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Vortrag Dr. Elisabeth Thérèse Winter

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strikt atheistisch und verkündet den Tod Gottes. Die Erfahrungen des ersten<br />

Weltkrieges vertiefen die unsägliche Not eines abwesenden Gottes. Madeleine<br />

stürzt sich, um sich abzulenken, in den lauten Trubel der Stadt Paris. Eine zer‐<br />

brochene Liebesbeziehung bringt sie an den Rand ihrer psychischen Gesund‐<br />

heit. Erst in der Begegnung mit konkreten jungen Christinnen und Christen er‐<br />

wachen ihre Neugier und ihre Hoffnung, dass da doch etwas zu finden sei, und<br />

dass dieser Gott vielleicht doch eine gewisse Wirklichkeit besitzt. Betend er‐<br />

fährt sie die lebendige Anwesenheit eines Gottes, „den man lieben kann, wie<br />

man eine Person liebt.“ Immer wieder wird sie sagen, dass sie von Gott über‐<br />

wältigt wurde und nicht mehr sich selbst gehört. Von da an führt sie ihr Weg<br />

immer tiefer in ein mystisches Verbundensein im Gebet, in die Gemeinschaft<br />

Gleichgesinnter und in die konkrete Not der Gesellschaft. In Ivry, einem kom‐<br />

munistisch geprägten Vorort von Paris, wird Madeleine über dreißig Jahre le‐<br />

ben und arbeiten und sich mit wesentlichen Fragen herumschlagen: bis zur<br />

Qual erlebt sie den Widerspruch zwischen den am Ort lebenden Christen, die<br />

sich eingerichtet haben in ihrer bürgerlich sicheren Welt, die ihren Milieu‐<br />

Katholizismus leben und sich deutlich abgrenzen vom atheistischen Umfeld,<br />

und den Kommunisten, die versuchen vor Ort auf die miserablen Lebensbedin‐<br />

gungen der Arbeiter zu reagieren, sich sozial zu engagieren und im Grunde das<br />

tun, was im Evangelium den Christen aufgetragen ist. Diesen Widerspruch er‐<br />

lebt Madeleine bis zum Zerreißen. Mehr als einmal, so wird sie später geste‐<br />

hen, erfährt sie die Versuchung, selbst zum Kommunismus überzutreten. Sie<br />

kennt die Versuchung, einer bloßen Menschlichkeit das Wort zu reden, einer<br />

Menschlichkeit, die sich selbst genügt und die Frage nach Gott aus welchen<br />

Gründen ausklammert oder negiert. Sie hat viele Freunde unter den Kommu‐<br />

nisten und geht im kommunistischen Rathaus ein und aus. Was sie letztlich ab‐<br />

hält, ist die Tatsache, dass der Kommunismus die Existenz Gottes leugnet. Hier<br />

kann Madeleine gerade nach ihrer Bekehrungserfahrung nicht zustimmen. Um‐<br />

so schärfer aber erlebt sie den Anspruch des Evangeliums: Der Christ soll nicht<br />

irgendwelche Ideen haben, sondern er ist angewiesen zu handeln. „Wir vertei‐<br />

digen Gott wie unser Eigentum, wir verkünden ihn nicht wie das Leben allen<br />

Lebens, wie den unmittelbaren Nächsten all dessen, was lebt.“ (Delbrêl, S. 238)<br />

Das Evangelium fordert eindeutig zur Tat heraus, zur Praxis, die der Liebe Got‐<br />

tes Herz, Hand und Fuß gibt. Es geht Madeleine um eine Fleisch gewordene<br />

Gläubigkeit, die bedeutet, sich einzumischen, sich hineinzubegeben in die rea‐<br />

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