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Quality Engineering 03.2022

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Ausgabe 03 | 2022<br />

www.qe-online.de<br />

Smarte Fabrik<br />

Prüftechnik<br />

Qualitätsmanagement<br />

Rauheitsnormen<br />

OPC-UA-Spezifikation pusht<br />

die Messtechnik<br />

» Seite 18<br />

Fraunhofer LBF verbessert<br />

Auslegung von Hartschaum<br />

» Seite 32<br />

Babtec nimmt<br />

die Nachhaltigkeit ins Visier<br />

» Seite 10<br />

Neue Standards für<br />

die Oberflächenmesstechnik<br />

» Seite 36<br />

TITELSTORY<br />

Wie Bosch<br />

Messraum und<br />

Fabrik verzahnt<br />

» Seite 22<br />

Qualität in der Fertigung


CT-Volumen eines Gussteils<br />

mit Porositätsanalyse,<br />

gescannt mit YXLON UX20<br />

Klare Sicht<br />

auf das<br />

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2 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


» EDITORIAL<br />

Gemeinsam<br />

geht´s besser<br />

Wir leben in einer vernetzten Welt. Es geht um den Austausch von Informationen,<br />

um Kommunikation. Solche Aussagen klingen wie Plattitüden.<br />

Aber gerade in der Industrie ist Vernetzung von fundamentaler Bedeutung.<br />

Die smarte Fabrik – das Fokus-Thema in diesem Heft – eröffnet neue<br />

Chancen für Unternehmen (ab Seite 18). Und in der intelligenten Fabrik<br />

dreht sich alles um Kommunikation. Es geht darum, dass Maschinen sich<br />

verknüpfen und untereinander sowie mit übergeordneten Systemen Daten<br />

austauschen. Der Closed Loop – quasi der heilige Gral der Qualitätssicherung<br />

– hat im Kern die Verknüpfung zwischen Mess- und Werkzeugmaschine.<br />

Wie wichtig Vernetzung ist, zeigen auch die Reaktionen der Experten auf<br />

die OPC UA Companion Specification für geometrische Messsysteme, die<br />

jetzt als erster Entwurf verfügbar ist. Mit dieser ist es nun möglich, die<br />

Messtechnik in die smarte Fabrik einzubinden. Experten wie Karl-Dietrich<br />

Imkamp von Zeiss oder Heiko Wenzel-Schinzer von Wenzel sehen die Spezifikation<br />

als wichtigen Schritt hin zur Interoperabilität. Zwar wurden bisher<br />

nur Mindestanforderungen definiert. Aber die Botschaft ist klar: Die<br />

Grundlage zum Datenaustausch ist gelegt. Die Standardisierung schreitet<br />

voran und nimmt die Messtechnik mit.<br />

Zusammenarbeit, Kommunikation, Vernetzung – diese Begriffe gewinnen<br />

auch im Qualitätsmanagement an Bedeutung. Das zeigte zum Beispiel das<br />

Kunden-Event von Babtec (Seite 10). Die Qualitätsmanager müssen Abteilungs-<br />

und Unternehmensgrenzen überwinden. Sie brauchen Werkzeuge,<br />

um mit Lieferanten zusammenzuarbeiten. Und neue Themen wie Nachhaltigkeit<br />

erfordern nicht nur ein offenes Denken, sondern die Verknüpfung<br />

mit anderen Unternehmensbereichen. Denn die für Nachhaltigkeit<br />

relevanten Informationen sind über die gesamte Organisation hinweg<br />

verteilt.<br />

Erfolg braucht also Kooperation – auf technischer wie auf menschlicher<br />

Ebene.<br />

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Geradheitsmessung<br />

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Produktneuheiten 2022<br />

Multisensorik und<br />

Computertomografie<br />

TomoScope ® XS Baureihe<br />

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als kostengünstige Alternative zur<br />

Roboterbeladung<br />

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200 kV Beschleunigungsspannung<br />

Markus Strehlitz, Redaktion<br />

qe.redaktion@konradin.de<br />

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Werth Messtechnik GmbH<br />

Siemensstraße 19<br />

35394 Gießen, Deutschland<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 3<br />

mail@werth.de<br />

Tel. +49 641 7938-0


» INHALT 03 | 2022 41. JAHRGANG<br />

IM FOKUS<br />

Standard bringt<br />

Messtechnik<br />

Experten sind sich einig: in die smarte<br />

OPC UA Spezifikation für Fabrik<br />

geometrische Messsysteme » Seite 18<br />

eröffnet viele Möglichkeiten in<br />

der Qualitätssicherung<br />

Titelbild: Funtap/stock.adobe.com<br />

MANAGEMENT<br />

Control<br />

Die Messe zeigt die aktuellen QS-Trends<br />

und legt geglückten Neustart hin 06<br />

Qualitätsmanagement<br />

Mehr als nur Software:<br />

Babtec nimmt das große Ganze ins Visier 10<br />

Personal & Karriere<br />

Was Bewerber abschreckt<br />

und Personaler nervt 13<br />

Studie<br />

Cyber-Risiken werden zu wenig<br />

ins Risikomanagement integriert 14<br />

Eine Redaktion — zwei Meinungen<br />

IT-Security – nervig oder nützlich? 16<br />

Alles was Recht ist<br />

Produktbeobachtung wird oft vernachlässigt 17<br />

IM FOKUS:<br />

SMARTE FABRIK<br />

OPC UA<br />

Spezifikation für die Messtechnik<br />

treibt Interoperabilität voran 18<br />

Closed Loop<br />

Bosch verzahnt Messraum<br />

und Fertigung miteinander 22<br />

KUNSTSTOFF<br />

Extrusion<br />

Saargummi nutzt Vision-System<br />

zum Messen an und in der Extrusionslinie 28<br />

Thermoplaste<br />

Zugversuche helfen bei Vorhersage<br />

der Dauerfestigkeit von Bauteilen 30<br />

Harte Schäume<br />

Prüfsysteme unterstützen die<br />

Auslegung entsprechender Bauteile 32<br />

Elastomere<br />

Freudenberg entwickelt visuelles<br />

Inspektionssystem für die eigene Fertigung 34<br />

TECHNIK<br />

Neue Rauheitsnormen<br />

Verbesserte Standards<br />

für die Oberflächenmesstechnik 36<br />

Additive Fertigung<br />

CT sorgen bei Prototypenbauer 1zu1<br />

für schnelle und genaue Ergebnisse 40<br />

Farbmessung<br />

Multispektralkamera sichert<br />

die Einhaltung von Farbvorgaben 43<br />

Zerstörungsfreie Prüfung<br />

Dank Quantentechnologie lassen<br />

sich Materialschäden früher detektieren 46<br />

Bildverarbeitung<br />

Startup setzt für Inspektionsaufgaben<br />

auf KI und Vision-Lösungen 49<br />

News und Produkte 52<br />

QUALITY WORLD<br />

Digitalisierung<br />

3D-Scantechnik verarbeitet<br />

evolutionäre Artefakte 57<br />

Firmenindex 59<br />

Impressum 59<br />

4 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


Bild: <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />

Auf seinem Kunden-Event blickt Software-Anbieter Babtec über das klassische<br />

Qualitätsmanagement hinaus.<br />

» Seite 10<br />

45 mm<br />

< 0,4 μm<br />

10 kHz<br />

NEU<br />

optoNCDT 1900<br />

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Die neuen Profilnormen EN ISO 21920-1, -2 und -3 für das Messen von<br />

Oberflächenbeschaffenheiten liefern saubere und praktikablere Definitionen.<br />

» Seite 36<br />

Mehr Präzision.<br />

Laser-Wegsensoren für<br />

Advanced Automation<br />

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Kompakt, schnell & genau<br />

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dynamische Messungen<br />

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wechselnden Oberflächen<br />

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seiner Klasse<br />

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<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 5<br />

micro-epsilon.de/opto


Es herrschte reges Treiben in den Messehallen. Die Besucher freuten sich, neue Technik wieder live sehen zu können.<br />

Bild: Tobias Meyer/<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />

Messe zeigt Trends in der Qualitätssicherung<br />

Geglückter Neustart<br />

der Control<br />

Deutlich weniger Besucher und weniger internationale Atmosphäre – und<br />

dennoch war die Control in diesem Jahr für die meisten Aussteller eine gute<br />

Messe. Sie zeigte die Trends in der Qualitätssicherung auf.<br />

» Sabine Koll<br />

Mit 18.531 Fachbesuchern zählte die<br />

Control vom 3. bis 6. Mai 2022<br />

rund ein Drittel weniger Besucher als bei<br />

der letzten Veranstaltung 2019. Auch die<br />

Zahl der Aussteller war rückläufig: Statt<br />

870 waren es in diesem Jahr 617 auf<br />

knapp 23.000 m 2 Fläche in sechs Hallen<br />

auf dem Stuttgarter Messegelände. 31 %<br />

der Aussteller waren aus dem Ausland<br />

angereist; dabei kamen 6 % Prozent aus<br />

der Schweiz, 4 % aus Italien, 3 % aus den<br />

USA und gut 2 % aus Großbritannien.<br />

Dennoch war es für die meisten Aussteller,<br />

die Weiterentwicklungen aus den<br />

Bereichen Mess- und Prüftechnik, Qualitätsmanagement,<br />

Bildverarbeitung, Sensortechnik<br />

zeigten, eine gute Messe nach<br />

der pandemiebedingten zweijährigen<br />

Pause.<br />

Die Erwartungen im Vorfeld<br />

waren verhalten<br />

Allenthalben war auf den Ständen zu hören,<br />

dass die Erwartungen hinsichtlich<br />

Besucherzahl und -qualität übertroffen<br />

wurden. Vielfach hatte man im Vorfeld<br />

Zweifel, ob die Besucher nach der Pandemie<br />

wieder den Weg zur Control finden<br />

würden.<br />

„Es ist klasse, dass wir wieder auf der<br />

Control ausstellen können nach zwei Jahren<br />

Verzicht“, sagte zum Beispiel Gerhard<br />

Mohr, Geschäftsführer von Kapp Niles<br />

Metrology in Großostheim. „Es ist erfreulich<br />

zu erleben, dass die Fachbesucher<br />

wieder anreisen, dass die Präsenzmessen<br />

6 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


MANAGEMENT «<br />

wieder Fahrt aufnehmen und dass wir uns<br />

ein Stück der alten Realität nähern.“<br />

Ebenfalls erfreut äußerte sich Matthias<br />

Ruf, Leiter Vertrieb am Kunststoffzentrum<br />

SKZ in Würzburg: „Wir freuen uns, dass<br />

wir wieder hier sein können. Für uns verlief<br />

die Control schon ab dem ersten Messetag<br />

erfolgreich und mit großem Interesse<br />

seitens der Besucher.“<br />

„In erster Linie habe ich die Aussteller<br />

und Fachbesucher erfreut und erleichtert<br />

darüber erlebt, dass man<br />

sich nun endlich wieder<br />

persönlich auf einer Fachmesse<br />

treffen kann“, sagte<br />

Bettina Schall, Geschäftsführerin<br />

von Control-Veranstalter<br />

P. E. Schall, am<br />

letzten Messetag gegenüber<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong>.<br />

„Der Nachholbedarf nach<br />

dem persönlichen Austausch<br />

ist groß, und so war durchweg eine<br />

positive und vorwärts gerichtete<br />

Stimmung mit intensiven Gesprächen zu<br />

erleben.“<br />

Der Automatisierungsgrad<br />

wird deutlich höher<br />

Schall stellt fest: „Aufgrund der steigenden<br />

Automatisierung und der geforderten<br />

Null-Fehler-Produktion ist die Qualitätssicherung<br />

so bedeutend wie noch nie. Ich<br />

finde es bemerkenswert, was sich seit der<br />

letzten Control im Jahr 2019 technologisch<br />

getan hat.“<br />

Andere Aussteller bestätigen diese Entwicklungen:<br />

„Der Automatisierungsgrad<br />

in der Qualitätssicherung nimmt erheblich<br />

zu. Ein Grund dafür ist, dass die Zeit<br />

im Messablauf ein immer wesentlicher<br />

Faktor wird. Es geht darum, ,mit Hilfe von<br />

Messergebnissen Probleme in der Fertigung<br />

immer schneller zu erkennen“, sagte<br />

Dr. Heike Wenzel, CEO der Wenzel Group,<br />

»Die Elektromobilität eröffnet der<br />

Messtechnik ein größeres Potenzial.<br />

Zwar sinkt die Zahl der Teile, doch<br />

müssen viele Bauteile aufgrund des<br />

Risikos zu 100 % vermessen werden.«<br />

Dr. Marc Wawerla, CEO, Zeiss Industrial <strong>Quality</strong> Solutions<br />

auf der Eröffnungs-Pressekonferenz am<br />

ersten Messetag. Wenn Messergebnisse<br />

immer schneller verfügbar sein sollen,<br />

dann bedeutet dies, dass immer weniger<br />

Bauteile taktil, sondern beispielsweise mit<br />

optischen Sensoren vermessen werden<br />

müssen. „Dies geht natürlich auf Kosten<br />

der Genauigkeit, sodass man abwägen<br />

muss zwischen Genauigkeit und Geschwindigkeit“,<br />

erklärt sie.<br />

„Damit verbunden ist die Rückkopplung<br />

der Messergebnisse von der Messmaschine<br />

zur Bearbeitungsmaschine: Der Closed<br />

Loop wird zunehmend wichtig“, so Wenzel<br />

weiter. Eine Folge dieser Entwicklung:<br />

Die Mess- und Inspektionsgeräte wandern<br />

zunehmend an oder in die Fertigungslinie.<br />

Schwingungen setzen<br />

Shopfloor-Lösungen zu<br />

Entsprechende Shopfloor-Lösungen hat<br />

der Hersteller aus Wiesthal denn auch auf<br />

der Control gezeigt. „Diese<br />

stellen uns als Hersteller<br />

aber vor neue Herausforderungen:<br />

Die erzielten Messergebnisse<br />

müssen zwar<br />

nicht so genau sein wie im<br />

Messraum, aber doch ein<br />

sehr hohes Niveau erreichen<br />

– und das in einer<br />

Umgebung, in der es Temperaturschwankungen,<br />

Staub und Schwingungen gibt.“<br />

Eine weitere Herausforderung für den<br />

Closed Loop sieht die Wenzel-Chefin bei<br />

der Kommunikation zwischen Messgeräten<br />

und Produktionsmaschinen: „Wir<br />

brauchen dringend standardisierte<br />

Schnittstellen für den Datenaustausch.“<br />

Gemeinsam mit anderen Branchengrößen<br />

entwickelt Wenzel derzeit im VDMA solche<br />

standardisierten Schnittstellen auf<br />

Basis von OPC UA (lesen Sie mehr dazu ab<br />

Seite 18).<br />

Bild: Sabine Koll/<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />

Für Messechefin Bettina Schall war die Control nach zwei Jahren Pandemie-<br />

Pause eine gelungene Messe.<br />

Bild: Sabine Koll/<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />

Dr. Heike Wenzel, CEO der Wenzel Group, sieht die Automatisierung in der<br />

Messtechnik als einen großen Trend.<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 7


» MANAGEMENT<br />

Hinzu kommt, dass die Messtechnik in<br />

der Fertigung deutlich leichter bedienbar<br />

sein muss: „In der Produktion haben wir<br />

andere Anwender als im Messraum, daher<br />

müssen wir die Bedienbarkeit der Messgeräte<br />

deutlich vereinfachen“, betonte<br />

Wenzel. Hier prallen nach ihrer Darstellung<br />

allerdings zwei Welten aufeinander:<br />

die 30 Jahre und teilweise auch noch länger<br />

nutzbare Hardware der Messgeräte<br />

Die Trends im Video<br />

trifft auf die deutlich kurzlebigere Software,<br />

die modern und anwenderfreundlich<br />

gestaltet sein muss. Beides muss perfekt<br />

miteinander abgestimmt sein.<br />

„Es ist unser großes erklärtes Ziel, die<br />

Anwendungs-Software für unsere Messtechnik<br />

deutlich zu vereinfachen“, bestätigte<br />

auch Dr. Marc Wawerla, CEO von<br />

Zeiss Industrial <strong>Quality</strong> Solutions, auf<br />

der Pressekonferenz seines Unterneh-<br />

mens auf der Control. „Das User Interface,<br />

also die Nutzerschnittstelle, wollen<br />

wir einfacher gestalten, damit der Anwender<br />

in der Produktion unsere Messgeräte<br />

auch ohne messtechnisches<br />

Know-how bedienen kann.“ Zeiss arbeitet<br />

in diesem Zuge auch daran, seine Applikations-Software<br />

<strong>Quality</strong> Suite für<br />

unterschiedliche Systeme – optische und<br />

taktile Messgeräte, Computertomographen<br />

sowie Mikroskope – zu vereinheitlichen,<br />

sodass der Anwender nicht jedes<br />

Mal umdenken muss. Gleichzeitig gibt es<br />

bei der <strong>Quality</strong> Suite für Messtechnik-<br />

Profis jeweils eigene Module, um in die<br />

Tiefe gehen zu können.<br />

Auf dem Messestand von <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> fanden während<br />

der Messe durchgängig Video-Interviews statt. Hier berichteten<br />

Experten aus der Branche über die aktuellen Trends in Sachen<br />

Qualitätsmanagement, Messtechnik und Prüftechnik. Zu den Interviewten<br />

gehörten zum Beispiel:<br />

• Jürgen Horst, Accretech<br />

• Tobias Bender, XFT & Claus Bruckner, SAP QM<br />

• Dr. Heike Wenzel, Wenzel Group<br />

• Steven Renders, Nikon Metrology<br />

• Patrick Werder, IMS<br />

• Dr. Robert Zarnetta, Zeiss<br />

Alle Videos sehen Sie unter:<br />

http://hier.pro/geEbH<br />

Bild: <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />

Die E-Mobilität bietet<br />

neue Chancen<br />

Zeiss sieht vor allem im Bereich der<br />

E-Mobilität ein großes Wachstumspotenzial.<br />

„Im Automotive-Markt sinkt zwar<br />

durch den Shift vom Verbrenner zum<br />

Elektroantrieb die Zahl der Bauteile pro<br />

Auto, die vermessen werden müssen.<br />

Doch gibt es sehr viele Teile im Elektroauto,<br />

vor allem in der Batterie, die aufgrund<br />

von Risiken zu 100 Prozent vermessen<br />

werden müssen“, so Wawerla. „Daher ist<br />

das Potenzial für die Qualitätssicherung<br />

in Zukunft größer als heute.“<br />

Patrick Stempfle, Projektleiter New<br />

Energy Vehicles bei Zeiss, nennt die Batteriewanne<br />

als ein typisches Bauteil: „Es<br />

handelt sich um ein sicherheitskritisches<br />

Bauteil, das aufgrund seiner Bauteilgröße<br />

und den engen Toleranzen sehr hohe Anforderungen<br />

an die Qualitätssicherung<br />

stellt.“ Die Kontrolle des Fügeprozesses ist<br />

hier sehr wichtig. Daher bietet Zeiss für<br />

diese Aufgabe Komplettinspektionssysteme<br />

von GOM an – einschließlich digitalem<br />

Zwilling und digitaler Montage.<br />

KI ist angekommen in der<br />

Qualitätssicherung<br />

Messe-Chefin Bettina Schall sieht noch<br />

einen weiteren Trend in der Branche: „Die<br />

Künstliche Intelligenz hat Einzug in die<br />

Qualitätssicherung gehalten und ist kein<br />

theoretisches Gebilde mehr. KI war bei<br />

sehr vielen Ausstellern ein Thema, das uns<br />

weiter begleiten wird.“ Vor allem für Inline-Prüf-<br />

und Messvorgänge habe KI das<br />

8 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


»Vision-Systeme und KI sind ein stark<br />

wachsender Bereich, da man hier einen<br />

schnellen Return on Investment erzielt.«<br />

Marvin Krebs, Leiter Technischer Vertrieb, Xactools<br />

Potenzial zum Gamechanger: „Hier gewinnt<br />

die Bildverarbeitung noch mehr<br />

Relevanz, auch im Zusammenhang mit<br />

KI-Algorithmen. Hier werden wir in den<br />

nächsten Jahren noch spannende, praxisrelevante<br />

Fortschritte erleben.“<br />

Dass auch kleinen industriellen Unternehmen<br />

der einfache Einstieg in die KIunterstützte<br />

Qualitätssicherung gelingen<br />

kann, das zeigten zum Beispiel die beiden<br />

Aussteller Denkweit und Xactools gemeinsam<br />

auf der Control: Sie arbeiten<br />

seit zwei Jahren zusammen, um schlüsselfertige<br />

Lösungen – Mess- und Prüfanlagen<br />

wie zum Beispiel für optische Oberflächenmessungen<br />

mit Standardmaschinen<br />

– zu entwickeln. „Vision-Systeme und<br />

KI sind dabei ein stark wachsender Bereich,<br />

da man hier einen schnellen Return<br />

on Investment (ROI) erzielt“, betonte<br />

Marvin Krebs, Leiter des technischen Vertriebs<br />

bei Xactools.<br />

Der KI reichen 15 Bilder<br />

für das Training<br />

„Mit KI lassen sich selbst aus sehr<br />

schlechten Datenergebnissen etwa aus<br />

der Computertomographie noch gute Ergebnisse<br />

erzielen“, ergänzte Dr. Dominik<br />

Lauch, Geschäftsführer des KI-Startups<br />

Denkweit, einer Ausgründung des Fraunhofer-Instituts<br />

für Mikrostruktur von<br />

Werkstoffen und Systemen IMWS. „15<br />

Bilder reichen unserem Vision AI Hub für<br />

das Training der KI durch einen Operator<br />

aus. Dabei läuft eine solche integrierte<br />

Lösung zu 100 Prozent offline ohne<br />

Cloud-Anbindung.“<br />

Messehostessen verteilten<br />

auf der Control<br />

erneut die offizielle<br />

Messezeitung „Control<br />

Express“, die das Team<br />

von <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />

jeden Tag neu<br />

produziert hat.<br />

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Bild: Tobias Meyer/<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 9


» MANAGEMENT<br />

Babtec und das neue Qualitätsmanagement<br />

Es geht um das große Ganze<br />

Nachhaltigkeit, Lieferantenmanagement, die veränderte Rolle des Qualitäters –<br />

das Qualitätsmanagement entwickelt sich rasant und verlässt seinen engen<br />

Rahmen. Das verdeutlicht etwa das Kunden-Event von Babtec, auf dem mehr<br />

über Moral und Kommunikation als über Software gesprochen wird.<br />

» Markus Strehlitz<br />

Auf der Kundenveranstaltung<br />

Q.Event in<br />

Essen war Nachhaltigkeit<br />

eines der Hauptthemen.<br />

Bild: <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />

Wer sich mit Michael Flunkert und Lutz Krämer<br />

unterhält, hört dabei wenig von den üblichen<br />

Qualitätsmanagement-Akronymen wie etwa FMEA<br />

oder SPC. Die beiden Mitglieder der Geschäftsleitung<br />

von Babtec wollen nicht über Module sprechen. Ihnen<br />

geht es um das große Ganze.<br />

Sie sprechen viel lieber von Qualität als von Qualitätsmanagement.<br />

Bei letzterem denkt man an eine<br />

einzelne Abteilung. Qualität betrifft jedoch das ganze<br />

Unternehmen. „Wenn wir Qualität als das begreifen<br />

wollen, was sie wirklich ist, sollten wir besser von<br />

einem qualitätsorientierten Management sprechen“,<br />

sagt Krämer. Dieses kleine Wortspiel verändere völlig<br />

die Perspektive. „Nun geht es um verantwortungsvolle<br />

Unternehmensführung, bei der man die Interessen<br />

der Kunden, aber eben auch der anderen interessierten<br />

Parteien (Stakeholder), nicht nur kennen und verstehen<br />

will, sondern diese auch in die Qualitätspolitik<br />

des Unternehmens, seine Prozesse, Produkte,<br />

Dienstleistungen und in das gesamte gesellschaftliche<br />

Handeln integriert.“<br />

So wie Qualität bei dieser Denkweise quasi aus<br />

dem Qualitätsmanagement heraus in die gesamte<br />

Organisation schwappt, muss auch der Qualitätsmanager<br />

über den Tellerrand blicken. Sein Berufsbild<br />

verändert sich. QM-Experten wie zum Beispiel Benedikt<br />

Sommerhoff von der Deutschen Gesellschaft für<br />

Qualität (DGQ) werden nicht müde, darauf hinzuwei-<br />

10 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


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DÜSSELDORF, 21.–24. JUNI<br />

POWER YOUR BUSINESS<br />

Zeitgleich mit<br />

wire und Tube<br />

„Das klassische Qualitätsmanagement verkompliziert Dinge“,<br />

sagt Lutz Krämer von Babtec.<br />

Bild: Babtec<br />

sen. Das Jobprofil wandelt sich hin zum Organisationsentwickler.<br />

In diesem spielen Begriffe wie ganzheitliches<br />

Denken, Agilität und Vernetzung die<br />

Schlüsselrollen.<br />

Formalien stehen im Weg<br />

Traditionelle Themen wie etwa das Denken in Formalien<br />

und Normen stehen der neuen Entwicklung im<br />

Weg. „Wir müssen die Überformalisierung stoppen<br />

und Entformalisierung vorantreiben“, schreibt etwa<br />

Sommerhoff in einem Blog-Post. Das gelte besonders<br />

bei den Branchenstandards für Qualitätssicherung<br />

und bei den Qualitätsmanagementsystemen. „Die<br />

Revision der ISO 9001 in 2015 hat die Tür zu mehr<br />

Agilität bereits einen Spalt geöffnet.“ Krämer schlägt<br />

in die gleiche Kerbe: „Das klassische QM verkompliziert<br />

Dinge, erhöht den Verwaltungsaufwand und<br />

tritt letztendlich sogar bremsend auf.“<br />

Auf seiner Kundenveranstaltung Q.Event in Essen<br />

zeigt Software-Anbieter Babtec dann auch, dass die<br />

eigene Strategie diesem breiten Ansatz folgt. Eines<br />

der Hauptthemen dort ist Nachhaltigkeit. Das Thema<br />

hat nicht nur in der Gesellschaft an Bedeutung gewonnen,<br />

sondern auch konkret in jedem größeren<br />

Unternehmen. Mittlerweile gibt es die Pflicht, entsprechende<br />

Kennzahlen in den Geschäftsbericht mitaufzunehmen.<br />

Damit wird Nachhaltigkeit auch für das Qualitätsmanagement<br />

im Unternehmen zu einem wichtigen<br />

Thema – vor allem wenn es ganzheitlich gedacht<br />

wird. Eine moderne Qualitätsdefinition dürfe sich<br />

nicht auf inhärente Merkmale eines Produkts beschränken,<br />

so Sommerhoff. Stattdessen müssten<br />

auch globale ethische Themen einbezogen werden.<br />

„Eine moderne Qualitätsdefinition muss die gesellschaftliche<br />

Gesamtbilanz und damit auch Aspekte<br />

der Nachhaltigkeit berücksichtigen.“<br />

WIE...<br />

MESSE<br />

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22. Internationale Messe für Technologien<br />

der Metallbearbeitung<br />

Alle Innovationen und Trends der Branche endlich wieder<br />

live und im persönlichen Austausch. Zusätzlich ergänzen<br />

digitale Angebote das Messeerlebnis mit direktem Zugriff auf<br />

Anwendungsbeispiele der Aussteller: POWER YOUR BUSINESS.<br />

METAV.DE<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 11


» MANAGEMENT<br />

Bild: Babtec<br />

Themen wie Lieferantenmanagement<br />

und<br />

Lieferantenbewertung<br />

werden von Anbietern<br />

entsprechender Software<br />

zunehmend in<br />

den Funktionsumfang<br />

eingebunden.<br />

Auf dem Q.Event fordert auch Unternehmensberater<br />

und Qualitätsauditor Markus Reimer, das Qualitätsmanagement<br />

weiter zu denken. Und dazu gehöre,<br />

dass „wir auch die Entstehungsgeschichte eines Produkts<br />

oder einer Dienstleistung berücksichtigen“, so<br />

Reimer. Das bedeutet: Ein Produkt,<br />

das zwar funktionell und<br />

optisch perfekt ist, aber unter<br />

fragwürdigen Bedingungen<br />

hergestellt wird, hat ein Qualitätsproblem.<br />

In Essen bringt<br />

Krämer es auf den Punkt: „Ein<br />

moralfreies Qualitätsmanagement<br />

kann es nicht geben.“<br />

Cloud-Plattform für die Lieferkette<br />

Wenn von Nachhaltigkeit die Rede, kommt auch die<br />

Lieferkette ins Spiel. Unternehmen müssen sicherstellen,<br />

dass ethische und ökologische Anforderungen<br />

nicht nur in der eigenen Organisation, sondern<br />

auch von den Lieferanten erfüllt werden. Auch hier<br />

zeigt sich, dass Qualitätsmanagement mittlerweile<br />

größer gedacht wird. Themen wie Lieferantenmanagement<br />

und Lieferantenbewertung werden von Anbietern<br />

entsprechender Software zunehmend in den<br />

Funktionsumfang eingebunden.<br />

Babtec treibt diese Entwicklung seit einigen Jahren<br />

voran. Mit Qube bietet der Softwerker eine cloudbasierte<br />

Plattform, über die sich Firmen mit ihren Geschäftspartnern<br />

vernetzen können, um Qualitätsprozesse<br />

unternehmensübergreifend zu digitalisieren.<br />

Alle Beteiligten lassen sich direkt an die CAQ-Software<br />

anbinden. Qube bietet dabei das ganze Spektrum<br />

an notwendigen Funktionen: von der Verwal-<br />

»Wir müssen auch die<br />

Entstehungsgeschichte<br />

eines Produkts<br />

berücksichtigen.«<br />

Markus Reimer, Qualitätsauditor<br />

tung der Betriebs- und Prüfmittel über<br />

die Prüfdatenerfassung, die Erstellung und<br />

Bearbeitung von Reklamationen bis hin zur<br />

gemeinsamen Bearbeitung von Aufgaben und<br />

Maßnahmen.<br />

Ein Nutzer von Qube ist Weinor, ein Hersteller<br />

von Markisen und Terrassendächern. Das<br />

Unternehmen setzt in der Zusammenarbeit<br />

mit seinen Lieferanten auf die Babtec-Lösung.<br />

Benedikt Hülsken, Leiter Qualitätsentwicklung<br />

bei Weinor, spricht auf dem Q.Event von einer<br />

Lernkurve, einige Lieferanten hätten sich zunächst<br />

an die Arbeit mit der Plattform gewöhnen<br />

müssen. Doch das Fazit zum Einsatz der<br />

Cloud-Software fällt positiv aus. „Der Qube<br />

macht die Kommunikation mit den Lieferanten<br />

einfach und sehr schnell“, so Hüsken.<br />

Auf der Kundenveranstaltung in Essen wird<br />

am Ende auch deutlich, dass die Entwicklung in<br />

Sachen Qualitätsmanagement noch weiter gehen<br />

soll. Krämer spricht die High Level Structure an,<br />

die in der ISO 9001 genannt ist. In dieser seien Kernanforderungen<br />

beschrieben, die nicht nur Qualitätsmanagement-Systeme<br />

betreffen, sondern auch das<br />

Umweltmanagement oder die Arbeitssicherheit. Wenn<br />

man sich die Kapitel der Norm<br />

anschaue, dann rede man<br />

letztendlich nicht mehr von einem<br />

Qualitätsmanagement-<br />

System, es gehe stattdessen<br />

um ein integriertes Managementsystem.<br />

„Wir kommen<br />

nicht umhin, uns mit diesem<br />

Thema zu beschäftigen“, sagt<br />

Krämer. Vielleicht hat er damit schon mal einen Ausblick<br />

darauf gegeben, wohin sich das Babtec-Portfolio<br />

künftig entwickeln wird: zu einem integrierten Managementsystem.<br />

Webhinweis<br />

Ein ausführliches Gespräch zwischen<br />

Markus Reimer und Lutz<br />

Krämer zur Zukunft des Qualitätsmanagements<br />

zeigt dieses Video:<br />

http://hier.pro/im5Kn<br />

12 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


Was Bewerber abschreckt und Personaler nervt<br />

Lost in Recruiting<br />

Bewerbungsgespräche sind das entscheidende Mittel, um den<br />

richtigen Kandidaten für die passende Stelle zu finden. Doch auf<br />

beiden Seite passieren dabei immer wieder typische Fehler.<br />

Hier kommt eine kleine Auswahl der gröbsten Schnitzer.<br />

Wie schwierig der Arbeitsmarkt zur Zeit ist,<br />

dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein.<br />

Die Arbeitswelt verändert sich im Rekordtempo und<br />

das hat wiederum Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.<br />

Aus einem Arbeitgeber- ist ein Arbeitnehmermarkt<br />

geworden. Unternehmen müssen lernen, möglichst<br />

schnell auf die Bewerber einzugehen und sie<br />

für sich zu gewinnen. Die Bewerber haben heute die<br />

Qual der Wahl — nämlich in einer Vielzahl von Stellenangeboten<br />

die für sie richtigen auszusuchen. Dennoch<br />

kommt es häufig nach ersten Gesprächen nicht<br />

zu einer Stellenbesetzung. Transparent werden diese<br />

Dinge oft nicht so recht – deshalb ein kleiner Überblick<br />

als Hilfe, vor allem für Bewerber.<br />

Was Personaler nervt:<br />

• Bewerber, die auf Kontaktversuche, Anfragen, Gesprächseinladungen<br />

etcetera nicht antworten beziehungsweise<br />

nie erreichbar sind,<br />

• Nutzer der unterschiedlichsten Bewerberdatenbanken,<br />

die sich zwar als „suchend“ outen, aber<br />

nie auf Anfragen reagieren oder „danke nein“ sagen<br />

können,<br />

• Bewerber, die vereinbarte Gesprächstermine nicht<br />

wahrnehmen, ohne sie vorher abzusagen,<br />

• Bewerber, die nach ausführlichen guten Gesprächen<br />

ihre Bewerbung ohne Begründung sowie<br />

stillos zurückziehen,<br />

• Bewerber, die sich auf ein Vorstellungsgespräch<br />

nicht vorbereiten und keine Motivation für Firma<br />

und Aufgabe zeigen,<br />

• Bewerber, die einen Entscheidungsdruck verbreiten<br />

mit der Aussage, dass sie ja noch so viele weitere,<br />

tolle Angebote vorliegen häben.<br />

Lange Prozesse schrecken ab<br />

Was Bewerber abschreckt:<br />

• supertolle Stellenausschreibungen, aber es werden<br />

keine erreichbaren und/oder aussagefähigen Ansprechpartner<br />

des Unternehmens genannt,<br />

• außer einem „automatisierten“ Eingangsbescheid<br />

keine weiteren Informationen oder Zwischenbescheide<br />

– oft über einen längeren Zeitraum hinweg,<br />

• zu komplizierte digitale Bewerbungsabläufe mit<br />

wenig Möglichkeiten, die eigene Individualität<br />

einbringen zu können,<br />

• Aussagen und Informationen über Unternehmen<br />

auf Bewerbungsplattformen, die nicht der Realität<br />

entsprechen,<br />

• Inflexibilität bei der Vereinbarung von Vorstellungsterminen,<br />

• zu lange und schwerfällige Entscheidungsprozesse<br />

innerhalb des Unternehmens,<br />

Personal & Karriere<br />

Bild: wirth + partner<br />

Die Beratungsgruppe wirth +<br />

partner informiert regelmäßig<br />

über Personal und Karriere.<br />

www.wirth-partner.com<br />

Der Autor: Udo Wirth<br />

• Entscheidungsdruck ausüben, weil man auch noch<br />

weitere tolle Bewerber hat,<br />

• wenn man im Vorstellungsgespräch den Eindruck<br />

gewinnt, dass sich der Gesprächspartner noch nicht<br />

mit der Bewerbung konkret befasst hat oder auch<br />

nicht kompetent für den Entscheidungsablauf ist.<br />

Natürlich sind diese Aussagen nicht vollständig. Aber<br />

es sind doch einige wichtige Punkte dabei, die beide<br />

Seiten in dieser schwierigen Arbeitsmarktlage bedenken<br />

sollten – für den gemeinsamen Erfolg.<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 13


» MANAGEMENT<br />

Studie der Hochschule Luzern<br />

Cyber-Risiken sind weit<br />

mehr als IT-Risiken<br />

Cyber-Risiken werden von vielen Organisationen zu wenig ins unternehmensweite<br />

Risikomanagement integriert, zeigt eine Umfrage der Hochschule<br />

Luzern unter Schweizer Unternehmen. Ein risikoorientierter Ansatz etwa<br />

nach ISO 27001/27005 könnte für Abhilfe sorgen, so die Empfehlung.<br />

» Sabine Koll<br />

Ein Verständnis über die<br />

Zusammenhänge und<br />

Abhängigkeiten zwischen<br />

Organisations -<br />

zielen, Organisations -<br />

bereichen, kritischen<br />

Geschäftsprozessen,<br />

kritischen Assets und<br />

der IT ist eine zentrale<br />

Voraussetzung für ein<br />

effektives Cyber Risk<br />

Management.<br />

Bild: hearty/stock.adobe.com<br />

Bei vielen Unternehmen scheint ein zentrales<br />

Fundament zum Managen von Cyber-Risiken<br />

grundsätzlich zu fehlen: Keine der von der Hochschule<br />

Luzern für ihre aktuelle Cyber-Risk-Management-Studie<br />

befragten 18 Schweizer Organisationen<br />

hat explizit definiert, in welchem Ausmaß Cyber-Risiken<br />

bewusst eingegangen werden sollen, um die<br />

Geschäftsziele zu erreichen. „Aus der Sicht des Risikomanagements<br />

ist das vergleichbar mit einem<br />

Schiff, das keinen Kapitän hat“, sagt Professor Stefan<br />

Hunziker, Studienautor und Leiter des Kompetenzzentrums<br />

Risk & Compliance Management an der<br />

Hochschule Luzern.<br />

Offenbar bereitet das Entwickeln von sogenannten<br />

Risikoappetit-Aussagen in der Praxis große Mühe.<br />

Risikoappetit meint die Gesamtheit der Risiken, die<br />

eine Organisation jederzeit bereit ist einzugehen, um<br />

ihre Organisationsziele zu verfolgen. Bezogen auf<br />

Cyber-Risiken bedeutet dies, dass das Aufsichtsorgan<br />

explizite Aussagen zum akzeptierbaren Risikoumfang<br />

hinsichtlich Cyber-Risiken trifft.<br />

Die Studie, für die 33 Interviews mit Risk-Management-Verantwortlichen<br />

und Chief Information Security<br />

Officers (CISO) in 18 größeren Schweizer Unternehmen<br />

aus unterschiedlichen Branchen geführt<br />

wurden, zeigt: Im Umgang mit Cyber-Risiken<br />

herrscht eine Lücke zwischen der technischen IT-Infrastruktur-Ebene<br />

und der organisatorischen Ebene.<br />

„Cyber-Risiken werden noch zu stark als reines IT-<br />

Thema verstanden. Entsprechend werden sie dezen-<br />

14 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


tral und operativ gesteuert und zu wenig in das unternehmensweite<br />

Risk Management integriert“, so<br />

Hunziker. Hier ist eine Diskrepanz der Relevanz des<br />

Risikos (Awareness) und der Risk Governance feststellbar.<br />

„Dieser Umstand verhindert einen konsistenten<br />

Vergleich – und damit auch eine sinnvolle Priorisierung<br />

– von Cyber-Risiken und anderen Risikokategorien<br />

auf oberster Führungsebene“, sagt der Experte.<br />

CISO und Risk Manager müssen<br />

enger zusammenarbeiten<br />

Als ersten Schritt in die richtige Richtung empfiehlt<br />

er, die Zusammenarbeit zwischen Chief Information<br />

Security Officer (CISO) und Risk Manager zu fördern.<br />

„Denn hier wird primär die Brücke zwischen der<br />

technischen Cybersicherheit und dem betriebswirtschaftlichen<br />

Risk Management geschlagen“, so Hunziker.<br />

In kleineren Organisationen halten es die Autoren<br />

der Studie für grundsätzlich problematisch, dass<br />

die Verantwortung über Cyber Risiken „extern vergeben“<br />

wird, das heißt auf externe Audits und Dienstleister<br />

verwiesen wird. „Cyber Risiken müssen methodisch<br />

so beurteilt und beschrieben werden, dass<br />

sie anschlussfähig an das Enterprise Risk Management<br />

(ERM) sind. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung,<br />

dass der Cyber-Risk-Management‐Prozess eng<br />

mit dem ERM verzahnt ist. Die Bedeutung des CISOs<br />

in der Schnittstelle Cyber-Risiken und ERM ist absolut<br />

zentral und muss in der Praxis stärker verankert<br />

werden“, mahnt Hunziker.<br />

Risiko‐ versus<br />

kontrollorientierter Ansatz<br />

Um Cyber-Risiken besser in das Risikomanagement<br />

zu integrieren, empfehlen die Autoren Organisationen<br />

einen risikoorientierten Ansatz zum Beispiel<br />

nach ISO 27001/27005 zu verfolgen. Da es sich um<br />

einen Top-Down‐Ansatz handelt, sind sie in der Lage,<br />

explizite Bezüge zu den Geschäftsrisiken herzustellen<br />

– eine Voraussetzung, um Cyber-Risiken via Szenarioanalysen<br />

ins ERM zu überführen. Im Gegensatz<br />

dazu greife ein kontrollbasierter Ansatz zu kurz – also<br />

ein Grundschutzansatz etwa nach dem Bundesamt<br />

für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).<br />

Die beiden Ansätze unterscheiden sich in der Art<br />

und Weise wie die Maßnahmen zum Schutz vor Cyber-Risiken<br />

ermittelt werden. Beim kontrollbasierten<br />

Ansatz werden Maßnahmen aus einem vorgegebenen<br />

Maßnahmenkatalog – also zum Beispiel dem<br />

IT‐Grundschutz‐Kompendium des BSI – ausgewählt.<br />

Die Auswahl orientiert sich an der zu schützenden<br />

Systemlandschaft: Fileserver, Webserver, Virtualisierungsumgebungen,<br />

Client‐Computer, mobile Geräte<br />

etc.. Die implementierten Maßnahmen haben somit<br />

keinen direkten Bezug zur Risikosituation, der eine<br />

Organisation gegenübersteht. Dies führt dazu, dass<br />

es in bestimmten Bereichen zu einem „Über‐Schutz“<br />

(zu viele Maßnahmen) und in anderen Bereichen zu<br />

einem „Unter‐Schutz“ (zu wenige Maßnahmen)<br />

kommen kann. Der risikoorientierte Ansatz setzt genau<br />

an diesem Punkt an. Er geht von den Risiken aus,<br />

mit denen eine Organisation und damit ihre IT‐Landschaft<br />

konfrontiert ist und leitet davon die notwendigen<br />

Maßnahmen ab, um die Risiken auf das akzeptierte<br />

Niveau zu senken.<br />

In der Studie geben acht Organisationen an, dass<br />

sie einen risikoorientierten Ansatz verfolgen. Zwei<br />

Organisationen verfolgen einen kontrollbasierten<br />

Ansatz. Eine dieser beiden Organisationen ist von einem<br />

anfänglich risikoorientierten Ansatz mit dem<br />

Wachstum der Unternehmung zu einem kontrollbasierten<br />

Ansatz übergegangen. Grundsätzlich sind<br />

Zertifizierungen in beiden „Welten“ möglich: entweder<br />

als klassische ISO-27001‐Zertifizierung beim risikoorientierten<br />

Ansatz oder als „ISO-27001-Zertifizierung<br />

auf der Basis von IT‐Grundschutz“ beim kontrollbasierten<br />

Ansatz.<br />

Hunziker: „Organisationen, die den Weg eines risikoorientierten<br />

Ansatzes gehen, erreichen in der Regel<br />

ein effektiveres und mit den Organisationszielen abgestimmtes<br />

Cyber Risk Management.“<br />

Eine gemeinsame Sprache fehlt<br />

Bei der Abstimmung des Cyber Risk Management<br />

mit den Prozessen des Enterprise Risk Management<br />

(ERM) gibt es laut der Studie allerdings noch Herausforderungen:<br />

So existiert grundsätzlich keine kompatible<br />

Sprache beziehungsweise Terminologie zwischen<br />

Cyber Risk Management und ERM. Das heißt,<br />

CISO und Risk Manager „verstehen“ sich oft nicht.<br />

Auch sind Abhängigkeitsanalysen zwischen Cyber<br />

Risiken und anderen Risiken zu wenig vorhanden. So<br />

hat zum Beispiel die Pandemie Cyber-Risiken verursacht,<br />

welche wiederum ökonomische Folgen haben.<br />

Außerdem, so die Autoren, folge die Bewertung der<br />

Cyber-Risiken einer anderen methodischen Vorgehensweise<br />

als bei anderen Risikokategorien: „Sie<br />

sind oft nicht quantifiziert, berücksichtigen nur das<br />

negative Risiko, weisen eine schwache Datengrundlage<br />

auf, sind hochdynamisch und lassen sich kaum<br />

über Erwartungswerte sinnvoll bewerten.“<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 15


» MANAGEMENT<br />

Eine Phishing-Attacke ist nur eine<br />

der vielfältigen Gefahren, die in der<br />

Online-Welt drohen.<br />

Bild: julia prykina/stock.adobe.com<br />

Eine Redaktion – zwei Meinungen<br />

Nervig oder nützlich?<br />

Cyber-Risiken betreffen nicht nur Unternehmen, sondern auch Privatnutzer.<br />

Doch welche Bedeutung haben Security-Lösungen im täglichen digitalen<br />

Leben? Die Redaktion von <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> hat dazu unterschiedliche<br />

Meinungen.<br />

Bild: Studioline Photography<br />

Sabine Koll, Redaktion<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong>,<br />

geht eher lässig mit<br />

der IT-Security um.<br />

Das Leben ist einfach gefährlich<br />

– in allen seinen<br />

Facetten. Also das reale Leben<br />

genauso wie das virtuelle. In<br />

beiden Bereichen lauern ständig<br />

Gefahren und in beiden<br />

Bereichen gehe ich mit ihnen<br />

eher lässig um. Sprich: Ich<br />

nutze Apple-Produkte ohne<br />

besondere Security-Software.<br />

Ein IT-Security-Experte sagte<br />

mal zu mir im Interview leicht<br />

verächtlich: „Das ist in etwa<br />

so, als wenn Sie Ihre Haustür weit offen stehen lassen<br />

würden.“ Ja, mir ist ein Open House tatsächlich<br />

lieber als ein Hochsicherheitstrakt, in den ich nur mit<br />

Drölfzig-Fakoren-Authentifizierung reinkomme.<br />

Mein Mann hat in unserem Haushalt die Rolle des Sicherheitsbeauftragten.<br />

Die Gene seines Vaters; der<br />

hat schon mal ein Vogelhaus abgeschlossen, damit<br />

Nachbars Katze nicht reinkommt. Nun ja, mein Mann<br />

hat meinem Macbook Antiviren- und anderweitige<br />

Security-Software aufgezwungen – und ich sitze jedes<br />

Mal davor und fluche, weil ich eine halbe Ewigkeit<br />

warten muss, bis die ihre Arbeit getan haben.<br />

Im März wurde ich von einer<br />

Nachricht böse aufgeschreckt:<br />

Das BSI warnte vor<br />

dem Einsatz der Virenschutz-<br />

Software von Kaspersky – wegen<br />

des russischen Hintergrunds<br />

des Herstellers. Das<br />

warf bei mir vor allem die Frage<br />

auf: Wie viel Aufwand bedeutet<br />

es, meinen Passwort-<br />

Manager, den ich neben den<br />

sonstigen Sicherheits-Tools<br />

Markus Strehlitz,<br />

Redaktion <strong>Quality</strong><br />

<strong>Engineering</strong>, hängt an<br />

Passwort-Manager.<br />

von Kaspersky nutze, zu einem<br />

anderen Anbieter zu migrieren? Ich habe nicht die<br />

geringste Ahnung, wie ich die riesige Menge an Accounts<br />

mit entsprechenden Passwörtern ohne ein geeignetes<br />

Tool im Griff behalten sollte. Ich würde sogar<br />

so weit gehen zu sagen: Ich möchte mir mein Leben<br />

ohne einen Passwort-Manager nicht mehr vorstellen.<br />

Es kommt mir auch fast wie Verrat vor, jemanden<br />

zu verlassen, der mir bisher so gute Dienste<br />

geleistet hat. Ich werde wohl Zeit brauchen, um<br />

nachzudenken – über Trennungen im Allgemeinen,<br />

das Risiko russischer Hackerangriffe und die Aufgabe,<br />

mir circa 300 Passwörter im Kopf zu merken.<br />

Bild: Tom Oettle<br />

16 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


Produktbeobachtung<br />

Nützliches Werkzeug<br />

Produktbeobachtung ist nicht nur Pflicht, sondern auch<br />

wichtig für die Weiterentwicklung. Doch selbst in der<br />

Autoindustrie wird diese oft vernachlässigt. Das ist ein<br />

Fehler – aus verschiedenen Gründen.<br />

Die Produktbeobachtung – also das Erkennen<br />

und Bewerten der Produktperformanz im Feld<br />

mit Fokus auf eine unbekannte Gefährlichkeit – ist<br />

nicht nur eine wesentliche Stütze bei der klassischen<br />

Produktweiterentwicklung, sondern auch schlicht<br />

gesetzliche Verpflichtung eines jeden als „Hersteller“<br />

beziehungsweise „Inverkehrbringer“ zu qualifizierenden<br />

oder diesen gleichzusetzenden Wirtschaftsakteurs.<br />

Die Produktbeobachtung kann aktiv wie passiv<br />

stattfinden und sollte, nicht zuletzt zu Nachweiszwecken,<br />

stets gut dokumentiert werden.<br />

Vor diesem Hintergrund sollte man davon ausgehen<br />

dürfen, dass bei nahezu allen produzierenden<br />

und/oder Produkten in Verkehr gebenden Unternehmen<br />

stets ausreichende Datensätze vorliegen, um etwaige<br />

Auffälligkeiten – auch im Bereich „normaler“,<br />

das heißt nicht sicherheitskritischer Ausfälle – im<br />

Feldeinsatz bewerten und interpretieren zu können.<br />

Doch selbst im Bereich der Automobilzulieferindustrie,<br />

die hinsichtlich der Produktrückverfolgbarkeit<br />

und Beobachtung der Fahrzeuge und deren Bauteilen<br />

sehr erfahren und geschickt ist, kommt es durchaus<br />

häufig vor, dass Lieferanten – also Hersteller von<br />

Bauteilen und deren Komponenten – kaum bis gar<br />

keine Produktbeobachtung betreiben und nur in kritischen<br />

Fällen die von den eigenen Kunden (OEM) zur<br />

Verfügung gestellten Daten selten archivieren, geschweige<br />

denn bewerten und interpretieren. Das ist<br />

ein Fehler – aus diversen Gründen.<br />

Folgen für Versicherungsschutz<br />

Zum einen stellt dies einen klaren Verstoß gegen gesetzliche<br />

Verpflichtungen dar, nicht zuletzt als Teil<br />

der sogenannten Sorgfaltspflichten nach § 823 Abs.<br />

1 BGB. Die Folgen hiervon sind komplex, im Ergebnis<br />

wird damit schlicht die Grundlage für die Haftung<br />

gegenüber geschädigten Dritten, dem eigenen Kunden<br />

und auch den Marktaufsichtsbehörden gegenüber<br />

gelegt. Darüber hinaus kann dies auch negative<br />

Auswirkungen auf den eigenen Versicherungsschutz<br />

haben. Zum anderen führt dieses „Wegschauen“ und<br />

„Nicht-Hinterfragen“ aber auch und vor allem deutlich<br />

häufiger als die erstgenannten Fälle dazu, dass<br />

Haftungsansprüchen des Kunden aus dem klassischen<br />

Gewährleistungsbereich nicht begegnet werden<br />

kann.<br />

In der Beratung des Handlings großvolumiger<br />

Schadensfälle erkennt man häufig, dass einfachste<br />

Zusammenhänge oder Widersprüche in den Datensätzen<br />

schon sehr früh zu Nachfragen beim Kunden<br />

oder der eigenen Entwicklung<br />

oder Fertigung hätten<br />

erfolgen können. Oftmals<br />

fällt nämlich schon<br />

früh auf, dass bei außerdienstlichen<br />

Ausfällen Besonderheiten<br />

zu vermerken<br />

sind: bestimmte Produktions-<br />

oder Lieferdaten,<br />

besondere Einsatzbedingungen,<br />

Häufungen<br />

von Ausfällen in einzelnen<br />

geografischen Zonen, die<br />

zudem Besonderheiten im<br />

Klima oder auch im Nutzerverhalten<br />

zeigen. All<br />

dies sind Punkte, die gegen<br />

einen Designfehler<br />

oder auch für einen Anwenderfehler<br />

oder für unzureichende<br />

Kundenvorgaben<br />

sprechen können.<br />

Solche Positionen helfen<br />

aber, einen „Anfangsverdacht“ hinsichtlich der Mangelhaftigkeit<br />

der eigenen Produkte zu erschüttern<br />

und den eigenen Kunden dazu zu bringen, die bisher<br />

an den Tag gelegte Argumentation und Forderung zu<br />

hinterfragen.<br />

Klar ist, dass Produktbeobachtung auch stets Aufwand<br />

bedeutet. Dennoch scheint es meist so, dass es<br />

häufig nur anfänglicher Aufwand ist, bis durchdachte<br />

Systeme aufgesetzt wurden, die diese Daten sammeln<br />

und gar bestenfalls eigenständig auswerten.<br />

Dafür benötigt man nicht zwingend Künstliche Intelligenz,<br />

einfache Tabellenfilterfunktionen können hier<br />

schon Interessantes zutage bringen.<br />

Alles was Recht ist<br />

Daniel Wuhrmann<br />

von Reusch Rechtsanwälte<br />

liefert regelmäßige Beiträge<br />

zu rechtlichen Themen.<br />

www.reuschlaw.de<br />

Bild: Reusch Rechtsanwälte<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 17


IM FOKUS » Smarte Fabrik<br />

Auf Basis von OPC UA entstehen derzeit viele<br />

Spezifikationen, welche die Informationen<br />

innerhalb einer Domäne beschreiben.<br />

Bild: Funtap/stock.adobe.com<br />

OPC-UA-Spezifikation<br />

Messtechnik ohne<br />

Sprachbarrieren<br />

Die Fabrik der Zukunft braucht einen einheitliche Standard, um alle<br />

Informationen problemlos austauschen zu können. Als wichtiger<br />

Datenlieferant muss auch die Messtechnik diesen beherrschen. Mit<br />

der OPC UA Companion Specification für geometrische Messsysteme<br />

hat der VDMA dafür einen ersten Entwurf bereit gestellt, der auf der<br />

Control zu begutachten war. Experten sind sich einig: Dies ist ein<br />

wichtiger Schritt für die Interoperabilität.<br />

» Markus Strehlitz<br />

18 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


Die smarte Fabrik braucht Daten. Diese sind die<br />

Grundlage für alle Szenarien, die mit der Digitalisierung<br />

der Fertigungsumgebung verbunden sind.<br />

Maschinen und Anlagen müssen Informationen austauschen<br />

– untereinander und mit übergeordneten<br />

IT-Systemen.<br />

Doch bisher ist es ein mühsames Unterfangen, diesen<br />

Datenaustausch zu ermöglichen. Proprietäre<br />

Schnittstellen und unterschiedlichen Datenprotokolle<br />

behindern die Kommunikation. Die Schnittstellen-<br />

Programmierung in diesem heterogenen Umfeld ist<br />

aufwändig, sie kostet Zeit und Geld. Die Folge: Viele<br />

Digitalisierungsprojekte scheitern.<br />

Es braucht eine einheitliche Sprache für die smarte<br />

Fabrik. Und die scheint mit OPC UA gefunden. Viele<br />

Experten setzen große Hoffnungen darauf, dass der<br />

Standard für die nötige Interoperabilität sorgt. Auf<br />

Basis von OPC UA entstehen daher zur Zeit viele Spezifikationen.<br />

Diese beschreiben die Informationen innerhalb<br />

einer Domäne. Sie leisten quasi die Übersetzungsarbeit,<br />

damit die Maschinen sich verstehen.<br />

Ein wichtiger Datenlieferant in der intelligenten<br />

Fabrik ist die Messtechnik. Für sie braucht es daher<br />

ebenfalls eine entsprechende Spezifikation. Um diese<br />

kümmert sich ein Arbeitskreis des VDMA in enger<br />

Abstimmung mit der OPC UA Foundation. Beteiligt<br />

sind die Technik-Anbieter Hexagon, Jenoptik, Mahr,<br />

Marposs, Mitutoyo, OGP, Wenzel und Zeiss IQS.<br />

Ergebnis ist die OPC UA Companion Specification<br />

for Geometric Measurement Systems, für die jetzt<br />

ein erster Entwurf vorliegt. „Ziel ist die Bereitstellung<br />

von Informationen für den Datentransfer von und zu<br />

geometrischen Messsystemen über eine einheitliche<br />

Schnittstelle, die von MES-Systemen oder anderen<br />

Datenverwaltungssystemen genutzt werden kann“,<br />

heißt es in einer Pressemeldung.<br />

Dashboard zeigt das Potenzial<br />

Auf der Messe Control konnte am VDMA-Stand sowie<br />

an denen der involvierten Aussteller ein Dashboard<br />

begutachtet werden. Dieses zeigt, was mithilfe<br />

der OPC UA Companion Specification für die Messtechnik<br />

künftig möglich sein wird. Auf dem Dashboard<br />

werden Informationen zur jeweiligen Messmaschine<br />

dargestellt, die diese per OPC UA übermittelt.<br />

Dazu zählen zum Beispiel Informationen zu Hersteller<br />

und installierter Software-Version, zum aktuellen<br />

Betrieb der Maschine und zu den Messergebnissen<br />

oder auch Kalibrierinformationen.<br />

„Wir haben in der Spezifikation darauf geachtet,<br />

dass wir einen verpflichtenden Minimal-Umfang definieren“,<br />

erklärt Karl-Dietrich Imkamp, Head of Metrological<br />

Qualification bei Zeiss IQS und Vorsitzender<br />

der OPC UA Arbeitsgruppe Geometrische Messsysteme<br />

beim VDMA. „Dieser liefert wesentliche statische<br />

– zum Beispiel Typ – und dynamische Maschinendaten<br />

– wie etwa Status.“<br />

Das Dashboard, das auf der Control zu sehen war,<br />

ist lediglich ein Demonstrator. Es handelt sich dabei<br />

um eine Erweiterung des Umati-Dashboards für geometrische<br />

Messsysteme. Umati (universal machine<br />

technology interface) ist eine Community des Maschinen-<br />

und Anlagenbaus sowie seiner Kunden zur<br />

Verbreitung und Nutzung offener Schnittstellenstandards<br />

auf Basis von OPC UA.<br />

Das heißt, das Dashboard soll potenziellen Nutzern<br />

einen Eindruck vermitteln, welche Daten über die<br />

OPC-UA-Spezifikation zur Verfügung gestellt werden<br />

Integration von geometrischen Messsystemen in Smart Factories mit<br />

OPC UA<br />

Bild: VDMA Mess- und Prüftechnik<br />

Vertikale Integration<br />

Betriebsleitebene<br />

Prozessleitebene<br />

…<br />

Horizontale Integration<br />

Unternehmensexterne<br />

Kommunikation<br />

Produktionsplanung<br />

Entwicklung,<br />

Konstruktion<br />

1 Systemzustand statisch<br />

2 Systemzustand dynamisch<br />

Unternehmen<br />

Arbeitsvorbereitung<br />

Prüfplanung<br />

3 Job Management<br />

4 Teiledaten Management<br />

Fertigung<br />

Erfassung<br />

Auswertung<br />

<br />

Integration von geometrischen Messsystemen in eine smarte Fabrik mithilfe von OPC UA.<br />

5 Messergebnisübertragung<br />

(Closed Loop)<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 19


IM FOKUS » Smarte Fabrik<br />

Heiko Wenzel-Schinzer<br />

sieht die Spezifikation<br />

als Fortschritt. Denn<br />

bisher habe jeder Hersteller<br />

seine eigenen<br />

Tools bauen müssen.<br />

können. Auch wenn es sich dabei nur um einen Teil<br />

der Daten handelt, wird das Potenzial von OPC UA als<br />

Standard für die Industrie 4.0 klar.<br />

Imkamp nennt ein relativ einfaches Einsatzszenario,<br />

um die Möglichkeiten zu verdeutlichen. „Zu den<br />

Daten, die bereit gestellt werden können, zählt auch<br />

der Messbereich eines Koordinatenmesssystems“, so<br />

Imkamp. „Wenn ein Anwender nun eine Messaufgabe<br />

mit einer Messlänge von<br />

beispielsweise einem Meter<br />

hat, dann kann er sich eine<br />

Liste mit allen verfügbaren<br />

Systemen anzeigen lassen<br />

und diese nach dem benötigten<br />

Messbereich filtern.“<br />

Auf einem Roundtable<br />

von <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> im<br />

Vorfeld der Control stellte<br />

Frank Herr, Director Application<br />

Technology & Support EMEA bei Hexagon, einen<br />

weiteren Use Case vor – und zwar im Asset Management.<br />

Dabei gehe es darum, den Status eines<br />

Systems zu sehen und zum Beispiel Kalibrier-Zeiträume<br />

zu überwachen. „Denn die Fachleute für die<br />

Messtechnik sitzen ja weiterhin in den Messräumen,<br />

in der Qualitätssicherung“, so Herr. „Wenn jetzt aber<br />

die einzelnen Geräte zunehmend in der Fertigung<br />

verteilt stehen, müssen diese auch in irgendeiner<br />

Form überwacht werden.“ Daher sei es eine deutliche<br />

Vereinfachung, wenn die Messtechniker den Zustand<br />

ihres Assets auf einem Dashboard sehen können.<br />

Bild: Ulrich Pfeiffer<br />

» Ich gehe davon aus,<br />

dass man als Hersteller<br />

nicht daran vorbeikommen<br />

wird, diesen Standard zu<br />

unterstützen.«<br />

Karl-Dietrich Imkamp<br />

Auch andere Experten begrüßen die Spezifikation.<br />

„Die Definition der Companion Specification ist ein<br />

wichtiger Schritt für die Interoperabilität in der Fabrik<br />

der Zukunft“, sagt etwa Sebastian Friedl vom Institut<br />

für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen<br />

und Fertigungseinrichtungen der Uni Stuttgart.<br />

Er ist Editor der Spezifikation und besonders darüber<br />

erfreut, dass der Entwurf kompatibel mit der Companion<br />

Specification für Machine Tools ist.<br />

„Das Ergebnis am Ende wird sein, dass jede Messmaschine<br />

über das gleiche Protokoll auf diesem<br />

Dashboard veröffentlichen kann – egal von welchem<br />

Hersteller sie kommt“, sagt Professor Heiko Wenzel-<br />

Schinzer, Geschäftsführer und Chief Digital Officer<br />

von Wenzel. Dann ließen sich aus verschiedenen Maschinen<br />

die gleichen Informationen zusammenbringen<br />

und visualisieren. „Das ist ein großer Fortschritt.<br />

Denn bisher hat jeder Hersteller dafür seine eigenen<br />

Tools gebastelt.“<br />

Closed Loop ist kein Selbstläufer<br />

Imkamp stimmt in den positiven Tenor mit ein. Die<br />

OPC UA Companion Specification für geometrische<br />

Messsysteme eröffne viele Möglichkeiten. „Daher gehe<br />

ich davon aus, dass man als Hersteller nicht daran<br />

vorbeikommen wird, diesen Standard zu unterstützen“,<br />

sagt der Experte.<br />

Ein Feld, auf dem sich viele einen positiven Effekt<br />

durch die Spezifikation erwarten, ist der Closed Loop<br />

- also das Rückspielen von Informationen aus der<br />

Messtechnik in den Fertigungsprozess und einer damit<br />

verbunden Anpassung<br />

der Werkzeugmaschine. Die<br />

OPC UA Companion Specification<br />

wird die Entwicklung<br />

des Closed Loops sicherlich<br />

weiter vorantreiben.<br />

Schließlich gehört dafür<br />

die Kommunikationsfähigkeit<br />

zwischen den Maschinen<br />

zur grundlegenden<br />

Voraussetzung.<br />

Doch der Closed Loop wird damit nicht zum<br />

Selbstläufer. „Ich habe immer wieder erlebt, dass es<br />

eine große Erwartungshaltung gibt“, so Imkamp.<br />

Aber es gibt noch Hürden zu überwinden. Dazu zähle<br />

zum Beispiel die Frage: Wie rechnet man eine festgestellte<br />

Messabweichung in einen Korrekturwert bei<br />

der Werkzeugmaschine um? Diese Umrechnung liege<br />

in der Verantwortung des Werkzeugmaschinenbetreibers.<br />

„Solche Fragen werden nicht automatisch<br />

von einem Standard beantwortet“, sagt Imkamp.<br />

„Dafür braucht es die Bereitschaft zur Zusammenarbeit<br />

zwischen alle Beteiligten“, sagt Imkamp.<br />

20 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


I Q M<br />

T O O L S<br />

Bild: Zeiss<br />

Der Weg zur smarten Fabrik ist also noch lange<br />

nicht zu Ende. Und auch für die OPC UA Companion<br />

Specification for Geometric Measurement Systems<br />

geht es weiter. Imkamp ist zuversichtlich, dass bis<br />

spätestens Herbst der endgültige Standard definiert<br />

ist.<br />

Die Entwicklungsarbeit rund um den OPC-UA-<br />

Standard ist dann aber noch lange nicht beendet.<br />

„Gerade was die Companion Specifications betrifft,<br />

gibt es noch einiges zu tun – zum Beispiel wenn es<br />

um Themen geht wie Job-Management und Teile-<br />

Management“, berichtet Imkamp. Die aktuelle Vorgehensweise<br />

soll dabei fortgesetzt werden: „Wir<br />

werden uns weiterhin an den Strukturen der Werkzeugmaschinen<br />

orientieren.“ So stehen die Chancen<br />

also gut, dass in der modernen Fabrik künftig in einer<br />

gemeinsamen Sprache gesprochen wird.<br />

Bild: Zeiss<br />

Laut Karl-Dietrich Imkamp<br />

gibt es bezüglich<br />

der Companion Specifications<br />

noch einiges<br />

zu tun – zum Beispiel<br />

wenn es um Themen<br />

geht wie Job-Management<br />

und Teile-Management.<br />

Per OPC UA werden statische und dynamische<br />

Informationen der jeweiligen<br />

Messmaschine übermittelt.<br />

Überblick<br />

Auf einer speziellen Website<br />

gibt der VDW einen<br />

einen Blick auf das<br />

Dashboard zur OPC UA<br />

Companion Specification<br />

für die geometrische<br />

Messtechnik. Auf einer<br />

Karte können konkrete<br />

Maschinen der Hersteller<br />

mit ihren entsprechenden<br />

Informationen angeklickt<br />

werden:<br />

www.umati.app<br />

Fließtext std<br />

23 1Bild:<br />

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9<br />

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Nächste<br />

Überprüfung<br />

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8<br />

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2<br />

4<br />

3<br />

5<br />

4


IM FOKUS » Smarte Fabrik<br />

Bosch realisiert in der Lenkmutterfertigung den Closed Loop<br />

Messraum und Fertigung<br />

eng miteinander verzahnt<br />

Seit zwei Jahren werden bei Robert Bosch Automotive Steering in Schwäbisch<br />

Gmünd die Messdaten der Messmaschinen von der Reporting- und<br />

Statistiksoftware Piweb an die Lenkmutterfertigung übermittelt. In Kürze<br />

landen die Korrekturwerte sogar direkt in den neun Bearbeitungszentren.<br />

Mit Hilfe der Software<br />

Piweb erkennen die<br />

Werker bei Bosch<br />

Trends in der Lenkmutterfertigung<br />

– und können<br />

gegensteuern. Bald<br />

soll sich das Bearbeitungszentrum<br />

dann<br />

mithilfe der Messwerte<br />

selbst korrigieren.<br />

Bild: Zeiss<br />

Syra Thiel<br />

Storymaker<br />

im Auftrag von<br />

Zeiss<br />

www.zeiss.de/imt<br />

Lange reifte bei den Fertigungsplanern von Robert<br />

Bosch Automotive Steering, Andreas Tisljar<br />

und Sebastian Schniepp, die Idee, den 35 Maschinenbedienern<br />

in der Lenkmutterfertigung in Schwäbisch<br />

Gmünd den Umgang beziehungsweise<br />

die Nutzung der Messdaten zu erleichtern.<br />

Denn auch wenn sich in der<br />

Fertigung einiges verändert hatte, „wie<br />

wir die Messprotokolle gehandhabt haben,<br />

das war die vergangenen 15 Jahre<br />

mehr oder weniger gleich“, so Schniepp.<br />

Das größte Problem für den Fertigungsplaner:<br />

Ein Messprotokoll dokumentiert<br />

immer nur den Moment. Wollten Werker einen Trend<br />

erkennen, dann mussten sie in der Lenkmutterfertigung<br />

die letzten Protokolle aus dem Ordner nehmen<br />

und Seite für Seite den Wert vergleichen. „Unmöglich,<br />

das im Tagesgeschäft zu realisieren“, ergänzt<br />

Tisljar.<br />

Angesichts von einzuhaltenden Toleranzen, die<br />

mitunter im „Größenbereich eines Ebola-Virus“ liegen,<br />

wie es Daniel Hübscher, Mitarbeiter in der Abteilung<br />

Technologieentwicklung von Bosch gern visualisiert,<br />

hing die Stabilität der Prozesse in Schwäbisch<br />

Gmünd deshalb stark von der Erfahrung beziehungsweise<br />

von der Tagesform der Werker ab. Als die<br />

22 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


Abteilung durch die Bemühung von Tisljar und<br />

Schniepp 2018 dann die Voraussetzungen schuf, um<br />

die Messprotokolle als pdf-Files auf einen Rechner<br />

an den Bearbeitungszentren zu spielen, „hatten wir<br />

bereits eine andere Lösung im Kopf“, so Schniepp.<br />

Denn die Umstellung senkte zwar den jährlichen Papierverbrauch<br />

der Abteilung um 6.400 kg und reduzierte<br />

damit den CO 2<br />

Ausstoß um 5.330 kg pro Jahr.<br />

Aber sie lieferte den Werkern keine zusätzlichen Informationen.<br />

Auswertung und grafische<br />

Darstellung für die Werker<br />

Tisljar und Schniepp wollten eine Lösung, die den<br />

Werkern eine Auswertung sowie eine grafische Darstellung<br />

der Messwerte erlaubte. Sie prüften deshalb<br />

mehrere Statistiklösungen. „Das, was wir wollten,<br />

ließ sich nur mit Piweb von Zeiss umsetzen“, erinnert<br />

sich Schniepp. Um die Geschäftsführung von einem<br />

Investment in die Software zu überzeugen, hinterlegten<br />

die Fertigungsplaner ihre Vision mit konkreten<br />

Zahlen zu den erwarteten Einsparungen beziehungsweise<br />

Vorteilen. Sie prognostizierten, dass sich die<br />

Auslastung der Anlagen um mindestens 1 % erhöhen<br />

würde. „Wie sich mittlerweile zeigt, haben wir hier<br />

tiefgestapelt“, freut sich Schniepp. „Zwar wurde kein<br />

Projekt aufgesetzt, um konkrete Zahlen zu gewinnen,<br />

aber wir sehen eine höhere Auslastung der Anlagen<br />

und weniger Ausschuss“, so Tisljar. „Die Produktion<br />

läuft ruhiger, der Fertigungsprozess ist insbesondere<br />

Über Robert Bosch<br />

Automotive Steering<br />

Robert Bosch Automotive Steering zählt zu den führenden<br />

Herstellern von Lenksystemen. Der Standort<br />

Schwäbisch Gmünd umfasst das Werk und die Zentrale<br />

des Geschäftsbereichs Automotive Steering.<br />

Dort arbeiten rund 4.300 Mitarbeiter. Gefertigt werden<br />

Fahrzeugkomponenten für Pkw und Nutzfahrzeuge.<br />

Neben der Elektrolenkung Servolectric für<br />

Pkw wird die RB-Servocom, eine kompakte Kugelmutter-Hydrolenkung<br />

für Lkw und Omnibusse, in<br />

Schwäbisch Gmünd hergestellt.<br />

bei unerfahrenen Werkern stabiler geworden“, ergänzt<br />

Schniepp.<br />

Nach einem dreitätigen Workshop zum Leistungsumfang<br />

der Software, fing die Arbeit für die Produktionsplaner<br />

dann richtig an. „Denn so vielversprechend<br />

die angedachte Verzahnung zwischen Koordinatenmessgeräten,<br />

Piweb und den Fertigungszentren<br />

auch ist, sie ist nur mit Daten möglich, die konsistent<br />

sind und sich eindeutig zuordnen lassen“, so Tisljar.<br />

Deshalb standen 2020 alle 90 Messprogramme, mit<br />

denen 20 bis 35 Merkmale der einzelnen Lenkmut-<br />

Bild: Zeiss<br />

Sebastian Schniepp<br />

(links), Fertigungsplaner<br />

bei Robert Bosch<br />

Automotive Steering,<br />

im Gespräch mit Daniel<br />

Hübscher von der<br />

Abteilung Technologieentwicklung<br />

bei Bosch.<br />

Gemeinsam arbeiteten<br />

sie daran, die Fertigung<br />

mit dem Messraum zu<br />

verzahnen.<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 23


IM FOKUS » Smarte Fabrik<br />

Auf einem Bildschirm<br />

werden den Werkern die<br />

Piweb Reports und Korrekturwerte<br />

dargestellt.<br />

Ob sie die Korrekturen 1:1<br />

in ihre Fertigungsmaschinen<br />

übertragen, entscheiden<br />

die Werker.<br />

Bild: Zeiss<br />

tertypen kontrolliert werden, auf dem Prüfstand. Eine<br />

Aufgabe, die Daniel Hübscher von der Abteilung<br />

Technologieentwicklung bei Bosch in Schwäbisch<br />

Gmünd übernahm. Er standardisierte und parametrisierte<br />

die Programme. Da ihm schnell klar war, dass<br />

es nicht damit getan war, die Verwendung von Unterstrichen<br />

oder Doppelpunkten<br />

zu vereinheitlichen, suchte er von<br />

Anfang an den Dialog mit den<br />

Mitarbeitern an der Maschine.<br />

„Neu ist immer schwierig, aber<br />

wenn man sich der Diskussion<br />

stellt, dann kommt man ans Ziel“,<br />

so Hübscher. Dass sich seine Arbeit<br />

auszahlte, steht für alle Beteiligten<br />

außer Frage. Zum einen<br />

könnte die Abteilung jetzt innerhalb<br />

kürzester Zeit und ohne großen<br />

Aufwand betreiben zu müssen,<br />

das 91ste oder 200ste Messprogramm erstellen.<br />

Und zum anderen verkürzte die mit der Standardisierung<br />

verbundene Bereinigung der Messprogramme<br />

die Messzeit der Lenkmuttern.<br />

Werker erhalten genau die<br />

Reports, die sie benötigen<br />

Gearbeitet wird mit Piweb-Reports in der Abteilung<br />

bereits seit 2020. Den Experten bei Bosch war dabei<br />

das Thema Standardisierung wichtig. Deshalb suchten<br />

sie den Dialog mit den Maschinenbedienern, um<br />

»Die Produktion<br />

läuft ruhiger, der<br />

Fertigungsprozess<br />

ist insbesondere<br />

bei unerfahrenen<br />

Werkern stabiler<br />

geworden.«<br />

Sebastian Schniepp, Bosch<br />

sicherzustellen, dass sie genau die Reports erhalten,<br />

die sie für die Steuerung der Maschinen brauchen.<br />

Dafür wurden Filter gesetzt. Der Bediener klickt dafür<br />

den jeweiligen Arbeitsgang, Maschinentyp, Maschine<br />

und die entsprechende Sachnummer an und kommt<br />

dann auf eine Ebene auf der er unter anderem das<br />

Prozess-, das Gesamtprotokoll<br />

oder auch die Prozessübersicht<br />

inklusive Korrekturen auswählen<br />

kann. Die Struktur erlaubt es ihnen,<br />

ganz schnell und einfach<br />

weitere Lenkmuttermodelle oder<br />

Fertigungsmaschinen zu integrieren.<br />

Neben den Reports entwickelte<br />

Schniepp auch die Formel für die<br />

Berechnung der Korrekturwerte<br />

für die Bearbeitungsmaschinen in<br />

Piweb. Diese geben an, um welchen<br />

Wert die Bearbeitung korrigiert werden muss,<br />

um den Soll-Wert zu erhalten. „Durch die Vorgabe<br />

dieser Korrekturwerte nehmen wir den Werkern viel<br />

Arbeit bei der Berechnung dieser ab und reduzieren<br />

so Fehlerquellen – insbesondere dann, wenn mehrere<br />

Bearbeitungsschritte auf ein Messmerkmal einzahlen“,<br />

betont der Fertigungsplaner. Noch erhalten die<br />

Maschinenbediener in Schwäbisch Gmünd diese Korrekturwerte<br />

mit dem Aufruf des entsprechenden Reportings.<br />

Ob sie diese Werte dann 1:1 in die Fertigungsmaschinen<br />

übertragen oder aber angepasst<br />

24 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


werden, das entscheiden die Werker individuell aufgrund<br />

ihrer Erfahrungen.<br />

Bosch und Emag entwickeln eine<br />

gemeinsame Schnittstelle<br />

Und weil bei der händischen Übertragung der Korrekturwerte<br />

in die Maschinensteuerung schnell Fehler<br />

entstehen, sollen in den nächsten Wochen direkt im<br />

Display der Bearbeitungszentren angezeigt werden.<br />

Die Schnittstelle für die Datenübertragung erstellt<br />

Bosch derzeit in Zusammenarbeit<br />

mit<br />

Emag, dem Hersteller<br />

der Fertigungszentren.<br />

Doch auch bei<br />

der automatisierten<br />

Datenübergabe muss<br />

der Bediener per Andreas Tisljar, Bosch<br />

Knopfdruck noch<br />

entscheiden, ob er die Werte übernimmt. Dies ist ein<br />

wichtiger Punkt für die Fertigungsplaner, denn die<br />

Werker haben die Verantwortung für das Bearbeitungsergebnis<br />

und müssen diese behalten. „Wären<br />

sie hier außen vor, dann bestände die Gefahr, dass<br />

Aufgaben wie das Reinigen der Bauteile vor dem<br />

Messen auf der Koordinatenmessmaschine nicht<br />

mehr ganz so ernst genommen werden“, so Schniepp.<br />

Er und Tisljar denken deshalb heute bereits – und<br />

zwar gemeinsam mit KI-Experten von Bosch – darüber<br />

nach, wie der Prozess in Zukunft gestaltet sein<br />

muss. Denn auch bei einer weiteren Verzahnung und<br />

einer stärkeren Einbeziehung von Künstlicher Intelligenz<br />

soll der Werker im Fokus bleiben. Welches Potenzial<br />

die Entwicklung hin zu einem Closed Loop<br />

»Wir sehen eine<br />

höhere Auslastung<br />

der Anlagen und<br />

weniger Ausschuss.«<br />

Übersichtliche Reports<br />

Piweb ist eine Reporting-Software von Zeiss, die<br />

aufwändig gewonnene Messdaten in aussagekräftige<br />

Erkenntnisse übersetzt. Dabei lassen sich<br />

die Messdaten sowohl über Diagramme, statistische<br />

Auswertungen als auch über farbliche Abweichungen<br />

zu den CAD-Modellen visualisieren.<br />

Messdaten verschiedener Bauteile und Messgeräte<br />

können außerdem einfach und schnell in einem<br />

Dokument zusammengefasst werden. Zudem<br />

errechnet Piweb Korrekturwerte, die Werker dabei<br />

unterstützen, die vorgegebenen Soll-Werte zu erreichen.<br />

Durch die Möglichkeit firmenspezifische<br />

Reports zu erstellen, lässt sich der Produktionsprozess<br />

optimal überwachen. Die Software ist<br />

skalierbar und erlaubt Firmen bei der Anwendung<br />

der datenbankgestützten Versionen den<br />

aus Industrie 4.0 resultierenden Informationsfluss<br />

effizient zu organisieren und die Digitalisierung<br />

voranzutreiben.<br />

besitzt, hat sich bei Bosch in Schwäbisch Gmünd bereits<br />

herumgesprochen. „Wir hatten Kollegen von der<br />

Zahnstangenfertigung hier, die sind begeistert und<br />

wollen diesen Weg ebenfalls gehen“, freut sich<br />

Schniepp. Und die Werker? „Das sind echte Schwaben“,<br />

so Hübscher, „nicht geschimpft ist genug gelobt“.<br />

Seit 2020 arbeitet<br />

Bosch in Schwäbisch<br />

Gmünd mit Piweb-<br />

Reports. Über Filter, die<br />

der Bediener anklickt,<br />

erhält er schnell genau<br />

die Daten und Reports,<br />

mit denen er die Maschine<br />

optimal steuert.<br />

Bild: Zeiss<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 25


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26 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022<br />

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SPECIAL<br />

» Kunststoff<br />

Die Digitalisierung ist in der Kunststoffverarbeitung angekommen.<br />

Sie hilft, das Langzeitverhalten von Bauteilen<br />

etwa aus Thermoplasten oder Schäumen vorherzusagen.<br />

Zug- und Druckversuche sind dabei elementar.<br />

Extrusion<br />

Saargummi nutzt Vision-System<br />

zum Messen an und in der<br />

Extrusionslinie<br />

» Seite 28<br />

Thermoplaste<br />

Zugversuche helfen, die<br />

Dauerfestigkeit entsprechender<br />

Bauteile vorherzusagen<br />

» Seite 30<br />

Harte Schäume<br />

Mit Zug- und Druckversuchen<br />

lässt sich ihr Materialverhalten<br />

modellieren<br />

» Seite 32<br />

Bild: Fraunhofer LBF<br />

Elastomere<br />

Freudenberg entwickelt vollautomatisches<br />

visuelles Inspektionssystem<br />

für die eigene Fertigung<br />

» Seite 34<br />

Eine praxisrelevante Methode zur Versagensvorhersage von harten Polymerschäumen<br />

wird am Fraunhofer LBF entwickelt.<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 27


SPECIAL » Kunststoff<br />

Saargummi nutzt kamerabasierte Inline-Inspektionssysteme<br />

Messen im Takt<br />

der Extrusionslinie<br />

Automobilzulieferer Saargummi setzt schon lange auf die Expertise von<br />

Pixargus, um jedes Jahr Millionen von Metern Endlosdichtungen zeitgleich<br />

hinsichtlich Oberfläche und Geometrie in Form des Profilquerschnitts zu<br />

überprüfen. Dies erfolgt in der Extrusionslinie inline mit einer Vision-Lösung.<br />

In den vier Fertigungslinien<br />

im Saargummi-<br />

Werk in Büschfeld sind<br />

die Zwei-in-Eins-Geräte<br />

der Systemreihe Profilcontrol<br />

von Pixargus integriert,<br />

die Oberfläche<br />

und Geometrie zeitgleich<br />

abprüfen können.<br />

Bild: Pixargus<br />

Heike Freimann<br />

Redaktionsbüro AIX<br />

im Auftrag von<br />

Pixargus<br />

www.pixargus.de<br />

In Halle 33 im Saargummi-Werk Büschfeld werden<br />

Endlosdichtungen für die Großen in der Automobilindustrie<br />

auf 1400-Meter-Spulen gewickelt. Beim<br />

Autobauer werden die Spulen später vollautomatisch<br />

abgewickelt und je nach Fahrzeugmodell auf Länge<br />

gebracht. Ein Roboter reicht hier mit starken Armen<br />

die Autotüren an und die Dichtungen werden mannlos<br />

und passgenau aufgeklebt. „Die<br />

Endlosdichtung war die Idee, bei uns<br />

und beim Automobilhersteller einen<br />

höher automatisierten Prozess zu realisieren“,<br />

erzählt Christian Kast, Director<br />

Global Product Automotive und<br />

damals, 2006, der Erfinder der Endlostechnologie<br />

bei Saargummi. Das ist<br />

keine einfache Aufgabe bei elastischen<br />

Gummiprofilen, die sich anders als starre Produkte<br />

maschinell nicht so einfach greifen, fördern und bearbeiten<br />

lassen. Heute fertigen sie hier am Standort<br />

im nördlichen Saarland fast 50 Mio. m Endlosdichtungen<br />

pro Jahr. Daimler, BMW, Ford, VW und Seat<br />

sowie der Nutzfahrzeughersteller Scania gehören zu<br />

den Kunden. Für die Qualitätskontrolle der neuen<br />

Endlosprodukte war von Anfang an Pixargus mit seinen<br />

kamerabasierten digitalen Inline-Inspektionssystemen,<br />

die sich in Produktionsanlagen und Unternehmensnetzwerke<br />

integrieren lassen, an Bord.<br />

Oberfläche und Geometrie werden<br />

gleichzeitig überprüft<br />

„Wenn ich über diese Länge von 1400 Metern die<br />

Qualität sicherstellen muss, brauchen wir zerstö-<br />

28 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


ungsfreie Prüfmethoden, die idealerweise im Inline-<br />

Prozess funktionieren“, erzählt Kast. Inzwischen sind<br />

hier in vier Fertigungslinien die Zwei-in-Eins-Geräte<br />

der Profilcontrol-Systemreihe von Pixargus integriert,<br />

die Oberfläche und Geometrie in Form des<br />

Profilquerschnittes in einer Funktionseinheit zeitgleich<br />

abprüfen können. „Die Daten haben wir gleich<br />

online“, so Kast.<br />

Auf der Unterseite der Dichtung muss außerdem<br />

die Spurlage des aufgetragenen Klebebands stimmen.<br />

„Das muss an der richtigen Position sitzen,<br />

welche auf wenige zehntel Millimeter toleriert ist,<br />

dies ist extrem wichtig.“ Nicht weniger anspruchsvoll<br />

ist die Oberflächenprüfung. „Wir legen gemeinsam<br />

mit dem Kunden fest, ab welcher Ausprägung<br />

ein Pickel ein Pickel<br />

und ein Produkt fehlerhaft<br />

ist“, so Kast.<br />

Das vereinbarte Toleranzspektrum<br />

muss dann einerseits<br />

in die Prozesswelt<br />

von Saargummi,<br />

aber auch in die<br />

Fehlerdetektion von<br />

Pixargus übersetzt werden. Bei den Inspektionssystemen<br />

lassen sich dazu die Parameter für die Rauigkeit,<br />

die den Kameras Kontrast und Detailgenauigkeit<br />

vorgeben, sehr einfach und genau einstellen, erzählt<br />

Kast: „Wir wollten keine Technik, die wir selbst<br />

programmieren müssen, sondern einfache, bedienerfreundliche<br />

Systeme.“<br />

An drei Linien produziert der Dichtungshersteller<br />

heute im Doppelstrangverfahren die Endlosdichtung<br />

unter dem Markennamen Sealmatic. Die Profilstränge<br />

werden hierbei spiegelbildlich Rücken an Rücken<br />

extrudiert. Damit der Doppelstrang im Sensorkopf individuell<br />

vermessen werden kann, hat Pixargus das<br />

Profilcontrol-7-System mit einem speziellen Frequenzgenerator<br />

ausgerüstet. Er misst die Geschwindigkeit<br />

der Profilstränge und gibt den optischen Sensoren<br />

den Takt für die Bildverarbeitung vor.<br />

Szenenwechsel. In der Halle 22 werden auf Länge<br />

geschnittene Dichtungen produziert. „Das ganze Repertoire<br />

rund um die Karosserie“, erzählt der Prozesstechniker<br />

Jan Müller. Auch hier ist an vier Fertigungslinien<br />

jeweils ein Profilcontrol-System im Einsatz.<br />

Acht Kameras haben die Gummiprofile im Blick<br />

und detektieren zuverlässig Pickel, Blasen, Knoten<br />

oder Flockreste. Ist beispielsweise die C-Lippe zu<br />

kurz, meldet die Dimensionsmessung sofort den Fehler.<br />

„Ich sehe dann auf einen Blick, wo meine Fehlerursachen<br />

liegen und kann dementsprechend eingreifen“,<br />

erklärt Müller.<br />

Gerade hat Kamera 3 bei Laufmeter 2870 einen<br />

Fehler erkannt, eine Verunreinigung. Das System hat<br />

die betroffene Stelle<br />

»Wir wollten keine Technik,<br />

die wir selbst programmieren<br />

müssen, sondern einfache,<br />

bedienerfreundliche Systeme.«<br />

Christian Kast, Saargummi<br />

markiert. Das Personal,<br />

das die Teile verpackt,<br />

sieht die gelbe<br />

Markierung auf der<br />

Profiloberfläche und<br />

entsorgt das entsprechende<br />

Teil.<br />

Rechts im Bild springen<br />

vor der hinterlegten<br />

Sollkontur des Profils indessen leuchtende<br />

Graphen hin und her. Sie markieren, wo gerade welcher<br />

Profilbereich, welcher Wert geprüft wird. „So<br />

können wir immer abgleichen, dass wir uns innerhalb<br />

der Toleranz befinden“, so Müller. „Wir sind sehr<br />

selbständig, was die Problembeseitigung angeht.“<br />

Saargummi fertigt in<br />

Büschfeld fast 50 Mio.<br />

m Endlosdichtungen<br />

pro Jahr. Produziert<br />

wird in hochautomatisierten<br />

Prozessen.<br />

Bild: Saargummi<br />

Frequenzgenerator gibt<br />

dem Vision-System den Takt vor<br />

Bild: Saargummi<br />

Die Inspektionssysteme<br />

von Pixargus prüfen<br />

auch die Spurlage des<br />

aufgetragenen roten<br />

Klebebands. Dies muss<br />

an der richtigen Position<br />

sitzen, welche auf<br />

wenige zehntel Millimeter<br />

toleriert ist.<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 29


SPECIAL » Kunststoff<br />

Bild: SKZ<br />

Mit dem neuen Prüfund<br />

Auswerteverfahren<br />

zur Bestimmung werkstofflicher<br />

Einsatzgrenzen<br />

an thermoplastischen<br />

Kunststoffbauteilen<br />

wird die dauerfeste<br />

Auslegung solcher Bauteile<br />

erleichtert.<br />

Neues Verfahren nutzt Zugversuche, um Bauteilversagen vorzubeugen<br />

Belastbare Werte<br />

für Thermoplaste<br />

Das mechanische Langzeitverhalten von Kunststoffen ist sehr komplex. Entsprechend<br />

schwierig ist auch eine zuverlässige Auslegung von thermoplastischen<br />

Bauteilen im Bereich der Langzeit- beziehungsweise Dauerfestigkeit.<br />

Das Kunststoff-Zentrum SKZ hat nun ein neues Verfahren dafür entwickelt.<br />

Malte Nebel<br />

Scientist<br />

Gruppe<br />

Bauteileigenschaften<br />

SKZ<br />

www.skz.de<br />

Für thermoplastische Kunststoffbauteile<br />

existiert bisher keine allgemeingültige<br />

Vorgehensweise zum Festigkeitsnachweis<br />

der Langzeit- beziehungsweise<br />

Dauerfestigkeit – und damit der Auslegung<br />

entsprechender Bauteile. Eine besondere<br />

Herausforderung ist dabei die Ermittlung<br />

werkstofflicher Einsatzgrenzen,<br />

um Materialschädigungen und zukünftiges<br />

Bauteilversagen zu verhindern. Bisherige<br />

Auslegungsverfahren sind meist mit<br />

erheblichem Prüf- und Kostenaufwand<br />

verbunden oder liefern bei Verwendung<br />

pauschaler Abminderungsfaktoren und<br />

hoher Sicherheitsbeiwerte meist sehr<br />

konservative Ergebnisse, was dem<br />

Wunsch nach Leichtbau und Ressourceneffizienz<br />

entgegensteht.<br />

Energiebasiertes<br />

Bemessungskonzept<br />

Daher hat das SKZ für die Bestimmung<br />

derartiger Grenzwerte ein energiebasier-<br />

tes Bemessungskonzept erarbeitet, welches<br />

auf Basis intermittierender Zugversuche<br />

die Detektion werkstofflicher Einsatzgrenzen<br />

durch eine Auswertung der<br />

Dehnungsamplitude erlaubt. Durch geeignete<br />

Zerlegung der umgesetzten Energie<br />

in gespeicherte und dissipierte Energieanteile<br />

kann eine kritische dissipierte Energiedichte<br />

bestimmt werden, welche charakteristisch<br />

für die Schädigungsgrenze<br />

des Werkstoffs ist. Unterhalb dieser Schädigungsgrenze<br />

ist der Werkstoff „dauerfest“<br />

in dem Sinne, dass es auch nach<br />

sehr häufiger Belastung oder langen Belastungsdauern<br />

zu keinen Mikroschädigungen<br />

kommt, die später zu einem Bauteilversagen<br />

führen können.<br />

30 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


Das neue Verfahren wurde am SKZ unter<br />

dem Gesichtspunkt entwickelt, eine<br />

anwendungsbezogene Auslegung bei geringem<br />

Prüfaufwand zu ermöglichen.<br />

Durch die Beschränkung auf einfache<br />

Versuche, die mit Universalprüfmaschinen<br />

durchgeführt werden, ergibt sich die<br />

Möglichkeit, Belastungsgrenzen unter direkter<br />

Berücksichtigung anwendungsbezogener<br />

Einflussfaktoren festzulegen.<br />

Anwendungsbezug dank<br />

einfacher Prüftechnik<br />

So lassen sich zum Beispiel durch Nutzung<br />

einer Temperierkammer Belastungsgrenzen<br />

für Temperaturen ermitteln, die<br />

vom Normklima abweichen. Auch lassen<br />

sich Schädigungsgrenzen in Abhängigkeit<br />

von einer durch eine Faserverstärkung bedingten<br />

Anisotropie der Werkstoffeigenschaften<br />

ermitteln.<br />

Durch die direkte Berücksichtigung<br />

festigkeitsmindernder Einflussfaktoren<br />

während der Materialprüfung kann somit<br />

auf pauschale Abminderungsfaktoren<br />

verzichtet werden. Die innovative Prüfmethodik<br />

erlaubt zudem den Verzicht<br />

auf zeit- und kostenintensive Langzeitversuche.<br />

Die Anwendbarkeit des neuen Verfahrens<br />

wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts<br />

an unterschiedlichen Thermoplasten<br />

(amorph/teilkristallin, spröd/duktil,<br />

faserverstärkt/unverstärkt) demonstriert.<br />

Die ermittelten Belastungsgrenzen<br />

wurden gegenüber gängigen Auslegungsverfahren<br />

(spannungs- beziehungsweise<br />

dehnungsbezogen) abgeglichen und erzielten<br />

gute Übereinstimmungen.<br />

Teure Langzeitversuche<br />

entfallen künftig<br />

Entlang der Wertschöpfungskette von<br />

Kunststoffen werden zahlreiche Unternehmen<br />

von einer anwendungsbezogenen<br />

Bestimmung der Belastungsgrenzen ihrer<br />

eingesetzten Kunststofftypen profitieren.<br />

Kostenintensive Langzeitversuche oder<br />

pauschale Bemessungsmethoden werden<br />

vermieden. Dies steigert die Sicherheit<br />

und Lebensdauer von Produkten, spart<br />

Material und vermeidet teure Regressansprüche.<br />

Die geplante perspektivische<br />

Aufnahme des Verfahrens in Normen und<br />

Richtlinien wird den Anwendern zusätzliche<br />

Sicherheit bei der Auslegung bieten<br />

und eine effizientere Gestaltung der Entwicklungsprozesse<br />

erlauben.<br />

Bild: SKZ<br />

Durch geeignete Zerlegung der umgesetzten Energie in gespeicherte und dissipierte Energieanteile<br />

kann bei dem neuen Verfahren eine kritische dissipierte Energiedichte bestimmt werden,<br />

welche charakteristisch für die Schädigungsgrenze des Werkstoffs ist.<br />

Ein Unternehmen von <strong>Quality</strong> Vision International<br />

Der größte optische Multisensorkonzern der Welt<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 31<br />

65719 Hofheim-Wallau<br />

T: 06122/9968-0 • www.ogpgmbh.de


SPECIAL » Kunststoff<br />

Neue Prüftechnik<br />

Damit Hartschaum nicht versagt<br />

Multiaxiale Zug- und Druckversuche sind von entscheidender Bedeutung zur<br />

Modellierung des Materialverhaltens von harten Schäumen. Für die sichere<br />

und kosteneffektive Auslegung von Verbundbauteilen mit Schäumen hat das<br />

Fraunhofer LBF nun neue Prüfverfahren und verbesserte Methoden entwickelt.<br />

Umschlingungsversuch<br />

für die 2D-Druckbelastung:<br />

Die Blechschleife<br />

mit dem Probekörper<br />

wird mit dem Steg nach<br />

unten in die Backen der<br />

Prüfmaschine eingesetzt<br />

und danach gezogen.<br />

Bild: Fraunhofer LBF<br />

Bild: Fraunhofer LBF<br />

Dr. Vladimir A. Kolupaev<br />

Axel Nierbauer<br />

Mechanik und Simulation, Bereich Kunststoffe<br />

Fraunhofer LBF<br />

www.lbf.fraunhofer.de<br />

Bild: Fraunhofer LBF<br />

Für multiaxiale Prüfungen von harten Schäumen<br />

fehlt aktuell ein bewährtes Verfahren. Einige<br />

Belastungsfälle sind experimentell kaum realisierbar.<br />

So sind zum Beispiel plausible Prüfvorschriften für<br />

den hydrostatischen Zugversuch nicht bekannt und<br />

der äquibiaxiale Zugversuch ist kostspielig in der<br />

Durchführung. Um diese Problematik in den Griff zu<br />

bekommen, haben die Experten des Fraunhofer-Instituts<br />

für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit<br />

LBF einen equibiaxialen und einen hydrostatischen<br />

Druckversuch aufgebaut. Die Ergebnisse dieser<br />

Versuche sind eindeutig und einfach zu interpretieren.<br />

Zusammen mit den uniaxialen Zug- und Druckversuchen<br />

sowie Torsionsversuchen sorgen diese Versuchsdaten<br />

für eine zuverlässige Modellierung und<br />

32 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


plausible Extrapolationen, die eine Abschätzung der<br />

nicht verfügbaren Daten aus dem hydrostatischen<br />

Zugversuch ermöglichen.<br />

Die equibiaxiale (gleichmäßige biaxiale) Druckbelastung<br />

wird in einer konventionellen Zugprüfmaschine<br />

mit einer Kreisscheibe als Probenkörper und<br />

einer Blechschleife zum Aufbringen der Lasten realisiert.<br />

Die Blechschleife hat an einem Ende ein rechteckiges<br />

Loch und am anderen Ende einen Steg. Das<br />

vorgebogene Blech ist so geschlossen, dass der Steg<br />

durch das Loch geführt wird und so eine Schlaufe<br />

entsteht.<br />

Der Probekörper wird mit dieser Schlaufe umwickelt.<br />

Im Bereich der Schleifenüberlappung werden<br />

dünne vorgebogene Bleche eingelegt. Diese Bleche<br />

stützen den konstruktiv geschwächten Bereich des<br />

Schleifenlochs und sorgen für eine bessere Verteilung<br />

der Belastung. Vor der Prüfung wird der Probekörper<br />

mit trockener Druckluft gereinigt, vermessen<br />

und gewogen. Die Schleife, die Bleche und die Umfangsfläche<br />

des Probekörpers werden mit einem<br />

Schmiermittel vorbehandelt, um Reibung zu verringern.<br />

Der Aufwand dieser Prüfung ist minimal und<br />

vergleichbar mit den Standard-Zugversuchen. Der<br />

2D-Druckversuch stellt eine effektive Methode zur<br />

ersten Abschätzung des Materialverhaltens dar. Für<br />

eine genaue Modellierung ist jedoch ein hydrostatischer<br />

Druckversuch unerlässlich.<br />

Zwei Arten des Materialverhaltens<br />

unter hydrostatischem Druck<br />

Forschende am Fraunhofer LBF haben eine neue Methode<br />

zur Prüfung des Materialverhaltens unter hydrostatischer<br />

Druckbelastung implementiert und auf<br />

mehrere offen- und geschlossenporige polymere<br />

Hartschäume angewendet. Es sind zwei Arten des<br />

Materialverhaltens unter hydrostatischem Druck zu<br />

unterscheiden: das Versagen der Zellen und der hydrostatische<br />

Kollaps der Gesamtstruktur. Diese Unterschiede<br />

sind vor allem in Unterwasseranwendungen<br />

von Bedeutung.<br />

Die Probekörper mit und ohne Schutzschicht werden<br />

geprüft, um verschiedene Versagensarten zu erhalten.<br />

Zur Bestimmung der Festigkeit der Gesamtstruktur<br />

wird der Probekörper unter Vakuum in einen Schutzbeutel<br />

verpackt. Die gemessenen Unterschiede zwischen<br />

den beiden Festigkeiten erreichten bei einigen<br />

Schäumen bis zu 6 %.<br />

Der würfelförmige Probekörper hat die Abmessungen<br />

50×50×50 mm 3 . Die Kanten sind abgerundet,<br />

um eine Beschädigung des Schutzbeutels während<br />

der Fixierung und der Belastung zu vermeiden. Anschließend<br />

werden die Ecken mit Schleifpapier geglättet,<br />

um eventuelle Grate zu entfernen. Die Abmessungen<br />

des Probekörpers sind durch die Größe<br />

des Sichtfensters der Druckkammer und die Abmessungen<br />

des gelieferten Materials begrenzt. Vor dem<br />

Versuch wird die Probe mit einem statistisch verteilten<br />

Schwarz-und-Weiß-Muster gesprenkelt.<br />

Die Deformationen auf der Probenoberfläche werden<br />

von einer CCD-Kamera erfasst. Die Dehnungsauswertung<br />

der Geometrieänderung in der Platte erfolgt<br />

im Post-Processing unter Verwendung der<br />

Grauwert-Korrelationssoftware. Diese Auswertung<br />

erfolgt bis zum Versagen.<br />

Für eine zuverlässige Modellierung von Materialien,<br />

die unter hydrostatischem Druck versagen, ist<br />

der hydrostatische Druckversuch zwingend erforderlich.<br />

Die Materialeigenschaften aus dieser Prüfung<br />

können nicht aus den Daten der Zug-, Druck- und<br />

Torsionsprüfung berechnet werden. Mögliche Extrapolationen,<br />

wie zum Beispiel auf der Basis des<br />

2D-Druckversuchs, können nur Abschätzungen liefern<br />

und sollten für kritische Bauteile nicht angewendet<br />

werden. Der hydrostatische Druckversuch<br />

liefert die notwendigen Informationen zur Modellierung<br />

des elastischen Verhaltens und des Versagens<br />

bei mehraxialen Druckbelastungen.<br />

Die Ergebnisse des hydrostatischen Versuchs führen<br />

direkt zu den benötigten Parametern im Materialmodell,<br />

was das Fitting erheblich vereinfacht. Unter<br />

anderem ist der Kompressionsmodul des elastischen<br />

Verhaltens ein Ergebnis dieser Versuche. Die<br />

Methode erlaubt es somit, Entscheidungen über die<br />

Materialwahl für bestimmte Anwendungen zu treffen.<br />

Sie erscheint auch für weitere Materialien wie<br />

keramische Schäume, Porenbeton, Boden, gesinterte<br />

und granulare Materialien vielversprechend.<br />

Bild: Fraunhofer LBF<br />

Hydrostatischer Druckversuch:<br />

So sieht der<br />

Probekörper ohne<br />

Schutzschicht nach<br />

der Prüfung aus.<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 33


SPECIAL » Kunststoff<br />

Automatisches Vision-Inspektionssystem<br />

Zwei Drittel kleiner und günstiger<br />

Ob kleine Automobildichtungen, Federn oder O-Ringe aus Thermoplasten oder<br />

Elastomeren – Kunststoffverarbeiter Freudenberg Sealing Technologies hat<br />

dafür selbst ein vollautomatisches visuelles Inspektionssystem entwickelt.<br />

Es analysiert gleichzeitig die Daten von bis zu vier Kameras.<br />

Geprüft wird ein Kleinteil in diesem<br />

Fall mit drei Kameras. Das Bildverarbeitungssystem<br />

F-Vision GP 50<br />

analysiert deren Daten gleichzeitig.<br />

Bild: Freudenberg<br />

Dr. Helmut Hamfeld<br />

Senior <strong>Engineering</strong> Specialist<br />

Freudenberg<br />

Sealing Technologies<br />

www.fst.com<br />

denberg Sealing Technologies seine Prüfsysteme<br />

genau auf spezifische Produktionsanwendungen<br />

und Fehlerparameter<br />

ausrichten.“ Die Automatisierung minimiert<br />

beim Kunststoffverarbeiter zudem<br />

den Bedarf an manuellen Kontrollen, die<br />

in der Regel mehr Zeit in Anspruch nehmen<br />

und bei denen winzige Fehler häufiger<br />

unentdeckt bleiben.<br />

Anfang 2022 wurde das erste F-Vision<br />

GP 50 System mit rotierender Glasplatte<br />

am US-amerikanischen Freudenberg-<br />

Standort Morristown installiert. Für das<br />

Werk sind bereits weitere Maschinen geordert,<br />

die noch in diesem Jahr in Betrieb<br />

gehen sollen. Auch die Produktionsstätten<br />

von Freudenberg Sealing Technologies<br />

in Öhringen, Oberwihl und Weinheim in<br />

Deutschland sowie in Bristol/USA sind an<br />

den neuen Systemen interessiert.<br />

Das F-Vision GP 50 System arbeitet mit<br />

neuer Bildverarbeitungstechnologie – einschließlich<br />

der Fähigkeit, sich selbständig<br />

Wir sind ständig auf der Suche nach<br />

Möglichkeiten, unsere Produktionsprozesse<br />

zu verbessern“, erklärt Robert<br />

Scavuzzo, Vice President Global Advanced<br />

Manufacturing Technology bei Freudenberg.<br />

„Die aktualisierte Bildverarbeitungstechnologie<br />

ist ein weiterer Entwicklungsschritt,<br />

mit dem wir die Null-Fehler-<br />

Vorgabe noch effektiver erfüllen und damit<br />

für unsere Kunden und die Endverbraucher<br />

klare Vorteile bieten. Durch die<br />

unternehmensinterne Entwicklung der<br />

F-Vision GP 50-Technologie kann Freuan<br />

Prozessschwankungen anzupassen –<br />

und kann gleichzeitig Daten von bis zu<br />

vier Kameras analysieren. Mit einer Größe<br />

von gerade einmal 80 cm x 80 cm – ohne<br />

Zuführungs- und Verpackungskomponenten<br />

– ist das System nur etwa ein Drittel<br />

so groß und so teuer wie aktuelle, handelsübliche<br />

Prüfsysteme. Es wird am Ende<br />

einer Produktionslinie oder eines Prozesses<br />

positioniert, um mögliche Fehler bereits<br />

unmittelbar nach der Fertigstellung<br />

der Teile zu überwachen. Dabei lassen sich<br />

bis zu zehn Teile pro Sekunde prüfen.<br />

Jedes neue Teil wird mit Hunderten von<br />

zuvor freigegebenen Teilen verglichen,<br />

um Unterschiede zu erkennen und zwischen<br />

tatsächlichen Fehlern und zufälligen<br />

Prozessabweichungen zu unterscheiden,<br />

die beispielsweise durch Schmutz<br />

oder Staub verursacht wurden. Die Anlage<br />

kann mehr als 20 verschiedene Oberflächenprüfungen<br />

vornehmen. Zusätzliche<br />

Prüfungen der Oberflächen und/oder der<br />

Einhaltung von Maßtoleranzen lassen<br />

sich je nach Bedarf hinzufügen.<br />

Fehler beim Spritzgießen<br />

schneller beheben<br />

Die meisten Defekte entstehen während<br />

der Formgebung. Auch bei der Endbearbeitung<br />

können Probleme auftreten, zum<br />

Beispiel beim Abstechen oder Entgraten<br />

von überschüssigem Gummi. Die F-Vision<br />

GP 50 Prüfgeräte erhöhen die Prüfgenauigkeit<br />

und tragen damit dazu bei, teure<br />

Kundenreklamationen zu vermeiden. Sie<br />

erkennen fehlerhafte Teile und sortieren<br />

34 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


diese aus, kategorisieren die Defekte,<br />

zeichnen sie visuell auf und geben –<br />

wenn zu viele davon entdeckt werden –<br />

beispielsweise per Textnachricht aufs<br />

Handy Alarm.<br />

Die Maschinenführer können auf diese<br />

Daten zugreifen und basierend darauf<br />

Probleme im Formgebungsprozess direkt<br />

beheben. Die Prüfsysteme aller Freudenberg-Werke<br />

sind vernetzt und teilen Daten<br />

miteinander. Damit lassen sich flächendeckend<br />

Fehler beseitigen und die<br />

Qualität weiter erhöhen.<br />

Ziel ist der Closed Loop mit<br />

der Spritzgießmaschine<br />

Das neue Inspektionssystem ist Teil der<br />

Standardisierung von Maschinen und<br />

Prozessen in allen Werken von Freudenberg<br />

Sealing Technologies weltweit. Scavuzzo<br />

schätzt, dass es sich mit minimalen<br />

Designänderungen an Kameras, Beleuchtung<br />

und der Software für spezifische An-<br />

wendungen in etwa 80 % der Werke von<br />

Freudenberg Sealing Technologies einsetzen<br />

lässt. Davon würden auch Industrie-4.0-Initiativen<br />

und der Trend zur zunehmenden<br />

Automatisierung der Produktionsanlagen<br />

profitieren.<br />

Die meisten der Vision-Control-Einheiten<br />

bei Freudenberg sind mit einer Datenbank<br />

verbunden, die Live-Statusinformationen<br />

über den Prozess und die Maschinenbedingungen<br />

liefert. Das integrierte<br />

System benachrichtigt das Bedienpersonal<br />

über Abweichungen. In vielen Fällen<br />

können diese Informationen sofort genutzt<br />

werden, um Probleme zu beheben<br />

oder die Effizienz während eines laufenden<br />

Prozesses zu verbessern.<br />

Grundsätzlich soll die F-Vision GP 50<br />

Technologie ein Echtzeit-Kommunikationsnetzwerk<br />

zwischen den Systemen und<br />

den Spritzgießmaschinen schaffen, das<br />

den Prozess korrigiert, sobald zu viele<br />

Fehler entdeckt werden.<br />

Anfang 2022 hat Freudenberg Sealing<br />

Technologies das erste F-Vision GP 50<br />

System mit rotierender Glasplatte an<br />

seinem US-Standort in Morristown<br />

installiert.<br />

Bild: Freudenberg<br />

Erleben Sie innovative Technologien<br />

wie Künstliche Intelligenz, Embedded Vision und die enge Verzahnung von<br />

Bildverarbeitung und Automation – für die Smart Factory von morgen und<br />

für stetig wachsende nichtindustrielle Anwendungen.<br />

04. – 06. Oktober 2022<br />

Messe Stuttgart<br />

www.vision-messe.de<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 35


Insgesamt wurde bei der neuen Norm<br />

21920 ein großer Wert auf Kontinuität<br />

gelegt. Die Schwachstellen der alten<br />

Norm – etwa unsaubere und nichtpraktikable<br />

Definitionen – sind entfallen.<br />

Dort, wo die alte Norm unscharf war,<br />

ist die neue Norm präziser geworden.<br />

Bild: MYZONEFOTO/stock.adobe.com<br />

Neue Rauheitsnormen EN ISO 21920-x<br />

Verbesserte Standards für die<br />

Oberflächenmesstechnik<br />

Die neuen Profilnormen EN ISO 21920-1, -2 und -3 für das Messen von<br />

Oberflächenbeschaffenheiten fassen die bisherigen Oberflächennormen in<br />

einer Normreihe zusammen. Sie liefern im Vergleich zu den alten Normen<br />

saubere und praktikable Definitionen.<br />

Die drei Teile des neuen Standardwerks EN ISO<br />

21920-x sind ein wichtiger Baustein in dem<br />

seit fast 25 Jahren erarbeiteten internationalen Normenkonzept<br />

der Geometrischen Produktspezifikation<br />

(GPS-System). Nach den bereits veröffentlichten<br />

Normen zur flächenhaften Spezifikation<br />

der Oberflächenbeschaffenheit, der<br />

Normreihe DIN EN ISO 25178, stehen<br />

mit DIN EN ISO 21920 auch die relevanten<br />

Profilnormen in aktualisierter<br />

Bild: Mahr<br />

Heinz-Joachim Kedziora<br />

Leiter Entwicklung<br />

Oberflächenmesstechnik<br />

Mahr<br />

www.mahr.com<br />

Fassung zur Verfügung. Damit werden<br />

die bisherigen Profilnormen zurückgezogen:<br />

• ISO 4287:1997-04 „Kenngrößen“<br />

• ISO 4288:1996-08 „Messbedingungen“<br />

• ISO 13565-1 bis 3 „Rk-Auswertung“<br />

• ISO 1302:2002-02 „Zeichnungseintragungen“<br />

Der Grund: Sie decken nicht mehr alle<br />

Möglichkeiten moderner Messgeräte ab<br />

– etwa, weil sie bis dato keine standardisierten Verfahren<br />

für die optischen Messgeräte boten. Zudem<br />

entsprachen sie nicht immer der aktuellen industriellen<br />

Praxis und hatten teilweise Unschärfen in der Definition<br />

einiger Kennwertalgorithmen. Die DIN EN ISO<br />

12085 („Motif“) bleibt bestehen; mit der Überarbeitung<br />

der DIN EN ISO 3274 („Tastschnittgerät“) wurde<br />

zwischenzeitlich begonnen.<br />

Aktualisierung und Optimierung<br />

Historisch bedingt hatten die bisherigen Normen<br />

zum Teil recht unterschiedliche Nummern. Sie reichen<br />

von „ISO 3274:1996-12 Messgeräte” über „ISO<br />

4287:1997-04 Kenngrößen“ bis zu „ISO<br />

4288:1996-08 „Messbedingungen“ – um nur einige<br />

von ihnen zu nennen. Ab sofort werden sie in der<br />

neuen DIN ISO 21920 zusammengefasst. Sie bildet<br />

damit den gesamten Prozess – von der Konstruktion<br />

über die Fertigung bis zur Qualitätskontrolle – in drei<br />

Teilen ab. So geht es im ersten Teil (ISO 21920-1) um<br />

36 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


TECHNIK «<br />

Fertigung und Spezifikation, also „Zeichnungseintragungen“.<br />

Teil 2 (ISO 21920-2) definiert die Kenngrößen,<br />

und Teil 3 (ISO 21920-3) formuliert die Bedingungen,<br />

wie diese Kenngrößen am Ende überprüft<br />

werden.<br />

Teil 1: Zeichnung stellt Funktionen<br />

des Bauteils sicher<br />

Teil 1 löst die bisherige ISO 1302 ab und umfasst die<br />

Prozesse rund um die Zeichnungseintragungen, die<br />

ein Konstrukteur für die Fertigung eines Bauteils vorgibt.<br />

Wichtigste Änderung: Ab sofort ist ausschließlich<br />

die Zeichnung die Basis für die Bedingungen, mit<br />

denen ein gefertigtes Bauteil überprüft wird. Auch<br />

wenn ein Konstrukteur sich etwas besonders Kompliziertes<br />

ausdenkt, ist in Teil 1 definiert, wie er das Teil<br />

spezifizieren muss, ohne dass er Freitext hinzufügt.<br />

Auf diese Weise ist es möglich, dass allein die Spezifikation<br />

die Funktion des Teils sicherstellt.<br />

Ein Beispiel: Wenn man nur die Kenngröße „Ra“<br />

sowie einen Wert angibt, dann ist in vielen Fällen<br />

nicht sichergestellt, dass diese Angabe mit dem<br />

Funktionsverhalten des Teiles korreliert. Hier gibt es<br />

komplexere und weniger komplexe Kenngrößen. Zudem<br />

umfasst Teil 1 neue Begriffe für die Oberflächenparameter<br />

(siehe Tabelle auf Seite 38).<br />

Wichtig für alle Anwender: Die neue Norm gilt nur<br />

für neue Zeichnungen. Älter datierte Zeichnungen<br />

behalten ihre Gültigkeit unter der früheren Norm.<br />

Ebenfalls neu sind einige Symbole, die eingeführt<br />

wurden, um den eindeutigen Bezug einer Zeichnung<br />

nach DIN EN ISO 21920-1 herzustellen (siehe Grafik<br />

auf Seite 39).<br />

Teil 2: Konstrukteure sind gefragt<br />

Der zweite Teil der neuen ISO 21920 beschäftigt sich<br />

mit dem Zusammenhang zwischen Kenngrößen und<br />

Funktionen von Bauteilen. Er ist der umfangreichste<br />

und wohl schwierigste Teil und ersetzt die frühere<br />

ISO 4287. Über 100 Kenngrößen sind hier beschrieben,<br />

die den Konstrukteuren einen enormen Werkzeugkasten<br />

bieten. Sie sind künftig gefragt, aus diesem<br />

Teil die richtige Kenngröße auszuwählen. Die<br />

Auswahl fällt erfahrungsgemäß vielen Anwendern<br />

schwer, da dieses Thema keinen Ausbildungsschwerpunkt<br />

darstellt.<br />

Bei den Kenngrößen, die aus Profilelementen (ein<br />

Berg und ein Tal im Profil) berechnet werden, gab es<br />

bisher größere Messunsicherheiten, da die Profilelemente<br />

zwar beschrieben, aber im Detail, insbesondere<br />

in Grenzfällen, nicht eindeutig definiert waren.<br />

Das wurde jetzt deutlich verbessert. Die Hersteller<br />

von Messtechnik sind jedoch nicht gezwungen, all<br />

diese Kenngrößen in ein Gerät oder eine Software zu<br />

programmieren, da manche von ihnen nur regional<br />

eine Rolle spielen.<br />

Änderungen durch die neuen Profilnormen<br />

• Wenige neue Begriffe<br />

• Neues Symbol für die Spezifikation<br />

• Die Default-Toleranzakzeptanzregel ist<br />

die Höchstwert-Regel („max.-Regel“)<br />

• Die Regelwerte basieren auf der Spezifikation<br />

(Zeichnungseintragung) und nicht<br />

auf Schätzwerten der spezifizierten<br />

Kenngröße. Dadurch ist die Zuordnung<br />

Nesting-Index abhängig vom spezifizierten<br />

Ra-beziehungsweise Rz-Wert etwas<br />

verschoben.<br />

• Wenn nichts anderes spezifiziert ist, erfolgt<br />

die Verifikation an dem Ort des spezifizierten<br />

Geometrieelements, an dem<br />

die Höchstwerte zu erwarten sind; Unvollkommenheiten<br />

wie etwa Kratzer oder<br />

Poren müssen einbezogen werden.<br />

• Keine Unterscheidung zwischen periodischen<br />

und aperiodischen Profilen<br />

• Kennwerte sind (bis auf wenige Ausnahmen)<br />

über die Auswertestrecke definiert.<br />

• Nur wenige Kennwerte, zum Beispiel Rz,<br />

Rp, Rv, sind über Profilabschnitte definiert.<br />

Der Begriff „sampling length“ beziehungsweise<br />

„Einzelmessstrecke“ wird<br />

nicht mehr verwendet.<br />

• Die Spezifikation der Toleranzgrenze erfolgt<br />

unmittelbar nach der Kennwertbezeichnung.<br />

• Vereinfachte Schreibweise zur Spezifikation<br />

von bilateralen Toleranzgrenzen<br />

• Eine dritte Toleranzakzeptanzregel:<br />

„Tmed“: Der Medianwert aller Messwerte<br />

muss innerhalb der spezifizierten Toleranzgrenzen<br />

liegen.<br />

• Die Spezifikation von optischen Verfahren<br />

zur Profilerfassung ist möglich, zum<br />

Beispiel EP OR(1).<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 37


» TECHNIK<br />

Teil 3: Wie man zu einem validen<br />

Ergebnis gelangt<br />

Teil 3 definiert die Bedingungen, nach beziehungsweise<br />

unter denen gemessen wird. Er ersetzt die bisherige<br />

ISO 4288 und beschäftigt sich mit dem Thema<br />

„Specification and Verification“ – also Anforderungen<br />

an Messverfahren und deren korrekte Umsetzung.<br />

Damit definiert Teil 3 den Default-Fall. Das bedeutet:<br />

Wenn in der Zeichnung keine expliziten Angaben<br />

gemacht werden, gilt das, was in der Norm<br />

steht – also all das, was nicht explizit spezifiziert<br />

werden muss.<br />

In diesem Teil geht es also nicht nur um die Messbedingungen,<br />

sondern auch um zusätzlich zu beachtende<br />

Faktoren, wie man zu einem validen Ergebnis<br />

gelangt. Deshalb gibt es in diesem Teil keine Vorschriften,<br />

wie man etwas misst, sondern lediglich die<br />

Beschreibung eines vollständigen Spezifikationsoperators.<br />

Die Spezifikation ist theoretisch ideal und<br />

eindeutig. Gemäß ISO 8015 gilt: „Der Verifikationsoperator<br />

ist die physikalische Implementierung des<br />

Spezifikationsoperators. Er kann genau dieselben<br />

Operationen in derselben Reihenfolge besitzen (in<br />

diesem Fall ist die Verfahrensunsicherheit gleich null)<br />

oder er kann unterschiedliche Operationen besitzen<br />

oder die Operationen in einer anderen Reihenfolge<br />

durchführen (in diesem Fall ist die Verfahrensunsicherheit<br />

nicht gleich null).“<br />

Für die Verifikation gibt man also lediglich die Unsicherheit<br />

an, was in der Praxis zumeist nicht einfach<br />

ist. Als Beispiel sei die Verwendung des Gauß-Filters<br />

betrachtet: Wenn im Standardfall die Spezifikation<br />

von einem Profilpunktabstand von 0,5 µm ausgeht,<br />

so ist es nicht verboten, bei der Verifikation einen<br />

größeren oder kleineren Punktabstand zu verwenden;<br />

der Anwender muss dieses dann bei der Abschätzung<br />

der Messunsicherheit berücksichtigen.<br />

Fazit: Erweiterte Möglichkeiten der<br />

Funktionsbeschreibungen<br />

Für die meisten Anwender ändert sich mit der neuen<br />

Norm überhaupt nichts. Sie bietet nur erweiterte<br />

Möglichkeiten der Funktionsbeschreibung, etwa bei<br />

additiven Fertigungsverfahren, bei denen zum Teil<br />

neue Strukturen oder neue Filter benötigt werden.<br />

Anders als früher bestimmt nicht mehr das Werkstück<br />

die Filtereinstellung, sondern die dazugehörige<br />

Zeichnung. Dadurch wird die Zuverlässigkeit der Entscheidung<br />

erhöht, ob die geprüfte Oberfläche die Anforderungen<br />

erfüllt oder nicht. Es entfällt das gemäß<br />

DIN EN ISO 4288 aufwändige – und in der Praxis<br />

kaum beachtete – Verfahren zur Prüfung einer Werkstückoberfläche<br />

einschließlich der subjektiven Beurteilung,<br />

ob ein Profil periodisch oder aperiodisch ist.<br />

Insgesamt wurde bei der neuen Norm ein großer<br />

Wert auf Kontinuität gelegt. Unterm Strich kann man<br />

sagen: Die Schwachstellen der alten Norm – etwa<br />

unsaubere und nicht-praktikable Definitionen – sind<br />

entfallen. Dort, wo die alte Norm vernünftige Ergebnisse<br />

geliefert hat, gilt dies auch für die neue Norm.<br />

Dort, wo die alte Norm unscharf war, ist die neue<br />

Norm schärfer.<br />

Die neuen Oberflächenparameter<br />

des ersten<br />

Norm-Teils auf einen<br />

Blick.<br />

Tabelle: Mahr<br />

38 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


Sowohl bei der ISO<br />

1302 als auch bei der<br />

ISO 21920–1 ist das<br />

spezifizierte Geometrieelement<br />

durch die<br />

Oberflächenkenngröße<br />

Rz spezifiziert. Die obere<br />

Toleranzgrenze für Rz<br />

beträgt 1 µm.<br />

Bild: Mahr<br />

Derzeit erfolgt im DIN, dem Deutschen Institut für<br />

Normung, die Erstellung der nationalen Normen DIN<br />

EN ISO 21920-1, -2 und -3. Es wird dringend empfohlen,<br />

die als frühe Entwürfe bereits im Jahr 2020<br />

veröffentlichten Ausgaben DIN EN ISO 21920-1, -2<br />

und -3 aus dem Verkehr zu ziehen, da es in der internationalen<br />

Diskussion bis zur finalen Version der<br />

Normreihe noch Änderungen gab.<br />

Anzeige_93x133_16_05.pdf - Mai 17, 2022 x<br />

Weiterbildung zur<br />

EN ISO 21920<br />

Die neuen Profilnormen EN ISO 21920-x<br />

sind auch Thema einer dreitägigen Intensivschulung<br />

mit dem Fokus auf<br />

Oberflächenmessung von Mahr vom 6.<br />

bis 8. September 2022. Zielgruppe der<br />

Veranstaltung „Aukom Surf“ sind Anwender<br />

der Oberflächenmesstechnik in<br />

Qualitätssicherung, Messraum, Konstruktion,<br />

Labor, Fertigung und Arbeitsvorbereitung.<br />

http://hier.pro/jVPTk<br />

enigmasoft.at<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 39


Mit Computertomographie zur raschen<br />

Diagnose: die neue Exact-L-Anlage in<br />

der Messtechnik bei 1zu1.<br />

Bild: Darko Tadorovic<br />

Computertomographie in der additiven Fertigung<br />

Kein Problem mit komplexen Formen<br />

Für Prototypenbauer 1zu1 spielt Messtechnik bei der additiven Fertigung<br />

von Bauteilen eine entscheidende Rolle. Dafür nutzt das Unternehmen<br />

Computertomographie, die für genaue und schnelle Ergebnisse sorgt.<br />

Das beschleunigt auch die Entwicklungszeiten.<br />

Steffen Hochrein<br />

Communications<br />

Manager<br />

Wenzel<br />

www.wenzel-group.com<br />

1zu1 produziert Prototypen, Kleinserien- und Serienteile<br />

für Kunden aus aller Welt und für jede<br />

erdenkliche Branche. In der Fertigung setzt das Unternehmen<br />

die wichtigsten 3D-Druck-Verfahren wie<br />

Lasersintern und Stereolithografie ein. Aufgrund des<br />

hohen Qualitätsbewusstseins hat 1zu1 zahlreiche<br />

Mess- und Prüfaufgaben für seine Kunden zu lösen:<br />

Ob maßliche Auswertungen, Kompensation von<br />

Schwund und Verzug, Prüfung auf Einschlüsse<br />

und Verunreinigungen, geometrische<br />

Prüfungen, Baugruppenanalysen<br />

(Multiscan) und Prozessüberwachungen<br />

(Messreihen) – die Mess- und<br />

Prüfberichte werden immer kundenfreundlich<br />

und verständlich dargestellt.<br />

Seit elf Jahren nutzt das Unternehmen<br />

bereits optische Messlösungen<br />

und erstellt mehrere hundert Messberichte pro Jahr.<br />

„Wir kennen die Grenzen der optischen Messtechnik<br />

sehr genau“, erklärt Geschäftsführer Wolfgang<br />

Humml. „Vor dem Hintergrund, dass die von uns hergestellten<br />

Bauteile immer komplexer und kleiner<br />

werden, war für uns klar, dass wir in der Messtechnik<br />

den nächsten, innovativen Schritt setzen wollen und<br />

dass die Vergleiche der 3D-Messergebnisse zu den<br />

3D-Datensätzen besser und genauer werden müssen.“<br />

Bei der Suche nach einer neuen Messlösung<br />

waren mehrere Kriterien wichtig.<br />

Im Vordergrund stand die Genauigkeit des Messergebnisses<br />

über das gesamte 3D-Teil und nicht nur für<br />

den Bereich, welcher mit der optischen Messtechnik<br />

erfasst werden kann. Hier hat die industrielle Computertomographie<br />

(CT) klare Vorteile. Im Vergleich zu<br />

taktilen oder optischen Messmaschinen können mit<br />

40 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


TECHNIK «<br />

dem Computertomographen auch innen liegende<br />

Merkmale mit hoher Präzision zerstörungsfrei gemessen<br />

werden.<br />

Die industrielle Computertomographie und die Additive<br />

Fertigung sind zwei vergleichsweise junge<br />

Technologien, die sich hervorragend miteinander verbinden<br />

lassen. Während Additive Manufacturing<br />

neue Strukturen erlaubt, erfolgt die Qualitätsabsicherung<br />

dieser neuartigen Produkte durch ein CT. Auf<br />

Basis dieser Ergebnisse werden Korrekturdaten generiert,<br />

welche sowohl die Maßhaltigkeit, als auch die<br />

mechanische Stabilität von 3D-gedruckten Teilen<br />

entscheidend verbessern können. Besonders die komplexen<br />

Formen, die durch den 3D-Druck entstehen,<br />

stellen für herkömmliche Messsysteme oft Schwierigkeiten<br />

da. Lediglich die CT-Technologie ermöglicht<br />

hier eine zerstörungsfreie Materialanalyse und Maßhaltigkeitsprüfung.<br />

Optische Messtechnik bei<br />

transparenten Bauteilen schwierig<br />

Die optische Messtechnik hat dagegen insbesondere<br />

bei Messaufgaben transparenter Bauteile sowie Teilen<br />

mit hochglänzender Spiegeloberfläche klar ihre<br />

Grenzen. Ein Messen ohne vorherige Behandlung mit<br />

einem Laser-Scanning-Entspiegelungsspray ist bei<br />

solchen Teilen nicht möglich. Zudem ist die geforderte<br />

Messgenauigkeit mit einem Sprayauftrag nicht erreichbar.<br />

Ein weiterer großer Vorteil der industriellen<br />

Computertomographie liegt in der Geschwindigkeit<br />

der Scans und Auswertung. So können tausende<br />

Messpunkte binnen Sekunden vermessen werden.<br />

Zudem bietet die Durchführung so genannter Paletten-Scans<br />

(mehrere Bauteile in einem Scan) eine<br />

Verkürzung der Prozesszyklen und eine Erhöhung der<br />

Wirtschaftlichkeit.<br />

Zum Unternehmen<br />

1zu1 Prototypen mit Sitz in Dornbirn/Österreich produziert<br />

Prototypen, Kleinserien- und Serienteile. Für<br />

die Fertigung setzt 1zu1 die wichtigsten 3D-Druck-<br />

Verfahren wie Lasersintern und Stereolithografie<br />

ein. Seit 2020 ist 1zu1 Pilotkunde und Entwicklungspartner<br />

neuer 3D-Druck-Technologien für EOS. Zusätzlich<br />

kommt Vakuumguss zum Einsatz. Im Spritzguss<br />

fertigt das Unternehmen Kunststoffteile mittels<br />

Aluminium-Werkzeugen – bei Bedarf auch im eigenen<br />

Reinraum. Die Werkzeuge stellt der Geschäftsbereich<br />

Tooling inhouse her.<br />

Gegründet wurde das Unternehmen 1996 von den<br />

beiden Geschäftsführern Wolfgang Humml und Hannes<br />

Hämmerle. Heute beschäftigt es 160 Mitarbeiter.<br />

Seit Mitte November 2021 gehört es der international<br />

tätigen Prototal-Gruppe an.<br />

Nach einem umfangreichen Auswahlprozess entschied<br />

sich 1zu1 für das CT-System Exact L mit 150<br />

kV von Wenzel Metrology. Das System ist die jüngste<br />

Entwicklung der umfangreichen Exact-Baureihe. Ende<br />

2020 wurde es von Frost & Sullivan mit dem Global<br />

New Product Innovation Award 2020 ausgezeichnet.<br />

„Das Exact L verfügt über eine überlegene<br />

Röntgenleistung in Kombination mit einem schnellen<br />

Detektor, so dass es Objekte und Defekte schnell<br />

messen kann“, erklärt Mariano Kimbara, Senior Industry<br />

Analyst bei Frost & Sullivan. „Wenzel hat mit<br />

Bildverarbeitung ganz einfach<br />

In-Sight 2800<br />

erschließt das Potenzial von Deep Learning ohne Komplexität<br />

MEHR INFORMATIONEN UNTER:<br />

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<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 41


» TECHNIK<br />

Bild: Darko Tadorovic<br />

CT-Vermessung eines<br />

miniaturisierten Automotiv-Steckers.<br />

einer intuitiven Benutzerführung, die mit intelligenter<br />

Software alle Messparameter automatisiert und<br />

damit einen robusten Kundennutzen bietet, einen<br />

wichtigen Schritt in den Markt gemacht.“ Drei unabhängige<br />

Verfahrachsen sorgen für große Flexibilität<br />

und ermöglichen hohe Geschwindigkeiten und kurze<br />

Mess- und Prüfzeiten.<br />

„Entscheidend für den Kauf waren letztlich die garantierte<br />

Messunsicherheit von +/- 5 µm, die überzeugende<br />

CT-Vermessung unserer fünf Benchmark-<br />

Problemteile und die beeindruckende Oberflächen-<br />

Abbildungsgenauigkeit ohne softwaremäßige Glättung“,<br />

sagt Humml. „Die Messergebnisse waren für<br />

uns so beeindruckend, dass wir gerne die erste gebaute<br />

Maschine mit dieser Konfiguration bestellt haben<br />

und wir glücklich sind, dass die Anlage bei uns in<br />

Betrieb ist. Die Scan-Zeiten der Anlage sind beeindruckend<br />

schnell, so dass wir in den ersten drei Betriebswochen<br />

circa 120 Scans in Normalarbeitszeit<br />

machen konnten.“ Die hohe Effizienz der CT-Lösung<br />

ermöglicht schnellere Entwicklungszeiten und spart<br />

damit auch für den Endkunden Zeit und Kosten.<br />

Darüber hinaus hat die CT-Lösung von Wenzel die<br />

kleinste Stellfläche in ihrer Klasse mit 150 kV und<br />

bietet zudem ein Scanvolumen von 400 mm in der<br />

Höhe und 235 mm im Durchmesser. „Der Wunsch<br />

nach einem möglichst großem Messvolumen bei vergleichsweise<br />

kleiner Maschinenbauart war ein weiteres<br />

wichtiges Anforderungskriterium“, betont<br />

Humml. Neben der kleinen Stellfläche und dem großen<br />

Scan-Volumen bietet das Exact L einen weiteren<br />

großen Vorteil: Transport und Aufbau verlangen keine<br />

Durchbrüche von Türen und Gängen, was eine<br />

schnelle und reibungslose Installation ohne Mehraufwand<br />

sichert. Auch in Puncto Systemgewicht ist<br />

der Exact L Klassenbester – mit nur 2.650 kg, was eine<br />

Flexibilität der Aufstellplätze ermöglicht.<br />

Vorabnahme des CTs<br />

mit kompetenen Erklärungen<br />

„An Wenzel schätzen wir die kompetente Beratung<br />

und die Fähigkeit, im Verkauf zuzuhören und unsere<br />

Bedürfnisse und hohen Anforderungen zu verstehen“,<br />

sagt Humml. Überzeugend sei für ihn auch die Vorabnahme<br />

der Anlage gewesen, die von Uwe Hilpert,<br />

Produktmanager CT bei Wenzel, begleitet wurde.<br />

Dieser erklärte fundiert und kompetent die Messung<br />

jedes einzelnen Bildpunkts auf dem ultraschnellen<br />

7,5-Megapixel-Detektor.<br />

Die CT-Schulung wurde vor Ort in Dornbirn durchgeführt.<br />

„Nach einer Woche intensiver Schulung und<br />

Einführung tief in die CT-Technik waren unsere<br />

Messtechniker zwar ‚schnitzelfertig‘, aber von der<br />

ersten Messaufgabe weg bestens für den Betrieb der<br />

Anlage gerüstet“, so Humml. „So machen Investitionen<br />

Freude und schaffen einen Mehrwert für uns und<br />

unsere Kunden.“<br />

Bild: Darko Tadorovic<br />

Farbvergleich des gescannten Bauteils:<br />

Rot zeigt eine Abweichung von<br />

+0,2 mm und blau von –0,2 mm an.<br />

42 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


Hochgenaue Farbmessung<br />

Exakt aufeinander abgestimmt<br />

Multispektralsysteme wie die von Panovotec kontrollieren die Einhaltung von<br />

Farbvorgaben. Eine hochauflösende Kamera von JAI sorgt dabei für die optimale<br />

Bildaufnahme. Die Technik stellt sicher, dass etwa in der Autoproduktion keine<br />

Produkte mit falsch bestückten Beleuchtungskomponenten ausgeliefert werden.<br />

In vielen Branchen stellt die genaue<br />

Einhaltung von Farbvorgaben ein<br />

wichtiges Qualitätsmerkmal dar. Beispiele<br />

solcher Anwendungen finden sich unter<br />

anderem in der Automotive-Industrie, wo<br />

Hersteller extremen Wert darauf legen,<br />

dass Bedien- und Anzeigeelemente sowie<br />

Cockpit- und Ambientebeleuchtungen in<br />

ihren Fahrzeugen farblich exakt aufeinander<br />

abgestimmt sind. In der Medizintechnik<br />

müssen LED-OP-Leuchten und<br />

viele andere Komponenten genauen Vorgaben<br />

entsprechen, um die strengen Auflagen<br />

dieser Branche zu erfüllen. Vor der<br />

Montage von dekorativen Kunststoffkomponenten<br />

wie zum Beispiel Blenden muss<br />

häufig nicht nur aus ästhetischen Gründen<br />

sichergestellt werden, dass die verwendeten<br />

Farben zueinander passen.<br />

Denn die Wertschöpfung steigt mit jedem<br />

Montageschritt und ein Austausch farblich<br />

aus dem Rahmen fallender Teile wird<br />

zu einem späteren Prozessschritt immer<br />

teurer oder sogar unmöglich.<br />

Für derartige Aufgabenstellungen entwickelt<br />

Panovotec (ehemals Systec) Systeme,<br />

mit denen der Farbort, die Leuchtdichte<br />

und die optische Homogenität<br />

überprüft werden können. Neu im Portfolio<br />

ist die Multispektralkamera MSC 8X8.<br />

Diese sei eine konsequente Weiterentwicklung<br />

der bisherigen Produkte für<br />

lichttechnische Analysen, sagt Panovotec-Geschäftsführer<br />

Tobias Postler.<br />

„Durch den Einsatz eines von uns eigens<br />

entwickelten Doppelfilterrades stehen<br />

Bild: Panovotec<br />

Die Multispektralkamera MSC 8X8<br />

nutzt ein Doppelfilterrad mit zweimal<br />

acht übereinander liegenden<br />

Filterplätzen, um Farbort, Leuchtdichte<br />

und optische Homogenität<br />

zu überprüfen.<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 43


» TECHNIK<br />

Bild: Panovotec<br />

Mit der Teaching-App kann die MSC8x8 manuell angesteuert werden, um<br />

beispielsweise einzelne Analysen durchzuführen.<br />

Anwendern zweimal acht übereinander<br />

liegende Filterplätze zur Verfügung, die<br />

automatisiert in den Strahlengang gebracht<br />

werden können.“ Daraus ergeben<br />

sich 64 unterschiedliche Filterkombinationen.<br />

Extrem genaue<br />

lichttechnische Analysen<br />

Zweites wesentliches Element der Neuentwicklung<br />

ist eine CMOS-Industriekamera<br />

des dänischen Herstellers JAI vom<br />

Typ Spark. Sie verfügt über eine Auflösung<br />

von 45 Megapixeln, eine hohe Bittiefe<br />

von 14 Bit und arbeitet mit einem<br />

HDR-Modus (High Dynamic Range). Diese<br />

Eigenschaften ermöglichen in Kombination<br />

mit den Filtern der MSC 8X8 extrem<br />

genaue lichttechnische Analysen, um<br />

Werte wie die Leuchtdichte, die dominante<br />

Wellenlänge und den Farbort zu bestimmen.<br />

Das System ist sowohl für den Inline-<br />

Einsatz in kontinuierlichen Produktionsanlagen<br />

als auch für Offline-Anwendungen<br />

zum Beispiel im Labor oder zur Stichprobenprüfung<br />

geeignet. Die ursprüngliche<br />

Motivation stammt jedoch aus dem<br />

Inline-Betrieb. Daher wählte Panovotec<br />

eine Spark-Variante mit Global Shutter,<br />

einer maximalen Bildaufnahmefrequenz<br />

von 38 Bildern/s und einer CoaXPress-<br />

Schnittstelle mit zwei oder vier Kanälen,<br />

die eine Datenübertragungsrate von bis<br />

zu 6,25 Gbps pro Kanal an den auswertenden<br />

Rechner ermöglicht. In Abhängigkeit<br />

von der eingestellten Belichtungszeit<br />

und den gewünschten Ausgabeparametern<br />

können damit Taktzeiten ab 0,5 s für<br />

unterschiedliche Belichtungsstärken erzielt<br />

werden, was für viele Inline-Prozesse<br />

eine ausreichende Geschwindigkeit darstellt.<br />

Hohe Anforderungen<br />

an die Bildqualität<br />

„Wir haben uns an JAI gewandt, weil wir<br />

sehr hohe Anforderungen an die Bildqualität<br />

der Kameras hatten, die JAI mit diesem<br />

gewählten Spark-Modell erfüllen<br />

konnte“, erklärt Postler. Neben der Auflösung<br />

von 45 Megapixeln sei auch wichtig<br />

gewesen, dass die integrierte Kamera eine<br />

hervorragende Stoß- und Vibrationsfestigkeit<br />

aufweist und eine verteilte Bildverarbeitung<br />

auf mehreren PCs erlaubt.<br />

„Über die Link Sharing-Funktion von Coaxpress<br />

war dies mit der Spark-Kamera<br />

möglich.“<br />

JAI unterstützte Panovotec nicht nur<br />

bei der Auswahl des geeigneten Kameramodells,<br />

sondern auch bei der Wahl des<br />

Objektivs, des richtigen Objektivflansches<br />

und des richtigen Abstands von Objektiv<br />

zu Kamera. Zudem war ein optimales<br />

Wärmemanagement erforderlich, um<br />

möglichst rauschfreie Bilder aufzunehmen<br />

und somit die Grundlage für qualitativ<br />

hochwertige lichttechnische Analysen<br />

zu schaffen. Auch hier steuerten Experten<br />

von JAI wertvolles Know-how bei, um die<br />

Gesamtlösung in Bezug auf die Temperaturentwicklung<br />

optimal zu gestalten. Ein<br />

Peltier-Kühlaggregat sorgt in der MSC<br />

8X8 für die aktive Kühlung des kompletten<br />

Systems und somit auch des Kamerasensors.<br />

Bild: JAI<br />

Die Spark-Kamera von JAI bietet 45<br />

Megapixel Auflösung, eine hohe<br />

Aufnahmegeschwindigkeit und die<br />

schnelle CoaXPress-Schnittstelle.<br />

44 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


Im Einsatz profitieren Anwender von<br />

einer hohen Flexibilität des Multispektralkamerasystems,<br />

das Panovotec zunächst<br />

auf Basis der vorliegenden Anforderungen<br />

mit verschiedenen Filterkombinationen<br />

zusammenbaut und kalibriert.<br />

Aktuell existieren dafür zwei optimierte<br />

und verifizierte Bestückungen der beiden<br />

Filterräder, bei denen entweder drei CIE-<br />

Tristimulus-Filter oder mehrere Filter für<br />

multispektrale Messungen eingesetzt<br />

werden. Darüber hinaus sind jedoch auch<br />

individuelle Bestückungen nach Kundenanforderung<br />

möglich.<br />

Algorithmen sind integriert<br />

In Abhängigkeit von den erforderlichen<br />

Ausgabeparametern führt die zugehörige<br />

Software von Panovotec anschließend eine<br />

automatisierte Snap-Sequenz mit verschiedenen<br />

Filterkombinationen durch.<br />

Die RAW-Bilddaten werden dabei mit Hilfe<br />

der für die jeweilige Kamera-/Filterkombination<br />

hinterlegten Kalibrierfunktionen<br />

in gültige physikalisch-technische<br />

Einheiten, das heißt in Messwerte umgewandelt.<br />

Die Algorithmen für alle erforderlichen<br />

Berechnungen sind bereits in<br />

der zugehörigen Software integriert, so<br />

dass Anwender ihr System ohne langwierige<br />

Vorbereitungen einsetzen können.<br />

Aktuell ist das System für die Integration<br />

in Testsystemen von Panovotec ausgelegt.<br />

Damit erhalten Kunden eine optimal<br />

auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Komplettlösung<br />

inklusive der erprobten und<br />

bewährten Software. Anwender mit Bildverarbeitungs-Know-how<br />

können das<br />

System auch separat bei Panovotec beziehen<br />

und in eigene Applikationen integrieren<br />

oder als Stand-alone-System im Laboreinsatz<br />

nutzen.<br />

Im Einsatz liefert das Multispektralkamerasystem<br />

genaue Messwerte für die<br />

Beleuchtungsstärkeverteilung, die Lichtstärkeverteilung,<br />

die Farbkoordinaten, die<br />

dominante Wellenlänge, die diskrete<br />

Spektralcharakteristik sowie die korrelierte<br />

Farbtemperatur. Mit diesen Angaben<br />

sind aussagekräftige Tests zur Qualitätssicherung<br />

in der Produktion und viele<br />

weitere Anwendungen möglich.<br />

Grenzwerte für Helligkeit<br />

werden eingehalten<br />

Postler nennt ein Beispiel: „Der Zulieferer<br />

eines deutschen Sportwagenherstellers<br />

setzt MSC 8X8 bereits in einem End-of-<br />

Line-Testsystem für Cockpitkomponenten<br />

ein und ist mit den Ergebnissen hochzufrieden.<br />

Das System stellt sicher, dass keine<br />

Produkte mit falsch bestückten Beleuchtungskomponenten<br />

wie LEDs mit<br />

falscher Wellenlänge oder Helligkeit ausgeliefert<br />

werden, was zu Kundenreklamationen<br />

führen würde. Zudem wird so die<br />

Gefahr ausgeschlossen, dass Fahrer bei<br />

einer fehlerhaften Einmessung oder Kalibrierung<br />

geblendet werden, wenn in der<br />

Nacht die Grenzwerte für die maximale<br />

Helligkeit überschritten werden.“<br />

Auch bei Monitoren in der Medizintechnik<br />

ist es sehr wichtig, dass Leuchtdichte<br />

und Homogenität den Anforderungen<br />

entsprechen: Sie ersetzen bei der<br />

Darstellung von Röntgenaufnahmen die<br />

klassischen Aufnahmen vor einem<br />

Leuchtschirm und dürfen keine Schwankungen<br />

in der Homogenität aufweisen.<br />

Denn im schlimmsten Fall könnte dies zu<br />

Fehlinterpretationen durch den Arzt führen.<br />

Praxisbeispiel aus der<br />

Automotive-Industrie:<br />

Beim End-of-Line-Test<br />

werden die Prüflinge<br />

auf einem Drehteller<br />

von einer Station zur<br />

anderen befördert.<br />

Bild: Panovotec<br />

Peter Stiefenhöfer<br />

im Auftrag von<br />

JAI<br />

www.jai.com<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 45


» TECHNIK<br />

Quantenmagnetometrie<br />

Materialschädigungen<br />

früher detektieren<br />

Die Quantentechnologie hält Einzug in der Qualitätssicherung. So lassen<br />

sich mit Hilfe von hochempfindlichen optisch gepumpten Magnetometern<br />

(OPM) Defekte an Metallen analysieren. Das Fraunhofer IPM untersucht<br />

an Stählen, wie sich magnetischen Signaturen von Schäden während des<br />

Ermüdungsprozesses quantifizieren lassen. Dies würde eine zerstörungsfreie<br />

mechanische Prüfung von Werkstoffen ermöglichen.<br />

Ein Blick in die Zukunft<br />

der Materiaprüfung?<br />

Schon heute können<br />

hochempfindliche<br />

Quantenmagnetometer<br />

Materialschädigungen<br />

in einem frühen Stadium<br />

detektieren.<br />

Bild: Fraunhofer IPM<br />

Bild: Fraunhofer IPM<br />

Dr. Alexander Bertz<br />

Gruppenleiter<br />

Geometrische<br />

Inline-Messsysteme<br />

Fraunhofer IPM<br />

www.ipm.fraunhofer.de<br />

Quantentechnologien eröffnen neue<br />

Wege zur Lösung technologischer<br />

Probleme. Sei es die abhörsichere Datenübertragung<br />

mittels verschränkter Photonen<br />

in der Quantenkryptographie oder die<br />

Qubit-basierten Algorithmen der Quantencomputer<br />

– der Mensch macht sich<br />

die Welt der Quanten im zunehmenden<br />

Maße nutzbar. Das gilt auch für die Messtechnik:<br />

Quantenbasierte Sensoren verschaffen<br />

Zugang zu immer besseren Genauigkeiten<br />

und damit zur Beobachtung<br />

und Vermessung bislang unzugänglicher<br />

Prozesse. Einige Messsysteme sind bereits<br />

kommerziell verfügbar und von einem<br />

Einsatz in der industriellen Qualitätssicherung<br />

nicht mehr weit entfernt.<br />

Insbesondere viele materialwissenschaftliche<br />

Anwendungen bieten große<br />

Chancen für den Einsatz von Quantensensoren<br />

– zum Beispiel, um Mechanismen<br />

besser zu verstehen, Prozesse weiter<br />

zu optimieren oder sicherheitsrelevante<br />

Komponenten zuverlässiger zu überwachen.<br />

In der industriellen Qualitätssicherung<br />

sind magnetische Prüfverfahren und<br />

Sensoren schon lange etabliert. Das<br />

wahrscheinlich prominenteste Beispiel<br />

stellt die sogenannte Wirbelstromprü-<br />

46 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


So funktioniert ein optisch gepumptes<br />

Magnetometer (OPM): Ein Laser regt<br />

Alkali-Atome in einer Gas-Zelle an.<br />

Durch die Einwirkung eines äußeren<br />

Magnetfeldes (= finale Messgröße des<br />

Sensors) präzedieren die Spins der angeregten<br />

Atome. Das kann man in der Absorption<br />

der Laserstrahlung detektieren.<br />

Bild: Fraunhofer IPM<br />

fung dar, bei der durch Induktion ein<br />

magnetisches Moment im Prüfling erzeugt<br />

und mittels Magnetsensoren vermessen<br />

wird. Diese Prüfung wird beispielsweise<br />

zur Schädigungserkennung<br />

beim Drahtziehen verwendet. Der Grundgedanke<br />

dahinter ist, dass sich durch die<br />

Schädigung im Material magnetische<br />

„Bezirke“ derart verändern, dass diese<br />

Änderung als Anomalie im magnetischen<br />

Streufeld zu erkennen ist.<br />

Aktuell gängige Verfahren leiden jedoch<br />

unter einer niedrigen Detektionsempfindlichkeit<br />

in Kombination mit einer<br />

reduzierten Ortsauflösung. Das heißt, die<br />

magnetischen Streufelder lassen sich nur<br />

gemittelt über relativ große Messvolumina<br />

erfassen.<br />

Mit sehr hohem örtlichen<br />

Auflösungsvermögen<br />

Quantenmagnetometer, die Magnetfelder<br />

mit sehr hoher Empfindlichkeit und sehr<br />

hohen örtlichen Auflösungsvermögen<br />

vermessen, können bei vielen Herausforderungen<br />

Abhilfe schaffen und darüber<br />

hinaus viele weitere Fragen beantworten.<br />

Dazu gehören:<br />

• Gibt es lokale Spannungskonzentrationen,<br />

an denen sich im Betrieb Risse<br />

bilden können?<br />

• Können Phasenumwandlungen in Wärmebehandlungsverfahren<br />

besser kontrolliert<br />

werden – beispielsweise zur<br />

Produktoptimierung?<br />

• Ist Korrosion zum Beispiel im Sinne der<br />

Wasserstoffversprödung detektierbar?<br />

• Lässt sich die Integrität von Batterien<br />

überwachbar?<br />

Diese und viele weitere industrielle Einsatzmöglichkeiten<br />

von Quantenmagnetometern<br />

erforschen das Fraunhofer-Institut<br />

für Physikalische Messtechnik IPM<br />

und das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik<br />

IWM in enger Kooperation.<br />

Aktueller Schwerpunkt der Arbeiten ist es,<br />

ein besseres Verständnis über Materialschädigungsmechanismen<br />

zu gewinnen.<br />

Das daraus abgeleitete Wissen fließt in<br />

die Materialoptimierung ein, führt dann<br />

zu einer besseren Abschätzung der Wartungszyklen<br />

im Sinne der Predictive<br />

Maintenance oder findet in der zerstörungsfreien<br />

Prüfung von versagenskritischen<br />

Bauteilen Anwendung. Zentrales<br />

Element sind dabei optisch gepumpte<br />

Magnetometer (OPM).<br />

Empfindlichkeiten bis<br />

in den Femto-Tesla-Bereich<br />

Mit optisch gepumpten Magnetometern<br />

lassen sich externe Magnetfelder durch<br />

die Wechselwirkung zwischen resonantem<br />

Licht und Atomdampf messen. Im<br />

Wesentlichen bestehen OPM aus einer<br />

kleinen Gas-Zelle befüllt mit ca. 1 mm ³<br />

Helium- oder Alkaliatomen, die durch einen<br />

Laser resonant angeregt werden –<br />

vergleichbar mit der Funktionsweise von<br />

Atomuhren. Die Spins der angeregten<br />

Atome präzedieren einheitlich im externen<br />

Magnetfeld mit der sogenannten Lamor-Frequenz,<br />

die proportional zur magnetischen<br />

Flussdichte ist. Dieser zeitabhängige<br />

quantenmechanische Effekt wird<br />

anschließend spektroskopisch gemessen<br />

und auf die finale Messgröße – die magnetische<br />

Flussdichte – zurückgeführt.<br />

Kommerziell sind verschiedene Arten<br />

von OPM erhältlich:<br />

Webhinweis<br />

Die entsprechende wissen -<br />

schaftliche Veröffentlichung<br />

zum Thema –<br />

„Optically Pumped Magnetometer<br />

Measuring<br />

Fatigue-Induced Damage<br />

in Steel“ – ist bei Applied<br />

Sciences nachzulesen:<br />

http://hier.pro/<br />

mqiq4<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 47


» TECHNIK<br />

Bild: Fraunhofer IPM<br />

Messaufbau zur magnetischen und optischen Erfassung von Mikrozug-Versuchen: Ein miniaturisierter<br />

OPM wird in einen mikromechanischen Zugaufbau eingebettet.<br />

• Nullfeld-OPM: Sie erreichen Empfindlichkeiten<br />

von unter 50 fT/Hz, benötigen<br />

aber auch ein sehr niedriges Umgebungsmagnetfeld<br />

von unter 50 nT.<br />

Ihre Empfindlichkeit ist vergleichbar<br />

mit der von supraleitenden Magnetometern,<br />

wie sie beispielsweise in der<br />

Magnetresonanztomographie eingesetzt<br />

werden. Es sind jedoch keine<br />

kryogenen Temperaturen erforderlich<br />

und OPM können sehr viel kleiner gebaut<br />

werden. Dadurch sind sie im<br />

Einsatz flexibler und auch kostengünstiger.<br />

• Totalfeld-OPM: Sie sind weniger empfindlich<br />

(< 1 pT/Hz), können aber problemlos<br />

im Magnetfeld der Erde betrieben<br />

werden. Der bekannteste Anwendungsfall<br />

ist in der Magnetoenzephalographie<br />

zur Erfassung der durch die<br />

im menschlichen Gehirn fließenden<br />

Ströme erzeugten Magnetfelder.<br />

Die außergewöhnlichen Eigenschaften<br />

haben zu einer sehr erfolgreichen Kommerzialisierung<br />

dieser Sensoren in den<br />

letzten Jahren geführt – insbesondere in<br />

Hinblick auf medizinische Anwendungen.<br />

Darauf aufbauend werden gerade verschiedenste<br />

Anwendungsgebiete für diese<br />

Sensoren untersucht: In Bereichen wie<br />

der Nullfeld-NMR-Spektroskopie, der<br />

elektrochemischen Batteriecharakterisie-<br />

rung und der zerstörungsfreien Prüfung<br />

konnten bereits erste Erfolge verzeichnet<br />

werden.<br />

Potenzial in der Materialprüfung<br />

– etwa bei Stählen<br />

Zum besseren Verständnis von Materialschädigungsmechanismen<br />

setzen Forschende<br />

von Fraunhofer IPM und Fraunhofer<br />

IWM aktuell winzige Proben einer<br />

zyklischen Belastung aus, deren Abmessungen<br />

ähnlich einem menschlichen Haar<br />

sind. Dabei werden verschiedenste ferromagnetische<br />

Materialien untersucht, zum<br />

Beispiel Stähle. Dort wird die irreversible<br />

Wechselwirkung der magnetischen Domänenwände<br />

(Bloch-Wände) während<br />

des Ermüdungsvorgangs gemessen. Die<br />

Defektdichte steigt im Verlauf der Versuche<br />

und lässt sich über die Veränderung<br />

der magnetomechanischen Hysterese<br />

messen.<br />

OPM sind in der Lage, bereits kleinste<br />

Veränderungen in der magnetischen Signatur<br />

des Materials zu messen. Somit<br />

können Schädigungen wie Plastizitätsspuren<br />

oder Risse auch deutlich vor dem<br />

technischen Anriss anhand von Spannungskonzentrationen<br />

detektiert werden.<br />

Anders als bei optischen Verfahren können<br />

auch Risse im Probeninneren erkannt<br />

und vermessen werden.<br />

Für die Untersuchungen wird ein miniaturisierter<br />

OPM in einen mikromechanischen<br />

Zugaufbau eingebettet. Äußere<br />

magnetische Störsignale werden durch<br />

eine Magnetfeldabschirmung gedämpft.<br />

So entsteht eine geeignete Messumgebung.<br />

Komponenten des Aufbaus, die potenziell<br />

veränderliche Magnetfelder erzeugen<br />

können, sind außerhalb der Abschirmung<br />

positioniert. Die mechanische<br />

Lastführung erfolgt mittels steifer, hochfester,<br />

nicht-magnetischer und nicht leitfähiger<br />

Materialien wie Keramiken und<br />

Titanlegierungen.<br />

Bauteilüberwachung vor<br />

Ort – in-situ oder inline<br />

Erkenntnisse aktueller Versuche zielen<br />

vorrangig darauf ab, das Verständnis über<br />

Schädigungsvorgänge in verschiedenen<br />

Materialien zu verbessern und damit Bauteilauslegung<br />

zu optimieren. In den<br />

nächsten Schritten soll die Messung näher<br />

„an den Ort des Geschehens“ gebracht<br />

werden: Das Konsortium ist zuversichtlich,<br />

in den kommenden Jahren quantenmagnetometrische<br />

Sensoren – insbesondere<br />

OPM – näher an den industriellen<br />

Einsatz heranführen zu können – zur Prozessüberwachung<br />

und -regelung, zur<br />

Qualitätssicherung in der Linie und zur<br />

Bauteilüberwachung und Bestimmung<br />

der Restlebensdauer kritischer Komponenten.<br />

Webhinweis<br />

Was Quantensensoren<br />

sind und wozu sie – insbesondere<br />

optisch gepumpte<br />

Magnetometer (OPM) –<br />

einsetzbar sind, erklären<br />

Experten der Physikalisch-<br />

Technischen Bundesanstalt<br />

(PTB) in diesem Video:<br />

http://hier.pro/<br />

GchfF<br />

48 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


Bildverarbeitungssystem von Instrumental für die Produktion<br />

Schneller inzipiert mit KI<br />

Produktionsoptimierung hat sich das kalifornische Technologie-Startup<br />

Instrumental auf die Fahnen geschrieben. Für Inspektionsaufgaben werden<br />

Vision-Lösungen und Künstliche Intelligenz (KI) genutzt. Dabei kommen<br />

Kameras und Bildverarbeitungstechnologie von Teledyne Flir zum Einsatz.<br />

Bild: Teledyne Flir<br />

Die neuartige KI-Inspektionsplattform von Instrumental nutzt Machine-Vision-Kameras von Teledyne Flir.<br />

Eine Umfrage von Instrumental unter 100 Elektronikmarken<br />

zum Stand von neuen Produkteinführungen<br />

ergab, dass 76 % der <strong>Engineering</strong>-Zeit für<br />

Aufgaben aufgewendet werden, die leicht automatisiert<br />

oder mit besseren Daten beschleunigt werden<br />

könnten. Die Zeitverschwendung bei der Konstruktion<br />

macht es unter anderem für Unternehmen<br />

schwierig, mit der Innovationsgeschwindigkeit<br />

Schritt zu halten, die der Markt fordert. Instrumental,<br />

2015 von ehemaligen Apple-Ingenieuren gegründet,<br />

bietet daher über seine Produktionsoptimierungs-<br />

Plattform die automatisierte Fehlererkennung, Ursachenanalyse,<br />

Berichterstattung, sicheres Produktdatenmanagement<br />

und native Tools für die Zusammenarbeit<br />

von jedem Ort der Welt an. Die Plattform aggregiert<br />

Bilder und funktionale Testdaten aus der gesamten<br />

Lieferkette und nutzt künstliche Intelligenz,<br />

um mögliche Ursachen automatisch einzuordnen.<br />

Kunden von Instrumental erhalten dadurch die Möglichkeit,<br />

die Problemlösung zu beschleunigen,<br />

schnellere Erträge zu erzielen und die Qualität zu<br />

verbessern.<br />

Bei der Massenproduktion setzen die Bediener von<br />

Montagelinien die Produkte in Bildgebungsstationen<br />

von Instrumental ein, drücken eine Taste und warten<br />

4 bis 5 s: Wenn die Produkte die Inspektion bestehen,<br />

wird ein grünes Licht angezeigt, und der Bediener<br />

leitet das Produkt zur weiteren Montage weiter. Bediener<br />

überprüfen das Produkt im Bildgebungssystem<br />

erneut zwischen den wichtigsten<br />

Montageschritten und stellen den<br />

Kunden wertvolle Bilddaten sowie<br />

Pass-/Fail-Ergebnisse für das Produkt<br />

in seinen verschiedenen Stadien<br />

zur Verfügung.<br />

Das System bietet auch eine Anwendungsprogrammier-Schnittstelle<br />

(API) für elektronische Tests,<br />

Messungen und andere relevante<br />

Daten, die auf der Fertigungslinie<br />

Riana Sartori<br />

Senior Manager<br />

Machine Vision Products<br />

Teledyne Flir<br />

www.flir.de/mv<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 49


» TECHNIK<br />

Die Produktionsoptimierungs-Plattform<br />

von<br />

Instrumental aggregiert<br />

Bilder und funktionale<br />

Testdaten aus der gesamten<br />

Lieferkette<br />

und nutzt künstliche<br />

Intelligenz, um mögliche<br />

Ursachen automatisch<br />

einzuordnen.<br />

gesammelt werden. Diese Informationen sind in der<br />

Cloud-Software von Instrumental für verschiedene<br />

Benutzer sofort verfügbar, beispielsweise für Qualitätsingenieure<br />

und andere Betriebsmitarbeiter, die<br />

auf Testergebnisse mit Bilddaten zugreifen. „Instrumental<br />

konzentriert sich darauf, die Daten für Benutzer<br />

aussagekräftiger zu machen, wodurch diese<br />

agiler sind und ihr Werk aus der Ferne verwalten<br />

können“, erläutert Tobias Harrison-Noonan, Direktor<br />

für geschäftliche Entwicklung und Lösungen bei Instrumental.<br />

Standard- und kundenspezifische<br />

Lösungen<br />

Instrumental bietet eine Drop-in-Bildgebungsstation<br />

– wobei es sich um die Standardlösung mit typischer<br />

Implementierung handelt – sowie kundenspezifische<br />

Optionen für die automatisierte Bereitstellung von<br />

Produktionslinien. Innerhalb der Station befindet<br />

sich eine Kamera von Teledyne Flir, in der Regel mit<br />

einem 20 MP Rolling-Shutter-CMOS-Bildsensor. Das<br />

System verwendet Linsen von Edmund Optics und<br />

verfügt über industrielle Linienbeleuchtung. Kunden<br />

haben dabei die Wahl, die Instrumental-Station als<br />

sofort einsatzbereite Lösung zu nutzen, mit einfacher<br />

Installation, die von Expertenteams in den USA und<br />

China koordiniert wird. Darüber hinaus können Kunden<br />

ihre eigene Hardware verwenden.<br />

Für die Kameras von Teledyne Flir entschied sich<br />

Instrumental wegen des Spinnaker Software Development<br />

Kit (SDK). Harrison-Noonan: „Basierend auf<br />

unserer Forschung sah das Spinnaker-SDK extrem<br />

zugänglich aus und schien relativ einfach zu integrieren,<br />

was sich dann auch als richtig erwies.“ Darüber<br />

hinaus gibt es eine große Familie von Kameras in<br />

der Blackfly S-Serie von Teledyne Flir, was unseren<br />

Kunden die Flexibilität bietet, die Kamera mit minimaler<br />

zusätzlicher Softwareentwicklung auszutauschen.“<br />

Als Instrumental beispielsweise kürzlich die<br />

USB3-Kamera von 20 MP Blackfly S als Standard<br />

einsetzte, benötigte das Team eine Blackfly-S-Kamera<br />

mit einem einem global Shutter, um Bildverzerrungen<br />

bei einer sich bewegenden Förderbandanwendung<br />

zu reduzieren. Instrumental musste sehr<br />

wenig Software-Modifikationen vornehmen, weil die<br />

Kamera zur gleichen Familie gehörte.<br />

Ganz ähnlich war die Situation, als das Instrumental-Team<br />

eine monochrome Kamera mit Infrarotlichtern<br />

für eine spezifische Anwendung einsetzte, die<br />

einen Durchblick beim transparenten Material erforderte.<br />

Erneut konnte Instrumental ein anderes Blackfly-S-Modell<br />

problemlos nutzen.<br />

Bild: Teledyne Flir<br />

50 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


Selbst wenn die Instrumental-Plattform in der Regel<br />

in Elektronikanwendungen zum Einsatz kommt,<br />

kann die Station viele unterschiedliche Produkte aufnehmen.<br />

Das Defekt-Training wird in der Cloud<br />

durchgeführt, und Instrumental berücksichtigt etwaige<br />

Sicherheitsbedenken, indem neue Benutzer<br />

auf der unternehmenskonformen Hosting-Sicherheitslösung<br />

für die verwaltete Cloud-Plattform zahlreiche<br />

Maßnahmen und Protokolle durchlaufen müssen.<br />

Der Machine-Learning-Prozess von Instrumental<br />

erfordert weniger Bilder, als dies bei einer gezielten<br />

Deep Learning-Inspektion erforderlich wäre. Die<br />

Software analysiert mehrere Terabytes an Daten und<br />

stellt Korrelationen her.<br />

Die KI benötigt nur 30 Bilder<br />

zum Einlernen<br />

„Die Plattform ist absichtlich so konzipiert, dass sie<br />

allgemein wirksam ist. Es handelt sich also gerade<br />

nicht um AI-as-a-Service, bei dem das Team zwei<br />

Monate lang mit der Entwicklung eines sehr spezifischen<br />

Algorithmus beschäftigt wäre“, erklärt Harrison-Noonan.<br />

„In der Regel benötigen wir nur 30 Bilder<br />

eines Produkts, und die Künstliche Intelligenz beginnt<br />

automatisch, neue Probleme ohne Benutzereingabe<br />

zu identifizieren, was den gesamten Prozess<br />

für einen Nicht-Vision-Spezialisten wirklich vereinfacht.“<br />

Die Inferenz findet an der Peripherie statt, typischerweise<br />

auf einem Dell-Computer mit einer leistungsstarken<br />

GPU, sodass das System schnellere Entscheidungen<br />

treffen und im Falle eines Internetausfalls<br />

weiterarbeiten kann. Sobald das System über 30<br />

Bilder verfügt, kann es damit beginnen, Daten zu<br />

analysieren und Auffälligkeiten für den Bediener hervorzuheben,<br />

der dann ein markiertes Problem bestätigen<br />

oder entfernen kann.<br />

Darüber hinaus können mehrere Benutzer von<br />

überall auf der Welt auf ein einzelnes Projekt zugreifen<br />

und Daten in die Schulungsphase einbringen und<br />

dann dieses Verzeichnis als zentrale Plattform für die<br />

Datenzusammenarbeit nutzen. „Konstrukteure in den<br />

USA, die die Instrumental-Plattform für die Fehleranalyse<br />

nutzen, teilen beispielsweise häufig Ergebnisse<br />

und Aktionen direkt mit Qualitäts- und Fabrikteams<br />

in Asien, um die globale Kommunikation zu<br />

beschleunigen“, so Harrison-Noonan.<br />

Defekt-Beseitigung<br />

mit Mikrometer-Präzision<br />

Die Verwendung der Blackfly S 20 MP Kamera ermöglicht<br />

es der Instrumental-Bildgebungsstation, ein hohes<br />

Detailniveau zu erfassen. Dies ist für die Inspektion<br />

kleiner elektronischer Mikrobaugruppen erforderlich,<br />

bei denen bereits sehr kleine Fehler zum Ausfall<br />

führen können. Für Aufgaben wie beispielsweise die<br />

Inspektion von Mobiltelefonen misst Instrumental die<br />

Optik, stellt den Arbeitsabstand entsprechend ein und<br />

berechnet auf dieser Grundlage die Auflösung. „Instrumental<br />

verwendet einen Rechner, mit dem wir<br />

Schätzungen darüber anstellen können, wie viele Pixel<br />

erforderlich sind, um einen Defekt aufzuspüren“,<br />

erläutert Harrison-Noonan. „Normalerweise sind etwa<br />

5 oder 6 Pixel erforderlich, um einen Defekt zu erfassen,<br />

was in etwa einer Defektgröße von 150 bis<br />

200 µm für gebräuchliche mobile Elektronikgeräte<br />

bedeutet. Das ist im Allgemeinen auch der Wert, den<br />

wir in solchen Anwendungen anstreben.“<br />

Während das System von Instrumental typischerweise<br />

eine Farbkamera mit sichtbarem Spektrum<br />

verwendet, hat das Unternehmen seine Palette vor<br />

kurzem um neue Datenquellen wie Infrarot- und sogar<br />

Röntgen- und 3D-Bildgebung-Technologien erweitert.<br />

„Die Unternehmen unterschiedlicher Branchen<br />

sind sich der Notwendigkeit von Cloud-Technologien<br />

bewusst beziehungsweise stehen diesen aufgeschlossener<br />

gegenüber. Das System kann ihnen<br />

helfen, ihre Metriken zu erfüllen und diese sogar zu<br />

übertreffen“, so Harrison-Noonan. „Die Kameras von<br />

Teledyne Flir verleihem unserem System die Flexibilität,<br />

neue Aufgaben zu bewältigen.“<br />

Bild: Teledyne Flir<br />

Die Verwendung von<br />

Blackfly S 20 MP<br />

Kameras ermöglicht es<br />

der Bildgebungsstation<br />

von Instrumental, ein<br />

hohes Detailniveau zu<br />

erfassen.<br />

»In der Regel benötigen wir nur<br />

30 Bilder eines Produkts, und die KI<br />

beginnt automatisch, neue Probleme<br />

ohne Benutzereingabe zu identifizieren,<br />

was den gesamten Prozess für<br />

einen Nicht-Vision-Spezialisten<br />

wirklich vereinfacht.«<br />

Tobias Harrison-Noonan, Instrumental<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 51


» NEWS & PRODUKTE<br />

Optische Messtechnik<br />

Mehr Möglichkeiten dank Multipart-Funktion<br />

Nela stellt die neue Multipart‐Funktion<br />

für seine optischen Mess‐, Prüf und Sortiersysteme<br />

vor. Diese sorgt laut Hersteller<br />

für noch mehr Einsatzmöglichkeiten<br />

und Flexibilität in der Qualitätssicherung.<br />

Mit der Multipart‐Funktion können unterschiedliche<br />

Bauteile in demselben<br />

Prüfsystem verarbeitet werden – bei vollautomatischer<br />

Anpassung der Sensorik<br />

und der Prüfalgorithmen. Die neue Funktion<br />

ermöglicht es Anwendern, durchmischte<br />

Teile durch die Prüfanlage laufen<br />

zu lassen, ohne vorherige Änderung der<br />

Einstellungen an der Maschine. Das Prüfsystem<br />

erkennt automatisch, welcher Teiletyp<br />

vorliegt und aktiviert die entsprechenden<br />

Sensoreinstellungen und Prüfbäume<br />

– und zwar on‐the‐fly. Dabei wird,<br />

je nach Materialbeschaffenheit der Prüflinge<br />

und der Prüfaufgabe, gegebenenfalls<br />

auch die Wellenlänge der Beleuchtung<br />

angepasst. So können bei unterschiedlich<br />

farbigen Bauteilen noch schärfere<br />

Kontraste erzeugt werden.<br />

Die Multipart‐Funktion sorgt auch bei der<br />

Prüfung von Bauteilen mit zwei unterschiedlichen<br />

Seiten dafür, dass die jeweils<br />

richtigen Parameter automatisch geladen<br />

beziehungsweise Prüfzonen und Beleuchtung<br />

entsprechend angepasst werden.<br />

Bild: Nela<br />

Werkstoffprüfung<br />

Drei in einem Gerät<br />

Bild: Imprintec<br />

Als universelles Laborgerät vereint das I3D MBV von Imprintec drei wesentliche Nutzenaspekte<br />

in einem Gerät. Zum ersten lassen sich Fließkurven und mechanische Kennwerte<br />

wie die Zugfestigkeit mithilfe des neuen Eindruckverfahrens nach DIN SPEC<br />

4864 bestimmen. Dies geschieht vollautomatisiert und innerhalb von 30 bis 90 s. Hierzu<br />

werden Härteprüfeindrucke dreidimensional vermessen und im Anschluss die mechanischen<br />

Eigenschaften mithilfe von Softwarealgorithmen und FEM-Simulationen<br />

bestimmt. Im Vergleich zum Zugversuch ist dieses Verfahren schneller, kostengünstiger<br />

und punktgenau anwendbar.<br />

Zum zweiten kann das Gerät frei in Bezug auf die normgerechte Härteprüfung konfiguriert<br />

werden. Die verfügbaren Verfahren sind Brinell, Vickers, Knoop und Rockwell.<br />

Der dritte Nutzen liegt in der hochgenauen optischen 3D-Messung von Oberflächen.<br />

Die 3D-Messungen dienen beispielsweise zur Bestimmung der Maßhaltigkeit, zur Messung<br />

von Konturen und der Rauheit sowie vielen weiteren Anwendungen.<br />

Messtaster<br />

Kompakter Alleskönner<br />

Blum-Novotest hat mit dem Messtaster<br />

TC55 sein Produktportfolio um ein kompaktes<br />

System mit Shark-360-Messwerk<br />

und schneller Infrarotübertragung erweitert.<br />

Der TC55 ist der bisher kleinste kabellose<br />

Messtaster von Blum. Mit einer<br />

Länge von gerade einmal 46 mm und einem<br />

Durchmesser von nur 32 mm eignet<br />

er sich für den Einsatz in sehr kompakten<br />

Fräszentren, Drehzentren und Dreh-Fräszentren<br />

in der Mikrobearbeitung, der Medizintechnik<br />

sowie zur Messung von Bauteilen<br />

auf Maschinen der additiven Ferti-<br />

gung. Dabei kann er nicht nur zur Werkstückmessung<br />

eingesetzt werden. Dank<br />

des planverzahnten Messwerks eignet er<br />

sich auch sehr gut für die taktile Messung<br />

von Drehwerkzeugen.<br />

Der TC55 verfügt über das aus anderen<br />

Messsystemen des Herstellers bekannte<br />

Shark-360-Messwerk. Diese Technologie<br />

ergänzt das multidirektionale Messwerk<br />

um eine Planverzahnung mit 72 Zähnen,<br />

wodurch ziehende sowie torsionsbeaufschlagte<br />

Messungen in der C-Achse möglich<br />

werden. Die auftretenden Torsionskräfte<br />

werden durch die Planverzahnung<br />

aufgenommen und haben somit keinen<br />

Einfluss auf das Messergebnis.<br />

Bild: Blum-Novotest<br />

52 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


3D-Inspektion<br />

Inline-Lösung mit KI<br />

Das Automatic Vision Inspection (AVI)<br />

System von Kitov ist nun auch als inlinefähige<br />

Lösung erhältlich. Der auf künstlicher<br />

Intelligenz (KI) basierende Kitov Inline<br />

kann zur vollautomatischen intelligenten<br />

Überprüfung der Endqualität von Geräten<br />

und Gehäusen in einer Linienfertigung<br />

eingesetzt werden. Das Roboterund<br />

Kamerasystem ist dabei identisch<br />

zum Kitov Core, der bereits vom deutschen<br />

Vertriebspartner Atecare vorgestellt<br />

wurde. Dieser ist mit einem einzelnen<br />

Drehteller ausgestattet und eignet<br />

sich ideal für die Inspektion im hohen<br />

Produkt-Mix und bei kleinen oder mittleren<br />

Volumen. Der Kitov Inline deckt nun<br />

die hochvolumige, taktzeitoptimierte Inlinefertigung<br />

ab.<br />

Bei allen Kitov-Systemen handelt es sich<br />

um Smart-3D-Universalsysteme, die jedes<br />

Produkt effektiv inspizieren können.<br />

Durch den Einsatz von 3D-Computer-Vision-Algorithmen<br />

und künstlicher Intelligenz<br />

wie maschinelles Lernen und Deep-<br />

Learning, erreichen die Kitov-Systeme ein<br />

sehr hohes Erkennungsniveau. Sie elimi-<br />

Bild: Atecare<br />

nieren die mit der manuellen Inspektion<br />

verbundenen mühsamen Arbeiten und inkonsistente<br />

Ergebnisse. Die Kitov-Systeme<br />

prüfen komplexe 3D-Strukturen und<br />

unterschiedlichste Materialien und berücksichtigen<br />

dabei Prüfvorschriften.<br />

Optische Oberflächeninspektion<br />

Scannen anspruchsvoller Oberflächen<br />

Bild: AIT<br />

Mit dem neuen Xposure Photometry des AIT (Austrian Institute of Technology)<br />

lassen sich anspruchsvolle 2D- und 3D-Oberflächen zuverlässig scannen.<br />

Das Gerät kann in der optischen Qualitätskontrolle vielseitig eingesetzt<br />

werden. Hochqualitative Oberflächen wie zum Beispiel Batteriefolien<br />

lassen sich damit auf Fehler und Anomalien, die sich als kleine Erhebungen<br />

oder Vertiefungen äußern, zuverlässig überprüfen. Auch lassen sich<br />

3D-Qualitätsmerkmale wie Prägungen oder Braille-Schrift auf Verpackungen<br />

oder der Tiefdruck auf Banknoten präzise untersuchen. Und im Bereich<br />

von Infrastruktur eignet sich die Technologie etwa zur Überprüfung von<br />

Schienen. Allen Anwendungen ist gemein, dass die Inspektion zuverlässig<br />

trotz herausfordernder Oberflächeneigenschaft (metallisch, reflektierend,<br />

dunkel, körnig, etc.) und bei hoher Geschwindigkeit erfolgt, um den Produktionsprozess<br />

oder den Bahnverkehr nicht zu behindern.<br />

Robotersystem<br />

Flexible automatische Prüfungen<br />

Mit Robotest N hat Zwick-Roell ein Roboterprüfsystem<br />

für die Bearbeitung häufig<br />

wechselnder Prüfserien entwickelt.<br />

Auf Basis eines Smart Robots eignet sich<br />

Robotest N für beliebige Pick&Place-Aufgaben<br />

in Verbindung mit einer Vielzahl<br />

von Zwick-Roell-Prüfmaschinen. Auch die<br />

Nachrüstung eines bereits bestehenden<br />

Prüfsystem lässt sich umsetzen.<br />

Das System ist in die Prüfsoftware<br />

Testxpert III und die Automatisierungssoftware<br />

Autoedition 3 integriert. Die<br />

Programmierung erfolgt direkt aus dem<br />

Prüfprogramm. Dabei lassen sich die Achsen<br />

des Roboters frei schalten, um ihn per<br />

Hand zu führen. Durch die einfache Bedienung<br />

ist es laut Hersteller leicht, dem<br />

Roboter kurzfristig wechselnde Aufgaben<br />

zu übertragen. Selbst wenn zur Zeit noch<br />

keine wechselnden Serienprüfungen anstehen,<br />

lässt sich eine Prüflösung auf Basis<br />

des Systems realisieren, um bei Bedarf<br />

in kurzer Zeit eine andere Aufgabe zu<br />

übernehmen. Der Roboter stellt keine Gefahr<br />

für den Menschen dar, wird aber aufgrund<br />

des verlängerten Zangengreifers<br />

innerhalb einer Schutzeinrichtung aus<br />

Plexiglas betrieben – weiträumige<br />

Schutzmaßnahmen wie eine Einzäunung<br />

oder räumliche Abtrennung sind nicht<br />

nötig.<br />

Bild: Zwick-Roell<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 53


» NEWS & PRODUKTE<br />

Software<br />

Leichte Korrelationsanalysen<br />

Anwender der Raman-Spektroskopielösungen<br />

von Horiba können mit der Software<br />

Graphyx, die mit Digital Surf entwickelt<br />

wurde, Korrelationsanalysen erstellen.<br />

Die neue Software dient der Korrelationsanalyse<br />

von Raman-, AFM-, Raman-<br />

AFM-, Kathodolumineszenz- und Fluoreszenzdaten<br />

sowie Mikroskopiebildern<br />

(optische Mikroskopie, Rastersondenmikroskopie,<br />

Elektronenmikroskopie). Graphyx<br />

nutzt die Mountains-Algorithmen<br />

von Digital Surf und ist Teil des Horiba-<br />

Programmpakets Labspec 6, mit dem sich<br />

Merkmale in Proben durch das Kombinieren<br />

multimodaler Bilder hervorheben<br />

lassen, die mit REM-, Raman-,<br />

KL-, AFM-, NanoRaman-,<br />

EDX-, EBSD-, FTIR- und anderen<br />

Verfahren aufgenommen wurden.<br />

Die App wird standardmäßig in Instrumenten<br />

wie dem AFM-Raman und dem<br />

Nano-GPS Navyx geliefert. Nano-GPS<br />

Navyx ist eine multimodale und Mehrskalen-Lösung,<br />

die Musterstudien und<br />

die Zusammenarbeit zwischen Forschungsteams<br />

erleichtert, wenn diese<br />

Bild: Digital Surf<br />

unterschiedliche Analysewerkzeuge an<br />

verschiedenen Standorten einsetzen.<br />

Graphyx stellt in Verbindung mit Nano-<br />

GPS Navyx eine vollständige Lösung zum<br />

schnellen Verschieben von Untersuchungspunkten<br />

und zum Überlappen von Kartendaten<br />

auf mehreren Oberflächen dar.<br />

Messplattform<br />

System erkennt Defekte im Mikrometerbereich<br />

Bild: DW Fritz<br />

Die Inline-Messplattform Zerotouch von DW Fritz verwendet 3D-Scanner und erstellt<br />

innerhalb von 20 Sekunden ein 3D-Modell von Bremsscheiben. Zerotouch erkennt dabei<br />

Oberflächendefekte im Mikrometerbereich. Um Kosten und Zeitaufwand zu minimieren,<br />

hat DW Fritz Automation seine Zerotouch-Messplattform speziell für die Inspektion<br />

von Bremsscheiben angepasst. Das Zerotouch Rotational Metrology System<br />

(ZTR) prüft alle relevanten Parameter in einem Prüfvorgang und lässt sich platzsparend<br />

direkt in die Produktionslinie integrieren. Sämtliche Prozessschritte können automatisiert<br />

werden – einschließlich des Be- und Entladens des Teils in die Messplattform.<br />

Diese Plattform rotiert, während mehrere, berührungslose Sensoren die Bremsscheibe<br />

von verschiedenen Seiten abtasten. Der Vorgang dauert 20 s. Eine Analysesoftware erstellt<br />

dann ein mikrometergenaues 3D-Modell der Bremsscheibe. Dieses wird in Echtzeit<br />

auf geometrische Fehler oder Defekte an der Oberfläche überprüft, indem es mit<br />

einem Referenzmodell verglichen wird.<br />

Thermografie<br />

Messsystem für die additive Fertigung<br />

Ein neues Messsystem des SKZ gewährt<br />

einen zerstörungsfreien Blick ins Innere<br />

von additiv gefertigten Kunststoffprodukten.<br />

Das SKZ besitzt langjährige Erfahrungen<br />

und umfassendes Know-how in der<br />

zerstörungsfreien Prüfung. Erstmals bietet<br />

es nun ein thermografisches Prüfsystem<br />

zur Fehlstellendetektion mittels Wärmebildkameras,<br />

das speziell für die additive<br />

Fertigung von Kunststoffbauteilen<br />

mit dem FDM-Verfahren (Fused Deposition<br />

Modeling) konzipiert wurde. Beim<br />

FDM-Verfahren wird das Bauteil durch<br />

schichtweisen Auftrag von erhitzten<br />

Kunststofffilamenten hergestellt. Typische<br />

Fehler, die beim Druckprozess auftreten<br />

können, sind eine fehlende<br />

Schichthaftung, Risse,<br />

Hohlräume und Verzug des<br />

Bauteils. Diese können mit<br />

dem Prüfsystem des SKZ<br />

durchgehend live während des<br />

Bauteildrucks visualisiert werden.<br />

Das neue System überwacht<br />

und dokumentiert den<br />

Druckprozess mithilfe von<br />

Wärmebildkameras, erfasst produktionsbedingte<br />

Fehlstellen und sortiert die Bauteile<br />

gegebenenfalls aus.<br />

Bild: SKZ<br />

54 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


Renishaw und Zeiss kooperieren<br />

Flexible Werkstückprüfung<br />

Das Prüfgerät Equator von Renishaw für<br />

die flexible Werkstückprüfung ist nun mit<br />

der Messsoftware Zeiss Calypso kompatibel.<br />

Anwender von Zeiss können das Prüfgerät<br />

künftig in ihrer gewohnten Umgebung<br />

betreiben und es nahtlos in ihre<br />

Produktion integrieren. Die Einbindung,<br />

Schulung und der Support der Hard- und<br />

Software erfolgen gemeinsam durch beide<br />

Unternehmen.<br />

„Das Equator-Prüfgerät ermöglicht eine<br />

Prozessüberwachung über äußerst wiederholgenaue,<br />

thermisch unempfindliche,<br />

Bild: Renishaw<br />

und vor allem neu<br />

programmierbare<br />

Messungen in der<br />

Fertigungsumgebung.<br />

Aus diesen<br />

Gründen ersetzen<br />

bereits viele Fertigungsunternehmen<br />

weltweit ihre aktuellen Prüfgeräte und<br />

Messlehren durch unsere Equator-Systeme“,<br />

sagt Rainer Lotz, President EMEA<br />

von Renishaw. „Mit der Einbindung von<br />

Equator können fertigungsnahe Daten<br />

aus Zeiss Calypso effizient zur Prozesssteuerung<br />

und Prozessoptimierung eingesetzt<br />

werden. Damit entfallen nicht nur<br />

die Betriebskosten zusätzlicher Softwarepakete,<br />

für die gesonderte Schulungen<br />

notwendig wären, sondern wir erweitern<br />

den Funktionsbereich unserer Software in<br />

gewohnter Umgebung.“<br />

Prüfzelle<br />

Automatisierte Scans mit zwei Robotern in der Linie<br />

Bild: Enigmasoft<br />

Enigmasoft bringt mit seiner Prüfzelle IQ-<br />

One die Qualitätskontrolle in die Linie. Für<br />

jedes Produkt wird anhand der Scandaten<br />

ein virtueller Zwilling erzeugt. Der standardisiert<br />

modulare Maschinenaufbau ermöglicht<br />

die Integration in kleine, mittlere<br />

und große Fertigungsanlagen. Die Zelle<br />

ist je nach Leistungsbedarf mit einem<br />

oder zwei Scan-Robotern erhältlich.<br />

Durch den parallelisierten Scan mit zwei<br />

Robotern wird laut Hersteller die Prüfzeit<br />

je Bauteil um 45 % reduziert. Je nach Kapazitätsbedarf<br />

lassen sich mehrere Zel-<br />

lenmodular aneinander reihen. Per Ethernet-Kabel<br />

ist die Maschine über Profinet,<br />

Profisafe, OPC-UA und SQL mit den Fertigungslinien<br />

vernetzt.<br />

Im Inneren der Zelle wird das zu prüfende<br />

Bauteil stationär und ohne Umspannen<br />

allseitig von robotergeführten 3D-Scannern<br />

digitalisiert. Durch den stationären<br />

Scan des Produktes werden keine komplexen<br />

Spann- und Drehvorrichtungen zur<br />

Bauteilaufnahme benötigt. Es besteht somit<br />

keine Gefahr, das zu prüfende Bauteil<br />

zu verspannen.<br />

Röntgenröhren<br />

Für ein großes Aufgabenspektrum<br />

Mit den neuen Mikrofokus-Röntgenröhren<br />

von Viscom lässt sich eine großes<br />

Spektrum von Aufgaben abdecken – und<br />

zwar mit ein und derselben Röntgenquelle.<br />

Von der Inspektion kleiner, filigraner<br />

Objekte über zeitoptimierte Serienprüfungen<br />

bis hin zur Durchstrahlung großer<br />

und massiver Bauteile reicht das Einsatzspektrum<br />

der Mikrofokus-Röntgenröhren,<br />

die über eine große Flexibilität verfügen.<br />

Die Mikrofokus-Röntgenröhren, die Viscom<br />

seit über 20 Jahren auf seinem Campus<br />

in Hannover entwickelt und fertigt,<br />

zeichnen sich insbesondere durch<br />

vielfältige Einsatzmöglichkeiten in<br />

Röntgenlaboren oder als Bestandteil<br />

von Premium-Inspektionssystemen<br />

aus. OEMs können zum Beispiel<br />

ihre Computertomographen und<br />

röntgenbasierten Koordinatenmesssysteme<br />

mit Röhren von Viscom ausstatten.<br />

Durch die kleinen Brennfleckdurchmesser<br />

der Röhren stehen bei Bedarf sehr hohe<br />

Auflösungen bereit. Mit besonders hohen<br />

Beschleunigungsspannungen (bis zu 320<br />

kV) gelingt eine sehr gute Durchdringung<br />

von massiven Objekten. Über sehr lange<br />

Zeit konstante Betriebsparameter der<br />

Röhren werden dadurch erreicht, dass<br />

automatisch die Filamentheizung den<br />

Betriebsbedingungen angepasst und der<br />

Elektronenstrahl nachjustiert wird, zudem<br />

ist der Ort des Brennflecks auf dem<br />

Target verstellbar.<br />

Bild: Viscom<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 55


» NEWS & PRODUKTE<br />

Computertomographie<br />

Auf das Wesentliche reduziert<br />

Diondos neuer Computertomograph Evo<br />

03 ist für komplexe Mess- & Prüfaufgaben<br />

kleiner und mittelgroßer Teile konzipiert.<br />

„Mit der Evo-03-Anlage erweitern<br />

wir unser Angebot um ein CT-System, das<br />

durch seine Reduktion auf das Wesentliche<br />

bei gleichzeitig vielfältigen Einsatzmöglichkeiten<br />

gewissermaßen zwei Welten<br />

miteinander verbindet“, erklärt Martin<br />

Münker, Geschäftsführer von Diondo.<br />

„Als kompaktes CT-System eignet sich<br />

Evo 03 zur zuverlässigen Analyse und für<br />

komplexe Mess- & Prüfaufgaben kleiner<br />

Bild: Diondo<br />

und mittelgroßer Teile insbesondere aus<br />

Kunststoff, Keramik aber auch aus Leichtmetall.<br />

Unser Fokus liegt dabei auf maximaler<br />

Bedienerfreundlichkeit, die den<br />

Einsatz von Evo 03 ohne weitreichende<br />

Fachkenntnisse oder langwierige Schulung<br />

möglich macht.“<br />

Als Plug & Play Modell bedarf Evo 03 nur<br />

einer kurzen Schulung, um eingesetzt werden<br />

zu können und ist darüber hinaus noch<br />

komplett wartungsfrei. Die kompakte,<br />

platzsparende Bauweise (1260 x 870 x<br />

1640 mm bei 1290 kg Systemgewicht) erlaubt<br />

die Prüfung von Bauteilen mit Abmessungen<br />

von bis zu Durchmesser<br />

100 x 85 mm bei einer Auflösung von<br />

56 µm und einer Messgenauigkeit von wenigen<br />

Mikrometern. Andere Varianten ermöglichen<br />

es, eine Reihe von Objektgrößen<br />

und Auflösungsanforderungen zu erfüllen.<br />

Messraumbestückung<br />

Mobile Strukturplatte mit multidirektionalem Antrieb<br />

Bild: Witte<br />

Mit der multidirektional steuerbaren Strukturplatte Fixbase<br />

MDD hat der Spannsystemspezialist Witte eine Lösung<br />

für die vollautomatisierte mobile Messraumbestückung<br />

und Beladeprozesse entwickelt. Fixbase MDD basiert<br />

auf dem Witte-Strukturplattensystem in Sandwichbauweise,<br />

ergänzt um eine neuentwickelte modulare<br />

Antriebs- und Steuerungstechnologie. Diese ermöglicht<br />

ein unlimitiertes, freies Kombinieren von Fahrtrichtungen.<br />

Im Zentrum des Antriebskonzepts stehen acht Mecanum-Räder<br />

pro Fahrwerk – davon vier angetrieben –<br />

auf je zwei luftgelagerten Fahrwerksschwingen. Luft-<br />

Hebekissen und Z-Positionierungen sorgen für eine vollständige<br />

Entlastung der Räder, präzises Absenken der<br />

Platte auf Z-Position und exakt nivellierten Stand auch<br />

auf unebenem Boden.<br />

Druckmittler<br />

Geeignet für Temperaturen bis 450 °C<br />

Wika hat einen Druckmittler auf Applikationen<br />

mit sehr heißen Medien zugeschnitten:<br />

Der Typ 990.45 eignet sich für<br />

Temperaturen bis 450 °C. Das Gerät findet<br />

auch Verwendung in Raffinerien, um bei<br />

hohen Prozesstemperaturen präzise messen<br />

zu können. Es wird ohne zusätzliches<br />

Kühlelement mit einer Kapillare und einem<br />

Standardmessgerät zu einem System<br />

vereint. Sein Unterteil samt Flanschanschluss<br />

ist aus einem Stück gefertigt, was<br />

das Leckagerisiko minimieren soll. Kundenspezifische<br />

Dichtungen vereinfachen<br />

die Anbindung des Druckmittlers an den<br />

jeweiligen Prozess.<br />

Das Gerät von Wika lässt sich mit Vorrichtungen<br />

für eine Hebehilfe ausstatten. Damit<br />

kann es bewegt und installiert werden.<br />

Ein im Unterteil integrierter Spülanschluss<br />

ermöglicht zudem eine Reinigung<br />

des Druckmittlers ohne vorherige Demontage.<br />

Bild: Wika<br />

56 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022


QUALITY WORLD «<br />

3D-Scantechnik verarbeitet evolutionäre Artefakte<br />

Auf den Spuren des<br />

Beutelwolfs<br />

Zwei australische Forscher haben ein ehrgeiziges Projekt angestoßen,<br />

um die Evolutionsgeschichte des inzwischen ausgestorbenen<br />

Beutelwolfs zu beleuchten. Dazu wurden hunderte von Schädeln in<br />

Museen auf der ganzen Welt mit Hilfe von 3D-Scans digitalisiert.<br />

Der handgeführte Scanner<br />

„Space Spider“ erfasst bis zu<br />

einer Million Datenpunkte<br />

pro Sekunde mit einer<br />

Genauigkeit von 0,05 mm.<br />

Bild: Douglass S. Rovinsky<br />

Der tasmanische Wolf ist keineswegs<br />

mit dem Wolf verwandt. Genau dies<br />

wollen die beiden Evolutionsbiologen Dr.<br />

Douglass Rovinsky und Dr. Justin W.<br />

Adams von der Monash University in<br />

Australien bestätigen. Dafür haben die<br />

Forscher eine umfassende Studie angestoßen<br />

und nutzen dabei die 3D-Scantechnologie<br />

von Artec 3D.<br />

Die Geschichte des Beutelwolfs reicht<br />

23 Mio. Jahre zurück. Um die Hintergründe<br />

des ausgestorbenen Tieres besser<br />

zu verstehen, haben die beiden Wissenschaftler<br />

die Ähnlichkeitsmuster zwischen<br />

dem Beutelwolf und anderen Arten<br />

in den drei Bereichen Schädelform,<br />

Ernährung und relative Beutegröße untersucht<br />

und analysiert. Um die Schädelformen<br />

genau vermessen und untersuchen<br />

zu können, war eine kontaktlose<br />

Methode erforderlich, mit der Daten bis<br />

in den Submillimeterbereich erfasst werden<br />

können.<br />

Die meisten Schädel werden dabei in<br />

Sammlungen aufbewahrt, zu denen nur<br />

ein kontrollierter und begrenzter Zugang<br />

möglich ist. „Wenn wir in einem Museum<br />

die Erlaubnis bekommen, ein Exemplar zu<br />

untersuchen, dann will der Kurator natürlich<br />

auf keinen Fall Kratzer oder andere<br />

Beschädigungen riskieren“, so Rovinsky.<br />

„Sei es durch manuelle Messgeräte wie<br />

einem Tastzirkel oder durch die einfache<br />

Handhabung des Exponats.“ Und das Anbringen<br />

von Markierungen oder Zielmarken<br />

auf den Schädeln sei sowieso ausgeschlossen.<br />

Für die Digitalisierung haben sich die<br />

Forscher für das Modell „Space Spider“<br />

entschieden, einem leichten, tragbaren<br />

3D-Farbscanner des Herstellers Artec 3D.<br />

Das Gerät erfasst bis zu einer Million Da-<br />

tenpunkte pro Sekunde mit einer Genauigkeit<br />

von 0,05 mm. Insgesamt wurden<br />

über 200 Schädel von 57 Exemplaren bis<br />

in den Submillimeterbereich digitalisiert.<br />

Untersucht wurden untere anderem Beutelwölfe,<br />

Hyänen, Zibetkatzen, Mangusten,<br />

Beutelmarder, Hunde und Waschbären.<br />

Aus evolutionärer Sicht mussten andere<br />

fleischfressende Beuteltiere mit einbezogen<br />

werden, ebenso eine Auswahl<br />

anderer kleiner Fleischfresser wie Zibetkatzen,<br />

Mungos und Wiesel. Die Scans<br />

wurden anschließend mit dem Programmpaket<br />

„Artec Studio“ in 3D-Modelle<br />

umgewandelt und zudem in eine weitere<br />

Software exportiert, um quantitative<br />

Analysen der 3D-Form der Schädel durchzuführen.<br />

Nach dem Scannen mussten für die<br />

anschließenden 3D-geometrischen Morphometrie-Analysen<br />

anatomische Orientierungspunkte<br />

digital auf der Oberfläche<br />

jedes 3D-Schädels platziert werden.<br />

Damit konnten die verschiedenen Formmerkmale<br />

des Schädels genau identifiziert<br />

und erfasst werden. Die Ergebnisse<br />

der Analysen und Konvergenztests lieferte<br />

Einblicke in die Lebensweise der<br />

Beutelwölfe, die bislang noch nicht gegeben<br />

waren. Die Daten zeigen, dass es<br />

eine Konvergenz gibt zwischen dem<br />

Beutelwolf und den afrikanischen Schakalen,<br />

aber auch den südamerikanischen<br />

Füchsen.<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 57


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IMPRESSUM<br />

FIRMENINDEX (Redaktion/Anzeige)<br />

ISSN 1436-2457<br />

Herausgeberin:<br />

Katja Kohlhammer<br />

Verlag<br />

Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH<br />

Ernst-Mey-Straße 8,<br />

70771 Leinfelden-Echterdingen, Germany<br />

Geschäftsführer: Peter Dilger<br />

Verlagsleiter: Peter Dilger<br />

Redaktion:<br />

Chefredakteur:<br />

B.A. Alexander Gölz (ag), Phone +49 711 7594–438<br />

Ernst-Mey-Straße 8, 70771 Leinfelden-Echterdingen, Germany<br />

Redakteure:<br />

Sabine Koll, Uwe Schoppen, Markus Strehlitz<br />

E-Mail: qe.redaktion@konradin.de<br />

Redaktionsassistenz:<br />

Daniela Engel, Phone +49 711 7594-452<br />

E-Mail: daniela.engel@konradin.de<br />

Layout:<br />

Michael Kienzle, Phone +49 711 7594-258<br />

Gesamtanzeigenleiter:<br />

Verantwortlich für den Anzeigenteil:<br />

Joachim Linckh, Phone +49 711 7594-565<br />

E-Mail: joachim.linckh@konradin.de<br />

Auftragsmanagement:<br />

Annemarie Olender, Phone +49 711 7594-319<br />

Leserservice<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> +49 711 7252–209<br />

E-Mail: konradinversand@zenit-presse.de<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> erscheint 5 x jährlich. Bezugs preise:<br />

Inland 68,75 € inkl. Versand kosten und MwSt.; Ausland:<br />

68,75 € inkl. Versandkosten. Einzelverkaufspreis: 13,80 € inkl.<br />

MwSt., zzgl. Versandkosten.<br />

Sofern die Lieferung nicht für einen bestimmten Zeitraum<br />

bestellt war, läuft das Abonnement bis auf Widerruf.<br />

Bezugszeit: Das Abonnement kann erstmals vier Wochen<br />

zum Ende des ersten Bezugsjahres gekündigt werden. Nach<br />

Ablauf des ersten Jahres gilt eine Kündigungsfrist von jeweils<br />

vier Wochen zum Quartalsende. Bei Nichterscheinen<br />

aus technischen Gründen oder höherer Gewalt entsteht kein<br />

Anspruch auf Ersatz.<br />

Auslandsvertretungen:<br />

Großbritannien: Jens Smith Partnership, The Court, Long<br />

Sutton, GB-Hook, Hampshire RG29 1TA, Phone 01256<br />

862589, Fax 01256 862182, E-Mail: jsp@trademedia.info;<br />

USA: D.A. Fox Advertising Sales, Inc. Detlef Fox, 5 Penn Plaza,<br />

19th Floor, New York, NY 10001, Phone +1 212 8963881,<br />

Fax +1 212 6293988, detleffox@com cast.net<br />

Druck:<br />

Konradin Druck, Kohlhammerstraße 1–15,<br />

70771 Leinfelden-Echterdingen, Printed in Germany<br />

© 2022 by Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH,<br />

Leinfelden-Echterdingen<br />

Kooperationspartner:<br />

AFQ Akademie für<br />

Qualitätsmanagement<br />

1zu1 40<br />

Accretech 60<br />

AIT 53<br />

Artec 3D 57<br />

Atecare 53<br />

Babtec 10, 58<br />

Blum-Novotest 52<br />

Bosch 22<br />

Cognex 41<br />

Denkweit 6<br />

DGQ 10<br />

Digital Surf 54<br />

Diondo 56<br />

DW Fritz 54<br />

Enigmasoft 39, 55<br />

Fraunhofer IPM 46<br />

Fraunhofer LBF 32<br />

Freudenberg<br />

Sealing Technologies 34<br />

Frost & Sullivan 40<br />

Hexagon 18<br />

Hochschule Luzern 14<br />

Imprintec 52<br />

IQM Tools 21<br />

JAI 43, 45<br />

Jenoptik 18<br />

Kapp Niles Metrology 6<br />

Kitov 53<br />

Landesmesse Stuttgart 35<br />

Mahr 18, 36<br />

Wo Qualität drauf steht,<br />

ist auch Qualität drin.<br />

Marposs 18<br />

Micro-Epsilon 5<br />

Mitutoyo 18<br />

Nela 52<br />

OGP 18, 31<br />

P. E. Schall 6<br />

Panovotec 43<br />

Renishaw 55<br />

Reusch Rechtsanwälte 17<br />

Saargummi 28<br />

SKZ 6, 30, 54<br />

Teledyne Flir 49<br />

Tietz4D 9<br />

VDMA 18<br />

VDW 11<br />

Viscom 55<br />

Wenzel 6, 18, 40<br />

Werth 3<br />

Wika 56<br />

wirth + partner 13<br />

Xactools 6<br />

Yxlon 2<br />

Zeiss 6, 18, 22, 55<br />

Zwick-Roell 53<br />

Vier Ausgaben im Jahr sorgen für maximalen Lesenutzen<br />

und Leselust. QUALITY ENGINEERING widmet sich seit<br />

2013 ausschließlich und umfangreich der Story hinter der<br />

Firma, dem Produkt oder der Lösung, aber auch den Strategien<br />

und Problemen rund um die Qualität.<br />

www.qe-online.de<br />

<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022 59


Securing<br />

<strong>Quality</strong><br />

Together<br />

www.accretech.eu<br />

60 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 03 | 2022

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