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Münchner Ärztliche Anzeigen

TITELTHEMA 5

Foto: Shutterstock

einer schweren Tetraparese, einer

Trachealkanüle oder einer nichtinvasiven

Beatmung, wie dies oft etwa

bei einer fortgeschrittenen schweren

Muskelerkrankung der Fall ist,

brauchen eine solche außenklinische

Intensivpflege.

Wie erging es diesen Menschen

während der Pandemie?

Für viele war es sehr schwer. Die

Krankenhäuser waren oft belegt,

und wir hatten erhebliche Schwierigkeiten,

unsere Patient*innen dort

unterzubringen – ganz zu schweigen

von Assistenz- oder Hilfskräften, die

nicht mit in die Klinik durften. Unsere

Hilfskräfte konnten dort nur schwer

Kontakt zu den von ihnen betreuten

Menschen aufnehmen. Es ist aber

sehr wichtig, dass Patient*innen mit

so schweren Behinderungen von

Menschen begleitet werden, die darin

geübt sind, mit ihnen umzugehen.

Bei vielen unserer Patient*innen ist

es zudem notwendig, eine ganztägige

Betreuung zu gewährleisten.

Wenn nur ab und zu jemand vorbeikommt,

fällt meist die ganze Mobilisation,

wie z.B. in den Elektrorollstuhl,

weg. Sie bleiben die ganze Zeit

im Bett und haben eine große

Gefahr, einen Dekubitus zu entwickeln.

Auch psychisch geht es ihnen

im Krankenhaus oft sehr schlecht,

weil sie kaum Ansprache haben.

Gab es bei Ihnen schwere Coronaverläufe

?

Nein, interessanterweise nicht, auch

nicht bei unseren beatmeten Patient*innen.

Im weitesten Umfeld hatten

wir einen Todesfall, der aber

nicht direkt auf Corona zurückzuführen

war. Wir hatten zwar Infektionen,

auch bei unseren beatmeten Patient*innen.

Diese sind aber zum

Glück glimpflich abgelaufen. Unsere

Patient*innen sind allerdings überwiegend

jung, zwischen 18 und 40,

und haben das Immunsystem ihres

Alters. Zudem leiden sie nur sehr

selten unter den bekannten Risikofaktoren

wie Gefäßerkrankungen,

Diabetes oder Adipositas.

Woran ist diese eine Person verstorben?

Dieser etwas ältere Patient musste

zu Anfang der Coronapandemie in

ein Krankenhaus, in dem zu dieser

Zeit natürlich „Land unter“

geherrscht hat. Das war sehr schwer

für ihn. Es muss oft nichts Schlimmes

passieren, damit gerade ältere

oder in ihrer Mobilität eingeschränkte

Menschen im Krankenhaus Komplikationen

entwickeln. Ich kann

natürlich nicht sagen, ob das zu

Hause auch passiert wäre. Durch die

Maßnahmen der Isolierung, der

Hygienemaßnahmen und der Reglementierung

des Zugangs war die

Pflegesituation extrem angespannt.

Wie ergeht es Ihren Patient*innen

allgemein in Kliniken?

Ein Klinikaufenthalt ist für sie immer

eine Gefahr. Das war auch schon vor

Corona so. Keine*r unserer Patient*innen

möchte in eine Klinik, oder

nur so kurz wie möglich. Auf den

Normalstationen ist ein Krankenhausaufenthalt

nur schwer durchführbar,

weil dort nachts nicht selten

eine einzige Pflegekraft für 30 oder

mehr Patient*innen zuständig ist.

Auch auf einer Intensivstation ist es

nicht so einfach. Die meisten unserer

Patient*innen sind wach und

müssen nur deshalb auf der Intensivstation

versorgt werden, weil dort

die pflegerische Situation besser ist.

Das Umfeld dort ist für sie aber nicht

geeignet. Es ist nicht vorgesehen,

dass Menschen selbstständig im

Rollstuhl herumfahren, sondern sie

liegen dort in der Regel 24 Stunden

im Bett und dürfen maximal eine

zeitlang neben dem Bett sitzen, verkabelt

an einen Monitor. Unsere Patient*innen

haben zwar den Personalbedarf

einer Intensivstation, meist

aber nicht den medizintechnischen

Bedarf. Sie bräuchten ein Zwischending

zwischen Intensiv- und Normalstation.

Gibt es so etwas in München?

Meines Wissens noch nicht. In Kliniken,

die an Behinderteneinrichtungen

angeschlossen sind, gibt es

teilweise ein paar Betten für diese

Personengruppen – mit höherer Personalbesetzung,

aber ohne die klassische

Intensivausstattung. Diese

Kosten müssen die Kliniken in der

Regel aber selbst übernehmen. Viele

können das nur deshalb, weil sie

nicht so stark auf Kassenleistungen

angewiesen sind, sondern – wie wir

– auch andere Mittel, etwa aus der

Eingliederungshilfe, erhalten. Eine

Alternative wäre, dass Assistenzpersonen

oder Angehörige ins Klinikum

mitkommen, wenn es keine Corona-

Einschränkungen gibt. Ihnen ist das

zwar prinzipiell erlaubt, obwohl sie

dort oft kein eigenes Bett bekommen.

Eine von der Krankenkasse

bezahlte Intensivpfleger*in wird

allerdings nicht weiterbezahlt, wenn

die betreute Person ins Krankenhaus

muss.

Außerhalb der Intensivstationen

fehlt es fast immer an Hilfsmitteln

wie mobilen mechanischen Liftern,

um Menschen vom Bett in den Rollstuhl

oder auf eine Untersuchungsliege

transferieren zu können. Damit

wären viele Untersuchungen viel einfacher

durchführbar. Zum Glück gibt

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