06.11.2022 Aufrufe

Raus in die Natur - Band 1 - Durch meine Heimat

Die Geschichte beginnt im Spessart. Auf einer Mehrtageswanderung durchquerten wir mit unseren Kindern das Mittelgebirge von West nach Ost. Anschließend erzähle ich von Paddelerlebnissen auf dem Main von Gemünden nach Lohr und auf der fränkischen Saale. Dann geht es über das Sinntal in die Rhön. Das Land der offenen Fernen lässt sich auf Schusters Rappen am besten erkunden und wir waren von der einstigen Vulkanlandschaft begeistert. Über die Hassberge ging es dann weiter mit dem Rad, ebenso den Main entlang. In den Steigerwald führte mich ein Wanderweg zu alten Buchenwaldbeständen, die auf Keuper stehen. Anschließend fuhren wir auf dem Mainradweg weiter bis nach Lohr. Ein weiteres Mal von Bayreuth nach Bamberg. Auf unserer Frankenrunde durfte das Fichtelgebirge natürlich nicht fehlen. Dort wanderten wir mit dem Zelt und wurden von einem Wintereinbruch überrascht. Was wir dabei erlebten war mehr als abenteuerlich. Ins Boot stieg ich dann wieder in der Fränkischen Schweiz, denn die Wiesent ist ein herrlicher Paddelfluss in dieser Region. Die Fränkische Schweiz und das Pegnitztal bis hinunter in den Nürnberger Reichswald durchradelten wir im Familienquartett, ebenso entlang der Altmühl und der Tauber. Am Ende waren wir wieder am Main angelangt und unsere „Frankenrunde“ neigte sich dem Ende zu. Am Schloss Johannisburg setzte ich meine letzten Paddelschläge im Winter 2020. Ich war wieder in Aschaffenburg und somit am Startpunkt unserer Reise angekommen.

Die Geschichte beginnt im Spessart. Auf einer Mehrtageswanderung durchquerten wir mit unseren Kindern das Mittelgebirge von West nach Ost. Anschließend erzähle ich von Paddelerlebnissen auf dem Main von Gemünden nach Lohr und auf der fränkischen Saale. Dann geht es über das Sinntal in die Rhön. Das Land der offenen Fernen lässt sich auf Schusters Rappen am besten erkunden und wir waren von der einstigen Vulkanlandschaft begeistert. Über die Hassberge ging es dann weiter mit dem Rad, ebenso den Main entlang. In den Steigerwald führte mich ein Wanderweg zu alten Buchenwaldbeständen, die auf Keuper stehen. Anschließend fuhren wir auf dem Mainradweg weiter bis nach Lohr. Ein weiteres Mal von Bayreuth nach Bamberg. Auf unserer Frankenrunde durfte das Fichtelgebirge natürlich nicht fehlen. Dort wanderten wir mit dem Zelt und wurden von einem
Wintereinbruch überrascht. Was wir dabei erlebten war mehr als abenteuerlich. Ins Boot stieg ich dann wieder in der Fränkischen Schweiz, denn die Wiesent ist ein herrlicher Paddelfluss in dieser
Region. Die Fränkische Schweiz und das Pegnitztal bis hinunter in den Nürnberger Reichswald durchradelten wir im Familienquartett, ebenso entlang der Altmühl und der Tauber. Am Ende waren wir wieder am Main angelangt und unsere „Frankenrunde“ neigte sich dem Ende zu. Am Schloss Johannisburg setzte ich meine letzten Paddelschläge im Winter 2020. Ich war wieder in Aschaffenburg und somit am Startpunkt unserer Reise angekommen.

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4 Seite


Seite 5

Wer

Lange

Sitzt

Muss

Rosten


2 Seite

Der Weg ist das Ziel

Wie durch einen

Tunnel führt der Weg

durch den dichten

Wald. Auf alten

Wegen zu

wandern, ist eine

Naturerfahrung,

die man durch nichts

ersetzen kann.


2 Seite

Der Weg ist das Ziel

Wie durch einen

Tunnel führt der Weg

durch den dichten

Wald. Auf alten

Wegen zu

wandern, ist eine

Naturerfahrung,

die man durch nichts

ersetzen kann.


Seite 3

Wandern

Wandern ist Natur pur. In Zeitlupe schwebt sie an dir vorbei und fordert doch

all deine Sinne. Du realisierst das Singen der Vögel im Frühling, das Summen

der Bienen und den Duft der Blüten im Sommer, das Rascheln des Herbstlaubs

im Sturmwind und das Knistern der Blätter, das beim Aufsetzen deiner Füße

entsteht.

Du saugst das leise Nichts im Winter auf, wenn alles ruht und schläft.

Wenn nur das leise „Flupp“ zu vernehmen ist, das unter deinen Füßen entsteht,

wenn diese auf dem Schnee aufsetzen und ihn zerdrücken.

Die Kälte beißt sich in dein Gesicht und du spürst, wie sie mit dem

aufkommenden Wind zunimmt.

Du spürst bei Windstille die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut,

du bleibst stehen und verschließt die Augen, wenn die Sonne schräg über dem

Horizont steht und dich für einen kurzen Moment zum Innehalten einlädt.


Gutes Schuhwerk

an den Füßen ist die

Grundvoraussetzung

für angenehmes

Laufen in der Natur.

Je schwerer der

Rucksack umso

besser muss der

Halt im Schuh sein.


Wandern ist aber auch die Sehnsucht, jene alten Wege zu gehen, die uns von der

Zivilisation wegführen, fort von den Ablenkungen dieser schnelllebigen Zeit

hin zu Orten, die uns Ausblicke in endlose Weiten ermöglichen.

Orte, die uns die Möglichkeit geben, in die Tiefe unserer Seele hinein zu horchen.

Es sind magische Orte und es sind die Wege dorthin. Sie zwingen uns zum Nachdenken

nach dem wohin.

Insofern ist Wandern Meditation, bei jedem Schritt nach vorne. Wandern kann uns

bis zum Rande unserer bekannten Welt führen, bis zu einem Abgrund, an dem es

nicht mehr weitergeht.


Aussicht auf die

fränkische Flur vom

Gipfelplateau des

Staffelsteins aus

gesehen.

Aussicht vom

Walberla auf der

folgenden Seite.


Beim Wandern macht es nichts aus, in welche Richtung du blickst,

ob es am Morgen, abends, mittags oder mitten in der Nacht ist.

Die Natur ist einfach immer da, wenn du läufst.

Dann konzentrierst du dich wieder auf deinen Weg, denn du möchtest

diese ganz bestimmte Strecke gehen, als wehte dort, wo es dich hinzieht,

eine besondere Luft.

Du fühlst dich wie ein Jäger aus einer längst vergessenen Zeit.

Doch es ist nicht die Luft, es ist dein Leben, das dir begegnet.


Beim Paddeln steht

das Flusserlebnis

im Vordergrund. Nur

so ist das Element

Wasser wirklich

erlebbar. Auch die

Kraft, die ein Fluss

besitzt, lässt sich

nur von demjenigen

nachempfi nden, der

sie schon einmal

gespürt hat. Ob

beim Paddeln gegen

den Strom oder

beim Kentern, wenn

das mitgeführte

Equipment unter dir

verschwindet.


Im gleichen langsamen Tempo wie beim Wandern lassen sich die Wege

auf dem Wasser erkunden. Die Dynamik des Gewässers, seine Kälte und

Strömungen, aber auch die Langsamkeit, mit der du dich fortbewegst.

Fließt der Fluss schneller, wirken vermehrt andere Eindrücke auf dich ein.

Deine Sinne fokusieren sich, weil du versuchst die Bewegung zu kontrollieren.

Auch mit dem Rad lässt sich ein Flusstal erkunden.

Es ist eine weitere Möglichkeit, aktiv und gleichzeitig

umweltschonend unterwegs zu sein.

Doch das Erlebnis ist ein ganz anderes.


Aktiv draußen unterwegs

zu sein, fordert

uns, es vermittelt

aber gleichzeitig

Zufriedenheit.

Man merkt dies an

Kleinigkeiten, zum

Beispiel wie gut

doch frisches kaltes

Wasser schmeckt.


Beim Fahren im

Gelände werden

alle Sinne gefordert,

denn die Geschwindigkeit

muss ständig

dem Untergrund

angepasst werden.

Je schneller du mit

dem Rad fährst oder

je wilder ein Fluss

ist, der dich beim

paddeln umgiebt,

umso weniger an

Natur können deine

Sinne aufnehmen.


12 Seite

In der morgendlichen

Frische dem

Sonnenaufgang

entgegenlaufen.

„Waldbaden entspannt.

Es erzeugt

ein Gefühlserlebnis,

das aufgrund seiner

positiven Auswirkungen

auf unser

Bewusstsein und

unsere Gesundheit

immer mehr

umworben wird.

Man erreicht nach

gelaufener Strecke

einen Zustand der

Zufriedenheit mit

sich und der Natur.


Seite 13

Wandern ist die älteste Art der Fortbewegung.

Du folgst einem Weg, zwischen den Bäumen

und Sträuchern hindurch. Sie sollten nicht zu

zahlreich sein, damit sie deinen Blick nicht

einengen. Auch der Boden sollte nicht zu üppig

bewachsen sein, damit deine Aufmerksamkeit nicht

von der Erde gefesselt wird.

Dir begegnet der Dunst, der dem Boden entströmt.

Du bist immer auf der Suche nach dem richtigen

Weg. Und während du läufst, merkst du,

das dies der Weg des Lebens sein muss.

Und immer hinterlässt du nur einen Fußabdruck,

mehr nicht.


Aktiv die Natur erleben.

Das heißt, sie in ihrer ganzen

Schönheit kennenzulernen.

Sie verbirgt sich hinter jeder

Ecke, in unzähligen Details

und weckt unsere Neugierde.

Begleiten Sie uns eine Weile

und lassen Sie sich den Schatz

zeigen, der direkt vor unserer

Haustür liegt.


Seite 1

01 Durch den Spessart 4

02 Main und Saale 32

Alles im Fluss

Mit dem Rad

durch das Sinntal 46

03 Rhöndurchquerung 54

04 Mainradweg 98

05 Im Steigerwald 106

06 Wandern unter Buchen 108

07 Am Main entlang 114

08 Im Reich der Pilze 118

09 Von Würzburg nach Lohr 122

10 Am Oberen Main 130

11 Mainradweg Teil 3 132

12 Wandern im Fichtelgebirge 154

14 Altmühltal und

Fränkische Seenplatte 224

Durch das Altmühltal 228

15 Taubertal 240

Liebliches Taubertal 244

16 Mainradweg Teil 4

Von Lohr Mainabwärts 262

Zurück nach

Aschaffenburg 272

Mit Kindern unterwegs

Paddeln 42

Radfahren 128, 244 - 260

Wandern 12-15, 177-183

13 In der „Fränkischen“ 196

Auf der Wiesent 200

Durch die „Fräkische“ 206


2 Seite

Es ist kaum zu

beschreiben. Man

steht irgendwo

mitten im Wald und

muss beinahe die

Augen zukneifen,

so sehr blenden die

goldgelben Blätter,

die von der Sonne

beleuchtet werden.


Seite 3

Herbst

Es sind solche Momente wie diese, weshalb ich den Herbst so liebe. Kurz bevor ich

diese Zeilen schrieb, war ich im Wald, wie jeden Tag, gleich hinter meinem Haus um

zu laufen. Nachdem ich durch genau diese Farbenpracht zwischen Erichstollen und

Marienschacht, den beiden Eingängen der Partensteiner Schwerspatgruben, gelaufen

war, lockten mich die Sonnenstrahlen hinauf auf die Hofhöh. Dort oben wurde

ich Zeuge eines einmaligen Schauspiels. Weit hinten im Reichengrund hing eine

Nebelschwade ganz unten im Tal. Sie zog sich bis hinter zum Kastanienwäldchen.

Darüber spielten kleine Nebelfetzen mit den bunten Farben der Baumkronen, indem

sie vorsichtig auf und abwippten. Zeitgleich rang die Sonne mit den Wolken um den

entscheidenden Platz am Himmel bis das Licht plötzlich wieder die Oberhand

gewann und ein Strahlenfächer schräg auf die Pfirschhöh traf. Die Nebelschwade

darunter rührte sich plötzlich nicht mehr und für einen kurzen Moment leuchteten die

Farben des Herbstes wie auf dem gerade gezeigten Bild. Leider hatte ich keine

Kamera dabei. Doch ich behielt die Eindrücke in meinem Gedächtnis und schrieb sie

zu Hause auf dieses Papier. Doch warum schreibe ich hier über den Herbst?

Es ist die Jahreszeit, in der folgende Geschichte beginnt.


4 Seite

Durch den Spessart

Durch den Herbstwald

laufen ist für

Kinder ein Spiel,

denn Eichen- und

Buchenblätter

wirbeln umher und

sie rascheln unter

den Füßen, wenn sie

zertreten werden.


Seite 5

Der Spessart bietet dem Wanderer einmalige Erlebnisse. Er ist eines der größten

zusammenhängenden Waldgebiete Europas. Alte, mächtige Eichen und Buchen

können hier noch bewundert werden. Quasi im Vorbeilaufen können Wanderer bis

zu sieben Spechtarten rufen und klopfen hören und mit etwas Geduld sogar beobachten.

Und noch vieles mehr. Über 4000 Tier- und 1.500 Pflanzenarten wurden

bisher im Spessart gezählt. Darunter auch Raritäten wie der Schwarzstorch oder

der Mittelspecht. Sie alle sind in diesem Waldkomplex heimisch.

Außerdem hat die Gegend historische Zeugnisse zu bieten. Die fränkische Kulturlandschaft

zeigt sich durch Burgen, Schlösser und Ruinen, die hoch über den Tälern hinter

den Bäumen hervorragen. Klöster und Kirchen findet man ebenfalls in abgelegenen

Dörfern. Doch bald verschwindet der Weg anschließend wieder im Grün des Waldes.

Wie durch einen Torbogen taucht dann der Wanderer in die alten Eichen- und Buchenwälder

ein. Dazwischen führen die Wege über Wiesen und durch Bachtäler in das

nächste Dorf hinein. Dort erzählen schmucke Fachwerkbauten von ihrer langen

Geschichte.

Diese abwechslungsreiche Landschaft war ein wesentlicher Grund, weshalb sich bereits

früh Wanderfreunde im Spessart zusammenfanden. Heute zählt der Spessartbund, der

auch die Wege unterhält, etwa 17.000 Mitglieder, die in 88 Ortsgruppen organisiert sind.


6 Seite


Seite 7

Die Route

Der Spessartweg 1 durchquert auf 60 km dieses Mittelgebirge von West nach Ost.

Der Weg beginnt in Aschaffenburgs Parkanlagen und führt hinauf zur mittelalterlichen

Ausgrabungsstätte Ketzelsburg.

Über die Bergrücken des Spessarts geht der Weg

hinüber nach Rothenbuch und weiter bis in die

historische Altstadt von Lohr.

Anschließend quert der Weg den Main und

wechselt nach einem Anstieg seine Richtung.

Er begleitet uns nun nach Norden und endet in der

Dreiflüssestadt Gemünden.


8 Seite

Unterwegs im Räuberwald

November 2010

„Was sind das für knarrende Geräusche“, erschrak Jan als Erster. „Jemand verfolgt uns“. Ich

blickte in weit geöffnete Augen, konnte mir das Grinsen aber nicht verkneifen. „Da schon wieder.

Ich habs auch gehört“, meinte Lena. „Das sind die langen Fichten, Kinder, die da knarren”.

„Dort drüben sind sogar welche umgefallen, mitsamt

der Wurzel“. „Ja, Nadelbäume sind halt nicht so stabil“,

erklärten wir. „Deshalb bemüht man sich heute wieder

vermehrt Laubbäume zu pfl anzen, wenn die Fichten

vom Sturm niedergeworfen wurden“, fuhr ich fort. Wenig

später bestätigten uns die Kinder, dass der Laubwald ja

auch wesentlich schöner sei. Wir schlurften mit den Füßen

durch die bunten Blätter des Halsbachtales und ließen sie

tanzen, sobald der Wind aufkam und ein wenig nachhalf.

Wir waren auf dem Weg zur Ruine Schönrain, einem

alten Gemäuer mit einer langen Geschichte. Dort oben

wllten wir Rast machen. Es war die letzte Etappe auf

dem Spessartweg 1, die jenseits des Mains von Lohr

nach Gemünden führt und dort endet.


Seite 9

Einblicke in die Geschichte

Es waren schöne Tage Anfang November. Die Herbstferien

hatten gerade begonnen und wir nutzten die Zeit,

um den vom nationalen Wanderinstitut ausgezeichneten

Premiumweg fertig zu laufen. Nachdem wir

Mariabuchen und Halsbach hinter uns gelassen hatten,

ging es hinauf zur Ruine Schönrain. Die Aussicht von

dort oben hinunter auf den Main ist zu dieser Jahreszeit

traumhaft, denn das lichter werdende Blätterdach

ermöglicht weite Ausblicke hinunter ins Maintal. Während

des Schlenderns durch die Gemäuer erzählte ich den

Kindern nebenbei die bewegte Geschichte dieses Ortes.

Ganz oben:

Vom alten Klostergarten

aus blickt man über die

Mainschleife in Richtung

Lohr.

Links und oben:

Abenteuerspielplatz

Burgruine.


10 Seite

Impressionen auf dem Spessartweg 1

1

2

3

Schloss Johannisburg, Aschaffenburg

Waldboden im Hochspessart

Valentinuskapelle und Altstadt in Lohr

1

3

3

2


Seite 11

Der Start dieser Tour lag bereits ein Jahr zurück.

Ebenfalls im Herbst fuhren wir mit der Bahn nach

Aschaffenburg, dem Mainfl orenz am Westrand des

Spessarts, wie es so schön heißt. Die größte Metropole

des Untermains zählt mittlerweile über 70.000 Einwohner.

Bequem erreichten wir mit dem Zug von Partenstein

kommend direkt die Innenstadt und schon nach

wenigen Minuten standen wir am Schloss Johannisburg,

einem der eindrucksvollsten Schlösser Frankens.

Die Markierung des Wanderwegs, ein blaugrüner

Specht, der vom Mainviereck umgeben ist, führte uns

anschließend durch den Stadtpark. Vorbei an schönen

Teichanlagen wanderten wir die ersten Kilometer mitten

im Grünen durch die Stadt.

Wir passierten nach dem Adriansdenkmal das gelbe

Stadtschild und waren wenig später bereits über

Streuobstwiesen auf den Godelsberg hochgelaufen.

Oben angekommen genossen wir von der Teufelskanzel

den Ausblick auf den Talkessel. Im Mittelpunkt

erkannten wir das Schloss und die Stiftskirche, und

somit die Keimzelle der Stadt. Aschaffenburgs. Nach

dem Aussichtspunkt ging es mit wenigen Schritten

direkt in den Spessartwald hinein.

Oben:

Beschreibung des

Wegverlaufs direkt an

der Fasanerie

Links:

Am Denkmal Ludwig I


12 Seite

Ausblick von der

Teufelskanzel Richtung

Aschaffenburg und das

sich anschließende

Maintal.

Große Steinblöcke am Wegesrand sind für die Kinder

eine willkommene Abwechslung. Auf dem weiteren

Weg geht es auf und ab und wir erreichten nach sieben

Kilometern Haibach. Nach einer kurzen Pause am Wildgehege

wanderten wir der Ketzelsburg entgegen.

Diese kleine Höhenbefestigung wurde vom Archäologischen

Spessartprojekt ausgegraben und näher

untersucht. Eine detailierte Hinweistafel informierte

uns detailgetreu über die neuesten Erkenntnisse der

Grabungen.

Auf einer Wiese direkt am Ort durften wir übernachten,

auch wenn wir gerne noch weitergelaufen

wären. Für die Kinder sind jedoch kurze Etappen

wichtig, denn sie sollen die Lust am Wandern nicht

verlieren.


Seite 13

Der Spieltrieb packte Jan und Lena auch am nächsten

Morgen. Nach wenigen Kilometern erreichten wir ein

kleines Rinnsal. Es fl ießt gemütlich über Sandsteinstufen

bergab und endet in einem trüben Teich. Eine

Schutzhütte direkt daneben bot sich für eine kurze

Rast an. Für die Kinder ist es spannend, einem kleinen

Bächlein zu folgen, dieses immer wieder zu überspringen

und in die unzähligen Pfützen daneben zu tappen.

Dabei kamen wir nur langsam voran, denn so manches

ließ sich auf dem Weg entdecken. Als wir nach der

Ankunft am Kloster Schmerlenbach die Trinkflaschen

gefüllt hatten, ging es über Felder leicht bergauf. Wir

nutzten dabei die Zeit, um das kleine Einmaleins zu

lernen.

Nach der Unterquerung der Autobahn, die sich mitten

durch den Spessart schlängelt, wunderten wir uns,

denn schon nach einigen Minuten war nichts mehr vom

Autolärm zu hören. Der Wald verschluckt zum Glück

die Geräusche bereits nach etwa einem Kilometer.

Auf einer kleinen Lichtung konnten wir anschließend

die Sonnenstrahlen genießen. Wir legten uns dazu ins

Laub, lauschten dem Vogelgezwitscher und beobachteten

die Bewegungen der Vögel, die sich über uns in

den Baumkronen tummelten. Über Waldaschaff sahen

wir zum letzten Mal die Autobahn und tauchten danach

immer tiefer in die Waldlandschaft ein. Über Forstwege

zog sich unser Wanderweg anschließend auf den

Höhenzügen entlang Richtung Osten.

Heute sind diese Wege recht einfach zu bewandern.

Früher war dies ein anstrengendes Unterfangen, vor

allem bei Nässe. Fuhrleute brachten über diese Höhenwege

Waren wie etwa Glasprodukte der Lohrer Manufaktur

zur Frankfurter Messe. Brüchiges Glas wurde auf

Pferde- und Ochsenkarren transportiert. Wieviel der

Ware dabei wohl zu Bruch gegangen ist, wenn es dann

geregnet hatte, der Waldboden aufgeweicht war und

die Karren im Morast versanken. Wir können uns das

heute kaum vorstellen. Ausgeruht folgten wir nach der

Rast wieder unserem „Specht mit der 1“. Dabei sollten

wir bald den Spessartweg 2 kreuzen. Dieser verläuft

in Nord-Südrichtung, führt durch Heigenbrücken und

endet in Stadtprozelten.

Oben: Stockschwämme

am Wegrand

Links: beim Packen nach

der Rast

Ganz Links:

Eine Blindschleiche

kroch vor unseren Füßen

über den Weg.


14 Seite

Zeltplatz mitten im

Spessart.


Seite 15

Übernachten im Zelt

Gibt es etwas Schöneres als mit Kindern im Zelt zu

schlafen? Wohl kaum. Seit einigen Jahren kann man

dies auch direkt im Wald realisieren und bequem über

den Spessartbund, die Geschäftsstelle des Naturparks in

Gemünden oder über „www.trekking-bayern.de“ buchen.

Endlich am Zeltplatz angekommen, stellten wir unser

Kuppelzelt auf und holten anschließend die Daunenschlafsäcke

aus dem Rucksack heraus. Nach ein paar

Minuten haben diese ihr bauschiges Volumen erreicht

und bieten für die Nacht eine kuschelige Schlafhöhle.

Doch vorher gibt es noch einen leckeren Nudeltopf.

Die Dämmerung löste den Tag in schnellen Schritten

ab und die Geräusche des Waldes veränderten sich.

Gespannt lauschten wir in die Dämmerung hinein. Äste

fielen gelegentlich herab und der Wind rauschte über die

Baumwipfel, während ein Käutzchen die einbrechende

Nacht ankündigte. Jan und Lena liebten es, im Zelt zu

schlafen und so waren wir glücklich, dass unser Hobby

in den Kindern ein wenig weiterlebte. Wir krochen ins

Zelt und nach einigen Minuten umgab uns die kuschelige

Wärme der Daunen. Beachten sollte man jedoch, dass

die Daunenschlafsäcke trocken bleiben. Aneinander

gekuschelt schliefen wir bald ein.

Am nächsten Morgen, nachdem wir die Schlafsäcke verstaut

hatten und aus dem Zelt gekrochen waren, gab es

Tee, Kaffee und Nutellabrote. Während Kerstin die Brote

schmierte, was mit der harten Butter nicht gerade leicht ist,

baute ich mit kalten Fingern das Zelt ab. In der Zwischenzeit

verputzten Jan und Lena die zubereiteten Brote. Aber

die Kälte kroch bald unter unsere Jacken. Nach dem Essen

wurden daher zügig die Rücksäcke gepackt. Je kälter

es ist, umso besser müssen die zu erledigenden Arbeiten

Hand in Hand ablaufen, um schnell wieder in Bewegung

zu kommen. Zuletzt muss noch das Zelt mit den unteren

Packriemen festgezurrt und die Isomatten an den oberen

Schnallen direkt an die Deckeltasche befestigt werden.

Mit dieser Anordnung lässt sich während der Tagesetappe

schnell ein warmes Sitzkissen realisieren. Nur wenige

Minuten nach dem Frühstück waren wir wieder unterwegs.

Oben:

Gemütliche Wärme im

Inneren des Zeltes

Links:

Abends wird meist ein

Fertiggericht zubereitet.


16 Seite

Auch alte Buchen- und Traubeneichenbestände sind rund

um Rotenbuch, vor allem in den Naturschutzgebieten

Metzgergraben und Krone, Rohrberg und Eichhall zu

finden. Auf über 400 Jahre wurde das Alter der Bäume anhand

der Jahresringe ermittelt. Der Traubeneichenbestand

des Spessarts ist somit einzigartig in Deutschland. Und diese

urwaldartigen Naturschutzgebiete, die aber nur kleinere

Waldinseln darstellen, werden durch Natura 2000-Gebiete

zusammengefasst und somit vernetzt. Glücklicherweise

verläuft unser Wanderweg mitten durch diese schützenswerten

Gebiete hindurch, die als Naturwunder unserer

Heimat bezeichnet werden können. Aus diesem Grund

habe ich darüber auch ein Buch geschrieben, aug dass am

Ende des Kapitels noch einmal eingegangen wird.

Neben den Eichen sind aber auch die vielen Spechte

das Wahrzeichen dieses Waldes. Von Zeit zu Zeit hörten

wir ihr Trommeln an morschen Baumstämmen. Diese

enthalten unzählige Larven und Insekten und sind

somit als Kinderstube nicht nur für Spechte eine ideale

Bleibe. Wir liefen auf dem Höhenweg weiter bis nach

Rothenbuch, einem ehemaligen Jagdsitz der Mainzer

Erzbischöfe. Den Wald hinter uns lassend, geht es über

ausgedehnte Wiesen hinunter in das schöne Dörfchen

mitten im Spessart. Nach den Bunt- und Schwarzspechten

im Wald bekamen wir auf der Wiese vor allem

Grünspechte zu Gesicht. Doch nicht nur die sieben

Spechtarten sind im Spessart zahlreich anzutreffen.

Sorgen bereitet den Bewohnern vor allem das viel zu

hohe Schwarzwildvorkommen. Es richtet jedes Jahr

erhebliche Schäden besonders auf den Feldern rings

um die Dörfer an. Der steigende Maisanbau fördert

auch die Schwarzwildbestände, denn Wildschweine

lieben den Mais.

Aus Naturschutzkreisen gibt es aber auch Erfreuliches

zu berichten. Der Luchs ist auf seinen leisen Pfoten

immer öfter in unseren Wäldern unterwegs. Pfotenabdrücke

und Fotofallen liefern eindeutige Beweise

dafür, dass dieser große Beutegreifer in den Spessart

zurückgekehrt ist.


Seite 17

Nachdem wir Rothenbuch hinter uns gelassen hatten,

führte uns das Wegzeichen auf den alten Handelsweg

zwischen Lohr und Aschaffenburg zurück. Er erstreckt

sich nahe der B26 auf dem nördlich von Rothenbuch

verlaufenden Höhenrücken. Nach ein paar Minuten

verlässt die Markierung den Verlauf der Teerstraße

wieder und führt den Wanderer über den Gaulskopf zum

Bischborner Hof.

Anschließend verläuft der Weg in Richtung Weikertswiese

bis hinunter nach Lohr über einen Abstecher

am Steinernen Haus vorbei und weiter bergab bis zum

Valentinusberg. Wir erreichten die gleichnahmige Kapelle,

die über der Altstadt von Lohr liegt.

Seit dem 15. Jahrhundert ist an diesem Platz eine Kapelle

belegt. Wahrscheinlich stand hier aber schon viel früher ein

sakrales Bauwerk. Die heutige Kapelle wurde 1660 bis 1664

zu Ehren des heiligen Rochus gegen die Pestepidemien

errichtet und von den Lohrer Bürgern finanziert.

Direkt hinter dem Kirchlein konnten wir einen flüchtigen

Blick auf den Talkessel werfen. Leider ist die Aussicht etwas

zugewachsen, aber zwischen den Ästen schimmerte

der Kirchturm hindurch. Er zeigte uns den Weg hinab in

die Stadt.

Oben: Abstecher zum

Steinernen Haus etwa

3 km vor Lohr


18 Seite

Blick durch die Altstadt auf den

Kirchturm von St. Michael.

Noch heute überragt er weit

sichtbar die Altstadt. Er war

viele Jahrhunderte lang

Wahrzeichen und zeigte den

Stolz der Lohrer Bürger, die ihn

erbauten.


Seite 19

Der Weg führt uns direkt in die Altstadt mit ihrer Fußgängerzone

hinein. Vorbei am alten Rathaus aus dem

16. Jahrhundert geht es über Sandsteinpflaster an alten

Fachwerkhäusern entlang und geradewegs auf den

Kirchturm zu.

Das Weinhaus Mehling steht direkt am Alten Dorfbrunnen.

Unter dem Weinhaus liegt der alte Weinkeller,

der zur Theaterbühne umgebaut wurde. Viele weitere

Lokale und Gasthäuser laden in der Fußgängerzone

zum Einkehren ein.

Oben: Hotel Krone

und Blick auf den

Treppenturm des

Rathauses

Links: Weinreben klettern

an manchen Fassaden

der Fachwerkhäuser

empor


20 Seite

Lohrer Schloss mit Spessartmuseum

Der fränkische Baustil prägt die

ganze Altstadt. Der Bayersturm

überragt Turmstraße

und Fuchseneck. Der Brunnen

in der Fischergasse symbolisiert

mit seinem Fischer eine

der ältesten Nahrungsquellen,

den Main.


Seite 21

Das Lohrer Schloss, das mit dem Ausbau der Stadt ab 1330

errichtet wurde, beheimatet heute das Spessartmuseum. Die

Ausstellung zeigt unter anderem einen „Schnewittchenspiegel“

aus der ehemaligen Spiegelmanufaktur, es werden aber

auch alte Handwerksberufe vorgestellt und Räubergeschichten

aus dem Spessart erzählt. Über den Schlossplatz erreicht

man schnell die Hauptstraße, die durch die Altstadt führt. Am

unteren Ende gelangt man über ein Torhaus in die ehemalige

Burg, die nach dem Schlossbau Stück für Stück für kirchliche

Zwecke weiter umgestaltet wurde.

Wir verließen die Altstadt über die alte Mainbrücke in Richtung

Sendelbach und genossen noch einmal die Silhouette der Lohrer

Altstadt mit dem Bayersturm. Auf der gegenüberliegenden

Seite des Mains sollte es im kommenden Jahr weiter gehen.

Oben und links: Zugang

zur alten Burg und zum

heutigem Kirchplatz.

Ganz links: Fischergasse

mit Brunnen und anschließendem

Durchgang zur

alten Mainbrücke


22 Seite

Hinweisschilder am

Romberg erkären uns

Flora und Fauna im

gleichnahmigen

Naturschutzgebiet.


Seite 23

Genau ein Jahr später starteten wir von Lohr aus zur

letzten Etappe des Spessartwegs 1. Die alten, knorrigen

Eichenbäume am Romberg bilden eine beeindruckende

Allee, durch die der Weg hindurchführt. Hinweistafeln

erklären die besonderen Lebensräume, die hier neben

dem Wald anzutreffen sind. Neben Magerrasen und

Streuobstwiesen fanden wir aufgesetzte, alte Steinmauern,

in denen Zauneidechsen heimisch sind.

Wir kamen bald auf eine Lichtung und sahen am Himmel

drei Mäusebussarde kreisen. Ihr lauter Warnschrei

signalisierte, dass sie uns gesehen hatten. Wir liefen

weiter den Romberg hinauf und waren bald auf seinem

von Sandgruben durchzogenen Bergrücken.

Oben: Eine alte Eiche

direkt am Straßenrand

hinter Sendelbach ist als

Naturdenkmal ausgezeichnet.

Links: Immer wieder

stoßen die Kinder auf

außergewöhnliche Dinge.


24 Seite

Herbstfarben schmücken

alte Buchenwälder im

Spessart.


Seite 25

Das Spechtzeichen folgt dem Prozessionsweg nach

Mariabuchen, einem alten Gebäudekomplex. Neben der

Kirche läd die Buchenmühle zum Essen ein. Sie liegt

direkt in der Talsohle des Buchentals. Wir wanderten aber

weiter über die Rettersbacher Höfe in Richtung Halsbach.

Hier oben endet der Spessart und die fränkische Platte

mit ihren Wiesen und Feldern beginnt. Hinter Wiesenfeld

ragten eine Reihe Windräder in den Himmel. Sie sind

Zeugen der Energiewende, deren schnelle Realisierung

für unsere Kinder so wichtig ist. Die Agrarlandschaften

darunter bieten sich als Standort für regenerative Energien

geradezu an. Die weite Fernsicht endete, als wir hinter

Halsbach in ein bewaldetes Tal hinuntertrotteten. Der

Spessartwald hatte uns wieder.

Rechts: Auf dem Bergrücken

angekommen lockte

eine leckere Brotzeit an

der Schönrain.

Unten: Einsiedelhäuschen

hinter dem Halsbach


26 Seite

Abenteuerspielplatz an

der Ruine Schönrain


Seite 27

Nach der Brotzeit erkundeten die Kinder sofort das

alte Gemäuer. Von den Wanderstrapazen war plötzlich

keine Rede mehr. Ebenso von den Schmerzen an den

Füßen. Wir ließen die Kinder noch eine Weile spielen

und setzten eine halbe Stunde später unsere Wanderung

fort.

Nun ging es hinauf zur etwa einem Kilometer entfernten

Klosterquelle. Dort füllten wir unsere Trinkflaschen auf.

Von hier oben hatten die Mönche im Mittelalter eine

Steinrohrleitung verlegt und damit die Wasserversorgung

für das Kloster sichergestellt. Heute speißt die

Quelle einen kleinen Waldteich und dient Amphibien

und Libellen als Laichgewässer.

Oben: Die Klosterquelle

speißt einen kleinen

Teich mitten im Wald.

Blick von der Schönrain

auf die Mainschleife in

Richtung Lohr


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Blick von der Mainbrücke

auf die Dreifl üssestadt

Gemünden


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Kurz vor Massenbuch wird der Wald wieder durch Felder abgelöst und unsere

Blicke zieht es weit hinüber bis zur Homburg. Bei gutem Wetter kann

man sogar bis in die Rhön blicken. Uns blies jedoch der Wind ins Gesicht

und die Blätter tanzten vor unserem Weg auf und ab. Sie umrahmten ihn

dabei und wirkten teilweise wie ein Schneegestöber auf uns. Nun hörten

wir auch das Knarren der Nadelbäume wieder.

Die Markierung führte uns gleichzeitig sicher über alte Hohlwege hinab

bis nach Gemünden, unserem heutigen Ziel. Das Wetter hätte ruhig etwas

besser sein können, aber den Kindern schien es nichts auszumachen. Am

Huttenschloss wurden noch einmal die Regenjacken benötigt. Doch bis

zum Bahnhof war es ja nicht mehr weit.

Oben: Scherenburg

über der Dreifl üssestadt

Gemünden

Links: Huttenschloß mit

Wappen der Erbauerfamilie


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Main und Saale

An den Ufern des

Mains liegen zum

Teil wunderschöne

Buchten. Über sie

kann man mit dem

Boot bequem auf

das Wasser gelangen.

Am besten

findet wird man

diese Stellen aber

vom Wasser aus.


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Unsere heimischen Flüsse wie der Main, aber auch die fränkische Saale oder die

Wiesent laden zum Bootsfahren geradezu ein. Der Main ist dabei die Lebensader

unserer Region. Sein Name ist keltischen Ursprungs. Man nannte den Fluss damals

Moin oder Mogin und bezog sich dabei auf die Windungen des Flusses, der sich wie

eine Schlange durch die Landschaft windet.

Für den Main werden verschiedene Längen genannt, denn er hat mehrere

Ursprünge. Wenn man ihn von der Qelle des Roten Mains aus berechnet, ergibt sich

bis zur Mündung in den Rhein eine Fließlänge von 527 km. Von seinem kürzeren

Quellfluss, dem Weißen Main bis zur Mündung werden 518 km angegeben. Doch

auch die Regnitz könnte man mit einbeziehen, denn sie ist am Zusammenfluss

deutlich größer als der Main. Inklusiv der Rednitz kämen dann etwa 553 km zusammen.

Vor der Wiedervereinigung wurde der Main sogar als längster Fluss der BRD

genannt. Das Einzugsgebiet des Mains und seiner Nebenflüsse umfasst jedenfalls

eine Fläche von 27.292 km². Somit entwässert er den größten Teil Frankens.


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Die Route

Der Main ist nicht nur ein langer, sondern auch ein sehr schöner Paddelfluss.

Vor allem an seinem Oberlauf. Denn die Hauptschiffartsroute führt ab Bamberg über

den RMD-Kanal nach Nürnberg und weiter zur Donau. Auf dem Oberlauf zwischen

Bamberg und Kulmbach geht es dagegen wesentlich ruhiger zu.

Aber auch rund um den Spessart lässt es sich

hervorragend paddeln. Von gelegentlichem Um

tragen an den Staustufen einmal abgesehen,

kann auch der Mittlere- und der Untermain

schöne Abschnitte vorweisen. Hier wird der Fluss

auf der Strecke zwischen Gemünden und Lohr

beschrieben und am Ende auch der Unterlauf der

fränkischen Saale.


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Alles im Fluss

Juli 2020

Gemünden ist als Dreiflüssestadt überregional bekannt. Sinn und Saale treffen sich am Rande

dieser Stadt, um sich dort mit dem Main zu vereinen. Anschließend umfließt dieser im weiten Bogen

den Spessart und durchquert gleichzeitig den Landkreis Main-Spessart von Nord nach Süd.

Schon immer war der Fluss für diese Region bedeutend.

Er wurde am Ende namensgebend für den Landkreis.

Da ich dem Paddeln verfallen bin, war klar, dass

ich den Main, der meine Heimat geprägt hat, einmal

befahren würde.

Über den Sommer wollte ich den Abschnitt zwischen

Gemünden und Miltenberg in mehreren Etappen

erkunden. Bei herrlichstem Wetter startete ich Ende

Juli mit dem ersten Teilstück zwischen Gemünden

und Sackenbach und fuhr am Bootseinstieg an der

Einmündung der Saale los. Der Main war nach wenigen

Paddelschlägen erreicht. Ihm folgte ich nun und kam

bald an der Saaleinsel vorbei. Sie ist als „Tanzinsel“ im

Umkreis bekannt. Diese Landzunge zwischen Sinn und

Saale zieht sich weit in den Main hinein. Bis letztes Jahr

fanden hier noch rauschende Techno-Events statt.


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Doch durch die Corona-Pandemie hatte sich vieles

geändert. Ich paddelte gemütlich unter der neuen Mainbrücke

hindurch und tauchte in ein sattes Grün ein, das

am Ufer des Mains hinter der Stadt zunehmend nach

oben strebt. Etwa ab Wernfeld durchfließt der Fluss in

weiten Bögen den Spessart und seine markanten Mittelgebirgsrücken.

Diese stellen dem Gewässer Bollwerke

entgegen und haben ihn bei Gemünden am Äußeren

Berg im Laufe der Zeit zu einer scharfen Linkskurve

gezwungen und auch die 536 Meter hohe Sohlhöhe

drängt ihn nocheinmal weiter nach links ab. Wie eine

Schlange windet sich der Fluss nun zwischen den zum

Teil recht steil abfallenden Waldhängen hindurch und

geht mit ihnen eine Verbindung ein.

Ich mache am Ufer die ersten Bilder. Ein Kormoran sitzt

auf einem abgestorbenen Ast und hält Ausschau nach

seinem zweiten Frühstück. Mittlerweile ist es 9.30 Uhr

und die Sonne wärmt noch angenehm meinen Rücken

während eine leichte Brise von vorne kommt. Ich lege

mich ins Zeug und paddle mit kräftigen Schlägen vorwärts,

was zu hörbaren Geräuschen unter meinem Boot

führt. Kleine Wellen schlagen nun gegen mein Boot und

lassen so das typische Flair entstehen, das man sich

herbeisehnt, wenn man auf dem Wasser unterwegs

sein will. Das Schlagen der Wellen und der Wind suggerieren

auch einen Hauch von Geschwindigkeit, die

jedoch beim Paddeln nicht der Wahrheit entspricht.


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Zum Glück, denn bei etwa vier bis fünf Kilometern pro

Stunde wird ein ganz anderes Gefühl in uns geweckt.

Man ist dann eins mit der Natur, wie man so schön

sagt, und das liegt vor allem an der Geschwindigkeit,

mit der man sich fortbewegt. Sie entspricht exakt dem

Tempo beim Laufen und somit der Geschwindigkeit, mit

der wir als Menschen bereits am längsten auf der Erde

unterwegs sind. In den letzten 100.000 Jahren haben

sich daher auch unsere Sinne an diese Geschwindigkeit

bestmöglichst angepasst. Der Grund, warum wir die

uns umgebenden Eindrücke beim Wandern und beim

Paddeln mit maximaler Aufmerksamkeit aufnehmen

können, liegt genau an dieser Geschwindigkeit. Die

gesteigerte Achtsamkeit, die sich daraus ergibt, schulden

wir sogar diesen Fortbewegungsarten. Gleichzeitig ist

dies auch die Voraussetzung, um die Vorgänge in der

Natur bestmöglichst aufnehmen und Veränderungen beobachten

zu können. Und so wird das Schöne an diesen

Sportarten deutlich. Für Neulinge, die zum ersten Mal

auf einem Fluss unterwegs sind, ist dies durchaus ungewohnt,

denn bei vier bis fünf Kilometern pro Stunde wird

auch Langsamkeit sprürbar, die heute viele Menschen

wieder suchen. Wir fühlen, wie das Wasser mit uns fließt.

Wir bekommen auf langsamer fließenden Gewässern ein

Gespür für die Wasseroberfläche und für das Boot, mit

dem wir uns auf dem Fluss bewegen. Wir erfahren, dass

stärkere Paddelschläge zum schnelleren Drehen des

Bootes führen. Anschließend müssen wir gegensteuern

und unser Boot mit leichten Paddelschlägen an der zu

paddelnden Strecke ausrichten. Hinzu kommt oft noch

der Wind. Im ungünstigsten Fall muss man nämlich

gegen den Wind paddeln und dies kann bei stärkerem

Gegenwind, wie ich ihn an diesem Tag noch spüren

werde, durchaus anspruchsvoll sein, obwohl man

eigentlich den Fluss hinunterfährt. Das Wetter spielt also

beim Paddeln eine tragende Rolle. Doch in der Regel

gleitet man gemächlich dahin und kann dabei entschleunigt

das „Leben und Treiben“ am vorbeiziehenden Ufer

genießen. Bald war ich an der Furt bei Langenprozelten

angekommen.


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Hier überquerten die Menschen schon vor Jahrtausenden

den Fluss. Alte Straßen, wie zum Beispiel

die Birkenheiner Straße, die von Hanau in Ost-West-

Richtung über den Spessart bis nach Gemünden führt,

trafen hier auf Wege, die aus nördlicher Richtung auf

den Fluss zuführten, um hier in Langenprozelten auf die

andere Mainseite hinüberzuwechseln. Ein wichtiger Ort

also, der bereits bei Feldzügen der Römer ins feindliche

Germanien um die Zeitwende eine Rolle spielte. Auch

heute noch werden Fährdienste eingerichtet, wenn zum

Beispiel Brücken erneuert oder gebaut werden müssen.

Ich überquerte mit meinem Boot ebenfalls den Main

jedoch nur, um auf der Innenseite der Biegung auf dem

kürzeren Weg und zusätzlich iim Schatten weiter zu

paddeln.

Hinter Langenprozelten tauchten am linken Ufer Schilfgürtelsäume

auf. Sie haben hier die darunterliegende

Uferbefestigung überwachsen und zeigen so, dass die

Natur die Kraft hat, wieder zurückzukommen wenn wir

ihr dafür ein wenig Freiraum gewähren, Ursprünglich

war dieser Schilfbewuchs nämlich über weite Strecken

am Ufer des Mains die typische Vegetation.


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Wenig später konnte ich an der rechten Mainseite in

das V-Förmige Sinderbachtal hineinschauen und etwa

einen halben Kilometer nach der Schilfzone paddelte

ich an einer Stelle vorbei, an der einige Schafe bis an

den Main herangekommen waren, um ihren Durst zu

stillen. Bereits vor Neuendorf windet sich der Main mit

einer weitläufigen Rechtsbiegung. Er hat nun einen südlichen

Kurs eingenommen und seine Richtung um fast

180 Grad umgekehrt. Ich überquerte erneut den Fluss

und traf auf einen Fischreiher, der nicht gleich wegflog,

sondern mir die Gelegenheit für einen Schnappschuss

bot. Anschließend paddelte ich auf die ICE-Eisenbahnstrecke

zu. Die Brücke quert hier das Maintal zwischen

Nantenbach und Neuendorf. Ein Zug schoss wie aus

einem Kanonenrohr kommend aus dem Berg und störte

mit seinem unverkennbaren Lärm die Ruhe des Fischreihers,

der mir gerade so schön entgegengeschaut

hatte. Die idyllische Ruhe war schlagartig unterbrochen

und der Reiher, der mit seiner Familie eine Kolonie am

gegenüberliegenden Salzberg bewohnt, flog aufgeschreckt

davon. Schräg über der Brücke liegt die Ruine

Schönrain, die sich auf dem unten gezeigten Bild hinter

dem Blätterdach versteckt.


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Dabei hatten sie sich durch den Zuglärm nicht stören

lassen. Die friedliebenden Vögel strahlen generell eine

Ruhe aus, wie man sie im Tierreich nur selten beobachten

kann. Möglicherweise liegt es daran, dass sie so

gut wie keine natürlichen Feinde besitzen. Sobald sie

auf dem Wasser sind, trifft dies sogar zu 100% zu. Ich

genoss es, dieser Familie beim Fressen zuzuschauen.

Gelegentlich tauchte am Himmel eine weiße Wolke auf.

Ich nahm einen Schluck aus meiner Trinkfl asche und

paddelte gemütlich weiter. Noch ein letztes Mal drehte

ich mich um und schaute zurück. Doch dann passierte

etwas Überraschendes.

Nach einigen hundert Metern war die Brücke bereits

nicht mehr zu sehen, doch vom Sporn des Geißbergs

blickte mir beim Zurückschauen noch einmal die Ruine

Schönrain entgegen, deren Gemäuer der Leser ja bereits

aus den vorherigen Wandererzählung kennt. Direkt

darunter sah ich zwei weiße Schwäne graziös am Ufer

entlangziehen. Sie zeigten ihren Jungen, was es hier so

alles zu fressen gibt.


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Zwischen Gemünden

und Lohr durchfl

ießt der Main den

östlichen Spessart,

nachdem er von der

massiven Solhöhe,

die sich auf 536

Meter erhebt, nach

Süden hin abgedrängt

wurde.


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Während es weiter den Fluss abwärts geht, werde ich

nur wenige Augenblicke später erneut überrascht. Ein

Eisvogel fliegt plötzlich mit einem schrillen Pfiff aus der

Ufervegetation heraus und eilt den Main hinab. Diese

schönen Vögel sind sehr schnell in der Luft unterwegs

und man bekommt sie daher nur selten zu Gesicht.

Sie werden deshalb auch als fl iegende Edelsteine bezeichnet,

denn ihr schimmerndes türkisblaues Gefi eder

hebt sich deutlich von den Farben der Uferbereiche ab.

Wenn die türkiesen Federn noch dazu wie an diesem

Tag von der Sonne angestrahlt werden, kann man die

Bezeichnung Edelstein leicht nachvollziehen. Doch

nach Sekundenbruchteilen ist der Schönling wieder im

Gebüsch verschwunden.

Ein paar Mal habe ich diese schönen Vögel bereits fotografieren

können und ich möchte dem Leser an dieser

Stelle meine Bilder nicht vorenthalten.

Wenige Paddelschläge später hatten meine Augen ein

schönes wippendes Gelb auf den dunkelgrauen Granitfelsen

des Uferrandstreifens entdeckt. Auf den zweiten Blick

kamen weitere gelbe Farbkleckse hinzu. Mit einem kurzen

Piep gaben sie sich zu erkennen. Es war eine Gruppe

Schafstelzen, die das Ufer nach Insekten absuchten. Sie

flogen wie bestellt in kleinen Bögen immer wieder vor meinem

Boot hin und her und begleiteten mich so ein Stück.


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Ausladende Weidenäste

ragen weit

über die Wasserfläche

auf den Main

und vermitteln uns

ein Stück Ursprünglichkeit

dieser stark

befahrenen Wasserstraße.


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Wenige Paddelschläge später hatten meine Augen ein

schönes wippendes Gelb auf den dunkelgrauen Granitfelsen

des Uferrandstreifens entdeckt. Auf den zweiten

Blick kommen weitere gelbe Farbkleckse hinzu. Mit einem

kurzen Piep gaben sie sich zu erkennen. Es war eine

Gruppe Schafstelzen, die das Ufer nach Insekten absuchten.

Sie flogen wie bestellt in kleinen Bögen immer wieder

vor meinem Boot hin und her und begleiteten mich so ein

Stück. Doch auch sie wurden bald gestört. Ein Motorboot,

dass an mir vorbeifuhr, vertrieb sie mit den Wellen, die an

das Ufer schwappten. Mir wurde dabei klar, wie wichtig

diese künstliche Befestigung entlang der Wasserstraße

Main eigentlich ist und warum sie angelegt wurde. Ohne

die schweren Steine würden die Randzohnen viel zu

schnell erodieren, da sie durch den Wellenschlag der

Motorboote und Schwerlastschiffe stetigen Belastungen

ausgesetzt sind.

Zusätzlich hat der Main eine ausgebaggerte Fahrrinne,

die ihn zusammen mit der Randbebauung und den Staustufen

leider zu einer künstlichen Wasserstraße gemacht

haben. Die Schafstelzen kehrten nach einer Weile wieder

an das Gewässer zurück. Viele Wanderfische konnten dies

leider nicht.

Noch einmal forderte mich der Fluss. Vom Buchberg und

dem Lohrer Talkessel blies mir starker Wind entgegen.

Auch die fehlende Strömung der näher kommenden Staustufe

Sackenbach, einem Stadtteil von Lohr half nun dazu,

dass ich kaum mehr vorwärts kam. Mit höchster Kraftanstrengung

schob ich mit meinem Paddel das Wasser nach

hinten und kam dabei kaum noch vorwärts. Entsprechend

abgekämpft und naß erreichte ich meine Ausstiegstelle.

Ich hätte nicht gedacht, dass die drei Kilometer von Nantenbach

bis hierher doch so anstrengend sein würden.


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Familienpaddeln auf der fränkischen Saale

Die fränkische Saale ist mit einem Zweierboot ab Bad Kissingen zwar generell befahrbar,

jedoch im Oberlauf bei meist niedrigem Pegelstand problematisch. Ich habe daher den

Fluss ab Hammelburg befahren. Von hier aus sind es nach Gemünden knapp 30 km Paddelstrecke,

die in zwei Tagen geschafft werden können. Wenn Sie mit Kindern paddeln

möchten, sollten sie mit kurzen Strecken beginnen. Hier ist bereits das Aufpumpen des

Bootes ein Erlebnis. Neben der richtigen Einweisung über die Gefahren auf dem Fluss

(Strömungen, Wehre usw.), sollten die Kinder unbedingt ruhig im Boot sitzenbleiben. Auch

das Tragen einer Schutzweste, die es extra für Kindergrößen zu kaufen gibt, ist ein Muss.

Lassen Sie gelegentlich die Kinder paddeln, auch wenn dadurch die ein oder andere Uferkontakt

nicht ausbleibt. Nur so bekommen sie ein Gefühl für Boot, Fluss und Strömungen.


Seite 45

4

2

5

3

1

Selbst beim Treideln, so nennt man das Untragen der Wehre, haben die Kinder ihren Spaß.

Gönnen Sie ihnen zwischen den Paddelstrecken jedoch ausgiebige Pausen zum Spielen,

da sie im Boot ja ruhig sitzen bleiben müssen. KENTERN dürfen Sie mit Kindern gar nicht!

Einstiegsmöglichkeiten:

1

5

In Wolfsmünster am Ortseingang links.

Wenn Sie hier starten und bis nach

Gemünden fahren, müssen die Boote an

zwei Stellen umtragen werden. Dieser

Abschnitt kann mit Kindern befahren werden.

Weitere Einstiege sind in Gräfendorf, an der

Roßmühle und in Diebach möglich. Es

steigen dann die Anzahl der Wehre, die zu

umtragen sind, und die Paddelstrecke.

Von Hammelburg aus sind es etwa 29 km

und 7 Wehre.


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Mit dem Rad durch das Sinntal

Mai 2011

Es war ein halbes Jahr vergangen. Der Frühling war mit voller Kraft am Werk und so konnten wir

schon in den Osterferien unseren Weg durch die Heimat fortsetzen. Wir starteten direkt hinter

dem Huttenschloss und radelten entlang der Fränkischen Sinn in Richtung Norden.

Auf einem Damm, der Schutz gegen das alljährliche

Hochwasser bildet, starteten wir unsere Radtour. Das

Wetter war perfekt an diesem Morgen. Frisches Grün

hatte die Bäume bereits komplett geschmückt und wir

waren bald am Gemündener Anglersee angelangt.

Da wir unbedingt die bekannten Schachblumen

betrachten wollten, hielten wir uns aber nicht lange am

See auf.

Bald erreichten wir die ersten ausgeschilderten Blumenfl

ächen. Die unter Naturschutz stehende Schachblume

blüht im Frühling in herrlichem Lila. Da sie auf

Überfl utungsperioden angewiesen ist, fühlt sie sich

hier im Sinntal sehr wohl. Der natürliche Flusslauf der

Sinn stellt ideale Voraussetzungen für ihr Wachstum

zur Verfügung. Das Tal ist aufgrund des zahlreichen

Vorkommens dieser Blume einzigartig in Deutschland.


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Im Tal der Schachblume

Wir machten einige Fotos von einer Gruppe Lupinen, die

am Radweg blühten und radelten weiter. Dabei unterquerten

wir die ICE-Strecke. Die Züge brausen hier von Tunnel

zu Tunnel durch den Nordspessart. Dazwischen werden

sie auf rießigen Betonpfeilern über die Täler geschleust.

Oft erschrickt man, wenn wieder ein weißer Pfeil aus

einem Tunnel herausschießt. Doch die Bewohner haben

sich mit dem Steckenverlauf mittlerweile arrangiert. Als

nächstes erreichten wir Schaippach. Der Ort kann auf

ei ne 1200-jäh ri ge Ge schich te zu rück bli cken. Denn wie

eine Ur kun de belegt, wurden bereits 812 Be sit zun gen zu

„Sce ip bach“ dem Klos ter Ful da übertragen. Ein gewisser

Reginfrid ver schenk te dabei nicht nur ei ne Neu ro dung mit

Län de rei en und ste hen den sowie flie ßen den Ge wäs sern,

son dern auch die dort be schäf tig ten Un ter ta nen Na mens

Hei u u ig, Al trat, He ri muot, Per aht ni u ui mit zwei Kin dern und

Per aht lind mit al len le bens not wen di gen Sa chen. Aus gestellt

wur de die se Ur kun de im Klos ter Ful da. Warum ich

dies erwähne, hat einen Grund. Es ist einer der ältesten,

urkundlich nachweisbaren Orte in unserem Landkreis Main-

Spessart. Später zählten die Gra fen von Rieneck den Ort

Schaippach zu ihrem Be sitz, nachdem sie um 1150 Burg

und Stadt Rieneck zum Mit tel punkt ih rer Herr schaft machten.

Zusätzlich belegen einzelne archäologische Funde

aus der Umgebung eine Besiedlungsgeschichte, die bis

in die Steinzeit zurückreicht. Doch die Bevölkerung wuchs

bis heute überschaubar, sodass wir immer noch von einer

relativ intakten Natur umgeben sind. Es ist der Spessart,

ein Naturwunder, das direkt vor unserer Haustür liegt.

Ganz oben:

Burg Rieneck

Links und oben:

Schachblume im

Naturschutzgebiet

Sinntal

Ganz Links: Lupinen


48 Seite

Wir überquerten eine alte Brücke und es dauerte nicht

lange, als wir plötzlich in der Ferne die Rienecker

Stammburg erblickten. Sie schaut von einem Felssporn

herunter und überwachte einst die Weiten des Sinntals.

Die Stadt Rieneck liegt direkt unter der Burg. Eine alte

Sandsteinbrücke führt vom Wiesengrund in die Altstadt.

Im Tal wurde mittlerweile eine Umgehungsstraße um

die Stadt gebaut. Wir radelten an der Stadt vorüber und

das schöne Sinntal weiter hinauf.

Auf seinem ansprechensten Teilstück zwischen Rieneck

und Burgsinn breiten sich die Wiesenlandschaften

weit sichtbar aus. Einzelne Pappeln und Erlen stehen

in den Talauen und der Biber hat sich dort sein Reich

wieder zurückerobert. An vielen Stellen fanden wir seine

Spuren. Er legt Dämme an und sorgt so gebietsweise für

Stauwasser, die zum einen fördernd für die Schachblumen

im Naturschutzgebiet sind und zum anderen der

Artenvielfalt dienen. Das 380 Hektar große Naturschutzgebiet

an der Sinn reicht bis hinauf nach Altengronau.


Seite 49

Manchmal fl og eine Wasseramsel dicht über der Oberfläche

den Bachlauf entlang. Ihre weiße Kehle verrät sie

oft schon von Weitem.

Inzwischen waren Wolken aufgezogen. Mit ihnen war es

auch schwül geworden. Die Mücken ärgerten uns stetig

während die Bachstelzen, die am Ufer entlangwippten,

die Plagegeister in ihren Schnäbeln für den Nachwuchs

sammelten. An einer überdachten Bank machten wir

Brotzeit. Die Kinder saßen mit Kerstin schon unter einem

Dächlein und waren so dem kurzen Schauer entgangen.

Ich hatte es nicht geschafft. Der Drang zum Fotografieren

war stärker gewesen und so hatten mich die großen

Tropfen noch vor dem Unterstand erreicht. Frisch gestärkt

und wieder trocken ging es weiter. Vor Burgsinn

bewunderten wir noch einen Standort voller Kuckucks-

Lichtnelken, die in einem Halbkreis am Wegrand wuchsen.

Das herrliche Lila bildete einen guten Kontrast zum

saftigen Grün der umliegenden Wiese.


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Parkanlage am

Wasserschloss in

Burgsinn


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Wir erreichten Burgsinn. Hinter der alten Wasserburg

kamen wir an einem kleinen Park vorbei, der uns zur

erneuten Rast einlud.

Bereits um 1000 kannte man Burgsinn als Siedlung,

doch erst ab 1334 wurde hier verstärkt gebaut. Die

links gezeigte Wasserburg stammt aus dem Jahr 1339.

Der 22 Meter hohe Bergfried mit seinen zweieinhalb

Meter dicken Mauern wird jedoch schon auf das 12.

Jahrhundert datiert. 1405 übernahm Wilhelm von Thüngen

die Wasserburg. 10.000 Gulden musste er dafür

an das Würzburger Erzbistum bezahlen, so jedenfalls

informierte uns eine Infotafel im Park.

Auch dem neuen Schloss, das etwas nördlicher verborgen

am Waldrand liegt, statteten wir einen Besuch ab.

Danach radelten wir wieder nach Gemünden zurück.

Als wir endlich die Scherenburg über Gemünden sahen,

freuten wir uns. Vor allem die Kinder traten fleißig in

die Pedalen, denn ihnen hatten wir versprochen, am

Marktplatz zum Abschluss ein Eis zu essen.

Unsere Geschichte verlässt hier nun den Naturpark

Spessart mit seinen alten Eichen- und Buchenwäldern

und seinen schönen Talauen. Doch eine Reise per

Pedes hindurch hinterlässt ihre Spuren. Viele Tier- und

Pflanzenarten gibt es dort zu entdecken. Sie füllen ein

eigenes Buch, das ich geschrieben habe und auf der

folgenden Doppelseite kurz vorstelle. Anschließend

verlassen wir den Spessart und wandern in Richtung

Nordosten weiter.


52 Seite


Seite 53


54 Seite

Rhöndurchquerung

Außergewöhnliche

Gesteinsformationen

sind über die

Hochlagen der Rhön

verteilt. Bei den hier

gezeigten „Prismenwänden“

handelt es

sich um erkaltetes

Basaltgestein, das

im Jungtertiär vor

etwa 20 Millionen

Jahren aus dem Erdmantel

in Aufstiegsschloten

nach oben

geschoben wurde.


Seite 55

Wer vom Spessart aus in die Rhön läuft, wird Zeuge erstaunlicher Veränderungen,

die sich beim Blick unter die Füße zeigen. Denn die Gesteinsarten wechseln sich

gleich mehrmals ab. So folgt nach dem Sandsteinuntergrund erst Kalk und später

Vulkangestein. So findet man von Bad Neustadt bis hinauf nach Bischofsheim entlang

der Brend ausschließlich Buntsandstein. Im Umfeld der Saale wird der Sandstein,

der nördlich von ihr vorkommt, vom Kalk im südlichen Bereich getrennt.

Diese Trennung kann man entlang der fränkischen Saale von Hammelburg bis

nach Bad Kissingen an den Berghängen sehr schön erkennen. Nördlich davon

schließt sich die Hohe Rhön an. Deren Vulkanreste aus Basalt, die heute noch in

Form von Polygon-Säulen in der Landschaft zu sehen sind, haben sich mit der Zeit

durch Hebungen des Untergrundes schräg gestellt. Durch die an der Oberfläche

stattfindenden Verwitterungsprozesse zerfallen die Basaltlager im Laufe der Zeit

immer mehr zu Blockmeeren. Basaltprismen, wie sie auf der vorherigen Seite zu

sehen sind, können nördlich von Bischofsheim und um Oberelsbach besichtigt

werden. Diese erdgeschichtlichen Vorgänge haben die Bergkuppen der knapp

1000 Meter hohen Rhön entstehen lassen, die sie heute prägen. Diese Landschaften

der „Offenen Fernen“, wie die Rhön heute genannt wird, durchziehen viele

Wanderwege wie zum Beispiel der „Hochröhner“, auf dem unsere Geschichte

basiert. Er ist einer von vielen Wanderwegen, die der Rhönclub immer wieder neu

markiert und so für die nächsten Generationen erhält.


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Die Route

Wir verlassen jetzt den Sinngrund. Von Burgsinn aus führt der Rhön-Höhenweg bis hinauf

zum Kreuzberg mit seinen 928 Metern, der höchste Berg in Unterfranken. Weiter ging es

dan bis nach Unterebersbach, das an der Fränkischen Saale liegt.

Die Grenze zwischen Rhön und Spessart erreichen

wir jedoch erst kurz vor Roßbach. Herrliche

Höhenzüge mit Weitblick zeichnen dann den

Weg ab Roßbach aus. Denn nun führt er uns

weiter in die Hochröhn hinauf, die wie der Spessart

viele Naturschönheiten zu bieten hat. Mit

dem Rad ging es weiter zur Saalequelle und über die

Haßberge bis hinunter nach Bamberg.


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Die Weiten der Rhön

April 2011

In den Osterferien hatte Petrus ein Einsehen gehabt. Für die folgenden Tage war herrlichstes Wetter

gemeldet. Die Apfelbäume blühten bereits und schmückten die Streuobstwiesen mit ihren

traumhaften Farbtönen in weiß-rosa. Wir beschlossen daher, die schönen Tage zu nutzen.

In Burgsinn lag der Rhön-Höhenweg am nächsten Tag

vor uns. Sein Verlauf sollte die ganze Familie bis auf den

Kreuzberg führen. Doch zuerst einmal ging es bergauf

und wir kamen bald ins Schwitzen. Zum Glück war der

Waldrand bereits zu sehen und wir nahmen einen kräftigen

Schluck aus der Wasserflasche. Der anschließende

Hohlweg ließ sich danach schon viel angenehmer laufen.

Die Steigung wurde geringer und im Halbschatten der

Bäume suchten wir Schutz vor der Sonne.


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Wir begannen wieder ein wenig zu erzählen. Nach einer

Weile aber bemerkten wir, daß Jan immer weiter abfiel.

Nachfragend erfuhren wir den Grund. Seine Versen

taten ihm weh. Wir schauten uns an und ahnten Schlimmes.

Wir blieben stehen setzten die Rucksäcke ab. Als

Jan den Schuh auszog, wurde das Malheur sichtbar.

Er hatte sich in seinen neuen Schuhen rechts und links

Blasen gelaufen. Sofort wurde die Rucksackapotheke

herausgekramt. Die bewährten Blasenpflaster kamen

zum Einsatz. Nach einer kleinen Brotzeit ging es dann

etwas besser. Wir merkten jedoch, dass es keine Freude

für Jan war, auf der Strecke nach Roßbach den ewig

geraden Schotterweg entlangzulaufen.

Oft sahen wir am

Wegrand schöne Blüten,

wie das Waldveilchen

oben. Das Kleeblatt links,

das die Kinder fanden,

hatte eine ganz außergewöhnliche

Maßerung.


60 Seite

Jetzt hieß es alle Register ziehen, um Abwechslung ins

Spiel zu bringen. Wir suchten Schleichwege abseits der

Schotterstraße. Diese Idee brachte jedoch nicht viel.

Außer einer schönen Lichtung fanden wir nur Kleinigkeiten

am Boden. Auch mit kleinen Geschichten konnten

wir kaum Begeisterung wecken.

Doch bald erreichten wir Roßbach und ließen uns auf

einer Bank am Ortseingang nieder. Herrlich konnten

wir von hier aus hinauf in die Rhön schauen. Bis zum

Horizont sahen wir mit Löwenzahn übersähte Wiesen

inmitten des Frühlingsgrüns. Zu unserem Zeltplatz war

es jetzt nicht mehr weit. Unsere Planung sah eine Wiese

in der Nähe eines kleinen Sees vor. Als wir diesen

erreichten, konnten wir ihn leider aber nur von außen

bewundern.

Oben:

Kurze Trinkpause vor der

letzten Etappe nach

Roßbach

Links: Ein Holzmännlein

begrüßte uns gleich am

Ortseingang.


Seite 61

Der See war eingezäunt und Teil eines größeren Privatbesitzes.

Hinter dem Anwesen schien aber eine Wiese

geeignet zu sein und wir beschlossen, den Besitzer

zu fragen. Ein Bauer im Hof nebenan hatte jedoch

eine bessere Idee. Er stellte uns seine Wiese für die

Zeltübernachtung zur Verfügung. Vor allem waren die

Kinder heilfroh, denn auch Lena zeigte Müdigkeit vom

Laufen. Die letzten Meter und wir hatten es geschafft.

Die Kinder legten sich auf die Wiese und wir holten die

Trinkflaschen heraus. Im nu kehrte wieder Fröhlichkeit

ein. Kaum hatten wir das Zelt aufgebaut, rannten die

Beiden schon wieder um unser Lager.


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Würfelspiele auf der

Isomatte, Tee und Kaffee

mit Keksen, Sonnenschein

und gute Laune

und zusätzlich eine

grandiose Aussicht.

Schöner kann ein

Wandertag nicht enden.


Seite 63

Ohne die Schuhe merkte Jan die Blasen kaum noch,

doch für den nächsten Tag brauchten wir noch eine

Lösung. Jetzt wurde aber erst einmal entspannt. Ich

holte im Dorf vier volle Wasserfl aschen, während Kerstin

mit den Kids die Isomatten ausbreitete. Als ich wiederkam,

saßen die drei bereits in der Sonne und freuten

sich riesig auf die bevorstehende Zeltübernachtung.

Wir genossen einen Kaffee im Gras und spielten mit den

Kindern. Der Rest des Nachmittags verging wie im Flug.

Wir hatten unsere Schlafsäcke bereits zum Lüften in das

aufgebaute Zelt gelegt, sodass sie am Abend schön flauschig

sein würden und ließen uns anschließend von den

Sonnenstrahlen die müden Füße wärmen. Unterdessen

steigerte sich die Vorfreude auf das Abendessen.

Schließlich sollte unsere Wanderung ein erster Test für

unsere Lapplandtour im Sommer sein. Endlich wieder

einmal in Europas Norden fahren. Eine achttägige

Wanderung auf dem Kungsleden stand auf unserem

Plan, daher auch die neuen Schuhe, die vorher getestet

werden mussten. Auch unser Kocher fiel durch den

Test. Erstaunlich, welchen Hunger doch so eine Wanderung

auslöst. Im Handumdrehen war der Topf mit

dem Nudelgericht leer. „Da dürfen wir ganz schön was

mitschleppen, um jeden Tag satt zu werden“, meinte

Kerstin abschließend. Der Topf war für unsere Zwecke

mit vier Personen viel zu klein. „Dann gibt es eben

einen neuen“, meinte ich. Nach dem Essen wurde es

langsam kühl und der Tag endete mit ein paar Gummibärchen

vor dem Zelt. Freudestrahlend hüpften Jan und

Lena ins Zelt und krochen in die Schlafsäcke.


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Am nächsten Tag, als wir aus dem Zelt krochen, stand

die Sonne bereits zwei Finger breit über dem Horizont.

Über Nacht hatte sich eine ganze Menge Kondenswasser

unter dem Außenzelt gebildet. Jeder Schritt musste

daher beim Verlassen des Zeltes gut überlegt sein, wenn

man keinen nassen Rücken bekommen wollte. Nach

dem Wachknuddeln frühstückten wir. Dazu wurde Tee

gekocht und Kerstin schmierte mit Lena die Nutellabrote.

Jan und ich bauten in der Zwischenzeit das Zelt ab. Nach

dem Frühstück wurde alles in die Rucksäcke verstaut.

Wir schauten uns noch einmal die Blasen an. Das sah

nicht gut aus. Jan wollte auf keinen Fall mehr die Schuhe

anziehen und drängte darauf, mit seinen Flip Flops

weiter zu laufen.

Wir wollten es probieren und liefen los. Wie ein neuer

Mensch trappste Jan froh neben uns erzählend her.

Auch schien ihm das nasse Gras nichts auszumachen.

Zügig hatten wir die Felder überquert und erreichten

bald Weißenbach. Die Apfelbäume standen reihenweise

in voller Blütenpracht in den saftigen Wiesen. An der

Hauptstraße angekommen, hatten wir dann Probleme

den weiteren Verlauf des Rhön-Höhenwegs zu fi nden.

Nach mehrmaligem Hin- und Herlaufen war die Sache

dann wieder stimmig und wir folgten dem roten Tropfen

auf weißem Grund erneut. Felder säumten unseren

Weg und bald erreichten wir den Waldrand. Nach sechs

Kilometern in Jans wackeligen Sandalen merkten wir,

dass die geplanten zwölf Kilometer heute nicht zu

schaffen waren.

Oben und links:

Impressionen am

Weißenbacher Schloß.

Dort mussten wir auf

Wegsuche gehen.

Direkt am Blauen Turm

(ganz links) hatten wir das

Wegzeichen verloren.


Seite 65

Wir erzählten den Kindern weitere Geschichten aus

Nepal, wo die Sherpas ganze Kühlschränke mit diesem

Sandalen durch die Gebirge tragen, doch es half nichts.

Während einer kurzen Rast entschieden wir uns für

Plan B.

Die mitgebrachten Ostereier wurden verzehrt und der

letzte Anstieg in Angriff genommen. Es folgte noch ein

kurzes Stück bis hinunter zu einem kleinen Sägewerk.

Auf einer schönen Wiese hinter den Häusern ließen

sich die drei nieder. Ohne Gepäck eilte ich anschließend

den Dreistein hinauf, denn einer musste ja die

Tour fertiglaufen, um mit dem Auto den Rest wieder

abzuholen. Wir hatten es auf einem Parkplatz bei Bad

Brückenau abgestellt.

Auf dem Dreistein angekommen, genoss ich für einen

Moment die Stille auf der Aussichtskanzel des Bergs.

Mein Blick schweifte hinunter bis in den Spessart. Ich

sah die Höhenzüge, auf denen wir entlanggelaufen

waren. Auf der gegenüberliegenden Seite lag Bad Brückenau

unten im Tal und dahinter die Hochrhön. „Dort

drüben könnte es bald weitergehen“, dachte ich. Nachdem

ich die Stahlkonstruktion des Turms verlassen

hatte, eilte ich bergab, querte die Straße und war bald

am Auto angekommen. Der Rest ist schnell erzählt. Die

Kinder warteten schon ungeduldig. Doch im Sitzen traf

ich sie nicht an. Beide tollten auf der Wiese hin und her.

Oben: Ein Hochsitz mit

Weitblick. Darunter: eine

große Gruppe Waldmeisterblüten

bedeckte den Boden

unter dichtgewachsenen

Buchen am Wegrand.

Links: Ausblick vom Dreistein

nach Bad Brückenau.


66 Seite

Durch die Hohe Rhön

Oktober 2011

Unsere Herbsttour, die über den 3. Oktober stattfinden sollte, hatten wir bereits im Frühjahr geplant.

Damals schauten wir sehnsüchtig hinüber zu den Kuppen der Hohen Rhön. Eine Woche vorher war

dann das Wetter bereits perfekt gewesen. Ob es auch so bleiben würde? Ich bangte jeden Tag.

Wozu haben wir schließlich einen Camper, dachte ich. Lena saß neben mir, während

Jan und Kerstin mit der A-Klasse unterwegs waren. So hatten wir es abgemacht. Eine

Anreise mit der Bahn wie im Spessart wäre für die Rhön nicht möglich gewesen, was

wir sehr bedauerten. Bei herrlichem Sonnenuntergang fuhren wir mit der Sonne im

Rücken das fränkische Saaletal hinauf.

Hammelburgs schönes Schloss glitzerte im Abendlicht und auch die bewaldeten Hänge

unter der Trimmburg leuchteten in herrlichen Orange- und Gelbtönen. Die Sonne

verschwand bald und wir ruckelten einem litauischen LKW bis kurz vor Ebersbach

hinterher.

Die Arbeitswoche verging und das Hoch hielt. Freitags starteten wir endlich in Richtung

Bad Neustadt. Durch die Anfahrt am Abend sparten wir locker zwei Stunden, die wir am

nächsten Morgen als Reserve für den ersten Wandertag einplanen konnten.

Als wir endlich abbiegen konnten, war es bereits stockdunkel. Mühsam schlängelten

wir uns durch enge Gassen und parkten am Sportplatz in Ebersbach. Hier wollten wir

in drei Tagen unsere Tour beenden. Nach einer deftigen Brotzeit im Camper ging es ab

in die Betten.


Seite 67

Wir schliefen sehr gut in dieser Nacht, doch bereits um

7 Uhr 30 tollten die Kinder gut gelaunt durch die Federbetten

im hinteren Teil unseres Campers. Wir machten

uns in der Zwischenzeit daran, die Übernachtungsutensilien

zu verstauen. Den Camper wollten wir in Ebersbach

stehen lassen und später, nach unserer Wanderung

wieder abholen.

Nach dem Frühstück fuhren wir mit unserem Kleinwagen

in Richtung Bad Neustadt und anschließend weiter nach

Bad Brückenau. Wir starteten unsere Wanderung am

gleichen Parkplatz, an dem wir die letzte Tour im Mai

beendet hatten. Schnell war der erste Höheabschnitt

überwunden. Die Verkehrsgeräusche hinter uns lassend,

standen wir an einer ersten Hinweistafel, welche die

Umgebung näher beschrieb. Auf dem benachbarten

Basaltkegel, dem Mettermich, wurde eine keltische

Höhensiedlung nachgewiesen. Aber auch die fruchtbaren,

leicht nach Süden abfallenden Felder um uns herum

waren schon ab 812 besiedelt, wie auf einem Schild zu

lesen war. Das heutige Oberleichtersbach ist somit der

älteste genannte Ort der südlichen Rhön.

Unten: Nach dem ersten

kurzen Anstieg trennten

wir uns von den Hosenbeinen.

An Maisfeldern

und Heckengehölzen

vorbei ging es hinunter

nach Breitenbach.


68 Seite

Rapsfelder so weit das

Auge reicht. In der Hohen

Rhön sind sie oft anzutreffen.

Sie leuchten dann bei

Sonnenschein das

Offenland manchmal bis

zum Horizont aus.


Seite 69

Die leckeren Birnen und Äpfel am Ortseingang von

Mitgenfeld waren ein guter Grund für eine erste kleine

Pause. Jan kickte die herabgefallenen Birnen beim

Weiterlaufen die Hauptstraße hinunter, während Lena

und Kerstin versuchten, die süßeste Frucht aus unserer

„Auflese“ ausfindig zu machen. Wir verließen nach Mitgenfeld

die Straße und passierten herrlich gelb blühende

Ackersenf-Felder. Ein großes Bienenhäuschen gleich

nebenan wurde emsig umflogen. Wir blieben daher auf

sicherem Abstand. Bald folgte ein Anstieg, der uns an

Streuobstwiesen und Hagebuttenhecken vorbei gehen

ließ. Anschließend führte uns der Weg durch ein kurzes

Waldstück. Am Ende hörten wir bereits die Autobahn

und unterquerten diese in Folge. In heißer Mittagssonne

erreichten wir Schildeck und freuten uns bereits auf das

nahe Naturschutzgebiet „Schwarze Berge“. Dieser waldreiche

Ausläufer der Hohen Rhön beginnt hinter dem Ort

Schildeck. Wir tauchten in den kühlen Wald ein.

Links:

Bienenstaaten bei der

Arbeit. Hier sammeln die

Fleißigen Völker ihren

Blütenstaub auf weiten

Acker-Senf-Wiesen.


70 Seite

1

2

Impressionen auf dem Rhön-Höhenweg NSG Schwarze Berge

3

1

2

3

Drehmoos

Zunderschwamm

Waldameisenbau


Seite 71

Die Schwarzen Berge sind ein waldreicher Ausläufer

der Hohen Rhön. Das Naturschutzgebiet beginnt hinter

dem Ort Schildeck. Wir tauchten in den kühlen Wald

ein und eine abwechslungsreiche Vegetation begegnete

uns. Unzählige Moose und Flechten waren am Wegrand zu

bestaunen. Riesige Ameisenkolonien sorgen hier für eine

funktionierende Reststoffverwertung. An einem Wegweiser

war unser Mittagspausenziel bereits angeschrieben.

„Nur noch ein kurzes Stück zum Würzburger Haus“, rief

ich in die Runde. Wir verließen den kühlenden Wald nach

einer kurzen Trinkpause und überquerten anschließend eine

weitläufige Lichtung. Ein herrlicher Blick in Richtung Süden

überraschte uns.


72 Seite

Herrliche Ausblicke bietet

die Hohe Rhön wie hier

am östlichen Ende der

Schwarzen Berge.


Seite 73

Wir folgten weiter unserer Markierung, dem „Rhöntropfen“

und wieder ging es steil bergauf. Alte Buchenriesen

säumten den Weg hinauf zum Steinernen Meer. Diese

Bezeichnung ist auf das Basaltgestein auf den weitläufigen

Bergrücken zurückzuführen.

Die Kinder waren vom abwechslungsreichen Streckenverlauf

begeistert. Sie schmiedeten bereits Pläne, was

sie mit den vielen Tannenzapfen und Stöcken heute

Mittag basteln könnten. Auch wir waren erleichtert,

dass es den Kindern hier so gut gefiel. Aber es lag nicht

nur an der Natur. Das schöne Wetter spielte auch eine

große Rolle, doch vor allem gab es dieses Mal keine

Fußbeschwerden.


74 Seite

Oben angekommen ruhte sich eine Gruppe Rhönschafe

unter einem Baum aus. Es kam mir vor, als warteten sie

nur darauf, von uns fotografi ert zu werden.

Gleich dahinter ein herrlich leuchtender Strauch mit

knallroten Beeren. Und immer wieder wanderten wir an

Aussichtsfenstern vorbei, die uns Ausblicke über die

Weiten der Rhön ermöglichten.

Die roten Herbstfrüchte

des Gemeinen Schneeballs

glänzen in der

Sonne.


Seite 75

Wir überquerten einen Parkplatz kurz vor dem Würzburger

Haus und fanden eine weitere außergewöhnliche

Pflanzenart vor, die unsere Kinder unbedingt näher untersuchen

mussten. Es handelte sich um die abgeblühten

Stängel des Schmalblättrigen Weidenröschens, die

von der Sonne angestrahlt in hellem Weiß leuchteten.

Ihre flauschigen Röllchen sahen aus wie Watte.

„Da hinten ist die Hütte“, rief ich den Kindern zu, die

immer noch mit den Weidenröschen beschäftigt waren.

Hier wollten wir Mittagspause machen. Neben der Hütte

fanden wir ein schönes Plätzchen. Ich holte uns Getränke

und die Kinder packten unser Vesper aus.


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Direkt hinter der Würzburger Hütte wehte die unterfränkische

Fahne und schmückte den Höhenzug der

hessischen Kuppenrhön am Horizont dahinter. Zu

dieser Aussicht schlemmten wir leckeren Heidelbeerkuchen.

Keiner will bei diesem Panorama noch mal

aufbrechen. Doch unser Weg für den heutigen Tag

war noch nicht zu Ende. Zunächst ging es noch einmal

in den Wald und ein Holzgesicht streckte uns seine

Zunge entgegen. Anschließend kamen wir an einem

Basaltwerk vorbei. Tief blickten wir hinunter in eine mit

Wasser gefüllte Abbaugrube.


Seite 77

Der Rhön-Höhenweg führte nun weiter bergauf. Eine

weite Hochebene breitete sich vor uns aus, während wir

auf unser heutiges Ziel, die Kissinger Hütte, zuliefen.

Auf einer Bank hinter dem Haus machten wir es uns

gemütlich. Dabei schauten wir hinüber zum Kreuzberg

mit seiner bewaldeten Westfl anke. Hinter uns senkte

sich bereits die Sonne über den Fichtenspitzen ab und

ein kaum beschreibliches Gefühl der Zufriedenheit

stellte sich ein. Die Kinder spielten auf der Wiese in der

Abendsonne und wir saßen nach einem ereignisreichen

Tag einfach nur da, genossen die Lichtspiele am

Horizont und ließen uns von den Beiden die Glockenblumen

zeigen, die in der Abendsonne im schönsten

Lila glitzerten. Die Rundumsicht an diesem Abend auf

dem 832 Meter hohen Feuerberg zählt für uns zu den

schönsten Erinnerungen an die Rhön.

Aber mit der Zeit verloren die Farben der Blumen an

Kraft, auch die Insekten kamen langsam zur Ruhe.

Doch nicht nur das Leuchten der Blumen verblasste.

Auch die Bäume verdunkelten mit ihren langen

Schatten die saftiggrünen Wiesen um uns herum und

die Kälte verdrängte die zuvor warme Luft dieses

traumhaften Tages.


78 Seite

Zuletzt stand nur noch der zunehmende Mond über der

nahen Fichtenschonung. Ein traumhafter Tag war zu

Ende gegangen. Er hätte für unsere Wanderung nicht

schöner sein können.


Seite 79

Am nächsten Morgen war ich zum Fotografieren bereits

früh aus den Federn gekrochen. Den Sonnenaufgang

genoss ich in aller Stille. Nachdem auch die anderen

drei aufgewacht waren, gab es Frühstück. Heißer

Dampf stieg bald aus unseren Tassen und schwebte

um unsere Köpfe. Die Sonne setzte ihren Gang am

Himmel fort und es war Zeit, um aufzubrechen. Wir

packten die Rucksäcke und setzten uns wieder in

Bewegung.

Wir konnten es kaum glauben, aber der Tag begann,

wie der Gestrige geendet hatte. Vom Himmel strahlte

das herrlichste Blau, das man sich vorstellen konnte.

Durch das herbstliche Blätterwerk schien uns die Sonne

in dosierten Strahlenbündeln schräg bis vor die Wanderschuhe.

Die Temperatur war recht kühl, aber zum Laufen

ideal. Die Insekten, die wir am Abend um uns herum

noch beobachten konnten, waren inzwischen am Boden.

Viele von ihnen hatten sich unter die Erde zurückgezogen.

Die Meisten überleben die kalte Jahreszeit jedoch

gar nicht. Anders einige Schmetterlinge, die oft verpuppt

an Astgabeln oder unter der Rinde überwintern. Auch

Reptilien, die von wärmenden Sonnenstrahlen abhängig

sind, findet man im Herbst kaum noch. In der Natur wird

es somit generell ruhiger in dieser Jahreszeit.


80 Seite

Gesteinsformationen

kommen durch die

leuchtenden Herbstfarben

sehr schön zur

Geltung.


Seite 81

Am Guckapass angekommen, trafen wir bereits die

ersten Kreuzbergbesucher. Ein Pärchen demontierte

seine Fahrräder vom Dachträger, eine andere Gruppe

packte die Rucksäcke und einige stiegen auch wieder in

ihre Autos ein und fuhren davon. Wir schauten uns an

und wunderten uns über die teilweise recht unentschlossenen

Reaktionen mancher Besucher. Unser Weg

führte uns nun hinter dem Parkplatz direkt hinauf auf

den Kreuzberg. Die Klosteranlage war sehr überfüllt.

Wir suchten daher den schnellsten Weg hindurch und

stiegen die Stufen zu den bekannten drei Kreuzen

hinauf. Dort angekommen schauten wir über Wildflecken

in Richtung Nordosten. Neben den großen Kreuzen

überragt ein riesiger Funkmast den idyllischen Ort.


82 Seite

Nach den vielen

Treppenstufen, die

hinauf zum Gipfel des

Kreuzbergs führen, bleibt

vor allem der Ausblick in

bleibender Erinnerung.


Seite 83

Wir wanderten nach einer kurzen Trinkpause auf dem

Kreuzberg weiter zum Neustädter Haus. Auch dort war

sehr viel los. „Kein Wunder, bei diesem Wetter haben

viele die gleiche Idee“, meinte Kerstin.

Wir vesperten ein wenig abseits des Trubels im Schatten

der Bäume. Frisch gestärkt verließen wir unseren

Platz unter den Bäumen und folgten dem fränkischen

Marienweg. Bald wurde es um uns ganz still, denn wir

waren wieder tief in den Wald eingetaucht.

Bereits nach wenigen hundert Metern änderte sich der

Bewuchs am Boden. Nun entdeckten wir rechts und links

des Weges Filzmoos unter den Bäumen, das sich mit

Ordenskissen und Heidelbeersträuchern abwechselte.


84 Seite

Schöner kann ein

Wanderweg nicht sein.

Nach der Gemündener

Hütte und dem Neustädter

Haus schwenkte der

Pfad langsam in

südöstliche Richtung der

Fränkischen Saale

entgegen.


Seite 85

Wir folgten anschließend einer Schotterstraße und unterhielten

uns dabei über Schulfächern, Turnstunden und

andere Dinge, die in der nächsten Woche so anstehen

würden. Ich merkte jedoch, dass der Weg nicht mehr

mit seinem Verlauf auf der Karte übereinstimmte. Da wir

aber das Marienzeichen immer wieder fanden, machten

wir uns keine weiteren Gedanken darüber. Wir merkten

nicht, dass wir uns immer weiter von der geplanten Route

fortbewegten.

Auch tauchten immer öfter märchenhafte Mooslandschaften

am Wegrand auf. Neben dem typischen Filzmoos

breiteten sich Ordenskissen neben einer großflächigen

Muschelmooslandschaft aus. Dazwischen kämpften

Borstgräser weiter oben um das bessere Licht. Sieger

blieb in diesem Mikrogarten jedoch das Heidekraut, das

mit seinen lila Blüten an die 60 cm das Moos übertraf.

Seine Blüten leuchteten in der schräg stehenden Sonne.

Muschelmoos


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Der Kahle Krempling,

ein typischer Pilz in

Nadelwäldern mit

saurem Boden


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Langsam wurde es dunkel und wir beschlossen, an einer

halbwegs geeigneten Stelle zu übernachten. Schließlich

hatten wir bereits 16 km geschafft. Für die Kinder war das

ein neuer Rekord. Noch am Abend debattierten wir über

den weiteren Streckenverlauf, während die Kinder ihr

„Schlumpfhausen“ fanden. Es war eine Gruppe Fichtenreizker,

ein essbarer Pilz, der typischerweise in Symbiose

mit Fichtenwäldern wächst.

Eigentlich wollten wir nach Kilianshof laufen, um dort zu

übernachten. Durch eine Unachtsamkeit waren wir aber

vom Weg abgekommen. Die Kinder teilten unsere Bedenken

jedoch nicht, sie freuten sich sogar darüber.

Rauköpfe im Drehmoos

Am Ende kuschelten wir uns gleich nach dem Essen in

die Schlafsäcke, denn es war bereits dunkel geworden

und ein Weiterlaufen unmöglich geworden. Eine unruhige

Nacht stand uns bevor. Kerstin lag schlecht auf dem

unebenen Untergrund und ich hatte Kopfschmerzen

bekommen. Wir drehten uns oft und waren froh, als es am

nächsten Morgen langsam hell wurde.


88 Seite

Ob wir den Weg wieder fi nden würden?

Bald waren auch die Kinder wach. Sie rieben sich zwar

noch die Aufgen, doch waren sie gleich begeistert,

denn das Frühstück stand bereits fertig zubereitet vor

ihnen. Ein Rotkehlchen hüpfte neugierig von Ast zu Ast

und schaute uns anschließend beim Essen zu. Danach

packten wir unsere sieben Sachen und waren alle

gespannt, wie es nun weitergehen würde. Der Weg den

wir entlangliefen, passte gar nicht mehr zur geplanten

Route auf meiner topographischen Karte. Letztlich

fanden wir aber wieder ein Wegzeichen des Marienwegs.

Aber wo waren wir genau? Wir überquerten eine

Teerstraße. Sie war eine Chance, uns neu zu orientieren.

Der Vergleich von Karte und Gelände machte mich

sicherer und ich wagte eine erste Aussage:

„Bald müssten wir an der Bildeiche sein“. „Das werden

wir ja sehen“ erwiderte meine Familie ungläubig, doch

nahezu gleichzeitig. „Jedenfalls wäre das eine angenehme

Überraschung“, meinte ich zu Kerstin. Erleichterung

kam auf, denn unser Umweg gestern Abend war

damit gar nicht so groß gewesen. Tatsächlich erreichten

wir bald die genannte Bildeiche, während eine größere

Radgruppe an uns vorbeistrampelte.


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Die Biker waren in Bad Neustadt losgefahren, wie sie erzählten. Wir mussten somit

bald rechts abbiegen um in ein schmales Tal zu gelangen, das uns direkt nach

Ebersbach hinunterführte. Karte und Realer Weg passten wieder exakt zusammen.

Erleichtert ging es weiter an die restliche Strecke. Ein großer Ameisenhaufen weckte

noch einmal die Aufmerksamkeit von Lena und Jan bevor wir über ein Treppchen steil

nach unten dem Talgrund entgegenliefen.

Nach den Stufen erreichten wir einen kleinen Weiher und

an dessen Ende begann eine Schotterstraße, die uns

nach Ebersbach und zurück zu unserem Camper führen

sollte. Am Wegrand sorgte Springkraut noch einmal für

eine Spieleinlage, doch bereits an der nächsten Ecke

tauchten die ersten Häuser von Ebersbach auf. Eine weitere

Etappe unserer Rhöndurchquerung war beendet.


90 Seite


Seite 91


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Fränkische Saale und Hassberge

Juli 2012

Ein herrliches Sommerwochenende lockte mich hinaus in die Natur. Doch für die geplante

Radelstrecke, die etwa 100 km betrug, musste klug aufgeteilt werden. Motiviert und guter Dinge

startete ich in Ebersbach.

„Ob ich die 40 km heute Abend noch schaffen werde?“

Ich war gespannt, denn es war bereits 19 Uhr, doch

die Temperaturen fühlten sich durchaus angenehm an.

Immer wenn ich alleine unterwegs bin, kann es auch

mal etwas sportlicher sein. Mit diesen Gedanken im

Kopf strampelte ich mich warm, kurvte die Windungen

des oberen Saaletales ab und war gute Dinge. Alles lief

wie am Schnürchen.

Vier Stunden später wollte ich in Bad Königshofen

eintreffen, so der Plan. Dort hatte ich mit dem Rest der

Familie die Frankenthermen als Treffpunkt ausgemacht.

Die Sonne stand hinter mir am Horizont und

ihre immer noch intensiven Strahlen wärmten meine

Waden, während sich vor mir der Radweg am Flusslauf

dahinschlängelte.


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Ab und an tauchten kleine Biotope im Wiesengrund auf.

Bald war die Sonne hinter dem Horizont verschwunden.

Eine laue Brise wehte mir nun angenehm um die Nase.

Zügig und mit stetiger Geschwindigkeit strampelte ich

dahin, bis eine Brücke die Saale hinter einer weiteren

Schleife querte. Kleine Pausen mussten sein, denn der

Sonnenuntergang war prächtig an diesem Abend und

ein paar Bilder mussten ja auch sein. Ich erreichte den

Talkessel von Bad Neustadt. Die Mücken tanzten unaufhörlich

über meinem Fahrradhelm. Ich trank noch einen

Schluck aus der Wasserflasche und schaute auf die Uhr.

Passt. Weiter ging es in Richtung Innenstadt. Es war

merkwürdig still, als ich an der Altstadt rechts vorbeifuhr.

Am Kurpark folgte ich anschließend dem Fluss weiter in

Richtung Bad Königshofen.


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Windung um Windung strampelte ich die Schleifen der Saale ab. Sie schienen kein Ende

zu nehmen. Das herrliche Abendlicht sorgte jedoch für die grandiose Stimmung. Kleine

Dörfer reihten sich wie Perlen an der Schnur an der Saale entlang. Die Sonne war bald

endgültig hinter dem Horizont verschwunden, während ich weiter auf Bad Königshofen

zuradelte. Weite Getreidefelder leuchteten im orangenen Abendlicht. Die Insekten summten

um meinen Kopf und attackierten mich dabei so heftig, als wäre ich ihre letzte Chance für

eine Mahlzeit. Mit 15 Minuten Verspätung erreichte ich meine Familie auf dem verabredeten

Parkplatz. Wir fuhren zurück zum Camper, um dort zu übernachten. Ein ausgewiesener

Parkplatz bot eine perfekte Gelegenheit für eine Übernachtung. Ihn hatten wir bereits bei

unserer Rhönwanderung genutzt. Die Brotzeit schmeckte am Familientisch nach diesem

Radelvergnügen besonders lecker, auch wenn es bereits dunkel war.

Der nächste Morgen begann erneut bei strahlendem Sonnenschein. Wir fuhren zurück zur Therme,

an der ich „ausgesetzt“ wurde, um auf dem weiteren Weg die Haßberge zu durchqueren.

Ich hatte dafür eine leichte Route ausgewählt, mit viel Teeranteil unter den Reifen. Bereits nach

fünf km verließ ich die Saale und fuhr bei Sulzdorf und Ermershausen lediglich einen Steinwurf

an der Thüringischen Landesgrenze vorbei. In Pfaffendorf bog ich auf den bekannten Burgenrundweg

ein. Über das Naturschutzgebiet Galgenberg-Goßberg erreichte ich die bekannte

Ruine Altenstein, der ich gemeinsam mit der nachgereisten Familie einen Besuch abstattete.


Seite 95

Von der Aussichtsplattform der Ruine Altenstein reicht

der Blick weit über die Haßberge bis nach Thüringen

hinüber. Auf der anderen Seite grüßt die Rhön zurück,

die wir davor durchwandert hatten. Die Burgruine

Altenstein selbst wurde bereits 1225 erstmals erwähnt.

Ein gewisser Marquard vom alten Stein wohnte damals

im Castrum, 150 Meter über dem Baunachtal. Bis 1703

lebten später die Freiherren von Stein auf der Burg.

Danach bezogen sie ihr neues Schloss in Pfaffendorf,

das ganz links gezeigt ist. Im Bauernkrieg wurde die

Anlage weitgehend zerstört und nur noch Reste sind

heute auf dem Berg zu besichtigen. Um so schöner ist

die Aussicht von dort oben. Bei herrlichstem Radelwetter

ging es anschließend weiter die Baunach hinunter,

bis wir kurz vor Ebern erneut Halt machten.


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Seite 97

Die hier gezeigte malerische Dreiflügelanlage bildete

einen weiteren Höhepunkt der Haßbergdurchquerung.

Bereits 1232 wurde die Wasserburg der Freiherren von

Rotenhan erstmals urkundlich erwähnt und im Laufe der

Jahrhunderte oft umgebaut.

Die letzte Erweiterung und Restaurierung fand 1846

statt. Hierbei erhielten auch die niedrigeren Ostteile ihre

heutige Form. Die Besitzer gestatten Besuchern einen

freien Zugang zum Innenhof dieser schönen Anlage

mitten in den Hassbergen.

Meine Radtour war auch bald geschafft. Eine letzte

Etappe nach Baunach brachte mich dem Ziel entgegen,

denn der gleichnamige Fluss fl ießt südlich der Stadt in

den Main. Am Horizont war bereits Bamberg zu erkennen.

Dort sollte es beim nächsten Mal weitergehen.


98 Seite

Mainradweg


Seite 99

Die Route

Wir verlassen jetzt die Hassberge und radeln etwa 100 Kilometer am Main entlang von

Bamberg nach Würzburg. Auf dem Weg nach Kitzingen umrunden wir den Steigerwald,

der als Wandergebiet kurz beschreiben wird.

Auch die Gäulandschaft und der Irtenberger

Forst bergen Naturwunder vor den Toren

Würzburgs und Ochsenfurts. Daher dürfen sie auf

meiner Reise nicht fehlen. Anschließend geht

es weiter auf dem Radweg den Main abwärts bis

nach Lohr.


100 Seite

Zurück am Main

Mai 2014

Nachdem wir die Altmühl erkundet hatten, die im weiteren Verlauf des Buches noch behandelt wird,

stand 2014 wieder Mainfrankens Lebensader auf dem Programm. Dafür hatten wir die Strecke zwischen

Bamberg und Kitzingen herausgesucht.


Seite 101

Als wir die Räder sicher im Zugabteil befestigt hatten, war die

Tageszeitung an der Reihe. Entspannt ging unsere Reise

dann am Main entlang, bis ins oberfränkische Bamberg. Beim

Blick aus dem Fenster war auch unser Radweg teilweise

zu sehen, den wir bald befahren würden. In Bamberg

eingetroffen, konnten wir uns am Bahnhof leicht orientieren,

denn gleich an der Bahnhofsstraße war der Mainradweg

ausgeschildert. Wir folgten den Zeichen des grünen Rades

mitten durch die Innenstadt. An der Kettenbrücke machten

wir kurz Rast und aßen unsere Brote. Danach ging es an der

Regnitz entlang in Richtung Gaustadt. Der Radweg folgte

anschließend direkt der B26 in Richtung Westen. Ein kurzer

Tic-Tac-Zwischenstop wurde eingelegt, nachdem wir im

Supermarkt unsere Getränkeration aufgefüllt hatten.

In Eltmann angekommen, wurde auf einem Hinweisschild

auf eine alte Burganlage hingewiesen. Die Kinder

wollten aber die vielen Stufen nicht hochsteigen und

so warteten sie in der Zwischenzeit auf einem kleinen

Spielplatz am Fichtenbach direkt am Aufstieg zur Burg.

Wir machten uns auf, über die Treppenstufen durch

den Wald bis hoch zur Wallburg zu laufen. So hatten

die Kinder und wir eine kleine Abwechslung. Oben

angekommen, besichtigten wir den gut erhaltenen

Turm der ehemaligen Anlage, tranken einen Schluck

aus unserer Flasche und stiegen wieder hinab nach

Eltmann. Anschließend setzten wir unsere Fahrradtour

weiter nach Limbach fort. Dort wollten wir erneut eine

Pause einlegen.


102 Seite

An der Wallfahrtskirche Maria Limbach bewunderten wir ein Brunnenhäuschen, das direkt

neben einer alten Linde stand, doch das schöne Wetter lockte uns weiter den Mainradweg

entlang. Die neuen Räder von Jan und Lena rollten quasi wie von selbst dahin und bald

war die erste Tagesetappe geschafft. Am Dorfbrunnen von Sand am Main standen wir

vor einem wuchtigen Kunstwerk. Die Rebe aus Beton, die im Ort schon für so manchen

Gesprächsstoff gesorgt hat, nutzten Jan und Lena als Bildhintergrund.

Von Eltmann, unserem letzten Rastpunkt, bzw. von Sand am Main aus kann man in nur

wenigen Kilometern die Wälder des Steigerwaldes besuchen. Auch der Tretzendorfer

Weiher, ein Naturidyll an der Aurach, liegt quasi nebenan. Ein Abstecher dorthin wird nach

dieser Radtour auf den darauffolgenden Seiten näher beschrieben. Nach einem verdienten

Abendessen und der anschließenden Übernachtung fuhren wir am zweiten Tag weiter nach

Zeil am Main. Die dortigen Fachwerkhäuser der Altstadt bilden einen schmucken Ortskern

im Umfeld der Kirche.


Seite 103

Unseren nächsten Halt legten wir an der Ritterkapelle in

Haßfurt ein. Die aus hellem Sandstein errichtete Kirchenanlage

erinnerte uns ein wenig an Notre Dame. Auch die

Steinverzierungen hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit

ihrem viel größeren französischen Gegenstück. Danach

ging es weiter nach Schweinfurt.

Etwa in der Mitte der Strecke wurde erneut eine kleine

Pause eingeschoben, denn Strohballen luden direkt am

Wegrand zum Spielen ein.

Gegenüber dem Spielplatz in Eltmann hatte die Strohballenreihe

wesentliche Vorteile, sie diente als überdimensionale

Balancierstange und die Beiden konnten zusätzlich noch

ihre Kräfte messen nach dem Motto: Wer wirft wen hinunter?

Regulierend griffen wir daher bald ein, denn einen Sturz

wollten wir nicht in Kauf nehmen. Verletzungen entstehen so

schneller als einem lieb ist. Wir konnten die Kinder schließlich

mit dem Versprechen „Eisbecher in Sicht“ überzeugen,

das wir dann am Marktplatz in Schweinfurt einlösten.


104 Seite

Von Schweinfurt nach Gergrheinfeld war es dann auch nicht mehr weit. Nach unserer

zweiten Übernachtung radelten wir weiter in Richtung Volkach. Dabei kamen wir an einem

Labyrinth vorbei, das unsere Kinder gleich erkunden wollten. Innerhalb des Labyrinthes war

ein Balken aufgestellt, der auf zwei Federn befestig war. So konnten wir unser Gleichgewicht

testen. Daneben befand sich eine Holztrommel, die wir ebenfalls ausprobierten.

In Wippfeld warteten wir auf die Fähre, mit der wir auf die andere Mainseite wechseln wollten.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis die Fähre auf unserer Seite angelegt hatte, doch

schon nach dieser kurzen Zeit waren weitere Fahrradgruppen am Übergang eingetroffen.

Die Schranke öffnete sich und mit einem eigenartigen Gefühl im Bauch beobachteten wir

den Start der Fähre, die sich gleich am Anfang leicht drehte und zur anderen Seite hinüberfuhr.

In der Mitte des Mains konnten wir den Fluss auf und abschauen, doch nach einer

gefühlten Minute waren wir schon drüben auf der anderen Seite und konnten die Radtour

fortsetzen.


Seite 105

In der Zwischenzeit war die Temperatur stark gestiegen.

Die Sonne stand hoch am Himmel und die gelegendlich

vorbeiziehenden Wolken brachten nur selten Schatten.

In Volkach suchten wir daher am Marktplatz ein schattiges

Örtchen. Die Pause versüßten wir uns dabei mit

Kaffee und Kuchen und nahmen nach dieser sonnigen

Rast die letzten Kilometer in Richtung Schwarzach

unter die Pedalen. Vorbei an den Weinbergen bei

Sommerach erreichten wir bald Schwarzach mit seinem

Kloster, das als Ältestes in Franken genannt wird.

In Hörbach übernachteten wir dann ein drittes Mal.

Am Abend spürten wir unsere Sitzhöcker doch schon

ein wenig, doch wir machten unsere Späße darüber,

denn die Tagesstrecken waren ja vor allem kindergerecht

ausgewählt. Für die etwa 100 Kilometer hatten

wir uns vier Tage Zeit genommen. Der Mainradweg

führte uns am vierten Tag weiter nach Dettelbach. Seit

Schwarzach hatten wir immer wieder den Schwanberg

im Blick, der am Westhang des Steigerwaldes über die

Gäulandschaft hinausragt. Ich freute mich bereits

über die Wanderungen in diesem schönen Waldgebiet,

von dem ich im Anschluss ein wenig erzählen möchte.

Auch die restlichen acht Kilometer bis nach Kitzingen

waren schnell gefahren und zufrieden kamen wir in

dem Städtchen an. Von dort brachte uns ein Zug nach

Hause zurück. Das Wetter hatte sich dieses Mal von

seiner besten Seite gezeigt, denn wir konnten die

Regenbegleitung während der ganzen Radtour in den

Rucksäcken lassen. Größere Wolken zogen dann erst

zuhause auf. Wir hatten wirklich Glück gehabt.


106 Seite

Im Steigerwald

Im Naturwaldreservat

Waldhaus sind

aufgrund fehlender

Nutzung wieder urige

Landschaftselemente

entstanden. Moose

und viele Pilzarten

breiten sich wieder

stärker aus. Es

entstehen aber auch

höhlenartige Strukturen,

die seltenen

Tierarten, wie zum

Beispiel der Wildkatze,

als Unterschlupf

für die

Jungenaufzucht

dienen.


Seite 107

Der Steigerwald ist neben dem Spessart das naturschutzfachlich hochwertigste

Laubwaldgebiet in Bayern. Als Mittelgebirge des fränkischen Schichtstufenlandes

erreicht er Berghöhen bis fast 500 m üNN und gilt als Herzstück des Keuperberglandes.

Der Steigerwald liegt südlich des Mains zwischen den Städten Nürnberg

und Bamberg im Osten und Würzburg und Schweinfurt im Westen. Das Aischtal

begrenzt den Steigerwald im Süden.

Die sanft abgedachten Steigerwaldrücken umfassen gut 129.000 Hektar und können

noch herausragende Laubwaldbestände vorweisen. Mein Besuch galt den

Kernzohnen des nördlichen Steigerwalds, die man am einfachsten über die B22

erreicht. Westlich von Ebrach befindet sich ein Baumwipfelpfad und Nördlich davon

schließt sich das NSG „Der hohe Buchene Wald“ an. Es umfasst auch zwei Naturwaldreservate

und bildet mit 920 Ha ein Kernstück des Naturschutzes in diesem

Waldgebiet. Hier kann man schöne Wanderungen unternehmen und dabei die

heimische Natur kennenlernen. Des weiteren möchte ich noch den Pfad der Artenvielfalt

im Weilersbachtal und die Talauen rund um den Tretzendorfer Weiher

erwähnen, die ich ebenfalls besucht habe.


108 Seite

Wandern unter Buchen

Mai 2019

Für mein Buch “Naturwunder Steigerwald” war ich viele Male in diesem Wald unterwegs. Sei es

zum Fotografi eren oder einfach nur zum Wandern, um das Gebiet näher kennenzulernen. An

einem schönen Maitag war ich wieder mal dort, um unter den Buchen zu wandern.

Nach dem Besuch des Baumwipfelpfades, der einen

herrlichen Ausblick über dieses Waldgebiet ermöglicht,

machte ich mich von Ebrach aus auf den Weg in den

Wald. Ich wollte das Naturwaldreservat Waldhaus erkunden.

Die Wanderung führte zunächst am Handtaler

Graben entlang, bis dieser sich am südlichen Rand des

Reservates aufteilt. Mehrere Teiche werden in diesem

Tal aufgestaut. Sie dienen der Fischzucht und gleichzeitig

als Rückzugsgebiete für Feuchtraumbewohner wie

zum Beispiel Amphibien und Libellen. Die ersten Teiche

hatte ich bereits hinter mir gelassen, als plötzlich ein

Bundspecht vor meinen Augen in etwa sechs Metern

Höhe über den Waldweg fl og und unter dem Blätterdach

verschwand. Ich war sofort hellwach und zog

meinen Fotoaparat aus der Brusttasche. Gleichzeitig

suchte ich die Baumregionen über mir ab um herauszufi

nden, wo sich der Kerl nun befi nden würde.


Seite 109

Gleichzeitig hörte ich ein zartes Piepsen. Da wird doch

nicht etwa Nachwuchs sein, dachte ich. Welch ein

Glück, ich hatte tatsächlich eine bewohnte Spechthöhle

gefunden. Sie befand sich seitlich des Weges und so

konnte ich den Prachtkerl sehen, wie er fest am Stamm

geklammert seine Jungen fütterte. Jetzt noch ganz

vorsichtig die Kamera anheben und zack, da war der

Bundspecht bereits im Kasten. Etwa eine halbe Stunde

später erreichte ich einen Waldteich. Herrlich spiegelten

sich die Bäume auf der Wasseroberfläche, während

über mir ein Bussard kreiste.


110 Seite

Ich war bald im Zentrum des Naturwaldreservates angekommen.

Mächtige Buchen türmten sich vor mir auf und

verdeckten dabei den Himmel fast gänzlich. Ich blickte

hinauf in ein üppiges Grün der Blätter, die gerade im

Frühling den Wald so schön einfärben und mit Hilfe

der Sonne zusätzliche Wärme ausstrahlen. Teilweise

waren die alten Urwaldriesen bereits umgekippt. Doch

was sich an diesen selten gewordenen Orten entdecken

lässt, zeigt, dass seltene Arten auch wieder zurückkommen,

wenn man auf Teilfl ächen den Wald aus der

Nutzung nimmt. Bei genauem Hinsehen fi elen mir von

weitem bereits weiße Flecken auf, die sich am Stamm

festgesetzt hatten. Es waren Stachelbärte, die nur auf

absterbenden Baumstämmen wachsen. Daher gelten

diese Pilze auch als Zeiger für naturnahe Wälder.


Seite 111

Auch in den Wiesentälern und an Fließgewässern tummelt

sich das Leben. So bieten Feuchtlebensräume entlang der

Aurach wie im oben gezeigten Tretzendorfer Weiher seltenen

Amphibien eine Heimat. Gerade aufgrund der immer

wärmer und trockener werdenden Sommermonate werden

diese Feuchtgebiete für die Natur zunehmend wichtiger.

Eine weitere Wanderung führte mich in das Naturschutzgebiet

Weilersbach. Das langgestreckte Tal, das

man über Obersteinbach erreicht, schlängelt sich etwa

sieben Kilometer lang durch den nördlichen Steigerwald.

Es läd somit zu einer ausgiebigen Wanderung ein. Hinweisschilder

erläutern uns die Naturwunder, die sich hier finden

lassen. Zum Beispiel das unten gezeigte Schwefelvögelchen.

Seine Raupen ernähren sich von Sauerampfer-Arten,

insbesondere vom Wiesen-Sauerampfer, an deren Basis

sie auch überwintern. Am Ende war ich froh, dieses besondere

Tal besucht zu haben.


112 Seite


Seite 113


114 Seite

Am Main entlang

Mai 2015

Für unser Vorhaben, mit dem Rad die Fränkische Schweiz zu durchqueren, war ein wenig Training

nötig. Denn für das geplante Auf und Ab in dieser Region konnte ein wenig Kondition nicht

schaden. Natürlich freute ich mich auch darauf, endlich mein neues Rad testen zu können.

Schon vor der Bahnfahrt erlebten wir leider unsere erste

Überraschung. Jan holte sich bereits in der Unterführung

in Partenstein einen Platten. Schnell wurde vor

dem ankommenden Zug der Schlauch gewechselt. Zum

Glück hatte dieser ein paar Minuten Verspätung. Für

solche Gelegenheiten habe ich für jede Radgröße einen

Ersatzschlauch im Rucksack und wie man an diesem

Tag sehen konnte, war dies eine gute Idee.

denn draußen war es noch recht ungemütlich. Erst am Nachmittag war schönes Wetter

gemeldet. In Kitzingen angekommen, radelten wir den vom letzten Jahr bereits

bekannten Weg durch die Altstadt hinunter zum Main. Wir passierten Fußballplätze

und Schrebergärten entlang der Strecke, während uns ein unangenehmer Wind

entgegenblies. Bald erreichten wir Marktbreit. Größere Anbaufl ächen für Spargel

und Kartoffeln füllen die Freifl ächen hier im Maintal. Gleich daneben stehen einige

Gewächshäuser. Ein Zeichen, dass der Boden hier am Mainknie eine gute Qualität

besitzt.

Auch die beiden Mantelheber sind hierzu nützlich. Sie

beschleunigen das Lösen des Mantels von der Felge.

Zuletzt zog ich den neuen Schlauch ein und fixierte

das Vorderrad wieder mit den Schnellspannern am

Rahmen. Jetzt noch fi x aufpumpen und fertig. Jan

beobachtete das Ganze und staunte nicht schlecht, als

er sein repariertes Rad wieder in Händen hielt. Im Zug

eingestiegen freuten wir uns über das warme Abteil,


Seite 115

In der Sanderau, einem

Stadtteil von Würzburg

angekommen, war der

Würzburger Marathon

bereits voll im Gange, der

an diesem Tag stattfand.

Mit unseren Rädern

suchten wir nun einen

Weg jenseits der Absperrungen

in die Innenstadt.

Würzburg gilt auch als

Stadt der Kirchen. Etwa

70 Stück lassen sich zählen.

Ihre Türme überragen

die Altstadt. Sie sind

am besten von oben zu

sehen, zum Beispiel wenn

man vom Stein oder von

der Marienburg über die

Dächer blickt.

Der Radweg führte uns weiter nach Ochsenfurt. Hier waren wir schon ein paar Mal

gewesen und wir erinnerten uns an ein schnuckeliges Örtchen in der Fußgängerzone.

Dort befand sich ein gemütliches Kaffee, in dem wir uns aufwärmen wollten.

Im Kaffee lernten wir dann, dass Blotskuchen und Blots nicht dasselbe ist. Jedenfalls

heißt hier in Ochsenfurt Blotskucha Käseblots. Wenig später saßen wir wieder in den

Sätteln und radelten noch an einem Flohmarkt vorbei, bevor wir Ochsenfurt wieder

hinter uns ließen.

Mittlerweile hatten die Wolken ihre Farbe geändert.

Vom anfänglichen Grau, waren sie gegen Mittag weiß

geworden. Als wir in Richtung Würzbug fuhren, kamen

immer mehr blaue Felder dazu. Die Sonnenstrahlen

durchdrangen nun die Mainauen und der grüne Uferbewuchs

erfreute unsere Augen. Bald hatten wir Sommerhausen

und Eibelstadt hinter uns gelassen und radelten

auf der rechten Mainseite in Randersacker ein.


116 Seite

Eine der bekanntesten Kirchen ist der Würzburger

Kiliansdom. Hier war eine kurze Rast angesagt. Dabei

genossen wir ein Eis und schauten den Läufern zu. Das

Treiben in den Straßen der Innenstadt ist für uns immer

ein Erlebnis und wir genießen es, die vielen Menschen

zu beobachten.

Von der alten Mainbrücke aus blickten wir noch einmal

zurück zum Dom und ich musste einen Moment an die

Legende des Heiligen Kilian denken, dessen Grab sich

vor dem Dombau in der kleinen Marienkirche auf der

Marienburg befand.

Diese Festung Marienburg erhebt sich auf der gegenüberliegenden

Seite über den Main und gilt ebenfalls

als eines der Wahrzeichen der Stadt. Bis 2027 soll dort

das neue „Museum für Franken“ entstehen.


Seite 117

Unbedingt sollte man in Würzburg die Residenz sehen.

Während der Franconiabrunnen mit der Patronin

Frankens den Residenzplatz schmückt, verschönert

der Hofgarten den hinteren Bereich der Anlage. Er wird

durch die noch erhaltene Stadtmauer begrenzt. Bereits

Balthasar Neumann hatte die Idee, diese Bastion an

der Stadtmauer mit in die Gartengestaltung einzubeziehen.

Ein Glück für heutige Spaziergänger, denn ihnen

wird so ein herrlicher Blick über Garten, Schloss und

Teile der Stadt ermöglicht. Symmetrische Treppenanlagen

führen zum Ausblick hinauf, wobei auf halber Höhe

eine Terrasse eingefügt wurde. Daneben können neben

vielen Skulpturen auch hunderte von alten Rosensorten

bestaunt werden.

Die Residenz selber ist UNESCO-Welterbe. Der barocke

Bau am Rande von Würzburgs Innenstadt wurde

1720 begonnen und bis 1744 vollendet. Die Innenausstattung

wurde unter der Regie von Balthasar Neumann

bis 1781 fertiggestellt. Das prunkvolle Schloss diente

bis zur Auflösung der geistlichen Territorien durch die

Säkularisation als Sitz der Würzburger Fürstbischöfe.


118 Seite

Im Reich der Pilze

September 2019

Der Irtenberger Forst liegt keine vier Kilometer vom Würzburger Stadtzentrum entfernt. Er ist

somit über die Löwenbrücke etwa in einer Stunde zu Fuß erreichbar. Eine gute Gelegenheit für

einen Sonntagsspatziergang in Bayerns erstem Pilzschutzgebiet, um das Leben dieser Lebensform

näher kennenzulernen.

Im Mai 2019 wurde ein etwa ein Hektar großes Gebiet,

das sich im Irtenberger Forst befindet und nörtlich des

Naturschutzgebiets Blutsee-Moor liegt, zum ersten Pilzschutzgebiet

in Bayern erklärt. Man geht davon aus, dass

dort etwa 500 Pilzarten wachsen. Pilze, die nach heutiger

Kenntnis näher mit den Tieren verwandt sind als wie

zunächst vermutet mit den Pflanzen. Sie bilden somit ein

eigenes Reich in der Natur mit erstaunlichen Eigenschaften.

Pilze sind ähnlich wie Pflanzen sesshaft, können aber

im Unterschied zu diesen keine Photosynthese betreiben

und müssen sich ähnlich wie Tiere durch Aufnahme

von organischer Substanz ernähren. Dabei nehmen die

weltweit 120.000 Pilzarten etwa fünf bis acht Prozent der

Artenvielfalt ein. Der sichtbare Fruchtkörper ist aber nur

ein Teil des Pilzes. Der eigentliche Pilz ist jedoch das feine

Mycel, ein meist unsichtbares Geflecht aus Hyphen, das

sich im Boden oder bei Baumpilzen im Holz befindet.


Seite 119

Baumschwamm,

Schwefelköpfchen

Goldgelber Ziegenbart,

und Steinpilz (im

Urzeigersinn) sind vier

Beispiele aus dem

Reich der Pilze, die

sie im Herbst fi nden

können.


120 Seite


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122 Seite

Von Würzburg nach Lohr

August 2015

Die Sommerferien hatten bereits angefangen und die Temperaturen waren für das Wochenende

nicht ganz so heiß gemeldet. Was sprach also dagegen, einen weitern Abschnitt des Mains zu

befahren.

Der Sonntagmorgen begann, wie es der Wetterbericht vorausgesagt

hatte. Es war nicht zu warm, aber doch sonnig.

Die Begeisterung der Familie hielt sich jedoch in Grenzen.

Genau genommen hatte keiner so richtig Lust außer Papa.

Nachdem auch Kerstin für die Radtour Partei ergriffen hatte,

konnten auch Jan und Lena überzeugt werden. Bald saßen

wir im Zug und unterhielten uns über den bevorstehenden

Urlaub. Dabei schauten alle eher teilnahmslos aus den

Fenstern. Die Kinder tippten begeistert vor sich hin, als ich

plötzlich mit einem lauten NEIN für Aufmerksamkeit sorgte.

Ich hatte meine Kamera vergessen. Das konnte ja

heiter werden. Zusätzlich entstand in Jans Kopf die

glorreiche Idee auf dem Rückweg bereits in Karlstadt

wieder in den Zug einzusteigen, was die Strecke um

die Hälfte verkürzen würde. Meine Mundwinkel fi elen

merklich nach unten. Gestöhne beim Rest.

Ankunft Würzburg HBF: Der Vorplatz des Bahnhofs war

gut besucht. Die Sonne schien und wir traten sogleich in

die Pedalen. Wir radelten über die Friedensbrücke und

anschließend nach rechts in Richtung Mainaustraße am

Kilianifestplatz vorbei.

Direkt am Kloster unter dem Zeller Berg führte der Radweg

an der langen Klostermauer entlang. Rechts von uns wächst

saftiges Grün. In Margetshöchheim angekommen, erwartete

uns Feststimmung direkt neben dem Main. Wir trafen einen

Arbeitskollegen, der uns über das Fest in seinem Wohnort

näher informierte. Da er hier wohnt, hatte er sozusagen ein

„Heimspiel“, was er recht lustig fand. Nach einer kurzen Rast

fuhren wir weiter. Wir kamen an Erlabrunn vorbei und radelten

anschließend durch Zellingen. Der schöne Mainabschnitt

ermöglichte Ausblicke auf die rechtsmainischen Weinberge

und das Fortbildungszentrum Benediktushöhe.


Seite 123

Während ich noch in Gedanken noch in den Weinbergen

unterwegs war, fiel in Himmelstadt die endgültige

Entscheidung. „Wir nehmen in Kascht den Zug“, riefen sich

die Kinder strahlend zu, während in mir die Idee reifte in

diesem Fall alleine weiter zu fahren. So schnell wollte ich

die Radtour nicht enden lassen. Auch Kerstin war mit dem

Vorschlag zufrieden.

Auf dem Weg nach Karlstadt kamen wir noch in Laudenbach

vorbei, während sich links über uns der erste von

mehreren steilen Kalkfelsen erhebt. Sie prägen diesen

Mainabschnitt um die Kreisstadt des Landkreises Main-

Spessart. Darüber thront die Ruine Karlburg mit ihren

hellgrauen Außenmauern, von der man einen herrlichen

Blick über das Maintal hat.

Durch die Weinberge

kann man zum Beispiel

von Thüngersheim oder

von Retzbach aus

wandern. Die Steilhänge

ermöglichen nicht nur

herrliche Ausblicke über

den Main. Kombinierbar

ist dies auch mit einer

Weinprobe, die lokal

angeboten wird.


124 Seite

Wir fuhren über die Brücke und durch den hohen Katzenturm

in die Altstadt bis zum Marktplatz. Nun hatten wir uns

ein Eis aber wirklich verdient.

An dieser Stelle muss ich noch einmal erwähnen, dass ich

an diesem Tag meinen Foto vergessen hatte. Die Bilder

die hier gezeigt werden, entstanden zu einem späteren

Zeitpunkt Mitte November.


Seite 125

Am Marktplatz vor dem historischen Rathaus mit seinen

Treppengiebeln rasteten wir eine Weile und bewunderten

die Fachwerkäuser in der Innenstadt. Sie sind von außergewöhnlicher

Schönheit.

durch den Torbogen der Stadtmauer hinüber zur Karlburg.

Am Main angekommen, radelte ich alleine weiter in Richtung

Gemünden. am Main entlang.

Nach dem Eisessen verabschiedete ich mich von der Familie.

Sie fuhren hinüber zum Bahnhof. Ich ging mit meinem

Rad die Maingasse hinunter und schaute noch einmal


126 Seite

Von nun an war ich auf der rechten Mainseite unterwegs.

Peinlich musste ich mir nun zugestehen, dass ich zwar keine

30 Kilometer von zuhause weg war, jedoch diesen Abschnitt

bis nach Gemünden noch nie mit dem Rad gefahren war.

Um so besser gefiel es mir. Bei Gambach sah ich rechts

über mir das Edelweiß in der Sonne blitzen. Auch dort oben

war ich schon oft gewesen. Man hat von der Steilkante

aus einen grandiosen Ausblick hinunter auf den Main, auf

Karlburg und auf den gegenüberliegenden Mäusberg.

Ich radelte weiter an der Schleuse von Harrbach vorbei

und war bald wieder von Wald umgeben. Denn hier

beginnt nicht nur der Spessart, sondern mit ihm auch der

Bundsandstein. In Kleinwernfeld wechselte ich erneut

die Mainseite. Die Mittagssonne brannte senkrecht auf

meinen Radhelm und der schwarze Asphalt strahlte die

Wärme zusätzlich zurück. Der lange Mainbogen zog sich

nun, denn ich merkte die hinter mir liegenden Kilometer in

meinen Beinen. Mein Blick wanderte über den Main und

ich sah einen Zug auf der anderen Seite vorbeifahren.

„Dort könnte meine Familie drinsitzen“, dachte ich.

Vom Edelweis, das man

über Gambach oder

Karlstadt erreichen kann,

hat man herrliche

Ausblicke über den Main.


Seite 127

bergab. Nun hieß es die Räder laufen lassen und durchatmen.

Ich fuhr ich an der Roten Mühle vorbei und erreichte

das Libellenbiotop. „Mein schönes Lohrtal“, dachte ich.

Wie jedesmal, wenn ich nach Lohr fahre, ging mir auch an

diesem Tag ein weiterer Gedanke durch den Kopf: „Ob der

Radweg im Tal in die Stadt Lohr wohl irgendwann fertig

werden wird?“. Die blaue Brücke an der Gemarkungsgrenze

zwischen Lohr und Partenstein überfuhr ich mit

einer schnellen rechts-links-Kurvenkombination. Am Ende

strampelte ich noch den steilen Leheweg hoch und war

ziemlich müde, als ich zu Hause ankam. Die anderen drei

Räder standen bereits vor der Haustür.

Ich erreichte Hofstetten und ein gewohntes Bild breitete sich

vor meinem Lenker aus. Viele Male waren wir diese Strecke

bereits mit den Inlinern gefahren. Dazu hatten wir unser

Auto an der Einfahrt unter der Ruine Schönrain geparkt und

waren auf dem feinen Teer in Richtung Hofstetten entlang

gefahren. Die Strecke nahm jetzt schnell ab, denn der Teer

ist hier von besonders feiner Struktur. Ich schaute kurz

hoch zur Ruine. Bald tauchte Steinbach auf. Anschließend

am Horizont der Lohrer Kirchturm. Ich bog nach rechts

ab und fuhr auf die Mainbrücke. „Fast geschafft“, dachte

ich. Nun ging es noch vorbei am Zob und am Lohrbach

entlang. Der Radweg durchquert die Wörde und führt über

den Eisenhammer nach Partenstein. Die bekannte Strecke

über den Eisenhammer hoch zum Steintalerhof fährt mein

Rad eigentlich wie von selber. Es ist die tägliche Strecke zu

meinem Arbeitsplatz in Lohr. Nur noch eine letzte Steigung,

dann ging es hinein in den Spessartwald und anschließend

Blick von der Burg

Partenstein hinab in

meinen Heimatort.


128 Seite

Familienradeln durch die Spessartwiesen

300

250

200

Höhenprofi l:

5km 10km 14km

Wir starten am Rathaus in Partenstein und fahren durch

das Viadukt in die Buchsiedlung. An der Einmündung in

den Schneidweg führt der Radweg am Kepplerskanal

entlang in Richtung Krommenthal.

Die Schotterstraße verläuft durch den Wald und hat nur

wenig Steigung. Sie bietet eine gute Gelegenheit, mit

Kindern eine Radtour zu machen. Ein kurzer Anstieg ist

lediglich vor Krommenthal zu überwinden.

Route:

Partenstein - Krommenthal - Wiesthal - Habichsthal.

Die Strecke führt auf Schotterstraßen durch den Wald

am Aubach entlang

Distanz: 14 Kilometer und 140 Hm (einfach)


Seite 129

Die anschließende Abfahrt lässt die Räder bis zur

Staatsstraße hinunterrollen. Dieser muss man dann

etwa 100 Meter folgen und anschließend nach rechts

abbiegen.

Am Bachlauf geht es angenehm weiter durch das

Naturschutzgebiet Spessartwiesen bis nach Wiesthal.

Am Ortsausgang muss dann noch einmal ein letzter Anstieg

gemeistert werden. Danach kann man gemütlich

weiter bis zu den Aubachseen radeln.

Die bewirtschaftete Fischerhütte lädt anschließend

zur Einkehr ein. Ein kleiner Spielplatz daneben und

die Seen weiter unten im Tal sorgen für die nötige

Abwechslung.

Oben:

Zum Entspannen

Kaulquappen fangen.

Für die Kinder ein

Riesenspaß.

Die Aubachseen bieten

eine ideale Gelegenheit

für eine Pause.


130 Seite

Am Oberen Main

Orte, von denen man

weit über das

Umland schauen

konnte, wie zum

Beispiel von der

Giechburg östlich

von Bamberg oder

wie vom Staffelberg

bei Staffelstein,

haben die Menschen

schon immer fasziniert.

Dort fanden sie

Schutz vor herannahenden

Feinden.


Seite 131

Der Main ist die Lebensader der Region und seiner Menschen. Wenn man den Fluss

entgegengesetzt seiner Fließrichtung betrachtet, so teilt er sich zwei mal in etwa

gleich große „Adern“ auf. Das eine Mal in Bamberg, hier trifft der Rhein-Main-Donau

Kanal auf den Oberen Main, und das andere Mal in Kulmbach, dort fließt der Rote

mit dem Weißen Main zusammen. Der RMD-Kanal, der 1992 fertiggestellt wurde, ist

eine künstliche Wasserstraße, die den Main über die Altmühl mit der Donau verbindet

und so die Nordsee mit dem Schwarzen Meer. Er verkürzt die Schiffsroute von

Südeuropa in den Norden und spart dadurch Zeit und Treibstoff. Die technischen

Herausforderungen zur Realisierung des Kanals waren aber gigantisch. Die Idee

dieser kürzeren Verbindung wurde bereits von Karl dem Großen in Angriff genommen.

Doch bevor wir im späteren Verlauf des Buches diesem ersten Kanalabschnitt

in Mittelfranken einen Besuch abstatten, wollen wir den natürlichen Mainverlauf bis

zur Weißmainquelle erkunden. Sie liegt hoch oben im Fichtelgebirge. Um sie zu

erreichen, ist vorher die Durchquerung Oberfrankens nötig. Eine Aufgabe, die wir mit

dem Rad umsetzen wollten.

Eine Radtour entlang des Oberen Mains bietet gleichzeitig die Möglichkeit, den Fluss in

seiner Ursprünglichkeit besser kennenzulernen, denn oberhalb von Bamberg befinden

sich keine Staustufen mehr. Gleichzeitig begegnet man vielen kulturellen Besonderheiten

wie einer alten Bierbraukunst und einem eindrucksvollen Einblick in unsere Geschichte.


132 Seite

Mainradweg Teil 3


Seite 133

Die Route

Mit der Bahn fahren wir zunächst nach Bayreuth. Von dort aus geht es mit dem Rad am

Roten Main entlang bis nach Kulmbach. Anschließend erkunde ich noch vor dem Frühstück

alleine das Weißmaintal und muss dabei bis hinauf nach Bischofsgrün kräftig in die

Pedalen treten, was mich aber nicht wundert, denn der Ort liegt ja im Fichtelgebirge.

Zurück in Kulmbach fahren wir gemeinsam

weiter über Bad Staffelstein bis nach Bamberg.

Bis hierher hat der Main, der in Bamberg

mit dem Rhein-Main-Donau-Kanal zusammenfl

ießt, bereits eine Höhendifferenz von etwa 600

Metern überwunden. Die Hälfte davon fällt auf

den ersten 12 Kilometern an. Es ist ein erster

Hinweis darauf, dass man das Fichtelgebirge

nicht unterschätzen sollte.


134 Seite

Von Bayreuth nach Bamberg

Mai 2012

Bamberg lag hinter uns. Wir saßen im Zug der dem Oberen Main bis nach Kulmbach und weiter

nach Bayreuth folgte. Durch das Fenster konnte man bald den Staffelberg sehen, der weit über das

Maintal hinausragt. Schräg gegenüber auf der anderen Mainseite das Kloster Banz. Die Sonne

strahlte vom Himmel und die Vorfreude aufs radeln stieg.

Nach der Zugfahrt machten wir die Räder am Bahnhof

in Bayreuth startklar und starteten geradewegs in die

Innenstadt. Von dort aus wollten wir uns orientieren und

unsere Fahrradtour beginnen. Nach der Fußgängerzone

ging es parallel zur Hindenburgstraße bereits am

Roten Main entlang in Richtung Kulmbach.

Die ersten Windungen auf dem Fahrradweg genossen

wir in vollen Zügen. Wir waren froh wieder „on Tour“ zu

sein und sammelten die Eindrücke hinter jeder Biegung

auf. Das ständige Wechselspiel zwischen schmucken

Dörfern und der Natur im Maintal hob die Stimmung.

Zusätzlich war auch noch das Wetter fabelhaft.

Hinter Altenplos ging es nach Dreschenau und Neudrosselfeld.

Es wurde Zeit für eine Mittagspause. Frischkäse,

Paprika und Schinken hatten wir von zu Hause mitgebracht.

Was fehlte waren nur noch frische Brötchen. An

der Bergmühle machten wir kurz Halt, während ich in der

Ortsmitte eine Bäckerei aufsuchte.


Seite 135

Eine gepflasterte Straße führte bergauf zum Ortskern.

Mit zwei frischen Weißbroten beladen fuhr ich wieder

hinab und wir suchten eine Bank für unser Vesper.

Am Ortsausgang fanden wir dann ein gemütliches

Plätzchen inklusive Brünnchen. Ein perfekter Ort,

dachten wir und packten unsere Verpflegung aus. Die

Kinder waren noch am Kauen, da packte sie bereits der

Spieltrieb und der Brunnen musste genauestens inspiziert

werden. Ausruhen war nicht. Auch beim nächsten

Halt sorgte eine Wasserschnecke für Abwechslung. Im

Alter ab zehn Jahren ist die Energie schier grenzenlos.

Wir saßen nebenan und beobachteten das Ganze mit

Freude. Es gibt nichts Schöneres als den Kindern beim

Spielen zuzuschauen.


136 Seite

Nicht nur den

Kindern gefallen

bunte Blumen. Vor

allem unsere Bienen

finden hier Nahrung.

An den Mohn- und

Kornblumen sieht

man gut, wie ein

Feld bewirtschaftet

wird. Intensiv oder

eher nachhaltig bzw.

extensiv.


Seite 137

Bald erreichten wir Kulmbach. Seit Melkendorf ging

es nur noch bergab und wir rollten geradewegs in die

Altstadt hinein. Nach wenigen Minuten standen wir

am Marktplatz direkt unter der Plassenburg. Bei diesem

Wetter musste ein Eisbecher her, der an einem

solchen Tag besonders gut schmeckt.

Nach dem leckeren Eis mussten wir eine Unterkunft

finden. Im Hotel Ertl bekamen wir ein schönes Zimmer

und stellten unser Gepäck und die Räder dort ab. Frisch

geduscht waren wir bereits nach einer halben Stunde

wieder auf dem Weg in die Innenstadt. Nun ging es

hinauf zur Plassenburg.


138 Seite

Der kurze Anstieg führte uns am roten Turm vorbei. Als Teil

der alten Stadtbefestigung liegt er direkt unter der Festung.

Wenige Minuten später standen wir bereits auf dem großen

runden Mauervorbau der Plassenburg, von wo sich ein

herrlicher Ausblick auf Kulmach und das Maintal bietet. Im

Inneren der Anlage mit ihrem beeindruckenden Rundgang,

ist das Landschaftsmuseum untergebracht.


Die Plassenburg in

Kulmbach ermöglicht

weite Ausblicke über

das Maintal.

Seite 139


140 Seite

Am nächsten Morgen stand ich um 4 Uhr auf. Ich wollte

einen Ausflug nach Bischofsgrün machen, um auch mit

dem Rad einmal im Fichtelgebirge unterwegs gewesen

zu sein. Das Vorhaben ist ein Teil der Idee, von zu Hause

aus auf den höchsten Berg Frankens zu steigen und

die Strecke bis dorthin ausschließlich mit Muskelkraft zu

überwinden. Die Idee nahm nun so langsam Formen an.

Ich startete also, während alle noch schliefen, und fuhr in

Richtung Bad Berneck los. Gleich hinter Kauerndorf bog

mein Weg nach rechts ab. Dem Weißen Main folgend,

fuhr ich durch dieses schöne Tal und durchquerte kleine

Dörfer, die sich wie Perlen an einer Schnur entlang des

Mains hintereinanderreihen. Ich erreichte Weizendorf, danach

kam Himmelkron und Lanzendorf. Dort sah ich eine

schöne alte Sandsteinbrücke, die den Main überspannt.

Ich erreichte bald die A9, die überquert werden musste.

In der Mitte der Brücke angelangt schaute ich hinab auf

die unendlich dahinströmende Blechlawine, die bereits in

dieser frühen Morgenstunde eine schaurige Erinnerung

in meinem Gedächtnis hinterließ. Doch nach einer halben

Minute hatte ich die Lebensader unserer Zivilisation hinter

mir gelassen. Wie schön war es doch, die Stille auf dem

Rad wieder zu haben, das Summen der Reifen, während

die Vögel um mich herum den Morgen ankündigen.

Nach 25 km ging es ab Bad Berneck dann noch einmal

zur Sache. Der Weg bis nach Bischofsgrün ging stetig

bergauf. Auf den 12 km bis in den Ort waren ganze 300

Höhenmeter zu bewältigen und meine Oberschenkel kamen

gehörig ins Schwitzen. Ich erreichte Bischofsgrün bei

strömendem Regen und drehte daher gleich wieder um.

Doch gleichzeitig durchdrang mich ein kurzer Augenblick

lang ein Gefühl der Befriedigung, denn in diesem Augenblick

war ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen.


Seite 141

Bereits an Ostern waren wir von Bischofsgrün aus auf den

Schneeberg gelaufen und anschließend zur Weißmainquelle

aufgestiegen. Der Schnee hatte die Quelle und den

Weißmainfelsen über die Feiertage in eine märchenhafte

Landschaft verwandelt und uns Wanderer gehörig

überrascht. Wie bereits am Anfang des Kapitels gesagt,

sollte man das Fichtelgebirge nicht unterschätzen. Doch

davon später. An diesem Morgen jedenfalls, als ich mit

dem Rad am Ortsschild von Bischofsgrün stand, waren

die Aussichten auf die umliegenden Berge eher düster.

Nebelverhangen zeigte sich das Gebirge von seiner

unangenehmen Seite und so fuhr ich auf nassem Belag

zurück nach Bad Berneck und halbwegs trocken weiter

nach Kulmbach zurück. Am Ende war ich pünktlich zum

Frühstück wieder im Hotel. Ich genoss nun die zweistündige

Pause während des Frühstücks. Doch bereits nach

zwei Stunden radelten wir jetzt wieder zu viert weiter über

Mainroth nach Burgkunstadt. Nach einer Kaffeepause und

einem Bad im Rudufer See erreichten wir Michelau, unser

nächstes Etappenziel. Noch am Morgen hatte ich mächtig

gefroren, denn der Fahrtwind hatte mir den Regen in die

Schuhe gedrückt. Am Nachmittag dann lagen wir bei

Badewetter kurz vor Michelau am Strand und schwitzten.

Die zweite Etappe unserer Radtour war geschafft.


142 Seite

Am nächsten Tag

strampelten wir nach

einem Besuch der

Lichtenfelser Altstadt

zu den Vierzehnheiligen

hinauf. Ein

schöner aber

anstrengender

Anstieg ;-). Neben

dem gut besuchten

Kloster, das mit

seinen schönen

Fassaden Bildhauerkünste

in Vollendung

zeigt, waren wir vor

allem vom großartigen

Ausblick hinunter

ins Maintal

begeistert.


Seite 143

Nach dem Klosterbesuch freuten sich vor allem die

Kinder über die Abfahrt hinunter nach Grundfeld mit dem

nächsten Kloster direkt vor Augen. Vom Radweg aus war

Kloster Banz dann etwas deutlicher erkennbar und ich

dachte noch, welche Anstrengungen man doch unternahm,

um dem keltischen Heiligtum auf dem gegenüberliegenden

Staffelstein einst paroli zu bieten.

In Bad Staffelstein gönnten wir uns einen dreistündigen

Aufenthalt in der dortigen Obermain-Therme. Die wärmste

und stärkste Thermalsole in ganz Bayern tat unseren

Muskeln gut. Ein abschließender Saunagang sorgte für

zusätzliche Erholung. Nach dieser „Jungbrunnenpause“

meisterten wir das letzte Stück nach Ebensfeld mit Leichtigkeit.

Von unserer Unterkunft waren wir ebenso begeistert

wie vom frisch gebrauten Schwanenbier, das wir am Abend

in der Pizzeria zum Abschluss genießen konnten.

Der Main sorgt immer

wieder für Weitblicke.

Zwischen Kulmbach

und Bamberg windet

er sich gemächlich

dahin. Bei Unterbrunn

hat man ihm mit

Renaturierungsmaßnahmen

wieder mehr

Raum gebeben.


144 Seite

An einigen Stellen am

Oberen Main glaubt

man am Meer zu sein.

Die Felsen und das

Kiesbett bilden einen

natürlichen Lebensraum

für viele Lebewesen.

Die steinige

Uferzohne, die sich im

blauen Mainwasser

spiegelt, strahlt aber

gleichzeitig eine

stoische Ruhe aus.

Dieses ruhige Gemüt

besitzen auch die

Menschen, die entlang

des Flusses leben.


Seite 145

Der letzte Tag führte uns über eine abgelegene

Landstraße nach Rattelsdorf. Es war ein Rat unseres

Pensionswirtes, den wir befolgten, den der Routenverlauf

in unserem Radführer hatte einen anderen Weg

vorgeschlagen. Es war jedoch ein guter Tip wie sich

herausstellte. Denn so konnten wir noch einmal weit

über das Maintal und die Altarmseen hinüberschauen.

Am Straßenrand blühten dazu Kornblumen im herrlichsten

Blau. Auch die Sonne ließ uns an diesem letzten

Tag nicht im Stich. Überrascht wurden wir von zwei

Kanadagänsen, die ihren Flug über einen Altwasserarm

des Mains starteten. Sie konnten wir direkt vom Radweg

aus beobachten. Anscheinend hatten wir sie beim

Fressen gestört, denn nach einer kurzen Flugphase

landeten sie auf der gegenüberliegenden Seite des

Gewässers in sicherem Abstand von uns.


146 Seite

Flüsse wie der Main

durchdringen weiträumig

unsere Landschaften

und vernetzen so

unsere Lebensräume.

Doch der Mensch hat

die Flussläufe begradigt

und sie durch

Bauwerke zerschnitten.

Am Oberlauf des Mains

wurde jedoch durch

Renaturierungsmaßnahmen

wieder mehr

Lebensraum für die

Natur geschaffen.


Seite 147

Hinter Kemmern rasteten wir noch einmal kurz an

einem schönen See. Ein abgestorbener Baum ragte

aus dem Wasser und bildete einen willkommenen

Blickfang.

Nach einigen weiteren Schnappschüssen am Ufer zog

ein Fischreiher über unsere Köpfe hinweg. Es kam mir

vor, als wollte er „auf Wiedersehen“ sagen.

Keine Sorge, dachte ich so bei mir, wir kommen bestimmt

irgendwann mal wieder hierher zurück.


148 Seite


Seite 149


150 Seite

Nach dem Besuch der Mainauen bei Baunach ging es

weiter direkt auf Bamberg zu. Dort angekommen wollten

wir nun unseren Gesäßen etwas ruhe gönnen und

beschlossen, zu Fuß durch die Innenstadt zu laufen.

Dies war genau die richtige Entscheidung. Wir überquerten

den Main-Donau-Kanal auf der Luitpoltbrücke

mit ihren großen Stahlbögen und liefen über die Lange

Straße dem alten Kranen entgegen. Hier, am alten

Hafen direkt an der Regnitz, genossen wir das so

genannte „klein Venedig“ in der Abendsonne. Es war

mächtig was los auf der unteren Brücke. Hier trifft sich

die Jugend, um das Abendprogramm zu besprechen.

In unmittelbarer Nachbarschaft befi ndet sich das alte

Rathaus. Es ist eines der bedeutendsten Bauwerke der

historischen Innenstadt. Das schöne Fachwerkgebäude

wurde auf einer kleinen Insel mitten auf der Regnitz

errichtet. Es liegt somit genau am Bindeglied von

Berg- und Inselstadt. Seine Lage zeugt von der alten

Herrschaftsgrenze zwischen der ehemals bischöfl i-

chen Bergfestung und der aufstrebenden bürgerlichen

Inselstadt. Wie in Würzburg wird auch hier in Bamberg

die Machtpolitik des ausgehenden Mittelalters zwischen

Kirche und Bürgertum sichtbar. 1387 wurde das

Rathaus erstmals urkundlich erwähnt und bis 1467 in

seiner heutigen Gestalt fertiggestellt.


Seite 151

Vor dem alten Kran saßen wir zum Abschluss des Tages

auf einer Bank. Im Schein der untergehenden Sonne

genossen wir frisches Weißbrot mit Käse, Tomaten und

Gurken, ein Hochgenuss. Das Abendlicht ließ die Türme

von St. Michael in einer traumhaften Siluette erscheinen.

Enten schnatterten direkt unter uns in der Regnitz,

während junge Pärchen an der Promenade des Schiffbauplatzes

vorbeiflanierten. Jan und Lena erzählten

ihre neuesten Geschichten, während wir den Abend mit

einem kühlen Bier verfeinerten.

Zwischen Ober- und Unterbrücke waren Stangen für

einen Kajakparcour aufgehängt, doch leider waren

keine Boote im Wasser. Uns zog es bald weiter zum

Domhügel hinauf. Oben angekommen war ein frisches

Lüftchen zu spüren. Mit unseren kurzen Hosen

begannen wir bald zu frieren und Müdigkeit kam auf.

Schließlich hatten wir ja schon den Mainradweg in den

Beinen. Langsam schlenderten wir wieder hinunter in

die Altstadt um zu übernachten. Am nächsten Tag war

ja noch ein Besuch von Schloss Seehof geplant.

- Abstecher zum Seehof


152 Seite

Schloss Seehof ist die ehemalige

Sommerresidenz und das Jagdschloss

der Bamberger Fürstbischöfe. Heute wird

es als Dienstsitz des Archäologischen

Instituts in Franken genutzt.


Seite 153

Das etwa fünf Kilometer nordöstlich von

Bamberg gelegene Schloss wird von

einem großen Garten umschlossen, der

im Stil des Rokoko angelegt wurde. Die

Fläche der gesamten Anlage mit dem

Garten umfasst etwa 21 Hektar.


154 Seite

Wandern im Fichtelgebirge

Wer durch das

Fichtelgebirge

wandert, entdeckt an

vielen Ecken eine

sagenhafte Landschaft.

Durch die

Felsblöcke zu laufen

befreit Seele und

Geist. Selbst unliebsame

Gedanken

verschwinden dabei

für kurze Zeit.


Seite 155

Das Fichtelgebirge wird im Allgemeinen den submontanen Bergmischwäldern

zugeordnet. Je nach Höhenzone und geologischen Gegebenheiten verändern sich

auch die Vegetationsformen. So kommen Fichte, Tanne, Buche und Bergahorn vor,

an regenarmen bis trockenen Standorten findet man außerdem die Kiefer. Neben

den Gesteinsarten Granit, Gneis, Basalt trifft man auch auf Phyllit und Porphyr.

In den Hochlagen des Fichtelgebirges herrscht ein raues und feuchtes Mittelgebirgsklima,

was die jährlichen Durchschnittstemperaturen auf etwa 5 Grad Celsius

sinken lässt. Die Niederschläge liegen dabei zwischen 800-1200 mm. Im inneren

„Hufeisen“ des Fichtelgebirges ist es aufgrund der Windschattenseite und der niedrigeren

Höhenlage etwa ein Grad wärmer und die Niederschäge sinken auf 550 bis

850 mm Jährlich.

Eine Wanderung im Fichtelgebirge bietet somit nicht nur die Möglichkeit, unterschiedliche

Gesteine und Vegetationszonen kennenzulernen, es ist daneben auch

überaus spannend, in den Felslabyrinthen auf- und abzusteigen. Vor allem für Kinder

sind die Felslandschaften ein Abenteuerspielplatz. Gründe genug, dem Fichtelgebirge

ab und an „aufs Dach zu steigen“.


156 Seite


Seite 157

Die Route

Nachdem wir auf unserer Osterwanderung über die Luisenburg und den Prinzenfelsen

von einem Wintereinbruch überrascht wurden, machte anschließend ein Besuch auf dem

Schneeberg seinem Namen alle Ehre.

Die beschriebenen Wanderungen sind überwiegend

Etappen auf dem Fränkischen Gebirgs

weg. Neben dem Schneebergmassiv und der

Ochsenkopfregion erkundeten wir auch den

Großen Waldstein und die Umgebung rund um

den Fichtelsee. Der Fränkische Gebirgsweg

zieht sich über die Höhen Oberfrankens. Er star

tet in Blankenstein an der Saale, durchquert den

Frankenwald und das Fichtelgebirge und abschließend die Fränkische Schweiz. In Hersbruck,

vor den Toren Nürnbergs, endet dieser 425 km lange Fernwanderweg.


158 Seite

Wenn der Winter zurückkommt

April 2012

Endlich war es wieder soweit. Ein verlängertes Wochenende über die Osterfeiertage stand bevor.

Wir hatten die Rucksäcke für eine Frühlingstour gepackt. Mit abgespeckter Wechselganitur

starteten wir ins Fichtelgebirge. Doch das Wetter erteilte uns eine Lehre.

Wir waren bereits nach der Schule gestartet und fuhren

auf der A70 nach Bamberg. Über die B 303 gelangten

wir schließlich nach Wunsiedel. An der Naturbühne

angekommen verließen wir den warmen Camper und

schauten ungläubig hinüber zu den Tannenwäldern des

Fichtelgebirges. Doch unser Ausgangspunkt war mit

Bedacht ausgewählt, denn wir wollten die runden Steine

Frankens sehen.

Die Felsformationen dieser Region bestehen unter

anderem aus Granit und sind vor etwa 240 Mio. Jahren

entstanden. Damals füllten sich die Hohlräume des dortigen

Grundgebirges mit Magma aus dem Erdinneren. Es

erstarrte unter der Erdoberfläche zu diesem harten Tiefengestein.

Nachdem das darüberliegende Schiefergestein

durch Oberflächenverwitterung abgetragen war, wurden

die Granitblöcke durch Klimatische Gegensätze geformt.


Seite 159

Die Gesteinsformung geschah dabei über lange Zeiträume,

in denen tropische Phasen mit dazwischenliegenden

Eiszeiten abwechselten. Mit der Zeit wurden so

die Steine an ihren Ecken „abgeschliffen“ und erhielten

ihre heutige runde Gestalt. Nachdem anschließend

das abgetragene Material ausgeschwemmt war,

versuchten die zurückgebliebenen Granitmonoliten ihre

neue Ballance zu fi nden, was zu den heute sichtbaren

schönen Formationen führte.

Einige dieser Felslandschaften wollten wir uns näher

anschauen. Das erste Ziel sollte die Luisenburg sein.

Dieses Felsenlabyrinth liegt nicht weit von Wunsiedel

entfernt und so standen wir nun vor unserer ersten

Etappe. Wir starteten mit der Besteigung des Kaiserfelsens.

Über urige Steige, Treppen und Tunnel ging es

hinauf auf die Aussichtskanzel.


160 Seite

Auf dem Weg nach oben erwartete uns hinter jeder

Ecke ein neues Abenteuer. Nach jeder Biegung waren

neue, noch schönere „Kieselsteine im Großformat“ zu

bewundern. Oben angekommen nahm uns leider der

Nebel die Aussicht und so kraxelten wir weiter zum

Burgsteinfelsen hinüber. Diesen kann man bereits seit

1790 über Holzstufen erreichen. Sogar Goethe soll die

Felsen hier oben schon bewundert haben. In dieser

spektakulären Umgebung bemerkten wir nicht, wie

schnell die Zeit verging und bald hatten wir unseren

Rundkurs auch schon beendet.


Seite 161

Klimatische Gegensätze

formten einst

diese Felsformationen,

die heute als Luisenburg

bekannt sind.


162 Seite

Wieder zurück auf dem Fränkischen Gebirgsweg wanderten

wir weiter bergauf zum großen Haberstein. Wir

genossen ein weiteres Mal das Klettern durch die Felsen,

wobei die Kinder fröhlich von einem Stein auf den nächsten

sprangen. Lediglich Kerstin und ich waren anschließend

wieder froh, den weichen Waldboden unter unseren

Füßen zu haben. Leider hatte sich seit dem Morgen der

Nebel immer noch nicht verzogen. Die schöne Aussicht,

von der wir in den Tourenbeschreibungen gelesen hatten,

blieb uns leider an diesem Tag verwehrt.


Seite 163

Doch der dichte Nebel hatte auch etwas besonderes.

Zwischen den Fichten hindurch sorgte er vor unseren

Augen für eine mystische Stimmung und ich konnte mir

die ein oder andere Koboldgeschichte nicht verkneifen.

Zusätzlich waren die Temperaturen in den Keller

gegangen. Mittlerweile hatten wir alles angezogen, was

unsere Rucksäcke hergaben. Sogar die Mützen wurden

ausgepackt.

Bald ging es jedoch wieder leicht bergan und wir

kamen wieder ins Schwitzen. Es ist nicht einfach, beim

Wandern die richtige Kleiderauswahl zu treffen. Auf den

Punkt kommt man eigentlich fast nie. Meistens schwitzt

man oder es ist einem zu kalt.

Unterhalb der Kösseine angekommen, war der Nebel

immer noch da und wir beschlossen, diesen letzten

Aussichtspunkt nicht mehr hochzusteigen. Wir liefen

daher rechts bergab, weiter auf Reichenbach zu.


164 Seite

Dichter Nebelwald

erschwerte uns zwar

die Orientierung, doch

gleichzeitig sorgte er

auch für eine Portion

Abenteuer.


Seite 165

Beim nächsten Aufstieg zum großen Haberstein ging es

zunächst durch dichten Fichtenwald bergauf. An einem

Wegweiser kreuzten sich Höhenweg, Fränkischer Gebirgsweg

und ein bisher nicht bekannter Weg, der durch

einen blauen Querbalken gekennzeichnet war. Wir

hatten nun die Qual der Wahl, entschieden uns aber

letztlich für den Höhenweg, der uns direkt zum Haberstein

führen sollte. Die nun folgenden 150 Höhenmeter

brachten uns ganz schön außer Puste. Wie bereits bei

früheren Wanderungen drückte auch diesmal der Rucksack

gehörig auf unsere alten Hüftknochen.

Zum Glück hatten die Kinder damit keine Probleme.

Jetzt bot auch der Nebel einen kleinen Vorteil, denn er

sorgte weiterhin für kühleTemperaturen und ermöglichte

uns somit auch beim Bergauf gehen ein wenig von

den Dingen zu erzählen, die momentan in der Familie

aktuell waren.


166 Seite

So verging schnell die Zeit und wir erreichten eine

Bank, die wir für eine kurze Rast nutzten. Ein Schluck

aus der Feldflasche, ein Müsliriegel und eine Pinkelpause.

Ausruhen war nicht, denn gleich nach dem Riegel

waren die Beiden schon wieder auf den Steinen unterwegs.

Wir schulterten unsere Rucksäcke und stiegen

weiter bergauf.

Dabei passierten wir Baumstämme, die vom Blitzschlag

getroffen waren, kletterten über sie hinweg und hatten

dabei ständig den Untergrund im Blick. Wenn sich jetzt

einer den Knöchel verstauchen würde, hätte das fatale

Folgen haben können.


Seite 167

Die letzten Meter zum

Haberstein wurden

wieder steiniger. Wir

stiegen über Felsblöcke

und Leitern nach

oben. Nun machte es

wieder Spaß an den

Türmen entlang und

über Quader zu

steigen.


168 Seite

Als wir dann oben auf dem Haberstein standen, sahen wir

erneut vor allem eines, viel Nebel. „Ganz schön blöd“, meinten

Jan und Lena. Wir sagten, dass es schade sei und schluckten

dabei unsere negativen Gedanken hinunter. Der Ausblick

von hier oben ist besonders schön, das hatten schon die

Recherchen ergeben. Etwas enttäuscht schauten die Kinder

in den Nebel hinein. Schönes Wetter wäre wirklich noch das

Tüpfelchen auf dem „I“ gewesen, doch wir mussten jetzt das

Beste daraus machen.


Seite 169

Nun galt es die vielen Treppenstufen wieder hinunter

zu steigen. Vorsichtig nahmen wir eine Etage nach der

anderen. Die Hohlkörper unter den Stufen machten sich

bei jedem Schritt mit lautem Pochen bemerkbar.

Als wir am Fuß des Gelsgebildes angekommen waren,

hatten die Kinder die Enttäuschung schon wieder

vergessen. Die schönen Steine, die halb in der Erde und

halb darüber auf dem Weg nach unten aneinandergereiht

platziert waren, forderten den Spieltrieb geradezu

heraus. Hüpfend und balancierend ging es nun weiter

bergab, während wir anfingen, Liederraten zu spielen.

Die gute Stimmung war zum Glück zurückgekehrt.


170 Seite


Seite 171

Wir durchquerten Reichenbach und passierten etwas

später einen See. Anschließend ging es wieder bergauf

und durch den Wald.

Die Natur hatte uns in ihren Bann gezogen. Ständig

entdeckten wir Neues. Froschleich, Zunderschwämme

und plötzlich, nach weiteren Kilometern, stand plötzlich

ein Felsen mitten im Wald. Ein perfekter Platz zum Übernachten.

Nach wenigen Minuten stand unser Zelt.


172 Seite

Auf unserer Osterwanderung

durften natürlich

die Ostereier nicht

fehlen. Während die

Kinder das Nest

suchten, fingen wir an

zu kochen. Schnell

war der Nudeltopf

zubereitet und noch

schneller gegessen.


Seite 173

Nach dem Essen

wurden noch rasch ein

paar Notizen angefertigt,

doch bald kroch

die Kälte in unsere

Glieder und wir

krochen kurz darauf

in unsere warmen

Schlafsäcke. Bis zu

diesem Zeitpunkt lief

alles wie geplant. Wir

wussten aber noch

nicht, dass wir am

nächsten Morgen eine

Überraschung erleben

würden.


174 Seite

Über Nacht hatte es

geschneit. Dadurch

mussten die aufeinander

folgenden Handgriffe

für die Frühstücksvorbereitung

und fürs Packen der

Rucksäcke abgestimmt

werden, denn

oberstes Ziel bei

solchen Touren ist ein

trockenes Equipment.


Seite 175

Bereits um vier Uhr früh hatten wir die leisen Geräusche

des Niederschlags bemerkt. Da man im Zelt

oft unruhiger schläft, hörten wir das Aufploppen der

Flocken auf der Zeltaußenseite deutlich. Aufgrund der

niederen Temperaturen hätten wir eigentlich damit

rechnen müssen, zumal der Himmel den ganzen gestrigen

Tag über wolkenverhangen blieb. Eigentlich war

das ja kein Problem, denn die weiße Pracht würde für

unsere Augen eine schöne Abwechslung abgeben.

Doch beim Zubereiten des Frühstücks und beim

Zeltabbau mussten wir jetzt umdenken, denn oberstes

Ziel beim Draußensein ist es nicht nur selbst trocken

zu bleiben, sondern auch das Gepäck trocken zu

halten. Dies klingt erst einmal recht einfach, zumal wir

uns ja unter einem Dach befanden. Aber bei genauer

Betrachtung wurde es dann doch etwas schwieriger.


176 Seite

Bei Schneefall oder

bei Regen ändern sich

die Abläufe und

Handgriffe beim Zelten

Sachen zusammenzupacken,

denn es gilt

so wenig Nässe wie

möglich zuzulassen.


Seite 177

Der Grund für bedachtes Handeln ist simpel. Alles was

nass geworden ist, wiegt mehr beim Tragen und wärmt

nicht mehr bei Kälte. Bei anhaltendem Niederschlag

heißt dies dann unter der Absiede Tee kochen und im

Zelt frühstücken. Dies geht zwar, führt aber aufgrund

der gebückten Haltung bald zu Rückenschmerzen,

falls man vom nächtlichen Liegen nicht schon welche

hat. Ideal ist daher, wenn es zumindest von oben

trocken ist. Bei Schneefall ist dies etwas einfacher,

doch auch der Schnee taut auf der Ausrüstung schnell

und verwandelt sich in Nässe. Da es noch leicht

fl öckelte, war für uns das weitere Vorgehen eindeutig.

Frühstück raus vors Zelt stellen, Schlafsäcke im Zelt

zusammenpacken. Anschließend Klamotten anziehen

und die Ausrüstung in den Rucksack stopfen. Dieser

befi ndet sich unter der Apside des Zeltes. Damit sind

die beiden Bereiche außerhalb des Innenzeltes aber

innerhalb des Außenzeltes gemeint. Idealerweise

muss man nun nur noch in die Schuhe schlüpfen und

mit einem Ruck aus dem Innenzelt unter der Apside

hindurch ins Freie treten. Dies ist die Theorie. In der

Praxis machen einem das fehlende Gleichgewicht und

die Rückenschmerzen oft einen Strich durch die Rechnung.

Entweder man streift mit dem Rücken am Überzelt

entlang und ist nun nass, dann war das Bücken zu

zaghaft, oder man bückt sich zu weit vor und stolpert

über die Dinge, die man vorher vors Zelt gelegt hat.

Der Outdoormeister jedenfalls schafft alles in einem

Schwung und steht mit trockenem Rücken und seiner

Teetasse in der Hand in der freien Natur, die sich nun

wie auf dem Balkon vor einem ausbreitet.

Wenn alle aus dem Zelt gekrochen sind, läuft das anschließende

Frühstück im Zeitraffer ab, denn die Kälte

kriecht in schnellen Schritten in die gerade im Schlafsack

noch warm gewesenen Körper. Meist ist man

schon durchgefroren, wenn das Teewasser endlich gekocht

hat und das gefrorene Nutella irgendwie auf dem

Brot arrangiert ist. Die Kunst besteht dabei darin, dass

die geschnittenen Nutellascheiben vor dem

Essen nicht auf den Boden fallen und dabei unter

den Blättern verschwinden. Hat man dies geschafft,

ist der Tee in der Tasse meistens schon wieder kalt.

Schon etwas steif von der Kälte gilt es nun auch das

Zelt halbwegs trocken einzupacken. Die zwei Liter

Flüssigkeit, die ein Mensch in der Nacht ausdünstet,

hängen natürlich im Inneren des Außenzeltes. Genau,

dies war der Trick mit dem trockenen Rücken.


178 Seite

Am Ende ist dann alles gepackt und ordendlich verstaut.

Dabei wird man gleichzeitig wieder etwas warm. Von

den kalten Fingern, mit denen man die gefrorenen Alustangen

verstaut, rede ich dabei nicht so gerne. Ich möchte

an dieser Stelle bestimmt nicht schwarzmalen, aber

man muss das Draußensein schon mögen. Da wir als

Outdoorer nach dem Motto leben: „Hinterlasse nur deine

Fußspuren“, versteht es sich von selbst, dass kein Abfall

zurückgelassen wird! Beim Wandern mit dem Rucksack

lernt man eh, mit minimalem Gepäck auszukommen.

Dabei lässt man im Laufe der Jahre die Dinge zu Hause,

die man auf der Tour nicht gebraucht hat. Gut, in diesem

Fall wäre eine wärmere Jacke gar nicht so schlecht

gewesen, aber das passiert. Rucksackwanderer werden

mit der Zeit Minimalisten. Wenn nicht, dann sind sie

noch nicht weit genug mit schwerem Rucksack gelaufen.

Wir freuten uns, wieder unterwegs zu sein, auch wenn

morgens der Rucksack ein wenig drückt. Man gewöhnt

sich doch recht schnell wieder daran. Auch die Füße

tauten langsam wieder auf. Ich war mächtig stolz auf

die Kinder. Heute Morgen hatten sie die Kälte und den

Neuschnee einfach so hingenommen. Es schien für sie

keine zusätzliche Belastung zu sein. Vielleicht weil wir mit

ihnen schon früh mit dem Wandern begonnen hatten. Vor

einem Jahr waren wir eine Woche in Lappland unterwegs

gewesen und mit Zelt und Rucksack durch den Abisko

Nationalpark gelaufen. Jan und Lena hatten gelernt, beim

Zeltaufbau mitzuhelfen. Sie kannten es, draußen zu kochen

und sich den Tag über draußen in der Natur aufzuhalten.

Diese Erfahrung konnte ich jetzt spüren, denn die

nötigen Handgriffe, die rund ums Draußensein benötigt

werden, konnten beide aus dem Gedächtnis abrufen.


Seite 179

Nach einer Weile waren wir am Prinzenfelsen angekommen.

Geotope wie der Prinzenfelsen ermöglichen Einblicke in die

Erdgeschichte. Durch sie wird die geologische Entwicklung auf

unserer Erde sichtbar. Das Naturdenkmal liegt 751 Meter über

dem Meeresspiegel. In diesen Höhenlagen beginnt der Frühling

daher relativ spät und es kann bis in den April hinein zu

Kälteeinbrüchen kommen. Wir waren nun mitten drin in diesem

Kälteeinbruch. Der Schnee überdeckte die Vegetation am Fuß

des Prinzenfelsens und hob so das Geotop optisch hervor. Die

Leitern für den Aufstieg waren schnell entdeckt. Vorsichtig ging

es Schritt für Schritt nach oben, doch mit der Aussicht wurde

es wieder nichts. Wir kehrten daher gleich wieder um.

Weiter gings in Richtung

Fichtelsee.

Der Fränkische Gebirgsweg führte uns anschließend weiter

zwischen den Fichten hindurch. Doch bei Niederschlag zu

laufen, das ist so eine Sache. Ihn zu ertragen, fällt wirklich

nicht leicht. Das konnte ich in den Gesichtern lesen und es

nieselte bereits seit einer Stunde. Kerstin und mir war klar,

dass es ihnen bald zu viel werden würde. Wir beschlossen

daher, unsere geplante Tour zum Fichtelsee vorzeitig abzubrechen.

Hierfür war das Silberhaus eine gute Möglichkeit.

Dort sollte der Fränkische Gebirgsweg die B303 queren.

Als wir wenig später in der Gaststätte saßen, wurde mir

endgültig klar, dass dies die richtige Entscheidung gewesen

war. In einem entscheidenden Moment auch mal abbrechen

zu können, ist aus meiner Sicht die wichtigste Eigenschaft,

die man erlernen sollte und die für das Wandern mit Kindern

enorm wichtig ist. Ausschließlich Kilometer abzulaufen, wirkt

da kontraproduktiv. Schließlich wollten wir ja nächstes Jahr

wieder mit guter Laune mit ihnen in den Norden reisen, um

ein weiteres Stück auf dem Kungsleden zu wandern.


180 Seite

Nachdem wir schließlich das Silberhaus erreicht hatten,

wärmten wir uns zunächst in der Gaststätte auf. Nach

einem Getränk lief ich hinüber zur Bundesstraße, um

zurück zum Camper zu trampen. Anschließend konnte

ich dann meine Familie ahholen. Diese Praxis hatte

sich bereits in der Rhön bewährt. Die Nacht verbrachten

wir im Camper.

Am nächsten Morgen hatte es wieder geschneit. Nach

dem Frühstück fuhren wir zum Seehaus-Wanderparkplatz,

denn wir wollten zum Weißmainfelsen hochwandern.

Unsere großen Rucksäcke ließen wir für diese

Tagestour im Auto. Ich hatte lediglich einen Daypack

dabei, um Getränke und eine Brotzeit mitnehmen zu

können. Mit diesem leichten Gepäck auf den Schultern

war es nun wesentlich angenehmer zu laufen. Auf leichten

Füßen starteten wir erneut in den Wald hinein.

Schnee unter den Füßen und die Märchenlandschaft um

uns herum, dies war einfach sagenhaft. Man saugt das

leise Nichts auf, wenn alles ruht und schläft. Keine Vögel

zwitschern. Nur ein leises „Flupp“ ist zu hören, das bei

jedem Schritt unter den Füßen entsteht. Dann setzt du

zum nächsten Schritt an und du hörst dieses „Flupp“

erneut, wenn dein Schritt auf dem Schnee aufsetzt und

ihn zerdrückt. Es beißt sich die Kälte in dein Gesicht

und du spürst, wie sie mit dem aufkommenden Wind

zunimmt. Das Wandern im Winter ist Naturerlebnis pur.


Seite 181

Der Aufstieg zum

Weißmainfelsen war

an diesem Tag nicht

ohne. Die Stufen

waren naß und

rutschig.


182 Seite

Auf dem Felsen

angekommen, beobachteten

wir eine

Gruppe Soldaten, die

sich am Nordhang des

Weißmainfelsens

abseilten. Anschließend

ging es die

rutschigen Stufen

wieder hinunter


Seite 183

Der Weg führte uns nun wieder bergab durch herrlichen

Neuschnee. Wie Puderzucker klebte das Weiß auf

den Zweigen der Nadelbäume und bei jedem Schritt

knirschte es unter unseren Füßen.

Ohne Gepäck war der Aufstieg wirklich ein Kinderspiel

gewesen. Jan war ein Stück vorausgeeilt, um als Erster

an der Weißmainquelle anzukommen.

„Hoffentlich hat er an der Wegkreuzung die Richtige

Route gewählt“, dachten wir. Ein gelbes M führte nämlich

vom Karchessee hinauf auf den Ochsenkopf und

querte unseren fränkischen Gebirgsweg.


184 Seite

Hinter einem Bohlensteg tauchte plötzlich die Weißmainquelle

vor unseren Augen auf. Eine kleine Hütte,

eine Hinweistafel und der Bohlensteg umrahmten die

mit Granitgestein eingefasste Quelle.

Von hier aus also startet die fränkische Lebensader ihre

mehr als 500 Kilometer lange Strecke. Auf ihrem Weg

passiert der Main alte Städte und schöne Landschaften.

Kulmbach oder Bamberg sind hier zwei Beispiele. Dann

fließt der Main an Hassfurt und Schweinfurt vorbei.

Renaturierte Flussauen fi nden wir auf seinem Weg

flussabwärts ebenso, wie mächtige Felsstrukturen zum

Beispiel den Staffelstein. Weiter geht es durch das

fränkische Weinland. Während er das Keupergestein

des Steigerwalds umfl ießt, nimmt er zunehmend eine

südliche Richtung ein. Enge Windungen hinterließen

bei Volkach steile Kalkhänge, die sich heute ideal für

den Weinanbau eignen. Nach Kitzingen und Marktbreit

erreicht der Fluss die unterfränkische Metropole

Würzburg. Hinter Karlstadt verlässt er den Muschelkalk

und fließt hinter Gemünden erneut nach Süden, mitten

durch den Buntsandstein des Spessarts. Nach dessen

Umrundung endet er in Mainz und fl ießt mit dem Rhein

weiter nach Norden. Es ist unsere Heimat, das Land

der Franken.


Seite 185

Nach einer weiteren

Nacht im Camper

wanderten wir am

letzten Tag auf den

Schneeberg. Mit

seinen 1051 Metern

ist er der höchste Berg

Frankens und er

forderte noch einmal

unsere Kräfte. Über

eine Zufahrtstraße, die

für die militärische

Funkstation angelegt

wurde, stiegen wir

dem Berg aufs Dach.


186 Seite

Vor 200 Mio Jahren

war der Schneeberg

sogar höher als die

Alpen. Aber auch

heute herrscht hier

oben noch ein raues

Klima.


Seite 187

Bei einer Jahresdurchschnittstemperatur

von

3,8 Grad findet man

auf dem Schneeberg

Bedingungen wie nach

der letzten Eiszeit.

Heute ist das ehemalige

Sperrgebiet

Naturschutzgebiet.


188 Seite

Aufgrund der Kälte ist

das Pflanzenwachstum

nicht gerade

üpppig. Oft gedeiht

neben Fichten vor

allem Strauchvegetation.

Für selten

gewordene Arten ist

das Schneebergmassiv

jedoch ein Rückzugsort.

So hat man

dort bereits Fußspuren

des Luchses entdeckt.

Unsere größte Katze

scheint auf ihren

leisen Pfoten wieder

zurückzukehren.


Seite 189

Am letzten Tag war

dann doch noch die

Sonne hinter den

Wolken hervorgekrochen.

Doch leider

endete hier oben

unser Ausflug in das

höchste Gebirge

Frankens und wir

hatten noch einmal

den Winter genießen

dürfen. Schweren

Herzens verließen wir

den Schneeberg und

beendeten damit

unsere Wanderung

im Fichtelgbirge.


190 Seite

Steinreich

Juni 2018

Sechs Jahre nach unserer winterlichen Osterwanderung schrieb ich an meinem Buch über die

Naturwunder im Fichtelgebirge und benötigte dafür noch brauchbare Bilder. Neben dem Fichtelsee

besuchte ich dafür den Großen Waldstein und erkundete das ganze Egertal. Auch auf dem

Ochsenkopf war ich zwischenzeitlich gewesen, aber dies ist eine andere Geschichte.

Im Fichtelgebirge kann man nicht nur schöne Felsen betrachten,

man findet dort auch faszinierende Lebensräume

mit Übergangs- und Flachmoorbereichen sowie nährstoffarme

Teichgewässer. Gerade Moore sind Extremstandorte.

Sie zwingen Tier- und Pflanzenarten vor allem aufgrund der

dort vorherrschenden Nährstoffarmut zur Spezialisierung.

Ein Spezialist ist das links gezeigte Wollgras, das am Fichtelseemoor,

aber auch zum Beispiel im FFH-Gebiet Zeitelmoos

wächst. Die Nährstoffarmut des Fichtelseemoors

fördert dabei diese seltenen Arten, die an ihren weißen

Wattebäuschen leicht zu erkennen sind und von denen es

mehrere Unterarten gibt. Moore faszinieren aber auch aus

einem anderen Grund. In ihnen wird weltweit doppelt so

viel CO 2

gespeichert wie in den Wäldern. Moore sind daher

auch besonders hochwertige Kohlenstoffspeicher.


Seite 191

Das Fichtelseemoor

ist ein bedeutendes

Hochmoor, das sich

seit der letzten Eiszeit

vor 8.000 bis 10.000

Jahren entwickelt hat.

Die kargen Bedingungen

haben eine

einzigartige Tier- und

Pflanzenwelt hervorgebracht.

Aufgrund

einer ständigen

Wasserversorgung

konnten sich die

versumpften Flächen

zu einem Hochmoor

weiterentwickeln.


192 Seite

Entlang des Egertals

gibt es viele Naturwunder

zu entdecken.

Hier leben Biber,

Fischotter, Skabiosen-

Scheckenfalter und

die Große Moosjungfer.

Aber auch seltene

Fischarten wie die

Groppe oder das

Bachneunauge sind

hier zuhause. Zu

ihrem Schutz wurden

im Egertal 941 Ha

Naturschutzflächen

ausgewiesen. Dort

kann der Biber aktiv

die Flusslandschaften

verändern. Seine

Bauwerke verbessern

den Wasserhaushalt

und ermöglichen die

Wiedervernässung der

Landschaft. Schon

nach kurzer Zeit

entstehen damit neue,

artenreiche Biotope.


Seite 193

Auch das Waldsteinmassiv

birgt zahlreiche

Überraschungen.

Der Große Waldstein

liegt 877 Meter über

dem Meeresspiegel.

Bekannt ist er vor

allem aufgrund seiner

Felsenformationen

und der tollen Aussicht,

weshalb auch

mehrere Burganlagen

auf seinen Felsen

errichtet wurden. Im

Gipfelbereich gibt es

neben mächtigen

Felsentürmen aber

auch Mischwald mit

altem Buchenbestand

zu bestaunen, der

im Fichtelgebirge eher

selten vorkommt. Über

all dies kann man

beim Ausblick vom

Großen Waldstein

schauen.


194 Seite


Seite 195


196 Seite

In der „Fränkischen“

Die Täler und

Kalkfelsen der

Fränkischen Schweiz

sind einzigartig. Ihre

Lebensräume bieten

aber nicht nur

seltenen Arten einen

Lebensraum, sie

überraschen den

Besucher auch durch

ungewöhnliche

Wuchsformen wie die

der hier gezeigten

urigen Kiefer im

Naturschutzgebiet

„Trockenhänge um

Pottenstein“.


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Die Fränkische Schweiz ist aufgrund ihrer geologischen Besonderheiten sehr

beliebt. Die charakteristische Berg- und Hügellandschaft wird durch markante

Felsformationen und Höhlen durchzogen. Sie entstanden vor etwa 150 Millionen

Jahren, als ganz Süddeutschland noch im Bereich eines großen Flachmeeres lag.

Diese Kalk- und Dolomitfelsen des Weißen Jura prägen die Fränkische Schweiz

bis heute. Im Laufe der Zeit ist daraus eine typische Karstlandschaft mit tief

eingeschnittenen Flusstälern und trockenen, kargen Hochflächen entstanden.

Auch die Flüsse der „Fränkischen“, wie Wiesent und Trubach, sind von außergewöhnlicher

Schönheit. Man findet dort steile Täler mit verzweigten Gewässersystemen,

die mit Rad und Boot erkundet werden können. Als dritten Fluss möchte

ich noch die Pegnitz erwähnen, die im östlichen Teil der Fränkischen Schweiz liegt

und bis hinab in die Metropole Nürnberg fließt.

Die „Fränkische“ ist eine einzigartige Landschaft, die man aktiv erleben sollte.


198 Seite


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Die Routen

Die folgende Geschichte beginnt auf der Wiesent, einem Fluss von außergewöhnlicher

Schönheit. Das idyllische Tal ist an seinem Oberlauf tief eingeschnitten und der Fluss

ändert ständig seine Richtung. Sein Oberlauf ist für Bootsfahrer etwas anspruchsvoller

als die im vorderen Teil des Buches beschriebene Fränkische Saale.

Die zweite Tour startet in Bamberg. Mit dem

Rad wird die Fränkische Schweiz in Richtung

Osten durchquert. Unsere Route folgt teilweise

der Wiesent, verlässt das Tal aber hinter Pottenstein

wieder. Anschließend geht es im stetigen

Wechsel erneut bergauf und bergab. An der

Pegnitz angekommen, folgen wir dem Fluss bis

hinab in die Metropole Nürnberg, dabei durchqueren

wir die Ausläufer des Reichswaldes.


200 Seite

Auf der Wiesent

Juli 2020

Franken ist sehr vielseitig. Dabei ermöglichen gerade die Flussläufe ganz neue Einblicke in die

Natur und ich habe die Erfahrung gemacht, dass unsere Heimat sich auch als Paddelregion sehen

lassen kann.

Diesen Satz wollte ich mir ein weiteres Mal selbst

bestätigen und startete deshalb zu einer Paddeltour,

die ich schon lange im Hinterkopf hatte. In das tief eingeschnittene

Tal am Oberlauf der Fränkischen Schweiz

hatte ich mich bereits in den 1990er Jahren bei unseren

unzähligen Kletteraktivitäten verliebt. 2020 war es

dann endlich so weit und ich hatte endlich Zeit für das

Abenteuer gefunden. Lena begleitete mich zusätzlich

als Fotografi n, was mich sehr freute. Bereits die Anreise

war spannend, denn die B470 führte mich schnell nach

Ebermannstadt. Das Walberla hatte sich bereits hinter

Forchheim gezeigt und auf die Schönheit dieser Landschaft

hingewiesen. Im weiteren Verlauf meiner Anfahrt

durch das Wiesenttal wurden die Windungen der Straßé

bis hinauf nach Gößweinstein immer zahlreicher und

die Ausblicke auf die weißen Kalkfelsen spektakulärer.


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An der Behringersmühle bogen wir nach links ab und

folgten der kurvigen Straße St2191, während das Tal

immer schmaler wurde. Die Vorfreude stieg, denn

ich spürte, dass es bald losgehen würde. Vor mir lag

der Oberlauf der Wiesent, ein gemächlich durch die

fränkische Schweiz mäandernder Fluss, mit herrlichen

Ausblicken auf das Umland. Ab Doos ist er für Paddler

sicher befahrbar und daher hatte ich mich für den

Einstieg dort in das Gewässer entschieden. Vorher war

aber noch etwas Logistik nötig. Zunächst wollten wir

einen schönen Ort für die Bilder aussuchen, denn Lena

wollte nicht mitpaddeln, sondern war ausschließlich zum

Fotografieren dabei. Hierfür bot sich die Schottersmühle

geradezu an. Man konnte über einen Steg zum anderen

Ufer hinüberlaufen. Anschließend ging ein Pfad noch

etwas weiter in nördlicher Richtung an der Mühle vorbei.

Dieser Ort ist einer der Umtragestellen für Paddler. Nach

etwa einhundert Metern hatten wir einen perfekten Platz

zum Fotografieren gefunden, denn neben dem schönen

Blick flussaufwärts ragte ein Felsmasiv über dem

hinteren Tal empor. Er sollte als Kulisse für meine Bilder

dienen. Wir testeten nun bei angenehmen Temperaturen

und gelegentlichem Sonnenschein einige Bildkompositionen

und waren beide von dieser Location begeistert. Nun

konnte auch die Bootstour starten. In Doos angekommen

packte ich das Boot aus und begann mit der üblichen

Pumparbeit, um meinen Schlauchkanadier startklar zu

machen. Ich beeilte mich, da noch keine anderen Paddler

in Sicht waren. Guter Dinge setzte ich für Lena eine

letzte Whatsapp ab und stieg ins Boot. Gleich am Anfang

war auch schon die erste knifflige Stelle zu meistern.


202 Seite

Ich war noch keine hundert Meter gepaddelt und schon

wurde meine Aufmerksamkeit gefordert. Nur ein kleiner

Durchlass schien für die Weiterfahrt geeignet. Ihn galt

es jetzt mittig zu treffen. Ich war hell wach. In der selben

Sekunde schob mich der Fluss aufgrund der höheren

Durchfl ussmenge von hinten an. Für einen kurzen

Moment beschleunigte das Boot und schon war ich

durch. Geschafft! Das erste Hindernis lag hinter mir.

Erst danach griff ich zum ersten Mal zur Kamera, die ich

in meinem wasserdichten Gehäuse im Boot mitführte.

Vor mir tauchten die Talwindungen am Horizont auf,

wobei sich die bewuchsfreien Stellen mit dichten

Baumgruppen abwechselten. Dadurch erlebt man

den Flusslauf, als wäre man auf einer Achterbahn mit

vielen kleinen dunkelgrünen Tunneln, die den Paddler

immer wieder in sich einzusaugen scheinen. Darin

gefangen gleitet dann das Boot gemächlich weiter und

es wird schlagartig kühl und still. Wenn das Plätschern

verstummt, erklingen die Stimmen von Schafstelzen,

Weidenmeisen oder Zaunkönigen. Doch nach wenigen

Sekunden gleitet das Boot wieder aus dem Schattenreich

in die Sonne und Wärme zurück. Gleichzeitig

wechseln sich von einer auf die andere Sekunde

Tier- und Pfl anzenarten ab. Nun schwirrten hunderte

Prachtlibellen an den grasbewachsenen Flussrändern

hin und her. Sie lieben die Sonne und suchen am Ufer

nach Nahrung oder nach einem Partner. Hat sich ein

Pärchen gefunden, setzen sie sich gemeinsam ab,

um sich zu paaren. Ich schaute ihnen zu und ließ die

Eindrücke wie im Kino an mir vorüberziehen. Ich war

nun ganz auf dem Fluss angekommen.


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Plötzlich schoss ein türkisblauer Pfeil aus der Uferböschung

heraus, um im Tiefflug dem Flusslauf direkt vor

meiner Nase entlangzufliegen. Mit einem schrillen Pfiff

machte er sich bemerkbar und war nach einer Sekunde

auch schon wieder aus meinem Blickfeld verschwunden.

Es sind diese kurzweiligen Eindrücke, die mich auf dem

Fluss immer wieder begeistern und die mich bereits früh

prägten. Als Kind war ich mit dem Schlauchboot und

den Eltern zwar nur auf Badeseen unterwegs gewesen,

aber die Lebendigkeit an den Uferrändern ist dort oft

ähnlich. Diese Erinnerungen fesseln mich auch heute

noch an unsere heimischen Gewässer.


204 Seite

Nach einer weiteren Biegung tauchte ein Felsmassiv

rechts vor mir auf. Ich erkannte die Struktur des weißen

Gebildes wieder. Nun war es bis zur Schottersmühle

nicht mehr weit. Ich gab daher Lena ein Zeichen. Mein

Pfiff hallte durch das Tal und das Boot näherte sich dem

Steeg, auf dem meine Tochter mit dem Foto auf mich

wartete. Nach wenigen Minuten waren die Bilder „im

Kasten“, wie man so schön sagt. Am Ufer tauschten wir

unsere Erfahrungen aus. Vor allem aber war ich von

den Bildern, die Lena gemacht hatte, begeistert. Mittlerweile

waren weitere Paddler auf dem Fluss unterwegs.

Auch sie hatten die gleiche Idee gehabt und nutzten

das gute Wetter für einen Ausfl ug auf der Wiesent.

Nun war treideln angesagt. Ich zog mein Boot über die

Wiese zur nächsten Einstiegsstelle. Diese liegt meist in

etwa 100 Meter von der Ausstiegsstelle entfernt fl ussabwärts.

So werden Wehre und andere Hindernisse

überwunden. Gleich hinter dem Wehr der Mühle führt

der Treidelpfad wieder hinunter an den Fluss. Der kurze

Kraftakt ist in der Regel alle zwei bis drei Kilometer

nötig, denn unsere Flüsse sind nahezu vollständig mit

Querbauwerken verbaut. Die Durchgängigkeit unserer

Flüsse, die für Wanderfi sche zum Überleben dringend

nötig ist, wird so leider verhindert. Dabei sind unsere

Gewässer wie Main und Saale, Itz, Regnitz und

Pegnitz, aber auch die hier beschriebene Wiesent die

Lebensadern unserer Heimat. Durch Begradigungen

und Stauwerke haben wir sie jedoch in den letzten

Jahrhunderten immer weiter zurückgedrängt und so ihre

natürliche Dynamik weitestgehend unterbunden.

Mittlerweile wurde dieser Fehler erkannt. In Teilbe-reichen,

wie zum Beispiel am Oberlauf des Mains, wurde

durch Renaturierungsmaßnahmen ein Stück Natürlichkeit

wiederhergestellt. Seltene Arten haben sich dort so

mit der Zeit wieder eingefunden.

Hatten wir vergessen, dass die Flüsse ein Netzwerk für

unsere Lebensräume darstellen?


Seite 205

Wie die Adern, die unseren Körper vernetzen und mit

Nährstoffen versorgen, durchfl ießen auch die Flüsse

unsere heimische Natur und übernehmen dort Versorgung

und Abtransport von Stoffen. Doch ihr Schutz

ist nötiger denn je, da immer mehr Arten aus ihren

ursprünglichen Lebensräumen verschwinden. Doch

was können wir dagegen tun?

Ein letztes Mal tauchten meine Paddelschläge in regelmäßigen

Abständen in das kühle Wasser ein. Nicht zum

Antreiben des Bootes, sondern vor allem zum Steuern

werden sie auf den engen Windungen der Wiesent

benötigt. Am Wölmer Steg war meine heutige Etappe

zu Ende. Ich steuerte meinen Schlauchkanadier an die

linke Uferseite zum Ausstieg hin. Anschließend zog

ich das Boot über den Steeg hinüber und weiter einen

sanften Anstieg bis zum Parkplatz hinauf.

Mein Rad hatte ich wie üblich in den Sträuchern deponiert

und konnte so zügig zum Auto zurückfahren. Ich

schaute beim Radeln noch einmal hinunter zum Fluss,

während das Wasser der Wiesent unermütlich das

Tal abwärts fl oss. An der Behringersmühle knickt der

Fluss scharf nach rechts ab und wird von dort aus von

Eisenbahnschienen und der B470 begleitet.

Ich kehrte zurück zu Lena und freute mich daüber,

dass alles so gut geklappt hatte. Lena fand dies auch,

vor allem gefi elen uns die Bilder die wir gemacht

hatten. Vielleicht möchte sie ja das nächste Mal wieder

mitpaddeln.


206 Seite

Durch die Fränkische Schweiz

Juni 2015

Wir waren mit dem Zug nach Bamberg zurückgekehrt, um eine weitere Etappe unserer “Frankenrunde”

zu fahren. Bei zweifelhaftem Wetter verließen wir den Bahnhof in Richtung Bamberg-Ost.

Friesen und über Seigendorf weiter nach Buttenheim.

Ein schönes Kaffee lud uns dort zum Bleiben ein.

Die Pause im Kaffee war entspannend, vor allem die

Croissants waren besonders lecker. Doch wer mit der

Familie unterwegs ist, der weiß, dass immer etwas

geboten ist. Dieses Mal verhakte sich bei Jan ein

Plastikstück der Trinkflasche in den Hauptdrähten seiner

Zahnspange. Dieses Malheur musste natürlich sofort

behoben werden, was entsprechende Blicke auf unseren

Tisch zog.

Bald hatten wir die A73 unterquert und waren in den

unter Naturkennern bekannten Hauptsmoorwald

hineingeradelt. Doch schon die ersten Abzweigungen

forderten unsere Orientierungskenntnisse heraus. Auch

die Beschilderung durch den Staatsforst ergab mehrere

Möglichkeiten der Weiterfahrt. Wir beschlossen letztlich

die Mountainbike-Route nach Geisfeld zu nehmen und

kurz vorher nach Roßdorf abzubiegen. In Wernsdorf

waren wir wieder auf der in unserem Führer beschriebenen

Route. Anschließend ging es aufwärts bis nach

Nach der Beseitigung des Plastikstückes bezahlten wir

und verließen so unauffällig wie möglich das Cafe.


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Frisch gestärkt radelten wir weiter durch Wiesen, Felder

und fränkische Dörfer. In Drügendorf verfehlten wir an

einer scharfe Rechtskurve erneut den richtigen Weg.

Während wir am Schützenhaus gerade aus weiterfuhren,

hätten wir eigentlich rechts abbiegen müssen. Erst

in Götzendorf bemerkten wir das Problem und mussten

etwa einen Kilomenter zurückfahren. Erstes Gemurmel

war hinter mir zu hören. Leider sollte nun unser richtiger

Weg etwa zwei Kilometer steil bergauf gehen, was das

Stimmungsbarometer weiter steigen ließ. An der Steigung

nebelten uns dann schwere Lastwagen mit Staub

und Abgasen ein. Erst als wir oben an der Mirsberger

Höhe angekommen waren, bogen die Lastwagen in ein

Kieswerk ab.

Somit hatten wir auch dieses Stück geschafft und so

rollten wir jetzt wieder die letzten Kilometer nach Ebermannstadt

hinunter. Mein kleines Scherzwort: „Hoffentlich

müssen wir da nicht wieder hoch“, trug leider nicht

zur Erheiterung bei.

In Ebermannstadt angekommen, kehrten wir im Schwanenbräu

ein. Nach dem Duschen schlenderten wir noch

die Altstadt hinunter. Abschließend gab es deftigen

Sauerbraten und hausgebrautes Dunkelbier. Das hatten

wir uns nach dieser anstrengenden Tour wirklich verdient.

Am Morgen lockte das leckere Frühstück wieder

lachende Gesichter hervor. Jan mit seinen Esponscho-

Schlickas war wie immer der erste am Büffet.


208 Seite

Der zweite Tag führte uns an der Wiesent entlang. Zunächst

ging es nach Streitberg und Muggendorf. Herrlich

lagen diese kleinen fränkischen Dörfer im Wiesenttal.

Blütenteppiche hatten sich auf der Wiesent gebildet.

Eindrucksvoll leuchteten sie uns in der Sonne entgegen.

Auch die Strecke entlang des Flusses bis nach Pottenstein

gefiel uns an diesem Morgen wesentlich besser als

die anstrengende Berg- und Talfahrt am Tag davor.


Seite 209

Felsformation bei

Pottenstein. Urige

Kiefern wachsen hier

auf den Kalkfelsen der

Fränkischen Schweiz.

Doch noch viele

weitere Naturschätze

sind hier verborgen.


210 Seite


Seite 211


212 Seite

Auf dem Weg durch

das Wiesenttal kommen

wir an einem

herrlichen Zeltplatz

vorbei. Er liegt kurz vor

Pottenstein zwischen

Felsstrukturen idyllisch

am Fluss.

Malerisch schmiegten

sich Fachwerkhäuser

Pottensteins bis in die

Felsen hinein. Vielleicht

war Platzmangel

der Grund, denn das

Wiesenttal wird

flussaufwärts immer

enger.


Seite 213

In Pottenstein sorgte die Rodelbahn für Abwechslung.

Der Weg dahin führte direkt unter

der gleichnamigen Burg vorbei. Eindrucksvoll

thronen die Gebäude auf den bizarren Felsen.

Auch das bekannte Felsenbad ist einen

Besuch wert. Nach einer ausgiebigen Pause

und einem Eis ging es weiter an der Püttlach

entlang. Die Wiesent hatte sich zuvor in

Richtung Norden verabschiedet.

Jan und Lena hatten

auf dem kurvenreichen

Parkur der

Rodelbahn mächtig

Spaß.


214 Seite

Ein herrlicher Waldweg löste die Teerstraße ab und

eine schöne Moutainbike-Route schlängelte sich an

der Püttlach entlang. Ein wahrer Genuß für Offroader.

Leider nicht für Fahrer mit Satteltaschen, wie wir

bemerkten. Doch die Mühen wurden durch die uns

umgebende Natur belohnt und der Waldweg sollte nach

einigen Balanceabschnitten bald wieder in leichteres

Terrain führen.

Doch zunächst mussten wir unter Zähneknirschen noch

eine Anhöhe meistern. Nach diesem Kraftakt freuten

sich alle wieder auf der Teerstraße zurück zu sein und

wir folgten ihr die letzten Kilometer bis nach Pegnitz.

Dort erwartete uns das schöne Hotel Ratsstube. Als Belohnung

gab es am Abend leckere Pizza, denn bereits

beim Absteigen hatten wir ein Lokal direkt gegenüber

entdeckt.


Seite 215

Am nächsten Morgen starteten wir unser längstes

Teilstück mit einer Länge von 50 Kilometern. Bereits in

den Straßen von Pegnitz ging es ständig bergauf und

bergab.

In Horlach führte uns anschließend ein bezaubernder

Weg durch den Wald. Herrliche Kalkfelsen standen

zwischen den Tannen und Kiefern. Zusätzlich luden

kleinere Seen zum Rasten ein.


216 Seite

Bald öffnete sich das Pegnitztal vor unseren Augen.

Herrliche Hochwiesen wechselten sich mit dazwischen

liegenden kleineren Waldstücken ab. In weiter Ferne

waren die sanften Berge der Oberpfalz zu sehen.

Wir erreichten gegen Mittag Mosenberg und die Sonne

machte sich nun immer stärker bemerkbar. Doch es

war unser erster Sonnentag und wir genossen ihn. In

Neuhaus war eine Kaffeepause angesagt. Der Bergfried

von Burg Neuhaus überragte weit das Pegnitztal. Von

hier ab schlängelte sich der Radweg nur noch mit

wenigen Steigungen an der Pegnitz entlang, weiter in

Richtung Süden.


Seite 217

Ein Spielplatz am

Radweg sorgt immer

für Abwechslung.

Während wir uns im

Schatten eine Pause

gönnten, konnten die

Kinder keine Minute

still sitzen.

Die Orte Velden, Enzendorf und Artelshofen, die sich

entlang des Pegnitztals befanden, waren aufgrund

der ebenen Wegstrecke schnell erreicht. Nach einer

Pause auf einem Spielplatz mussten wir wieder heftig

in die Pedale treten, denn der Fahrradweg war frisch

mit feinem Kies aufgefüllt worden und erschwerte

das Vorwärtskommen. Die letzten 10 Kilometer über

Eschenbach und Hohenstadt wurden daher eine

Herausforderung für unsere Nerven. Zudem brannte

jetzt die Sonne gnadenlos auf uns herab. Alle waren

daher froh, als plötzlich Hersbruck auf dem nächsten

Ortsschild stand. Dort angekommen fanden wir in der

Stadtmitte auch gleich unser Zimmer. Bei angenehmen

Temperaturen genossen wir den restlichen Tag. Mit

fränkischen Bratwürsten und Kraut und einem leckeren

Eis am Marktplatz ließen wir den Tag ausklingen.


218 Seite

Am nächsten Morgen hatten alle heftige Poschmerzen. Zum Glück lag nun der leichtere

Teil unserer Radtour vor uns. Kerzengerade führte der Radweg an der Pegnitz

entlang. Am Wegrand konnten wir einen Weißstorch beim Fröschesuchen beobachten.

Direkt neben uns schmückten Mohnblumen ein Weizenfeld.


Seite 219

Foto: Udo Steigerwald

as Kalkgestein, das uns die ganze Zeit durch die Fränkische Schweiz begleitet hat, endet

inter Hersbruck. Dann wechseln die Steine ihre Zusammensetzung und Farbe.

Ab Lauf haben die Steine eine cremig rote Farbe. Sie ist typisch für den Sandstein,

der ab Lauf an die Oberfl äche tritt und sich auf dem Weg nach Nürnberg unter unseren

Rädern befi ndet.


220 Seite

Die Pegnitz windet sich weitläufi g durch die Landschaft

und führt zwischen Lauf und Nürnberg durch den

Reichswald. Bis fast an den Hauptbahnhof radelten wir

so an der Pegnitz entlang im Grünen.

Der Wöhrder See zeigte uns Nürnberg von einer uns

bis dahin unbekannten Seite. Die Naturnähe unweit

der Stadtmitte ist sicher ein Grund, weshalb viele Frühsportler

hier unterwegs sind.

Wir erreichten die Stadtmauer und bewunderten

die mächtigen Sandsteinquader an den Toren und

Türmen. Viele davon wurden in Schausenbuck, einem

Steinbruch im Reichswald ab dem 12. Jahrhundert

gebrochen. Noch heute kann man dort die Spuren des

Abbaus besichtigen. Hinter der Stadtmauer beginnt die

Fußgängerzone. Wir stiegen ab und liefen gemütlich

auf der Suche nach einer Eisdiele ein Stück hinein.


Seite 221

Die Nürnberger haben zu ihrer Natur einen guten

Draht. Dies erkannten wir, nachdem bereits wenige

Minuten hinter dem Pegnitzradweg der Hauptbahnhof

auftauchte. Doch die Stadt kann darüber hinaus mit

vielen weiteren Highlights aufwarten, auch kulturell.

Ein Besuch auf der Kaiserburg wäre zum Beispiel eine

solche Möglichkeit.

Wir ließen jeoch unsere Tour bei einem Kaffee in der

Fußgängerzone ausklingen und fanden es abschließend

bewundernswert,

dass das Pegnitztal und der

Reichswald direkt vor den

Toren dieser großen Stadt

liegen.


222 Seite


Seite 223


224 Seite

Altmühltal und

Fränkische Seenplatte

Flüsse wie die

Altmühl durchdringen

mit ihren unzähligen

Schleifen weiträumig

unsere Landschaften.

Ein fortwährender

Veränderungsprozess,

der

die Lebensräume

vernetzt, denn viele

selten gewordene

Tier- und Pflanzenarten

sind auf diese

Süßwasserlebensräume

angewiesen.

Heute wird durch

Rückbaumaßnahmen

an Stauwehren,

die der Renaturierung

dienen, wieder

eine bessere Durchgängigkeit

geschaffen.

Dies ist ein

Segen für die Flusslandschaften

und ihre

Bewohner.


Seite 225

Die Altmühl entspringt am Südende der Frankenhöhe unterhalb des 500 Meter

hohen Breitharts und ist 227 Kilometer lang. Zunächst fließt sie nach Südosten,

knickt dann bei Altendorf ostwärts ab und schlängelt im weiteren Verlauf über Eichstätt

nach Dietfurt bis sie bei Kelheim in die Donau mündet. Dabei überwindet sie

einen Höhenunterschied von etwa 120 Metern und hat dabei ein Einzugsgebiet von

3.250 km².

Sie gehört damit zu den größten Flüssen in Franken und birgt dabei Naturschätze

von außergewöhnlicher Schönheit. Die breite Tallandschaft mit weit verzweigten

Gewässersystemen kann man bequem mit Rad und Boot erkunden.

Auch die Fränkische Seenplatte ist für Natur und Freizeit von großer Bedeutung.

Vor der Haustür von Gunzenhausen erstrecken sich nicht nur der naturschutzfachlich

hochwertige Altmühlsee, sondern auch die beiden Brombachseen. Sie bieten

sich als Naherholungsgebiet geradezu an, denn sie befinden sich nur knappe 40

Kilometer von der Metropole Nürnberg entfernt.


226 Seite

Foto: Gunther Zieger

An den fränkischen

Seen kann man

nicht nur gelegentlich

Seeadler beobachten.

So bietet etwa

die Beobachtungsstation

des LBV am

Altmühlsee die

Möglichkeit, eine

Vielzahl an Wasservögeln

kennenzulernen.


Seite 227

Die Route

Die Altmühl bietet sich mit ihrem sanften Gefälle als Radelregion geradezu an.

In Rothenburg ob der Tauber beginnt der offizielle Radweg und führt von dort zur

Altmühlquelle. Wir trafen kurz vor Colmberg das erste Mal auf die Altmühl und den ausgezeichneten

Weg. Ihn radelten wir von dort aus bis nach Treuchtlingen entlang.

Dabei besuchten wir noch die fränkische Seenplatte.

Die Altmühl eignet sich aber ebenfalls zum

Paddeln. Als alte Wasserratten entschieden wir

uns daher, den Fluss auch vom Wasser her zu

erkunden. In Treuchtlingen ging es los und die

Tour endete nach 16 Kilometern Paddelerlebnis

in Solnhofen. Aufgrund der vielen Themen muss

diese Geschichte aber in einem Folgeband zu

Ende erzählt werden.


228 Seite

Durch das Altmühltal

Mai 2013

Bei schlechten Wetteraussichten waren wir an einem Freitagabend noch nach Treuchtlingen aufgebrochen

und hatten dort im Camper übernachtet. Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Zug

zurück nach Rothenburg. Von dort aus wollten wir starten. Das Wetter war immer noch schlecht,

doch wir dachten: “Bei Sonnenschein radeln, das kann ja jeder”.

Nach einer 1,5 Grad kalten Nacht im Camper freuten

wir uns auf die Wärme im Zug, während draußen die

Felder an uns vorbeizogen. Wir sahen auch viele

Touristen, die bereits in Richtung Innenstadt unterwegs

waren. Auch wir mussten nun aussteigen. Ein

Mädchen wurde dabei in der Schlange sehr unruhig,

denn sie hatte mit ihrem Fahrrad und den angehängten

Satteltaschen so ihre Probleme. Am Ende wurde

sie sogar hysterisch, denn sie dachte bestimmt, dass

sie aus dem Zug nicht mehr heraus kommen würde.

An allen Ecken schien es nun zu klemmen. Wir halfen

ein wenig beim Ausstieg und orientierten uns anschließend

am Bahnsteig, denn unsere Frage lautete:

“ In welche Richtung müssen wir losfahren?“


Seite 229

Bald nahm der Verkehr um uns herum ab, denn wir hatten

die ersten Felder am Rande Rothenburgs erreicht.

Vor uns lagen landwirtschaftlich genutzte Flächen so

weit das Auge reichte. Bald stand unser erster Anstieg

bevor und wir zogen die Mützen unter den Radhelmen

aus. Nun galt es, kräftig in die Pedalen treten. Ein

Angler bot uns direkt am Fahrradweg einen Kaffee an.

Sahen wir wirklich schon so erschöpft aus? Wir lehnten

dankend ab und fuhren weiter. Auf dem nächsten Bergrücken

angekommen, klatschte uns ein älteres Ehepaar

sogar Beifall. Die Kinder freuten sich darüber, während

wir die Beiden passierten. Nach dem Anstieg ging es

wieder gerade aus und die Kinder traten tüchtig in die

Pedalen. Rechts und links des Radwegs konnten wir

einige Greifvögel über den Feldern beobachten.

Es waren Bussarde und Milane, aber auch Turmfalken

und Sperber zu sehen. Dazu zwitscherten Feldlerchen

in den Weizenfeldern ihre Strophen. Um die Mittagszeit

kamen wir an einem kleinen Tante-Emma-Lädchen vorbei.

Auf dem Schild war „Nahkauf“ zu lesen. Wir betraten

den Laden und kauften leckere Brötchen, die wir vor dem

Laden in der Sonne bei mittlerweile 10 Grad genossen.

Weiter ging es über Feldlandschaften und an kleinen

fränkischen Gehöften vorbei bis nach Collenberg. Die

schöne Burg Colmberg war schon von weitem sichtbar.

Nun stießen wir zum ersten Mal auf die Altmühl, die hier

ihre ersten Kilometer Fließstrecke bereits hinter sich hat.

Rechts von uns lag ein Golfplatz und wir rätselten beim

Vorbeifahren, wer wohl die vielen Bälle einsammeln

würde, die dort lagen.


230 Seite

Wir kamen an einem schönen Rastplatz vorbei. Auf einer

Sitzgruppe unter Bäumen war es nun Zeit für einen Apfel

und ein paar Müsliriegel. Die Rast tat uns gut, doch die

Kälte scheuchte uns bald wieder auf. Kurze Zeit später

konnten wir ein Güllefahrzeug beobachten, das beim

Entladen der Gülle seine Duftspuren hinterließ. Wir

beeilten uns, um schnell an der Stelle vorbeizuradeln,

denn es tat gut, wieder frische Luft zu atmen. Kurze Zeit

später erreichten wir erneut eine gemütliche Bank. Da

unser Tagesziel Leutershausen nicht mehr weit entfernt

war, nutzten wir auch dieses schön hergerichtete Plätzchen

für eine kurze Trinkpause. Bald danach begrüßte

uns bereits die hübsche Altstadt von Leutershausen.

Die Sonne blinzelte hervor und wir erreichten nach einer

abschließenden Kaffeepause unsere Unterkunft.


Seite 231

Leutershausen ist für ein Ereignis bekannt, das zwei

Jahre vor dem Flug der Gebrüdern Wright stattgefunden

haben soll. 1901 startete ein gewisser Gustav Albin Weißkopf

mit seiner rechts gezeigten Konstruktion zu seinem

ersten Flug. Der Leutershausener überbrückte mit seinem

Flieger eine Strecke von zweieinhalb Kilometern in

Bridgeport (Connecticut), nachdem er in die USA ausgewandert

war. Ein wirtschaftlicher Erfolg blieb jedoch aus.

In seiner fränkischen Heimat baute man aber seine Flugmaschine

Nr. 21 orginalgetreu wieder nach und widmete

ihm ein Museum in seiner Heimatstadt. Seinen Flieger

konnten wir direkt neben dem Radweg bewundern.

Abends gab es dann Cordon Bleu direkt gegenüber. Nach

einem tollen Frühstück am nächsten Morgen im Tanzsaal

der Neuen Post fuhren wir bei schlechtem Wetter in Richtung

Gunzenhausen weiter. Und wieder musste ich meinen

Hut vor Jan und Lena ziehen, da die Beiden auch diesen

Tag trotz schlechtem Wetter gut meisterten. Dabei waren

der stetige Nieselregen und die fünf Grad Lufttemperatur

kein Zuckerschleicken gewesen. Stetig bließ uns der

Seitenwind gegen die Räder und es blieb während der

ganzen 42 Kilometer langen Tagesetappe von oben her

nass. Auch der Versuch, uns etwa zwölf Kilometer vor Gunzenhausen

ein wenig aufzuwärmen, brachte nicht viel. Die

tanzenden Rauchschwalben, die uns das letzte Stück am

Altmühlkanal entlang begleiteten und mit ihren Flugkünsten

Erstaunliches darboten, konnten nicht mehr begeistern. Die

Kinder fluchten am Ende nur noch. Finger und Füße waren

ausgekühlt und so schafften wir es mit letzten Kräften zum

Gasthof Arnold. Endlich wieder im Trockenen, genossen

wir die schöne Ferienwohnung und nahmen ein heißes

Bad. Danach sah die Welt schon wieder viel besser aus.


232 Seite

Am dritten Tag hatte es endlich aufgehört zu regnen.

Motiviert gingen wir zum Frühstück und fühlten uns in

der warmen Bauernstube gut aufgehoben. Nur schweren

Herzens verließen wir daher diesen gemütlichen Ort

am Kachelofen.

Bald waren unsere sieben Sachen unter dem Regenschutz

verschwunden. Wir hatten alles angezogen, was

der Rucksack hergab. Doch bereits der ausbleibende

Regen war ein angenehmes Geschenk. Alle kamen

gut in den Tritt und die schöne Auenlandschaft begann

wieder auf uns zu wirken. Die Altmühl zog gemächlich

dahin und wir radelten von einer Ortschaft zur anderen

mit dem nächsten Ziel: Treuchtlingen.


Seite 233

Seit einigen Jahren wird die Altmühl in ihrem mittleren

Verlauf ökologisch umgestaltet. Durch diese Flussverlängerung

hat sich wieder ein vielfältiger Lebensraum

für Planzen und Tiere gebildet. Auf vielen Hinweistafeln

werden die eingearbeiteten Altwasserarme und Feuchtbiotope

gezeigt, aber auch der Lebensraum Wasser

erläutert. Nicht nur für die Kinder eine gute Gelegenheit,

neues Wissen aufzunehmen.


234 Seite

Anschließend war noch ein Besuch des Karlsgrabens

vorgesehen. Es war der erste Versuch, eine Verbindung

zwischen Rhein und Donau zu schaffen. Ein erstes

großangelegtes Grabungsprojekt unternahm bereits

Karl der Große vor rund 1200 Jahren. Heute stellt sein

Nachfolger, der RMD-Kanal, eine der wichtigsten Wasserstraßen

Mitteleuropas dar.

Nachdem wir die alte Erfi ndung der im Bild sichtbaren

Wasserschnecke ausprobiert hatten, radelten wir die

letzten Kilometer nach Treuchtlingen hinab. Anschließend

gönnten wir uns den Badespaß im Wellenbad und

beendeten dort unsere Radtour.


Seite 235

Vorschau

Mit unserem 4-er

Kanu paddelten wir

an den 12 Aposteln

vorbei. An einer der

schönsten Altmühlschleifen

unterbrachen

wir jedoch die

Paddelschläge,

um möglichst lange

die Aussicht auf

diese Kalkfelsen

genießen zu können.


236 Seite In Pappenheim

machten wir nach gut

sieben Kilometern

unsere erste Pause.

Dabei aßen wir die

leckeren Sandwiches,

die wir in

Treuchtlingen

eingekauft hatten.

Nach der Weiterfahrt

und einer Treidelstelle

erreichten wir

Solnhofen.

Die Kalkfelsen der 12 Apostel haben eine lange Entstehungsgeschichte,

denn das Altmühltal hat sich im

Laufe der Jahrmillionen stetig verändert. Vor 147 Millionen

Jahren lag das heutige Altmühltal mitten in einer subtropischen

Insel- und Lagunenlandschaft. Ammoniten, Raubfische

und Krokodile bevölkerten damals das Jurameer und

Dinosaurier druchstreiften das Land, während Flugsaurier

und riesige Libellen den Himmel beherrschten.

Unter ihnen war ein halbgefi ederter Freund, der heute

als Bindeglied zwischen Reptilien und Vögeln zu einer

Berühmtheit geworden ist. Der Urvogel Archaeopteryx.

1860 wurde in Solnhofen der erste spektakuläre Fossilienfund

gemacht: der Abdruck einer Feder aus der Jurazeit,

der ein erster Hinweis auf den Urvogel war. Bald

darauf kamen auch vollständige Fossilien ans Licht,

die zeigten, dass der Archaeopteryx sowohl Merkmale

der Dinosaurier als auch der modernen Vögel trug.

Das faszinierende Tier wurde bisher nur im Naturpark

Altmühltal entdeckt. Ein Grund für uns, dem Museum

einen Besuch abzustatten.


Seite 237

Hinter Solnhofen verlässt die Altmühl Mittelfranken.

Nach unserer Bootsfahrt, die an der Hammersmühle

endete, folgte ich im Mai 2018 erneut den Windungen

der Altmühl, aber dieses Mal in Richtung Osten und mit

dem Rad.

Ich befand ich mich nun bereits in Oberbayern und ich

war erstaunt, dass ich an der Grenze nicht kontrolliert

wurde ;-). Doch ich möchte an diesem Punkt umkehren.

Meine Geschichte, die hier ja weitergeht, werde ich zu

einem späteren Zeitpunkt weitererzählen.


238 Seite


Seite 239


240 Seite

Taubertal

Die Tauber windet

sich in unzähligen

Schleifen durch die

Landschaft und ist

dabei einem ständigen

Veränderungsprozess

unterworfen.

Dieser vernetzt die

Lebensräume und

gibt vielen Tier- und

Pflanzenarten eine

Heimat.


Die Tauber entspringt am Westfuß der Frankenhöhe und fließt in nordwestlicher

Richtung etwa 130 km durch unsere Heimat, bis sie in Wertheim in den Main

mündet. Dabei überwindet sie einen Höhenunterschied von etwa 120 Meter und

hat ein Einzugsgebiet von 3.250 km².

Seite 241

Im Laufe der Zeit ist an der Tauber ein repräsentatives Mittelgebirgsflusstal mit

vielfältigen Komplexlebensräumen entstanden. Neben Hang- und Auewiesen

haben sich Feucht- und Trockenstandorte etabliert, die sich mit Laub- und

Mischwäldern, aber auch mit Streuobstwiesen abwechseln.

Das Taubertal gehört somit zu den größeren Flusslandschaften unserer Heimat

und birgt entlang ihres Flussbettes auch eine Fauna von außergewöhnlicher

Schönheit. So sind neben vielen Libellenarten auch Eisvögel und Wasseramseln

in ihrer Ufervegetation zu Hause.

Die Tallandschaft kann bequem mit Rad und teilweise auch mit dem Boot

erkundet werden. Sie wartet geradezu auf aufmerksame Besucher.


242 Seite

An der Tauber kann

man sehr gut Eisvögel

beobachten,

Doch um sie fotografieren

zu können,

muss man sehr

schnell sein und

gleichzeitig Glück

haben. Doch nur

wenn man oft genug

draußen unterweg ist,

kann man die fliegenden

Edelsteine

irgendwann in einem

Bild einfangen.


Seite 243

Die Route

Das liebliche Taubertal kann sehr gut mit dem Rad befahren werden. Für diese Tour

starteten wir von Roth am See und fuhren zunächst zur Tauberquelle. Zwei Tage

lang waren wir mit unseren damals zehn- und achtjährigen Kindern unterwegs.

Dabei lernten wir eine außergewöhnliche

Flusslandschaft kennen. Gleich hinter Rothenburg

sahen wir urige Wege mit tiefen Taleinschnitten.

Es stand aber auch viel Kultur auf

unserem Programm. Schließlich durchquerten

wir neben Rothenburg ob der Tauber auch

Creglingen oder Bad Mergentheim mit seinem

Deutschordensschloss. Kulturelle Höhepunkte

fi ndet man aber auch in Weikertsheim mit dessen Schlosspark. Am Ende besuchten wir

noch das mittelalterliche Kloster Bronnbach mit seinen prächtigen Sandsteinskulpturen

und natürlich die schöne Burg Wertheim.


244 Seite

Liebliches Taubertal

Juni 2011

Unsere Flusslandschaften lassen sich mit Kindern und mit dem Rad sehr gut erkunden.

Dies wollten wir auf einer Mehrtagestour durchs Taubertal endlich selbst ausprobieren. Dabei

verspricht die Tauber viel Abwechslung, denn neben der schönen Natur hat das Tal auch viel

Kulturelles zu bieten. Mit dem Zug fuhren wir nach Rot am See, um dort mit den Rädern zu starten.

Gut markierte Radwege führten uns zunächst durch

Felder hinüber zur Tauberquelle. Von dort ab sollte das

kleine Rinnsal unsere weitere Strecke begleiten. Zügig

ging es von da an ins Taubertal hinab. „Geht es eigentlich

nur bergab?“, fragte Jan. „Fast nur“, erwiderte ich.

Ein Vorteil, der wirklich Lust aufs Radfahren macht, so

war unser Plan gewesen. Den Kindern gefi el die Idee,

auch wenn einige Anstiege im Verlauf der Tour die ein

oder andere Frage aufkommen ließen.

Der Radwanderweg entlang der Tauber wird überall als

„der Klassiker“ angepriesen. Er führt von Rothenburg

ob der Tauber bis nach Wertheim. Der Vorschlag, auch

die Quelle in unsere Tour mit einzubeziehen, war dann

meine Idee gewesen, denn ich liebe frisches Quellwasser

und vor allem direkt daraus zu trinken.


Seite 245

Die Zuganbindung nach Rot am See war ideal gewesen.

Auch der Start mit dem Rad gelang ohne Schwierigkeiten.

Doch nach etwa 20 Kilometern übersahen wir eine

Markierung und fuhren geradeaus anstatt links abzubiegen.

Bald standen wir an einem schönen Anglersee,

doch unser eigentlicher Radweg war verschwunden.

Mühsam strampelten wir einen Feldweg bergauf. Die

ersten Fragen kamen auf. Zu allem Übel sprang auch

noch die Kette von Kerstins hinterem Ritzel ab und

verklemmte sich zwischen Rahmen und Rad. Nun hieß

es tief durchschnaufen, reparieren, schönreden und

weiterfahren.

Solche Pannen sind natürlich übel. Sie drücken aufs

Gemüt und nehmen einem die Lust am Radeln. Zum

Glück hatte es nicht ein Rad der Kinder getroffen, denn

sie hätten das vielleicht persönlich genommen. Das

schöne Wetter verdrängte aber bald das kleine Maleur

aus unseren Sinnen und die Schmerzen meiner zerschundenen

Hand behielt ich vorsichtshalber für mich.

Die letzten zehn Kilometer in Richtung Rothenburg ob

der Tauber verliefen dann ohne weitere Zwischenfälle.

Leider waren wir etwa eine Stunde hinter unseren Zeitplan

zurückgefallen und die Vorfreude auf ein Eis in der

Altstadt musste noch ein wenig Geduld haben.

Getreidefelder so

weit das Auge reicht.

Die Gegend rund um

die Tauberquelle ist

stark landwirtschaftlich

geprägt. Dabei

wechseln sich alte

Fachwerkhäuser mit

modernen Traktoren

ab.


246 Seite

Ein herrlicher Weg führte durch die Schlucht nahe der

Stadt und bald standen wir vor den Toren Rothenburgs.

Riesige Mauern verbanden die Türme der Stadtmauer

und wir schoben unsere Räder in das Innere der mittelalterlichen

Anlage.

Die herrlich restaurierte Altstadt gefi el nicht nur uns auf

Anhieb. Eine große Besucherzahl war an vielen Stellen

in Rothenburg anzutreffen. An einem einladenden Cafe

stellten wir die Räder ab und genossen unser verdientes

Eis, während Touristen an uns vorbeiströmten. Ihr

Ziel waren die Souvenirgeschäfte. Ausgeruht schoben

wir weiter die Altstadt hinauf bis zum Marktplatz und

weiter hinunter zur Burganlage.


Seite 247

Von der Wehranlage aus genossen wir den Ausblick auf

das Taubertal. Anschließend verließen wir den schönen

Aussichtsort in Richtung Norden, denn wir wollten noch

ein paar Kilometer radeln und dann in einem Gasthof

übernachten. In Bettwar fanden wir in der „alten Schreinerei“

eine ideale Bleibe. Bei köstlichem Essen endete

unser erster Tag auf der Terasse. Ein Gewitter brachte

abends noch etwas Regen und wir gingen nach unserem

perfekten Rehbraten mit Klösen in unser Zimmer.

In der Fußgängerzone

von Rothenburg

reihen sich die

Fachwerkhäuser

aneinander. Besonders

gut gefiel uns

der Ausblick vom

Burggarten auf die

Tauberschleife.


248 Seite

Wir schliefen wie die Murmeltiere, doch da unser Zimmer

keine Außenrollos besaß, war die Nacht schon um

sieben Uhr vorbei und eine halbe Stunde später saßen

wir bereits beim Frühstück. Vor unserem Tisch stand

Müsli in verschiedenen Variationen bereit, daneben

lagen frische Brötchen mit hausgemachter Marmelade

und es duftete nach frischem Kaffe. Herz was begehrst

du mehr.

Nach dem Frühstück packten wir gemütlich unsere sieben

Sachen zusammen und holten die Räder aus dem

Keller und schon bald spürten wir wieder den Fahrtwind

in unseren Gesichtern. Das Wetter sollte noch ein paar

Stunden halten und wir nutzten die Zeit, die Eindrücke

des Taubertals an uns vorbeiziehen zu lassen. Wiesen-

Flockenblumen ragten mit ihren lila Köpfen weit aus den

Wiesen hinaus. Dann kam wieder eine der Siedlungen.

die sich zwischen die Felder wie Knoten an einer Schnur

dem Taubertal entlangreihten.


Seite 249

Klatschmohn bildete schöne

Kontraste am Rand der Roggen-

felder. Die roten Blüten gefielen

den Kindern, doch sie sind vor

allem für die Insekten wichtig.

Auch wir würden uns solche

Anblicke viel öfter in der Landschaft

wünschen. Sie zu finden

wäre so einfach, wenn man die

Randstreifen an allen Feld- und

Radwegen nicht mulchen, sondern

länger stehen lassen würde.


250 Seite

Bald rollten wir in Creglingen ein und Hinweisschilder

machten uns auf ein Rosenfest am Römerschlösschen

aufmerksam. Wir beschlossen daher, dort einen kleinen

Zwischenstop zu machen. Hinter einem Bauwerk am

Hang gelegen, hatte der hiesige Gartenbauverein über

die Jahre ein herrliches Kleinod geschaffen. Viele heimische

Kräuter und Wein, vor allem aber Rosen, konnte

man hier bestaunen. Überhalb des Gartens hatten

die Blumenfreunde eine Tribüne aufgebaut. Von dort

schauten wir auf die Wiese darunter und bewunderten

die Muster aus Teelichtern, die von vielen fleißigen

Helfern dekoriert worden waren und die jedes Jahr

diesem Fest einen Rahmen gaben. Wir hofften für die

Veranstalter nur, dass das Wetter halten würde, denn

der Himmel schaute bereits bedrohlich aus. Wir verließen

den Ort wieder und fuhren weiter nach Röttingen.


Seite 251

Röttingen mit seiner mittelalterlichen Stadtmauer lag

direkt am Tauberradweg. In der Innenstadt angekommen,

warb ein Plakat für einen Bühnenauftritt in der

Burganlage. Das wäre auch eine schöne Idee gewesen,

doch das Wetter mit den immer dunkler werdenden

Wolken ließ uns keine Ruhe. Wir mussten ja weiter nach

Weikersheim. Dabei kamen wir an einer schönen Brücke

vorbei, die von Baltasar Neumann entworfen worden

war. Zu unserem Glück blieb es noch trocken.

Wir tasteten uns quasi Stück für Stück von Ort zu Ort

vorwärts. Bald blies uns jedoch heftiger Wind in die

Gesichter. Er wurde schließlich so stark, dass wir beinahe

unser eigenes Wort nicht mehr verstanden. Wir duckten

uns über die Lenker und traten in die Pedalen so gut es

eben ging. Ich glaube, dass wir auf den letzten paar Kilometern

nach Weikersheim mehr Kraft benötigt hatten als

während des gesamten vorherigen Tages. In Weikersheim

angekommen, waren die Kinder ziemlich erschöpft.

Wie lange sie noch fahren müssten, fragten sie mehrfach,

während wir versuchten, sie immer wieder aufzumuntern.

Eigentlich war unser nächster Halt am Weikertsheimer

Schloss geplant. Doch wir entschlossen uns,

direkt am Marktpatz eine Pause einzulegen und kehrten

dazu in ein kleines Cafe mit großen Fenstern ein. Gemütlich

war es hier und vor allem ganz ohne Wind. So

konnten wir ganz angenehm neue Kraft tanken.


252 Seite

Das Weikertsheimer Schloss ist eine Augenweide

und auch der Schlosspark gefi el uns. Er würde bei

Sonnenschein sicher noch prächtiger sein. Wir wollten

ihn aber trotz des schlechten Wetters anschauen und

schlenderten gemütlich durch die Anlage. Der Bau des

eindrucksvollen Residenzschlosses wurde im 16 Jh.

begonnen, wobei die Baustelle 200 Jahre unvollendet

bleiben sollte. An gleicher Stelle stand bereits vorher

ein Bauwerk, das Hohenloher Wasserschloss. Nach der

Säkularisation wurde dann das einst zusammenhängende

Territorium an der Tauber zwischen Bayern und

Baden-Württenberg aufgeteilt.

Wir verließen den Barockgarten und beendeten nach

80 gefahrenen Kilometern unsere Taubertour. Aber nur

vorläufi g. Bei nächster Gelegenheit wollen wir dann von

hier aus nach Wertheim weiterfahren, soviel stand fest,

als wir im Zug saßen um nach hause zurückzufahren.


Seite 253

Zwei Wochen später rollten unsere Räder bereits wieder

auf dem Radweg an der Tauber entlang. Zwei freie

Tage standen an und das Wetter versprach dieses Mal

besser zu werden. In Weikertsheim angekommen führten

uns die ersten Kilometer durch das breit gewordene

Tal. Hier zwischen Weikersheim und Bad Mergentheim

wird viel Wein angebaut. Die Hänge scheinen mit

Rebstöcken bis auf den letzten Platz besetzt zu sein.

Den Landesherren beschehrte dies große Einnahmen,

die sich in den Prachtbauten wiederspiegelten. Das

Weikertsheimer Schloss ist eines davon. In Bad Mergentheim

würden wir vor einem weiteren stehen.

Vorher bestaunten wir aber noch im Kurpark eine herrliche

Rosensammlung. Der Duft der Rosen stieg uns

schon beim Vorbeigehen in die Nase.


254 Seite

Das Schloss in Bad Mergentheim war einstiges

Machtzentrum des Deutschen Ordens. Der hohe Turm

überragt das Geschehen rund um den Marktplatz. Die

schwarz-weißen Fahnen an der Eingangsbrücke zum

Schloß und die vielen Ordenskreuze, die in Sandstein

gemeißelt überall zu fi nden sind, zeigen noch heute,

wer hier früher das Sagen hatte. Beeindruckend ist

auch das Ordensmuseum, dem wir einen Besuch abstatteten.

Dort kann man ein schönes Modell der Burg

Rehden in der Eingangshalle betrachten. Bei angenehmem

Wetter schlenderten wir durch den Innenhof und

betrachteten die fi ligranen Fassaden, die sich plastisch

in der Sonne präsentierten.


Seite 255

Auf dem Makrtplatz genossen wir dann leckeren

Rhabarberkuchen und Pizzastücke. Gestärkt gingen

wir anschließend an die Strecke. Unser Plan war

nun, weiter dem Taubertal zu folgen. In der Nähe von

Tauberbischofsheim wollten wir uns dann ein Zimmer

suchen. Wir wussten aber noch nicht, dass dies nicht so

einfach werden würde.


256 Seite

Entlang des Radweges hatten wir immer wieder

Gelegenheiten, die für Abwechslung sorgten. So zum

Beispiel ein Mühlenspiel mit Riesensteinen, das wir in

einer Parkanlage vorfanden. Ab und an fütterten wir auch

einfach nur die Enten, die in der Tauber schwammen.

Anschließend radelten wir weiter, durchquerten kleinere

Ortschaften und erreichten schließlich Grünsfeld, das

etwa vier Kilometer von der Tauber entfernt liegt. Dort

fanden wir endlich ein Quartier, nachdem wir vorher noch

zwei kraftraubende Kilometer einen Berg hochgestrampelt

waren.

Eine alte Mühle sollte für diesen Tag unsere Bleibe sein.

Es war eine perfekte Location, wie wir fanden. Mit Blick

auf einen Garten belohnte uns die gegenüberliegende

Pizzeria für die Anstrengungen des Tages.


Seite 257

Unsere Tour lief bis dahin „wie am Schnürchen“, wie man

so schön sagt. Der zweite Tag startete jedoch mit wesentlich

schlechterem Wetter, was uns die Laune aber nicht

trübte. Das gemütliche „Dahinfahren“ schien momentan

das ideale Betätigungsfeld für uns zu sein. Trotz der

kühleren Temperaturen und dem Gegenwind erreichten

wir gut gelaunt die Altstadt von Tauberbischofsheim.

Einen Tag früher wäre ein Fest in Tauberbischofsheim

gewesen, das mit dem Auftritt einer Soulband beendet

wurde. Wir schoben unsere Räder durch die Spuren der

letzten Nacht, aber auch durch den gerade stattfindenden

Flohmarkt. Nun setzte Nieselregen ein, während wir

die Stadt wieder verließen. Schnell war die Regenbegleidung

übergezogen und es ging am schönen Rathaus

vorbei hinunter zur Tauber. Eine alte Steinbrücke

führte uns über den Fluss und wir folgten dem Lauf der

Tauber nun auf der linken Flussseite.


258 Seite

Das Tal wurde nun enger und wir waren erstaunt über

die Naturbelassenheit dieses Flussabschnitts. In engen

Schleifen fl oss die Tauber jetzt gemächlich in Richtung

Wertheim weiter. Wie eine Schlange, die sich beherzt

ihren Weg bahnen muss, windete sie sich durch das Tal

dem Main entgegen.

Die Weinberge waren nun ganz verschwunden,

dagegen machten sich Waldhänge breit. Bei Kloster

Bronnbach schien nichts mehr vom landwirtschaftlich

geprägten Tal übrig geblieben zu sein.


Seite 259

Im Innenhof des Klosters Bronnbach kamen wir

dann aus dem Staunen kaum heraus, denn die hohe

Schule der Steinmetzkunst wurde innerhalb der

Klosteranlage sichtbar und es schien, als wollten uns

die Figuren ihre eigene Geschichte erzählen. Auch

RTL war von der Anlage begeistert und nutzte die

Örtlichkeiten als Drehort für seine DSDS-Show.


260 Seite

Noch einmal radelten wir zurück zur Tauber, doch unsere

Tour neigte sich so langsam dem Ende entgegen,

denn bis nach Wertheim war es nun nicht mehr weit.

Nach einer letzten Rast radelten wir gemütlich auf die

Stadt zu. Während die gleichnamige Burg schon von

Weitem sichtbar über Main und Tauber wacht, dringen

erste Verkehrsgeräusche aus der alten Mainstadt in

unsere Ohren. Kurz bevor wir die Tauber überqueren,

präsentiert sich die Burganlage vor unseren Augen in

ihrer ganzen Größe. Wie ein Bollwerk thront sie über

dem Taubertal und demonstriert gleichzeitig an der

Mündung hoch über dem Main den Machtanspruch des

einstigen Adels über diese Region. Der Main jedoch,

der sich wie ein größeres Geschwisterkind unter der

Burg mit der Tauber vereint, soll nun Gegenstand für

die letzte Tour dieses Buches sein, die abschließend

erzählt wird. Ihm wollen wir nun mit dem Rad noch

einmal folgen.


Die Burg Wertheim

liegt auf einer schmalen

Bergzunge zwischen

den Tälern von Main und

Tauber. Sie ist eine der

mächtigsten Burganlagen

weit über die Region

hinaus. Es gibt begründete

Hinweise darauf,

dass hier Teile des

Mittelalterepos des

Parzival entstanden

sind, dessen Niederschrift

zwischen 1200

und 1210 erfolgte.

Seite 261


262 Seite

Der Main zeigt sich

zusammen mit dem

Spessart hinter

Erlenbach von seiner

schönsten Seite und

der aufmerksame

Beobachter bemerkt,

dass dieses Bild auch

den Rücken meiner

Buchserie „Naturwunder

in Franken“

schmückt.


Seite 263

Die Route

Es gibt gerade aus meinem Landkreis Main-Spessart noch so einiges zu erzählen.

Nach der Wanderung durch den Spessart, Paddeltouren auf Main und Saale, einer

Radtour entlang der Sinn, schließe ich nun meine Geschichten mit einer Radel- und

Bootserzählung um das Mainviereck, zumindest vorläufig.

Bis nach Wertheim werde ich mich aufgrund

der bereits überschrittenen maximalen Seitenanzahl,

die ich für dieses Buchkonzept vorgesehen

habe, kurz halten. Doch zwischen

Wertheim und Miltenberg gibt es noch kurz

ein paar Dinge zu erwähnen, die für die

Geschichte Frankens von weitreichender

Bedeutung waren und bis heute geblieben sind.


264 Seite

Von Lohr Mainabwärts

Mai 2016

Pfingsten stand vor der Tür und somit ein fast schon traditionelles Familienereignis - unsere

Fahrradtour. Es waren dieses mal drei Tage mit zwei Übernachtungen geplant. Die Zimmer

waren bereits reserviert, doch wir haderten ein Tag vor der Tour mit dem Wetter. Die Sonne

strahlte zwar vom Himmel, aber für die kommenden Tage war Regen angekündigt.


Seite 265

Wir wollten die freien Tage trotzdem nutzen, wenigstens

den ersten sonnigen Tag. Daher telefonierten wir ein wenig,

buchten und starteten kurzentschlossen gleich nach dem

Frühstück. Keine Stunde später saßen wir auf unseren Rädern,

die uns hinunter nach Lohr an den Main brachten. Es

war später Vormittag und wir freuten uns mächtig aufs

Radeln in der Sonne. Vom Radführer wird das Teilstück

zwischen Lohr und Miltenberg ausdrücklich gelobt,

denn der Fluss durchschneidet hier nicht nur in Schlangenlinien

den Spessart, seine Waldränder drängeln sich

etwa bei Neustadt bis auf wenige Meter an den Fluß

heran. In Erlach war die erste Rast angesagt. Wir saßen

direkt am Wasser und schauten auf das gegenüberliegende

Kloster Neustadt hinüber.


266 Seite

Ein Schwanenweibchen brütete direkt neben der Straße in

einem Blumenbeet und ließ sich von uns Radfahrern nicht

stören. Gemütlich ging es weiter den Main abwärts. Bei

Rothenfels thront die Burg aus dem 12. Jahrhundert

über dem Altstädtchen auf der gegenüberliegenden

Mainseite. Es hatte mittlerweile 25 Grad erreicht und

wir passierten zwei Campingplätze, deren schöne Lage

direkt am Fluß uns gefi el. Wir radelten durch Zimmern

und blickten anschließend auf Hafenlohr auf der rechten

Mainseite hinüber.

Jan und Lena erzählten von den letzten Wochen in

der Schule, die noch vor ihnen lagen und schwärmten

anschließend von einem kalten Eis, das in Marktheidenfeld

auf uns warten würde. Die neue Mainbrücke

sahen wir bereits und zur Altstadt war es nicht mehr

weit. Das schöne Wetter hinterließ auch in den Gassen

Marktheidenfelds seine Spuren. Eine Schlange vor

der Eisdiele war die logische Folge. Bald verließen wir

frisch gestärkt den Rummel in der Altstadt wieder und

radelten weiter in Richtung Süden. In Lengfurt angekommen,

sahen wir das gleichnamige Kloster auf der

anderen Mainseite.


Seite 267

Mit dem Kallmuth wurde nun Kalkstein über den

Main sichtbar. Die halbrunde Form des Berges und

seine sonnige Lage lassen hier einen leckeren Wein

gedeihen. Im oberen Bereich hat die Natur zusätzlich

ihr Rückzugsgebiet und wir sahen einige Greifvögel am

Himmel, die nach Nahrung suchten.

Unterhalb der Homburg rasteten wir ein zweites Mal.

Wir flüchteten vor den weißen Löwenzahnwolken, die

durch die Luft schwebten und suchten hinter einer

Baumreihe direkt am Wasser Schutz.


268 Seite

Nach einer weiteren Rast in einer Heckenwirtschaft

erreichten wir mit der Urparer Mainschleife den ersten

Eckpunkt im südlichen Mainviereck. Bald sahen wir wieder

die Wertheimer Burg über dem Zusammenfluß von Tauber

und Main. Der erste Tag war damit geschafft und wir bezogen

unser Quatier im „Tauberhotel Kette“. Nach Kuchen

und Kaffee in der Altstadt suchten wir nach einer Pizzeria

an der Mainpromenade für den Abend. Noch während

des Essens zogen bereits dicke Wolken auf und erste

Donnergeräusche waren in der Ferne zu hören. Noch auf

dem Heimweg in unsere Unterkunft erreichten uns erste

Regentropfen. Mit einem leckeren Frühstück starteten wir

in den zweiten Tag. Das Wetter war weiterhin durchwachsen,

doch wir konnten ohne Regen losfahren. Es war aber

bereits merklich kühler geworden.


Seite 269

Kurz vor Stadtprozelten

machten wir

unsere erste Rast,

denn die Regenbekleidung

musste

übergezogen werden.

Trotz des schlechten

Wetters blieb die

Stimmung gut.

Einige Mainwindungen später ragten zwei mächtige

Türme aus dem umliegenden Baumbestand hoch über

dem Main. Beim Näherkommen, vor allem aber beim

Anblick der Henneburg von Mondfeld aus fragt man

sich, wie eine solch riesenhafte Anlage in die eher

abgeschiedene kleine Welt des Mainvierecks kam und

wozu sie diente. Aus der einstigen Burg des

12. Jahrhunderts machte der Deutsche Orden, der

die Henneburg 150 Jahre lang besaß, durch große

gotische Umbauten eine schlossähnliche Festung,

deren Außmaße wir heute noch erahnen können. Da

auch die nachfolgende Machtzentrale des Ordens

in Bad Mergentheim und somit in direkter Nähe des

Taubertals entstand, taucht die Frage auf, weshalb

sich die Machtkonzentration des Deutschen Ordens

gerade in Mainfranken befand. Nun, das ist kein Zufall

und eine längere Geschichte. Ich möchte sie aber

kurz erwähnen. Auslöser dieser Entwicklung war die

Übertragung großer Gebiete in Franken durch Karl den

Großen an die Kirche. Er brauchte jede nur erdenkliche

Unterstützung, vor allem für seinen Krieg gegen die

Sachsen und für gewisse Zugeständnisse bekam er

diese natürlich auch. Gegenleistungen für den Aufbau

neuer Verwaltungsstrukturen, deren Ausbildung die

Kirche in Verbindung mit dem Kloster Fulda realisieren

sollte, waren vor allem Besitztümer und Rechte an Einkünften

bzw. Zöllen in den fränkischen Gebieten. Dabei

mussten die zukünftigen geistlichen Würdenträger logischerweise

auch in weltlichen, sprich wirtschaftlichen

Künsten ausgebildet werden. Nachdem Karl der Große

bereits 742 die Bistumsgründung gefördert hatte, stattete

er 753 den ersten Bischof des Bistums Würzburg mit

weitreichenden Besitzrechten und -gütern aus,

denn die Kirche erwies sich auch in weltlichen Angelegenheiten

als überaus geschickt. Dabei handelte

Karl nach dem gleichen Vorgehen wie bereits bei der

„Pippinischen Schenkung“ an die Römische Kirche, die

nahezu zeitgleich stattfand. Im Gegenzug legitimierte

der Papst die Karolinger als Könige des Fränkischen

Reiches. Mit dieser klassischen Win-Win-Situation war

auch der Grundstein für die spätere Gründung des

fränkischen Fürstbischoftums gelegt und die Realisierung

dieser Chance wusste die Kirche in der Folgezeit

zu nutzen. Sie brauchte aufgrund der Erbproblematik

in Dynastiegeschlechtern eigentlich nur auf eine günstige

Gelegenheit zu warten, um auch ihre weltlichen

Ansprüche für die Zukunft zementieren zu können. Und

diese Gelegenheit kam. Nach dem Tod des letzten

rechtmäßigen fränkischen Herzogs, dem Konradiner

Eberhard, der 939 in der Schlacht bei Andernach

ohne Nachkommen fi el, war diese Chance endlich

gekommen. Darauf hin griff die katholische Kirche in

den ihr zugesprochenen Gebieten nun endgültig nach

der weltlichen Macht. Dies zeigt sich in den folgenden

Jahren eindeutig an der starken Aufwertung der

herrschaftlichen Rolle der Bischöfe von Würzburg. Auch

wenn spätere Könige, wie etwa der Staufer Konrad, der

Kirche diese Rechstansprüche, etwa um 1120, immer

wieder streitig machen wollte, kämpften die kirchlichen

Würdenträger hartnäckig weiter. Die Zeit hatte ihnen in

die Hände gespielt, ihre weltliche Macht war bereits zu

groß geworden. 1446 hatten sie es endlich geschafft,

denn seit diesem Zeitpunkt trugen die Würzburger

Bischöfe die Bezeichnung „Herzog zu Franken“ bzw.

„Franciae orientalis dux“ bis zum Ende des Alten Reiches

bzw. der Säkularisation in ihrer Titulatur.


270 Seite

Doch was hat diese Geschichte mit Stadtprozelten zu

tun? Diese Brücke erschließt sich beim Blick auf die

kirchliche Institution des Ordens. Denn der deutsche

Orden mit seinen Zentren, zu Beginn auf der Henneburg

und später in Bad Mergentheim, spielte beim Aufbau

eines eigenen Kirchenstaates eine zentrale Rolle.

Von hier aus wurden die Fäden für die Besitzansprüche

im Baltikum und dem dort gegründeten Deutschordensstaat

gezogen, der am Ende des 14. Jahrhunderts ein

Gebiet von rund 200.000 Quadratkilometern umfasste,

was beinahe der Fläche der alten Bundesrepublik

entsprach. Die Wurzeln dieser Organisation aber sind

hier bei uns am Mainviereck zu suchen. Anders lässt

sich die mächtige Festung Henneburg, die ihre ganze

Größe erst beim Anblick von Mondfeld aus zu erkennen

gibt, nicht erklären. Selbst von einem späteren Zentrum

des Ordens auf einer bekannten Bodenseehalbinsel

kann man zumindest vom Namen her Rückschlüsse auf

seine einstige Herkunft ziehen. Zu weit hergeholt? Ich

denke nicht. Aber für alle, die bis hierher gelesen haben,

möchte ich noch kurz den Grund erklären, weshalb

ich hier vom großen Karl, dem deutschen Orden und

der Verbindung hinunter an den Bodensee schreibe.

Zugegeben, ich bin auch ein Fan des großen Karls,

aber nicht nur, weil er es als erster schaffte, weite Teile

Europas zu einen, sondern weil er etwas viel Großartigeres

auf den Weg brachte und hier kommt wieder der

Bodensee ins Spiel. Konkret die Insel Reichenau mit

ihrem Kloster. Auch die kirchlichen Leistungen möchte

ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich loben.

Es waren die Schreibstuben der Benediktinerklöster

Reichenau und Murbach, das westlich von Freiburg

im heutigen Frankreich liegt, die von Karl den Auftrag

bekamen, eine einheitliche deutsche Sprache zu entwickeln,

die doch so wichtig für uns geworden ist.

Mit Hilfe unserer Muttersprache können wir all die

Gedanken zum Ausdruck bringen, die uns bewegen.

Ja, sie ist komplex und für alle, denen es nicht schnell

genug geht, dem Englischen unterlegen. Jedoch für

Tiefgründiges aus meiner Sicht dem Angelsächsischen

weit überlegen. Doch das muss jeder selbst beurteilen.

Aber um noch einmal auf Reichenau zurückzukommen.

Es gehörte bis zum Übergang an das Bistum Freiburg

zum Bistum Konstanz. Auch Reichenau hatte ursprünglich

königliche Dankbarkeit erfahren, nämlich den

Zugriff auf umfangreichen Grundbesitz, vor allem aber

auf die daraus resultierenden Abgaben. Auch heute

noch ist die Macht des deutschen Ordens in Konstanz

spürbar, nicht nur auf der Blumeninsel und in Reichenau,

wobei alles im Umkreis von unter zwölf Kilometern

beieinanderliegt.

Während wir weiter den Mainradweg entlang fuhren,

wechselten sich Naturlandschaften mit weitläufi gen

Felsstrukturen und sandsteinfarbenen Burgen ab. Nach

der Henneburg folgten die Ruinen Collenberg und

Freudenburg, die sich malerisch über dem Main in die

Waldhänge schmiegten.


Seite 271

In Miltenberg angekommen bestaunten wir zunächst

die Altstadt, denn sie ist wirklich außergewöhnlich. In

den engen Gassen lässt es sich herrlich spazieren gehen.

Neben dem Schnatterloch und der Burg können

viele weitere Sehenswürdigkeiten besichtigt werden.

In einem speisten wir sogar. Der Riese gilt als das

älteste Gasthaus in Deutschland. Neben der schönen

Außenfassade gibt es auch auf der Speißekarte selbst

nur Lobenswertes. Neben tollen Gerichten wird das

süffige Hausbier angeboten. Auch dies ist, wie bereits

gesagt, vom Feinsten.

Am nächsten Morgen waren wir vom leichten Regen

nicht gerade überrascht. Wir quälten uns noch weiter

bis nach Erlenbach und hofften, dass der Regen

aufhören würde. Doch vergebens, daher entschieden

wir uns an der nächsten Station, mit der Bahn nach

Hause zu fahren. In Obernburg mussten wir dann

auf den Schienenersatzverkehr umsteigen und es

folgte eine ruckelige Fahrt aufgrund der Räder im Bus

bis nach Aschaffenburg. Immer noch durchgefroren

saßen wir im Zug zurück nach Partenstein.


272 Seite

Der Spätherbst ist für

viele Naturfreunde

als Wanderzeit schon

lange beliebt. Ebenso

gut eignet sich diese

Jahreszeit für das

Paddeln auf dem

Main. Wer es nicht

glaubt, sollte es

einmal probieren.


Seite 273

Auf den letzten Kilometern...

Mit den vorangegangenen Schlechtwetterbildern möchte ich mein Buch auf keinen Fall

beenden und lade daher den Leser noch einmal ein, mich das letzte Stück zurück nach

Aschaffenburg auf dem Wasser zu begleiten.

Dazu stieg ich in Klingenberg in mein Boot ein.

Von dort aus mussten bis nach Aschaffenburg

28 Kilometer Paddelstrecke zurückgelegt werden.

Zusätzlich waren zwei Schleusen zu überwinden.

Nach gerechneten zweieinhalb Etappen war ich

am Ziel und damit schließt sich nun der Kreis,

denn wir sind wieder am Startpunkt meiner

Geschichte angekommen. Mit jedem Paddelschlag

werden über der Stadt die Konturen einer bekannten Silhouette immer deutlicher.

Beim Ausstieg aus meinem Schlauchkanadier schaue ich noch einmal nach oben und

vor mir erhebt sich die Johannisburg, eines der schönsten Schlösser Mainfrankens.


274 Seite

Zurück nach Aschaffenburg

November 2020

Mit gemischten Gefühlen fahre ich Mitte November durch den Spessart. Nebel hängt dicht in den

Tälern und das Thermometer zeigt 4,5 Grad an. Sicherlich gibt es bessere Voraussetzungen, um

mit dem Boot auf dem Main zu paddeln, so dachte ich zumindest am Anfang.

Doch ich vertraute auf den Wetterbericht, der für diesen

18. November strahlenden Sonnenschein vorausgesagt

hatte und tatsächlich, hinter Eschau fuhr ich durch

den Nebel hinaus in einen sonnigen Tag hinein. Super

gelaunt erreichte ich Klingenberg und machte mein

Boot startklar.

Gegen die Kälte hatte ich diesmal vorgesorgt, nachdem

ich beim letzten Mal vor zwei Wochen mächtig gefroren

hatte. Mit Winterstiefeln und Regenhose war ich jedoch

an diesem Tag gut gerüstet. Auf dem Main angekommen,

legte ich mich bequem zurück und genoss die

leuchtenden Herbstfarben, die mir von den Spessarthängen

entgegenleuchteten. Dazu der strahlendblaue

Himmel über mir. Sagenhaft, so schön kann es im

Spätherbst auf dem Wasser sein.


Seite 275

Die Temperaturen stiegen nun allmählich an und das

Paddeln machte so richtig Freude. Nebenbei mussten

selbstverständlich einige Bilder gemacht und an die

Familie zuhause geschickt werden. Dabei kam ich das

ein oder andere Mal etwas zu nah ans Ufer, denn beim

Handygebrauch vergeht die Zeit im Flug. Nach dem

Gegensteuern musste ich mich wieder auf Kurs bringen

und ich machte die erstaunliche Erfahrung, dass es

Handy´s selbt bei mir, einem Ultra-Naturfreak schaffen,

andauernd für Ablenkung zu sorgen. Und das trotz des

perfekten Wetters. Nein, jetzt hab ich dich durchschaut,

dachte ich, während das oben gezeigte Bild mit der

Klingenburg im Hintergrund gerade im Kasten war,

denn mit dem nächsten Griff beförderte ich das Handy

dorthin, wo es für die nächsten Stunden hingehörte,

weit weg in den Packsack.


276 Seite

Ich erreichte Erlenbach und paddelte an der Schiffswerft

vorbei. Sie zählte noch 1970 mit ihren über 300 Mitarbeitern

zu den führenden Binnenschiffswerften in Deutschland.

Auch heute, nach dem erfolgreichen Unternehmensumbau,

kann man auf dem etwa 50.000 m² großen

Gelände, Schiffe bis 135 Meter Länge hellingen. Die über

100 Meter lange Werft, die man aufgrund ihrer Schräglage

auch als Helling bezeichnet, ist dabei die einzige Anlage

für Schiffe dieser Größe zwischen Duisburg und Linz. Zu

den Schiffsneubauten zählen Seenotrettungskreuzer und

Hochseeschlepper. Auch an diesem Tag lagen neben der

Werfthalle zwei Schiffe an der Helling und ich beobachtete

wie drei Arbeiter um die aufgestellten Rümpfe herumliefen.

Langsam paddelte ich an den Stahlträgern vorbei, die als

Unterlage für die Schiffe am Boden befestigt waren.


Seite 277

Dahinter tauchte das Altstädtchen auf, dessen Lage

man am spitzen Kirchturm gut erkennen konnte.

Hinter Erlenbach erwartete mich dann wieder Natur pur.

Insgesamt sechs Eisvögel konnte ich an diesem Tag

sehen, wie sie vor meinem Boot den Main hinabflogen.

An diesem Tag leuchteten ihre türkisen Hinterteile aufgrund

der schräg stehenden Sonne besonders intensiv.

Dieser Tag war der schönste für mich in diesem Jahr

auf dem Main gewesen, denn im Gegensatz zu den

Sommermonaten, in denen gegen Mittag die Sonne

viel zu warm wird, waren nun die Temperaturen zum

Paddeln ideal.


278 Seite

Unter den langen

Ästen einer Weide

legte ich mein Paddel

für einige Minuten auf

das Boot und lehnte

mich zurück. Dabei

fing das Boot an sich

zu drehen. In Zeitlupe

kreiste es nun mit mir

auf dem Main und ich

kam dabei vollständig

zur Ruhe. In solchen

Momenten kann man

die Natur um sich

herum nicht nur mit

allen Sinnen wahrnemen,

sondern man

erkennt in solchen

Augenblicken auch

ihren unermesslichen

Wert, den sie für uns

und das Leben, das

uns umgibt, besitzt.


Seite 279

Später kam ich noch an einem selbst gebauten Boot

vorbei. Aus Paletten war ein Grundgerüst erstellt worden

und eine Sitzbank im hinteren Bereich, schmückte

das Gefährt. Das Boot besaß sogar eine Dachkonstruktion,

die mir besonders gut gefi el. In diesem Augenblick

musste ich an die Kinder denken, die es gebaut haben

mussten. Ich konnte mich dabei sehr gut in sie hineinversetzten,

denn als Jugendicher hatte ich mit meinen

Freunden ähnliche Dinge unternommen. Dabei genoss

ich das schöne Herbstwetter noch bis zum Nachmittag.

Dann tauchten die Schlote des Industriecenters

Obernburg auf. Wehmütig zog ich mein Boot über das

Gebüsch ans Ufer hinauf und sah bereits mein Fahrrad,

mit dem ich zurück nach Klingenberg fuhr.


280 Seite

Hinter der Staustufe in Kleinwallstatt ging es zunächst

weiter nach Obernau, wo mich nach zehn Kilometern

das nächste Querbauwerk zum Verlassen des Wassers

zwang. Dahinter, auf den letzten Paddelkilometern nach

Aschaffenburg, begleitete mich dann erneut herrlichstes

Wetter auf dem Main. Es war der 25. Februar 2021 und

es sollte an diesem Tag fast 20 Grad geben. Zehn Tage

vorher hatte es an manchen Stellen in Deutschland

unter minus 20 Grad gehabt, was einem Temperaturhub

von 40 Grad entspricht. Was aber da noch auf uns

zukommen wird? Es kann einem wirklich Angst und

Bange werden.

Noch etwa sechs Kilometer paddelte ich bis zur Uferpromenade

der Stadt. Dort angekommen war ich wieder

am Startpunkt meiner Geschichte angelangt.


Seite 281

Als ich in der großen Mainschleife aus dem Boot ausgestiegen

war, blickte ich staunend nach oben. Welch ein Prachtbau

sich da vor einem erhebt. Die schönen Außenfassaden

von Schloss Johannisburg sind ein Augenschmaus für jeden

Kunstliebhaber. Auch die vielen Fenster und die mächtigen

Türme müssen jeden Betrachter beeindrucken. Eher

unscheinbar wirkt dagegen der ebenfalls mächtige Bergfried

der alten Vorgängerburg im Inneren des Schlosses, denn er

wird von der neueren Vierfl ügelanlage gänzlich umschlossen.

War da etwa beim Neubau der zweiten Residenz der

Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten Absicht im Spiel?

Nachdem der Straßburger Baumeister Georg Ridinger 1614

sein Werk aus Rotsandstein fertig gestellt hatte, muss es

für die weltlichen Vorbesitzer einen ernüchternden Eindruck

hinterlassen haben, denn sie waren nun nicht nur in ihrem

ehemaligen Gebäude ummauert, sie hatten in Aschaffenburg

auch schon lange den politischen Führungsanspruch

abgeben müssen. Dies war nun auch visuell klargestellt.

Doch die Zeiten des Umbruchs waren bereits voll im Gange,

denn der Widerstand gegen das weltliche Machtstreben der

Kirche war bereits in vollem Gange und die Reformation auf

dem Weg. 200 Jahre später kam nach der Sekularisation,

welche die Einziehung oder Nutzung kirchlicher Besitztümer

regelte, König Ludwig I. als neuer Herr an den Untermain.

Er lies 1840 gleich neben dem Schloss das Pompejanum

bauen. Zugegeben, im Vergleich zu Johannisburg wirkt

das nach außen hin nahezu fensterlose Gebäude auf mich

nicht gerade ästhetisch. Es zeugt eher von Desinteresse an

dieser schönen Region am Main. Dieser Eindruck auf mich

änderte sich auch nicht, nachdem ich wieder im Boot saß

und weiter den Main Flussabwärts weiterfuhr.


4 Seite

Routenübersicht

Band 1

S. 32 S. 54 S. 106 S. 92 S. 100

S. 130

S. 154

S. 4

S. 262

S. 272

S. 196

S. 114

S. 206

S. 118

S. 240

S. 224

S. 235


Seite 5

Zwischen Karwendel und Spessart

Band 2

Die Geschichte beginnt im Karwendel. Auf einer Mehrtageswanderung

durchquerten wir mit unseren Kindern das Gebirge von Ost

nach West. Anschließend erzähle ich über die Erlebnisse unserer

Zugspitzbesteigung, die über das Reintal erfolgte. Mit dem Rad

und im Schlauchkanadier erkundete ich die obere Isar, einem der

schönsten bayerischen Alpenflüsse, denn hier darf sie teilweise noch

frei fließen. Angenehm war das Radeln auch an der Isar entlang

durch München. Auf dem Weg nach Deggendorf lernte ich dann eine

Auenlandschaft kennen, die ihresgleichen sucht. An der breiten

Donau ging es anschließend weiter bis nach Kehlheim. Mich beeindruckte

nicht nur der Donaudurchbruch bei Weltenburg, sondern

auch das untere Altmühltal. Dort faszinierten mich die steinzeitlichen

Pfahlbauten wie auch die trutzigen Burgen hoch über dem Fluss.

Die landschaftlich einmaligen Kulissen zeigten sich vom Rad aus

optimal. Über das liebliche Taubertal erreichten wir anschließend

den Spessart und den Main. Der Fluss schlängelt sich in endlosen

Schleifen durch das fränkische Schichtstufenland. Nun wird der Leser

erneut auf den Fluss gelockt, denn ich erzähle, was ich zwischen

Lohr und Wertheim beim paddeln erlebte. Am Ende des Buches sind

es aber die alten Eichen und Buchen des Spessarts, die immer wieder

zu einer Wanderung in dieses sagenhafte Waldgebiet einladen.

Weitere Informationen und Bestelldaten unter:

www.raus-indienatur.de


290 Seite

Fürs Leben lernen

Wenn man draußen unterwegs ist, lernt man, nach dem

Motto „Hinterlasse nur deine Fußspuren“ zu leben, was

bedeutet, dass generell kein Abfall zurückgelassen

wird. Beim Wandern mit Rucksack lernt man aber auch,

mit minimalem Gepäck auszukommen. Denn je weniger

man rumschleppt, desto schneller kommt man vorwärts.

Im Laufe der Jahre lässt man immmer mehr Dinge zu

Hause, die auf der letzten Tour nicht gebraucht wurden.

Neben der Botschaft, dass wir unsere Naturräume zum

Überleben brauchen, war es das Hinterfragen vieler

unnötig gewordener Dinge, die wir im Leben mitschleppen.

Damit müssen wir unsere Kindern konfrontieren,

damit sie fürs Leben lernen. Denn unser Leben im

Überfl uss hat uns in die Sackgasse geführt. Im Grunde

müssen wir diese Fehlentwicklung in allen Lebensbereichen

überdenken, denn es hat uns in eine prekäre,

nahezu aussichtslose Position gebracht. Vor allem aber

müssen wir handeln!

Die Rede ist von der Klimakatastrophe, die obwohl seit

50 Jahren bekannt, von Politik als Klimawandel verharmlost

und seitens der Industrie wenn möglich totgeschwiegen

wird - bis zum heutigen Tag. Und ich frage mich, wie

wir mit dieser Schuld leben wollen, die wir durch unser

Nichtstun in dieser Sache auf uns geladen haben.

Daher lag mir noch ein weiteres Thema seit vielen

Jahren auf der Seele. Und mein Herz hat mich solange

gedrängelt, bis ich es endlich zu Papier gebracht hatte.


Warum auf einmal alles so schnell gehen soll

Seite 291

Unser Klima hat sich im Laufe der Evolution schon oft verändert. Doch seit der Industrialisierung wird

es vom Menschen aufgrund des steigenden Energieverbrauchs zunehmend beeinflusst, was zu einer

Erwärmung führt. Diese Klimaveränderung entsteht durch Treibhausgase, vor allem durch CO2, Methan

und Lachgas. Diese Gase reichern sich immer mehr in der Atmosphäre und in den Weltmeeren an und

erhitzen dabei unseren Planeten in ständig steigendem Maße. Doch warum erkennen und akzeptieren

wir diese Veränderungen nicht, obwohl die Meldungen über Hitzesommer, Waldbrände, Überflutungen

und Wirbelstürme immer mehr zunehmen?

Wie können kleine Teilchen wie das CO 2 , das wir weder sehen noch riechen können,

durch ihre Anreicherung in der Atmosphäre so große Auswirkungen hervorrufen?

Wissenschaftler trauen diesen Teilchen sogar zu, dass sie unseren Lebensraum auf der

Erde zerstören. Die genauen Zusammenhänge sind komplex, doch ständig werden wir

mit immer neuen Zahlen und Hiobsbotschaften bombardiert.

Dieses Büchlein ist der Versuch, die Auswirkungen unseres Handelns möglichst einfach

zu erklären. Denn es kann nur dann ein Umdenken stattfinden, wenn wir die Zusammenhänge

hinreichend verstehen.

Verständnis für diese Entwicklungen wird automatisch unser Handeln einfordern.

100 Seiten, die Sie unbedingt lesen sollten. Weitere Infos unter: www.schroepfer-net.de


292 Seite

Naturwunder als Netzwerk

Das neunbändige Werk zeigt, wie sich die Natur mit den ausgewiesenen Natura 2000 Gebieten

vernetzt. Dies wurde beispielhaft für die Region Franken dargestellt. Für einen besseren Schutz

wäre es jedoch nötig, dass in diesen Gebieten die Nutzung eingeschränkt oder ganz eingestellt

wird. Zumindest so lange, bis der Artenschwund gestoppt ist und sich die Natur wieder erholt hat.

www.naturwunderinfranken.de


Seite 293

Auf meinen Touren durch unsere Heimat lernte ich unsere Flüsse, viele Wälder, Wiesen und Felder

kennen. Gleichzeitig wurde ich dabei mit der steigenden Übernutzung unserer Lebensräume konfrontiert.

Die Flüsse, die als Wasserstraßen dienen, werden durch Querbauwerke alle paar Kilometer

zerschnitten. Dabei geht nicht nur ihre Ursprünglichkeit verloren, sondern langfristig auch das Leben

darin. Aber auch die Wälder haben wir zurückgedrängt. 50% unserer Landesfläche wird heute beackert

und die verbliebene Waldfläche immer intensiver genutzt. Dies hinterlässt jedoch tiefe Spuren

in der Natur, die zu einer extremen Ausdünnung der heimischen Artenvielfalt geführt hat. Wie lange

soll dieser Trend anhalten?

Natura2000 ist ein Versuch, eine Umkehr herbeizuführen, denn dort

soll die Nutzung solange zurückgefahren werden, bis das Artensterben

nicht mehr weiter geht. Ein Grund für mich, auf dieses Naturnetzwerk

aufmerksam zu machen und dies in Büchern zu publizieren.

Daraus entstand „Naturwunder in Franken“ (siehe oben)

Doch dieses Netzwerk Natura2000 funktioniert nur, wenn weitere

Großschutzgebiete entstehen würden, Die beste Möglichkeit dies

zu tun, ist das Einrichten weiterer Nationalparks in Deutschland.

Möglichkeiten für geeignete Flächen gibt es viele. Daher war für

mich auch klar, dass ich diese Gebiete aufsuche. Also machte ich

mich auf den Weg.

Die ersten Gebiete findest du unter:

www.derschatzvorunsererhaustuer.de


284 Seite

Impressum

Danksagung

Mein Dank gilt vor allem meiner Familie. Sie hat mir durch ihr Verständnis ermöglicht, dieses Buch zu schreiben,

auch wenn es zeitweise sicher nicht immer einfach war.

Zusätzlich möchte ich mich bei meinem treuen Lektor Herrn Wolfgang Weismantel bedanken.

Er hilft mir bei jedem neuen Buch, mit dem ich „um die Ecke komme“.

Quellen / Bildmaterial

Text und Bildmaterial stammt vom Buchautor.

Einige Bilder wurden von Kerstin, Jan und Lena gemacht.

Autor, Layout, Satz und Gestaltung / Herausgeber

Frank Schröpfer, Partenstein / Eigenverlag

Druck

Gmedien, Genheimer Druck GmbH, Lohr a. Main

Copyright

© 2020, Frank Schröpfer, Partenstein

Alle Rechte der Verbreitung, wie Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art, sind vorbehalten.


Seite 285

Über den Autor

Frank Schröpfer ist in Lohr a. Main geboren und seit seiner Kindheit im Spessart unterwegs. Mittlerweile ist er verheiratet und hat zwei Kinder.

Bereits mit 15 Jahren unternahm er mit Freunden und seinem ersten Fotoapparat mehrtägige Wanderungen durch seine Heimat, später auch durch andere Länder.

»Durch das Draußensein ist meine Liebe zur Natur entstanden, die einen festen Platz in meinem Herzen einnimmt.« So beschreibt Frank Schröpfer seine Grundeinstellung.

Dabei sieht er sich als Naturbeobachter, nicht als Experte. Und bis heute treibt ihn diese Leidenschaft oft mit dem Rucksack hinaus in die Natur. Dabei begleitet ihn meistens noch immer

die Familie. Im Laufe der Jahre ist so einiges an Bild- und Textmaterial entstanden, das er schrittweise in einzelnen Buchprojekten vorstellt. Der gelernte Elektrotechniker arbeitet seit

über 30 Jahren bei Bosch Rexroth. Zu seinen Plänen sagt er: „Es gibt noch vieles, was ich gerne fotografieren und aufschreiben würde. Ich möchte mit meiner Arbeit für mehr Naturschutz

werben und hoffe, dass viele meine Bücher lesen und dadurch den Schätzen unserer Heimat einen höheren Wert beimessen.«


Mit meinen Geschichten möchte ich Werbung für den sanften

Tourismus machen, denn wenn man per pedes die Heimat

erkundet, schont man Klima und Geldbeutel.

Gleichzeitig fördert es die Gesundheit und man lernt ganz

nebenbei auch noch die Natur kennen, die uns umgibt.

Dies führt dazu, dass wir sie wieder mehr schätzen.

Wenn wir dabei unsere Kinder mitnehmen, ist das pädagogisch

unschlagbar, da unsere Natur voller Überraschungen steckt und

sie dadurch viel fürs spätere Leben lernen. Die Natur ist der

Schatz vor unserer Haustür, den wir leider immer mehr verlieren.

Als Corona kam, wurde alles dicht gemacht.

Gleichzeitig fi ndet in der Gesellschaft ein Umdenken statt,

denn Aktivitäten im eigenen Land rückten wieder in den Fokus.

Wollen Sie mich ein Stück begleiten?

Die vorgestellten Touren führen durch ausgewählte

Naturlandschaften unserer Heimat.

Sie werden als Bildergeschichten erzählt

und sind in die drei Themenblöcke

Wandern, Paddeln und Radeln unterteilt.

Grafi ken und Übersichtskarten helfen dem Leser

den Routenverlauf nachzuvollziehen.

© 2010 Frank Schröpfer © 2019


Seite 3

Wandern

Wandern ist Natur pur. In Zeitlupe schwebt sie an dir vorbei und fordert doch

all deine Sinne. Du realisierst das Singen der Vögel im Frühling, das Summen

der Bienen und den Duft der Blüten im Sommer, das Rascheln des Herbstlaubs

im Sturmwind und das Knistern der Blätter, das beim Aufsetzen deiner Füße

entsteht.

Du saugst das leise Nichts im Winter auf, wenn alles ruht und schläft.

Wenn nur das leise „Flupp“ zu vernehmen ist, das unter deinen Füßen entsteht,

wenn diese auf dem Schnee aufsetzen und ihn zerdrücken.

Die Kälte beißt sich in dein Gesicht und du spürst, wie sie mit dem

aufkommenden Wind zunimmt.

Du spürst bei Windstille die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut,

du bleibst stehen und verschließt die Augen, wenn die Sonne schräg über dem

Horizont steht und dich für einen kurzen Moment zum Innehalten einlädt.


12 Seite

In der morgendlichen

Frische dem

Sonnenaufgang

entgegenlaufen.

„Waldbaden entspannt.

Es erzeugt

ein Gefühlserlebnis,

das aufgrund seiner

positiven Auswirkungen

auf unser

Bewusstsein und

unsere Gesundheit

immer mehr

umworben wird.

Man erreicht nach

gelaufener Strecke

einen Zustand der

Zufriedenheit mit

sich und der Natur.


Seite 13

Wandern ist die älteste Art der Fortbewegung.

Du folgst einem Weg, zwischen den Bäumen

und Sträuchern hindurch. Sie sollten nicht zu

zahlreich sein, damit sie deinen Blick nicht

einengen. Auch der Boden sollte nicht zu üppig

bewachsen sein, damit deine Aufmerksamkeit nicht

von der Erde gefesselt wird.

Dir begegnet der Dunst, der dem Boden entströmt.

Du bist immer auf der Suche nach dem richtigen

Weg. Und während du läufst, merkst du,

das dies der Weg des Lebens sein muss.

Und immer hinterlässt du nur einen Fußabdruck,

mehr nicht.


Aktiv die Natur erleben.

Das heißt, sie in ihrer ganzen

Schönheit kennenzulernen.

Sie verbirgt sich hinter jeder

Ecke, in unzähligen Details

und weckt unsere Neugierde.

Begleiten Sie uns eine Weile

und lassen Sie sich den Schatz

zeigen, der direkt vor unserer

Haustür liegt.


Seite 1

01 Durch den Spessart 4

02 Main und Saale 32

Alles im Fluss

Mit dem Rad

durch das Sinntal 46

03 Rhöndurchquerung 54

04 Mainradweg 98

05 Im Steigerwald 106

06 Wandern unter Buchen 108

07 Am Main entlang 114

08 Im Reich der Pilze 118

09 Von Würzburg nach Lohr 122

10 Am Oberen Main 130

11 Mainradweg Teil 3 132

12 Wandern im Fichtelgebirge 154

14 Altmühltal und

Fränkische Seenplatte 224

Durch das Altmühltal 228

15 Taubertal 240

Liebliches Taubertal 244

16 Mainradweg Teil 4

Von Lohr Mainabwärts 262

Zurück nach

Aschaffenburg 272

Mit Kindern unterwegs

Paddeln 42

Radfahren 128, 244 - 260

Wandern 12-15, 177-183

13 In der „Fränkischen“ 196

Auf der Wiesent 200

Durch die „Fräkische“ 206


2 Seite

Es ist kaum zu

beschreiben. Man

steht irgendwo

mitten im Wald und

muss beinahe die

Augen zukneifen,

so sehr blenden die

goldgelben Blätter,

die von der Sonne

beleuchtet werden.


Seite 3

Herbst

Es sind solche Momente wie diese, weshalb ich den Herbst so liebe. Kurz bevor ich

diese Zeilen schrieb, war ich im Wald, wie jeden Tag, gleich hinter meinem Haus um

zu laufen. Nachdem ich durch genau diese Farbenpracht zwischen Erichstollen und

Marienschacht, den beiden Eingängen der Partensteiner Schwerspatgruben, gelaufen

war, lockten mich die Sonnenstrahlen hinauf auf die Hofhöh. Dort oben wurde

ich Zeuge eines einmaligen Schauspiels. Weit hinten im Reichengrund hing eine

Nebelschwade ganz unten im Tal. Sie zog sich bis hinter zum Kastanienwäldchen.

Darüber spielten kleine Nebelfetzen mit den bunten Farben der Baumkronen, indem

sie vorsichtig auf und abwippten. Zeitgleich rang die Sonne mit den Wolken um den

entscheidenden Platz am Himmel bis das Licht plötzlich wieder die Oberhand

gewann und ein Strahlenfächer schräg auf die Pfirschhöh traf. Die Nebelschwade

darunter rührte sich plötzlich nicht mehr und für einen kurzen Moment leuchteten die

Farben des Herbstes wie auf dem gerade gezeigten Bild. Leider hatte ich keine

Kamera dabei. Doch ich behielt die Eindrücke in meinem Gedächtnis und schrieb sie

zu Hause auf dieses Papier. Doch warum schreibe ich hier über den Herbst?

Es ist die Jahreszeit, in der folgende Geschichte beginnt.


4 Seite

Durch den Spessart

Durch den Herbstwald

laufen ist für

Kinder ein Spiel,

denn Eichen- und

Buchenblätter

wirbeln umher und

sie rascheln unter

den Füßen, wenn sie

zertreten werden.


Seite 5

Der Spessart bietet dem Wanderer einmalige Erlebnisse. Er ist eines der größten

zusammenhängenden Waldgebiete Europas. Alte, mächtige Eichen und Buchen

können hier noch bewundert werden. Quasi im Vorbeilaufen können Wanderer bis

zu sieben Spechtarten rufen und klopfen hören und mit etwas Geduld sogar beobachten.

Und noch vieles mehr. Über 4000 Tier- und 1.500 Pflanzenarten wurden

bisher im Spessart gezählt. Darunter auch Raritäten wie der Schwarzstorch oder

der Mittelspecht. Sie alle sind in diesem Waldkomplex heimisch.

Außerdem hat die Gegend historische Zeugnisse zu bieten. Die fränkische Kulturlandschaft

zeigt sich durch Burgen, Schlösser und Ruinen, die hoch über den Tälern hinter

den Bäumen hervorragen. Klöster und Kirchen findet man ebenfalls in abgelegenen

Dörfern. Doch bald verschwindet der Weg anschließend wieder im Grün des Waldes.

Wie durch einen Torbogen taucht dann der Wanderer in die alten Eichen- und Buchenwälder

ein. Dazwischen führen die Wege über Wiesen und durch Bachtäler in das

nächste Dorf hinein. Dort erzählen schmucke Fachwerkbauten von ihrer langen

Geschichte.

Diese abwechslungsreiche Landschaft war ein wesentlicher Grund, weshalb sich bereits

früh Wanderfreunde im Spessart zusammenfanden. Heute zählt der Spessartbund, der

auch die Wege unterhält, etwa 17.000 Mitglieder, die in 88 Ortsgruppen organisiert sind.


6 Seite


Seite 7

Die Route

Der Spessartweg 1 durchquert auf 60 km dieses Mittelgebirge von West nach Ost.

Der Weg beginnt in Aschaffenburgs Parkanlagen und führt hinauf zur mittelalterlichen

Ausgrabungsstätte Ketzelsburg.

Über die Bergrücken des Spessarts geht der Weg

hinüber nach Rothenbuch und weiter bis in die

historische Altstadt von Lohr.

Anschließend quert der Weg den Main und

wechselt nach einem Anstieg seine Richtung.

Er begleitet uns nun nach Norden und endet in der

Dreiflüssestadt Gemünden.


8 Seite

Unterwegs im Räuberwald

November 2010

„Was sind das für knarrende Geräusche“, erschrak Jan als Erster. „Jemand verfolgt uns“. Ich

blickte in weit geöffnete Augen, konnte mir das Grinsen aber nicht verkneifen. „Da schon wieder.

Ich habs auch gehört“, meinte Lena. „Das sind die langen Fichten, Kinder, die da knarren”.

„Dort drüben sind sogar welche umgefallen, mitsamt

der Wurzel“. „Ja, Nadelbäume sind halt nicht so stabil“,

erklärten wir. „Deshalb bemüht man sich heute wieder

vermehrt Laubbäume zu pfl anzen, wenn die Fichten

vom Sturm niedergeworfen wurden“, fuhr ich fort. Wenig

später bestätigten uns die Kinder, dass der Laubwald ja

auch wesentlich schöner sei. Wir schlurften mit den Füßen

durch die bunten Blätter des Halsbachtales und ließen sie

tanzen, sobald der Wind aufkam und ein wenig nachhalf.

Wir waren auf dem Weg zur Ruine Schönrain, einem

alten Gemäuer mit einer langen Geschichte. Dort oben

wollten wir Rast machen. Es war die letzte Etappe auf

dem Spessartweg 1, die jenseits des Mains von Lohr

nach Gemünden führt und dort endet.


Seite 9

Einblicke in die Geschichte

Es waren schöne Tage Anfang November. Die Herbstferien

hatten gerade begonnen und wir nutzten die Zeit,

um den vom nationalen Wanderinstitut ausgezeichneten

Premiumweg fertig zu laufen. Nachdem wir

Mariabuchen und Halsbach hinter uns gelassen hatten,

ging es hinauf zur Ruine Schönrain. Die Aussicht von

dort oben hinunter auf den Main ist zu dieser Jahreszeit

traumhaft, denn das lichter werdende Blätterdach

ermöglicht weite Ausblicke hinunter ins Maintal. Während

des Schlenderns durch die Gemäuer erzählte ich den

Kindern nebenbei die bewegte Geschichte dieses Ortes.

Ganz oben:

Vom alten Klostergarten

aus blickt man über die

Mainschleife in Richtung

Lohr.

Links und oben:

Abenteuerspielplatz

Burgruine.


10 Seite

Impressionen auf dem Spessartweg 1

1

2

3

Schloss Johannisburg, Aschaffenburg

Waldboden im Hochspessart

Valentinuskapelle und Altstadt in Lohr

1

3

3

2


Seite 11

Der Start dieser Tour lag bereits ein Jahr zurück.

Ebenfalls im Herbst fuhren wir mit der Bahn nach

Aschaffenburg, dem Mainfl orenz am Westrand des

Spessarts, wie es so schön heißt. Die größte Metropole

des Untermains zählt mittlerweile über 70.000 Einwohner.

Bequem erreichten wir mit dem Zug von Partenstein

kommend direkt die Innenstadt und schon nach

wenigen Minuten standen wir am Schloss Johannisburg,

einem der eindrucksvollsten Schlösser Frankens.

Die Markierung des Wanderwegs, ein blaugrüner

Specht, der vom Mainviereck umgeben ist, führte uns

anschließend durch den Stadtpark. Vorbei an schönen

Teichanlagen wanderten wir die ersten Kilometer mitten

im Grünen durch die Stadt.

Wir passierten nach dem Adriansdenkmal das gelbe

Stadtschild und waren wenig später bereits über

Streuobstwiesen auf den Godelsberg hochgelaufen.

Oben angekommen genossen wir von der Teufelskanzel

den Ausblick auf den Talkessel. Im Mittelpunkt

erkannten wir das Schloss und die Stiftskirche, und

somit die Keimzelle der Stadt. Aschaffenburgs. Nach

dem Aussichtspunkt ging es mit wenigen Schritten

direkt in den Spessartwald hinein.

Oben:

Beschreibung des

Wegverlaufs direkt an

der Fasanerie

Links:

Am Denkmal Ludwig I


12 Seite

Ausblick von der

Teufelskanzel Richtung

Aschaffenburg und das

sich anschließende

Maintal.

Große Steinblöcke am Wegesrand sind für die Kinder

eine willkommene Abwechslung. Auf dem weiteren

Weg geht es auf und ab und wir erreichten nach sieben

Kilometern Haibach. Nach einer kurzen Pause am Wildgehege

wanderten wir der Ketzelsburg entgegen.

Diese kleine Höhenbefestigung wurde vom Archäologischen

Spessartprojekt ausgegraben und näher

untersucht. Eine detailierte Hinweistafel informierte

uns detailgetreu über die neuesten Erkenntnisse der

Grabungen.

Auf einer Wiese direkt am Ort durften wir übernachten,

auch wenn wir gerne noch weitergelaufen

wären. Für die Kinder sind jedoch kurze Etappen

wichtig, denn sie sollen die Lust am Wandern nicht

verlieren.


Seite 13

Der Spieltrieb packte Jan und Lena auch am nächsten

Morgen. Nach wenigen Kilometern erreichten wir ein

kleines Rinnsal. Es fl ießt gemütlich über Sandsteinstufen

bergab und endet in einem trüben Teich. Eine

Schutzhütte direkt daneben bot sich für eine kurze

Rast an. Für die Kinder ist es spannend, einem kleinen

Bächlein zu folgen, dieses immer wieder zu überspringen

und in die unzähligen Pfützen daneben zu tappen.

Dabei kamen wir nur langsam voran, denn so manches

ließ sich auf dem Weg entdecken. Als wir nach der

Ankunft am Kloster Schmerlenbach die Trinkflaschen

gefüllt hatten, ging es über Felder leicht bergauf. Wir

nutzten dabei die Zeit, um das kleine Einmaleins zu

lernen.

Nach der Unterquerung der Autobahn, die sich mitten

durch den Spessart schlängelt, wunderten wir uns,

denn schon nach einigen Minuten war nichts mehr vom

Autolärm zu hören. Der Wald verschluckt zum Glück

die Geräusche bereits nach etwa einem Kilometer.

Auf einer kleinen Lichtung konnten wir anschließend

die Sonnenstrahlen genießen. Wir legten uns dazu ins

Laub, lauschten dem Vogelgezwitscher und beobachteten

die Bewegungen der Vögel, die sich über uns in

den Baumkronen tummelten. Über Waldaschaff sahen

wir zum letzten Mal die Autobahn und tauchten danach

immer tiefer in die Waldlandschaft ein. Über Forstwege

zog sich unser Wanderweg anschließend auf den

Höhenzügen entlang Richtung Osten.

Heute sind diese Wege recht einfach zu bewandern.

Früher war dies ein anstrengendes Unterfangen, vor

allem bei Nässe. Fuhrleute brachten über diese Höhenwege

Waren wie etwa Glasprodukte der Lohrer Manufaktur

zur Frankfurter Messe. Brüchiges Glas wurde auf

Pferde- und Ochsenkarren transportiert. Wieviel der

Ware dabei wohl zu Bruch gegangen ist, wenn es dann

geregnet hatte, der Waldboden aufgeweicht war und

die Karren im Morast versanken. Wir können uns das

heute kaum vorstellen. Ausgeruht folgten wir nach der

Rast wieder unserem „Specht mit der 1“. Dabei sollten

wir bald den Spessartweg 2 kreuzen. Dieser verläuft

in Nord-Südrichtung, führt durch Heigenbrücken und

endet in Stadtprozelten.

Oben: Stockschwämme

am Wegrand

Links: beim Packen nach

der Rast

Ganz Links:

Eine Blindschleiche

kroch vor unseren Füßen

über den Weg.


14 Seite

Zeltplatz mitten im

Spessart.


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Übernachten im Zelt

Gibt es etwas Schöneres als mit Kindern im Zelt zu

schlafen? Wohl kaum. Seit einigen Jahren kann man

dies auch direkt im Wald realisieren und bequem über

den Spessartbund, die Geschäftsstelle des Naturparks in

Gemünden oder über „www.trekking-bayern.de“ buchen.

Endlich am Zeltplatz angekommen, stellten wir unser

Kuppelzelt auf und holten anschließend die Daunenschlafsäcke

aus dem Rucksack heraus. Nach ein paar

Minuten haben diese ihr bauschiges Volumen erreicht

und bieten für die Nacht eine kuschelige Schlafhöhle.

Doch vorher gibt es noch einen leckeren Nudeltopf.

Die Dämmerung löste den Tag in schnellen Schritten

ab und die Geräusche des Waldes veränderten sich.

Gespannt lauschten wir in die Dämmerung hinein. Äste

fielen gelegentlich herab und der Wind rauschte über die

Baumwipfel, während ein Käutzchen die einbrechende

Nacht ankündigte. Jan und Lena liebten es, im Zelt zu

schlafen und so waren wir glücklich, dass unser Hobby

in den Kindern ein wenig weiterlebte. Wir krochen ins

Zelt und nach einigen Minuten umgab uns die kuschelige

Wärme der Daunen. Beachten sollte man jedoch, dass

die Daunenschlafsäcke trocken bleiben. Aneinander

gekuschelt schliefen wir bald ein.

Am nächsten Morgen, nachdem wir die Schlafsäcke verstaut

hatten und aus dem Zelt gekrochen waren, gab es

Tee, Kaffee und Nutellabrote. Während Kerstin die Brote

schmierte, was mit der harten Butter nicht gerade leicht ist,

baute ich mit kalten Fingern das Zelt ab. In der Zwischenzeit

verputzten Jan und Lena die zubereiteten Brote. Aber

die Kälte kroch bald unter unsere Jacken. Nach dem Essen

wurden daher zügig die Rücksäcke gepackt. Je kälter

es ist, umso besser müssen die zu erledigenden Arbeiten

Hand in Hand ablaufen, um schnell wieder in Bewegung

zu kommen. Zuletzt muss noch das Zelt mit den unteren

Packriemen festgezurrt und die Isomatten an den oberen

Schnallen direkt an die Deckeltasche befestigt werden.

Mit dieser Anordnung lässt sich während der Tagesetappe

schnell ein warmes Sitzkissen realisieren. Nur wenige

Minuten nach dem Frühstück waren wir wieder unterwegs.

Oben:

Gemütliche Wärme im

Inneren des Zeltes

Links:

Abends wird meist ein

Fertiggericht zubereitet.


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Auch alte Buchen- und Traubeneichenbestände sind rund

um Rotenbuch, vor allem in den Naturschutzgebieten

Metzgergraben und Krone, Rohrberg und Eichhall zu

finden. Auf über 400 Jahre wurde das Alter der Bäume anhand

der Jahresringe ermittelt. Der Traubeneichenbestand

des Spessarts ist somit einzigartig in Deutschland. Und diese

urwaldartigen Naturschutzgebiete, die aber nur kleinere

Waldinseln darstellen, werden durch Natura 2000-Gebiete

zusammengefasst und somit vernetzt. Glücklicherweise

verläuft unser Wanderweg mitten durch diese schützenswerten

Gebiete hindurch, die als Naturwunder unserer

Heimat bezeichnet werden können. Aus diesem Grund

habe ich darüber auch ein Buch geschrieben, aug dass am

Ende des Kapitels noch einmal eingegangen wird.

Neben den Eichen sind aber auch die vielen Spechte

das Wahrzeichen dieses Waldes. Von Zeit zu Zeit hörten

wir ihr Trommeln an morschen Baumstämmen. Diese

enthalten unzählige Larven und Insekten und sind

somit als Kinderstube nicht nur für Spechte eine ideale

Bleibe. Wir liefen auf dem Höhenweg weiter bis nach

Rothenbuch, einem ehemaligen Jagdsitz der Mainzer

Erzbischöfe. Den Wald hinter uns lassend, geht es über

ausgedehnte Wiesen hinunter in das schöne Dörfchen

mitten im Spessart. Nach den Bunt- und Schwarzspechten

im Wald bekamen wir auf der Wiese vor allem

Grünspechte zu Gesicht. Doch nicht nur die sieben

Spechtarten sind im Spessart zahlreich anzutreffen.

Sorgen bereitet den Bewohnern vor allem das viel zu

hohe Schwarzwildvorkommen. Es richtet jedes Jahr

erhebliche Schäden besonders auf den Feldern rings

um die Dörfer an. Der steigende Maisanbau fördert

auch die Schwarzwildbestände, denn Wildschweine

lieben den Mais.

Aus Naturschutzkreisen gibt es aber auch Erfreuliches

zu berichten. Der Luchs ist auf seinen leisen Pfoten

immer öfter in unseren Wäldern unterwegs. Pfotenabdrücke

und Fotofallen liefern eindeutige Beweise

dafür, dass dieser große Beutegreifer in den Spessart

zurückgekehrt ist.


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Nachdem wir Rothenbuch hinter uns gelassen hatten,

führte uns das Wegzeichen auf den alten Handelsweg

zwischen Lohr und Aschaffenburg zurück. Er erstreckt

sich nahe der B26 auf dem nördlich von Rothenbuch

verlaufenden Höhenrücken. Nach ein paar Minuten

verlässt die Markierung den Verlauf der Teerstraße

wieder und führt den Wanderer über den Gaulskopf zum

Bischborner Hof.

Anschließend verläuft der Weg in Richtung Weikertswiese

bis hinunter nach Lohr über einen Abstecher

am Steinernen Haus vorbei und weiter bergab bis zum

Valentinusberg. Wir erreichten die gleichnahmige Kapelle,

die über der Altstadt von Lohr liegt.

Seit dem 15. Jahrhundert ist an diesem Platz eine Kapelle

belegt. Wahrscheinlich stand hier aber schon viel früher ein

sakrales Bauwerk. Die heutige Kapelle wurde 1660 bis 1664

zu Ehren des heiligen Rochus gegen die Pestepidemien

errichtet und von den Lohrer Bürgern finanziert.

Direkt hinter dem Kirchlein konnten wir einen flüchtigen

Blick auf den Talkessel werfen. Leider ist die Aussicht etwas

zugewachsen, aber zwischen den Ästen schimmerte

der Kirchturm hindurch. Er zeigte uns den Weg hinab in

die Stadt.

Oben: Abstecher zum

Steinernen Haus etwa

3 km vor Lohr


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Blick durch die Altstadt auf den

Kirchturm von St. Michael.

Noch heute überragt er weit

sichtbar die Altstadt. Er war

viele Jahrhunderte lang

Wahrzeichen und zeigte den

Stolz der Lohrer Bürger, die ihn

erbauten.


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Der Weg führt uns direkt in die Altstadt mit ihrer Fußgängerzone

hinein. Vorbei am alten Rathaus aus dem

16. Jahrhundert geht es über Sandsteinpflaster an alten

Fachwerkhäusern entlang und geradewegs auf den

Kirchturm zu.

Das Weinhaus Mehling steht direkt am Alten Dorfbrunnen.

Unter dem Weinhaus liegt der alte Weinkeller,

der zur Theaterbühne umgebaut wurde. Viele weitere

Lokale und Gasthäuser laden in der Fußgängerzone

zum Einkehren ein.

Oben: Hotel Krone

und Blick auf den

Treppenturm des

Rathauses

Links: Weinreben klettern

an manchen Fassaden

der Fachwerkhäuser

empor


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Lohrer Schloss mit Spessartmuseum

Der fränkische Baustil prägt die

ganze Altstadt. Der Bayersturm

überragt Turmstraße

und Fuchseneck. Der Brunnen

in der Fischergasse symbolisiert

mit seinem Fischer eine

der ältesten Nahrungsquellen,

den Main.


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Das Lohrer Schloss, das mit dem Ausbau der Stadt ab 1330

errichtet wurde, beheimatet heute das Spessartmuseum. Die

Ausstellung zeigt unter anderem einen „Schnewittchenspiegel“

aus der ehemaligen Spiegelmanufaktur, es werden aber

auch alte Handwerksberufe vorgestellt und Räubergeschichten

aus dem Spessart erzählt. Über den Schlossplatz erreicht

man schnell die Hauptstraße, die durch die Altstadt führt. Am

unteren Ende gelangt man über ein Torhaus in die ehemalige

Burg, die nach dem Schlossbau Stück für Stück für kirchliche

Zwecke weiter umgestaltet wurde.

Wir verließen die Altstadt über die alte Mainbrücke in Richtung

Sendelbach und genossen noch einmal die Silhouette der Lohrer

Altstadt mit dem Bayersturm. Auf der gegenüberliegenden

Seite des Mains sollte es im kommenden Jahr weiter gehen.

Oben und links: Zugang

zur alten Burg und zum

heutigem Kirchplatz.

Ganz links: Fischergasse

mit Brunnen und anschließendem

Durchgang zur

alten Mainbrücke


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Hinweisschilder am

Romberg erkären uns

Flora und Fauna im

gleichnahmigen

Naturschutzgebiet.


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Genau ein Jahr später starteten wir von Lohr aus zur

letzten Etappe des Spessartwegs 1. Die alten, knorrigen

Eichenbäume am Romberg bilden eine beeindruckende

Allee, durch die der Weg hindurchführt. Hinweistafeln

erklären die besonderen Lebensräume, die hier neben

dem Wald anzutreffen sind. Neben Magerrasen und

Streuobstwiesen fanden wir aufgesetzte, alte Steinmauern,

in denen Zauneidechsen heimisch sind.

Wir kamen bald auf eine Lichtung und sahen am Himmel

drei Mäusebussarde kreisen. Ihr lauter Warnschrei

signalisierte, dass sie uns gesehen hatten. Wir liefen

weiter den Romberg hinauf und waren bald auf seinem

von Sandgruben durchzogenen Bergrücken.

Oben: Eine alte Eiche

direkt am Straßenrand

hinter Sendelbach ist als

Naturdenkmal ausgezeichnet.

Links: Immer wieder

stoßen die Kinder auf

außergewöhnliche Dinge.


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Herbstfarben schmücken

alte Buchenwälder im

Spessart.


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Das Spechtzeichen folgt dem Prozessionsweg nach

Mariabuchen, einem alten Gebäudekomplex. Neben der

Kirche läd die Buchenmühle zum Essen ein. Sie liegt

direkt in der Talsohle des Buchentals. Wir wanderten aber

weiter über die Rettersbacher Höfe in Richtung Halsbach.

Hier oben endet der Spessart und die fränkische Platte

mit ihren Wiesen und Feldern beginnt. Hinter Wiesenfeld

ragten eine Reihe Windräder in den Himmel. Sie sind

Zeugen der Energiewende, deren schnelle Realisierung

für unsere Kinder so wichtig ist. Die Agrarlandschaften

darunter bieten sich als Standort für regenerative Energien

geradezu an. Die weite Fernsicht endete, als wir hinter

Halsbach in ein bewaldetes Tal hinuntertrotteten. Der

Spessartwald hatte uns wieder.

Rechts: Auf dem Bergrücken

angekommen lockte

eine leckere Brotzeit an

der Schönrain.

Unten: Einsiedelhäuschen

hinter dem Halsbach


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Abenteuerspielplatz an

der Ruine Schönrain


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Nach der Brotzeit erkundeten die Kinder sofort das

alte Gemäuer. Von den Wanderstrapazen war plötzlich

keine Rede mehr. Ebenso von den Schmerzen an den

Füßen. Wir ließen die Kinder noch eine Weile spielen

und setzten eine halbe Stunde später unsere Wanderung

fort.

Nun ging es hinauf zur etwa einem Kilometer entfernten

Klosterquelle. Dort füllten wir unsere Trinkflaschen auf.

Von hier oben hatten die Mönche im Mittelalter eine

Steinrohrleitung verlegt und damit die Wasserversorgung

für das Kloster sichergestellt. Heute speißt die

Quelle einen kleinen Waldteich und dient Amphibien

und Libellen als Laichgewässer.

Oben: Die Klosterquelle

speißt einen kleinen

Teich mitten im Wald.

Blick von der Schönrain

auf die Mainschleife in

Richtung Lohr


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Blick von der Mainbrücke

auf die Dreifl üssestadt

Gemünden


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Kurz vor Massenbuch wird der Wald wieder durch Felder abgelöst und unsere

Blicke zieht es weit hinüber bis zur Homburg. Bei gutem Wetter kann

man sogar bis in die Rhön blicken. Uns blies jedoch der Wind ins Gesicht

und die Blätter tanzten vor unserem Weg auf und ab. Sie umrahmten ihn

dabei und wirkten teilweise wie ein Schneegestöber auf uns. Nun hörten

wir auch das Knarren der Nadelbäume wieder.

Die Markierung führte uns gleichzeitig sicher über alte Hohlwege hinab

bis nach Gemünden, unserem heutigen Ziel. Das Wetter hätte ruhig etwas

besser sein können, aber den Kindern schien es nichts auszumachen. Am

Huttenschloss wurden noch einmal die Regenjacken benötigt. Doch bis

zum Bahnhof war es ja nicht mehr weit.

Oben: Scherenburg

über der Dreifl üssestadt

Gemünden

Links: Huttenschloß mit

Wappen der Erbauerfamilie


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Main und Saale

An den Ufern des

Mains liegen zum

Teil wunderschöne

Buchten. Über sie

kann man mit dem

Boot bequem auf

das Wasser gelangen.

Am besten

findet wird man

diese Stellen aber

vom Wasser aus.


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Unsere heimischen Flüsse wie der Main, aber auch die fränkische Saale oder die

Wiesent laden zum Bootsfahren geradezu ein. Der Main ist dabei die Lebensader

unserer Region. Sein Name ist keltischen Ursprungs. Man nannte den Fluss damals

Moin oder Mogin und bezog sich dabei auf die Windungen des Flusses, der sich wie

eine Schlange durch die Landschaft windet.

Für den Main werden verschiedene Längen genannt, denn er hat mehrere

Ursprünge. Wenn man ihn von der Qelle des Roten Mains aus berechnet, ergibt sich

bis zur Mündung in den Rhein eine Fließlänge von 527 km. Von seinem kürzeren

Quellfluss, dem Weißen Main bis zur Mündung werden 518 km angegeben. Doch

auch die Regnitz könnte man mit einbeziehen, denn sie ist am Zusammenfluss

deutlich größer als der Main. Inklusiv der Rednitz kämen dann etwa 553 km zusammen.

Vor der Wiedervereinigung wurde der Main sogar als längster Fluss der BRD

genannt. Das Einzugsgebiet des Mains und seiner Nebenflüsse umfasst jedenfalls

eine Fläche von 27.292 km². Somit entwässert er den größten Teil Frankens.


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Die Route

Der Main ist nicht nur ein langer, sondern auch ein sehr schöner Paddelfluss.

Vor allem an seinem Oberlauf. Denn die Hauptschiffartsroute führt ab Bamberg über

den RMD-Kanal nach Nürnberg und weiter zur Donau. Auf dem Oberlauf zwischen

Bamberg und Kulmbach geht es dagegen wesentlich ruhiger zu.

Aber auch rund um den Spessart lässt es sich

hervorragend paddeln. Von gelegentlichem Um

tragen an den Staustufen einmal abgesehen,

kann auch der Mittlere- und der Untermain

schöne Abschnitte vorweisen. Hier wird der Fluss

auf der Strecke zwischen Gemünden und Lohr

beschrieben und am Ende auch der Unterlauf der

fränkischen Saale.


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Alles im Fluss

Juli 2020

Gemünden ist als Dreiflüssestadt überregional bekannt. Sinn und Saale treffen sich am Rande

dieser Stadt, um sich dort mit dem Main zu vereinen. Anschließend umfließt dieser im weiten Bogen

den Spessart und durchquert gleichzeitig den Landkreis Main-Spessart von Nord nach Süd.

Schon immer war der Fluss für diese Region bedeutend.

Er wurde am Ende namensgebend für den Landkreis.

Da ich dem Paddeln verfallen bin, war klar, dass

ich den Main, der meine Heimat geprägt hat, einmal

befahren würde.

Über den Sommer wollte ich den Abschnitt zwischen

Gemünden und Miltenberg in mehreren Etappen

erkunden. Bei herrlichstem Wetter startete ich Ende

Juli mit dem ersten Teilstück zwischen Gemünden

und Sackenbach und fuhr am Bootseinstieg an der

Einmündung der Saale los. Der Main war nach wenigen

Paddelschlägen erreicht. Ihm folgte ich nun und kam

bald an der Saaleinsel vorbei. Sie ist als „Tanzinsel“ im

Umkreis bekannt. Diese Landzunge zwischen Sinn und

Saale zieht sich weit in den Main hinein. Bis letztes Jahr

fanden hier noch rauschende Techno-Events statt.


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Doch durch die Corona-Pandemie hatte sich vieles

geändert. Ich paddelte gemütlich unter der neuen Mainbrücke

hindurch und tauchte in ein sattes Grün ein, das

am Ufer des Mains hinter der Stadt zunehmend nach

oben strebt. Etwa ab Wernfeld durchfließt der Fluss in

weiten Bögen den Spessart und seine markanten Mittelgebirgsrücken.

Diese stellen dem Gewässer Bollwerke

entgegen und haben ihn bei Gemünden am Äußeren

Berg im Laufe der Zeit zu einer scharfen Linkskurve

gezwungen und auch die 536 Meter hohe Sohlhöhe

drängt ihn nocheinmal weiter nach links ab. Wie eine

Schlange windet sich der Fluss nun zwischen den zum

Teil recht steil abfallenden Waldhängen hindurch und

geht mit ihnen eine Verbindung ein.

Ich mache am Ufer die ersten Bilder. Ein Kormoran sitzt

auf einem abgestorbenen Ast und hält Ausschau nach

seinem zweiten Frühstück. Mittlerweile ist es 9.30 Uhr

und die Sonne wärmt noch angenehm meinen Rücken

während eine leichte Brise von vorne kommt. Ich lege

mich ins Zeug und paddle mit kräftigen Schlägen vorwärts,

was zu hörbaren Geräuschen unter meinem Boot

führt. Kleine Wellen schlagen nun gegen mein Boot und

lassen so das typische Flair entstehen, das man sich

herbeisehnt, wenn man auf dem Wasser unterwegs

sein will. Das Schlagen der Wellen und der Wind suggerieren

auch einen Hauch von Geschwindigkeit, die

jedoch beim Paddeln nicht der Wahrheit entspricht.


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Zum Glück, denn bei etwa vier bis fünf Kilometern pro

Stunde wird ein ganz anderes Gefühl in uns geweckt.

Man ist dann eins mit der Natur, wie man so schön

sagt, und das liegt vor allem an der Geschwindigkeit,

mit der man sich fortbewegt. Sie entspricht exakt dem

Tempo beim Laufen und somit der Geschwindigkeit, mit

der wir als Menschen bereits am längsten auf der Erde

unterwegs sind. In den letzten 100.000 Jahren haben

sich daher auch unsere Sinne an diese Geschwindigkeit

bestmöglichst angepasst. Der Grund, warum wir die

uns umgebenden Eindrücke beim Wandern und beim

Paddeln mit maximaler Aufmerksamkeit aufnehmen

können, liegt genau an dieser Geschwindigkeit. Die

gesteigerte Achtsamkeit, die sich daraus ergibt, schulden

wir sogar diesen Fortbewegungsarten. Gleichzeitig ist

dies auch die Voraussetzung, um die Vorgänge in der

Natur bestmöglichst aufnehmen und Veränderungen beobachten

zu können. Und so wird das Schöne an diesen

Sportarten deutlich. Für Neulinge, die zum ersten Mal

auf einem Fluss unterwegs sind, ist dies durchaus ungewohnt,

denn bei vier bis fünf Kilometern pro Stunde wird

auch Langsamkeit sprürbar, die heute viele Menschen

wieder suchen. Wir fühlen, wie das Wasser mit uns fließt.

Wir bekommen auf langsamer fließenden Gewässern ein

Gespür für die Wasseroberfläche und für das Boot, mit

dem wir uns auf dem Fluss bewegen. Wir erfahren, dass

stärkere Paddelschläge zum schnelleren Drehen des

Bootes führen. Anschließend müssen wir gegensteuern

und unser Boot mit leichten Paddelschlägen an der zu

paddelnden Strecke ausrichten. Hinzu kommt oft noch

der Wind. Im ungünstigsten Fall muss man nämlich

gegen den Wind paddeln und dies kann bei stärkerem

Gegenwind, wie ich ihn an diesem Tag noch spüren

werde, durchaus anspruchsvoll sein, obwohl man

eigentlich den Fluss hinunterfährt. Das Wetter spielt also

beim Paddeln eine tragende Rolle. Doch in der Regel

gleitet man gemächlich dahin und kann dabei entschleunigt

das „Leben und Treiben“ am vorbeiziehenden Ufer

genießen. Bald war ich an der Furt bei Langenprozelten

angekommen.


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Hier überquerten die Menschen schon vor Jahrtausenden

den Fluss. Alte Straßen, wie zum Beispiel

die Birkenheiner Straße, die von Hanau in Ost-West-

Richtung über den Spessart bis nach Gemünden führt,

trafen hier auf Wege, die aus nördlicher Richtung auf

den Fluss zuführten, um hier in Langenprozelten auf die

andere Mainseite hinüberzuwechseln. Ein wichtiger Ort

also, der bereits bei Feldzügen der Römer ins feindliche

Germanien um die Zeitwende eine Rolle spielte. Auch

heute noch werden Fährdienste eingerichtet, wenn zum

Beispiel Brücken erneuert oder gebaut werden müssen.

Ich überquerte mit meinem Boot ebenfalls den Main

jedoch nur, um auf der Innenseite der Biegung auf dem

kürzeren Weg und zusätzlich iim Schatten weiter zu

paddeln.

Hinter Langenprozelten tauchten am linken Ufer Schilfgürtelsäume

auf. Sie haben hier die darunterliegende

Uferbefestigung überwachsen und zeigen so, dass die

Natur die Kraft hat, wieder zurückzukommen wenn wir

ihr dafür ein wenig Freiraum gewähren, Ursprünglich

war dieser Schilfbewuchs nämlich über weite Strecken

am Ufer des Mains die typische Vegetation.


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Wenig später konnte ich an der rechten Mainseite in

das V-Förmige Sinderbachtal hineinschauen und etwa

einen halben Kilometer nach der Schilfzone paddelte

ich an einer Stelle vorbei, an der einige Schafe bis an

den Main herangekommen waren, um ihren Durst zu

stillen. Bereits vor Neuendorf windet sich der Main mit

einer weitläufigen Rechtsbiegung. Er hat nun einen südlichen

Kurs eingenommen und seine Richtung um fast

180 Grad umgekehrt. Ich überquerte erneut den Fluss

und traf auf einen Fischreiher, der nicht gleich wegflog,

sondern mir die Gelegenheit für einen Schnappschuss

bot. Anschließend paddelte ich auf die ICE-Eisenbahnstrecke

zu. Die Brücke quert hier das Maintal zwischen

Nantenbach und Neuendorf. Ein Zug schoss wie aus

einem Kanonenrohr kommend aus dem Berg und störte

mit seinem unverkennbaren Lärm die Ruhe des Fischreihers,

der mir gerade so schön entgegengeschaut

hatte. Die idyllische Ruhe war schlagartig unterbrochen

und der Reiher, der mit seiner Familie eine Kolonie am

gegenüberliegenden Salzberg bewohnt, flog aufgeschreckt

davon. Schräg über der Brücke liegt die Ruine

Schönrain, die sich auf dem unten gezeigten Bild hinter

dem Blätterdach versteckt.


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Dabei hatten sie sich durch den Zuglärm nicht stören

lassen. Die friedliebenden Vögel strahlen generell eine

Ruhe aus, wie man sie im Tierreich nur selten beobachten

kann. Möglicherweise liegt es daran, dass sie so

gut wie keine natürlichen Feinde besitzen. Sobald sie

auf dem Wasser sind, trifft dies sogar zu 100% zu. Ich

genoss es, dieser Familie beim Fressen zuzuschauen.

Gelegentlich tauchte am Himmel eine weiße Wolke auf.

Ich nahm einen Schluck aus meiner Trinkfl asche und

paddelte gemütlich weiter. Noch ein letztes Mal drehte

ich mich um und schaute zurück. Doch dann passierte

etwas Überraschendes.

Nach einigen hundert Metern war die Brücke bereits

nicht mehr zu sehen, doch vom Sporn des Geißbergs

blickte mir beim Zurückschauen noch einmal die Ruine

Schönrain entgegen, deren Gemäuer der Leser ja bereits

aus den vorherigen Wandererzählung kennt. Direkt

darunter sah ich zwei weiße Schwäne graziös am Ufer

entlangziehen. Sie zeigten ihren Jungen, was es hier so

alles zu fressen gibt.


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Zwischen Gemünden

und Lohr durchfl

ießt der Main den

östlichen Spessart,

nachdem er von der

massiven Solhöhe,

die sich auf 536

Meter erhebt, nach

Süden hin abgedrängt

wurde.


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Während es weiter den Fluss abwärts geht, werde ich

nur wenige Augenblicke später erneut überrascht. Ein

Eisvogel fliegt plötzlich mit einem schrillen Pfiff aus der

Ufervegetation heraus und eilt den Main hinab. Diese

schönen Vögel sind sehr schnell in der Luft unterwegs

und man bekommt sie daher nur selten zu Gesicht.

Sie werden deshalb auch als fl iegende Edelsteine bezeichnet,

denn ihr schimmerndes türkisblaues Gefi eder

hebt sich deutlich von den Farben der Uferbereiche ab.

Wenn die türkiesen Federn noch dazu wie an diesem

Tag von der Sonne angestrahlt werden, kann man die

Bezeichnung Edelstein leicht nachvollziehen. Doch

nach Sekundenbruchteilen ist der Schönling wieder im

Gebüsch verschwunden.

Ein paar Mal habe ich diese schönen Vögel bereits fotografieren

können und ich möchte dem Leser an dieser

Stelle meine Bilder nicht vorenthalten.

Wenige Paddelschläge später hatten meine Augen ein

schönes wippendes Gelb auf den dunkelgrauen Granitfelsen

des Uferrandstreifens entdeckt. Auf den zweiten Blick

kamen weitere gelbe Farbkleckse hinzu. Mit einem kurzen

Piep gaben sie sich zu erkennen. Es war eine Gruppe

Schafstelzen, die das Ufer nach Insekten absuchten. Sie

flogen wie bestellt in kleinen Bögen immer wieder vor meinem

Boot hin und her und begleiteten mich so ein Stück.


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Ausladende Weidenäste

ragen weit

über die Wasserfläche

auf den Main

und vermitteln uns

ein Stück Ursprünglichkeit

dieser stark

befahrenen Wasserstraße.


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Wenige Paddelschläge später hatten meine Augen ein

schönes wippendes Gelb auf den dunkelgrauen Granitfelsen

des Uferrandstreifens entdeckt. Auf den zweiten

Blick kommen weitere gelbe Farbkleckse hinzu. Mit einem

kurzen Piep gaben sie sich zu erkennen. Es war eine

Gruppe Schafstelzen, die das Ufer nach Insekten absuchten.

Sie flogen wie bestellt in kleinen Bögen immer wieder

vor meinem Boot hin und her und begleiteten mich so ein

Stück. Doch auch sie wurden bald gestört. Ein Motorboot,

dass an mir vorbeifuhr, vertrieb sie mit den Wellen, die an

das Ufer schwappten. Mir wurde dabei klar, wie wichtig

diese künstliche Befestigung entlang der Wasserstraße

Main eigentlich ist und warum sie angelegt wurde. Ohne

die schweren Steine würden die Randzohnen viel zu

schnell erodieren, da sie durch den Wellenschlag der

Motorboote und Schwerlastschiffe stetigen Belastungen

ausgesetzt sind.

Zusätzlich hat der Main eine ausgebaggerte Fahrrinne,

die ihn zusammen mit der Randbebauung und den Staustufen

leider zu einer künstlichen Wasserstraße gemacht

haben. Die Schafstelzen kehrten nach einer Weile wieder

an das Gewässer zurück. Viele Wanderfische konnten dies

leider nicht.

Noch einmal forderte mich der Fluss. Vom Buchberg und

dem Lohrer Talkessel blies mir starker Wind entgegen.

Auch die fehlende Strömung der näher kommenden Staustufe

Sackenbach, einem Stadtteil von Lohr half nun dazu,

dass ich kaum mehr vorwärts kam. Mit höchster Kraftanstrengung

schob ich mit meinem Paddel das Wasser nach

hinten und kam dabei kaum noch vorwärts. Entsprechend

abgekämpft und naß erreichte ich meine Ausstiegstelle.

Ich hätte nicht gedacht, dass die drei Kilometer von Nantenbach

bis hierher doch so anstrengend sein würden.


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Familienpaddeln auf der fränkischen Saale

Die fränkische Saale ist mit einem Zweierboot ab Bad Kissingen zwar generell befahrbar,

jedoch im Oberlauf bei meist niedrigem Pegelstand problematisch. Ich habe daher den

Fluss ab Hammelburg befahren. Von hier aus sind es nach Gemünden knapp 30 km Paddelstrecke,

die in zwei Tagen geschafft werden können. Wenn Sie mit Kindern paddeln

möchten, sollten sie mit kurzen Strecken beginnen. Hier ist bereits das Aufpumpen des

Bootes ein Erlebnis. Neben der richtigen Einweisung über die Gefahren auf dem Fluss

(Strömungen, Wehre usw.), sollten die Kinder unbedingt ruhig im Boot sitzenbleiben. Auch

das Tragen einer Schutzweste, die es extra für Kindergrößen zu kaufen gibt, ist ein Muss.

Lassen Sie gelegentlich die Kinder paddeln, auch wenn dadurch die ein oder andere Uferkontakt

nicht ausbleibt. Nur so bekommen sie ein Gefühl für Boot, Fluss und Strömungen.


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4

2

5

3

1

Selbst beim Treideln, so nennt man das Untragen der Wehre, haben die Kinder ihren Spaß.

Gönnen Sie ihnen zwischen den Paddelstrecken jedoch ausgiebige Pausen zum Spielen,

da sie im Boot ja ruhig sitzen bleiben müssen. KENTERN dürfen Sie mit Kindern gar nicht!

Einstiegsmöglichkeiten:

1

5

In Wolfsmünster am Ortseingang links.

Wenn Sie hier starten und bis nach

Gemünden fahren, müssen die Boote an

zwei Stellen umtragen werden. Dieser

Abschnitt kann mit Kindern befahren werden.

Weitere Einstiege sind in Gräfendorf, an der

Roßmühle und in Diebach möglich. Es

steigen dann die Anzahl der Wehre, die zu

umtragen sind, und die Paddelstrecke.

Von Hammelburg aus sind es etwa 29 km

und 7 Wehre.


46 Seite

Mit dem Rad durch das Sinntal

Mai 2011

Es war ein halbes Jahr vergangen. Der Frühling war mit voller Kraft am Werk und so konnten wir

schon in den Osterferien unseren Weg durch die Heimat fortsetzen. Wir starteten direkt hinter

dem Huttenschloss und radelten entlang der Fränkischen Sinn in Richtung Norden.

Auf einem Damm, der Schutz gegen das alljährliche

Hochwasser bildet, starteten wir unsere Radtour. Das

Wetter war perfekt an diesem Morgen. Frisches Grün

hatte die Bäume bereits komplett geschmückt und wir

waren bald am Gemündener Anglersee angelangt.

Da wir unbedingt die bekannten Schachblumen

betrachten wollten, hielten wir uns aber nicht lange am

See auf.

Bald erreichten wir die ersten ausgeschilderten Blumenfl

ächen. Die unter Naturschutz stehende Schachblume

blüht im Frühling in herrlichem Lila. Da sie auf

Überfl utungsperioden angewiesen ist, fühlt sie sich

hier im Sinntal sehr wohl. Der natürliche Flusslauf der

Sinn stellt ideale Voraussetzungen für ihr Wachstum

zur Verfügung. Das Tal ist aufgrund des zahlreichen

Vorkommens dieser Blume einzigartig in Deutschland.


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Im Tal der Schachblume

Wir machten einige Fotos von einer Gruppe Lupinen, die

am Radweg blühten und radelten weiter. Dabei unterquerten

wir die ICE-Strecke. Die Züge brausen hier von Tunnel

zu Tunnel durch den Nordspessart. Dazwischen werden

sie auf rießigen Betonpfeilern über die Täler geschleust.

Oft erschrickt man, wenn wieder ein weißer Pfeil aus

einem Tunnel herausschießt. Doch die Bewohner haben

sich mit dem Steckenverlauf mittlerweile arrangiert. Als

nächstes erreichten wir Schaippach. Der Ort kann auf

ei ne 1200-jäh ri ge Ge schich te zu rück bli cken. Denn wie

eine Ur kun de belegt, wurden bereits 812 Be sit zun gen zu

„Sce ip bach“ dem Klos ter Ful da übertragen. Ein gewisser

Reginfrid ver schenk te dabei nicht nur ei ne Neu ro dung mit

Län de rei en und ste hen den sowie flie ßen den Ge wäs sern,

son dern auch die dort be schäf tig ten Un ter ta nen Na mens

Hei u u ig, Al trat, He ri muot, Per aht ni u ui mit zwei Kin dern und

Per aht lind mit al len le bens not wen di gen Sa chen. Aus gestellt

wur de die se Ur kun de im Klos ter Ful da. Warum ich

dies erwähne, hat einen Grund. Es ist einer der ältesten,

urkundlich nachweisbaren Orte in unserem Landkreis Main-

Spessart. Später zählten die Gra fen von Rieneck den Ort

Schaippach zu ihrem Be sitz, nachdem sie um 1150 Burg

und Stadt Rieneck zum Mit tel punkt ih rer Herr schaft machten.

Zusätzlich belegen einzelne archäologische Funde

aus der Umgebung eine Besiedlungsgeschichte, die bis

in die Steinzeit zurückreicht. Doch die Bevölkerung wuchs

bis heute überschaubar, sodass wir immer noch von einer

relativ intakten Natur umgeben sind. Es ist der Spessart,

ein Naturwunder, das direkt vor unserer Haustür liegt.

Ganz oben:

Burg Rieneck

Links und oben:

Schachblume im

Naturschutzgebiet

Sinntal

Ganz Links: Lupinen


48 Seite

Wir überquerten eine alte Brücke und es dauerte nicht

lange, als wir plötzlich in der Ferne die Rienecker

Stammburg erblickten. Sie schaut von einem Felssporn

herunter und überwachte einst die Weiten des Sinntals.

Die Stadt Rieneck liegt direkt unter der Burg. Eine alte

Sandsteinbrücke führt vom Wiesengrund in die Altstadt.

Im Tal wurde mittlerweile eine Umgehungsstraße um

die Stadt gebaut. Wir radelten an der Stadt vorüber und

das schöne Sinntal weiter hinauf.

Auf seinem ansprechensten Teilstück zwischen Rieneck

und Burgsinn breiten sich die Wiesenlandschaften

weit sichtbar aus. Einzelne Pappeln und Erlen stehen

in den Talauen und der Biber hat sich dort sein Reich

wieder zurückerobert. An vielen Stellen fanden wir seine

Spuren. Er legt Dämme an und sorgt so gebietsweise für

Stauwasser, die zum einen fördernd für die Schachblumen

im Naturschutzgebiet sind und zum anderen der

Artenvielfalt dienen. Das 380 Hektar große Naturschutzgebiet

an der Sinn reicht bis hinauf nach Altengronau.


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Manchmal fl og eine Wasseramsel dicht über der Oberfläche

den Bachlauf entlang. Ihre weiße Kehle verrät sie

oft schon von Weitem.

Inzwischen waren Wolken aufgezogen. Mit ihnen war es

auch schwül geworden. Die Mücken ärgerten uns stetig

während die Bachstelzen, die am Ufer entlangwippten,

die Plagegeister in ihren Schnäbeln für den Nachwuchs

sammelten. An einer überdachten Bank machten wir

Brotzeit. Die Kinder saßen mit Kerstin schon unter einem

Dächlein und waren so dem kurzen Schauer entgangen.

Ich hatte es nicht geschafft. Der Drang zum Fotografieren

war stärker gewesen und so hatten mich die großen

Tropfen noch vor dem Unterstand erreicht. Frisch gestärkt

und wieder trocken ging es weiter. Vor Burgsinn

bewunderten wir noch einen Standort voller Kuckucks-

Lichtnelken, die in einem Halbkreis am Wegrand wuchsen.

Das herrliche Lila bildete einen guten Kontrast zum

saftigen Grün der umliegenden Wiese.


50 Seite

Parkanlage am

Wasserschloss in

Burgsinn


Seite 51

Wir erreichten Burgsinn. Hinter der alten Wasserburg

kamen wir an einem kleinen Park vorbei, der uns zur

erneuten Rast einlud.

Bereits um 1000 kannte man Burgsinn als Siedlung,

doch erst ab 1334 wurde hier verstärkt gebaut. Die

links gezeigte Wasserburg stammt aus dem Jahr 1339.

Der 22 Meter hohe Bergfried mit seinen zweieinhalb

Meter dicken Mauern wird jedoch schon auf das 12.

Jahrhundert datiert. 1405 übernahm Wilhelm von Thüngen

die Wasserburg. 10.000 Gulden musste er dafür

an das Würzburger Erzbistum bezahlen, so jedenfalls

informierte uns eine Infotafel im Park.

Auch dem neuen Schloss, das etwas nördlicher verborgen

am Waldrand liegt, statteten wir einen Besuch ab.

Danach radelten wir wieder nach Gemünden zurück.

Als wir endlich die Scherenburg über Gemünden sahen,

freuten wir uns. Vor allem die Kinder traten fleißig in

die Pedalen, denn ihnen hatten wir versprochen, am

Marktplatz zum Abschluss ein Eis zu essen.

Unsere Geschichte verlässt hier nun den Naturpark

Spessart mit seinen alten Eichen- und Buchenwäldern

und seinen schönen Talauen. Doch eine Reise per

Pedes hindurch hinterlässt ihre Spuren. Viele Tier- und

Pflanzenarten gibt es dort zu entdecken. Sie füllen ein

eigenes Buch, das ich geschrieben habe und auf der

folgenden Doppelseite kurz vorstelle. Anschließend

verlassen wir den Spessart und wandern in Richtung

Nordosten weiter.


52 Seite


Seite 53


54 Seite

Rhöndurchquerung

Außergewöhnliche

Gesteinsformationen

sind über die

Hochlagen der Rhön

verteilt. Bei den hier

gezeigten „Prismenwänden“

handelt es

sich um erkaltetes

Basaltgestein, das

im Jungtertiär vor

etwa 20 Millionen

Jahren aus dem Erdmantel

in Aufstiegsschloten

nach oben

geschoben wurde.


Seite 55

Wer vom Spessart aus in die Rhön läuft, wird Zeuge erstaunlicher Veränderungen,

die sich beim Blick unter die Füße zeigen. Denn die Gesteinsarten wechseln sich

gleich mehrmals ab. So folgt nach dem Sandsteinuntergrund erst Kalk und später

Vulkangestein. So findet man von Bad Neustadt bis hinauf nach Bischofsheim entlang

der Brend ausschließlich Buntsandstein. Im Umfeld der Saale wird der Sandstein,

der nördlich von ihr vorkommt, vom Kalk im südlichen Bereich getrennt.

Diese Trennung kann man entlang der fränkischen Saale von Hammelburg bis

nach Bad Kissingen an den Berghängen sehr schön erkennen. Nördlich davon

schließt sich die Hohe Rhön an. Deren Vulkanreste aus Basalt, die heute noch in

Form von Polygon-Säulen in der Landschaft zu sehen sind, haben sich mit der Zeit

durch Hebungen des Untergrundes schräg gestellt. Durch die an der Oberfläche

stattfindenden Verwitterungsprozesse zerfallen die Basaltlager im Laufe der Zeit

immer mehr zu Blockmeeren. Basaltprismen, wie sie auf der vorherigen Seite zu

sehen sind, können nördlich von Bischofsheim und um Oberelsbach besichtigt

werden. Diese erdgeschichtlichen Vorgänge haben die Bergkuppen der knapp

1000 Meter hohen Rhön entstehen lassen, die sie heute prägen. Diese Landschaften

der „Offenen Fernen“, wie die Rhön heute genannt wird, durchziehen viele

Wanderwege wie zum Beispiel der „Hochröhner“, auf dem unsere Geschichte

basiert. Er ist einer von vielen Wanderwegen, die der Rhönclub immer wieder neu

markiert und so für die nächsten Generationen erhält.


56 Seite


Seite 57

Die Route

Wir verlassen jetzt den Sinngrund. Von Burgsinn aus führt der Rhön-Höhenweg bis hinauf

zum Kreuzberg mit seinen 928 Metern, der höchste Berg in Unterfranken. Weiter ging es

dan bis nach Unterebersbach, das an der Fränkischen Saale liegt.

Die Grenze zwischen Rhön und Spessart erreichen

wir jedoch erst kurz vor Roßbach. Herrliche

Höhenzüge mit Weitblick zeichnen dann den

Weg ab Roßbach aus. Denn nun führt er uns

weiter in die Hochröhn hinauf, die wie der Spessart

viele Naturschönheiten zu bieten hat. Mit

dem Rad ging es weiter zur Saalequelle und über die

Haßberge bis hinunter nach Bamberg.


58 Seite

Die Weiten der Rhön

April 2011

In den Osterferien hatte Petrus ein Einsehen gehabt. Für die folgenden Tage war herrlichstes Wetter

gemeldet. Die Apfelbäume blühten bereits und schmückten die Streuobstwiesen mit ihren

traumhaften Farbtönen in weiß-rosa. Wir beschlossen daher, die schönen Tage zu nutzen.

In Burgsinn lag der Rhön-Höhenweg am nächsten Tag

vor uns. Sein Verlauf sollte die ganze Familie bis auf den

Kreuzberg führen. Doch zuerst einmal ging es bergauf

und wir kamen bald ins Schwitzen. Zum Glück war der

Waldrand bereits zu sehen und wir nahmen einen kräftigen

Schluck aus der Wasserflasche. Der anschließende

Hohlweg ließ sich danach schon viel angenehmer laufen.

Die Steigung wurde geringer und im Halbschatten der

Bäume suchten wir Schutz vor der Sonne.


Seite 59

Wir begannen wieder ein wenig zu erzählen. Nach einer

Weile aber bemerkten wir, daß Jan immer weiter abfiel.

Nachfragend erfuhren wir den Grund. Seine Versen

taten ihm weh. Wir schauten uns an und ahnten Schlimmes.

Wir blieben stehen setzten die Rucksäcke ab. Als

Jan den Schuh auszog, wurde das Malheur sichtbar.

Er hatte sich in seinen neuen Schuhen rechts und links

Blasen gelaufen. Sofort wurde die Rucksackapotheke

herausgekramt. Die bewährten Blasenpflaster kamen

zum Einsatz. Nach einer kleinen Brotzeit ging es dann

etwas besser. Wir merkten jedoch, dass es keine Freude

für Jan war, auf der Strecke nach Roßbach den ewig

geraden Schotterweg entlangzulaufen.

Oft sahen wir am

Wegrand schöne Blüten,

wie das Waldveilchen

oben. Das Kleeblatt links,

das die Kinder fanden,

hatte eine ganz außergewöhnliche

Maßerung.


60 Seite

Jetzt hieß es alle Register ziehen, um Abwechslung ins

Spiel zu bringen. Wir suchten Schleichwege abseits der

Schotterstraße. Diese Idee brachte jedoch nicht viel.

Außer einer schönen Lichtung fanden wir nur Kleinigkeiten

am Boden. Auch mit kleinen Geschichten konnten

wir kaum Begeisterung wecken.

Doch bald erreichten wir Roßbach und ließen uns auf

einer Bank am Ortseingang nieder. Herrlich konnten

wir von hier aus hinauf in die Rhön schauen. Bis zum

Horizont sahen wir mit Löwenzahn übersähte Wiesen

inmitten des Frühlingsgrüns. Zu unserem Zeltplatz war

es jetzt nicht mehr weit. Unsere Planung sah eine Wiese

in der Nähe eines kleinen Sees vor. Als wir diesen

erreichten, konnten wir ihn leider aber nur von außen

bewundern.

Oben:

Kurze Trinkpause vor der

letzten Etappe nach

Roßbach

Links: Ein Holzmännlein

begrüßte uns gleich am

Ortseingang.


Seite 61

Der See war eingezäunt und Teil eines größeren Privatbesitzes.

Hinter dem Anwesen schien aber eine Wiese

geeignet zu sein und wir beschlossen, den Besitzer

zu fragen. Ein Bauer im Hof nebenan hatte jedoch

eine bessere Idee. Er stellte uns seine Wiese für die

Zeltübernachtung zur Verfügung. Vor allem waren die

Kinder heilfroh, denn auch Lena zeigte Müdigkeit vom

Laufen. Die letzten Meter und wir hatten es geschafft.

Die Kinder legten sich auf die Wiese und wir holten die

Trinkflaschen heraus. Im nu kehrte wieder Fröhlichkeit

ein. Kaum hatten wir das Zelt aufgebaut, rannten die

Beiden schon wieder um unser Lager.


62 Seite

Würfelspiele auf der

Isomatte, Tee und Kaffee

mit Keksen, Sonnenschein

und gute Laune

und zusätzlich eine

grandiose Aussicht.

Schöner kann ein

Wandertag nicht enden.


Seite 63

Ohne die Schuhe merkte Jan die Blasen kaum noch,

doch für den nächsten Tag brauchten wir noch eine

Lösung. Jetzt wurde aber erst einmal entspannt. Ich

holte im Dorf vier volle Wasserfl aschen, während Kerstin

mit den Kids die Isomatten ausbreitete. Als ich wiederkam,

saßen die drei bereits in der Sonne und freuten

sich riesig auf die bevorstehende Zeltübernachtung.

Wir genossen einen Kaffee im Gras und spielten mit den

Kindern. Der Rest des Nachmittags verging wie im Flug.

Wir hatten unsere Schlafsäcke bereits zum Lüften in das

aufgebaute Zelt gelegt, sodass sie am Abend schön flauschig

sein würden und ließen uns anschließend von den

Sonnenstrahlen die müden Füße wärmen. Unterdessen

steigerte sich die Vorfreude auf das Abendessen.

Schließlich sollte unsere Wanderung ein erster Test für

unsere Lapplandtour im Sommer sein. Endlich wieder

einmal in Europas Norden fahren. Eine achttägige

Wanderung auf dem Kungsleden stand auf unserem

Plan, daher auch die neuen Schuhe, die vorher getestet

werden mussten. Auch unser Kocher fiel durch den

Test. Erstaunlich, welchen Hunger doch so eine Wanderung

auslöst. Im Handumdrehen war der Topf mit

dem Nudelgericht leer. „Da dürfen wir ganz schön was

mitschleppen, um jeden Tag satt zu werden“, meinte

Kerstin abschließend. Der Topf war für unsere Zwecke

mit vier Personen viel zu klein. „Dann gibt es eben

einen neuen“, meinte ich. Nach dem Essen wurde es

langsam kühl und der Tag endete mit ein paar Gummibärchen

vor dem Zelt. Freudestrahlend hüpften Jan und

Lena ins Zelt und krochen in die Schlafsäcke.


64 Seite

Am nächsten Tag, als wir aus dem Zelt krochen, stand

die Sonne bereits zwei Finger breit über dem Horizont.

Über Nacht hatte sich eine ganze Menge Kondenswasser

unter dem Außenzelt gebildet. Jeder Schritt musste

daher beim Verlassen des Zeltes gut überlegt sein, wenn

man keinen nassen Rücken bekommen wollte. Nach

dem Wachknuddeln frühstückten wir. Dazu wurde Tee

gekocht und Kerstin schmierte mit Lena die Nutellabrote.

Jan und ich bauten in der Zwischenzeit das Zelt ab. Nach

dem Frühstück wurde alles in die Rucksäcke verstaut.

Wir schauten uns noch einmal die Blasen an. Das sah

nicht gut aus. Jan wollte auf keinen Fall mehr die Schuhe

anziehen und drängte darauf, mit seinen Flip Flops

weiter zu laufen.

Wir wollten es probieren und liefen los. Wie ein neuer

Mensch trappste Jan froh neben uns erzählend her.

Auch schien ihm das nasse Gras nichts auszumachen.

Zügig hatten wir die Felder überquert und erreichten

bald Weißenbach. Die Apfelbäume standen reihenweise

in voller Blütenpracht in den saftigen Wiesen. An der

Hauptstraße angekommen, hatten wir dann Probleme

den weiteren Verlauf des Rhön-Höhenwegs zu fi nden.

Nach mehrmaligem Hin- und Herlaufen war die Sache

dann wieder stimmig und wir folgten dem roten Tropfen

auf weißem Grund erneut. Felder säumten unseren

Weg und bald erreichten wir den Waldrand. Nach sechs

Kilometern in Jans wackeligen Sandalen merkten wir,

dass die geplanten zwölf Kilometer heute nicht zu

schaffen waren.

Oben und links:

Impressionen am

Weißenbacher Schloß.

Dort mussten wir auf

Wegsuche gehen.

Direkt am Blauen Turm

(ganz links) hatten wir das

Wegzeichen verloren.


Seite 65

Wir erzählten den Kindern weitere Geschichten aus

Nepal, wo die Sherpas ganze Kühlschränke mit diesem

Sandalen durch die Gebirge tragen, doch es half nichts.

Während einer kurzen Rast entschieden wir uns für

Plan B.

Die mitgebrachten Ostereier wurden verzehrt und der

letzte Anstieg in Angriff genommen. Es folgte noch ein

kurzes Stück bis hinunter zu einem kleinen Sägewerk.

Auf einer schönen Wiese hinter den Häusern ließen

sich die drei nieder. Ohne Gepäck eilte ich anschließend

den Dreistein hinauf, denn einer musste ja die

Tour fertiglaufen, um mit dem Auto den Rest wieder

abzuholen. Wir hatten es auf einem Parkplatz bei Bad

Brückenau abgestellt.

Auf dem Dreistein angekommen, genoss ich für einen

Moment die Stille auf der Aussichtskanzel des Bergs.

Mein Blick schweifte hinunter bis in den Spessart. Ich

sah die Höhenzüge, auf denen wir entlanggelaufen

waren. Auf der gegenüberliegenden Seite lag Bad Brückenau

unten im Tal und dahinter die Hochrhön. „Dort

drüben könnte es bald weitergehen“, dachte ich. Nachdem

ich die Stahlkonstruktion des Turms verlassen

hatte, eilte ich bergab, querte die Straße und war bald

am Auto angekommen. Der Rest ist schnell erzählt. Die

Kinder warteten schon ungeduldig. Doch im Sitzen traf

ich sie nicht an. Beide tollten auf der Wiese hin und her.

Oben: Ein Hochsitz mit

Weitblick. Darunter: eine

große Gruppe Waldmeisterblüten

bedeckte den Boden

unter dichtgewachsenen

Buchen am Wegrand.

Links: Ausblick vom Dreistein

nach Bad Brückenau.


66 Seite

Durch die Hohe Rhön

Oktober 2011

Unsere Herbsttour, die über den 3. Oktober stattfinden sollte, hatten wir bereits im Frühjahr geplant.

Damals schauten wir sehnsüchtig hinüber zu den Kuppen der Hohen Rhön. Eine Woche vorher war

dann das Wetter bereits perfekt gewesen. Ob es auch so bleiben würde? Ich bangte jeden Tag.

Wozu haben wir schließlich einen Camper, dachte ich. Lena saß neben mir, während

Jan und Kerstin mit der A-Klasse unterwegs waren. So hatten wir es abgemacht. Eine

Anreise mit der Bahn wie im Spessart wäre für die Rhön nicht möglich gewesen, was

wir sehr bedauerten. Bei herrlichem Sonnenuntergang fuhren wir mit der Sonne im

Rücken das fränkische Saaletal hinauf.

Hammelburgs schönes Schloss glitzerte im Abendlicht und auch die bewaldeten Hänge

unter der Trimmburg leuchteten in herrlichen Orange- und Gelbtönen. Die Sonne

verschwand bald und wir ruckelten einem litauischen LKW bis kurz vor Ebersbach

hinterher.

Die Arbeitswoche verging und das Hoch hielt. Freitags starteten wir endlich in Richtung

Bad Neustadt. Durch die Anfahrt am Abend sparten wir locker zwei Stunden, die wir am

nächsten Morgen als Reserve für den ersten Wandertag einplanen konnten.

Als wir endlich abbiegen konnten, war es bereits stockdunkel. Mühsam schlängelten

wir uns durch enge Gassen und parkten am Sportplatz in Ebersbach. Hier wollten wir

in drei Tagen unsere Tour beenden. Nach einer deftigen Brotzeit im Camper ging es ab

in die Betten.


Seite 67

Wir schliefen sehr gut in dieser Nacht, doch bereits um

7 Uhr 30 tollten die Kinder gut gelaunt durch die Federbetten

im hinteren Teil unseres Campers. Wir machten

uns in der Zwischenzeit daran, die Übernachtungsutensilien

zu verstauen. Den Camper wollten wir in Ebersbach

stehen lassen und später, nach unserer Wanderung

wieder abholen.

Nach dem Frühstück fuhren wir mit unserem Kleinwagen

in Richtung Bad Neustadt und anschließend weiter nach

Bad Brückenau. Wir starteten unsere Wanderung am

gleichen Parkplatz, an dem wir die letzte Tour im Mai

beendet hatten. Schnell war der erste Höheabschnitt

überwunden. Die Verkehrsgeräusche hinter uns lassend,

standen wir an einer ersten Hinweistafel, welche die

Umgebung näher beschrieb. Auf dem benachbarten

Basaltkegel, dem Mettermich, wurde eine keltische

Höhensiedlung nachgewiesen. Aber auch die fruchtbaren,

leicht nach Süden abfallenden Felder um uns herum

waren schon ab 812 besiedelt, wie auf einem Schild zu

lesen war. Das heutige Oberleichtersbach ist somit der

älteste genannte Ort der südlichen Rhön.

Unten: Nach dem ersten

kurzen Anstieg trennten

wir uns von den Hosenbeinen.

An Maisfeldern

und Heckengehölzen

vorbei ging es hinunter

nach Breitenbach.


68 Seite

Rapsfelder so weit das

Auge reicht. In der Hohen

Rhön sind sie oft anzutreffen.

Sie leuchten dann bei

Sonnenschein das

Offenland manchmal bis

zum Horizont aus.


Seite 69

Die leckeren Birnen und Äpfel am Ortseingang von

Mitgenfeld waren ein guter Grund für eine erste kleine

Pause. Jan kickte die herabgefallenen Birnen beim

Weiterlaufen die Hauptstraße hinunter, während Lena

und Kerstin versuchten, die süßeste Frucht aus unserer

„Auflese“ ausfindig zu machen. Wir verließen nach Mitgenfeld

die Straße und passierten herrlich gelb blühende

Ackersenf-Felder. Ein großes Bienenhäuschen gleich

nebenan wurde emsig umflogen. Wir blieben daher auf

sicherem Abstand. Bald folgte ein Anstieg, der uns an

Streuobstwiesen und Hagebuttenhecken vorbei gehen

ließ. Anschließend führte uns der Weg durch ein kurzes

Waldstück. Am Ende hörten wir bereits die Autobahn

und unterquerten diese in Folge. In heißer Mittagssonne

erreichten wir Schildeck und freuten uns bereits auf das

nahe Naturschutzgebiet „Schwarze Berge“. Dieser waldreiche

Ausläufer der Hohen Rhön beginnt hinter dem Ort

Schildeck. Wir tauchten in den kühlen Wald ein.

Links:

Bienenstaaten bei der

Arbeit. Hier sammeln die

Fleißigen Völker ihren

Blütenstaub auf weiten

Acker-Senf-Wiesen.


70 Seite

1

2

Impressionen auf dem Rhön-Höhenweg NSG Schwarze Berge

3

1

2

3

Drehmoos

Zunderschwamm

Waldameisenbau


Seite 71

Die Schwarzen Berge sind ein waldreicher Ausläufer

der Hohen Rhön. Das Naturschutzgebiet beginnt hinter

dem Ort Schildeck. Wir tauchten in den kühlen Wald

ein und eine abwechslungsreiche Vegetation begegnete

uns. Unzählige Moose und Flechten waren am Wegrand zu

bestaunen. Riesige Ameisenkolonien sorgen hier für eine

funktionierende Reststoffverwertung. An einem Wegweiser

war unser Mittagspausenziel bereits angeschrieben.

„Nur noch ein kurzes Stück zum Würzburger Haus“, rief

ich in die Runde. Wir verließen den kühlenden Wald nach

einer kurzen Trinkpause und überquerten anschließend eine

weitläufige Lichtung. Ein herrlicher Blick in Richtung Süden

überraschte uns.


72 Seite

Herrliche Ausblicke bietet

die Hohe Rhön wie hier

am östlichen Ende der

Schwarzen Berge.


Seite 73

Wir folgten weiter unserer Markierung, dem „Rhöntropfen“

und wieder ging es steil bergauf. Alte Buchenriesen

säumten den Weg hinauf zum Steinernen Meer. Diese

Bezeichnung ist auf das Basaltgestein auf den weitläufigen

Bergrücken zurückzuführen.

Die Kinder waren vom abwechslungsreichen Streckenverlauf

begeistert. Sie schmiedeten bereits Pläne, was

sie mit den vielen Tannenzapfen und Stöcken heute

Mittag basteln könnten. Auch wir waren erleichtert,

dass es den Kindern hier so gut gefiel. Aber es lag nicht

nur an der Natur. Das schöne Wetter spielte auch eine

große Rolle, doch vor allem gab es dieses Mal keine

Fußbeschwerden.


74 Seite

Oben angekommen ruhte sich eine Gruppe Rhönschafe

unter einem Baum aus. Es kam mir vor, als warteten sie

nur darauf, von uns fotografi ert zu werden.

Gleich dahinter ein herrlich leuchtender Strauch mit

knallroten Beeren. Und immer wieder wanderten wir an

Aussichtsfenstern vorbei, die uns Ausblicke über die

Weiten der Rhön ermöglichten.

Die roten Herbstfrüchte

des Gemeinen Schneeballs

glänzen in der

Sonne.


Seite 75

Wir überquerten einen Parkplatz kurz vor dem Würzburger

Haus und fanden eine weitere außergewöhnliche

Pflanzenart vor, die unsere Kinder unbedingt näher untersuchen

mussten. Es handelte sich um die abgeblühten

Stängel des Schmalblättrigen Weidenröschens, die

von der Sonne angestrahlt in hellem Weiß leuchteten.

Ihre flauschigen Röllchen sahen aus wie Watte.

„Da hinten ist die Hütte“, rief ich den Kindern zu, die

immer noch mit den Weidenröschen beschäftigt waren.

Hier wollten wir Mittagspause machen. Neben der Hütte

fanden wir ein schönes Plätzchen. Ich holte uns Getränke

und die Kinder packten unser Vesper aus.


76 Seite

Direkt hinter der Würzburger Hütte wehte die unterfränkische

Fahne und schmückte den Höhenzug der

hessischen Kuppenrhön am Horizont dahinter. Zu

dieser Aussicht schlemmten wir leckeren Heidelbeerkuchen.

Keiner will bei diesem Panorama noch mal

aufbrechen. Doch unser Weg für den heutigen Tag

war noch nicht zu Ende. Zunächst ging es noch einmal

in den Wald und ein Holzgesicht streckte uns seine

Zunge entgegen. Anschließend kamen wir an einem

Basaltwerk vorbei. Tief blickten wir hinunter in eine mit

Wasser gefüllte Abbaugrube.


Seite 77

Der Rhön-Höhenweg führte nun weiter bergauf. Eine

weite Hochebene breitete sich vor uns aus, während wir

auf unser heutiges Ziel, die Kissinger Hütte, zuliefen.

Auf einer Bank hinter dem Haus machten wir es uns

gemütlich. Dabei schauten wir hinüber zum Kreuzberg

mit seiner bewaldeten Westfl anke. Hinter uns senkte

sich bereits die Sonne über den Fichtenspitzen ab und

ein kaum beschreibliches Gefühl der Zufriedenheit

stellte sich ein. Die Kinder spielten auf der Wiese in der

Abendsonne und wir saßen nach einem ereignisreichen

Tag einfach nur da, genossen die Lichtspiele am

Horizont und ließen uns von den Beiden die Glockenblumen

zeigen, die in der Abendsonne im schönsten

Lila glitzerten. Die Rundumsicht an diesem Abend auf

dem 832 Meter hohen Feuerberg zählt für uns zu den

schönsten Erinnerungen an die Rhön.

Aber mit der Zeit verloren die Farben der Blumen an

Kraft, auch die Insekten kamen langsam zur Ruhe.

Doch nicht nur das Leuchten der Blumen verblasste.

Auch die Bäume verdunkelten mit ihren langen

Schatten die saftiggrünen Wiesen um uns herum und

die Kälte verdrängte die zuvor warme Luft dieses

traumhaften Tages.


78 Seite

Zuletzt stand nur noch der zunehmende Mond über der

nahen Fichtenschonung. Ein traumhafter Tag war zu

Ende gegangen. Er hätte für unsere Wanderung nicht

schöner sein können.


Seite 79

Am nächsten Morgen war ich zum Fotografieren bereits

früh aus den Federn gekrochen. Den Sonnenaufgang

genoss ich in aller Stille. Nachdem auch die anderen

drei aufgewacht waren, gab es Frühstück. Heißer

Dampf stieg bald aus unseren Tassen und schwebte

um unsere Köpfe. Die Sonne setzte ihren Gang am

Himmel fort und es war Zeit, um aufzubrechen. Wir

packten die Rucksäcke und setzten uns wieder in

Bewegung.

Wir konnten es kaum glauben, aber der Tag begann,

wie der Gestrige geendet hatte. Vom Himmel strahlte

das herrlichste Blau, das man sich vorstellen konnte.

Durch das herbstliche Blätterwerk schien uns die Sonne

in dosierten Strahlenbündeln schräg bis vor die Wanderschuhe.

Die Temperatur war recht kühl, aber zum Laufen

ideal. Die Insekten, die wir am Abend um uns herum

noch beobachten konnten, waren inzwischen am Boden.

Viele von ihnen hatten sich unter die Erde zurückgezogen.

Die Meisten überleben die kalte Jahreszeit jedoch

gar nicht. Anders einige Schmetterlinge, die oft verpuppt

an Astgabeln oder unter der Rinde überwintern. Auch

Reptilien, die von wärmenden Sonnenstrahlen abhängig

sind, findet man im Herbst kaum noch. In der Natur wird

es somit generell ruhiger in dieser Jahreszeit.


80 Seite

Gesteinsformationen

kommen durch die

leuchtenden Herbstfarben

sehr schön zur

Geltung.


Seite 81

Am Guckapass angekommen, trafen wir bereits die

ersten Kreuzbergbesucher. Ein Pärchen demontierte

seine Fahrräder vom Dachträger, eine andere Gruppe

packte die Rucksäcke und einige stiegen auch wieder in

ihre Autos ein und fuhren davon. Wir schauten uns an

und wunderten uns über die teilweise recht unentschlossenen

Reaktionen mancher Besucher. Unser Weg

führte uns nun hinter dem Parkplatz direkt hinauf auf

den Kreuzberg. Die Klosteranlage war sehr überfüllt.

Wir suchten daher den schnellsten Weg hindurch und

stiegen die Stufen zu den bekannten drei Kreuzen

hinauf. Dort angekommen schauten wir über Wildflecken

in Richtung Nordosten. Neben den großen Kreuzen

überragt ein riesiger Funkmast den idyllischen Ort.


82 Seite

Nach den vielen

Treppenstufen, die

hinauf zum Gipfel des

Kreuzbergs führen, bleibt

vor allem der Ausblick in

bleibender Erinnerung.


Seite 83

Wir wanderten nach einer kurzen Trinkpause auf dem

Kreuzberg weiter zum Neustädter Haus. Auch dort war

sehr viel los. „Kein Wunder, bei diesem Wetter haben

viele die gleiche Idee“, meinte Kerstin.

Wir vesperten ein wenig abseits des Trubels im Schatten

der Bäume. Frisch gestärkt verließen wir unseren

Platz unter den Bäumen und folgten dem fränkischen

Marienweg. Bald wurde es um uns ganz still, denn wir

waren wieder tief in den Wald eingetaucht.

Bereits nach wenigen hundert Metern änderte sich der

Bewuchs am Boden. Nun entdeckten wir rechts und links

des Weges Filzmoos unter den Bäumen, das sich mit

Ordenskissen und Heidelbeersträuchern abwechselte.


84 Seite

Schöner kann ein

Wanderweg nicht sein.

Nach der Gemündener

Hütte und dem Neustädter

Haus schwenkte der

Pfad langsam in

südöstliche Richtung der

Fränkischen Saale

entgegen.


Seite 85

Wir folgten anschließend einer Schotterstraße und unterhielten

uns dabei über Schulfächern, Turnstunden und

andere Dinge, die in der nächsten Woche so anstehen

würden. Ich merkte jedoch, dass der Weg nicht mehr

mit seinem Verlauf auf der Karte übereinstimmte. Da wir

aber das Marienzeichen immer wieder fanden, machten

wir uns keine weiteren Gedanken darüber. Wir merkten

nicht, dass wir uns immer weiter von der geplanten Route

fortbewegten.

Auch tauchten immer öfter märchenhafte Mooslandschaften

am Wegrand auf. Neben dem typischen Filzmoos

breiteten sich Ordenskissen neben einer großflächigen

Muschelmooslandschaft aus. Dazwischen kämpften

Borstgräser weiter oben um das bessere Licht. Sieger

blieb in diesem Mikrogarten jedoch das Heidekraut, das

mit seinen lila Blüten an die 60 cm das Moos übertraf.

Seine Blüten leuchteten in der schräg stehenden Sonne.

Muschelmoos


86 Seite

Der Kahle Krempling,

ein typischer Pilz in

Nadelwäldern mit

saurem Boden


Seite 87

Langsam wurde es dunkel und wir beschlossen, an einer

halbwegs geeigneten Stelle zu übernachten. Schließlich

hatten wir bereits 16 km geschafft. Für die Kinder war das

ein neuer Rekord. Noch am Abend debattierten wir über

den weiteren Streckenverlauf, während die Kinder ihr

„Schlumpfhausen“ fanden. Es war eine Gruppe Fichtenreizker,

ein essbarer Pilz, der typischerweise in Symbiose

mit Fichtenwäldern wächst.

Eigentlich wollten wir nach Kilianshof laufen, um dort zu

übernachten. Durch eine Unachtsamkeit waren wir aber

vom Weg abgekommen. Die Kinder teilten unsere Bedenken

jedoch nicht, sie freuten sich sogar darüber.

Rauköpfe im Drehmoos

Am Ende kuschelten wir uns gleich nach dem Essen in

die Schlafsäcke, denn es war bereits dunkel geworden

und ein Weiterlaufen unmöglich geworden. Eine unruhige

Nacht stand uns bevor. Kerstin lag schlecht auf dem

unebenen Untergrund und ich hatte Kopfschmerzen

bekommen. Wir drehten uns oft und waren froh, als es am

nächsten Morgen langsam hell wurde.


88 Seite

Ob wir den Weg wieder fi nden würden?

Bald waren auch die Kinder wach. Sie rieben sich zwar

noch die Aufgen, doch waren sie gleich begeistert,

denn das Frühstück stand bereits fertig zubereitet vor

ihnen. Ein Rotkehlchen hüpfte neugierig von Ast zu Ast

und schaute uns anschließend beim Essen zu. Danach

packten wir unsere sieben Sachen und waren alle

gespannt, wie es nun weitergehen würde. Der Weg den

wir entlangliefen, passte gar nicht mehr zur geplanten

Route auf meiner topographischen Karte. Letztlich

fanden wir aber wieder ein Wegzeichen des Marienwegs.

Aber wo waren wir genau? Wir überquerten eine

Teerstraße. Sie war eine Chance, uns neu zu orientieren.

Der Vergleich von Karte und Gelände machte mich

sicherer und ich wagte eine erste Aussage:

„Bald müssten wir an der Bildeiche sein“. „Das werden

wir ja sehen“ erwiderte meine Familie ungläubig, doch

nahezu gleichzeitig. „Jedenfalls wäre das eine angenehme

Überraschung“, meinte ich zu Kerstin. Erleichterung

kam auf, denn unser Umweg gestern Abend war

damit gar nicht so groß gewesen. Tatsächlich erreichten

wir bald die genannte Bildeiche, während eine größere

Radgruppe an uns vorbeistrampelte.


Seite 89

Die Biker waren in Bad Neustadt losgefahren, wie sie erzählten. Wir mussten somit

bald rechts abbiegen um in ein schmales Tal zu gelangen, das uns direkt nach

Ebersbach hinunterführte. Karte und Realer Weg passten wieder exakt zusammen.

Erleichtert ging es weiter an die restliche Strecke. Ein großer Ameisenhaufen weckte

noch einmal die Aufmerksamkeit von Lena und Jan bevor wir über ein Treppchen steil

nach unten dem Talgrund entgegenliefen.

Nach den Stufen erreichten wir einen kleinen Weiher und

an dessen Ende begann eine Schotterstraße, die uns

nach Ebersbach und zurück zu unserem Camper führen

sollte. Am Wegrand sorgte Springkraut noch einmal für

eine Spieleinlage, doch bereits an der nächsten Ecke

tauchten die ersten Häuser von Ebersbach auf. Eine weitere

Etappe unserer Rhöndurchquerung war beendet.


90 Seite


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Fränkische Saale und Hassberge

Juli 2012

Ein herrliches Sommerwochenende lockte mich hinaus in die Natur. Doch für die geplante

Radelstrecke, die etwa 100 km betrug, musste klug aufgeteilt werden. Motiviert und guter Dinge

startete ich in Ebersbach.

„Ob ich die 40 km heute Abend noch schaffen werde?“

Ich war gespannt, denn es war bereits 19 Uhr, doch

die Temperaturen fühlten sich durchaus angenehm an.

Immer wenn ich alleine unterwegs bin, kann es auch

mal etwas sportlicher sein. Mit diesen Gedanken im

Kopf strampelte ich mich warm, kurvte die Windungen

des oberen Saaletales ab und war gute Dinge. Alles lief

wie am Schnürchen.

Vier Stunden später wollte ich in Bad Königshofen

eintreffen, so der Plan. Dort hatte ich mit dem Rest der

Familie die Frankenthermen als Treffpunkt ausgemacht.

Die Sonne stand hinter mir am Horizont und

ihre immer noch intensiven Strahlen wärmten meine

Waden, während sich vor mir der Radweg am Flusslauf

dahinschlängelte.


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Ab und an tauchten kleine Biotope im Wiesengrund auf.

Bald war die Sonne hinter dem Horizont verschwunden.

Eine laue Brise wehte mir nun angenehm um die Nase.

Zügig und mit stetiger Geschwindigkeit strampelte ich

dahin, bis eine Brücke die Saale hinter einer weiteren

Schleife querte. Kleine Pausen mussten sein, denn der

Sonnenuntergang war prächtig an diesem Abend und

ein paar Bilder mussten ja auch sein. Ich erreichte den

Talkessel von Bad Neustadt. Die Mücken tanzten unaufhörlich

über meinem Fahrradhelm. Ich trank noch einen

Schluck aus der Wasserflasche und schaute auf die Uhr.

Passt. Weiter ging es in Richtung Innenstadt. Es war

merkwürdig still, als ich an der Altstadt rechts vorbeifuhr.

Am Kurpark folgte ich anschließend dem Fluss weiter in

Richtung Bad Königshofen.


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Windung um Windung strampelte ich die Schleifen der Saale ab. Sie schienen kein Ende

zu nehmen. Das herrliche Abendlicht sorgte jedoch für die grandiose Stimmung. Kleine

Dörfer reihten sich wie Perlen an der Schnur an der Saale entlang. Die Sonne war bald

endgültig hinter dem Horizont verschwunden, während ich weiter auf Bad Königshofen

zuradelte. Weite Getreidefelder leuchteten im orangenen Abendlicht. Die Insekten summten

um meinen Kopf und attackierten mich dabei so heftig, als wäre ich ihre letzte Chance für

eine Mahlzeit. Mit 15 Minuten Verspätung erreichte ich meine Familie auf dem verabredeten

Parkplatz. Wir fuhren zurück zum Camper, um dort zu übernachten. Ein ausgewiesener

Parkplatz bot eine perfekte Gelegenheit für eine Übernachtung. Ihn hatten wir bereits bei

unserer Rhönwanderung genutzt. Die Brotzeit schmeckte am Familientisch nach diesem

Radelvergnügen besonders lecker, auch wenn es bereits dunkel war.

Der nächste Morgen begann erneut bei strahlendem Sonnenschein. Wir fuhren zurück zur Therme,

an der ich „ausgesetzt“ wurde, um auf dem weiteren Weg die Haßberge zu durchqueren.

Ich hatte dafür eine leichte Route ausgewählt, mit viel Teeranteil unter den Reifen. Bereits nach

fünf km verließ ich die Saale und fuhr bei Sulzdorf und Ermershausen lediglich einen Steinwurf

an der Thüringischen Landesgrenze vorbei. In Pfaffendorf bog ich auf den bekannten Burgenrundweg

ein. Über das Naturschutzgebiet Galgenberg-Goßberg erreichte ich die bekannte

Ruine Altenstein, der ich gemeinsam mit der nachgereisten Familie einen Besuch abstattete.


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Von der Aussichtsplattform der Ruine Altenstein reicht

der Blick weit über die Haßberge bis nach Thüringen

hinüber. Auf der anderen Seite grüßt die Rhön zurück,

die wir davor durchwandert hatten. Die Burgruine

Altenstein selbst wurde bereits 1225 erstmals erwähnt.

Ein gewisser Marquard vom alten Stein wohnte damals

im Castrum, 150 Meter über dem Baunachtal. Bis 1703

lebten später die Freiherren von Stein auf der Burg.

Danach bezogen sie ihr neues Schloss in Pfaffendorf,

das ganz links gezeigt ist. Im Bauernkrieg wurde die

Anlage weitgehend zerstört und nur noch Reste sind

heute auf dem Berg zu besichtigen. Um so schöner ist

die Aussicht von dort oben. Bei herrlichstem Radelwetter

ging es anschließend weiter die Baunach hinunter,

bis wir kurz vor Ebern erneut Halt machten.


96 Seite


Seite 97

Die hier gezeigte malerische Dreiflügelanlage bildete

einen weiteren Höhepunkt der Haßbergdurchquerung.

Bereits 1232 wurde die Wasserburg der Freiherren von

Rotenhan erstmals urkundlich erwähnt und im Laufe der

Jahrhunderte oft umgebaut.

Die letzte Erweiterung und Restaurierung fand 1846

statt. Hierbei erhielten auch die niedrigeren Ostteile ihre

heutige Form. Die Besitzer gestatten Besuchern einen

freien Zugang zum Innenhof dieser schönen Anlage

mitten in den Hassbergen.

Meine Radtour war auch bald geschafft. Eine letzte

Etappe nach Baunach brachte mich dem Ziel entgegen,

denn der gleichnamige Fluss fl ießt südlich der Stadt in

den Main. Am Horizont war bereits Bamberg zu erkennen.

Dort sollte es beim nächsten Mal weitergehen.


98 Seite

Mainradweg


Seite 99

Die Route

Wir verlassen jetzt die Hassberge und radeln etwa 100 Kilometer am Main entlang von

Bamberg nach Würzburg. Auf dem Weg nach Kitzingen umrunden wir den Steigerwald,

der als Wandergebiet kurz beschreiben wird.

Auch die Gäulandschaft und der Irtenberger

Forst bergen Naturwunder vor den Toren

Würzburgs und Ochsenfurts. Daher dürfen sie auf

meiner Reise nicht fehlen. Anschließend geht

es weiter auf dem Radweg den Main abwärts bis

nach Lohr.


100 Seite

Zurück am Main

Mai 2014

Nachdem wir die Altmühl erkundet hatten, die im weiteren Verlauf des Buches noch behandelt wird,

stand 2014 wieder Mainfrankens Lebensader auf dem Programm. Dafür hatten wir die Strecke zwischen

Bamberg und Kitzingen herausgesucht.


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Als wir die Räder sicher im Zugabteil befestigt hatten, war die

Tageszeitung an der Reihe. Entspannt ging unsere Reise

dann am Main entlang, bis ins oberfränkische Bamberg. Beim

Blick aus dem Fenster war auch unser Radweg teilweise

zu sehen, den wir bald befahren würden. In Bamberg

eingetroffen, konnten wir uns am Bahnhof leicht orientieren,

denn gleich an der Bahnhofsstraße war der Mainradweg

ausgeschildert. Wir folgten den Zeichen des grünen Rades

mitten durch die Innenstadt. An der Kettenbrücke machten

wir kurz Rast und aßen unsere Brote. Danach ging es an der

Regnitz entlang in Richtung Gaustadt. Der Radweg folgte

anschließend direkt der B26 in Richtung Westen. Ein kurzer

Tic-Tac-Zwischenstop wurde eingelegt, nachdem wir im

Supermarkt unsere Getränkeration aufgefüllt hatten.

In Eltmann angekommen, wurde auf einem Hinweisschild

auf eine alte Burganlage hingewiesen. Die Kinder

wollten aber die vielen Stufen nicht hochsteigen und

so warteten sie in der Zwischenzeit auf einem kleinen

Spielplatz am Fichtenbach direkt am Aufstieg zur Burg.

Wir machten uns auf, über die Treppenstufen durch

den Wald bis hoch zur Wallburg zu laufen. So hatten

die Kinder und wir eine kleine Abwechslung. Oben

angekommen, besichtigten wir den gut erhaltenen

Turm der ehemaligen Anlage, tranken einen Schluck

aus unserer Flasche und stiegen wieder hinab nach

Eltmann. Anschließend setzten wir unsere Fahrradtour

weiter nach Limbach fort. Dort wollten wir erneut eine

Pause einlegen.


102 Seite

An der Wallfahrtskirche Maria Limbach bewunderten wir ein Brunnenhäuschen, das direkt

neben einer alten Linde stand, doch das schöne Wetter lockte uns weiter den Mainradweg

entlang. Die neuen Räder von Jan und Lena rollten quasi wie von selbst dahin und bald

war die erste Tagesetappe geschafft. Am Dorfbrunnen von Sand am Main standen wir

vor einem wuchtigen Kunstwerk. Die Rebe aus Beton, die im Ort schon für so manchen

Gesprächsstoff gesorgt hat, nutzten Jan und Lena als Bildhintergrund.

Von Eltmann, unserem letzten Rastpunkt, bzw. von Sand am Main aus kann man in nur

wenigen Kilometern die Wälder des Steigerwaldes besuchen. Auch der Tretzendorfer

Weiher, ein Naturidyll an der Aurach, liegt quasi nebenan. Ein Abstecher dorthin wird nach

dieser Radtour auf den darauffolgenden Seiten näher beschrieben. Nach einem verdienten

Abendessen und der anschließenden Übernachtung fuhren wir am zweiten Tag weiter nach

Zeil am Main. Die dortigen Fachwerkhäuser der Altstadt bilden einen schmucken Ortskern

im Umfeld der Kirche.


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Unseren nächsten Halt legten wir an der Ritterkapelle in

Haßfurt ein. Die aus hellem Sandstein errichtete Kirchenanlage

erinnerte uns ein wenig an Notre Dame. Auch die

Steinverzierungen hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit

ihrem viel größeren französischen Gegenstück. Danach

ging es weiter nach Schweinfurt.

Etwa in der Mitte der Strecke wurde erneut eine kleine

Pause eingeschoben, denn Strohballen luden direkt am

Wegrand zum Spielen ein.

Gegenüber dem Spielplatz in Eltmann hatte die Strohballenreihe

wesentliche Vorteile, sie diente als überdimensionale

Balancierstange und die Beiden konnten zusätzlich noch

ihre Kräfte messen nach dem Motto: Wer wirft wen hinunter?

Regulierend griffen wir daher bald ein, denn einen Sturz

wollten wir nicht in Kauf nehmen. Verletzungen entstehen so

schneller als einem lieb ist. Wir konnten die Kinder schließlich

mit dem Versprechen „Eisbecher in Sicht“ überzeugen,

das wir dann am Marktplatz in Schweinfurt einlösten.


104 Seite

Von Schweinfurt nach Gergrheinfeld war es dann auch nicht mehr weit. Nach unserer

zweiten Übernachtung radelten wir weiter in Richtung Volkach. Dabei kamen wir an einem

Labyrinth vorbei, das unsere Kinder gleich erkunden wollten. Innerhalb des Labyrinthes war

ein Balken aufgestellt, der auf zwei Federn befestig war. So konnten wir unser Gleichgewicht

testen. Daneben befand sich eine Holztrommel, die wir ebenfalls ausprobierten.

In Wippfeld warteten wir auf die Fähre, mit der wir auf die andere Mainseite wechseln wollten.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis die Fähre auf unserer Seite angelegt hatte, doch

schon nach dieser kurzen Zeit waren weitere Fahrradgruppen am Übergang eingetroffen.

Die Schranke öffnete sich und mit einem eigenartigen Gefühl im Bauch beobachteten wir

den Start der Fähre, die sich gleich am Anfang leicht drehte und zur anderen Seite hinüberfuhr.

In der Mitte des Mains konnten wir den Fluss auf und abschauen, doch nach einer

gefühlten Minute waren wir schon drüben auf der anderen Seite und konnten die Radtour

fortsetzen.


Seite 105

In der Zwischenzeit war die Temperatur stark gestiegen.

Die Sonne stand hoch am Himmel und die gelegendlich

vorbeiziehenden Wolken brachten nur selten Schatten.

In Volkach suchten wir daher am Marktplatz ein schattiges

Örtchen. Die Pause versüßten wir uns dabei mit

Kaffee und Kuchen und nahmen nach dieser sonnigen

Rast die letzten Kilometer in Richtung Schwarzach

unter die Pedalen. Vorbei an den Weinbergen bei

Sommerach erreichten wir bald Schwarzach mit seinem

Kloster, das als Ältestes in Franken genannt wird.

In Hörbach übernachteten wir dann ein drittes Mal.

Am Abend spürten wir unsere Sitzhöcker doch schon

ein wenig, doch wir machten unsere Späße darüber,

denn die Tagesstrecken waren ja vor allem kindergerecht

ausgewählt. Für die etwa 100 Kilometer hatten

wir uns vier Tage Zeit genommen. Der Mainradweg

führte uns am vierten Tag weiter nach Dettelbach. Seit

Schwarzach hatten wir immer wieder den Schwanberg

im Blick, der am Westhang des Steigerwaldes über die

Gäulandschaft hinausragt. Ich freute mich bereits

über die Wanderungen in diesem schönen Waldgebiet,

von dem ich im Anschluss ein wenig erzählen möchte.

Auch die restlichen acht Kilometer bis nach Kitzingen

waren schnell gefahren und zufrieden kamen wir in

dem Städtchen an. Von dort brachte uns ein Zug nach

Hause zurück. Das Wetter hatte sich dieses Mal von

seiner besten Seite gezeigt, denn wir konnten die

Regenbegleitung während der ganzen Radtour in den

Rucksäcken lassen. Größere Wolken zogen dann erst

zuhause auf. Wir hatten wirklich Glück gehabt.


106 Seite

Im Steigerwald

Im Naturwaldreservat

Waldhaus sind

aufgrund fehlender

Nutzung wieder urige

Landschaftselemente

entstanden. Moose

und viele Pilzarten

breiten sich wieder

stärker aus. Es

entstehen aber auch

höhlenartige Strukturen,

die seltenen

Tierarten, wie zum

Beispiel der Wildkatze,

als Unterschlupf

für die

Jungenaufzucht

dienen.


Seite 107

Der Steigerwald ist neben dem Spessart das naturschutzfachlich hochwertigste

Laubwaldgebiet in Bayern. Als Mittelgebirge des fränkischen Schichtstufenlandes

erreicht er Berghöhen bis fast 500 m üNN und gilt als Herzstück des Keuperberglandes.

Der Steigerwald liegt südlich des Mains zwischen den Städten Nürnberg

und Bamberg im Osten und Würzburg und Schweinfurt im Westen. Das Aischtal

begrenzt den Steigerwald im Süden.

Die sanft abgedachten Steigerwaldrücken umfassen gut 129.000 Hektar und können

noch herausragende Laubwaldbestände vorweisen. Mein Besuch galt den

Kernzohnen des nördlichen Steigerwalds, die man am einfachsten über die B22

erreicht. Westlich von Ebrach befindet sich ein Baumwipfelpfad und Nördlich davon

schließt sich das NSG „Der hohe Buchene Wald“ an. Es umfasst auch zwei Naturwaldreservate

und bildet mit 920 Ha ein Kernstück des Naturschutzes in diesem

Waldgebiet. Hier kann man schöne Wanderungen unternehmen und dabei die

heimische Natur kennenlernen. Des weiteren möchte ich noch den Pfad der Artenvielfalt

im Weilersbachtal und die Talauen rund um den Tretzendorfer Weiher

erwähnen, die ich ebenfalls besucht habe.


108 Seite

Wandern unter Buchen

Mai 2019

Für mein Buch “Naturwunder Steigerwald” war ich viele Male in diesem Wald unterwegs. Sei es

zum Fotografi eren oder einfach nur zum Wandern, um das Gebiet näher kennenzulernen. An

einem schönen Maitag war ich wieder mal dort, um unter den Buchen zu wandern.

Nach dem Besuch des Baumwipfelpfades, der einen

herrlichen Ausblick über dieses Waldgebiet ermöglicht,

machte ich mich von Ebrach aus auf den Weg in den

Wald. Ich wollte das Naturwaldreservat Waldhaus erkunden.

Die Wanderung führte zunächst am Handtaler

Graben entlang, bis dieser sich am südlichen Rand des

Reservates aufteilt. Mehrere Teiche werden in diesem

Tal aufgestaut. Sie dienen der Fischzucht und gleichzeitig

als Rückzugsgebiete für Feuchtraumbewohner wie

zum Beispiel Amphibien und Libellen. Die ersten Teiche

hatte ich bereits hinter mir gelassen, als plötzlich ein

Bundspecht vor meinen Augen in etwa sechs Metern

Höhe über den Waldweg fl og und unter dem Blätterdach

verschwand. Ich war sofort hellwach und zog

meinen Fotoaparat aus der Brusttasche. Gleichzeitig

suchte ich die Baumregionen über mir ab um herauszufi

nden, wo sich der Kerl nun befi nden würde.


Seite 109

Gleichzeitig hörte ich ein zartes Piepsen. Da wird doch

nicht etwa Nachwuchs sein, dachte ich. Welch ein

Glück, ich hatte tatsächlich eine bewohnte Spechthöhle

gefunden. Sie befand sich seitlich des Weges und so

konnte ich den Prachtkerl sehen, wie er fest am Stamm

geklammert seine Jungen fütterte. Jetzt noch ganz

vorsichtig die Kamera anheben und zack, da war der

Bundspecht bereits im Kasten. Etwa eine halbe Stunde

später erreichte ich einen Waldteich. Herrlich spiegelten

sich die Bäume auf der Wasseroberfläche, während

über mir ein Bussard kreiste.


110 Seite

Ich war bald im Zentrum des Naturwaldreservates angekommen.

Mächtige Buchen türmten sich vor mir auf und

verdeckten dabei den Himmel fast gänzlich. Ich blickte

hinauf in ein üppiges Grün der Blätter, die gerade im

Frühling den Wald so schön einfärben und mit Hilfe

der Sonne zusätzliche Wärme ausstrahlen. Teilweise

waren die alten Urwaldriesen bereits umgekippt. Doch

was sich an diesen selten gewordenen Orten entdecken

lässt, zeigt, dass seltene Arten auch wieder zurückkommen,

wenn man auf Teilfl ächen den Wald aus der

Nutzung nimmt. Bei genauem Hinsehen fi elen mir von

weitem bereits weiße Flecken auf, die sich am Stamm

festgesetzt hatten. Es waren Stachelbärte, die nur auf

absterbenden Baumstämmen wachsen. Daher gelten

diese Pilze auch als Zeiger für naturnahe Wälder.


Seite 111

Auch in den Wiesentälern und an Fließgewässern tummelt

sich das Leben. So bieten Feuchtlebensräume entlang der

Aurach wie im oben gezeigten Tretzendorfer Weiher seltenen

Amphibien eine Heimat. Gerade aufgrund der immer

wärmer und trockener werdenden Sommermonate werden

diese Feuchtgebiete für die Natur zunehmend wichtiger.

Eine weitere Wanderung führte mich in das Naturschutzgebiet

Weilersbach. Das langgestreckte Tal, das

man über Obersteinbach erreicht, schlängelt sich etwa

sieben Kilometer lang durch den nördlichen Steigerwald.

Es läd somit zu einer ausgiebigen Wanderung ein. Hinweisschilder

erläutern uns die Naturwunder, die sich hier finden

lassen. Zum Beispiel das unten gezeigte Schwefelvögelchen.

Seine Raupen ernähren sich von Sauerampfer-Arten,

insbesondere vom Wiesen-Sauerampfer, an deren Basis

sie auch überwintern. Am Ende war ich froh, dieses besondere

Tal besucht zu haben.


112 Seite


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114 Seite

Am Main entlang

Mai 2015

Für unser Vorhaben, mit dem Rad die Fränkische Schweiz zu durchqueren, war ein wenig Training

nötig. Denn für das geplante Auf und Ab in dieser Region konnte ein wenig Kondition nicht

schaden. Natürlich freute ich mich auch darauf, endlich mein neues Rad testen zu können.

Schon vor der Bahnfahrt erlebten wir leider unsere erste

Überraschung. Jan holte sich bereits in der Unterführung

in Partenstein einen Platten. Schnell wurde vor

dem ankommenden Zug der Schlauch gewechselt. Zum

Glück hatte dieser ein paar Minuten Verspätung. Für

solche Gelegenheiten habe ich für jede Radgröße einen

Ersatzschlauch im Rucksack und wie man an diesem

Tag sehen konnte, war dies eine gute Idee.

denn draußen war es noch recht ungemütlich. Erst am Nachmittag war schönes Wetter

gemeldet. In Kitzingen angekommen, radelten wir den vom letzten Jahr bereits

bekannten Weg durch die Altstadt hinunter zum Main. Wir passierten Fußballplätze

und Schrebergärten entlang der Strecke, während uns ein unangenehmer Wind

entgegenblies. Bald erreichten wir Marktbreit. Größere Anbaufl ächen für Spargel

und Kartoffeln füllen die Freifl ächen hier im Maintal. Gleich daneben stehen einige

Gewächshäuser. Ein Zeichen, dass der Boden hier am Mainknie eine gute Qualität

besitzt.

Auch die beiden Mantelheber sind hierzu nützlich. Sie

beschleunigen das Lösen des Mantels von der Felge.

Zuletzt zog ich den neuen Schlauch ein und fixierte

das Vorderrad wieder mit den Schnellspannern am

Rahmen. Jetzt noch fi x aufpumpen und fertig. Jan

beobachtete das Ganze und staunte nicht schlecht, als

er sein repariertes Rad wieder in Händen hielt. Im Zug

eingestiegen freuten wir uns über das warme Abteil,


Seite 115

In der Sanderau, einem

Stadtteil von Würzburg

angekommen, war der

Würzburger Marathon

bereits voll im Gange, der

an diesem Tag stattfand.

Mit unseren Rädern

suchten wir nun einen

Weg jenseits der Absperrungen

in die Innenstadt.

Würzburg gilt auch als

Stadt der Kirchen. Etwa

70 Stück lassen sich zählen.

Ihre Türme überragen

die Altstadt. Sie sind

am besten von oben zu

sehen, zum Beispiel wenn

man vom Stein oder von

der Marienburg über die

Dächer blickt.

Der Radweg führte uns weiter nach Ochsenfurt. Hier waren wir schon ein paar Mal

gewesen und wir erinnerten uns an ein schnuckeliges Örtchen in der Fußgängerzone.

Dort befand sich ein gemütliches Kaffee, in dem wir uns aufwärmen wollten.

Im Kaffee lernten wir dann, dass Blotskuchen und Blots nicht dasselbe ist. Jedenfalls

heißt hier in Ochsenfurt Blotskucha Käseblots. Wenig später saßen wir wieder in den

Sätteln und radelten noch an einem Flohmarkt vorbei, bevor wir Ochsenfurt wieder

hinter uns ließen.

Mittlerweile hatten die Wolken ihre Farbe geändert.

Vom anfänglichen Grau, waren sie gegen Mittag weiß

geworden. Als wir in Richtung Würzbug fuhren, kamen

immer mehr blaue Felder dazu. Die Sonnenstrahlen

durchdrangen nun die Mainauen und der grüne Uferbewuchs

erfreute unsere Augen. Bald hatten wir Sommerhausen

und Eibelstadt hinter uns gelassen und radelten

auf der rechten Mainseite in Randersacker ein.


116 Seite

Eine der bekanntesten Kirchen ist der Würzburger

Kiliansdom. Hier war eine kurze Rast angesagt. Dabei

genossen wir ein Eis und schauten den Läufern zu. Das

Treiben in den Straßen der Innenstadt ist für uns immer

ein Erlebnis und wir genießen es, die vielen Menschen

zu beobachten.

Von der alten Mainbrücke aus blickten wir noch einmal

zurück zum Dom und ich musste einen Moment an die

Legende des Heiligen Kilian denken, dessen Grab sich

vor dem Dombau in der kleinen Marienkirche auf der

Marienburg befand.

Diese Festung Marienburg erhebt sich auf der gegenüberliegenden

Seite über den Main und gilt ebenfalls

als eines der Wahrzeichen der Stadt. Bis 2027 soll dort

das neue „Museum für Franken“ entstehen.


Seite 117

Unbedingt sollte man in Würzburg die Residenz sehen.

Während der Franconiabrunnen mit der Patronin

Frankens den Residenzplatz schmückt, verschönert

der Hofgarten den hinteren Bereich der Anlage. Er wird

durch die noch erhaltene Stadtmauer begrenzt. Bereits

Balthasar Neumann hatte die Idee, diese Bastion an

der Stadtmauer mit in die Gartengestaltung einzubeziehen.

Ein Glück für heutige Spaziergänger, denn ihnen

wird so ein herrlicher Blick über Garten, Schloss und

Teile der Stadt ermöglicht. Symmetrische Treppenanlagen

führen zum Ausblick hinauf, wobei auf halber Höhe

eine Terrasse eingefügt wurde. Daneben können neben

vielen Skulpturen auch hunderte von alten Rosensorten

bestaunt werden.

Die Residenz selber ist UNESCO-Welterbe. Der barocke

Bau am Rande von Würzburgs Innenstadt wurde

1720 begonnen und bis 1744 vollendet. Die Innenausstattung

wurde unter der Regie von Balthasar Neumann

bis 1781 fertiggestellt. Das prunkvolle Schloss diente

bis zur Auflösung der geistlichen Territorien durch die

Säkularisation als Sitz der Würzburger Fürstbischöfe.


118 Seite

Im Reich der Pilze

September 2019

Der Irtenberger Forst liegt keine vier Kilometer vom Würzburger Stadtzentrum entfernt. Er ist

somit über die Löwenbrücke etwa in einer Stunde zu Fuß erreichbar. Eine gute Gelegenheit für

einen Sonntagsspatziergang in Bayerns erstem Pilzschutzgebiet, um das Leben dieser Lebensform

näher kennenzulernen.

Im Mai 2019 wurde ein etwa ein Hektar großes Gebiet,

das sich im Irtenberger Forst befindet und nörtlich des

Naturschutzgebiets Blutsee-Moor liegt, zum ersten Pilzschutzgebiet

in Bayern erklärt. Man geht davon aus, dass

dort etwa 500 Pilzarten wachsen. Pilze, die nach heutiger

Kenntnis näher mit den Tieren verwandt sind als wie

zunächst vermutet mit den Pflanzen. Sie bilden somit ein

eigenes Reich in der Natur mit erstaunlichen Eigenschaften.

Pilze sind ähnlich wie Pflanzen sesshaft, können aber

im Unterschied zu diesen keine Photosynthese betreiben

und müssen sich ähnlich wie Tiere durch Aufnahme

von organischer Substanz ernähren. Dabei nehmen die

weltweit 120.000 Pilzarten etwa fünf bis acht Prozent der

Artenvielfalt ein. Der sichtbare Fruchtkörper ist aber nur

ein Teil des Pilzes. Der eigentliche Pilz ist jedoch das feine

Mycel, ein meist unsichtbares Geflecht aus Hyphen, das

sich im Boden oder bei Baumpilzen im Holz befindet.


Seite 119

Baumschwamm,

Schwefelköpfchen

Goldgelber Ziegenbart,

und Steinpilz (im

Urzeigersinn) sind vier

Beispiele aus dem

Reich der Pilze, die

sie im Herbst fi nden

können.


120 Seite


Seite 121


122 Seite

Von Würzburg nach Lohr

August 2015

Die Sommerferien hatten bereits angefangen und die Temperaturen waren für das Wochenende

nicht ganz so heiß gemeldet. Was sprach also dagegen, einen weitern Abschnitt des Mains zu

befahren.

Der Sonntagmorgen begann, wie es der Wetterbericht vorausgesagt

hatte. Es war nicht zu warm, aber doch sonnig.

Die Begeisterung der Familie hielt sich jedoch in Grenzen.

Genau genommen hatte keiner so richtig Lust außer Papa.

Nachdem auch Kerstin für die Radtour Partei ergriffen hatte,

konnten auch Jan und Lena überzeugt werden. Bald saßen

wir im Zug und unterhielten uns über den bevorstehenden

Urlaub. Dabei schauten alle eher teilnahmslos aus den

Fenstern. Die Kinder tippten begeistert vor sich hin, als ich

plötzlich mit einem lauten NEIN für Aufmerksamkeit sorgte.

Ich hatte meine Kamera vergessen. Das konnte ja

heiter werden. Zusätzlich entstand in Jans Kopf die

glorreiche Idee auf dem Rückweg bereits in Karlstadt

wieder in den Zug einzusteigen, was die Strecke um

die Hälfte verkürzen würde. Meine Mundwinkel fi elen

merklich nach unten. Gestöhne beim Rest.

Ankunft Würzburg HBF: Der Vorplatz des Bahnhofs war

gut besucht. Die Sonne schien und wir traten sogleich in

die Pedalen. Wir radelten über die Friedensbrücke und

anschließend nach rechts in Richtung Mainaustraße am

Kilianifestplatz vorbei.

Direkt am Kloster unter dem Zeller Berg führte der Radweg

an der langen Klostermauer entlang. Rechts von uns wächst

saftiges Grün. In Margetshöchheim angekommen, erwartete

uns Feststimmung direkt neben dem Main. Wir trafen einen

Arbeitskollegen, der uns über das Fest in seinem Wohnort

näher informierte. Da er hier wohnt, hatte er sozusagen ein

„Heimspiel“, was er recht lustig fand. Nach einer kurzen Rast

fuhren wir weiter. Wir kamen an Erlabrunn vorbei und radelten

anschließend durch Zellingen. Der schöne Mainabschnitt

ermöglichte Ausblicke auf die rechtsmainischen Weinberge

und das Fortbildungszentrum Benediktushöhe.


Seite 123

Während ich noch in Gedanken noch in den Weinbergen

unterwegs war, fiel in Himmelstadt die endgültige

Entscheidung. „Wir nehmen in Kascht den Zug“, riefen sich

die Kinder strahlend zu, während in mir die Idee reifte in

diesem Fall alleine weiter zu fahren. So schnell wollte ich

die Radtour nicht enden lassen. Auch Kerstin war mit dem

Vorschlag zufrieden.

Auf dem Weg nach Karlstadt kamen wir noch in Laudenbach

vorbei, während sich links über uns der erste von

mehreren steilen Kalkfelsen erhebt. Sie prägen diesen

Mainabschnitt um die Kreisstadt des Landkreises Main-

Spessart. Darüber thront die Ruine Karlburg mit ihren

hellgrauen Außenmauern, von der man einen herrlichen

Blick über das Maintal hat.

Durch die Weinberge

kann man zum Beispiel

von Thüngersheim oder

von Retzbach aus

wandern. Die Steilhänge

ermöglichen nicht nur

herrliche Ausblicke über

den Main. Kombinierbar

ist dies auch mit einer

Weinprobe, die lokal

angeboten wird.


124 Seite

Wir fuhren über die Brücke und durch den hohen Katzenturm

in die Altstadt bis zum Marktplatz. Nun hatten wir uns

ein Eis aber wirklich verdient.

An dieser Stelle muss ich noch einmal erwähnen, dass ich

an diesem Tag meinen Foto vergessen hatte. Die Bilder

die hier gezeigt werden, entstanden zu einem späteren

Zeitpunkt Mitte November.


Seite 125

Am Marktplatz vor dem historischen Rathaus mit seinen

Treppengiebeln rasteten wir eine Weile und bewunderten

die Fachwerkäuser in der Innenstadt. Sie sind von außergewöhnlicher

Schönheit.

durch den Torbogen der Stadtmauer hinüber zur Karlburg.

Am Main angekommen, radelte ich alleine weiter in Richtung

Gemünden. am Main entlang.

Nach dem Eisessen verabschiedete ich mich von der Familie.

Sie fuhren hinüber zum Bahnhof. Ich ging mit meinem

Rad die Maingasse hinunter und schaute noch einmal


126 Seite

Von nun an war ich auf der rechten Mainseite unterwegs.

Peinlich musste ich mir nun zugestehen, dass ich zwar keine

30 Kilometer von zuhause weg war, jedoch diesen Abschnitt

bis nach Gemünden noch nie mit dem Rad gefahren war.

Um so besser gefiel es mir. Bei Gambach sah ich rechts

über mir das Edelweiß in der Sonne blitzen. Auch dort oben

war ich schon oft gewesen. Man hat von der Steilkante

aus einen grandiosen Ausblick hinunter auf den Main, auf

Karlburg und auf den gegenüberliegenden Mäusberg.

Ich radelte weiter an der Schleuse von Harrbach vorbei

und war bald wieder von Wald umgeben. Denn hier

beginnt nicht nur der Spessart, sondern mit ihm auch der

Bundsandstein. In Kleinwernfeld wechselte ich erneut

die Mainseite. Die Mittagssonne brannte senkrecht auf

meinen Radhelm und der schwarze Asphalt strahlte die

Wärme zusätzlich zurück. Der lange Mainbogen zog sich

nun, denn ich merkte die hinter mir liegenden Kilometer in

meinen Beinen. Mein Blick wanderte über den Main und

ich sah einen Zug auf der anderen Seite vorbeifahren.

„Dort könnte meine Familie drinsitzen“, dachte ich.

Vom Edelweis, das man

über Gambach oder

Karlstadt erreichen kann,

hat man herrliche

Ausblicke über den Main.


Seite 127

bergab. Nun hieß es die Räder laufen lassen und durchatmen.

Ich fuhr ich an der Roten Mühle vorbei und erreichte

das Libellenbiotop. „Mein schönes Lohrtal“, dachte ich.

Wie jedesmal, wenn ich nach Lohr fahre, ging mir auch an

diesem Tag ein weiterer Gedanke durch den Kopf: „Ob der

Radweg im Tal in die Stadt Lohr wohl irgendwann fertig

werden wird?“. Die blaue Brücke an der Gemarkungsgrenze

zwischen Lohr und Partenstein überfuhr ich mit

einer schnellen rechts-links-Kurvenkombination. Am Ende

strampelte ich noch den steilen Leheweg hoch und war

ziemlich müde, als ich zu Hause ankam. Die anderen drei

Räder standen bereits vor der Haustür.

Ich erreichte Hofstetten und ein gewohntes Bild breitete sich

vor meinem Lenker aus. Viele Male waren wir diese Strecke

bereits mit den Inlinern gefahren. Dazu hatten wir unser

Auto an der Einfahrt unter der Ruine Schönrain geparkt und

waren auf dem feinen Teer in Richtung Hofstetten entlang

gefahren. Die Strecke nahm jetzt schnell ab, denn der Teer

ist hier von besonders feiner Struktur. Ich schaute kurz

hoch zur Ruine. Bald tauchte Steinbach auf. Anschließend

am Horizont der Lohrer Kirchturm. Ich bog nach rechts

ab und fuhr auf die Mainbrücke. „Fast geschafft“, dachte

ich. Nun ging es noch vorbei am Zob und am Lohrbach

entlang. Der Radweg durchquert die Wörde und führt über

den Eisenhammer nach Partenstein. Die bekannte Strecke

über den Eisenhammer hoch zum Steintalerhof fährt mein

Rad eigentlich wie von selber. Es ist die tägliche Strecke zu

meinem Arbeitsplatz in Lohr. Nur noch eine letzte Steigung,

dann ging es hinein in den Spessartwald und anschließend

Blick von der Burg

Partenstein hinab in

meinen Heimatort.


128 Seite

Familienradeln durch die Spessartwiesen

300

250

200

Höhenprofi l:

5km 10km 14km

Wir starten am Rathaus in Partenstein und fahren durch

das Viadukt in die Buchsiedlung. An der Einmündung in

den Schneidweg führt der Radweg am Kepplerskanal

entlang in Richtung Krommenthal.

Die Schotterstraße verläuft durch den Wald und hat nur

wenig Steigung. Sie bietet eine gute Gelegenheit, mit

Kindern eine Radtour zu machen. Ein kurzer Anstieg ist

lediglich vor Krommenthal zu überwinden.

Route:

Partenstein - Krommenthal - Wiesthal - Habichsthal.

Die Strecke führt auf Schotterstraßen durch den Wald

am Aubach entlang

Distanz: 14 Kilometer und 140 Hm (einfach)


Seite 129

Die anschließende Abfahrt lässt die Räder bis zur

Staatsstraße hinunterrollen. Dieser muss man dann

etwa 100 Meter folgen und anschließend nach rechts

abbiegen.

Am Bachlauf geht es angenehm weiter durch das

Naturschutzgebiet Spessartwiesen bis nach Wiesthal.

Am Ortsausgang muss dann noch einmal ein letzter Anstieg

gemeistert werden. Danach kann man gemütlich

weiter bis zu den Aubachseen radeln.

Die bewirtschaftete Fischerhütte lädt anschließend

zur Einkehr ein. Ein kleiner Spielplatz daneben und

die Seen weiter unten im Tal sorgen für die nötige

Abwechslung.

Oben:

Zum Entspannen

Kaulquappen fangen.

Für die Kinder ein

Riesenspaß.

Die Aubachseen bieten

eine ideale Gelegenheit

für eine Pause.


130 Seite

Am Oberen Main

Orte, von denen man

weit über das

Umland schauen

konnte, wie zum

Beispiel von der

Giechburg östlich

von Bamberg oder

wie vom Staffelberg

bei Staffelstein,

haben die Menschen

schon immer fasziniert.

Dort fanden sie

Schutz vor herannahenden

Feinden.


Seite 131

Der Main ist die Lebensader der Region und seiner Menschen. Wenn man den Fluss

entgegengesetzt seiner Fließrichtung betrachtet, so teilt er sich zwei mal in etwa

gleich große „Adern“ auf. Das eine Mal in Bamberg, hier trifft der Rhein-Main-Donau

Kanal auf den Oberen Main, und das andere Mal in Kulmbach, dort fließt der Rote

mit dem Weißen Main zusammen. Der RMD-Kanal, der 1992 fertiggestellt wurde, ist

eine künstliche Wasserstraße, die den Main über die Altmühl mit der Donau verbindet

und so die Nordsee mit dem Schwarzen Meer. Er verkürzt die Schiffsroute von

Südeuropa in den Norden und spart dadurch Zeit und Treibstoff. Die technischen

Herausforderungen zur Realisierung des Kanals waren aber gigantisch. Die Idee

dieser kürzeren Verbindung wurde bereits von Karl dem Großen in Angriff genommen.

Doch bevor wir im späteren Verlauf des Buches diesem ersten Kanalabschnitt

in Mittelfranken einen Besuch abstatten, wollen wir den natürlichen Mainverlauf bis

zur Weißmainquelle erkunden. Sie liegt hoch oben im Fichtelgebirge. Um sie zu

erreichen, ist vorher die Durchquerung Oberfrankens nötig. Eine Aufgabe, die wir mit

dem Rad umsetzen wollten.

Eine Radtour entlang des Oberen Mains bietet gleichzeitig die Möglichkeit, den Fluss in

seiner Ursprünglichkeit besser kennenzulernen, denn oberhalb von Bamberg befinden

sich keine Staustufen mehr. Gleichzeitig begegnet man vielen kulturellen Besonderheiten

wie einer alten Bierbraukunst und einem eindrucksvollen Einblick in unsere Geschichte.


132 Seite

Mainradweg Teil 3


Seite 133

Die Route

Mit der Bahn fahren wir zunächst nach Bayreuth. Von dort aus geht es mit dem Rad am

Roten Main entlang bis nach Kulmbach. Anschließend erkunde ich noch vor dem Frühstück

alleine das Weißmaintal und muss dabei bis hinauf nach Bischofsgrün kräftig in die

Pedalen treten, was mich aber nicht wundert, denn der Ort liegt ja im Fichtelgebirge.

Zurück in Kulmbach fahren wir gemeinsam

weiter über Bad Staffelstein bis nach Bamberg.

Bis hierher hat der Main, der in Bamberg

mit dem Rhein-Main-Donau-Kanal zusammenfließt,

bereits eine Höhendifferenz von etwa 600

Metern überwunden. Die Hälfte davon fällt auf

den ersten 12 Kilometern an. Es ist ein erster

Hinweis darauf, dass man das Fichtelgebirge

nicht unterschätzen sollte.


134 Seite

Von Bayreuth nach Bamberg

Mai 2012

Bamberg lag hinter uns. Wir saßen im Zug der dem Oberen Main bis nach Kulmbach und weiter

nach Bayreuth folgte. Durch das Fenster konnte man bald den Staffelberg sehen, der weit über das

Maintal hinausragt. Schräg gegenüber auf der anderen Mainseite das Kloster Banz. Die Sonne

strahlte vom Himmel und die Vorfreude aufs radeln stieg.

Nach der Zugfahrt machten wir die Räder am Bahnhof

in Bayreuth startklar und starteten geradewegs in die

Innenstadt. Von dort aus wollten wir uns orientieren und

unsere Fahrradtour beginnen. Nach der Fußgängerzone

ging es parallel zur Hindenburgstraße bereits am

Roten Main entlang in Richtung Kulmbach.

Die ersten Windungen auf dem Fahrradweg genossen

wir in vollen Zügen. Wir waren froh wieder „on Tour“ zu

sein und sammelten die Eindrücke hinter jeder Biegung

auf. Das ständige Wechselspiel zwischen schmucken

Dörfern und der Natur im Maintal hob die Stimmung.

Zusätzlich war auch noch das Wetter fabelhaft.

Hinter Altenplos ging es nach Dreschenau und Neudrosselfeld.

Es wurde Zeit für eine Mittagspause. Frischkäse,

Paprika und Schinken hatten wir von zu Hause mitgebracht.

Was fehlte waren nur noch frische Brötchen. An

der Bergmühle machten wir kurz Halt, während ich in der

Ortsmitte eine Bäckerei aufsuchte.


Seite 135

Eine gepflasterte Straße führte bergauf zum Ortskern.

Mit zwei frischen Weißbroten beladen fuhr ich wieder

hinab und wir suchten eine Bank für unser Vesper.

Am Ortsausgang fanden wir dann ein gemütliches

Plätzchen inklusive Brünnchen. Ein perfekter Ort,

dachten wir und packten unsere Verpflegung aus. Die

Kinder waren noch am Kauen, da packte sie bereits der

Spieltrieb und der Brunnen musste genauestens inspiziert

werden. Ausruhen war nicht. Auch beim nächsten

Halt sorgte eine Wasserschnecke für Abwechslung. Im

Alter ab zehn Jahren ist die Energie schier grenzenlos.

Wir saßen nebenan und beobachteten das Ganze mit

Freude. Es gibt nichts Schöneres als den Kindern beim

Spielen zuzuschauen.


136 Seite

Nicht nur den

Kindern gefallen

bunte Blumen. Vor

allem unsere Bienen

finden hier Nahrung.

An den Mohn- und

Kornblumen sieht

man gut, wie ein

Feld bewirtschaftet

wird. Intensiv oder

eher nachhaltig bzw.

extensiv.


Seite 137

Bald erreichten wir Kulmbach. Seit Melkendorf ging

es nur noch bergab und wir rollten geradewegs in die

Altstadt hinein. Nach wenigen Minuten standen wir

am Marktplatz direkt unter der Plassenburg. Bei diesem

Wetter musste ein Eisbecher her, der an einem

solchen Tag besonders gut schmeckt.

Nach dem leckeren Eis mussten wir eine Unterkunft

finden. Im Hotel Ertl bekamen wir ein schönes Zimmer

und stellten unser Gepäck und die Räder dort ab. Frisch

geduscht waren wir bereits nach einer halben Stunde

wieder auf dem Weg in die Innenstadt. Nun ging es

hinauf zur Plassenburg.


138 Seite

Der kurze Anstieg führte uns am roten Turm vorbei. Als Teil

der alten Stadtbefestigung liegt er direkt unter der Festung.

Wenige Minuten später standen wir bereits auf dem großen

runden Mauervorbau der Plassenburg, von wo sich ein

herrlicher Ausblick auf Kulmach und das Maintal bietet. Im

Inneren der Anlage mit ihrem beeindruckenden Rundgang,

ist das Landschaftsmuseum untergebracht.


Die Plassenburg in

Kulmbach ermöglicht

weite Ausblicke über

das Maintal.

Seite 139


140 Seite

Am nächsten Morgen stand ich um 4 Uhr auf. Ich wollte

einen Ausflug nach Bischofsgrün machen, um auch mit

dem Rad einmal im Fichtelgebirge unterwegs gewesen

zu sein. Das Vorhaben ist ein Teil der Idee, von zu Hause

aus auf den höchsten Berg Frankens zu steigen und

die Strecke bis dorthin ausschließlich mit Muskelkraft zu

überwinden. Die Idee nahm nun so langsam Formen an.

Ich startete also, während alle noch schliefen, und fuhr in

Richtung Bad Berneck los. Gleich hinter Kauerndorf bog

mein Weg nach rechts ab. Dem Weißen Main folgend,

fuhr ich durch dieses schöne Tal und durchquerte kleine

Dörfer, die sich wie Perlen an einer Schnur entlang des

Mains hintereinanderreihen. Ich erreichte Weizendorf, danach

kam Himmelkron und Lanzendorf. Dort sah ich eine

schöne alte Sandsteinbrücke, die den Main überspannt.

Ich erreichte bald die A9, die überquert werden musste.

In der Mitte der Brücke angelangt schaute ich hinab auf

die unendlich dahinströmende Blechlawine, die bereits in

dieser frühen Morgenstunde eine schaurige Erinnerung

in meinem Gedächtnis hinterließ. Doch nach einer halben

Minute hatte ich die Lebensader unserer Zivilisation hinter

mir gelassen. Wie schön war es doch, die Stille auf dem

Rad wieder zu haben, das Summen der Reifen, während

die Vögel um mich herum den Morgen ankündigen.

Nach 25 km ging es ab Bad Berneck dann noch einmal

zur Sache. Der Weg bis nach Bischofsgrün ging stetig

bergauf. Auf den 12 km bis in den Ort waren ganze 300

Höhenmeter zu bewältigen und meine Oberschenkel kamen

gehörig ins Schwitzen. Ich erreichte Bischofsgrün bei

strömendem Regen und drehte daher gleich wieder um.

Doch gleichzeitig durchdrang mich ein kurzer Augenblick

lang ein Gefühl der Befriedigung, denn in diesem Augenblick

war ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen.


Seite 141

Bereits an Ostern waren wir von Bischofsgrün aus auf den

Schneeberg gelaufen und anschließend zur Weißmainquelle

aufgestiegen. Der Schnee hatte die Quelle und den

Weißmainfelsen über die Feiertage in eine märchenhafte

Landschaft verwandelt und uns Wanderer gehörig

überrascht. Wie bereits am Anfang des Kapitels gesagt,

sollte man das Fichtelgebirge nicht unterschätzen. Doch

davon später. An diesem Morgen jedenfalls, als ich mit

dem Rad am Ortsschild von Bischofsgrün stand, waren

die Aussichten auf die umliegenden Berge eher düster.

Nebelverhangen zeigte sich das Gebirge von seiner

unangenehmen Seite und so fuhr ich auf nassem Belag

zurück nach Bad Berneck und halbwegs trocken weiter

nach Kulmbach zurück. Am Ende war ich pünktlich zum

Frühstück wieder im Hotel. Ich genoss nun die zweistündige

Pause während des Frühstücks. Doch bereits nach

zwei Stunden radelten wir jetzt wieder zu viert weiter über

Mainroth nach Burgkunstadt. Nach einer Kaffeepause und

einem Bad im Rudufer See erreichten wir Michelau, unser

nächstes Etappenziel. Noch am Morgen hatte ich mächtig

gefroren, denn der Fahrtwind hatte mir den Regen in die

Schuhe gedrückt. Am Nachmittag dann lagen wir bei

Badewetter kurz vor Michelau am Strand und schwitzten.

Die zweite Etappe unserer Radtour war geschafft.


142 Seite

Am nächsten Tag

strampelten wir nach

einem Besuch der

Lichtenfelser Altstadt

zu den Vierzehnheiligen

hinauf. Ein

schöner aber

anstrengender

Anstieg ;-). Neben

dem gut besuchten

Kloster, das mit

seinen schönen

Fassaden Bildhauerkünste

in Vollendung

zeigt, waren wir vor

allem vom großartigen

Ausblick hinunter

ins Maintal

begeistert.


Seite 143

Nach dem Klosterbesuch freuten sich vor allem die

Kinder über die Abfahrt hinunter nach Grundfeld mit dem

nächsten Kloster direkt vor Augen. Vom Radweg aus war

Kloster Banz dann etwas deutlicher erkennbar und ich

dachte noch, welche Anstrengungen man doch unternahm,

um dem keltischen Heiligtum auf dem gegenüberliegenden

Staffelstein einst paroli zu bieten.

In Bad Staffelstein gönnten wir uns einen dreistündigen

Aufenthalt in der dortigen Obermain-Therme. Die wärmste

und stärkste Thermalsole in ganz Bayern tat unseren

Muskeln gut. Ein abschließender Saunagang sorgte für

zusätzliche Erholung. Nach dieser „Jungbrunnenpause“

meisterten wir das letzte Stück nach Ebensfeld mit Leichtigkeit.

Von unserer Unterkunft waren wir ebenso begeistert

wie vom frisch gebrauten Schwanenbier, das wir am Abend

in der Pizzeria zum Abschluss genießen konnten.

Der Main sorgt immer

wieder für Weitblicke.

Zwischen Kulmbach

und Bamberg windet

er sich gemächlich

dahin. Bei Unterbrunn

hat man ihm mit

Renaturierungsmaßnahmen

wieder mehr

Raum gebeben.


144 Seite

An einigen Stellen am

Oberen Main glaubt

man am Meer zu sein.

Die Felsen und das

Kiesbett bilden einen

natürlichen Lebensraum

für viele Lebewesen.

Die steinige

Uferzohne, die sich im

blauen Mainwasser

spiegelt, strahlt aber

gleichzeitig eine

stoische Ruhe aus.

Dieses ruhige Gemüt

besitzen auch die

Menschen, die entlang

des Flusses leben.


Seite 145

Der letzte Tag führte uns über eine abgelegene

Landstraße nach Rattelsdorf. Es war ein Rat unseres

Pensionswirtes, den wir befolgten, den der Routenverlauf

in unserem Radführer hatte einen anderen Weg

vorgeschlagen. Es war jedoch ein guter Tip wie sich

herausstellte. Denn so konnten wir noch einmal weit

über das Maintal und die Altarmseen hinüberschauen.

Am Straßenrand blühten dazu Kornblumen im herrlichsten

Blau. Auch die Sonne ließ uns an diesem letzten

Tag nicht im Stich. Überrascht wurden wir von zwei

Kanadagänsen, die ihren Flug über einen Altwasserarm

des Mains starteten. Sie konnten wir direkt vom Radweg

aus beobachten. Anscheinend hatten wir sie beim

Fressen gestört, denn nach einer kurzen Flugphase

landeten sie auf der gegenüberliegenden Seite des

Gewässers in sicherem Abstand von uns.


146 Seite

Flüsse wie der Main

durchdringen weiträumig

unsere Landschaften

und vernetzen so

unsere Lebensräume.

Doch der Mensch hat

die Flussläufe begradigt

und sie durch

Bauwerke zerschnitten.

Am Oberlauf des Mains

wurde jedoch durch

Renaturierungsmaßnahmen

wieder mehr

Lebensraum für die

Natur geschaffen.


Seite 147

Hinter Kemmern rasteten wir noch einmal kurz an

einem schönen See. Ein abgestorbener Baum ragte

aus dem Wasser und bildete einen willkommenen

Blickfang.

Nach einigen weiteren Schnappschüssen am Ufer zog

ein Fischreiher über unsere Köpfe hinweg. Es kam mir

vor, als wollte er „auf Wiedersehen“ sagen.

Keine Sorge, dachte ich so bei mir, wir kommen bestimmt

irgendwann mal wieder hierher zurück.


148 Seite


Seite 149


150 Seite

Nach dem Besuch der Mainauen bei Baunach ging es

weiter direkt auf Bamberg zu. Dort angekommen wollten

wir nun unseren Gesäßen etwas ruhe gönnen und

beschlossen, zu Fuß durch die Innenstadt zu laufen.

Dies war genau die richtige Entscheidung. Wir überquerten

den Main-Donau-Kanal auf der Luitpoltbrücke

mit ihren großen Stahlbögen und liefen über die Lange

Straße dem alten Kranen entgegen. Hier, am alten

Hafen direkt an der Regnitz, genossen wir das so

genannte „klein Venedig“ in der Abendsonne. Es war

mächtig was los auf der unteren Brücke. Hier trifft sich

die Jugend, um das Abendprogramm zu besprechen.

In unmittelbarer Nachbarschaft befi ndet sich das alte

Rathaus. Es ist eines der bedeutendsten Bauwerke der

historischen Innenstadt. Das schöne Fachwerkgebäude

wurde auf einer kleinen Insel mitten auf der Regnitz

errichtet. Es liegt somit genau am Bindeglied von

Berg- und Inselstadt. Seine Lage zeugt von der alten

Herrschaftsgrenze zwischen der ehemals bischöfl i-

chen Bergfestung und der aufstrebenden bürgerlichen

Inselstadt. Wie in Würzburg wird auch hier in Bamberg

die Machtpolitik des ausgehenden Mittelalters zwischen

Kirche und Bürgertum sichtbar. 1387 wurde das

Rathaus erstmals urkundlich erwähnt und bis 1467 in

seiner heutigen Gestalt fertiggestellt.


Seite 151

Vor dem alten Kran saßen wir zum Abschluss des Tages

auf einer Bank. Im Schein der untergehenden Sonne

genossen wir frisches Weißbrot mit Käse, Tomaten und

Gurken, ein Hochgenuss. Das Abendlicht ließ die Türme

von St. Michael in einer traumhaften Siluette erscheinen.

Enten schnatterten direkt unter uns in der Regnitz,

während junge Pärchen an der Promenade des Schiffbauplatzes

vorbeiflanierten. Jan und Lena erzählten

ihre neuesten Geschichten, während wir den Abend mit

einem kühlen Bier verfeinerten.

Zwischen Ober- und Unterbrücke waren Stangen für

einen Kajakparcour aufgehängt, doch leider waren

keine Boote im Wasser. Uns zog es bald weiter zum

Domhügel hinauf. Oben angekommen war ein frisches

Lüftchen zu spüren. Mit unseren kurzen Hosen

begannen wir bald zu frieren und Müdigkeit kam auf.

Schließlich hatten wir ja schon den Mainradweg in den

Beinen. Langsam schlenderten wir wieder hinunter in

die Altstadt um zu übernachten. Am nächsten Tag war

ja noch ein Besuch von Schloss Seehof geplant.

- Abstecher zum Seehof


152 Seite

Schloss Seehof ist die ehemalige

Sommerresidenz und das Jagdschloss

der Bamberger Fürstbischöfe. Heute wird

es als Dienstsitz des Archäologischen

Instituts in Franken genutzt.


Seite 153

Das etwa fünf Kilometer nordöstlich von

Bamberg gelegene Schloss wird von

einem großen Garten umschlossen, der

im Stil des Rokoko angelegt wurde. Die

Fläche der gesamten Anlage mit dem

Garten umfasst etwa 21 Hektar.


154 Seite

Wandern im Fichtelgebirge

Wer durch das

Fichtelgebirge

wandert, entdeckt an

vielen Ecken eine

sagenhafte Landschaft.

Durch die

Felsblöcke zu laufen

befreit Seele und

Geist. Selbst unliebsame

Gedanken

verschwinden dabei

für kurze Zeit.


Seite 155

Das Fichtelgebirge wird im Allgemeinen den submontanen Bergmischwäldern

zugeordnet. Je nach Höhenzone und geologischen Gegebenheiten verändern sich

auch die Vegetationsformen. So kommen Fichte, Tanne, Buche und Bergahorn vor,

an regenarmen bis trockenen Standorten findet man außerdem die Kiefer. Neben

den Gesteinsarten Granit, Gneis, Basalt trifft man auch auf Phyllit und Porphyr.

In den Hochlagen des Fichtelgebirges herrscht ein raues und feuchtes Mittelgebirgsklima,

was die jährlichen Durchschnittstemperaturen auf etwa 5 Grad Celsius

sinken lässt. Die Niederschläge liegen dabei zwischen 800-1200 mm. Im inneren

„Hufeisen“ des Fichtelgebirges ist es aufgrund der Windschattenseite und der niedrigeren

Höhenlage etwa ein Grad wärmer und die Niederschäge sinken auf 550 bis

850 mm Jährlich.

Eine Wanderung im Fichtelgebirge bietet somit nicht nur die Möglichkeit, unterschiedliche

Gesteine und Vegetationszonen kennenzulernen, es ist daneben auch

überaus spannend, in den Felslabyrinthen auf- und abzusteigen. Vor allem für Kinder

sind die Felslandschaften ein Abenteuerspielplatz. Gründe genug, dem Fichtelgebirge

ab und an „aufs Dach zu steigen“.


156 Seite


Seite 157

Die Route

Nachdem wir auf unserer Osterwanderung über die Luisenburg und den Prinzenfelsen

von einem Wintereinbruch überrascht wurden, machte anschließend ein Besuch auf dem

Schneeberg seinem Namen alle Ehre.

Die beschriebenen Wanderungen sind überwiegend

Etappen auf dem Fränkischen Gebirgs

weg. Neben dem Schneebergmassiv und der

Ochsenkopfregion erkundeten wir auch den

Großen Waldstein und die Umgebung rund um

den Fichtelsee. Der Fränkische Gebirgsweg

zieht sich über die Höhen Oberfrankens. Er star

tet in Blankenstein an der Saale, durchquert den

Frankenwald und das Fichtelgebirge und abschließend die Fränkische Schweiz. In Hersbruck,

vor den Toren Nürnbergs, endet dieser 425 km lange Fernwanderweg.


158 Seite

Wenn der Winter zurückkommt

April 2012

Endlich war es wieder soweit. Ein verlängertes Wochenende über die Osterfeiertage stand bevor.

Wir hatten die Rucksäcke für eine Frühlingstour gepackt. Mit abgespeckter Wechselganitur

starteten wir ins Fichtelgebirge. Doch das Wetter erteilte uns eine Lehre.

Wir waren bereits nach der Schule gestartet und fuhren

auf der A70 nach Bamberg. Über die B 303 gelangten

wir schließlich nach Wunsiedel. An der Naturbühne

angekommen verließen wir den warmen Camper und

schauten ungläubig hinüber zu den Tannenwäldern des

Fichtelgebirges. Doch unser Ausgangspunkt war mit

Bedacht ausgewählt, denn wir wollten die runden Steine

Frankens sehen.

Die Felsformationen dieser Region bestehen unter

anderem aus Granit und sind vor etwa 240 Mio. Jahren

entstanden. Damals füllten sich die Hohlräume des dortigen

Grundgebirges mit Magma aus dem Erdinneren. Es

erstarrte unter der Erdoberfläche zu diesem harten Tiefengestein.

Nachdem das darüberliegende Schiefergestein

durch Oberflächenverwitterung abgetragen war, wurden

die Granitblöcke durch Klimatische Gegensätze geformt.


Seite 159

Die Gesteinsformung geschah dabei über lange Zeiträume,

in denen tropische Phasen mit dazwischenliegenden

Eiszeiten abwechselten. Mit der Zeit wurden so

die Steine an ihren Ecken „abgeschliffen“ und erhielten

ihre heutige runde Gestalt. Nachdem anschließend

das abgetragene Material ausgeschwemmt war,

versuchten die zurückgebliebenen Granitmonoliten ihre

neue Ballance zu fi nden, was zu den heute sichtbaren

schönen Formationen führte.

Einige dieser Felslandschaften wollten wir uns näher

anschauen. Das erste Ziel sollte die Luisenburg sein.

Dieses Felsenlabyrinth liegt nicht weit von Wunsiedel

entfernt und so standen wir nun vor unserer ersten

Etappe. Wir starteten mit der Besteigung des Kaiserfelsens.

Über urige Steige, Treppen und Tunnel ging es

hinauf auf die Aussichtskanzel.


160 Seite

Auf dem Weg nach oben erwartete uns hinter jeder

Ecke ein neues Abenteuer. Nach jeder Biegung waren

neue, noch schönere „Kieselsteine im Großformat“ zu

bewundern. Oben angekommen nahm uns leider der

Nebel die Aussicht und so kraxelten wir weiter zum

Burgsteinfelsen hinüber. Diesen kann man bereits seit

1790 über Holzstufen erreichen. Sogar Goethe soll die

Felsen hier oben schon bewundert haben. In dieser

spektakulären Umgebung bemerkten wir nicht, wie

schnell die Zeit verging und bald hatten wir unseren

Rundkurs auch schon beendet.


Seite 161

Klimatische Gegensätze

formten einst

diese Felsformationen,

die heute als Luisenburg

bekannt sind.


162 Seite

Wieder zurück auf dem Fränkischen Gebirgsweg wanderten

wir weiter bergauf zum großen Haberstein. Wir

genossen ein weiteres Mal das Klettern durch die Felsen,

wobei die Kinder fröhlich von einem Stein auf den nächsten

sprangen. Lediglich Kerstin und ich waren anschließend

wieder froh, den weichen Waldboden unter unseren

Füßen zu haben. Leider hatte sich seit dem Morgen der

Nebel immer noch nicht verzogen. Die schöne Aussicht,

von der wir in den Tourenbeschreibungen gelesen hatten,

blieb uns leider an diesem Tag verwehrt.


Seite 163

Doch der dichte Nebel hatte auch etwas besonderes.

Zwischen den Fichten hindurch sorgte er vor unseren

Augen für eine mystische Stimmung und ich konnte mir

die ein oder andere Koboldgeschichte nicht verkneifen.

Zusätzlich waren die Temperaturen in den Keller

gegangen. Mittlerweile hatten wir alles angezogen, was

unsere Rucksäcke hergaben. Sogar die Mützen wurden

ausgepackt.

Bald ging es jedoch wieder leicht bergan und wir

kamen wieder ins Schwitzen. Es ist nicht einfach, beim

Wandern die richtige Kleiderauswahl zu treffen. Auf den

Punkt kommt man eigentlich fast nie. Meistens schwitzt

man oder es ist einem zu kalt.

Unterhalb der Kösseine angekommen, war der Nebel

immer noch da und wir beschlossen, diesen letzten

Aussichtspunkt nicht mehr hochzusteigen. Wir liefen

daher rechts bergab, weiter auf Reichenbach zu.


164 Seite

Dichter Nebelwald

erschwerte uns zwar

die Orientierung, doch

gleichzeitig sorgte er

auch für eine Portion

Abenteuer.


Seite 165

Beim nächsten Aufstieg zum großen Haberstein ging es

zunächst durch dichten Fichtenwald bergauf. An einem

Wegweiser kreuzten sich Höhenweg, Fränkischer Gebirgsweg

und ein bisher nicht bekannter Weg, der durch

einen blauen Querbalken gekennzeichnet war. Wir

hatten nun die Qual der Wahl, entschieden uns aber

letztlich für den Höhenweg, der uns direkt zum Haberstein

führen sollte. Die nun folgenden 150 Höhenmeter

brachten uns ganz schön außer Puste. Wie bereits bei

früheren Wanderungen drückte auch diesmal der Rucksack

gehörig auf unsere alten Hüftknochen.

Zum Glück hatten die Kinder damit keine Probleme.

Jetzt bot auch der Nebel einen kleinen Vorteil, denn er

sorgte weiterhin für kühleTemperaturen und ermöglichte

uns somit auch beim Bergauf gehen ein wenig von

den Dingen zu erzählen, die momentan in der Familie

aktuell waren.


166 Seite

So verging schnell die Zeit und wir erreichten eine

Bank, die wir für eine kurze Rast nutzten. Ein Schluck

aus der Feldflasche, ein Müsliriegel und eine Pinkelpause.

Ausruhen war nicht, denn gleich nach dem Riegel

waren die Beiden schon wieder auf den Steinen unterwegs.

Wir schulterten unsere Rucksäcke und stiegen

weiter bergauf.

Dabei passierten wir Baumstämme, die vom Blitzschlag

getroffen waren, kletterten über sie hinweg und hatten

dabei ständig den Untergrund im Blick. Wenn sich jetzt

einer den Knöchel verstauchen würde, hätte das fatale

Folgen haben können.


Seite 167

Die letzten Meter zum

Haberstein wurden

wieder steiniger. Wir

stiegen über Felsblöcke

und Leitern nach

oben. Nun machte es

wieder Spaß an den

Türmen entlang und

über Quader zu

steigen.


168 Seite

Als wir dann oben auf dem Haberstein standen, sahen wir

erneut vor allem eines, viel Nebel. „Ganz schön blöd“, meinten

Jan und Lena. Wir sagten, dass es schade sei und schluckten

dabei unsere negativen Gedanken hinunter. Der Ausblick

von hier oben ist besonders schön, das hatten schon die

Recherchen ergeben. Etwas enttäuscht schauten die Kinder

in den Nebel hinein. Schönes Wetter wäre wirklich noch das

Tüpfelchen auf dem „I“ gewesen, doch wir mussten jetzt das

Beste daraus machen.


Seite 169

Nun galt es die vielen Treppenstufen wieder hinunter

zu steigen. Vorsichtig nahmen wir eine Etage nach der

anderen. Die Hohlkörper unter den Stufen machten sich

bei jedem Schritt mit lautem Pochen bemerkbar.

Als wir am Fuß des Gelsgebildes angekommen waren,

hatten die Kinder die Enttäuschung schon wieder

vergessen. Die schönen Steine, die halb in der Erde und

halb darüber auf dem Weg nach unten aneinandergereiht

platziert waren, forderten den Spieltrieb geradezu

heraus. Hüpfend und balancierend ging es nun weiter

bergab, während wir anfingen, Liederraten zu spielen.

Die gute Stimmung war zum Glück zurückgekehrt.


170 Seite


Seite 171

Wir durchquerten Reichenbach und passierten etwas

später einen See. Anschließend ging es wieder bergauf

und durch den Wald.

Die Natur hatte uns in ihren Bann gezogen. Ständig

entdeckten wir Neues. Froschleich, Zunderschwämme

und plötzlich, nach weiteren Kilometern, stand plötzlich

ein Felsen mitten im Wald. Ein perfekter Platz zum Übernachten.

Nach wenigen Minuten stand unser Zelt.


172 Seite

Auf unserer Osterwanderung

durften natürlich

die Ostereier nicht

fehlen. Während die

Kinder das Nest

suchten, fingen wir an

zu kochen. Schnell

war der Nudeltopf

zubereitet und noch

schneller gegessen.


Seite 173

Nach dem Essen

wurden noch rasch ein

paar Notizen angefertigt,

doch bald kroch

die Kälte in unsere

Glieder und wir

krochen kurz darauf

in unsere warmen

Schlafsäcke. Bis zu

diesem Zeitpunkt lief

alles wie geplant. Wir

wussten aber noch

nicht, dass wir am

nächsten Morgen eine

Überraschung erleben

würden.


174 Seite

Über Nacht hatte es

geschneit. Dadurch

mussten die aufeinander

folgenden Handgriffe

für die Frühstücksvorbereitung

und fürs Packen der

Rucksäcke abgestimmt

werden, denn

oberstes Ziel bei

solchen Touren ist ein

trockenes Equipment.


Seite 175

Bereits um vier Uhr früh hatten wir die leisen Geräusche

des Niederschlags bemerkt. Da man im Zelt

oft unruhiger schläft, hörten wir das Aufploppen der

Flocken auf der Zeltaußenseite deutlich. Aufgrund der

niederen Temperaturen hätten wir eigentlich damit

rechnen müssen, zumal der Himmel den ganzen gestrigen

Tag über wolkenverhangen blieb. Eigentlich war

das ja kein Problem, denn die weiße Pracht würde für

unsere Augen eine schöne Abwechslung abgeben.

Doch beim Zubereiten des Frühstücks und beim

Zeltabbau mussten wir jetzt umdenken, denn oberstes

Ziel beim Draußensein ist es nicht nur selbst trocken

zu bleiben, sondern auch das Gepäck trocken zu

halten. Dies klingt erst einmal recht einfach, zumal wir

uns ja unter einem Dach befanden. Aber bei genauer

Betrachtung wurde es dann doch etwas schwieriger.


176 Seite

Bei Schneefall oder

bei Regen ändern sich

die Abläufe und

Handgriffe beim Zelten

Sachen zusammenzupacken,

denn es gilt

so wenig Nässe wie

möglich zuzulassen.


Seite 177

Der Grund für bedachtes Handeln ist simpel. Alles was

nass geworden ist, wiegt mehr beim Tragen und wärmt

nicht mehr bei Kälte. Bei anhaltendem Niederschlag

heißt dies dann unter der Absiede Tee kochen und im

Zelt frühstücken. Dies geht zwar, führt aber aufgrund

der gebückten Haltung bald zu Rückenschmerzen,

falls man vom nächtlichen Liegen nicht schon welche

hat. Ideal ist daher, wenn es zumindest von oben

trocken ist. Bei Schneefall ist dies etwas einfacher,

doch auch der Schnee taut auf der Ausrüstung schnell

und verwandelt sich in Nässe. Da es noch leicht

fl öckelte, war für uns das weitere Vorgehen eindeutig.

Frühstück raus vors Zelt stellen, Schlafsäcke im Zelt

zusammenpacken. Anschließend Klamotten anziehen

und die Ausrüstung in den Rucksack stopfen. Dieser

befi ndet sich unter der Apside des Zeltes. Damit sind

die beiden Bereiche außerhalb des Innenzeltes aber

innerhalb des Außenzeltes gemeint. Idealerweise

muss man nun nur noch in die Schuhe schlüpfen und

mit einem Ruck aus dem Innenzelt unter der Apside

hindurch ins Freie treten. Dies ist die Theorie. In der

Praxis machen einem das fehlende Gleichgewicht und

die Rückenschmerzen oft einen Strich durch die Rechnung.

Entweder man streift mit dem Rücken am Überzelt

entlang und ist nun nass, dann war das Bücken zu

zaghaft, oder man bückt sich zu weit vor und stolpert

über die Dinge, die man vorher vors Zelt gelegt hat.

Der Outdoormeister jedenfalls schafft alles in einem

Schwung und steht mit trockenem Rücken und seiner

Teetasse in der Hand in der freien Natur, die sich nun

wie auf dem Balkon vor einem ausbreitet.

Wenn alle aus dem Zelt gekrochen sind, läuft das anschließende

Frühstück im Zeitraffer ab, denn die Kälte

kriecht in schnellen Schritten in die gerade im Schlafsack

noch warm gewesenen Körper. Meist ist man

schon durchgefroren, wenn das Teewasser endlich gekocht

hat und das gefrorene Nutella irgendwie auf dem

Brot arrangiert ist. Die Kunst besteht dabei darin, dass

die geschnittenen Nutellascheiben vor dem

Essen nicht auf den Boden fallen und dabei unter

den Blättern verschwinden. Hat man dies geschafft,

ist der Tee in der Tasse meistens schon wieder kalt.

Schon etwas steif von der Kälte gilt es nun auch das

Zelt halbwegs trocken einzupacken. Die zwei Liter

Flüssigkeit, die ein Mensch in der Nacht ausdünstet,

hängen natürlich im Inneren des Außenzeltes. Genau,

dies war der Trick mit dem trockenen Rücken.


178 Seite

Am Ende ist dann alles gepackt und ordendlich verstaut.

Dabei wird man gleichzeitig wieder etwas warm. Von

den kalten Fingern, mit denen man die gefrorenen Alustangen

verstaut, rede ich dabei nicht so gerne. Ich möchte

an dieser Stelle bestimmt nicht schwarzmalen, aber

man muss das Draußensein schon mögen. Da wir als

Outdoorer nach dem Motto leben: „Hinterlasse nur deine

Fußspuren“, versteht es sich von selbst, dass kein Abfall

zurückgelassen wird! Beim Wandern mit dem Rucksack

lernt man eh, mit minimalem Gepäck auszukommen.

Dabei lässt man im Laufe der Jahre die Dinge zu Hause,

die man auf der Tour nicht gebraucht hat. Gut, in diesem

Fall wäre eine wärmere Jacke gar nicht so schlecht

gewesen, aber das passiert. Rucksackwanderer werden

mit der Zeit Minimalisten. Wenn nicht, dann sind sie

noch nicht weit genug mit schwerem Rucksack gelaufen.

Wir freuten uns, wieder unterwegs zu sein, auch wenn

morgens der Rucksack ein wenig drückt. Man gewöhnt

sich doch recht schnell wieder daran. Auch die Füße

tauten langsam wieder auf. Ich war mächtig stolz auf

die Kinder. Heute Morgen hatten sie die Kälte und den

Neuschnee einfach so hingenommen. Es schien für sie

keine zusätzliche Belastung zu sein. Vielleicht weil wir mit

ihnen schon früh mit dem Wandern begonnen hatten. Vor

einem Jahr waren wir eine Woche in Lappland unterwegs

gewesen und mit Zelt und Rucksack durch den Abisko

Nationalpark gelaufen. Jan und Lena hatten gelernt, beim

Zeltaufbau mitzuhelfen. Sie kannten es, draußen zu kochen

und sich den Tag über draußen in der Natur aufzuhalten.

Diese Erfahrung konnte ich jetzt spüren, denn die

nötigen Handgriffe, die rund ums Draußensein benötigt

werden, konnten beide aus dem Gedächtnis abrufen.


Seite 179

Nach einer Weile waren wir am Prinzenfelsen angekommen.

Geotope wie der Prinzenfelsen ermöglichen Einblicke in die

Erdgeschichte. Durch sie wird die geologische Entwicklung auf

unserer Erde sichtbar. Das Naturdenkmal liegt 751 Meter über

dem Meeresspiegel. In diesen Höhenlagen beginnt der Frühling

daher relativ spät und es kann bis in den April hinein zu

Kälteeinbrüchen kommen. Wir waren nun mitten drin in diesem

Kälteeinbruch. Der Schnee überdeckte die Vegetation am Fuß

des Prinzenfelsens und hob so das Geotop optisch hervor. Die

Leitern für den Aufstieg waren schnell entdeckt. Vorsichtig ging

es Schritt für Schritt nach oben, doch mit der Aussicht wurde

es wieder nichts. Wir kehrten daher gleich wieder um.

Weiter gings in Richtung

Fichtelsee.

Der Fränkische Gebirgsweg führte uns anschließend weiter

zwischen den Fichten hindurch. Doch bei Niederschlag zu

laufen, das ist so eine Sache. Ihn zu ertragen, fällt wirklich

nicht leicht. Das konnte ich in den Gesichtern lesen und es

nieselte bereits seit einer Stunde. Kerstin und mir war klar,

dass es ihnen bald zu viel werden würde. Wir beschlossen

daher, unsere geplante Tour zum Fichtelsee vorzeitig abzubrechen.

Hierfür war das Silberhaus eine gute Möglichkeit.

Dort sollte der Fränkische Gebirgsweg die B303 queren.

Als wir wenig später in der Gaststätte saßen, wurde mir

endgültig klar, dass dies die richtige Entscheidung gewesen

war. In einem entscheidenden Moment auch mal abbrechen

zu können, ist aus meiner Sicht die wichtigste Eigenschaft,

die man erlernen sollte und die für das Wandern mit Kindern

enorm wichtig ist. Ausschließlich Kilometer abzulaufen, wirkt

da kontraproduktiv. Schließlich wollten wir ja nächstes Jahr

wieder mit guter Laune mit ihnen in den Norden reisen, um

ein weiteres Stück auf dem Kungsleden zu wandern.


180 Seite

Nachdem wir schließlich das Silberhaus erreicht hatten,

wärmten wir uns zunächst in der Gaststätte auf. Nach

einem Getränk lief ich hinüber zur Bundesstraße, um

zurück zum Camper zu trampen. Anschließend konnte

ich dann meine Familie ahholen. Diese Praxis hatte

sich bereits in der Rhön bewährt. Die Nacht verbrachten

wir im Camper.

Am nächsten Morgen hatte es wieder geschneit. Nach

dem Frühstück fuhren wir zum Seehaus-Wanderparkplatz,

denn wir wollten zum Weißmainfelsen hochwandern.

Unsere großen Rucksäcke ließen wir für diese

Tagestour im Auto. Ich hatte lediglich einen Daypack

dabei, um Getränke und eine Brotzeit mitnehmen zu

können. Mit diesem leichten Gepäck auf den Schultern

war es nun wesentlich angenehmer zu laufen. Auf leichten

Füßen starteten wir erneut in den Wald hinein.

Schnee unter den Füßen und die Märchenlandschaft um

uns herum, dies war einfach sagenhaft. Man saugt das

leise Nichts auf, wenn alles ruht und schläft. Keine Vögel

zwitschern. Nur ein leises „Flupp“ ist zu hören, das bei

jedem Schritt unter den Füßen entsteht. Dann setzt du

zum nächsten Schritt an und du hörst dieses „Flupp“

erneut, wenn dein Schritt auf dem Schnee aufsetzt und

ihn zerdrückt. Es beißt sich die Kälte in dein Gesicht

und du spürst, wie sie mit dem aufkommenden Wind

zunimmt. Das Wandern im Winter ist Naturerlebnis pur.


Seite 181

Der Aufstieg zum

Weißmainfelsen war

an diesem Tag nicht

ohne. Die Stufen

waren naß und

rutschig.


182 Seite

Auf dem Felsen

angekommen, beobachteten

wir eine

Gruppe Soldaten, die

sich am Nordhang des

Weißmainfelsens

abseilten. Anschließend

ging es die

rutschigen Stufen

wieder hinunter


Seite 183

Der Weg führte uns nun wieder bergab durch herrlichen

Neuschnee. Wie Puderzucker klebte das Weiß auf

den Zweigen der Nadelbäume und bei jedem Schritt

knirschte es unter unseren Füßen.

Ohne Gepäck war der Aufstieg wirklich ein Kinderspiel

gewesen. Jan war ein Stück vorausgeeilt, um als Erster

an der Weißmainquelle anzukommen.

„Hoffentlich hat er an der Wegkreuzung die Richtige

Route gewählt“, dachten wir. Ein gelbes M führte nämlich

vom Karchessee hinauf auf den Ochsenkopf und

querte unseren fränkischen Gebirgsweg.


184 Seite

Hinter einem Bohlensteg tauchte plötzlich die Weißmainquelle

vor unseren Augen auf. Eine kleine Hütte,

eine Hinweistafel und der Bohlensteg umrahmten die

mit Granitgestein eingefasste Quelle.

Von hier aus also startet die fränkische Lebensader ihre

mehr als 500 Kilometer lange Strecke. Auf ihrem Weg

passiert der Main alte Städte und schöne Landschaften.

Kulmbach oder Bamberg sind hier zwei Beispiele. Dann

fließt der Main an Hassfurt und Schweinfurt vorbei.

Renaturierte Flussauen fi nden wir auf seinem Weg

flussabwärts ebenso, wie mächtige Felsstrukturen zum

Beispiel den Staffelstein. Weiter geht es durch das

fränkische Weinland. Während er das Keupergestein

des Steigerwalds umfl ießt, nimmt er zunehmend eine

südliche Richtung ein. Enge Windungen hinterließen

bei Volkach steile Kalkhänge, die sich heute ideal für

den Weinanbau eignen. Nach Kitzingen und Marktbreit

erreicht der Fluss die unterfränkische Metropole

Würzburg. Hinter Karlstadt verlässt er den Muschelkalk

und fließt hinter Gemünden erneut nach Süden, mitten

durch den Buntsandstein des Spessarts. Nach dessen

Umrundung endet er in Mainz und fl ießt mit dem Rhein

weiter nach Norden. Es ist unsere Heimat, das Land

der Franken.


Seite 185

Nach einer weiteren

Nacht im Camper

wanderten wir am

letzten Tag auf den

Schneeberg. Mit

seinen 1051 Metern

ist er der höchste Berg

Frankens und er

forderte noch einmal

unsere Kräfte. Über

eine Zufahrtstraße, die

für die militärische

Funkstation angelegt

wurde, stiegen wir

dem Berg aufs Dach.


186 Seite

Vor 200 Mio Jahren

war der Schneeberg

sogar höher als die

Alpen. Aber auch

heute herrscht hier

oben noch ein raues

Klima.


Seite 187

Bei einer Jahresdurchschnittstemperatur

von

3,8 Grad findet man

auf dem Schneeberg

Bedingungen wie nach

der letzten Eiszeit.

Heute ist das ehemalige

Sperrgebiet

Naturschutzgebiet.


188 Seite

Aufgrund der Kälte ist

das Pflanzenwachstum

nicht gerade

üpppig. Oft gedeiht

neben Fichten vor

allem Strauchvegetation.

Für selten

gewordene Arten ist

das Schneebergmassiv

jedoch ein Rückzugsort.

So hat man

dort bereits Fußspuren

des Luchses entdeckt.

Unsere größte Katze

scheint auf ihren

leisen Pfoten wieder

zurückzukehren.


Seite 189

Am letzten Tag war

dann doch noch die

Sonne hinter den

Wolken hervorgekrochen.

Doch leider

endete hier oben

unser Ausflug in das

höchste Gebirge

Frankens und wir

hatten noch einmal

den Winter genießen

dürfen. Schweren

Herzens verließen wir

den Schneeberg und

beendeten damit

unsere Wanderung

im Fichtelgbirge.


190 Seite

Steinreich

Juni 2018

Sechs Jahre nach unserer winterlichen Osterwanderung schrieb ich an meinem Buch über die

Naturwunder im Fichtelgebirge und benötigte dafür noch brauchbare Bilder. Neben dem Fichtelsee

besuchte ich dafür den Großen Waldstein und erkundete das ganze Egertal. Auch auf dem

Ochsenkopf war ich zwischenzeitlich gewesen, aber dies ist eine andere Geschichte.

Im Fichtelgebirge kann man nicht nur schöne Felsen betrachten,

man findet dort auch faszinierende Lebensräume

mit Übergangs- und Flachmoorbereichen sowie nährstoffarme

Teichgewässer. Gerade Moore sind Extremstandorte.

Sie zwingen Tier- und Pflanzenarten vor allem aufgrund der

dort vorherrschenden Nährstoffarmut zur Spezialisierung.

Ein Spezialist ist das links gezeigte Wollgras, das am Fichtelseemoor,

aber auch zum Beispiel im FFH-Gebiet Zeitelmoos

wächst. Die Nährstoffarmut des Fichtelseemoors

fördert dabei diese seltenen Arten, die an ihren weißen

Wattebäuschen leicht zu erkennen sind und von denen es

mehrere Unterarten gibt. Moore faszinieren aber auch aus

einem anderen Grund. In ihnen wird weltweit doppelt so

viel CO 2

gespeichert wie in den Wäldern. Moore sind daher

auch besonders hochwertige Kohlenstoffspeicher.


Seite 191

Das Fichtelseemoor

ist ein bedeutendes

Hochmoor, das sich

seit der letzten Eiszeit

vor 8.000 bis 10.000

Jahren entwickelt hat.

Die kargen Bedingungen

haben eine

einzigartige Tier- und

Pflanzenwelt hervorgebracht.

Aufgrund

einer ständigen

Wasserversorgung

konnten sich die

versumpften Flächen

zu einem Hochmoor

weiterentwickeln.


192 Seite

Entlang des Egertals

gibt es viele Naturwunder

zu entdecken.

Hier leben Biber,

Fischotter, Skabiosen-

Scheckenfalter und

die Große Moosjungfer.

Aber auch seltene

Fischarten wie die

Groppe oder das

Bachneunauge sind

hier zuhause. Zu

ihrem Schutz wurden

im Egertal 941 Ha

Naturschutzflächen

ausgewiesen. Dort

kann der Biber aktiv

die Flusslandschaften

verändern. Seine

Bauwerke verbessern

den Wasserhaushalt

und ermöglichen die

Wiedervernässung der

Landschaft. Schon

nach kurzer Zeit

entstehen damit neue,

artenreiche Biotope.


Seite 193

Auch das Waldsteinmassiv

birgt zahlreiche

Überraschungen.

Der Große Waldstein

liegt 877 Meter über

dem Meeresspiegel.

Bekannt ist er vor

allem aufgrund seiner

Felsenformationen

und der tollen Aussicht,

weshalb auch

mehrere Burganlagen

auf seinen Felsen

errichtet wurden. Im

Gipfelbereich gibt es

neben mächtigen

Felsentürmen aber

auch Mischwald mit

altem Buchenbestand

zu bestaunen, der

im Fichtelgebirge eher

selten vorkommt. Über

all dies kann man

beim Ausblick vom

Großen Waldstein

schauen.


194 Seite


Seite 195


196 Seite

In der „Fränkischen“

Die Täler und

Kalkfelsen der

Fränkischen Schweiz

sind einzigartig. Ihre

Lebensräume bieten

aber nicht nur

seltenen Arten einen

Lebensraum, sie

überraschen den

Besucher auch durch

ungewöhnliche

Wuchsformen wie die

der hier gezeigten

urigen Kiefer im

Naturschutzgebiet

„Trockenhänge um

Pottenstein“.


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Die Fränkische Schweiz ist aufgrund ihrer geologischen Besonderheiten sehr

beliebt. Die charakteristische Berg- und Hügellandschaft wird durch markante

Felsformationen und Höhlen durchzogen. Sie entstanden vor etwa 150 Millionen

Jahren, als ganz Süddeutschland noch im Bereich eines großen Flachmeeres lag.

Diese Kalk- und Dolomitfelsen des Weißen Jura prägen die Fränkische Schweiz

bis heute. Im Laufe der Zeit ist daraus eine typische Karstlandschaft mit tief

eingeschnittenen Flusstälern und trockenen, kargen Hochflächen entstanden.

Auch die Flüsse der „Fränkischen“, wie Wiesent und Trubach, sind von außergewöhnlicher

Schönheit. Man findet dort steile Täler mit verzweigten Gewässersystemen,

die mit Rad und Boot erkundet werden können. Als dritten Fluss möchte

ich noch die Pegnitz erwähnen, die im östlichen Teil der Fränkischen Schweiz liegt

und bis hinab in die Metropole Nürnberg fließt.

Die „Fränkische“ ist eine einzigartige Landschaft, die man aktiv erleben sollte.


198 Seite


Seite 199

Die Routen

Die folgende Geschichte beginnt auf der Wiesent, einem Fluss von außergewöhnlicher

Schönheit. Das idyllische Tal ist an seinem Oberlauf tief eingeschnitten und der Fluss

ändert ständig seine Richtung. Sein Oberlauf ist für Bootsfahrer etwas anspruchsvoller

als die im vorderen Teil des Buches beschriebene Fränkische Saale.

Die zweite Tour startet in Bamberg. Mit dem

Rad wird die Fränkische Schweiz in Richtung

Osten durchquert. Unsere Route folgt teilweise

der Wiesent, verlässt das Tal aber hinter Pottenstein

wieder. Anschließend geht es im stetigen

Wechsel erneut bergauf und bergab. An der

Pegnitz angekommen, folgen wir dem Fluss bis

hinab in die Metropole Nürnberg, dabei durchqueren

wir die Ausläufer des Reichswaldes.


200 Seite

Auf der Wiesent

Juli 2020

Franken ist sehr vielseitig. Dabei ermöglichen gerade die Flussläufe ganz neue Einblicke in die

Natur und ich habe die Erfahrung gemacht, dass unsere Heimat sich auch als Paddelregion sehen

lassen kann.

Diesen Satz wollte ich mir ein weiteres Mal selbst

bestätigen und startete deshalb zu einer Paddeltour,

die ich schon lange im Hinterkopf hatte. In das tief eingeschnittene

Tal am Oberlauf der Fränkischen Schweiz

hatte ich mich bereits in den 1990er Jahren bei unseren

unzähligen Kletteraktivitäten verliebt. 2020 war es

dann endlich so weit und ich hatte endlich Zeit für das

Abenteuer gefunden. Lena begleitete mich zusätzlich

als Fotografi n, was mich sehr freute. Bereits die Anreise

war spannend, denn die B470 führte mich schnell nach

Ebermannstadt. Das Walberla hatte sich bereits hinter

Forchheim gezeigt und auf die Schönheit dieser Landschaft

hingewiesen. Im weiteren Verlauf meiner Anfahrt

durch das Wiesenttal wurden die Windungen der Straßé

bis hinauf nach Gößweinstein immer zahlreicher und

die Ausblicke auf die weißen Kalkfelsen spektakulärer.


Seite 201

An der Behringersmühle bogen wir nach links ab und

folgten der kurvigen Straße St2191, während das Tal

immer schmaler wurde. Die Vorfreude stieg, denn

ich spürte, dass es bald losgehen würde. Vor mir lag

der Oberlauf der Wiesent, ein gemächlich durch die

fränkische Schweiz mäandernder Fluss, mit herrlichen

Ausblicken auf das Umland. Ab Doos ist er für Paddler

sicher befahrbar und daher hatte ich mich für den

Einstieg dort in das Gewässer entschieden. Vorher war

aber noch etwas Logistik nötig. Zunächst wollten wir

einen schönen Ort für die Bilder aussuchen, denn Lena

wollte nicht mitpaddeln, sondern war ausschließlich zum

Fotografieren dabei. Hierfür bot sich die Schottersmühle

geradezu an. Man konnte über einen Steg zum anderen

Ufer hinüberlaufen. Anschließend ging ein Pfad noch

etwas weiter in nördlicher Richtung an der Mühle vorbei.

Dieser Ort ist einer der Umtragestellen für Paddler. Nach

etwa einhundert Metern hatten wir einen perfekten Platz

zum Fotografieren gefunden, denn neben dem schönen

Blick flussaufwärts ragte ein Felsmasiv über dem

hinteren Tal empor. Er sollte als Kulisse für meine Bilder

dienen. Wir testeten nun bei angenehmen Temperaturen

und gelegentlichem Sonnenschein einige Bildkompositionen

und waren beide von dieser Location begeistert. Nun

konnte auch die Bootstour starten. In Doos angekommen

packte ich das Boot aus und begann mit der üblichen

Pumparbeit, um meinen Schlauchkanadier startklar zu

machen. Ich beeilte mich, da noch keine anderen Paddler

in Sicht waren. Guter Dinge setzte ich für Lena eine

letzte Whatsapp ab und stieg ins Boot. Gleich am Anfang

war auch schon die erste knifflige Stelle zu meistern.


202 Seite

Ich war noch keine hundert Meter gepaddelt und schon

wurde meine Aufmerksamkeit gefordert. Nur ein kleiner

Durchlass schien für die Weiterfahrt geeignet. Ihn galt

es jetzt mittig zu treffen. Ich war hell wach. In der selben

Sekunde schob mich der Fluss aufgrund der höheren

Durchfl ussmenge von hinten an. Für einen kurzen

Moment beschleunigte das Boot und schon war ich

durch. Geschafft! Das erste Hindernis lag hinter mir.

Erst danach griff ich zum ersten Mal zur Kamera, die ich

in meinem wasserdichten Gehäuse im Boot mitführte.

Vor mir tauchten die Talwindungen am Horizont auf,

wobei sich die bewuchsfreien Stellen mit dichten

Baumgruppen abwechselten. Dadurch erlebt man

den Flusslauf, als wäre man auf einer Achterbahn mit

vielen kleinen dunkelgrünen Tunneln, die den Paddler

immer wieder in sich einzusaugen scheinen. Darin

gefangen gleitet dann das Boot gemächlich weiter und

es wird schlagartig kühl und still. Wenn das Plätschern

verstummt, erklingen die Stimmen von Schafstelzen,

Weidenmeisen oder Zaunkönigen. Doch nach wenigen

Sekunden gleitet das Boot wieder aus dem Schattenreich

in die Sonne und Wärme zurück. Gleichzeitig

wechseln sich von einer auf die andere Sekunde

Tier- und Pfl anzenarten ab. Nun schwirrten hunderte

Prachtlibellen an den grasbewachsenen Flussrändern

hin und her. Sie lieben die Sonne und suchen am Ufer

nach Nahrung oder nach einem Partner. Hat sich ein

Pärchen gefunden, setzen sie sich gemeinsam ab,

um sich zu paaren. Ich schaute ihnen zu und ließ die

Eindrücke wie im Kino an mir vorüberziehen. Ich war

nun ganz auf dem Fluss angekommen.


Seite 203

Plötzlich schoss ein türkisblauer Pfeil aus der Uferböschung

heraus, um im Tiefflug dem Flusslauf direkt vor

meiner Nase entlangzufliegen. Mit einem schrillen Pfiff

machte er sich bemerkbar und war nach einer Sekunde

auch schon wieder aus meinem Blickfeld verschwunden.

Es sind diese kurzweiligen Eindrücke, die mich auf dem

Fluss immer wieder begeistern und die mich bereits früh

prägten. Als Kind war ich mit dem Schlauchboot und

den Eltern zwar nur auf Badeseen unterwegs gewesen,

aber die Lebendigkeit an den Uferrändern ist dort oft

ähnlich. Diese Erinnerungen fesseln mich auch heute

noch an unsere heimischen Gewässer.


204 Seite

Nach einer weiteren Biegung tauchte ein Felsmassiv

rechts vor mir auf. Ich erkannte die Struktur des weißen

Gebildes wieder. Nun war es bis zur Schottersmühle

nicht mehr weit. Ich gab daher Lena ein Zeichen. Mein

Pfiff hallte durch das Tal und das Boot näherte sich dem

Steeg, auf dem meine Tochter mit dem Foto auf mich

wartete. Nach wenigen Minuten waren die Bilder „im

Kasten“, wie man so schön sagt. Am Ufer tauschten wir

unsere Erfahrungen aus. Vor allem aber war ich von

den Bildern, die Lena gemacht hatte, begeistert. Mittlerweile

waren weitere Paddler auf dem Fluss unterwegs.

Auch sie hatten die gleiche Idee gehabt und nutzten

das gute Wetter für einen Ausfl ug auf der Wiesent.

Nun war treideln angesagt. Ich zog mein Boot über die

Wiese zur nächsten Einstiegsstelle. Diese liegt meist in

etwa 100 Meter von der Ausstiegsstelle entfernt fl ussabwärts.

So werden Wehre und andere Hindernisse

überwunden. Gleich hinter dem Wehr der Mühle führt

der Treidelpfad wieder hinunter an den Fluss. Der kurze

Kraftakt ist in der Regel alle zwei bis drei Kilometer

nötig, denn unsere Flüsse sind nahezu vollständig mit

Querbauwerken verbaut. Die Durchgängigkeit unserer

Flüsse, die für Wanderfi sche zum Überleben dringend

nötig ist, wird so leider verhindert. Dabei sind unsere

Gewässer wie Main und Saale, Itz, Regnitz und

Pegnitz, aber auch die hier beschriebene Wiesent die

Lebensadern unserer Heimat. Durch Begradigungen

und Stauwerke haben wir sie jedoch in den letzten

Jahrhunderten immer weiter zurückgedrängt und so ihre

natürliche Dynamik weitestgehend unterbunden.

Mittlerweile wurde dieser Fehler erkannt. In Teilbe-reichen,

wie zum Beispiel am Oberlauf des Mains, wurde

durch Renaturierungsmaßnahmen ein Stück Natürlichkeit

wiederhergestellt. Seltene Arten haben sich dort so

mit der Zeit wieder eingefunden.

Hatten wir vergessen, dass die Flüsse ein Netzwerk für

unsere Lebensräume darstellen?


Seite 205

Wie die Adern, die unseren Körper vernetzen und mit

Nährstoffen versorgen, durchfl ießen auch die Flüsse

unsere heimische Natur und übernehmen dort Versorgung

und Abtransport von Stoffen. Doch ihr Schutz

ist nötiger denn je, da immer mehr Arten aus ihren

ursprünglichen Lebensräumen verschwinden. Doch

was können wir dagegen tun?

Ein letztes Mal tauchten meine Paddelschläge in regelmäßigen

Abständen in das kühle Wasser ein. Nicht zum

Antreiben des Bootes, sondern vor allem zum Steuern

werden sie auf den engen Windungen der Wiesent

benötigt. Am Wölmer Steg war meine heutige Etappe

zu Ende. Ich steuerte meinen Schlauchkanadier an die

linke Uferseite zum Ausstieg hin. Anschließend zog

ich das Boot über den Steeg hinüber und weiter einen

sanften Anstieg bis zum Parkplatz hinauf.

Mein Rad hatte ich wie üblich in den Sträuchern deponiert

und konnte so zügig zum Auto zurückfahren. Ich

schaute beim Radeln noch einmal hinunter zum Fluss,

während das Wasser der Wiesent unermütlich das

Tal abwärts fl oss. An der Behringersmühle knickt der

Fluss scharf nach rechts ab und wird von dort aus von

Eisenbahnschienen und der B470 begleitet.

Ich kehrte zurück zu Lena und freute mich daüber,

dass alles so gut geklappt hatte. Lena fand dies auch,

vor allem gefi elen uns die Bilder die wir gemacht

hatten. Vielleicht möchte sie ja das nächste Mal wieder

mitpaddeln.


206 Seite

Durch die Fränkische Schweiz

Juni 2015

Wir waren mit dem Zug nach Bamberg zurückgekehrt, um eine weitere Etappe unserer “Frankenrunde”

zu fahren. Bei zweifelhaftem Wetter verließen wir den Bahnhof in Richtung Bamberg-Ost.

Friesen und über Seigendorf weiter nach Buttenheim.

Ein schönes Kaffee lud uns dort zum Bleiben ein.

Die Pause im Kaffee war entspannend, vor allem die

Croissants waren besonders lecker. Doch wer mit der

Familie unterwegs ist, der weiß, dass immer etwas

geboten ist. Dieses Mal verhakte sich bei Jan ein

Plastikstück der Trinkflasche in den Hauptdrähten seiner

Zahnspange. Dieses Malheur musste natürlich sofort

behoben werden, was entsprechende Blicke auf unseren

Tisch zog.

Bald hatten wir die A73 unterquert und waren in den

unter Naturkennern bekannten Hauptsmoorwald

hineingeradelt. Doch schon die ersten Abzweigungen

forderten unsere Orientierungskenntnisse heraus. Auch

die Beschilderung durch den Staatsforst ergab mehrere

Möglichkeiten der Weiterfahrt. Wir beschlossen letztlich

die Mountainbike-Route nach Geisfeld zu nehmen und

kurz vorher nach Roßdorf abzubiegen. In Wernsdorf

waren wir wieder auf der in unserem Führer beschriebenen

Route. Anschließend ging es aufwärts bis nach

Nach der Beseitigung des Plastikstückes bezahlten wir

und verließen so unauffällig wie möglich das Cafe.


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Frisch gestärkt radelten wir weiter durch Wiesen, Felder

und fränkische Dörfer. In Drügendorf verfehlten wir an

einer scharfe Rechtskurve erneut den richtigen Weg.

Während wir am Schützenhaus gerade aus weiterfuhren,

hätten wir eigentlich rechts abbiegen müssen. Erst

in Götzendorf bemerkten wir das Problem und mussten

etwa einen Kilomenter zurückfahren. Erstes Gemurmel

war hinter mir zu hören. Leider sollte nun unser richtiger

Weg etwa zwei Kilometer steil bergauf gehen, was das

Stimmungsbarometer weiter steigen ließ. An der Steigung

nebelten uns dann schwere Lastwagen mit Staub

und Abgasen ein. Erst als wir oben an der Mirsberger

Höhe angekommen waren, bogen die Lastwagen in ein

Kieswerk ab.

Somit hatten wir auch dieses Stück geschafft und so

rollten wir jetzt wieder die letzten Kilometer nach Ebermannstadt

hinunter. Mein kleines Scherzwort: „Hoffentlich

müssen wir da nicht wieder hoch“, trug leider nicht

zur Erheiterung bei.

In Ebermannstadt angekommen, kehrten wir im Schwanenbräu

ein. Nach dem Duschen schlenderten wir noch

die Altstadt hinunter. Abschließend gab es deftigen

Sauerbraten und hausgebrautes Dunkelbier. Das hatten

wir uns nach dieser anstrengenden Tour wirklich verdient.

Am Morgen lockte das leckere Frühstück wieder

lachende Gesichter hervor. Jan mit seinen Esponscho-

Schlickas war wie immer der erste am Büffet.


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Der zweite Tag führte uns an der Wiesent entlang. Zunächst

ging es nach Streitberg und Muggendorf. Herrlich

lagen diese kleinen fränkischen Dörfer im Wiesenttal.

Blütenteppiche hatten sich auf der Wiesent gebildet.

Eindrucksvoll leuchteten sie uns in der Sonne entgegen.

Auch die Strecke entlang des Flusses bis nach Pottenstein

gefiel uns an diesem Morgen wesentlich besser als

die anstrengende Berg- und Talfahrt am Tag davor.


Seite 209

Felsformation bei

Pottenstein. Urige

Kiefern wachsen hier

auf den Kalkfelsen der

Fränkischen Schweiz.

Doch noch viele

weitere Naturschätze

sind hier verborgen.


210 Seite


Seite 211


212 Seite

Auf dem Weg durch

das Wiesenttal kommen

wir an einem

herrlichen Zeltplatz

vorbei. Er liegt kurz vor

Pottenstein zwischen

Felsstrukturen idyllisch

am Fluss.

Malerisch schmiegten

sich Fachwerkhäuser

Pottensteins bis in die

Felsen hinein. Vielleicht

war Platzmangel

der Grund, denn das

Wiesenttal wird

flussaufwärts immer

enger.


Seite 213

In Pottenstein sorgte die Rodelbahn für Abwechslung.

Der Weg dahin führte direkt unter

der gleichnamigen Burg vorbei. Eindrucksvoll

thronen die Gebäude auf den bizarren Felsen.

Auch das bekannte Felsenbad ist einen

Besuch wert. Nach einer ausgiebigen Pause

und einem Eis ging es weiter an der Püttlach

entlang. Die Wiesent hatte sich zuvor in

Richtung Norden verabschiedet.

Jan und Lena hatten

auf dem kurvenreichen

Parkur der

Rodelbahn mächtig

Spaß.


214 Seite

Ein herrlicher Waldweg löste die Teerstraße ab und

eine schöne Moutainbike-Route schlängelte sich an

der Püttlach entlang. Ein wahrer Genuß für Offroader.

Leider nicht für Fahrer mit Satteltaschen, wie wir

bemerkten. Doch die Mühen wurden durch die uns

umgebende Natur belohnt und der Waldweg sollte nach

einigen Balanceabschnitten bald wieder in leichteres

Terrain führen.

Doch zunächst mussten wir unter Zähneknirschen noch

eine Anhöhe meistern. Nach diesem Kraftakt freuten

sich alle wieder auf der Teerstraße zurück zu sein und

wir folgten ihr die letzten Kilometer bis nach Pegnitz.

Dort erwartete uns das schöne Hotel Ratsstube. Als Belohnung

gab es am Abend leckere Pizza, denn bereits

beim Absteigen hatten wir ein Lokal direkt gegenüber

entdeckt.


Seite 215

Am nächsten Morgen starteten wir unser längstes

Teilstück mit einer Länge von 50 Kilometern. Bereits in

den Straßen von Pegnitz ging es ständig bergauf und

bergab.

In Horlach führte uns anschließend ein bezaubernder

Weg durch den Wald. Herrliche Kalkfelsen standen

zwischen den Tannen und Kiefern. Zusätzlich luden

kleinere Seen zum Rasten ein.


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Bald öffnete sich das Pegnitztal vor unseren Augen.

Herrliche Hochwiesen wechselten sich mit dazwischen

liegenden kleineren Waldstücken ab. In weiter Ferne

waren die sanften Berge der Oberpfalz zu sehen.

Wir erreichten gegen Mittag Mosenberg und die Sonne

machte sich nun immer stärker bemerkbar. Doch es

war unser erster Sonnentag und wir genossen ihn. In

Neuhaus war eine Kaffeepause angesagt. Der Bergfried

von Burg Neuhaus überragte weit das Pegnitztal. Von

hier ab schlängelte sich der Radweg nur noch mit

wenigen Steigungen an der Pegnitz entlang, weiter in

Richtung Süden.


Seite 217

Ein Spielplatz am

Radweg sorgt immer

für Abwechslung.

Während wir uns im

Schatten eine Pause

gönnten, konnten die

Kinder keine Minute

still sitzen.

Die Orte Velden, Enzendorf und Artelshofen, die sich

entlang des Pegnitztals befanden, waren aufgrund

der ebenen Wegstrecke schnell erreicht. Nach einer

Pause auf einem Spielplatz mussten wir wieder heftig

in die Pedale treten, denn der Fahrradweg war frisch

mit feinem Kies aufgefüllt worden und erschwerte

das Vorwärtskommen. Die letzten 10 Kilometer über

Eschenbach und Hohenstadt wurden daher eine

Herausforderung für unsere Nerven. Zudem brannte

jetzt die Sonne gnadenlos auf uns herab. Alle waren

daher froh, als plötzlich Hersbruck auf dem nächsten

Ortsschild stand. Dort angekommen fanden wir in der

Stadtmitte auch gleich unser Zimmer. Bei angenehmen

Temperaturen genossen wir den restlichen Tag. Mit

fränkischen Bratwürsten und Kraut und einem leckeren

Eis am Marktplatz ließen wir den Tag ausklingen.


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Am nächsten Morgen hatten alle heftige Poschmerzen. Zum Glück lag nun der leichtere

Teil unserer Radtour vor uns. Kerzengerade führte der Radweg an der Pegnitz

entlang. Am Wegrand konnten wir einen Weißstorch beim Fröschesuchen beobachten.

Direkt neben uns schmückten Mohnblumen ein Weizenfeld.


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Foto: Udo Steigerwald

as Kalkgestein, das uns die ganze Zeit durch die Fränkische Schweiz begleitet hat, endet

inter Hersbruck. Dann wechseln die Steine ihre Zusammensetzung und Farbe.

Ab Lauf haben die Steine eine cremig rote Farbe. Sie ist typisch für den Sandstein,

der ab Lauf an die Oberfl äche tritt und sich auf dem Weg nach Nürnberg unter unseren

Rädern befi ndet.


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Die Pegnitz windet sich weitläufi g durch die Landschaft

und führt zwischen Lauf und Nürnberg durch den

Reichswald. Bis fast an den Hauptbahnhof radelten wir

so an der Pegnitz entlang im Grünen.

Der Wöhrder See zeigte uns Nürnberg von einer uns

bis dahin unbekannten Seite. Die Naturnähe unweit

der Stadtmitte ist sicher ein Grund, weshalb viele Frühsportler

hier unterwegs sind.

Wir erreichten die Stadtmauer und bewunderten

die mächtigen Sandsteinquader an den Toren und

Türmen. Viele davon wurden in Schausenbuck, einem

Steinbruch im Reichswald ab dem 12. Jahrhundert

gebrochen. Noch heute kann man dort die Spuren des

Abbaus besichtigen. Hinter der Stadtmauer beginnt die

Fußgängerzone. Wir stiegen ab und liefen gemütlich

auf der Suche nach einer Eisdiele ein Stück hinein.


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Die Nürnberger haben zu ihrer Natur einen guten

Draht. Dies erkannten wir, nachdem bereits wenige

Minuten hinter dem Pegnitzradweg der Hauptbahnhof

auftauchte. Doch die Stadt kann darüber hinaus mit

vielen weiteren Highlights aufwarten, auch kulturell.

Ein Besuch auf der Kaiserburg wäre zum Beispiel eine

solche Möglichkeit.

Wir ließen jeoch unsere Tour bei einem Kaffee in der

Fußgängerzone ausklingen und fanden es abschließend

bewundernswert,

dass das Pegnitztal und der

Reichswald direkt vor den

Toren dieser großen Stadt

liegen.


222 Seite


Seite 223


224 Seite

Altmühltal und

Fränkische Seenplatte

Flüsse wie die

Altmühl durchdringen

mit ihren unzähligen

Schleifen weiträumig

unsere Landschaften.

Ein fortwährender

Veränderungsprozess,

der

die Lebensräume

vernetzt, denn viele

selten gewordene

Tier- und Pflanzenarten

sind auf diese

Süßwasserlebensräume

angewiesen.

Heute wird durch

Rückbaumaßnahmen

an Stauwehren,

die der Renaturierung

dienen, wieder

eine bessere Durchgängigkeit

geschaffen.

Dies ist ein

Segen für die Flusslandschaften

und ihre

Bewohner.


Seite 225

Die Altmühl entspringt am Südende der Frankenhöhe unterhalb des 500 Meter

hohen Breitharts und ist 227 Kilometer lang. Zunächst fließt sie nach Südosten,

knickt dann bei Altendorf ostwärts ab und schlängelt im weiteren Verlauf über Eichstätt

nach Dietfurt bis sie bei Kelheim in die Donau mündet. Dabei überwindet sie

einen Höhenunterschied von etwa 120 Metern und hat dabei ein Einzugsgebiet von

3.250 km².

Sie gehört damit zu den größten Flüssen in Franken und birgt dabei Naturschätze

von außergewöhnlicher Schönheit. Die breite Tallandschaft mit weit verzweigten

Gewässersystemen kann man bequem mit Rad und Boot erkunden.

Auch die Fränkische Seenplatte ist für Natur und Freizeit von großer Bedeutung.

Vor der Haustür von Gunzenhausen erstrecken sich nicht nur der naturschutzfachlich

hochwertige Altmühlsee, sondern auch die beiden Brombachseen. Sie bieten

sich als Naherholungsgebiet geradezu an, denn sie befinden sich nur knappe 40

Kilometer von der Metropole Nürnberg entfernt.


226 Seite

Foto: Gunther Zieger

An den fränkischen

Seen kann man

nicht nur gelegentlich

Seeadler beobachten.

So bietet etwa

die Beobachtungsstation

des LBV am

Altmühlsee die

Möglichkeit, eine

Vielzahl an Wasservögeln

kennenzulernen.


Seite 227

Die Route

Die Altmühl bietet sich mit ihrem sanften Gefälle als Radelregion geradezu an.

In Rothenburg ob der Tauber beginnt der offizielle Radweg und führt von dort zur

Altmühlquelle. Wir trafen kurz vor Colmberg das erste Mal auf die Altmühl und den ausgezeichneten

Weg. Ihn radelten wir von dort aus bis nach Treuchtlingen entlang.

Dabei besuchten wir noch die fränkische Seenplatte.

Die Altmühl eignet sich aber ebenfalls zum

Paddeln. Als alte Wasserratten entschieden wir

uns daher, den Fluss auch vom Wasser her zu

erkunden. In Treuchtlingen ging es los und die

Tour endete nach 16 Kilometern Paddelerlebnis

in Solnhofen. Aufgrund der vielen Themen muss

diese Geschichte aber in einem Folgeband zu

Ende erzählt werden.


228 Seite

Durch das Altmühltal

Mai 2013

Bei schlechten Wetteraussichten waren wir an einem Freitagabend noch nach Treuchtlingen aufgebrochen

und hatten dort im Camper übernachtet. Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Zug

zurück nach Rothenburg. Von dort aus wollten wir starten. Das Wetter war immer noch schlecht,

doch wir dachten: “Bei Sonnenschein radeln, das kann ja jeder”.

Nach einer 1,5 Grad kalten Nacht im Camper freuten

wir uns auf die Wärme im Zug, während draußen die

Felder an uns vorbeizogen. Wir sahen auch viele

Touristen, die bereits in Richtung Innenstadt unterwegs

waren. Auch wir mussten nun aussteigen. Ein

Mädchen wurde dabei in der Schlange sehr unruhig,

denn sie hatte mit ihrem Fahrrad und den angehängten

Satteltaschen so ihre Probleme. Am Ende wurde

sie sogar hysterisch, denn sie dachte bestimmt, dass

sie aus dem Zug nicht mehr heraus kommen würde.

An allen Ecken schien es nun zu klemmen. Wir halfen

ein wenig beim Ausstieg und orientierten uns anschließend

am Bahnsteig, denn unsere Frage lautete:

“ In welche Richtung müssen wir losfahren?“


Seite 229

Bald nahm der Verkehr um uns herum ab, denn wir hatten

die ersten Felder am Rande Rothenburgs erreicht.

Vor uns lagen landwirtschaftlich genutzte Flächen so

weit das Auge reichte. Bald stand unser erster Anstieg

bevor und wir zogen die Mützen unter den Radhelmen

aus. Nun galt es, kräftig in die Pedalen treten. Ein

Angler bot uns direkt am Fahrradweg einen Kaffee an.

Sahen wir wirklich schon so erschöpft aus? Wir lehnten

dankend ab und fuhren weiter. Auf dem nächsten Bergrücken

angekommen, klatschte uns ein älteres Ehepaar

sogar Beifall. Die Kinder freuten sich darüber, während

wir die Beiden passierten. Nach dem Anstieg ging es

wieder gerade aus und die Kinder traten tüchtig in die

Pedalen. Rechts und links des Radwegs konnten wir

einige Greifvögel über den Feldern beobachten.

Es waren Bussarde und Milane, aber auch Turmfalken

und Sperber zu sehen. Dazu zwitscherten Feldlerchen

in den Weizenfeldern ihre Strophen. Um die Mittagszeit

kamen wir an einem kleinen Tante-Emma-Lädchen vorbei.

Auf dem Schild war „Nahkauf“ zu lesen. Wir betraten

den Laden und kauften leckere Brötchen, die wir vor dem

Laden in der Sonne bei mittlerweile 10 Grad genossen.

Weiter ging es über Feldlandschaften und an kleinen

fränkischen Gehöften vorbei bis nach Collenberg. Die

schöne Burg Colmberg war schon von weitem sichtbar.

Nun stießen wir zum ersten Mal auf die Altmühl, die hier

ihre ersten Kilometer Fließstrecke bereits hinter sich hat.

Rechts von uns lag ein Golfplatz und wir rätselten beim

Vorbeifahren, wer wohl die vielen Bälle einsammeln

würde, die dort lagen.


230 Seite

Wir kamen an einem schönen Rastplatz vorbei. Auf einer

Sitzgruppe unter Bäumen war es nun Zeit für einen Apfel

und ein paar Müsliriegel. Die Rast tat uns gut, doch die

Kälte scheuchte uns bald wieder auf. Kurze Zeit später

konnten wir ein Güllefahrzeug beobachten, das beim

Entladen der Gülle seine Duftspuren hinterließ. Wir

beeilten uns, um schnell an der Stelle vorbeizuradeln,

denn es tat gut, wieder frische Luft zu atmen. Kurze Zeit

später erreichten wir erneut eine gemütliche Bank. Da

unser Tagesziel Leutershausen nicht mehr weit entfernt

war, nutzten wir auch dieses schön hergerichtete Plätzchen

für eine kurze Trinkpause. Bald danach begrüßte

uns bereits die hübsche Altstadt von Leutershausen.

Die Sonne blinzelte hervor und wir erreichten nach einer

abschließenden Kaffeepause unsere Unterkunft.


Seite 231

Leutershausen ist für ein Ereignis bekannt, das zwei

Jahre vor dem Flug der Gebrüdern Wright stattgefunden

haben soll. 1901 startete ein gewisser Gustav Albin Weißkopf

mit seiner rechts gezeigten Konstruktion zu seinem

ersten Flug. Der Leutershausener überbrückte mit seinem

Flieger eine Strecke von zweieinhalb Kilometern in

Bridgeport (Connecticut), nachdem er in die USA ausgewandert

war. Ein wirtschaftlicher Erfolg blieb jedoch aus.

In seiner fränkischen Heimat baute man aber seine Flugmaschine

Nr. 21 orginalgetreu wieder nach und widmete

ihm ein Museum in seiner Heimatstadt. Seinen Flieger

konnten wir direkt neben dem Radweg bewundern.

Abends gab es dann Cordon Bleu direkt gegenüber. Nach

einem tollen Frühstück am nächsten Morgen im Tanzsaal

der Neuen Post fuhren wir bei schlechtem Wetter in Richtung

Gunzenhausen weiter. Und wieder musste ich meinen

Hut vor Jan und Lena ziehen, da die Beiden auch diesen

Tag trotz schlechtem Wetter gut meisterten. Dabei waren

der stetige Nieselregen und die fünf Grad Lufttemperatur

kein Zuckerschleicken gewesen. Stetig bließ uns der

Seitenwind gegen die Räder und es blieb während der

ganzen 42 Kilometer langen Tagesetappe von oben her

nass. Auch der Versuch, uns etwa zwölf Kilometer vor Gunzenhausen

ein wenig aufzuwärmen, brachte nicht viel. Die

tanzenden Rauchschwalben, die uns das letzte Stück am

Altmühlkanal entlang begleiteten und mit ihren Flugkünsten

Erstaunliches darboten, konnten nicht mehr begeistern. Die

Kinder fluchten am Ende nur noch. Finger und Füße waren

ausgekühlt und so schafften wir es mit letzten Kräften zum

Gasthof Arnold. Endlich wieder im Trockenen, genossen

wir die schöne Ferienwohnung und nahmen ein heißes

Bad. Danach sah die Welt schon wieder viel besser aus.


232 Seite

Am dritten Tag hatte es endlich aufgehört zu regnen.

Motiviert gingen wir zum Frühstück und fühlten uns in

der warmen Bauernstube gut aufgehoben. Nur schweren

Herzens verließen wir daher diesen gemütlichen Ort

am Kachelofen.

Bald waren unsere sieben Sachen unter dem Regenschutz

verschwunden. Wir hatten alles angezogen, was

der Rucksack hergab. Doch bereits der ausbleibende

Regen war ein angenehmes Geschenk. Alle kamen

gut in den Tritt und die schöne Auenlandschaft begann

wieder auf uns zu wirken. Die Altmühl zog gemächlich

dahin und wir radelten von einer Ortschaft zur anderen

mit dem nächsten Ziel: Treuchtlingen.


Seite 233

Seit einigen Jahren wird die Altmühl in ihrem mittleren

Verlauf ökologisch umgestaltet. Durch diese Flussverlängerung

hat sich wieder ein vielfältiger Lebensraum

für Planzen und Tiere gebildet. Auf vielen Hinweistafeln

werden die eingearbeiteten Altwasserarme und Feuchtbiotope

gezeigt, aber auch der Lebensraum Wasser

erläutert. Nicht nur für die Kinder eine gute Gelegenheit,

neues Wissen aufzunehmen.


234 Seite

Anschließend war noch ein Besuch des Karlsgrabens

vorgesehen. Es war der erste Versuch, eine Verbindung

zwischen Rhein und Donau zu schaffen. Ein erstes

großangelegtes Grabungsprojekt unternahm bereits

Karl der Große vor rund 1200 Jahren. Heute stellt sein

Nachfolger, der RMD-Kanal, eine der wichtigsten Wasserstraßen

Mitteleuropas dar.

Nachdem wir die alte Erfi ndung der im Bild sichtbaren

Wasserschnecke ausprobiert hatten, radelten wir die

letzten Kilometer nach Treuchtlingen hinab. Anschließend

gönnten wir uns den Badespaß im Wellenbad und

beendeten dort unsere Radtour.


Seite 235

Vorschau

Mit unserem 4-er

Kanu paddelten wir

an den 12 Aposteln

vorbei. An einer der

schönsten Altmühlschleifen

unterbrachen

wir jedoch die

Paddelschläge,

um möglichst lange

die Aussicht auf

diese Kalkfelsen

genießen zu können.


236 Seite In Pappenheim

machten wir nach gut

sieben Kilometern

unsere erste Pause.

Dabei aßen wir die

leckeren Sandwiches,

die wir in

Treuchtlingen

eingekauft hatten.

Nach der Weiterfahrt

und einer Treidelstelle

erreichten wir

Solnhofen.

Die Kalkfelsen der 12 Apostel haben eine lange Entstehungsgeschichte,

denn das Altmühltal hat sich im

Laufe der Jahrmillionen stetig verändert. Vor 147 Millionen

Jahren lag das heutige Altmühltal mitten in einer subtropischen

Insel- und Lagunenlandschaft. Ammoniten, Raubfische

und Krokodile bevölkerten damals das Jurameer und

Dinosaurier druchstreiften das Land, während Flugsaurier

und riesige Libellen den Himmel beherrschten.

Unter ihnen war ein halbgefi ederter Freund, der heute

als Bindeglied zwischen Reptilien und Vögeln zu einer

Berühmtheit geworden ist. Der Urvogel Archaeopteryx.

1860 wurde in Solnhofen der erste spektakuläre Fossilienfund

gemacht: der Abdruck einer Feder aus der Jurazeit,

der ein erster Hinweis auf den Urvogel war. Bald

darauf kamen auch vollständige Fossilien ans Licht,

die zeigten, dass der Archaeopteryx sowohl Merkmale

der Dinosaurier als auch der modernen Vögel trug.

Das faszinierende Tier wurde bisher nur im Naturpark

Altmühltal entdeckt. Ein Grund für uns, dem Museum

einen Besuch abzustatten.


Seite 237

Hinter Solnhofen verlässt die Altmühl Mittelfranken.

Nach unserer Bootsfahrt, die an der Hammersmühle

endete, folgte ich im Mai 2018 erneut den Windungen

der Altmühl, aber dieses Mal in Richtung Osten und mit

dem Rad.

Ich befand ich mich nun bereits in Oberbayern und ich

war erstaunt, dass ich an der Grenze nicht kontrolliert

wurde ;-). Doch ich möchte an diesem Punkt umkehren.

Meine Geschichte, die hier ja weitergeht, werde ich zu

einem späteren Zeitpunkt weitererzählen.


238 Seite


Seite 239


240 Seite

Taubertal

Die Tauber windet

sich in unzähligen

Schleifen durch die

Landschaft und ist

dabei einem ständigen

Veränderungsprozess

unterworfen.

Dieser vernetzt die

Lebensräume und

gibt vielen Tier- und

Pflanzenarten eine

Heimat.


Die Tauber entspringt am Westfuß der Frankenhöhe und fließt in nordwestlicher

Richtung etwa 130 km durch unsere Heimat, bis sie in Wertheim in den Main

mündet. Dabei überwindet sie einen Höhenunterschied von etwa 120 Meter und

hat ein Einzugsgebiet von 3.250 km².

Seite 241

Im Laufe der Zeit ist an der Tauber ein repräsentatives Mittelgebirgsflusstal mit

vielfältigen Komplexlebensräumen entstanden. Neben Hang- und Auewiesen

haben sich Feucht- und Trockenstandorte etabliert, die sich mit Laub- und

Mischwäldern, aber auch mit Streuobstwiesen abwechseln.

Das Taubertal gehört somit zu den größeren Flusslandschaften unserer Heimat

und birgt entlang ihres Flussbettes auch eine Fauna von außergewöhnlicher

Schönheit. So sind neben vielen Libellenarten auch Eisvögel und Wasseramseln

in ihrer Ufervegetation zu Hause.

Die Tallandschaft kann bequem mit Rad und teilweise auch mit dem Boot

erkundet werden. Sie wartet geradezu auf aufmerksame Besucher.


242 Seite

An der Tauber kann

man sehr gut Eisvögel

beobachten,

Doch um sie fotografieren

zu können,

muss man sehr

schnell sein und

gleichzeitig Glück

haben. Doch nur

wenn man oft genug

draußen unterweg ist,

kann man die fliegenden

Edelsteine

irgendwann in einem

Bild einfangen.


Seite 243

Die Route

Das liebliche Taubertal kann sehr gut mit dem Rad befahren werden. Für diese Tour

starteten wir von Roth am See und fuhren zunächst zur Tauberquelle. Zwei Tage

lang waren wir mit unseren damals zehn- und achtjährigen Kindern unterwegs.

Dabei lernten wir eine außergewöhnliche

Flusslandschaft kennen. Gleich hinter Rothenburg

sahen wir urige Wege mit tiefen Taleinschnitten.

Es stand aber auch viel Kultur auf

unserem Programm. Schließlich durchquerten

wir neben Rothenburg ob der Tauber auch

Creglingen oder Bad Mergentheim mit seinem

Deutschordensschloss. Kulturelle Höhepunkte

fi ndet man aber auch in Weikertsheim mit dessen Schlosspark. Am Ende besuchten wir

noch das mittelalterliche Kloster Bronnbach mit seinen prächtigen Sandsteinskulpturen

und natürlich die schöne Burg Wertheim.


244 Seite

Liebliches Taubertal

Juni 2011

Unsere Flusslandschaften lassen sich mit Kindern und mit dem Rad sehr gut erkunden.

Dies wollten wir auf einer Mehrtagestour durchs Taubertal endlich selbst ausprobieren. Dabei

verspricht die Tauber viel Abwechslung, denn neben der schönen Natur hat das Tal auch viel

Kulturelles zu bieten. Mit dem Zug fuhren wir nach Rot am See, um dort mit den Rädern zu starten.

Gut markierte Radwege führten uns zunächst durch

Felder hinüber zur Tauberquelle. Von dort ab sollte das

kleine Rinnsal unsere weitere Strecke begleiten. Zügig

ging es von da an ins Taubertal hinab. „Geht es eigentlich

nur bergab?“, fragte Jan. „Fast nur“, erwiderte ich.

Ein Vorteil, der wirklich Lust aufs Radfahren macht, so

war unser Plan gewesen. Den Kindern gefi el die Idee,

auch wenn einige Anstiege im Verlauf der Tour die ein

oder andere Frage aufkommen ließen.

Der Radwanderweg entlang der Tauber wird überall als

„der Klassiker“ angepriesen. Er führt von Rothenburg

ob der Tauber bis nach Wertheim. Der Vorschlag, auch

die Quelle in unsere Tour mit einzubeziehen, war dann

meine Idee gewesen, denn ich liebe frisches Quellwasser

und vor allem direkt daraus zu trinken.


Seite 245

Die Zuganbindung nach Rot am See war ideal gewesen.

Auch der Start mit dem Rad gelang ohne Schwierigkeiten.

Doch nach etwa 20 Kilometern übersahen wir eine

Markierung und fuhren geradeaus anstatt links abzubiegen.

Bald standen wir an einem schönen Anglersee,

doch unser eigentlicher Radweg war verschwunden.

Mühsam strampelten wir einen Feldweg bergauf. Die

ersten Fragen kamen auf. Zu allem Übel sprang auch

noch die Kette von Kerstins hinterem Ritzel ab und

verklemmte sich zwischen Rahmen und Rad. Nun hieß

es tief durchschnaufen, reparieren, schönreden und

weiterfahren.

Solche Pannen sind natürlich übel. Sie drücken aufs

Gemüt und nehmen einem die Lust am Radeln. Zum

Glück hatte es nicht ein Rad der Kinder getroffen, denn

sie hätten das vielleicht persönlich genommen. Das

schöne Wetter verdrängte aber bald das kleine Maleur

aus unseren Sinnen und die Schmerzen meiner zerschundenen

Hand behielt ich vorsichtshalber für mich.

Die letzten zehn Kilometer in Richtung Rothenburg ob

der Tauber verliefen dann ohne weitere Zwischenfälle.

Leider waren wir etwa eine Stunde hinter unseren Zeitplan

zurückgefallen und die Vorfreude auf ein Eis in der

Altstadt musste noch ein wenig Geduld haben.

Getreidefelder so

weit das Auge reicht.

Die Gegend rund um

die Tauberquelle ist

stark landwirtschaftlich

geprägt. Dabei

wechseln sich alte

Fachwerkhäuser mit

modernen Traktoren

ab.


246 Seite

Ein herrlicher Weg führte durch die Schlucht nahe der

Stadt und bald standen wir vor den Toren Rothenburgs.

Riesige Mauern verbanden die Türme der Stadtmauer

und wir schoben unsere Räder in das Innere der mittelalterlichen

Anlage.

Die herrlich restaurierte Altstadt gefi el nicht nur uns auf

Anhieb. Eine große Besucherzahl war an vielen Stellen

in Rothenburg anzutreffen. An einem einladenden Cafe

stellten wir die Räder ab und genossen unser verdientes

Eis, während Touristen an uns vorbeiströmten. Ihr

Ziel waren die Souvenirgeschäfte. Ausgeruht schoben

wir weiter die Altstadt hinauf bis zum Marktplatz und

weiter hinunter zur Burganlage.


Seite 247

Von der Wehranlage aus genossen wir den Ausblick auf

das Taubertal. Anschließend verließen wir den schönen

Aussichtsort in Richtung Norden, denn wir wollten noch

ein paar Kilometer radeln und dann in einem Gasthof

übernachten. In Bettwar fanden wir in der „alten Schreinerei“

eine ideale Bleibe. Bei köstlichem Essen endete

unser erster Tag auf der Terasse. Ein Gewitter brachte

abends noch etwas Regen und wir gingen nach unserem

perfekten Rehbraten mit Klösen in unser Zimmer.

In der Fußgängerzone

von Rothenburg

reihen sich die

Fachwerkhäuser

aneinander. Besonders

gut gefiel uns

der Ausblick vom

Burggarten auf die

Tauberschleife.


248 Seite

Wir schliefen wie die Murmeltiere, doch da unser Zimmer

keine Außenrollos besaß, war die Nacht schon um

sieben Uhr vorbei und eine halbe Stunde später saßen

wir bereits beim Frühstück. Vor unserem Tisch stand

Müsli in verschiedenen Variationen bereit, daneben

lagen frische Brötchen mit hausgemachter Marmelade

und es duftete nach frischem Kaffe. Herz was begehrst

du mehr.

Nach dem Frühstück packten wir gemütlich unsere sieben

Sachen zusammen und holten die Räder aus dem

Keller und schon bald spürten wir wieder den Fahrtwind

in unseren Gesichtern. Das Wetter sollte noch ein paar

Stunden halten und wir nutzten die Zeit, die Eindrücke

des Taubertals an uns vorbeiziehen zu lassen. Wiesen-

Flockenblumen ragten mit ihren lila Köpfen weit aus den

Wiesen hinaus. Dann kam wieder eine der Siedlungen.

die sich zwischen die Felder wie Knoten an einer Schnur

dem Taubertal entlangreihten.


Seite 249

Klatschmohn bildete schöne

Kontraste am Rand der Roggen-

felder. Die roten Blüten gefielen

den Kindern, doch sie sind vor

allem für die Insekten wichtig.

Auch wir würden uns solche

Anblicke viel öfter in der Landschaft

wünschen. Sie zu finden

wäre so einfach, wenn man die

Randstreifen an allen Feld- und

Radwegen nicht mulchen, sondern

länger stehen lassen würde.


250 Seite

Bald rollten wir in Creglingen ein und Hinweisschilder

machten uns auf ein Rosenfest am Römerschlösschen

aufmerksam. Wir beschlossen daher, dort einen kleinen

Zwischenstop zu machen. Hinter einem Bauwerk am

Hang gelegen, hatte der hiesige Gartenbauverein über

die Jahre ein herrliches Kleinod geschaffen. Viele heimische

Kräuter und Wein, vor allem aber Rosen, konnte

man hier bestaunen. Überhalb des Gartens hatten

die Blumenfreunde eine Tribüne aufgebaut. Von dort

schauten wir auf die Wiese darunter und bewunderten

die Muster aus Teelichtern, die von vielen fleißigen

Helfern dekoriert worden waren und die jedes Jahr

diesem Fest einen Rahmen gaben. Wir hofften für die

Veranstalter nur, dass das Wetter halten würde, denn

der Himmel schaute bereits bedrohlich aus. Wir verließen

den Ort wieder und fuhren weiter nach Röttingen.


Seite 251

Röttingen mit seiner mittelalterlichen Stadtmauer lag

direkt am Tauberradweg. In der Innenstadt angekommen,

warb ein Plakat für einen Bühnenauftritt in der

Burganlage. Das wäre auch eine schöne Idee gewesen,

doch das Wetter mit den immer dunkler werdenden

Wolken ließ uns keine Ruhe. Wir mussten ja weiter nach

Weikersheim. Dabei kamen wir an einer schönen Brücke

vorbei, die von Baltasar Neumann entworfen worden

war. Zu unserem Glück blieb es noch trocken.

Wir tasteten uns quasi Stück für Stück von Ort zu Ort

vorwärts. Bald blies uns jedoch heftiger Wind in die

Gesichter. Er wurde schließlich so stark, dass wir beinahe

unser eigenes Wort nicht mehr verstanden. Wir duckten

uns über die Lenker und traten in die Pedalen so gut es

eben ging. Ich glaube, dass wir auf den letzten paar Kilometern

nach Weikersheim mehr Kraft benötigt hatten als

während des gesamten vorherigen Tages. In Weikersheim

angekommen, waren die Kinder ziemlich erschöpft.

Wie lange sie noch fahren müssten, fragten sie mehrfach,

während wir versuchten, sie immer wieder aufzumuntern.

Eigentlich war unser nächster Halt am Weikertsheimer

Schloss geplant. Doch wir entschlossen uns,

direkt am Marktpatz eine Pause einzulegen und kehrten

dazu in ein kleines Cafe mit großen Fenstern ein. Gemütlich

war es hier und vor allem ganz ohne Wind. So

konnten wir ganz angenehm neue Kraft tanken.


252 Seite

Das Weikertsheimer Schloss ist eine Augenweide

und auch der Schlosspark gefi el uns. Er würde bei

Sonnenschein sicher noch prächtiger sein. Wir wollten

ihn aber trotz des schlechten Wetters anschauen und

schlenderten gemütlich durch die Anlage. Der Bau des

eindrucksvollen Residenzschlosses wurde im 16 Jh.

begonnen, wobei die Baustelle 200 Jahre unvollendet

bleiben sollte. An gleicher Stelle stand bereits vorher

ein Bauwerk, das Hohenloher Wasserschloss. Nach der

Säkularisation wurde dann das einst zusammenhängende

Territorium an der Tauber zwischen Bayern und

Baden-Württenberg aufgeteilt.

Wir verließen den Barockgarten und beendeten nach

80 gefahrenen Kilometern unsere Taubertour. Aber nur

vorläufi g. Bei nächster Gelegenheit wollen wir dann von

hier aus nach Wertheim weiterfahren, soviel stand fest,

als wir im Zug saßen um nach hause zurückzufahren.


Seite 253

Zwei Wochen später rollten unsere Räder bereits wieder

auf dem Radweg an der Tauber entlang. Zwei freie

Tage standen an und das Wetter versprach dieses Mal

besser zu werden. In Weikertsheim angekommen führten

uns die ersten Kilometer durch das breit gewordene

Tal. Hier zwischen Weikersheim und Bad Mergentheim

wird viel Wein angebaut. Die Hänge scheinen mit

Rebstöcken bis auf den letzten Platz besetzt zu sein.

Den Landesherren beschehrte dies große Einnahmen,

die sich in den Prachtbauten wiederspiegelten. Das

Weikertsheimer Schloss ist eines davon. In Bad Mergentheim

würden wir vor einem weiteren stehen.

Vorher bestaunten wir aber noch im Kurpark eine herrliche

Rosensammlung. Der Duft der Rosen stieg uns

schon beim Vorbeigehen in die Nase.


254 Seite

Das Schloss in Bad Mergentheim war einstiges

Machtzentrum des Deutschen Ordens. Der hohe Turm

überragt das Geschehen rund um den Marktplatz. Die

schwarz-weißen Fahnen an der Eingangsbrücke zum

Schloß und die vielen Ordenskreuze, die in Sandstein

gemeißelt überall zu fi nden sind, zeigen noch heute,

wer hier früher das Sagen hatte. Beeindruckend ist

auch das Ordensmuseum, dem wir einen Besuch abstatteten.

Dort kann man ein schönes Modell der Burg

Rehden in der Eingangshalle betrachten. Bei angenehmem

Wetter schlenderten wir durch den Innenhof und

betrachteten die fi ligranen Fassaden, die sich plastisch

in der Sonne präsentierten.


Seite 255

Auf dem Makrtplatz genossen wir dann leckeren

Rhabarberkuchen und Pizzastücke. Gestärkt gingen

wir anschließend an die Strecke. Unser Plan war

nun, weiter dem Taubertal zu folgen. In der Nähe von

Tauberbischofsheim wollten wir uns dann ein Zimmer

suchen. Wir wussten aber noch nicht, dass dies nicht so

einfach werden würde.


256 Seite

Entlang des Radweges hatten wir immer wieder

Gelegenheiten, die für Abwechslung sorgten. So zum

Beispiel ein Mühlenspiel mit Riesensteinen, das wir in

einer Parkanlage vorfanden. Ab und an fütterten wir auch

einfach nur die Enten, die in der Tauber schwammen.

Anschließend radelten wir weiter, durchquerten kleinere

Ortschaften und erreichten schließlich Grünsfeld, das

etwa vier Kilometer von der Tauber entfernt liegt. Dort

fanden wir endlich ein Quartier, nachdem wir vorher noch

zwei kraftraubende Kilometer einen Berg hochgestrampelt

waren.

Eine alte Mühle sollte für diesen Tag unsere Bleibe sein.

Es war eine perfekte Location, wie wir fanden. Mit Blick

auf einen Garten belohnte uns die gegenüberliegende

Pizzeria für die Anstrengungen des Tages.


Seite 257

Unsere Tour lief bis dahin „wie am Schnürchen“, wie man

so schön sagt. Der zweite Tag startete jedoch mit wesentlich

schlechterem Wetter, was uns die Laune aber nicht

trübte. Das gemütliche „Dahinfahren“ schien momentan

das ideale Betätigungsfeld für uns zu sein. Trotz der

kühleren Temperaturen und dem Gegenwind erreichten

wir gut gelaunt die Altstadt von Tauberbischofsheim.

Einen Tag früher wäre ein Fest in Tauberbischofsheim

gewesen, das mit dem Auftritt einer Soulband beendet

wurde. Wir schoben unsere Räder durch die Spuren der

letzten Nacht, aber auch durch den gerade stattfindenden

Flohmarkt. Nun setzte Nieselregen ein, während wir

die Stadt wieder verließen. Schnell war die Regenbegleidung

übergezogen und es ging am schönen Rathaus

vorbei hinunter zur Tauber. Eine alte Steinbrücke

führte uns über den Fluss und wir folgten dem Lauf der

Tauber nun auf der linken Flussseite.


258 Seite

Das Tal wurde nun enger und wir waren erstaunt über

die Naturbelassenheit dieses Flussabschnitts. In engen

Schleifen fl oss die Tauber jetzt gemächlich in Richtung

Wertheim weiter. Wie eine Schlange, die sich beherzt

ihren Weg bahnen muss, windete sie sich durch das Tal

dem Main entgegen.

Die Weinberge waren nun ganz verschwunden,

dagegen machten sich Waldhänge breit. Bei Kloster

Bronnbach schien nichts mehr vom landwirtschaftlich

geprägten Tal übrig geblieben zu sein.


Seite 259

Im Innenhof des Klosters Bronnbach kamen wir

dann aus dem Staunen kaum heraus, denn die hohe

Schule der Steinmetzkunst wurde innerhalb der

Klosteranlage sichtbar und es schien, als wollten uns

die Figuren ihre eigene Geschichte erzählen. Auch

RTL war von der Anlage begeistert und nutzte die

Örtlichkeiten als Drehort für seine DSDS-Show.


260 Seite

Noch einmal radelten wir zurück zur Tauber, doch unsere

Tour neigte sich so langsam dem Ende entgegen,

denn bis nach Wertheim war es nun nicht mehr weit.

Nach einer letzten Rast radelten wir gemütlich auf die

Stadt zu. Während die gleichnamige Burg schon von

Weitem sichtbar über Main und Tauber wacht, dringen

erste Verkehrsgeräusche aus der alten Mainstadt in

unsere Ohren. Kurz bevor wir die Tauber überqueren,

präsentiert sich die Burganlage vor unseren Augen in

ihrer ganzen Größe. Wie ein Bollwerk thront sie über

dem Taubertal und demonstriert gleichzeitig an der

Mündung hoch über dem Main den Machtanspruch des

einstigen Adels über diese Region. Der Main jedoch,

der sich wie ein größeres Geschwisterkind unter der

Burg mit der Tauber vereint, soll nun Gegenstand für

die letzte Tour dieses Buches sein, die abschließend

erzählt wird. Ihm wollen wir nun mit dem Rad noch

einmal folgen.


Die Burg Wertheim

liegt auf einer schmalen

Bergzunge zwischen

den Tälern von Main und

Tauber. Sie ist eine der

mächtigsten Burganlagen

weit über die Region

hinaus. Es gibt begründete

Hinweise darauf,

dass hier Teile des

Mittelalterepos des

Parzival entstanden

sind, dessen Niederschrift

zwischen 1200

und 1210 erfolgte.

Seite 261


262 Seite

Der Main zeigt sich

zusammen mit dem

Spessart hinter

Erlenbach von seiner

schönsten Seite und

der aufmerksame

Beobachter bemerkt,

dass dieses Bild auch

den Rücken meiner

Buchserie „Naturwunder

in Franken“

schmückt.


Seite 263

Die Route

Es gibt gerade aus meinem Landkreis Main-Spessart noch so einiges zu erzählen.

Nach der Wanderung durch den Spessart, Paddeltouren auf Main und Saale, einer

Radtour entlang der Sinn, schließe ich nun meine Geschichten mit einer Radel- und

Bootserzählung um das Mainviereck, zumindest vorläufig.

Bis nach Wertheim werde ich mich aufgrund

der bereits überschrittenen maximalen Seitenanzahl,

die ich für dieses Buchkonzept vorgesehen

habe, kurz halten. Doch zwischen

Wertheim und Miltenberg gibt es noch kurz

ein paar Dinge zu erwähnen, die für die

Geschichte Frankens von weitreichender

Bedeutung waren und bis heute geblieben sind.


264 Seite

Von Lohr Mainabwärts

Mai 2016

Pfingsten stand vor der Tür und somit ein fast schon traditionelles Familienereignis - unsere

Fahrradtour. Es waren dieses mal drei Tage mit zwei Übernachtungen geplant. Die Zimmer

waren bereits reserviert, doch wir haderten ein Tag vor der Tour mit dem Wetter. Die Sonne

strahlte zwar vom Himmel, aber für die kommenden Tage war Regen angekündigt.


Seite 265

Wir wollten die freien Tage trotzdem nutzen, wenigstens

den ersten sonnigen Tag. Daher telefonierten wir ein wenig,

buchten und starteten kurzentschlossen gleich nach dem

Frühstück. Keine Stunde später saßen wir auf unseren Rädern,

die uns hinunter nach Lohr an den Main brachten. Es

war später Vormittag und wir freuten uns mächtig aufs

Radeln in der Sonne. Vom Radführer wird das Teilstück

zwischen Lohr und Miltenberg ausdrücklich gelobt,

denn der Fluss durchschneidet hier nicht nur in Schlangenlinien

den Spessart, seine Waldränder drängeln sich

etwa bei Neustadt bis auf wenige Meter an den Fluß

heran. In Erlach war die erste Rast angesagt. Wir saßen

direkt am Wasser und schauten auf das gegenüberliegende

Kloster Neustadt hinüber.


266 Seite

Ein Schwanenweibchen brütete direkt neben der Straße in

einem Blumenbeet und ließ sich von uns Radfahrern nicht

stören. Gemütlich ging es weiter den Main abwärts. Bei

Rothenfels thront die Burg aus dem 12. Jahrhundert

über dem Altstädtchen auf der gegenüberliegenden

Mainseite. Es hatte mittlerweile 25 Grad erreicht und

wir passierten zwei Campingplätze, deren schöne Lage

direkt am Fluß uns gefi el. Wir radelten durch Zimmern

und blickten anschließend auf Hafenlohr auf der rechten

Mainseite hinüber.

Jan und Lena erzählten von den letzten Wochen in

der Schule, die noch vor ihnen lagen und schwärmten

anschließend von einem kalten Eis, das in Marktheidenfeld

auf uns warten würde. Die neue Mainbrücke

sahen wir bereits und zur Altstadt war es nicht mehr

weit. Das schöne Wetter hinterließ auch in den Gassen

Marktheidenfelds seine Spuren. Eine Schlange vor

der Eisdiele war die logische Folge. Bald verließen wir

frisch gestärkt den Rummel in der Altstadt wieder und

radelten weiter in Richtung Süden. In Lengfurt angekommen,

sahen wir das gleichnamige Kloster auf der

anderen Mainseite.


Seite 267

Mit dem Kallmuth wurde nun Kalkstein über den

Main sichtbar. Die halbrunde Form des Berges und

seine sonnige Lage lassen hier einen leckeren Wein

gedeihen. Im oberen Bereich hat die Natur zusätzlich

ihr Rückzugsgebiet und wir sahen einige Greifvögel am

Himmel, die nach Nahrung suchten.

Unterhalb der Homburg rasteten wir ein zweites Mal.

Wir flüchteten vor den weißen Löwenzahnwolken, die

durch die Luft schwebten und suchten hinter einer

Baumreihe direkt am Wasser Schutz.


268 Seite

Nach einer weiteren Rast in einer Heckenwirtschaft

erreichten wir mit der Urparer Mainschleife den ersten

Eckpunkt im südlichen Mainviereck. Bald sahen wir wieder

die Wertheimer Burg über dem Zusammenfluß von Tauber

und Main. Der erste Tag war damit geschafft und wir bezogen

unser Quatier im „Tauberhotel Kette“. Nach Kuchen

und Kaffee in der Altstadt suchten wir nach einer Pizzeria

an der Mainpromenade für den Abend. Noch während

des Essens zogen bereits dicke Wolken auf und erste

Donnergeräusche waren in der Ferne zu hören. Noch auf

dem Heimweg in unsere Unterkunft erreichten uns erste

Regentropfen. Mit einem leckeren Frühstück starteten wir

in den zweiten Tag. Das Wetter war weiterhin durchwachsen,

doch wir konnten ohne Regen losfahren. Es war aber

bereits merklich kühler geworden.


Seite 269

Kurz vor Stadtprozelten

machten wir

unsere erste Rast,

denn die Regenbekleidung

musste

übergezogen werden.

Trotz des schlechten

Wetters blieb die

Stimmung gut.

Einige Mainwindungen später ragten zwei mächtige

Türme aus dem umliegenden Baumbestand hoch über

dem Main. Beim Näherkommen, vor allem aber beim

Anblick der Henneburg von Mondfeld aus fragt man

sich, wie eine solch riesenhafte Anlage in die eher

abgeschiedene kleine Welt des Mainvierecks kam und

wozu sie diente. Aus der einstigen Burg des

12. Jahrhunderts machte der Deutsche Orden, der

die Henneburg 150 Jahre lang besaß, durch große

gotische Umbauten eine schlossähnliche Festung,

deren Außmaße wir heute noch erahnen können. Da

auch die nachfolgende Machtzentrale des Ordens

in Bad Mergentheim und somit in direkter Nähe des

Taubertals entstand, taucht die Frage auf, weshalb

sich die Machtkonzentration des Deutschen Ordens

gerade in Mainfranken befand. Nun, das ist kein Zufall

und eine längere Geschichte. Ich möchte sie aber

kurz erwähnen. Auslöser dieser Entwicklung war die

Übertragung großer Gebiete in Franken durch Karl den

Großen an die Kirche. Er brauchte jede nur erdenkliche

Unterstützung, vor allem für seinen Krieg gegen die

Sachsen und für gewisse Zugeständnisse bekam er

diese natürlich auch. Gegenleistungen für den Aufbau

neuer Verwaltungsstrukturen, deren Ausbildung die

Kirche in Verbindung mit dem Kloster Fulda realisieren

sollte, waren vor allem Besitztümer und Rechte an Einkünften

bzw. Zöllen in den fränkischen Gebieten. Dabei

mussten die zukünftigen geistlichen Würdenträger logischerweise

auch in weltlichen, sprich wirtschaftlichen

Künsten ausgebildet werden. Nachdem Karl der Große

bereits 742 die Bistumsgründung gefördert hatte, stattete

er 753 den ersten Bischof des Bistums Würzburg mit

weitreichenden Besitzrechten und -gütern aus,

denn die Kirche erwies sich auch in weltlichen Angelegenheiten

als überaus geschickt. Dabei handelte

Karl nach dem gleichen Vorgehen wie bereits bei der

„Pippinischen Schenkung“ an die Römische Kirche, die

nahezu zeitgleich stattfand. Im Gegenzug legitimierte

der Papst die Karolinger als Könige des Fränkischen

Reiches. Mit dieser klassischen Win-Win-Situation war

auch der Grundstein für die spätere Gründung des

fränkischen Fürstbischoftums gelegt und die Realisierung

dieser Chance wusste die Kirche in der Folgezeit

zu nutzen. Sie brauchte aufgrund der Erbproblematik

in Dynastiegeschlechtern eigentlich nur auf eine günstige

Gelegenheit zu warten, um auch ihre weltlichen

Ansprüche für die Zukunft zementieren zu können. Und

diese Gelegenheit kam. Nach dem Tod des letzten

rechtmäßigen fränkischen Herzogs, dem Konradiner

Eberhard, der 939 in der Schlacht bei Andernach

ohne Nachkommen fi el, war diese Chance endlich

gekommen. Darauf hin griff die katholische Kirche in

den ihr zugesprochenen Gebieten nun endgültig nach

der weltlichen Macht. Dies zeigt sich in den folgenden

Jahren eindeutig an der starken Aufwertung der

herrschaftlichen Rolle der Bischöfe von Würzburg. Auch

wenn spätere Könige, wie etwa der Staufer Konrad, der

Kirche diese Rechstansprüche, etwa um 1120, immer

wieder streitig machen wollte, kämpften die kirchlichen

Würdenträger hartnäckig weiter. Die Zeit hatte ihnen in

die Hände gespielt, ihre weltliche Macht war bereits zu

groß geworden. 1446 hatten sie es endlich geschafft,

denn seit diesem Zeitpunkt trugen die Würzburger

Bischöfe die Bezeichnung „Herzog zu Franken“ bzw.

„Franciae orientalis dux“ bis zum Ende des Alten Reiches

bzw. der Säkularisation in ihrer Titulatur.


270 Seite

Doch was hat diese Geschichte mit Stadtprozelten zu

tun? Diese Brücke erschließt sich beim Blick auf die

kirchliche Institution des Ordens. Denn der deutsche

Orden mit seinen Zentren, zu Beginn auf der Henneburg

und später in Bad Mergentheim, spielte beim Aufbau

eines eigenen Kirchenstaates eine zentrale Rolle.

Von hier aus wurden die Fäden für die Besitzansprüche

im Baltikum und dem dort gegründeten Deutschordensstaat

gezogen, der am Ende des 14. Jahrhunderts ein

Gebiet von rund 200.000 Quadratkilometern umfasste,

was beinahe der Fläche der alten Bundesrepublik

entsprach. Die Wurzeln dieser Organisation aber sind

hier bei uns am Mainviereck zu suchen. Anders lässt

sich die mächtige Festung Henneburg, die ihre ganze

Größe erst beim Anblick von Mondfeld aus zu erkennen

gibt, nicht erklären. Selbst von einem späteren Zentrum

des Ordens auf einer bekannten Bodenseehalbinsel

kann man zumindest vom Namen her Rückschlüsse auf

seine einstige Herkunft ziehen. Zu weit hergeholt? Ich

denke nicht. Aber für alle, die bis hierher gelesen haben,

möchte ich noch kurz den Grund erklären, weshalb

ich hier vom großen Karl, dem deutschen Orden und

der Verbindung hinunter an den Bodensee schreibe.

Zugegeben, ich bin auch ein Fan des großen Karls,

aber nicht nur, weil er es als erster schaffte, weite Teile

Europas zu einen, sondern weil er etwas viel Großartigeres

auf den Weg brachte und hier kommt wieder der

Bodensee ins Spiel. Konkret die Insel Reichenau mit

ihrem Kloster. Auch die kirchlichen Leistungen möchte

ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich loben.

Es waren die Schreibstuben der Benediktinerklöster

Reichenau und Murbach, das westlich von Freiburg

im heutigen Frankreich liegt, die von Karl den Auftrag

bekamen, eine einheitliche deutsche Sprache zu entwickeln,

die doch so wichtig für uns geworden ist.

Mit Hilfe unserer Muttersprache können wir all die

Gedanken zum Ausdruck bringen, die uns bewegen.

Ja, sie ist komplex und für alle, denen es nicht schnell

genug geht, dem Englischen unterlegen. Jedoch für

Tiefgründiges aus meiner Sicht dem Angelsächsischen

weit überlegen. Doch das muss jeder selbst beurteilen.

Aber um noch einmal auf Reichenau zurückzukommen.

Es gehörte bis zum Übergang an das Bistum Freiburg

zum Bistum Konstanz. Auch Reichenau hatte ursprünglich

königliche Dankbarkeit erfahren, nämlich den

Zugriff auf umfangreichen Grundbesitz, vor allem aber

auf die daraus resultierenden Abgaben. Auch heute

noch ist die Macht des deutschen Ordens in Konstanz

spürbar, nicht nur auf der Blumeninsel und in Reichenau,

wobei alles im Umkreis von unter zwölf Kilometern

beieinanderliegt.

Während wir weiter den Mainradweg entlang fuhren,

wechselten sich Naturlandschaften mit weitläufi gen

Felsstrukturen und sandsteinfarbenen Burgen ab. Nach

der Henneburg folgten die Ruinen Collenberg und

Freudenburg, die sich malerisch über dem Main in die

Waldhänge schmiegten.


Seite 271

In Miltenberg angekommen bestaunten wir zunächst

die Altstadt, denn sie ist wirklich außergewöhnlich. In

den engen Gassen lässt es sich herrlich spazieren gehen.

Neben dem Schnatterloch und der Burg können

viele weitere Sehenswürdigkeiten besichtigt werden.

In einem speisten wir sogar. Der Riese gilt als das

älteste Gasthaus in Deutschland. Neben der schönen

Außenfassade gibt es auch auf der Speißekarte selbst

nur Lobenswertes. Neben tollen Gerichten wird das

süffige Hausbier angeboten. Auch dies ist, wie bereits

gesagt, vom Feinsten.

Am nächsten Morgen waren wir vom leichten Regen

nicht gerade überrascht. Wir quälten uns noch weiter

bis nach Erlenbach und hofften, dass der Regen

aufhören würde. Doch vergebens, daher entschieden

wir uns an der nächsten Station, mit der Bahn nach

Hause zu fahren. In Obernburg mussten wir dann

auf den Schienenersatzverkehr umsteigen und es

folgte eine ruckelige Fahrt aufgrund der Räder im Bus

bis nach Aschaffenburg. Immer noch durchgefroren

saßen wir im Zug zurück nach Partenstein.


272 Seite

Der Spätherbst ist für

viele Naturfreunde

als Wanderzeit schon

lange beliebt. Ebenso

gut eignet sich diese

Jahreszeit für das

Paddeln auf dem

Main. Wer es nicht

glaubt, sollte es

einmal probieren.


Seite 273

Auf den letzten Kilometern...

Mit den vorangegangenen Schlechtwetterbildern möchte ich mein Buch auf keinen Fall

beenden und lade daher den Leser noch einmal ein, mich das letzte Stück zurück nach

Aschaffenburg auf dem Wasser zu begleiten.

Dazu stieg ich in Klingenberg in mein Boot ein.

Von dort aus mussten bis nach Aschaffenburg

28 Kilometer Paddelstrecke zurückgelegt werden.

Zusätzlich waren zwei Schleusen zu überwinden.

Nach gerechneten zweieinhalb Etappen war ich

am Ziel und damit schließt sich nun der Kreis,

denn wir sind wieder am Startpunkt meiner

Geschichte angekommen. Mit jedem Paddelschlag

werden über der Stadt die Konturen einer bekannten Silhouette immer deutlicher.

Beim Ausstieg aus meinem Schlauchkanadier schaue ich noch einmal nach oben und

vor mir erhebt sich die Johannisburg, eines der schönsten Schlösser Mainfrankens.


274 Seite

Zurück nach Aschaffenburg

November 2020

Mit gemischten Gefühlen fahre ich Mitte November durch den Spessart. Nebel hängt dicht in den

Tälern und das Thermometer zeigt 4,5 Grad an. Sicherlich gibt es bessere Voraussetzungen, um

mit dem Boot auf dem Main zu paddeln, so dachte ich zumindest am Anfang.

Doch ich vertraute auf den Wetterbericht, der für diesen

18. November strahlenden Sonnenschein vorausgesagt

hatte und tatsächlich, hinter Eschau fuhr ich durch

den Nebel hinaus in einen sonnigen Tag hinein. Super

gelaunt erreichte ich Klingenberg und machte mein

Boot startklar.

Gegen die Kälte hatte ich diesmal vorgesorgt, nachdem

ich beim letzten Mal vor zwei Wochen mächtig gefroren

hatte. Mit Winterstiefeln und Regenhose war ich jedoch

an diesem Tag gut gerüstet. Auf dem Main angekommen,

legte ich mich bequem zurück und genoss die

leuchtenden Herbstfarben, die mir von den Spessarthängen

entgegenleuchteten. Dazu der strahlendblaue

Himmel über mir. Sagenhaft, so schön kann es im

Spätherbst auf dem Wasser sein.


Seite 275

Die Temperaturen stiegen nun allmählich an und das

Paddeln machte so richtig Freude. Nebenbei mussten

selbstverständlich einige Bilder gemacht und an die

Familie zuhause geschickt werden. Dabei kam ich das

ein oder andere Mal etwas zu nah ans Ufer, denn beim

Handygebrauch vergeht die Zeit im Flug. Nach dem

Gegensteuern musste ich mich wieder auf Kurs bringen

und ich machte die erstaunliche Erfahrung, dass es

Handy´s selbt bei mir, einem Ultra-Naturfreak schaffen,

andauernd für Ablenkung zu sorgen. Und das trotz des

perfekten Wetters. Nein, jetzt hab ich dich durchschaut,

dachte ich, während das oben gezeigte Bild mit der

Klingenburg im Hintergrund gerade im Kasten war,

denn mit dem nächsten Griff beförderte ich das Handy

dorthin, wo es für die nächsten Stunden hingehörte,

weit weg in den Packsack.


276 Seite

Ich erreichte Erlenbach und paddelte an der Schiffswerft

vorbei. Sie zählte noch 1970 mit ihren über 300 Mitarbeitern

zu den führenden Binnenschiffswerften in Deutschland.

Auch heute, nach dem erfolgreichen Unternehmensumbau,

kann man auf dem etwa 50.000 m² großen

Gelände, Schiffe bis 135 Meter Länge hellingen. Die über

100 Meter lange Werft, die man aufgrund ihrer Schräglage

auch als Helling bezeichnet, ist dabei die einzige Anlage

für Schiffe dieser Größe zwischen Duisburg und Linz. Zu

den Schiffsneubauten zählen Seenotrettungskreuzer und

Hochseeschlepper. Auch an diesem Tag lagen neben der

Werfthalle zwei Schiffe an der Helling und ich beobachtete

wie drei Arbeiter um die aufgestellten Rümpfe herumliefen.

Langsam paddelte ich an den Stahlträgern vorbei, die als

Unterlage für die Schiffe am Boden befestigt waren.


Seite 277

Dahinter tauchte das Altstädtchen auf, dessen Lage

man am spitzen Kirchturm gut erkennen konnte.

Hinter Erlenbach erwartete mich dann wieder Natur pur.

Insgesamt sechs Eisvögel konnte ich an diesem Tag

sehen, wie sie vor meinem Boot den Main hinabflogen.

An diesem Tag leuchteten ihre türkisen Hinterteile aufgrund

der schräg stehenden Sonne besonders intensiv.

Dieser Tag war der schönste für mich in diesem Jahr

auf dem Main gewesen, denn im Gegensatz zu den

Sommermonaten, in denen gegen Mittag die Sonne

viel zu warm wird, waren nun die Temperaturen zum

Paddeln ideal.


278 Seite

Unter den langen

Ästen einer Weide

legte ich mein Paddel

für einige Minuten auf

das Boot und lehnte

mich zurück. Dabei

fing das Boot an sich

zu drehen. In Zeitlupe

kreiste es nun mit mir

auf dem Main und ich

kam dabei vollständig

zur Ruhe. In solchen

Momenten kann man

die Natur um sich

herum nicht nur mit

allen Sinnen wahrnemen,

sondern man

erkennt in solchen

Augenblicken auch

ihren unermesslichen

Wert, den sie für uns

und das Leben, das

uns umgibt, besitzt.


Seite 279

Später kam ich noch an einem selbst gebauten Boot

vorbei. Aus Paletten war ein Grundgerüst erstellt worden

und eine Sitzbank im hinteren Bereich, schmückte

das Gefährt. Das Boot besaß sogar eine Dachkonstruktion,

die mir besonders gut gefi el. In diesem Augenblick

musste ich an die Kinder denken, die es gebaut haben

mussten. Ich konnte mich dabei sehr gut in sie hineinversetzten,

denn als Jugendicher hatte ich mit meinen

Freunden ähnliche Dinge unternommen. Dabei genoss

ich das schöne Herbstwetter noch bis zum Nachmittag.

Dann tauchten die Schlote des Industriecenters

Obernburg auf. Wehmütig zog ich mein Boot über das

Gebüsch ans Ufer hinauf und sah bereits mein Fahrrad,

mit dem ich zurück nach Klingenberg fuhr.


280 Seite

Hinter der Staustufe in Kleinwallstatt ging es zunächst

weiter nach Obernau, wo mich nach zehn Kilometern

das nächste Querbauwerk zum Verlassen des Wassers

zwang. Dahinter, auf den letzten Paddelkilometern nach

Aschaffenburg, begleitete mich dann erneut herrlichstes

Wetter auf dem Main. Es war der 25. Februar 2021 und

es sollte an diesem Tag fast 20 Grad geben. Zehn Tage

vorher hatte es an manchen Stellen in Deutschland

unter minus 20 Grad gehabt, was einem Temperaturhub

von 40 Grad entspricht. Was aber da noch auf uns

zukommen wird? Es kann einem wirklich Angst und

Bange werden.

Noch etwa sechs Kilometer paddelte ich bis zur Uferpromenade

der Stadt. Dort angekommen war ich wieder

am Startpunkt meiner Geschichte angelangt.


Seite 281

Als ich in der großen Mainschleife aus dem Boot ausgestiegen

war, blickte ich staunend nach oben. Welch ein Prachtbau

sich da vor einem erhebt. Die schönen Außenfassaden

von Schloss Johannisburg sind ein Augenschmaus für jeden

Kunstliebhaber. Auch die vielen Fenster und die mächtigen

Türme müssen jeden Betrachter beeindrucken. Eher

unscheinbar wirkt dagegen der ebenfalls mächtige Bergfried

der alten Vorgängerburg im Inneren des Schlosses, denn er

wird von der neueren Vierfl ügelanlage gänzlich umschlossen.

War da etwa beim Neubau der zweiten Residenz der

Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten Absicht im Spiel?

Nachdem der Straßburger Baumeister Georg Ridinger 1614

sein Werk aus Rotsandstein fertig gestellt hatte, muss es

für die weltlichen Vorbesitzer einen ernüchternden Eindruck

hinterlassen haben, denn sie waren nun nicht nur in ihrem

ehemaligen Gebäude ummauert, sie hatten in Aschaffenburg

auch schon lange den politischen Führungsanspruch

abgeben müssen. Dies war nun auch visuell klargestellt.

Doch die Zeiten des Umbruchs waren bereits voll im Gange,

denn der Widerstand gegen das weltliche Machtstreben der

Kirche war bereits in vollem Gange und die Reformation auf

dem Weg. 200 Jahre später kam nach der Sekularisation,

welche die Einziehung oder Nutzung kirchlicher Besitztümer

regelte, König Ludwig I. als neuer Herr an den Untermain.

Er lies 1840 gleich neben dem Schloss das Pompejanum

bauen. Zugegeben, im Vergleich zu Johannisburg wirkt

das nach außen hin nahezu fensterlose Gebäude auf mich

nicht gerade ästhetisch. Es zeugt eher von Desinteresse an

dieser schönen Region am Main. Dieser Eindruck auf mich

änderte sich auch nicht, nachdem ich wieder im Boot saß

und weiter den Main Flussabwärts weiterfuhr.


4 Seite

Routenübersicht Band 1


Zwischen Karwendel und Spessart

Band 2

Die Geschichte beginnt im Karwendel. Auf einer Mehrtageswanderung

durchquerten wir mit unseren Kindern das Gebirge von Ost

nach West. Anschließend erzähle ich über die Erlebnisse unserer

Zugspitzbesteigung, die über das Reintal erfolgte. Mit dem Rad

und im Schlauchkanadier erkundete ich die obere Isar, einem der

schönsten bayerischen Alpenflüsse, denn hier darf sie teilweise

noch frei fließen. Angenehm war das radeln auch an der Isar entlang

durch München. Auf dem Weg nach Deggendorf lernte ich dann eine

Auenlandschaft kennen, die ihresgleichen sucht. An der breiten

Donau ging es anschließend weiter bis nach Kehlheim. Mich beeindruckte

nicht nur der Donaudurchbruch bei Weltenburg, sondern

auch das untere Altmühltal. Dort faszinierten mich die steinzeitlichen

Pfahlbauten wie auch die trutzigen Burgen hoch über dem Fluss.

Die landschaftlich einmaligen Kulissen zeigten sich vom Rad aus

optimal. Über das liebliche Taubertal erreichten wir anschließend

den Spessart und den Main. Der Fluss schlängelt sich in endlosen

Schleifen durch das fränkische Schichtstufenland. Nun wird der Leser

erneut auf den Fluss gelockt, denn ich erzähle, was ich zwischen

Lohr und Wertheim beim paddeln erlebte. Am Ende des Buches sind

es aber die alten Eichen und Buchen des Spessarts, die zu einer

Wanderung in ein sagenhaftes Waldgebiet einladen.

Weitere Informationen und Bestelldaten unter:

www.raus-indienatur.de


290 Seite

Fürs Leben lernen

Wenn man draußen unterwegs ist, lernt man, nach dem

Motto „Hinterlasse nur deine Fußspuren“ zu leben, was

bedeutet, dass generell kein Abfall zurückgelassen

wird. Beim Wandern mit Rucksack lernt man aber auch,

mit minimalem Gepäck auszukommen. Denn je weniger

man rumschleppt, desto schneller kommt man vorwärts.

Im Laufe der Jahre lässt man immmer mehr Dinge zu

Hause, die auf der letzten Tour nicht gebraucht wurden.

Neben der Botschaft, dass wir unsere Naturräume zum

Überleben brauchen, war es das Hinterfragen vieler

unnötig gewordener Dinge, die wir im Leben mitschleppen.

Damit müssen wir unsere Kindern konfrontieren,

damit sie fürs Leben lernen. Denn unser Leben im

Überfl uss hat uns in die Sackgasse geführt. Im Grunde

müssen wir diese Fehlentwicklung in allen Lebensbereichen

überdenken, denn es hat uns in eine prekäre,

nahezu aussichtslose Position gebracht. Vor allem aber

müssen wir handeln!

Die Rede ist von der Klimakatastrophe, die obwohl seit

50 Jahren bekannt, von Politik als Klimawandel verharmlost

und seitens der Industrie wenn möglich totgeschwiegen

wird - bis zum heutigen Tag. Und ich frage mich, wie

wir mit dieser Schuld leben wollen, die wir durch unser

Nichtstun in dieser Sache auf uns geladen haben.

Daher lag mir noch ein weiteres Thema seit vielen

Jahren auf der Seele. Und mein Herz hat mich solange

gedrängelt, bis ich es endlich zu Papier gebracht hatte.


Warum auf einmal alles so schnell gehen soll

Seite 291

Unser Klima hat sich im Laufe der Evolution schon oft verändert. Doch seit der Industrialisierung wird

es vom Menschen aufgrund des steigenden Energieverbrauchs zunehmend beeinflusst, was zu einer

Erwärmung führt. Diese Klimaveränderung entsteht durch Treibhausgase, vor allem durch CO2, Methan

und Lachgas. Diese Gase reichern sich immer mehr in der Atmosphäre und in den Weltmeeren an und

erhitzen dabei unseren Planeten in ständig steigendem Maße. Doch warum erkennen und akzeptieren

wir diese Veränderungen nicht, obwohl die Meldungen über Hitzesommer, Waldbrände, Überflutungen

und Wirbelstürme immer mehr zunehmen?

Wie können kleine Teilchen wie das CO 2 , das wir weder sehen noch riechen können,

durch ihre Anreicherung in der Atmosphäre so große Auswirkungen hervorrufen?

Wissenschaftler trauen diesen Teilchen sogar zu, dass sie unseren Lebensraum auf der

Erde zerstören. Die genauen Zusammenhänge sind komplex, doch ständig werden wir

mit immer neuen Zahlen und Hiobsbotschaften bombardiert.

Dieses Büchlein ist der Versuch, die Auswirkungen unseres Handelns möglichst einfach

zu erklären. Denn es kann nur dann ein Umdenken stattfinden, wenn wir die Zusammenhänge

hinreichend verstehen.

Verständnis für diese Entwicklungen wird automatisch unser Handeln einfordern.

100 Seiten, die Sie unbedingt lesen sollten. Weitere Infos unter: www.schroepfer-net.de


292 Seite

Naturwunder als Netzwerk

Das neunbändige Werk zeigt, wie sich die Natur mit den ausgewiesenen Natura 2000 Gebieten

vernetzt. Dies wurde beispielhaft für die Region Franken dargestellt. Für einen besseren Schutz

wäre es jedoch nötig, dass in diesen Gebieten die Nutzung eingeschränkt oder ganz eingestellt

wird. Zumindest so lange, bis der Artenschwund gestoppt ist und sich die Natur wieder erholt hat.

www.naturwunderinfranken.de


Seite 293

Auf meinen Touren durch unsere Heimat lernte ich unsere Flüsse, viele Wälder, Wiesen und Felder

kennen. Gleichzeitig wurde ich dabei mit der steigenden Übernutzung unserer Lebensräume konfrontiert.

Die Flüsse, die als Wasserstraßen dienen, werden durch Querbauwerke alle paar Kilometer

zerschnitten. Dabei geht nicht nur ihre Ursprünglichkeit verloren, sondern langfristig auch das Leben

darin. Aber auch die Wälder haben wir zurückgedrängt. 50% unserer Landesfläche wird heute beackert

und die verbliebene Waldfläche immer intensiver genutzt. Dies hinterlässt jedoch tiefe Spuren

in der Natur, die zu einer extremen Ausdünnung der heimischen Artenvielfalt geführt hat. Wie lange

soll dieser Trend anhalten?

Natura2000 ist ein Versuch, eine Umkehr herbeizuführen, denn dort

soll die Nutzung solange zurückgefahren werden, bis das Artensterben

nicht mehr weiter geht. Ein Grund für mich, auf dieses Naturnetzwerk

aufmerksam zu machen und dies in Büchern zu publizieren.

Daraus entstand „Naturwunder in Franken“ (siehe oben)

Doch dieses Netzwerk Natura2000 funktioniert nur, wenn weitere

Großschutzgebiete entstehen würden, Die beste Möglichkeit dies

zu tun, ist das Einrichten weiterer Nationalparks in Deutschland.

Möglichkeiten für geeignete Flächen gibt es viele. Daher war für

mich auch klar, dass ich diese Gebiete aufsuche. Also machte ich

mich auf den Weg.

Die ersten Gebiete findest du unter:

www.derschatzvorunsererhaustuer.de


284 Seite

Impressum

Danksagung

Mein Dank gilt vor allem meiner Familie. Sie hat mir durch ihr Verständnis ermöglicht, dieses Buch zu schreiben,

auch wenn es zeitweise sicher nicht immer einfach war.

Zusätzlich möchte ich mich bei meinem treuen Lektor Herrn Wolfgang Weismantel bedanken.

Er hilft mir bei jedem neuen Buch, mit dem ich „um die Ecke komme“.

Quellen / Bildmaterial

Text und Bildmaterial stammt vom Buchautor.

Einige Bilder wurden von Kerstin, Jan und Lena gemacht.

Autor, Layout, Satz und Gestaltung / Herausgeber

Frank Schröpfer, Partenstein / Eigenverlag

Druck

Gmedien, Genheimer Druck GmbH, Lohr a. Main

Copyright

© 2020, Frank Schröpfer, Partenstein

Alle Rechte der Verbreitung, wie Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art, sind vorbehalten.


Seite 285

Über den Autor

Frank Schröpfer ist in Lohr a. Main geboren und seit seiner Kindheit im Spessart unterwegs. Mittlerweile ist er verheiratet und hat zwei Kinder.

Bereits mit 15 Jahren unternahm er mit Freunden und seinem ersten Fotoapparat mehrtägige Wanderungen durch seine Heimat, später auch durch andere Länder.

»Durch das Draußensein ist meine Liebe zur Natur entstanden, die einen festen Platz in meinem Herzen einnimmt.« So beschreibt Frank Schröpfer seine Grundeinstellung.

Dabei sieht er sich als Naturbeobachter, nicht als Experte. Und bis heute treibt ihn diese Leidenschaft oft mit dem Rucksack hinaus in die Natur. Dabei begleitet ihn meistens noch immer

die Familie. Im Laufe der Jahre ist so einiges an Bild- und Textmaterial entstanden, das er schrittweise in einzelnen Buchprojekten vorstellt. Der gelernte Elektrotechniker arbeitet seit

über 30 Jahren bei Bosch Rexroth. Zu seinen Plänen sagt er: „Es gibt noch vieles, was ich gerne fotografieren und aufschreiben würde. Ich möchte mit meiner Arbeit für mehr Naturschutz

werben und hoffe, dass viele meine Bücher lesen und dadurch den Schätzen unserer Heimat einen höheren Wert beimessen.«


Mit meinen Geschichten möchte ich Werbung für den sanften

Tourismus machen, denn wenn man per pedes die Heimat

erkundet, schont man Klima und Geldbeutel.

Gleichzeitig fördert es die Gesundheit und man lernt ganz

nebenbei auch noch die Natur kennen, die uns umgibt.

Dies führt dazu, dass wir sie wieder mehr schätzen.

Wenn wir dabei unsere Kinder mitnehmen, ist das pädagogisch

unschlagbar, da unsere Natur voller Überraschungen steckt und

sie dadurch viel fürs spätere Leben lernen. Die Natur ist der

Schatz vor unserer Haustür, den wir leider immer mehr verlieren.

Als Corona kam, wurde alles dicht gemacht.

Gleichzeitig fi ndet in der Gesellschaft ein Umdenken statt,

denn Aktivitäten im eigenen Land rückten wieder in den Fokus.

Wollen Sie mich ein Stück begleiten?

Die vorgestellten Touren führen durch ausgewählte

Naturlandschaften unserer Heimat.

Sie werden als Bildergeschichten erzählt

und sind in die drei Themenblöcke

Wandern, Paddeln und Radeln unterteilt.

Grafi ken und Übersichtskarten helfen dem Leser

den Routenverlauf nachzuvollziehen.

© 2010 Frank Schröpfer © 2019

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