TUStPeterDGCJahresschrift2022
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DEUTSCHE GESELLSCHAFT
FÜR CHRONOMETRIE
JAHRESSCHRIFT 2022
Band 61
Michael Neureiter
»… zur allgemeinen Benachrichtigung über den
unaufhaltsamen Zeitverfluß …«
Das Turmuhrwerk 1780 der Stiftskirche
St. Peter, Salzburg
Die Restaurierung und Revitalisierung des Werks
von Johann Bentele sen.
»Es ist eine herrliche Sache um die Erfindung der
Uhrwerke …, daß man den Erfindern und Vervollkommnern
derselben für diesen der Menschheit
erwiesenen immerfort dauernden Dienst großen
Dank, große Achtung schuldig ist und immer
schuldig bleiben wird.« meinte Karl Friedrich Buschendorf
1 im Vorwort zu seinem Buch »Gründlicher
Unterricht von Thurmuhren« 1805. 2
Die Uhren in der Benediktinerabtei St. Peter in
Salzburg, dem ältesten Kloster im deutschen
Sprachraum, standen durch Jahrhunderte im
Dienst des klösterlichen Lebens, des Gebets, der
Liturgie, der Arbeit. An den Uhren orientierten
sich das Chorgebet und die Mahlzeiten, die
Gottesdienste und das Studium, die Wirtschaftsbetriebe
und die Freizeit… Uhren wurden für
Wohnräume und Türme angeschafft. Sie sorgten
als Schlaguhren für die akustische Zeitanzeige
auf Schellen und Glocken, zu der dann die optische
Zeitanzeige auf Zifferblättern kam, zuerst
nur mit einem Stundenzeiger, später – mit höherer
Genauigkeit der Uhrwerke – auch mit einem
Minutenzeiger.
Abb. 1: Das Turmuhrwerk 1780,
das Johann Bentele sen. für
die Stiftskirche St. Peter schuf.
Es wurde 2021 restauriert und
revitalisiert.
104 MICHAEL NEUREITER – BAD VIGAUN
Uhren im Stift St. Peter
In den Abteirechnungen von St. Peter, die seit 1306
vorliegen, tauchen unter Abt Wolfgang Walcher
im Jahr 1505 ein Uhrkasten und eine Zahlung
an einen Georius für eine alte Uhr (»antiquo horologio«)
auf. 3 1561 gab es einen Aufwand für das
Frauenkloster »umb ain schlaguhr und wöckher«,
Küsslman wurden dafür 12 Pfund bezahlt. 4 1588 reparierte
Uhrmacher Hans Fischer die »uhr auf dem
schlafhaus« und »kleine schlachurlen« (Schlaguhren)
um 3 Gulden. 5 1595 fertigt »Andre urmacher
zu Burkhausen« um 32 Gulden eine neue »uhr auf
das schlaffhaus«. 6 Sie wird sich im oder unterhalb
des Dachreiters befunden haben, der in zeitgenössischen
Ansichten den Quertrakt mit Zellen und
Dormitorium der Brüder zeigt. Dieser wurde unter
Abt Amand Pachler (1657 – 1673) abgetragen, was
zum heutigen geräumigen Konventhof führte. 7 Die
Uhr auf dem Schlafhaus hatte ausgedient.
1710 wurden 226 Gulden für »Johann Hauckher,
raths burger und uhrmacher zu Burghausen«,
ausgegeben, und zwar wegen »ainer neugemachten
uhr in dem thürnl ob St. Veiths capelln«
und für einen neugemachten Brater (Bratenwender)
mit Wasserantrieb. 8 Dieser wurde wohl für
die Küche angeschafft und wird mit dem Wasser
des St. Peterarms des Almkanals angetrieben
worden sein? Es ist dies eine äußerst seltene Form
eines Bratenwenders, war doch ein nahes Fließgewässer
die Voraussetzung. 9
Das Türmchen über der Veitskapelle/Marienkapelle
ist auf Ansichten zu sehen, allerdings
noch nicht auf dem Kupferstich von 1619, 10 aber
schon nach der Errichtung der oberen Bibliothek:
Der Bibliothekssaal des Abtes Albert III.
Keuslin (1626-1657) über der Veitskapelle wurde
1653 geschaffen. 11 Die Ansichten 1657 und 1767
zeigen das »thürnl« – auf der älteren ohne und
auf der jüngeren mit Zifferblatt!
Abb. 2: St. Peter von Norden, Gouache von Thiemo
Sing (?) 1657: Der Turm der Stiftskirche ohne
Zifferblätter, auf dem Quertrakt im Konventhof
(»Schlafhaus«) der Dachreiter und dahinter links
das Türmchen der Veitskapelle heute Marienkapelle.
31
Abb. 3: St. Peter von Westen, Gouache von Franz
Xaver König (?) 1767: Hier ist das Türmchen auf der
Veitskapelle (nun Marienkapelle) noch vorhanden, und
zwar mit Zifferblättern. Auch der Stiftskirchturm trägt
Zifferblätter. 32 1772 ist auf dem Kupfer stich von Johann
B. und Joseph Seb. Klauber (gestal tet nach F. X. König
1769) dieses Türmchen nicht mehr vorhanden!
DAS TURMUHRWERK 1780 DER STIFTSKIRCHE ST. PETER, SALZBURG
105
Zu den Uhren von St. Peter gehören auch fünf
Sonnenuhren, drei im Konventhof, die Sonnenuhr
im Stiftshof mit dem hl. Benedikt und eine
Sonnenuhr im Kolleghof am Kolleg St. Benedikt,
entstanden 1926.
Turmuhren der Stiftskirche
1710 baute Johann Hauckher aus Burghausen die
neue Uhr für das Türmchen der Veitskapelle. 1714
verrechnete er eine nicht näher definierte Leistung
mit 86 Gulden und 30 Kreuzern. 12 Möglicherweise
handelte es sich hier um eine Ausgabe
für die Turmuhr der Stiftskirche? Aufgrund der
Höhe des Betrags kann es kaum eine Neuanschaffung
gewesen sein.
Während mehrere Ansichten aus dem 17. Jahrhundert,
darunter der Kupferstich »Jetzige Form
deß Uhralten Closters St. Peter in Saltzburg« 1699,
keine Zifferblätter am Stiftskirchturm zeigen,
sind solche im Kupferstich nach Franz Anton
Danreiter 1740 vorhanden.
Es ist eine weitergehende Untersuchung wert,
ob die Stiftskirche erst anfangs des 18. Jahrhunderts
mit einer Turmuhr ausgestattet wurde: Der
Dom mit seinen 1652 / 55 fertiggestellten Türmen
erhielt 1683 von Jeremias Sauter eine neue Turmuhr.
Im Salzburger Land sind die gotische Turmuhr
von Schloss Haunsperg in Oberalm um 1580
oder die im Kern ebenfalls noch gotische Turmuhr
von Buchberg bei Bischofshofen aus der
1. Hälfte des 17. Jahrhunderts, die erst kürzlich
diese Zuordnung erfuhr, eine Erwähnung wert.
Hans Sauter, der Vater des Jeremias, reparierte
schon 1650 um 38 Gulden die Uhr in Vigaun.
Vielleicht reichten im Kloster bis etwa 1700 die
erwähnte Uhr auf dem Schlafhaus und andere
Uhren in Innenräumen für die Orientierung in
den Tageszeiten?
Abb. 4: St. Peters Kirchen …, Kupferstich in: Franz Anton Danreiter:
Die saltzburgische Kirchenprospect, Augsburg, um 1740.
106 MICHAEL NEUREITER – BAD VIGAUN
Ohne Zweifel handelte es sich um die Turmuhr
der Stiftskirche, als Johann Joseph Nidermayr
1744 sieben Gulden für »ausbuzen und richten
der Thurm-Uhr« verrechnete. 13
Ab dem Jahr 1754 ließ der 1753 gewählte Abt
Beda Seeauer »den alten Kirchenthurm, der fast
vermodert … und zum Falle geneigt war, nicht
nur erhöhen, sondern in jene herrliche Gestalt,
vermittelst welcher er noch heut zu Tage als die
vornehmste Zierde unsers Gotteshauses … und
der ganzen Stadt pranget, umschaffen und durchaus
mit Kupfer überdecken …«. 14 Der erneuerte
Turm erhielt nun »den rhythmisch gegliederten
und fein geschwungenen Helm, der 1756, dem Geburtsjahr
Mozarts, dem Nagelfluhprisma aufgesetzt
wurde«. 15 Franz Martin meint zu den reichgegliederten
Turmhelmen des 18. Jahrhunderts:
»Die prächtigsten Beispiele von solchen sind die
Turmhelme von St. Peter und St. Sebastian«. 16
Nun war auch die vorhandene Turmuhr dran:
Der neue Turm wurde um 24 Schuh (ca. 8 m)
höher, deshalb gab es laut Abteirechnungen
den ersten Auftrag an ein Mitglied der Familie
Bentele: Jacob Bentele, seit 1730 in Salzburg und
nach dem Tod Joseph Christoph Schmidts 17 als
Hof-Großuhrmacher tätig, wurde 1758 mit der
»Ibersetzung und vollständige(n) Reparation der
Uhr und Zeiger-Werk in dem neuen Thurm« 18 beauftragt
und verrechnete dafür 112 Gulden. Es ist
anzunehmen, dass die Neuplatzierung des vorhandenen
Uhrwerks um ein Geschoss höher als
vorher erfolgte. Vom Uhrwerk zu den Zifferblättern
führte die Zeigerleitung mit einer kompletten
Umdrehung pro Stunde. Diese wurde durch
die vier Zeigerwerke jeweils hinter den Zifferblättern
auf ein Zwölftel und die Stundengeschwindigkeit
übersetzt.
Abb. 5: Der Turm der Stiftskirche St. Peter mit
dem 1756 aufgesetzten Helm. Die vier Zifferblätter
weisen auch heute die alte Zeigerstellung mit langen
Stunden- und kurzen Minutenzeigern auf.
DAS TURMUHRWERK 1780 DER STIFTSKIRCHE ST. PETER, SALZBURG
107
Das alte Uhrwerk blieb nicht lange am neuen
Standort: Abt Beda schenkte es Ende der 1770er-
Jahre an die dem Stift inkorporierte Pfarre Abtenau
und »ließ dahin die alte Klosterthurm-Uhre
brauchbar machen«. 19 Das Uhrwerk dürfte aus
der Zeit um 1700 stammen und ist in der Pfarrkirche
Abtenau vorhanden. Es wurde für den
neuen Einsatz vermutlich vom Spindelgang auf
den nunmehrigen Hakengang umgebaut. Auf die
neue steinerne Pendellinse, typisch für die Familie
Bentele, wurde ein Schild mit dem Doppelwappen
von St. Peter und Abt Beda Seeauer montiert. 20
Über ein Vorgängerwerk dieses Uhrwerks konnte
noch nichts in Erfahrung gebracht werden, ein
solches dürfte aber aufgrund der Klosteransichten
unwahrscheinlich sein. 21
Kein Zweifel, dass der Umbau des Werks für
Abtenau in der Werkstatt von Johann Bentele
sen. erfolgte: Sie befand sich im Haus der Benteles,
heute Kaigasse 3, das Jacobs zweite Frau 1747
in die Ehe mitgebracht hatte. Johann sen., der
Neffe Jacobs, war 1769 als Hof-Großuhrmacher
angestellt worden.
Die neue Turmuhr 1780 …
1777 / 80 erhielt die Stiftskirche den neuen Hochaltar.
Nach neuen Beichtstühlen und »neuen Kirchenstühlen
von hartem Holz« wurde »im Jahre
1780 eine gleicher massen neue Thurm-Uhr … mit
einem Stunden und Viertelstunden Schlagwerke
herbeygeschaffet«. 22
Abb. 6: Das frühere Turmuhrwerk von St. Peter übersiedelte in den Turm
der Pfarrkirche Abtenau: Im Bild das 115 cm breite Werk mit einem sehr
ungewöhnlichen Hilfsgehwerk in der Mitte.
108 MICHAEL NEUREITER – BAD VIGAUN
Abb. 7: Die Inschrift »1851 K. P.« auf der Innenseite der Türe der Uhrstube mag vom Salzburger Uhrmacher
Kaspar Posch stammen, der die Uhr 1865 reparierte?
Die Uhrstube ist von der Stiftskirche über insgesamt
114 Stufen zu erreichen. Das tägliche Aufziehen
der Turmuhr diente der Kondition: Zum
Stiegensteigen kamen ja etwa 300 Kurbelumdrehungen
zum Hochziehen der drei gut 70 kg
schweren Steingewichte dazu.
In der Uhrstube fand ich u. a. eine bemerkenswerte
Inschrift von Franz Martin, 1924 bis 1950
Leiter des Salzburger Landesarchivs und verdienter
Landeshistoriker:
»Benütze treu die flüchtige Zeit
Sie bringt dich mit jeder Stunde
Stets näher in die Ewigkeit!
FM. 1927 Ostern!«
DAS TURMUHRWERK 1780 DER STIFTSKIRCHE ST. PETER, SALZBURG
109
Abb. 8: Der Salzburger Archivar, Kunst- und Landeshistoriker Franz Martin dokumentierte einen Besuch bei
der Turmuhr zu Ostern 1927.
Abb. 9: Das Turmuhrwerk von St. Peter vor der
Restaurierung 2021: vorne das Viertelstundenschlagwerk,
in der Mitte das Gehwerk und hinten
das Stundenschlagwerk.
Johann Bentele sen. baute die neue Uhr, die in
vier Raten zwischen April und September 1780
bezahlt wurde und insgesamt 700 Gulden kostete.
23 Sein erstes eigenes Werk, das er 1764 für
die Pfarrkirche Golling baute, kostete 200 Gulden:
Das Turmuhrwerk für St. Peter war auch
besonders groß und aufwändig. Weitere drei
kleinere Aufträge an ihn bzw. seinen Sohn Johann
Bentele jun. sind in den Abteirechnungen
nachgewiesen. 24
Im Turmuhrwerk 1780 sind die drei Teilwerke
nebeneinander angeordnet – diese Bauweise
kam in der Mitte des 18. Jahrhunderts auf. Von
der Aufzugsseite gesehen liegt das Gehwerk in
der Mitte, links ist das Viertelstundenschlagwerk
und rechts das Stundenschlagwerk angeordnet.
Hinten hängt das Pendel, das vom Hakenrad
über den Anker bewegt wird – es handelt sich
um die sogenannte »Clementsche Hemmung«,
erstmals 1671 gebaut von William Clement in
London für das Kings College in Cambridge.
110 MICHAEL NEUREITER – BAD VIGAUN
Abb. 10: Die drei Steingewichte hängen
mit hölzernen Umlenkrollen an Hanf seilen,
der Aufzug erfolgt mit einer Kurbel.
DAS TURMUHRWERK 1780 DER STIFTSKIRCHE ST. PETER, SALZBURG
111
An der Pendelstange hängt die 38 kg schwere
Pendellinse, wie bei den meisten Bentele-Turmuhren
aus Untersberger Marmor. Das Pendel
ist sechs Meter lang und braucht für eine Halbschwingung
2,5 Sekunden, führt also in einer Minute
24 Halbschwingungen durch. Die Zeigerleitung
zu den vier Zifferblättern am Turm außen
läuft am Werk hinten nach oben, die Zeigerleitung
zur Orgeluhr durch das Kontrollzifferblatt
seit dem 20. Jahrhundert nach vorne und dann
nach unten, früher lief sie vom Gehwerk hinten
gleich nach unten. Von den beiden Schlagwerken
führten Drahtzüge nach oben in die Glockenstube
zu den Schlaghämmern an zwei Glocken,
die als Schlag- und Läutglocken verwendet wurden.
Die drei jeweils gut 70 kg schweren Gewichte
aus Untersberger Marmor sorgten etwa 180 Jahre
lang für die optische Zeitanzeige auf fünf Zifferblättern
(vier Zifferblätter am Turm und Orgelzifferblatt)
und für die akustischen Schlagsignale
auf zwei Glocken.
… und ihre Restaurierung
Das Projekt hatte laut Angebot »die Restaurierung
des Turmuhrwerks und seine Adaptierung für
einen Demonstrationsbetrieb« zum Ziel. Das Angebot
vom 23. 08. 2020 wurde durch die Erzabtei
St. Peter (Erzabt Korbinian Birnbacher OSB) angenommen,
der Auftrag erfolgte am 07. 09. 2020.
Am 12. 10. 2020 folgte die Bewilligung durch die
Abteilung für Spezialmaterien des Bundesdenkmalamts
(Abteilungsleiter Gerd Pichler).
In der Umsetzung ging es zuerst um den Abbau
des etwa 450 kg schweren Werks und sein Zerlegen
in etwa 400 Einzelteile. Sie wurden in die
Werkstatt des Kleinunternehmens »horologium«
nach Bad Vigaun gebracht und dort gründlich
gereinigt: zuerst in einem Kristallsoda-Bad zum
Lösen hartnäckiger Verschmutzung, dann mit
Bürsten, Spachteln, Schustermesser, Schleifvlies,
Putzwatte und Öl, und zwar ausschließlich händisch
ohne irgendeine maschinelle Unterstützung.
Abb. 11: Das zerlegte Werk nach der gründlichen Reinigung vor dem Wiederaufbau:
links die Teile des Gestells mit geschmiedeter Oberfläche, unten und rechts die Teile mit polierter,
feuerverzinnter Oberfläche.
112 MICHAEL NEUREITER – BAD VIGAUN
12
Dabei wurde bald eine Besonderheit des Werks
deutlich: Es zeigten sich nämlich geschmiedete
Oberflächen und glatte Oberflächen, die nach
dem Reinigen einen Silberglanz bekamen. Eine
Expertise eines Freundes, des Metallrestaurators
Georg Riemer, bestätigte »kaum nennenswerte
Korrosionserscheinungen« und klärte die glatten
Flächen: Es handelt sich beim Großteil des Werks
um feuerverzinnte Teile, das geht bis zu den Keilen
und den ganz wenigen Schrauben.
Die Verzinnung ist eine Besonderheit, die eher
selten zu finden ist, z. B. bei den Turmuhren von
Johann Bentele sen. für den Dom (1782) und für
die Pfarrkirche Mülln (1799) sowie bei der Salzburger
Rathausuhr seines Sohnes Johann jun.
(1802). Wir finden diese aufwändige Oberflächenbehandlung
auch schon beim Werk des Salzburger
Glockenspiels von Jeremias Sauter anfangs
des 18. Jahrhunderts. Wegen der nur geringen
Rostspuren konnte bei der Restaurierung eine
zusätzliche Oberflächensicherung unterbleiben.
Das Hakenrad ist das Herz des Gehwerks, es
bewegt den Anker und mit ihm das Pendel. In
St. Peter ist es wie meist aus Messing gefertigt und
DAS TURMUHRWERK 1780 DER STIFTSKIRCHE ST. PETER, SALZBURG
113
13
Abb. 12: Die feuerverzinnte Schlossscheibe
des Viertelschlagwerks nach
der Reinigung: Sie steuert die Zahl der
Schläge (1 – 4) zu den Viertelstunden.
Abb. 13: Ein Blick auf das Gehwerk
und das Stundenschlagwerk auf der
Rückseite zeigt den Kontrast zwischen
geschmiedeten und feuerverzinnten
Teilen. Links die in den Turm aufsteigende
Zeigerleitung.
Abb. 14: Eines der elf Lagerstützräder
aus Messing mit dem Bronzereif.
14
mit den Speichen verschraubt: Das erleichtert bei
stärkerer Abnützung den Austausch. Der Anker,
die Welle und der Laterntrieb sind wie das darunterliegende
Zwischenrad feuerverzinnt.
Eine kostenintensive Besonderheit des Turmuhrwerks
von St. Peter (und der Domuhr 1782)
sind die Lagerstützräder, die das Auslaufen der
Messinglager verhindern: Erst beim Reinigen
der stark verschmutzten Teile stellte sich heraus,
dass die Lagerstützräder aus Messing außen mit
einem Bronzering versehen sind und damit weniger
Abnützung zeigen.
Der Wiederaufbau des Werks war einfach, weil
das Gestell bestens markiert ist – mit Dreiecken
in der unteren und mit Punkten in der oberen
Ebene. Dazu kommen häufige Kennzeichnungen
vor allem mit »G« für Teile des Gehwerks und
»V« bzw. »S« für solche des Viertel- bzw. des
Stundenschlagwerks.
Johann Bentele sen. schuf mit seinem großen
Werk für St. Peter eine Kostbarkeit: Die Reinigung
der beiden Windflügel, die als Windbremse
den gleichmäßigen Ablauf sicherstellen, brachte
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zutage, dass diese mit goldfarbenen Ornamenten
verziert waren, Reste konnten erhalten werden.
Eine weitere noch nie vorgefundene Überraschung.
Die Uhrmacher der Familie Bentele schroteten
bei Umbauten von alten Werken oft die vorhandenen
dekorativen Gestellbekrönungen ab und
beseitigten sie, vermutlich auch beim alten Werk
von St. Peter, das nach Abtenau geschenkt wurde.
Andererseits krönten sie ihre neuen besonderen
Werke mit Holzvasen auf den vier Eckpfeilern.
Neben St. Peter war dies auch bei den Werken
von Johann Bentele sen. für den Dom und die
Pfarrkirche Söll in Tirol sowie beim Werk seines
Sohnes Johann jun. für das Salzburger Rathaus
der Fall. Jeremias Sauter hatte für das Glockenspielwerk
Vasen aus Blech gestaltet.
Das Kontrollzifferblatt war nur zu reinigen. Es
zeigt das Wappen von St. Peter mit den gekreuzten
Schlüsseln und das Wappen von Abt Beda
Seeauer mit zwei Dromedaren und zwei baumbestandenen
Seen. Das Zifferblatt hat nur einen
(ergänzten) Minutenzeiger: Damit war beim
Aufziehen die Kontrolle der Anzeige auf den
Zifferblättern außen möglich. Im Schriftbalken
darunter: »Gemacht im Jahre 1780 von J. Bendele.
Reparirt im Jahre 1865 von Kaspar Posch.«
15
Abb. 15: Der Windflügel des Viertelschlagwerks
mit Resten der goldfarbenen
Ornamente.
Abb. 16: Im Bild die Holzvasen von
St. Peter: rechts die zwei vorhandenen
und mit den Knospen ergänzten Vasen,
links die beiden im Zuge der Restaurierung
neu angefertigten Vasen.
Abb. 17: Im Bild der Blick durch das
Kontrollfenster auf das Kontrollzifferblatt:
Die Zeigerleitung, auf der der
Minutenzeiger sitzt, führt zur Orgeluhr.
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16
17
Abb. 18: Das Zifferblatt der Orgeluhr mit verstellten Zeigern (alte Zeigerstellung
mit langem Stunden- und kurzem Minutenzeiger) am derzeit leeren Orgelkasten.
Die Aufsatzfiguren der Heiligen Petrus (oben, urspr. Gottvater), Rupert
(links) und Vitalis stammen vom ehemaligen Hochaltar Hans Waldburgers 1625.
Rupert war der erste Bischof von Salzburg und erster Abt von St. Peter, er hat
ein Salzfass als Attribut.
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Das Turmuhrwerk versorgte mit der Minutenbewegung
die vier Zifferblätter am Turm außen
und das Zifferblatt der Orgel. Das Orgelzifferblatt
im Gehäuse von 1618 / 20, das 1762 / 63 umgebaut
wurde, wurde auch schon vom Vorgängerwerk
der Turmuhr 1780 angetrieben, das sich heute in
Abtenau befindet. Das Orgelzifferblatt hat (wie
die Zifferblätter am Turm außen) noch heute die
alte Zeigerstellung und wird mit dem Einbau der
neuen Orgel von St. Peter 2024 elektronisch betrieben
werden.
Die Turmuhr 1780 von St. Peter ist restauriert
und revitalisiert: Sie kann in Betrieb genommen
werden, um so die Funktionsweise eines solchen
Werks erlebbar zu machen. Ihren Dienst für die
öffentliche Zeitanzeige haben längst elektrische
Uhren mit elektronischer Steuerung übernommen.
Im Turm von St. Peter werden aber am historischen
Werk der Fortschritt in der »Vervollkommnung«
der Technik und die Kunstfertigkeit
vergangener Generationen sichtbar, die Erzabtei
hat eine Kostbarkeit erhalten und gesichert.
Abb. 19: Freude über ein gelungenes Werk bei der Präsentation des restaurierten und revitalisierten Uhrwerks
im Turm der Stiftskirche St. Peter: v.l. Erzabt Korbinian Birnbacher OSB, Baumeister Daniel Bleierer
(Baumanagement) und Turmuhrmacher Michael Neureiter.
DAS TURMUHRWERK 1780 DER STIFTSKIRCHE ST. PETER, SALZBURG
119
Abb. 20: Die Turmuhr Annaberg 1779 von Johann
Bentele sen. mit den Wappen von St. Peter und Abt
Beda Seeauer.
Abb. 21: Das Turmuhrwerk im Nordturm des Salzburger
Doms, geschaffen von Johann Bentele sen. im
Jahr 1782, ist die »Jüngere Schwester« der Uhr von
St. Peter. Es ist mit seiner Breite von 206 cm wohl
das größte Turmuhrwerk landesweit.
Zeitkünder und Zeitzeugen
Die Uhrmacherdynastie Bentele prägte Salzburg
von 1736 bis 1824. 25 Jacob, Johann sen. und Johann
jun. nahmen hintereinander die Funktion
eines Hofuhrmachers wahr. Dazu wurden sie
durch die jeweiligen Erzbischöfe ernannt. Diese
regierten von 1328 bis zum Reichsdeputationshauptschluss
1803 Salzburg als selbstständiges
Territorialfürstentum.
Im Stift St. Peter befindet sich in der Prälatur
auch eine Standuhr mit dem Wappen eines
Grafen Truchseß-Zeil, bezeichnet mit »Johannes
Bentele in Salzburg«. 26 Abt Beda Seeauer besorgte
für das zu St. Peter gehörige Vikariat zu Annaberg
1779 eine völlig neue Turmuhr von Johann
Bentele sen. 27 1813 gab es eine neue Turmuhr
für die Stiftspfarre Grödig, geliefert von Johann
Bentele jun. Das große Werk Jeremias Sauters für
Maria Plain – die Wallfahrtskirche gehörte und
gehört zu St. Peter – wurde von Johann sen. 1785
umgebaut.
Weitere Turmuhren aus der Bentele-Werkstatt
sind zahlreich, in der Turmuhren-Datenbank
www.turmuhrenaustria.at sind derzeit 20 gründlich
erfasst. So gab es neue Turmuhren u.a. für
Golling (1764), Salzburg-Franziskanerkirche
(1765), Puch-Urstein (1785), Mülln (1799), Salzburg-Rathaus
(1802), Zell am See (1811), Kuchl-
Georgenberg (1812), Hallein, Mattsee-Zellhof …
Umbauten waren wegen der Kostbarkeit des Materials
noch häufiger, etwa in Lamprechtshausen-
Arnsdorf (1781), Dürrnberg (1788), Kuchl (1789),
Oberalm und Vigaun (beide 1790), St.Jakob am
Thurn (1793)… 28
Turmuhren sind Zeit-Künder und Zeit-Zeugen:
Sie hatten durch Jahrhunderte die Aufgabe der
»allgemeinen Benachrichtigung über den unaufhaltsamen
Zeitverfluß« 29 als Zeit-Künder. Nur
mehr wenige alte Turmuhrwerke sind nach wie
vor als solche Zeitanzeiger im Einsatz. Und:
Turmuhren sind Zeit-Zeugen und belegen die
Entwicklung der Zeitmessung und ihre Fortschritte
über Jahrhunderte: Die Turmuhr 1780
der Erzabtei St. Peter ist ein interessanter Zeuge
für die »Vervollkommner derselben (Uhrwerke)
für diesen der Menschheit erwiesenen immerfort
dauernden Dienst«. 30
120 MICHAEL NEUREITER – BAD VIGAUN
Anmerkungen
1 Karl Friedrich Buschendorf, 1756 – 1811, war
»Theologe, Technologie, Schriftsteller« und publizierte
zu verschiedensten Themen (Deutsche
Biographie https://www.deutsche-biographie.de/
sfz022_00368_1.html, abgerufen am 30. 08. 2021).
Im Interimsregister der Enzyklopädie der Neuzeit
und in der Deutschen Digitalen Bibliothek wird
sein Geburtsjahr mit 1763 angegeben.
2 Buschendorf, Karl Friedrich: Gründlicher Unterricht
von Thurmuhren …, Leipzig 1805. (Facsimile-Edition
des Fachkreises Turmuhren der
Deutschen Gesellschaft für Chronometrie, Nürnberg
2010), S. III.
3 Tietze, Hans: Die Denkmale des Benediktinerstiftes
St. Peter in Salzburg. Wien 1913. (Österreichische
Kunsttopographie Bd. XII), S. XXXI f., auch
digital: https://diglib.tugraz.at/die-denkmale-desbenediktinerstiftes-st-peter-in-salzburg-1913-12,
abgerufen am 31 .08. 2021.
4 Ebda. S. XXXVIII.
5 Ebda. S. XLII.
6 Ebda. S. XLIII.
7 Fuhrmann, Franz: Die Baugeschichte von Kirche
und Kloster, in: St. Peter in Salzburg. Das älteste
Kloster im deutschen Sprachraum. 3. Landesausstellung
1982, Salzburg 1982, S. 174 – 180, hier S. 178.
8 Tietze: Denkmale St. Peter S. CXXVIII.
9 Freundliche Auskunft von Wolfgang Komzak, Leiter
des Museums für Turmuhren und Bratenwender
»Uhrenstube Aschau«, 7432 Oberschützen,
Burgenland.
10 Hahnl, Adolf: Conservando cresco: Die Bibliotheksräume
von St. Peter, in: Plus librorum. Beiträge
von Adolf Hahnl zur Salzburger Kunstgeschichte,
Salzburg 2013, S. 173 – 198, hier S. 174.
(aus: Barock in Salzburg. Festschrift für Hans
Sedlmayr, Salzburg und München 1977, S. 9 – 56).
11 Hahnl: Conservando cresco, S. 176.
12 Tietze: Denkmale St. Peter, S. CXL.
13 Ebda. S. CXLVII.
14 Berhandtsky, Placidus: Auszug der Neuesten Chronick
des alten Benediktiner Klosters zu St. Peter in
Salzburg. Teil 1, Salzburg 1782. S. 309 f., auch digital:
https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/
bsb10800708?page=1, abgerufen am 31. 08. 2021.
15 Fuhrmann: Baugeschichte, S. 179.
16 Martin, Franz: Von unseren Kirchtürmen, in:
ders.: Aus Salzburgs Vergangenheit. Gesammelte
Aufsätze, Salzburg 1942 (Beiheft zu den Mitteilungen
der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde),
S. 10 – 14, hier S. 13.
17 Joseph Christoph Schmidt war 1712 Werkstattnachfolger
von Jeremias Sauter, der das Werk
des Salzburger Glockenspiels baute. 1733 lieferte
der »Bürger und Hofuhrmacher« Schmidt eine
Hängeuhr in das Stift St. Peter. (Tietze: Denkmale
St. Peter S. CXLV).
18 Specification der Bau-Unkosten des Neuen Thurn-
Gebäu zu St. Peter, Handschrift 1754 ff., Archiv der
Erz abtei St. Peter. Hier darf ich dem Archivar von St.
Peter, Gerald Hirtner, für seine Hilfe sehr danken!
19 Berhandtsky, Placidus: Auszug der Neuesten Chronick
des alten Benediktiner Klosters zu St. Peter in
Salzburg. Teil 2, Salzburg 1782. S. 252., auch digital:
https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/
bsb10721386?page=,1, abgerufen am 31. 08. 2021.
20 Mehr zu diesem Turmuhrwerk in: Michael Neureiter:
Uhren auf Tennengauer Türmen. Zeit-Künder
und Zeit-Zeugen aus vier Jahrhunderten und
zwölf Gemeinden, in: Forschungen des Museum
Burg Golling, Bd. 1, Golling 2015, S. 111 – 121, hier
S. 114 f., auch digital: https://www.horologium.at/
files/Dokumente/Publikationen/FestschriftUrba -
nekZeitkuender2015.pdf, abgerufen am 30. 08. 2021.
21 Im Langhaus der Stiftskirche befinden sich an
der Südseite zwei Bilder von F. X. König (1757 / 61)
mit Ansichten des Klosters – eine zeigt den Turm
mit Zifferblättern nach dem Turmausbau in der
1750er-Jahren, die andere den Turm vor dem
Umbau ohne Zifferblatt! In diesem Beitrag zeigt
die Abbildung 2 von 1657 keine Zifferblätter, die
Abbildung 4 aus 1740 sehr wohl!
22 Berhandtsky: Chronick Teil 2, S. 250.
23 Das Jahreseinkommen eines Universitätsprofessors
soll in dieser Zeit 300 Gulden ausgemacht
haben, das eines Lehrers 22, das eines Dienstmädchens
12.
24 Tietze: Denkmale St. Peter S. CLXIX, CLXXXIII,
CLXXXIV und CXCII.
25 Siehe dazu Michael Neureiter: Das Bentele-Jahrhundert
1734 bis 1826. Eine Großuhrmacher-
Familie prägt die Salzburger Uhrenlandschaft,
in: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für
Chronometrie Nr. 59, Herbst 2019, Nürnberg 2019,
S. 56 – 63, auch digital: https://www.yumpu.com/
xx/document/read/62824909/dasbentelejahrhundert1734bis1826,
abgerufen am 30. 08. 2021.
DAS TURMUHRWERK 1780 DER STIFTSKIRCHE ST. PETER, SALZBURG
121
26 Tietze: Denkmale St. Peter 132 nennt als Standort
der Standuhr den Psallierchor.
27 Berhandtsky: Chronick Teil 2, S. 252.
28 Siehe auch das Bentele-Gutachten von Rositha
Preiß aus 1990 auf www.horologium.at, der Website
Michael Neureiters: https://www.yumpu.com/
xx/document/read/63025366/preissbentele, abgerufen
am 30. 08. 2021.
29 Buschendorf: Gründlicher Unterricht, S IV.
30 Ebda. S. III. Karl Friedrich Buschendorf starb wie
Johann Bentele sen. im Jahr 1811.
31 Hahnl, Adolf: Die Bauentwicklung des Petersklosters,
in: St. Peter in Salzburg. Das älteste Kloster im
deutschen Sprachraum. 3. Landesausstellung 1982,
Salzburg 1982, Katalog, S. 312 f.
32 Ebda. S. 313.
Bildnachweis
Erzabtei St. Peter, Kunstsammlung, M 1370.2: 2
Erzabtei St. Peter, Kunstsammlung, M 1370.4: 3
horologium, Chris Hofer: 1, 10, 17–19
horologium, Michael Neureiter: 6, 7–9, 11–16, 20, 21
http://www.ubs.sbg.ac.at/sosa/graphiken/salzburg.
htm, abgerufen am 28 08 2021: 4
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:
Kirchturm_von_St._Peter_Salzburg.jpg,
abgerufen am 28 08 2021: 5
SALZBURG24/Wurzer: Autorenfoto
Michael Neureiter
Geboren in Hallein, Studium der Theologie und Philosophie (Schwerpunkt
Geschichte) an der Universität Salzburg, mit seiner Familie
(Gattin Franziska und drei Kinder) zuerst wohnhaft im Stift St. Peter
in Salzburg und seit 1983 in Bad Vigaun. Berufe bei der Erzdiözese
Salzburg und in der Erwachsenenbildung, vor allem in der katholischen
Bibliotheksarbeit. Politisches Engagement im Salzburger Landtag, u. a.
als dessen Zweiter Präsident. Seit der Jugend Interesse am Kulturgut
Turmuhren, 2003 als Autodidakt Gewerbeschein als Uhrmacher. Zuerst
Sammeln, dann Konzentration auf das Dokumentieren vom Turmuhrwerken,
auf das Restaurieren und das Revitalisieren möglichst am
»Tatort«. Arbeiten u.a. zu den Salzburger Uhrmacherfamilien Sauter
und Bentele, Entwicklung der Turmuhren-Datenbank www.turmuhrenaustria.at
mit Werken aus derzeit 16 europäischen Staaten, Erschließung
der Projekte und Publikationen auf www.horologium.at.
2020 Nominierung mit »Initiativen für historische Turmuhren« für den
EU-Kulturpreis »Europa Nostra«.