Naturhistorica 157 „Die Meteorite Niedersachsens“
Schon immer üben Meteoritenfälle auf die Menschen, die Zeugen eines solchen Ereignisses werden, eine besondere Faszination aus. In fast jedem Kulturkreis der Welt finden sich Beispiele dafür, dass nach beobachteten Fällen aufgefundene Meteorite als göttliche Zeichen gedeutet und/oder als Heiligtümer verehrt worden sind. Mit Beginn der Aufklärung in Europa wurden sie als solche meist entmystifiziert und in der Folge gerieten viele Meteoriten in Vergessenheit oder wurden sogar achtlos weggeworfen. Erst als zum Ende des 18. Jahrhunderts die wahre Natur solcher extraterrestrischer Körper durch die Wissenschaft erkannt wurde, erlebte das Sammeln und Bewahren dieser kosmischen Raritäten eine Renaissance – nun jedoch als wertvoller Forschungsgegenstand, bis in die heutige Zeit. Für Niedersachsen gelten bisher neun Meteoritenfälle bzw. -funde als gesichert. Von sieben dieser Meteorite ist bis heute ein Großteil des Materials erhalten geblieben und wird als wertvolles Sammlungsgut in öffentlichen wie auch privaten Sammlungen aufbewahrt. Die vorliegende Publikation beleuchtet die einzelnen Fallereignisse und Funde von Meteoriten auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsen in den letzten 500 Jahren. Wer noch nie etwas von Meteoriten gehört hat bzw. mit Meteoritenkunde zu tun hatte, wird sicherlich verwundert sein, wie viele unterschiedliche derartige „Himmelskörper“ es gibt. Die Beschreibungen der einzelnen Meteorite werden durch reichhaltiges historisches und aktuelles Bildmaterial illustriert, wie auch zu großen Teilen mit bisher unveröffentlichten oder gänzlich unbekannten Dokumenten ergänzt. Die jeweilige zeitgenössische Dokumentation spiegelt nicht nur den entsprechenden Forschungsstand auf dem Gebiet der Meteoritenkunde wieder, sondern erlaubt auch spannende Einblicke in Leben und Zeitgeist der jeweiligen Epoche. Ein großer Teil dieser Publikation war nur durch intensive Nachforschungen möglich. Dafür gebührt den beiden Autoren Alexander Gehler und Mike Reich hohe Anerkennung.
Schon immer üben Meteoritenfälle auf die Menschen, die Zeugen eines solchen Ereignisses werden, eine besondere Faszination aus. In fast jedem Kulturkreis der Welt finden sich Beispiele dafür, dass nach beobachteten Fällen aufgefundene Meteorite als göttliche Zeichen gedeutet und/oder als Heiligtümer verehrt worden sind. Mit Beginn der Aufklärung in Europa wurden sie als solche meist entmystifiziert und in der Folge gerieten viele Meteoriten in Vergessenheit oder wurden sogar achtlos weggeworfen. Erst als zum Ende des 18. Jahrhunderts die wahre Natur solcher extraterrestrischer Körper durch die Wissenschaft erkannt wurde, erlebte das Sammeln und Bewahren dieser kosmischen Raritäten eine Renaissance – nun jedoch als wertvoller Forschungsgegenstand, bis in die heutige Zeit.
Für Niedersachsen gelten bisher neun Meteoritenfälle bzw. -funde als gesichert. Von sieben dieser Meteorite ist bis heute ein Großteil des Materials erhalten geblieben und wird als wertvolles Sammlungsgut in öffentlichen wie auch privaten Sammlungen aufbewahrt.
Die vorliegende Publikation beleuchtet die einzelnen Fallereignisse und Funde von Meteoriten auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsen in den letzten 500 Jahren. Wer noch nie etwas von Meteoriten gehört hat bzw. mit Meteoritenkunde zu tun hatte, wird sicherlich verwundert sein, wie viele unterschiedliche derartige „Himmelskörper“ es gibt. Die Beschreibungen der einzelnen Meteorite werden durch reichhaltiges historisches und aktuelles Bildmaterial illustriert, wie auch zu großen Teilen mit bisher unveröffentlichten oder gänzlich unbekannten Dokumenten ergänzt. Die jeweilige zeitgenössische Dokumentation spiegelt nicht nur den entsprechenden Forschungsstand auf dem Gebiet der Meteoritenkunde wieder, sondern erlaubt auch spannende Einblicke in Leben und Zeitgeist der jeweiligen Epoche.
Ein großer Teil dieser Publikation war nur durch intensive Nachforschungen möglich. Dafür gebührt den beiden Autoren Alexander Gehler und Mike Reich hohe Anerkennung.
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8 Alexander Gehler und Mike Reich
schweren Stein, der am 19. Mai 861 in
den Garten eines Shintō-Schreins in Nogota
auf der japanischen Insel Kyushu fiel
und seitdem dort als besonderer Schatz des
Schreins aufbewahrt wird (Marvin 2006).
Auch für das Gebiet des heutigen Niedersachsen
(Abb. 1) sind – dokumentiert in
alten Chroniken – ein zweifelhafter (Oldenburg
[Eisen] – 1368) und zwei sichere
Meteoritenfälle (Nörten – 1580, Stolzenau
– 1647) aus der Zeit bis zum 18.
Jahrhundert beschrieben, deren gesamtes
Material jedoch seit langem als verschollen
gelten muss.
Im 18. Jahrhundert vollzog sich die
Wende von „Wunderkammern“ und „Kuriositätenkabinetten“,
in denen Meteorite
teils bisher ihren Platz fanden, zu systematischen
Naturalienkabinetten und ersten
wissenschaftlichen Universitäts- und Museumssammlungen
(vgl. Wettengl 2003;
Reich 2008). Während bis kurz vor Ende
des 18. Jahrhunderts noch vergleichsweise
wenig Material von Meteoritenfällen
in erste wissenschaftliche Sammlungen
gelangte und Funde von Eisenmeteoriten
dort lediglich als „gediegene Eisenmassen“
Eingang fanden, änderte sich dies in den
letzten 15 Jahren jenes Jahrhunderts nahezu
schlagartig. So ist heute beispielsweise
nur Material von zehn in den ersten 85
Jahren des 18. Jahrhunderts (1700 – 1784)
gefallenen Meteoriten in Sammlungen erhalten,
aus der kurzen Zeit zwischen 1785
und 1799 hingegen Probenmaterial von
neun Meteoriten. Dies ist zweifelsohne damit
zu erklären, dass durch das steigende
Interesse von Gelehrten an Meteoritenfällen
auch die Sensibilisierung der Bevölkerung
stieg, über diese Phänomene zu berichten,
die Stücke aufzusammeln und der
Wissenschaft zugänglich zu machen.
Ein Vorreiter unter den meteoriteninteressierten
Naturforschern war Ernst
Florens Friedrich Chladni (1756 – 1827),
den man als Begründer der wissenschaftlichen
Meteoritenkunde ansehen kann. Mit
seinem Werk „Über den Ursprung der von
Pallas gefundenen und anderer ihr ähnlicher
Eisenmassen, und über einige damit
in Verbindung stehende Naturerscheinungen“
(Chladni 1794) lieferte er überzeugende
Beweise zur kosmischen Herkunft
der Meteorite und deren Zusammenhang
mit beobachteten Feuerkugeln. Anfangs
wurde diese herausragende Publikation jedoch
sehr kritisch von Chladnis Wissenschaftskollegen
gesehen und es sollte fast
ein weiteres Jahrzehnt vergehen, bis seine
Erkenntnisse mehr oder weniger allgemein
akzeptiert wurden. Dies ist in erster Linie
auch einem großen Meteoritenschauer bei
L’Aigle in Frankreich (26. April 1803) sowie
der wissenschaftlichen Untersuchung
dieses mehrere tausend einzelne Steine
umfassenden Falles durch Jean-Baptiste
Biot (1774 – 1862) zu verdanken (Biot
1803).
In der Frühzeit der wissenschaftlichen
Meteoritenkunde wurde das Gebiet des
heutigen Niedersachsen nur knapp durch
einen bekannt gewordenen Meteoriten
verfehlt, der am 15. April 1812 zwischen
den Ortschaften Erxleben und Eimersleben
im heutigen Sachsen-Anhalt niederging
(vgl. Gehler & Reich 2014). Die
Geschichte der Meteorite Niedersachsens
nach Gründung der neuen Disziplin „Meteoritenkunde“
beginnt daher erst im Jahr
1855 mit dem Meteoriten von Bremervörde.
Diesem folgten bis heute drei beobachtete
Fälle, deren Material aufgefunden
worden ist (Oesede – 1927, Oldenburg
[Stein] – 1930, Braunschweig – 2013) sowie
der Fund von zwei Eisen- (Obernkirchen
– 1863, Emsland – 1940) und eines
Steinmeteoriten (Benthullen – 1944/45)
(vgl. Abb. 1).
Naturhistorica BERICHTE DER NATURHISTORISCHEN GESELLSCHAFT HANNOVER 157 · 2015