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Wirtschaft in Sachsen_Sommerausgabe_2022

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16 PERSONAL & FÜHRUNG<br />

Soll man sich bei der Arbeit<br />

als homosexuell outen?<br />

Der Dresdner<br />

Architekt<br />

Christoph Hahn<br />

spricht<br />

über se<strong>in</strong>e<br />

Erfahrungen<br />

Von Joachim Göres<br />

Soll ich als Berufsanfänger im neuen<br />

Betrieb gleich sagen, dass ich<br />

schwul b<strong>in</strong>?“ E<strong>in</strong>e Frage, die Christoph<br />

Hahn nicht mit e<strong>in</strong>em Satz beantworten<br />

kann. Der Dresdner Architekt ist<br />

mit se<strong>in</strong>er Homosexualität bei se<strong>in</strong>en Arbeitgebern<br />

immer offen umgegangen. Inzwischen<br />

führt er als Geschäftsführer bei<br />

Hahn + Kollegen selber Gespräche mit<br />

Stellenbewerbern. „Man merkt <strong>in</strong> wenigen<br />

M<strong>in</strong>uten, ob bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>stellungsgespräch<br />

e<strong>in</strong> Pflichtprogramm abgespult<br />

wird oder ob es e<strong>in</strong> wirkliches Interesse<br />

an dem Menschen gibt“, sagt Hahn und<br />

fügt h<strong>in</strong>zu: „Ich würde me<strong>in</strong>e sexuelle<br />

Orientierung nicht demonstrativ vor mir<br />

hertragen, aber wenn ich e<strong>in</strong> Interesse an<br />

me<strong>in</strong>er Person spüre und private D<strong>in</strong>ge<br />

thematisiert werden, dann würde ich sie<br />

auch nicht verstecken.“<br />

Hahn wurde 1966 <strong>in</strong> Ilmenau geboren,<br />

hat <strong>in</strong> Weimar Anfang der 90er-Jahre<br />

Der Dresdner Architekt Christoph Hahn rät zu e<strong>in</strong>em offenen Umgang mit Homosexualität.<br />

Architektur studiert und danach <strong>in</strong> Architekturbüros<br />

<strong>in</strong> Jena und Dresden gearbeitet.<br />

Seit vielen Jahren ist er im Völkl<strong>in</strong>ger<br />

Kreis aktiv, e<strong>in</strong>em Zusammenschluss von<br />

New Work Hybrid - So motivieren Sie<br />

Mitarbeiter, nach Corona aus dem<br />

Home Office zurück <strong>in</strong>s Büro zu wollen!<br />

Viele Mitarbeiter haben es sich <strong>in</strong> den letzten 2 Jahren im<br />

Homeoffice gemütlich gemacht und wollen gar nicht zurück <strong>in</strong><br />

den „Arbeits-alt-tag“. Das kann man verstehen, denn viele<br />

Büros s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>fach nicht attraktiv, was zuvor gar nicht so stark<br />

auffiel. E<strong>in</strong>e gut konzipierte Arbeitswelt und e<strong>in</strong>e neue, hybride<br />

Arbeitskultur kann sowohl erheblich die Bewirtschaftungs-<br />

kosten senken sowie die Mitarbeiterb<strong>in</strong>dung und die<br />

Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter steigern. Das wirkt<br />

positiv auf die Gesundheit und die Motivation der Mitarbeiter.<br />

Visio Real Consult entwickelt hybride Arbeitswelten,<br />

www.newworkhybrid.de, die den Bedürfnissen der<br />

Mitarbeitenden und der Unternehmen entsprechen. Am<br />

Anfang steht e<strong>in</strong>e Status Quo Analyse, die anhand e<strong>in</strong>es<br />

digitalen Zwill<strong>in</strong>gs die erhaltens- und die veränderungswürdigen<br />

Bereiche onl<strong>in</strong>e begehbar macht und wie durch e<strong>in</strong>e<br />

Lupe verstärkt.<br />

Wie der Name es verspricht, wird geme<strong>in</strong>sam mit dem<br />

Unternehmen e<strong>in</strong>e Vision entwickelt und bis zur Realisierung<br />

begleitet. Mit dem Bus<strong>in</strong>ess Village - www.bus<strong>in</strong>ess-village.de -<br />

unterstreicht Visio Real<br />

Consult bereits seit 8<br />

Jahren se<strong>in</strong>e Expertise<br />

und begleitet Unter-<br />

nehmen und ihre<br />

Mitarbeiter, KMUs sogar<br />

mit Fördermitteln, auf<br />

dem Weg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

gesunde Arbeitswelt für<br />

mehr Mitarbeiterzufriedenheit.<br />

Bus<strong>in</strong>ess Villlage<br />

Visio Real Consult GmbH & Co. KG<br />

Altkötzschenbroda 23a<br />

01445 Radebeul<br />

www.visioreal.de/projekte<br />

schwulen Führungskräften. Dazu zählen<br />

Unternehmer, Freiberufler, Selbstständige,<br />

Beamte, leitende Angestellte, Hochschullehrer,<br />

Berater. Bundesweit gibt es<br />

rund 20 Regionalgruppen, e<strong>in</strong>e davon ist<br />

die Dresdner Gruppe mit derzeit drei Mitgliedern.<br />

„Wir treffen uns unregelmäßig<br />

<strong>in</strong> Kneipen und sprechen darüber, was<br />

uns gerade bewegt. Es gibt ke<strong>in</strong> festes<br />

Thema“, sagt Hahn.<br />

In anderen Städten legen die Mitglieder<br />

Wert darauf, unter sich zu bleiben –<br />

die VK-Treffen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> geschützter<br />

Raum, denn nicht alle Mitglieder reden<br />

bei ihrer Arbeit über ihre sexuelle Orientierung.<br />

Hahn sieht da gewisse Unterschiede<br />

zwischen Ost- und Westdeutschland.<br />

„Der Völkl<strong>in</strong>ger Kreis wurde 1991 <strong>in</strong><br />

Hamburg gegründet, weil es im Westen<br />

bei vielen homosexuellen<br />

Männern<br />

das Gefühl<br />

der Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

bei der Arbeit<br />

gab. Diese<br />

Benachteiligung<br />

haben wir im<br />

Osten nicht so<br />

stark empfunden.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs<br />

wurde das<br />

Schwulse<strong>in</strong> bei<br />

uns auch nicht<br />

so offen gelebt<br />

wie im Westen“,<br />

sagt Hahn. Außer<br />

<strong>in</strong> Dresden<br />

bestehen im Osten noch VK-Gruppen <strong>in</strong><br />

Erfurt, Leipzig und Berl<strong>in</strong>.<br />

Hahn betont, dass er und se<strong>in</strong>e beiden<br />

Dresdner Mitstreiter aus dem Völkl<strong>in</strong>ger<br />

Kreis bei der Arbeit zu ihrer sexuellen<br />

Orientierung stehen. So br<strong>in</strong>gt Hahn zur<br />

Weihnachtsfeier oder zu Betriebsausflügen,<br />

zu denen auch die Partner der Mitarbeiter<br />

e<strong>in</strong>geladen s<strong>in</strong>d, se<strong>in</strong>en Mann mit.<br />

Hahn weiß, dass er es durch se<strong>in</strong>e Stellung<br />

möglicherweise e<strong>in</strong>facher hat als andere<br />

schwule Männer. „Als Geschäftsführer<br />

und Gesellschafter b<strong>in</strong> ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

privilegierten Stellung. Aber ich habe<br />

mich auch nicht anders verhalten, als ich<br />

„Jeder soll gerne zur<br />

Arbeit kommen,<br />

durch<br />

Zugewandtheit und<br />

Ansprache. In<br />

unserem Büro gibt<br />

es e<strong>in</strong>e hohe<br />

Verweilzeit, darauf<br />

b<strong>in</strong> ich stolz.“<br />

als junger Architekt noch angestellt war“,<br />

sagt er und ergänzt: „Auch die Branche<br />

spielt e<strong>in</strong>e Rolle. Bei uns arbeiten 14 Menschen,<br />

Architekturbüros s<strong>in</strong>d meist kle<strong>in</strong><br />

und überschaubar. Da redet man mehr<br />

über private D<strong>in</strong>ge und lernt sich besser<br />

kennen als bei großen Arbeitgebern.“<br />

Nicht zuletzt als Chef ist Hahn an e<strong>in</strong>er<br />

offenen Atmosphäre <strong>in</strong>teressiert. Se<strong>in</strong><br />

Ziel: „Jeder soll gerne zur Arbeit kommen,<br />

durch Zugewandtheit und Ansprache.<br />

In unserem Büro gibt es e<strong>in</strong>e hohe<br />

Verweilzeit, darauf b<strong>in</strong> ich stolz.“<br />

Hahn betont das Positive: Von Auftraggebern<br />

habe er bislang nie abschätzige<br />

Kommentare wegen se<strong>in</strong>er Homosexualität<br />

gehört. In der evangelischen<br />

Dresdner Kirchengeme<strong>in</strong>de, <strong>in</strong> der Hahn<br />

als gewählter Kirchenvorsteher aktiv ist,<br />

werde er geschätzt.<br />

Bei Ausflügen<br />

mit se<strong>in</strong>em<br />

Mann <strong>in</strong><br />

Dresden und<br />

Umgebung, „bei<br />

denen wir als<br />

schwules Paar<br />

identifizierbar<br />

s<strong>in</strong>d“, habe er <strong>in</strong><br />

vielen Jahren<br />

nur zweimal demonstrative<br />

Ablehnung<br />

erfahren.<br />

Und doch<br />

macht er sich<br />

wegen gesellschaftlicher<br />

Entwicklungen<br />

auch Sorgen. „Es gibt die<br />

Tendenz, M<strong>in</strong>derheiten auszugrenzen.<br />

Im politischen Bereich gibt es durch die<br />

AfD ganz offene Diskrim<strong>in</strong>ierungen, die<br />

früher Entrüstungsstürme ausgelöst hätten<br />

und heute h<strong>in</strong>genommen werden.<br />

Gerade deshalb hat der Völkl<strong>in</strong>ger Kreis<br />

nach wie vor se<strong>in</strong>e Berechtigung, um<br />

Männern e<strong>in</strong> Zuhause zu geben und geme<strong>in</strong>sam<br />

etwas gegen Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

zu tun.“<br />

VK-Vorstandsmitglied Holger Reuschl<strong>in</strong>g<br />

verweist auf Studien, wonach 20<br />

bis 60 Prozent der LGBT-Menschen bei<br />

der Arbeit ihre sexuelle Orientierung aus<br />

Foto: Tobias Ritz<br />

Angst vor Nachteilen für sich behalten.<br />

„Gerade junge und sehr gut ausgebildete<br />

Menschen, die sich im privaten Umfeld<br />

offenbart haben, scheuen das Out<strong>in</strong>g<br />

beim E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> den Beruf“, sagt Reuschl<strong>in</strong>g.<br />

„Viele fühlen sich mit diesen Fragen<br />

alle<strong>in</strong> und nehmen deswegen mit<br />

uns Kontakt auf. Unser Netzwerk hat<br />

nicht wenige ermutigt, sich zu ihrer sexuellen<br />

Orientierung zu bekennen“, betont<br />

Reuschl<strong>in</strong>g. Er hat lange für die<br />

Commerzbank gearbeitet und erst im Alter<br />

von 43 Jahren im Büro erzählt, dass er<br />

mit e<strong>in</strong>em Mann zusammenlebt. „Vorher<br />

musste ich lügen, wenn ich gefragt wurde,<br />

was ich am Wochenende gemacht habe.<br />

So e<strong>in</strong> Doppelleben kostet Kraft“, sagt<br />

der selbstständige Unternehmensberater.<br />

Mittlerweile präsentieren sich viele große<br />

Unternehmen als LGBT-freundliche Arbeitgeber<br />

– die englische Abkürzung<br />

steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle und<br />

Transgender.<br />

Speziell an diese Personengruppe<br />

wenden sich Aussteller wie Deutsche<br />

Bahn, Henkel, Bertelsmann und Allianz<br />

auf der Job- und Karrieremesse sticks &<br />

stones, die im Juni <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> stattfand.<br />

Standorte <strong>in</strong> Dresden haben unter anderem<br />

die Aussteller BNP Paribas Deutschland<br />

und die Offerista Group. Auf der<br />

sticks & stones werben Konzerne damit,<br />

dass sie beispielsweise Sanktionen für diskrim<strong>in</strong>ierendes<br />

Verhalten am Arbeitsplatz<br />

festlegen und geschlechtsspezifische<br />

Kleidungsvorschriften ablehnen.<br />

Reuschl<strong>in</strong>g freut sich über diese Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>erseits, ist bei der Bewertung<br />

aber zurückhaltend: Er sieht die Gefahr<br />

des sogenannten p<strong>in</strong>k wash<strong>in</strong>g – bei<br />

Arbeitgebern, die sich nur aus Kalkül<br />

tolerant geben, um so dr<strong>in</strong>gend gesuchte<br />

Fachkräfte und neue Kunden zu gew<strong>in</strong>nen.<br />

„Heute sieht man oft homosexuelle<br />

Paare <strong>in</strong> der Werbung, das war vor fünf<br />

Jahren noch undenkbar“, so Reuschl<strong>in</strong>g.<br />

Ob es Unternehmen wirklich ernst<br />

me<strong>in</strong>en mit ihrem Engagement gegen<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung, könne man unter<br />

anderem daran sehen, ob es e<strong>in</strong> LGBT-<br />

Netzwerk für <strong>in</strong>teressierte Mitarbeiter<br />

gebe.

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