und mittelgroßer Teile insbesondere aus<br />
Kunststoff, Keramik aber auch aus Leichtmetall.<br />
Unser Fokus liegt dabei auf maximaler<br />
Bedienerfreundlichkeit, die den<br />
Einsatz von Evo 03 ohne weitreichende<br />
Fachkenntnisse oder langwierige Schulung<br />
möglich macht.“<br />
Als Plug & Play Modell bedarf Evo 03 nur<br />
einer kurzen Schulung, um eingesetzt werden<br />
zu können und ist darüber hinaus noch<br />
komplett wartungsfrei. Die kompakte,<br />
platzsparende Bauweise (1260 x 870 x<br />
1640 mm bei 1290 kg Systemgewicht) erlaubt<br />
die Prüfung von Bauteilen mit Abmessungen<br />
von bis zu Durchmesser<br />
100 x 85 mm bei einer Auflösung von<br />
56 µm und einer Messgenauigkeit von wenigen<br />
Mikrometern. Andere Varianten ermöglichen<br />
es, eine Reihe von Objektgrößen<br />
und Auflösungsanforderungen zu erfüllen.<br />
Messraumbestückung<br />
Mobile Strukturplatte mit multidirektionalem Antrieb<br />
Bild: Witte<br />
Mit der multidirektional steuerbaren Strukturplatte Fixbase<br />
MDD hat der Spannsystemspezialist Witte eine Lösung<br />
für die vollautomatisierte mobile Messraumbestückung<br />
und Beladeprozesse entwickelt. Fixbase MDD basiert<br />
auf dem Witte-Strukturplattensystem in Sandwichbauweise,<br />
ergänzt um eine neuentwickelte modulare<br />
Antriebs- und Steuerungstechnologie. Diese ermöglicht<br />
ein unlimitiertes, freies Kombinieren von Fahrtrichtungen.<br />
Im Zentrum des Antriebskonzepts stehen acht Mecanum-Räder<br />
pro Fahrwerk – davon vier angetrieben –<br />
auf je zwei luftgelagerten Fahrwerksschwingen. Luft-<br />
Hebekissen und Z-Positionierungen sorgen für eine vollständige<br />
Entlastung der Räder, präzises Absenken der<br />
Platte auf Z-Position und exakt nivellierten Stand auch<br />
auf unebenem Boden.<br />
Druckmittler<br />
Geeignet für Temperaturen bis 450 °C<br />
Wika hat einen Druckmittler auf Applikationen<br />
mit sehr heißen Medien zugeschnitten:<br />
Der Typ 990.45 eignet sich für<br />
Temperaturen bis 450 °C. Das Gerät findet<br />
auch Verwendung in Raffinerien, um bei<br />
hohen Prozesstemperaturen präzise messen<br />
zu können. Es wird ohne zusätzliches<br />
Kühlelement mit einer Kapillare und einem<br />
Standardmessgerät zu einem System<br />
vereint. Sein Unterteil samt Flanschanschluss<br />
ist aus einem Stück gefertigt, was<br />
das Leckagerisiko minimieren soll. Kundenspezifische<br />
Dichtungen vereinfachen<br />
die Anbindung des Druckmittlers an den<br />
jeweiligen Prozess.<br />
Das Gerät von Wika lässt sich mit Vorrichtungen<br />
für eine Hebehilfe ausstatten. Damit<br />
kann es bewegt und installiert werden.<br />
Ein im Unterteil integrierter Spülanschluss<br />
ermöglicht zudem eine Reinigung<br />
des Druckmittlers ohne vorherige Demontage.<br />
Bild: Wika<br />
56 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022
QUALITY WORLD «<br />
3D-Scantechnik verarbeitet evolutionäre Artefakte<br />
Auf den Spuren des<br />
Beutelwolfs<br />
Zwei australische Forscher haben ein ehrgeiziges Projekt angestoßen,<br />
um die Evolutionsgeschichte des inzwischen ausgestorbenen<br />
Beutelwolfs zu beleuchten. Dazu wurden hunderte von Schädeln in<br />
Museen auf der ganzen Welt mit Hilfe von 3D-Scans digitalisiert.<br />
Der handgeführte Scanner<br />
„Space Spider“ erfasst bis zu<br />
einer Million Datenpunkte<br />
pro Sekunde mit einer<br />
Genauigkeit von 0,05 mm.<br />
Bild: Douglass S. Rovinsky<br />
Der tasmanische Wolf ist keineswegs<br />
mit dem Wolf verwandt. Genau dies<br />
wollen die beiden Evolutionsbiologen Dr.<br />
Douglass Rovinsky und Dr. Justin W.<br />
Adams von der Monash University in<br />
Australien bestätigen. Dafür haben die<br />
Forscher eine umfassende Studie angestoßen<br />
und nutzen dabei die 3D-Scantechnologie<br />
von Artec 3D.<br />
Die Geschichte des Beutelwolfs reicht<br />
23 Mio. Jahre zurück. Um die Hintergründe<br />
des ausgestorbenen Tieres besser<br />
zu verstehen, haben die beiden Wissenschaftler<br />
die Ähnlichkeitsmuster zwischen<br />
dem Beutelwolf und anderen Arten<br />
in den drei Bereichen Schädelform,<br />
Ernährung und relative Beutegröße untersucht<br />
und analysiert. Um die Schädelformen<br />
genau vermessen und untersuchen<br />
zu können, war eine kontaktlose<br />
Methode erforderlich, mit der Daten bis<br />
in den Submillimeterbereich erfasst werden<br />
können.<br />
Die meisten Schädel werden dabei in<br />
Sammlungen aufbewahrt, zu denen nur<br />
ein kontrollierter und begrenzter Zugang<br />
möglich ist. „Wenn wir in einem Museum<br />
die Erlaubnis bekommen, ein Exemplar zu<br />
untersuchen, dann will der Kurator natürlich<br />
auf keinen Fall Kratzer oder andere<br />
Beschädigungen riskieren“, so Rovinsky.<br />
„Sei es durch manuelle Messgeräte wie<br />
einem Tastzirkel oder durch die einfache<br />
Handhabung des Exponats.“ Und das Anbringen<br />
von Markierungen oder Zielmarken<br />
auf den Schädeln sei sowieso ausgeschlossen.<br />
Für die Digitalisierung haben sich die<br />
Forscher für das Modell „Space Spider“<br />
entschieden, einem leichten, tragbaren<br />
3D-Farbscanner des Herstellers Artec 3D.<br />
Das Gerät erfasst bis zu einer Million Da-<br />
tenpunkte pro Sekunde mit einer Genauigkeit<br />
von 0,05 mm. Insgesamt wurden<br />
über 200 Schädel von 57 Exemplaren bis<br />
in den Submillimeterbereich digitalisiert.<br />
Untersucht wurden untere anderem Beutelwölfe,<br />
Hyänen, Zibetkatzen, Mangusten,<br />
Beutelmarder, Hunde und Waschbären.<br />
Aus evolutionärer Sicht mussten andere<br />
fleischfressende Beuteltiere mit einbezogen<br />
werden, ebenso eine Auswahl<br />
anderer kleiner Fleischfresser wie Zibetkatzen,<br />
Mungos und Wiesel. Die Scans<br />
wurden anschließend mit dem Programmpaket<br />
„Artec Studio“ in 3D-Modelle<br />
umgewandelt und zudem in eine weitere<br />
Software exportiert, um quantitative<br />
Analysen der 3D-Form der Schädel durchzuführen.<br />
Nach dem Scannen mussten für die<br />
anschließenden 3D-geometrischen Morphometrie-Analysen<br />
anatomische Orientierungspunkte<br />
digital auf der Oberfläche<br />
jedes 3D-Schädels platziert werden.<br />
Damit konnten die verschiedenen Formmerkmale<br />
des Schädels genau identifiziert<br />
und erfasst werden. Die Ergebnisse<br />
der Analysen und Konvergenztests lieferte<br />
Einblicke in die Lebensweise der<br />
Beutelwölfe, die bislang noch nicht gegeben<br />
waren. Die Daten zeigen, dass es<br />
eine Konvergenz gibt zwischen dem<br />
Beutelwolf und den afrikanischen Schakalen,<br />
aber auch den südamerikanischen<br />
Füchsen.<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 57
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