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Auf Burgunderpfaden - Band 3

Der Eselsweg ist der längste Fernwanderweg durch den Spessart. Er führt von Schlüchtern über den Spessart bis nach Miltenberg. Mit diesem Weg beginnt die Geschichte. Von dort aus geht es auf dem Nibelungenweg in westlicher Richtung bis nach Worms am Rhein und weiter über den Pfälzer Weinsteig, der herrliche Ausblicke auf das Hambacher Schloss und das dahinterliegende Rheintal bietet. Der Weg führt bis in das Herz des Pfälzer Waldes hinein, bis ins sagenhafte Felsenland bei Dahn. Eine Radtour von Breisach nach Worms war der Beginn einer neuen Liebelei mit den weitläufigen Rheinauen, deren Altarme ich mit dem Schlauchkanadier erkundet habe. Zwischen Breisach am Rhein und Donaueschingen liegen etwa 90 Kilometer, die quer über den Schwarzwald führen. Dazu geht es zunächst mit dem Rad hinauf auf 1055 Meter Höhe, um anschließend zum Titisee hinunter zu radeln. Heiße Bremsscheiben sind da vorprogrammiert. Wenn man vom Schwarzwald erzählt, darf eine Wanderung durch die Wutachschlucht nicht fehlen. Dann geht es am Donauradweg entlang. Das erste Teilstück gehört zu den landschaftlich eindrucksvollsten Strecken in Süddeutschland, denn die Kalkfelsen ragen rechts und links empor, da sich der Fluss hier tief durch das Gestein gearbeitet hat. Hautnah erleben kann man die Donau ebenfalls mit dem Kanu, zum Beispiel zwischen Beuron und Sigmaringen. Doch auch die Traufgänge bieten immer wieder überwältigende Ausblicke oft weit ins Schwabenland hinein. Am Ende des Buches führt eine Wanderung in die Allgäuer Berge. Sie gehören zu den Vielfältigsten der ganzen Alpen. Vor allem die Höhenwege, die dort von Hütte zu Hütte führen und Bergwanderungen von sieben bis zu zehn Tagen ermöglichen, ohne in bewohnte Täler absteigen zu müssen, sind unter Bergwanderern sehr beliebt. Insider sprechen daher gerne vom Schwabenhimmel.

Der Eselsweg ist der längste Fernwanderweg durch den Spessart. Er führt von Schlüchtern über den Spessart bis nach Miltenberg. Mit diesem Weg beginnt die Geschichte. Von dort aus geht es auf dem Nibelungenweg in westlicher Richtung bis nach Worms am Rhein und weiter über den Pfälzer Weinsteig, der herrliche Ausblicke auf das Hambacher Schloss und das dahinterliegende Rheintal bietet. Der Weg führt bis in das Herz des Pfälzer Waldes hinein, bis ins sagenhafte Felsenland bei Dahn. Eine Radtour von Breisach nach Worms war der Beginn einer neuen Liebelei mit den weitläufigen Rheinauen, deren Altarme ich mit dem Schlauchkanadier erkundet habe. Zwischen Breisach am Rhein und Donaueschingen liegen etwa 90 Kilometer, die quer über den Schwarzwald führen. Dazu geht es zunächst mit dem Rad hinauf auf 1055 Meter Höhe, um anschließend zum Titisee hinunter zu radeln. Heiße Bremsscheiben sind da vorprogrammiert. Wenn man vom Schwarzwald erzählt, darf eine Wanderung durch die Wutachschlucht nicht fehlen.
Dann geht es am Donauradweg entlang. Das erste Teilstück gehört zu den landschaftlich eindrucksvollsten Strecken in Süddeutschland, denn die Kalkfelsen ragen rechts und links empor, da sich der Fluss hier tief durch das Gestein gearbeitet hat. Hautnah erleben kann man die Donau ebenfalls mit dem Kanu, zum Beispiel zwischen Beuron und Sigmaringen. Doch auch die Traufgänge bieten immer wieder überwältigende Ausblicke oft weit ins Schwabenland hinein. Am Ende des Buches führt eine Wanderung in die Allgäuer Berge. Sie gehören zu den Vielfältigsten der ganzen Alpen. Vor allem die Höhenwege, die dort von Hütte zu Hütte führen und Bergwanderungen von sieben bis zu zehn Tagen ermöglichen, ohne in bewohnte Täler absteigen zu müssen, sind unter Bergwanderern sehr beliebt. Insider sprechen daher gerne vom Schwabenhimmel.

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Seite 1

Wer

Lange

Sitzt

Muss

Rosten


2 Seite

Der Weg ist das Ziel

Gutes Schuhwerk

an den Füßen ist die

Grundvoraussetzung

für angenehmes

Laufen in der Natur.

Je schwerer der

Rucksack, desto

besser muss der

Halt im Schuh sein.


2 Seite

Der Weg ist das Ziel

Gutes Schuhwerk

an den Füßen ist die

Grundvoraussetzung

für angenehmes

Laufen in der Natur.

Je schwerer der

Rucksack, desto

besser muss der

Halt im Schuh sein.


Seite 3

Wandern

Wandern ist Natur pur. In Zeitlupe schwebt sie an dir vorbei und fordert doch

all deine Sinne. Du realisierst das Singen der Vögel im Frühling, das Summen

der Bienen und den Duft der Blüten im Sommer, das Rascheln des Herbstlaubs

im Sturmwind und das Knistern der Blätter, das beim Aufsetzen deiner Füße

entsteht.

Du saugst das leise Nichts im Winter auf, wenn alles ruht und schläft.

Wenn nur das leise „Flupp“ zu vernehmen ist, das unter deinen Füßen entsteht,

wenn diese auf dem Schnee aufsetzen und ihn zerdrücken.

Die Kälte beißt sich in dein Gesicht und du spürst, wie sie mit dem

aufkommenden Wind zunimmt.

Du spürst bei Windstille die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut,

du bleibst stehen und verschließt die Augen, wenn die Sonne schräg über dem

Horizont steht und dich für einen kurzen Moment zum Innehalten einlädt.


Wege mit großartigen

Ausblicken

findet man nicht nur

in den Alpen, auch

die Traufgänge auf

der Schwäbischen

Alb haben einiges zu

bieten. Auf diesen

Wegen zu wandern,

ist eine Naturerfahrung,

die man durch

nichts ersetzen

kann.


Wandern ist aber auch die Sehnsucht, jene alten Wege zu gehen,

die uns von der Zivilisation wegführen, fort von den Ablenkungen dieser schnelllebigen

Zeit hin zu Orten, die uns Ausblicke in endlose Weiten ermöglichen.

Orte, die uns die Möglichkeit geben, in die Tiefe unserer Seele hinein zu horchen.

Es sind magische Orte und es sind die Wege dorthin. Sie zwingen uns zum

Nachdenken nach dem wohin. Insofern ist Wandern Meditation, bei jedem

Schritt nach vorne. Wandern kann uns bis zum Rande unserer

bekannten Welt führen, bis zu einem Abgrund, an dem es nicht mehr

weitergeht.


Beim Wandern macht

es nichts aus, in

welche Richtung man

blickt, ob es am Mogen,

abends, mittags

oder mitten in der

Nacht ist. Die Natur

ist einfach immer da,

solange man läuft.


Man konzentriert sich

auf seinen Weg, denn

man möchte diese ganz

bestimmte Strecke

gehen, als wehte dort, wo

es einen hinzieht, eine

besondere Luft. Oft fühlt

man sich wie ein Jäger

aus einer längst vergessenen

Zeit.

Doch es ist nicht die Luft,

es ist das Leben, das

einem begegnet.


Im gleichen langsamen Tempo wie beim Wandern lassen sich die Wege auf dem Wasser erkunden.

Die Dynamik des Gewässers, seine Kälte und Strömungen, aber auch die Langsamkeit, mit der du dich

fortbewegst. Fließt der Fluss schneller, wirken vermehrt andere Eindrücke auf dich ein. Deine Sinne

fokusieren sich, weil du versuchst die Bewegung zu kontrollieren.

Auch mit dem Rad lässt sich ein Flusstal erkunden. Es ist eine weitere Möglichkeit, aktiv und gleichzeitig

umweltschonend unterwegs zu sein. Doch das Erlebnis ist ein ganz anderes.


Beim Paddeln steht das

Flusserlebnis im Vordergrund.

Nur so ist das Element Wasser

wie hier auf der Iller wirklich

spürbar.

Auch die Kraft, die ein Fluss

besitzt, lässt sich nur von demjenigen

nachempfinden, der sie

schon einmal erfahren durfte.

Egal ob beim Paddeln

gegen den Strom oder beim

Befahren einer schwierigen

Stelle.


Aktiv draußen unterwegs zu sein,

fordert uns, es vermittelt aber

gleichzeitig Zufriedenheit.

Beim Fahren im Gelände werden

alle Sinne gefordert, denn die Geschwindigkeit

muss ständig dem

Untergrund angepasst werden.

Doch je schneller du mit dem Rad

fährst oder je wilder ein Fluss ist,

der dich beim Paddeln umgiebt,

desto weniger Natur können deine

Sinne aufnehmen.


12 Seite

Brotzeit an einem

schönen Plätzchen

auf dem Felsenland

Sagenweg im Pfälzer

Wald. „Waldbaden“

entspannt

und erzeugt ein

Gefühlserlebnis, das

aufgrund seiner positiven

Auswirkungen

auf unser Bewusstsein

und unsere

Gesundheit immer

mehr umworben

wird. Man erreicht

nach gelaufener

Strecke an solchen

Orten einen Zustand

der Zufriedenheit mit

sich und der Natur.


Nur einen Katzensprung

von Stuttgart

entfernt, Luftlinie sind

es 60 Kilometer, liegt

die Burg Hohenzollern

auf dem kegelförmigen

Zollerberg.

Vom gleichnamigen

Hohenzollernblick

östlich gegenüber

hat man bei schönem

Wetter einen herrlichen

Ausblick auf die

Burg und das Umland

am Nordwestrand der

Schwäbischen Alb.


Seite 13

Wandern ist die älteste Art der Fortbewegung.

Du folgst einem Weg, zwischen den Bäumen

und Sträuchern hindurch. Sie sollten nicht zu

zahlreich sein, damit sie deinen Blick nicht

einengen. Auch der Boden sollte nicht zu üppig

bewachsen sein, damit deine Aufmerksamkeit nicht

von der Erde gefesselt wird.

Dir begegnet der Dunst, der dem Boden entströmt.

Du bist immer auf der Suche nach dem richtigen

Weg. Und während du läufst, merkst du,

das dies der Weg des Lebens sein muss.

Und immer hinterlässt du nur einen Fußabdruck,

mehr nicht.


Aktiv die Natur erleben.

Das heißt, sie in ihrer ganzen

Schönheit kennenzulernen.

Sie verbirgt sich hinter jeder

Ecke in unzähligen Details

und weckt unsere Neugierde.

Begleiten Sie uns eine Weile

und lassen Sie sich den Schatz

zeigen, der direkt vor unserer

Haustür liegt.


Seite 1

01 Spessart 2

(Auf dem Eselsweg)

02 Odenwald 52

(Auf dem Nibelungenweg

07 Schwäbische Alb 346

(Zeller Horn und Wackerstein)

08 Allgäuer Hochalpen 370

(Unterwegs im Schwabenhimmel)

von Miltenberg nach Worms)

03 Auf in den Pfälzer Wald 114

(Von Worms nach Dahn)

(Felsenland Sagenweg)

04 Der Rhein und seine Auen 220

(Von Breisach nach Worms)

(Paddeln in den Rheinauen)

Routenübersicht 389

Mit Kindern unterwegs

Wandern 268

Paddeln 328

05 Schwarzwald 254

(Von Lenskirch nach Breisach)

(Durch die Wutachschlucht)

06 Obere Donau 292

(Radelspaß durch Kalkfelsen)

(Mit dem Boot auf der Donau)


2 Seite

Der Winter im Spessart

hat schon was. Leider

wird es immer wärmer

werden und somit

schrumpft in Zukunft

leider die Anzahl der

winterlichen Tage.

Zusätzlich leidet unser

Wald an Trockenheit,

wobei die Schäden

zunehmend sichtbarer

werden. Es wird daher

Zeit, unsere Nutzung

an die neuen Gegebenheiten

anzupassen.


Seite 3

Winter

Es gibt für mich nichts Schöneres, als durch den winterlichen Spessartwald zu

laufen. Vor allem wenn es geschneit hat und es durch den Schnee noch ruhiger im

Wald geworden ist. Schnee schluckt bekanntlich den Schall. Dann kann man gerade

zu die viel zu viel gewordenen Wildschweine am besten hören. Leider ist der Winter

aufgrund des Klimawandels immer mehr auf dem Rückzug. Das wird auch so bleiben,

denn die globalen Kohlendioxidemissionen sind ebenfalls weiterhin auf Rekordniveau.

So war auch meine geplante Winterwanderung auf dem Eselsweg nicht

durch ein weißes Kleid gesegnet, sondern sie war von dunklen grünbraunen Farben

geprägt. Schuld daran sind jedoch wir selbst, denn die Verursacher des Klimawandels

sind vor allem wir Menschen. Wir lassen das Ausschlachten in unserem Wald

seit Jahrzehnten zu, obwohl wir es doch besser wissen müssten. Gerade im Winter

werden wir draußen somit immer öfter Zeuge dieses Holzraubs durch meist große

Konzerne, dabei ist ein unberührter und verschneiter Winterwald doch so schön.

Trotz all der großen Probleme, die auf uns zukommen, bleibt zum Schluss ein kleiner

Wehrmutstropfen übrig, denn ohne Schneedecke werden Zeitzeugen im Wald

sichtbar, die gerade rund um Miltenberg vermehrt auftreten, aber lesen Sie selbst...


4 Seite

Spessart

Der Spessart ist mit

seinen Laubmischwäldern

einzigartig

unter den deutschen

Mittelgebirgen.

Gerade im Winter,

wenn es frisch geschneit

hat, verzaubert

er uns immer

wieder aufs neue.


Seite 5

Der Spessart war schon immer ein Zankapfel verschiedener Interessen. Die bayerischen Könige kamen zur

Jagd hierher und fröhnten ihrem Hobby in einem 11.000 ha großen und geschützten Wildpark. Dafür reduzierten

sie dort sogar die forstliche Nutzung. Ein Thema, das heute in manchen Köpfen für Entsetzen sorgt, wie

man in der Nationalparkdebatte erleben konnte. Einen kleinen Teil unseres Waldes in Ruhe lassen, wie kann

das sein? Doch hatte unser Wald nicht schon immer mehrere Funktionen? Wie gingen die Menschen und die

Obrigkeit früher mit unserem Wald um? Für den Mainzer Kurfürsten war der Wald um 1770 zum einen eine

Einnahmequelle beim Holzeinschlag, zum anderen benutzten die Fürsten ihn zur Repräsentation, vor allem bei

der Jagd. Ein jeder Fürst wollte den anderen mit glanzvollen Jagdfesten übertreffen. Die einfachen Leute

jedoch bangten um die wenigen Rechte, die man ihnen zugestand. Vielleicht rührt daher die Abneigung gegen

das „in Ruhe lassen“. Zwischen 1200 und 1500 wurden die Wälder schon einmal übernutzt. Holz war vor der

Steinkohle die Hauptenergiequelle und der Spessart musste einen starken Aderlass hinnehmen, er blutete

förmlich aus, wie man auf alten Kupferstichen deutlich sehen kann. Glasmacher, Schiffsbauer und später die

Eisenverhüttung gaben ihm den Rest. Erst durch die Entvölkerung nach dem 30-Jährigen Krieg konnte er sich

wieder langsam erholen.

Überaus spannend war auch die Zeit davor. Der Wald galt den Kelten und Germanen als heilig. Von den

Römern lernten sie ihn dann industriell zu nutzen. Sicher war man damit auch nicht immer einverstanden, denn

die Römer wollten nicht nur unsere Bäume, sondern ebenso den Boden darunter. Widerstand regte sich und

die Menschen zogen sich zum Kräftesammeln in den Wald zurück. Dort traf man sich in den heiligen Heinen

und schmiedete Pläne, wie man diese rücksichtslose Besatzung wieder los werden konnte. Opfersteine und

heilige Quellen zeugen noch immer von diesen Zeiten. Heute muss der Wald selbst Kraft sammeln. Dies müssen

wir erkennen und ihm dabei helfen, denn wir brauchen ihn dringender als wir es für möglich halten.


6 Seite


Die Route

Seite 7

Der Eselsweg ist der längste Fernwanderweg durch den Spessart. Er führt von Schlüchtern, im

hessischen Nordspessart gelegen, bis in den bayerischen Südspessart und endet in Großheubach

bei Miltenberg. Mit beachtlichen 111 Kilometern ist dies eine ganz besondere Nord-Süd-

Verbindung, die bereits im Frühmittelalter bestand. Urkundlich erwähnt ist der „Eselspfad“ jedoch

erst 1339. Man geht aber davon aus, dass dieser Weg durch den Spessart schon seit Jahrtausenden

genutzt wurde. Für den Handel bot sich der Weg geradezu an, denn er schlängelt sich

auf einem Höhenkamm mitten durch den Spessart. Gesichert ist zumindest, dass der Name

„Eselsweg“ von den Salzkarawanen herrührt, die im Mittelalter

das Salz der Salinen beim heutigen Bad Orb und Fulda auf

Eseln nach Miltenberg an den Main trugen.

Heute pflegt und markiert der Spessartbund diesen Fernwanderweg,

dessen Verlauf einer historischen Handelsroute folgt.

Der Höhenweg wartet nur mit gemäßigten Steigungen und

Gefällen auf und er verläuft auf der West-Ost-Wasserscheide des Spessarts. Somit bewegt er

sich fast durchgehend auf einer Höhe zwischen 400 und 500 Metern und berührt auf seiner 111

Kilometer langen Strecke nach Süden selten eine Ortschaft. Das bedeutet, dass man für Verpfl e-

gung und Übernachtung den Eselsweg verlassen musste. Dies trifft auch heute noch überwiegend

zu, da die Ortschaften alle im Tal liegen und bis zu drei Kilometer vom Wanderweg entfernt sind.


8 Seite

Auf dem Eselsweg

Februar 2022

Der Miltenberger Talkessel ist außergewöhnlich, vor allem wenn man von einem der geschichtsträchtigen

Aussichtsberge auf ihn und die umliegenden Berge hinabschaut. So erblickt man vom

Engelberg aus den dominanten Greinberg im Süden, aber auch den Geißberg an der Grenze von

Unterfranken zu Hessen. Dort beginnt übergangslos der Odenwald.

Doch bevor ich von meinen Eindrücken auf den Spuren

der Nibelungen erzähle, möchte ich vom Spessart

berichten und einem ebenfalls sehr alten Weg einen

Besuch abstatten.

Meine Geschichte beginnt auf dem Eselsweg. Auf dieser

alten Fernstraße scheint man früher mit den grauen

Tieren viel unterwegs gewesen zu sein. Sie gelten zwar

als störrisch, doch gleichzeitig genügsam und arbeitswillig.

Auch Don Quijote soll auf einem geritten sein, als

er gegen die übermächtigen Windmühlen kämpfte, einer

Erzählung, die mir schon immer imponiert hat, denn

seine Geschichte ermutigt uns, es ihm gleichzutun.


Seite 9

Der Eselsweg beginnt in Schlüchtern oder in Großheubach. Ich selbst bin ihn von Großheubach

aus in Richtung Norden gelaufen. Großheubach ist eine Ortschaft, die nahe

Miltenberg liegt, und ebenfalls schöne Fachwerkäuser im Ortskern besitzt. Zunächst

musste ich von dort aus die Engelsstufen der Engelbergstaffel, einem Prozessionsweg,

nach oben steigen und komme dabei ganz schön außer Puste. Doch oben am Kloster

habe ich einen fantastischen 180 Grad Rundblick über die unter mir liegende Mainschleife,

den Grainberg und den im Westen liegenden Odenwald. Weiter nach rechts den Main

aufwärtsblickend sieht man Laudenbach. Auch im Sommer war ich schon einmal hier

gewesen, denn man kann sich von hier oben gar nicht satt sehen.

Oben und links:

Prozessionsweg und

Wegbeschilderung auf

den Rühlesberg und der

steile Weg zum Hunnenstein

am Anfang des

Eselsweges

Ganz Links:

Auch im Sommer hat

man eine herrliche

Aussicht vom Kloster

Engelberg hinunter auf

den Main.


10 Seite

Das Kloster Engelberg hat eine lange

Geschichte. Das älteste historische

Zeugnis für ein christliches Heiligtum

stammt aus dem Jahr 1406. Doch der

Ursprung dieses heiligen Berges geht

auf heidnische Zeiten zurück, denn

auf dem heutigen Rulesberg gibt es

ansehnliche felsblockartige Erhebungen

und eine schüsselartige

Vertiefung, die als Heunenschüssel

bezeichnet wird. Sie sind Zeugen

einer einstigen Wotans-Kultstätte und

dort will ich hin.


Seite 11

Nach den vielen Stufen auf den Engelberg war endlich der Eselweg an der Reihe, wie

man ihn sich eigentlich vorstellt. Die Beschilderung musste ich nicht lange suchen.

Schnell fand ich das weiße Viereck mit dem schwarzen „E“ hinter dem Kloster. Von

dort ging es zunächst fl ach, dann aber wieder steil bergauf bis zur Heubacher Bergkuppe,

dem heutigen Rühlenberg mit 401 Metern Höhe nach oben.

Der traumhafte Pfad führte mich durch einen märchenhaften Jungwald mit vielen

moosbewachsenen Birken immer weiter nach oben. Zahlreiche Steinmanderl

schmückten immer wieder den Wegrand. An einem markanten Punkt, an dem der

Weg im 90-Gradwinkel nach links abknickt, zeigt ein Wegweiser hinüber zur Heuneschüssel.

Auf einem Schild laß ich, dass es sich um eine vorzeitliche Opferstelle

handeln würde. Davon hatte ich bereits gehört. „Da muss ich gleich mal hin“, dachte

ich. Gut gelaunt bog ich um die Ecke und folgte einem schmalen Pfad, der durch ein

Waldstück führte.


12 Seite

Am Boden lagen viele Steinquader umher. Zusätzlich waren die Äste und Stämme

stark mit Moosen bewachsen, was mir sehr gut gefiel. Und plötzlich stand ich vor der

Heuneschüssel. Es war eine Art Sandsteintrog, dessen Form aus dem Stein gehauen

war. Über ihm wurden Stiere und Pferde geopfert, wobei das Blut der Opfertiere in

der Schüssel aufgefangen wurde. Das Opfer sollte Wotan besänftigen, so war es

zumindest auf einem Hinweisschild am Eselsweg zu lesen.

Der magische Ort mit den moosbewachsenen Bäumen befindet sich hoch über dem

Main und dürfte damals überregional bekannt gewesen sein. Ich war beeindruckt und

blieb ein paar Minuten hier, dann machte ich noch ein paar Fotos und lief anschließend

zurück, um dem schönen Waldpfad mit dem „E“ weiter zu folgen. Seit dem Kloster

war ich etwa eine halbe Stunde gelaufen und freute mich nun auf felsblockartige

Erhebungen am Wegrand, die ebenfalls zur Wotans-Kultstätte gehört haben sollen.


Die Heuneschüssel. In

diesem Sandsteintrog

wurden Stiere und Pferde

geopfert und das Blut in

der Schüssel aufgefangen.

Die Opfergabe war

Quellen zufolge für

Wotan bestimmt.

Seite 13


14 Seite

Nun ging es weiter zum Hunnenstein. Der Weg war weiterhin zauberhaft. Immer mehr Steine waren zwischen den Bäumen verteilt.

Gehäuft lagen sie direkt am Hunnenstein. Eine gewisse Ähnlichkeit mit den Gesteinsformationen im Fichtelgebirge lässt sich nicht

verbergen, doch im Spessart sind solche Orte eher selten. Es war sicher ein Grund dafür, hier einen Heiligen Platz zu schaffen.

Vom Hunnenstein aus kann man weit ins Erftal hinüber schauen, nachdem man über eine in den Fels geschlagene Steintreppe

und den Holzaufbau emporgekraxelt ist. Links neben dem Erftal erhebt sich über Bürgstadt ein mächtiger Bergkegel, den eine

Ringwallanlage schmückt. Leider kann man sie von hier aus nicht sehen, doch einen Besuch ist sie allemal wert, denn die Toranlage

wurde sorgfältig restauriert. Sie kann als weiteres Ausflugsziel am Mainviereck besucht werden, wie ein Hinweisschild zeigt. Eine

weitere Ringwallanlage befi ndet sich auf dem Greinberg, von dem man einen ebenso schönen Blick auf die Meinschleife hat,

wie vom Engelsberg, zumindest im Winter, wenn kein Laub an den Ästen hängt. Auch der dortige Teutonenstein ist überregional

bekannt. Er weist auf einen Germanenstamm hin, der zwischen 113 und 101 v.Chr. zusammen mit den Kimbern und Ambronen von

Dänemark aus nach Süden zog und das römische Imperium in Angst und Schrecken versetzte. Mehrere hunderttausend Menschen

sollen es gewesen sein. Rekonstruktionen ihres damaligen Weges anhand von stattgefundenen Schlachten lassen vermuten, dass

Teile dieses Heerzugs auch das südlich des Mains gelegene Gebiet gestreift haben. Doch eine eindeutige Verbindung mit dem

Teutonenstein bleibt reine Vermutung. Der große germanische Heerzug endete grauenvoll. Denn nach anfänglichen Siegen über

römische Legionen wurden die Stämme schließlich von den Römern 102 bei Aquae Sextiae (Teutonen) und 101 bei Vercellae in der

Po-Ebene (Kimbern) nahezu vollständig ausgelöscht. Vielleicht haben sich kleinere Gruppen, darunter Alte, Kranke und Kinder auf

dem Weg nach Süden hier am schönen Main niedergelassen? Wer weiß.


Der Hunnenstein ist ein

beliebtes Ausfl ugsziel

vom Maintal aus. Er liegt

direkt am Eselsweg.

Seite 15


16 Seite

Zunächst sah ich an einem Baum ein Schild mit der Aufschrift Saustall. Eine neue Schutzhütte

stand direkt daneben. Anschließend wunderte ich mich über ein Schild, das eine umzäunte Waldfläche

beschreibt. Hier testet man neue Bäume auf Klimatauglichkeit. Eine gute Idee, doch der

Klou ist, dass dafür lediglich eine Fläche von 30 x 30 Meter eingezäunt wurde. Ob das am Ende

aussagekräftig sein kann, frage ich mich. Ein weiteres Schild zeigte an, dass ich bald

an der Sohlhöhe vorbeikommen

würde. Das war ein guter

Hinweis, denn von dort ab kannte

ich den Eselsweg bereits von

einer früheren Wanderung. Doch

leider begann nun eine der vielen

Schotterstraßen, die ich gerne als

Waldautobahnen bezeichne. Ich

lief ein letztes Mal an einer schönen

alten Eiche und an einem

kleinen Waldsee vorbei, doch

danach traf mich der Schlag.


Seite 17

Die Bilder rechts, die ich auf den nächsten Kilometern

auf dem Eselsweg machte, sprechen für sich.

Kerzengerade ging es nun dahin, das Laufen wurde zur

langweiligen Prozedur, denn Fichtenforste sind nicht

nur artenärmer als Laubwälder, sie bieten dem Wanderer

auch keinerlei Abwechslung. Angestrengt suchten

meine Augen zwischen den Baumreihen, die wie Soldatenformationen

in Reih und Glied aneinanderstehen,

nach Besonderheiten. Dabei machten sich traurige

Gedanken über die Zukunft unserer Wälder in meinem

Kopf breit. Wie soll es auch anders sein. Das Ablaufen

von Forststraßen macht eben nur wenig Spaß.

Wie schön war doch der Weg bis gerade eben noch

gewesen, als ich durch die abwechslungsreiche

Vegetation auf einem schmalen Pfad hindurchlief, das

Auge immer angestrengt zwischen Boden und Geäst

wechselnd, ab und an Steinmanderl zählen und den

Baumläufern dabei zusehen, wie sie fl ink spiralförmig

um die Bäume fl itzen. Doch hier war noch nicht einmal

ein Eichelhäher zu hören, warum auch, Eicheln gibt es

hier ja auch keine.


18 Seite

Waldeinblicke, bei denen

man nur den Kopf

schütteln kann.


Seite 19

Doch was ich anschließend nach dem „Saustall“ erlebte,

machte diesem Namen alle Ehre, denn dort begegnete

ich einer mondlandschaftartigen Waldwüste, wie man sie

immer öfter im Spessart sieht. „Da nützt auch das Hinweisschild

Buchdrucker nichts“, dachte ich bei mir, denn

das Problem liegt wohl eher an den großflächig angelegten

Fichtenforsten, die sich bis zum Horizont hinziehen

und dem Käfer einen gedeckten Tisch servieren. Sie sind

Zeugen fehlgeleiteter Walbaumaßnahmen in den letzten

50 Jahren. Damals 1972 wurde die Meadows-Studie

mit dem Bestseller des Club of Rome „Grenzen des

Wachstums“ publiziert, das den Niedergang der Fichte in

unseren Wäldern aufgrund der damals schon vorausgesagten

Klimaerwärmung ankündigte.

Aber das wollte man nicht hören. Zu lukrativ war

doch der Profi t mit diesem „Brotbaum Fichte“ in der

Vergangenheit gewesen, denn sie verspricht in etwa

den doppelten Holzzuwachs gegenüber heimischen

Laubhölzern. Das war schon ein gewichtiges Argument

und seit Beginn der Aufforstungen im Zuge des steigenden

Holzverbrauchs aufgrund der Industrialisierung war

auch alles gut gegangen. Von einer Klimaerwärmung

wollte und sollte man nichts höhren. Doch was nun?


20 Seite

Großfl ächig werden alte

Laubwaldbestände

eingeschlagen und

entlang des Eselsweges

abtransportiert.


Seite 21

Den Altbuchenbestand auf der gegenüberliegenden

Seite hat man vorsichtshalber gleich mit ausgedünnt.

Von heutigen Waldbaupraktiken tief enttäuscht und

traurig laufe ich die Waldautobahn in schnellen Schritten

weiter in Richtung Sohlhöhe. Oft wenn ich im Wald

unterwegs bin, sehe ich, dass etwa sieben Kilometer

nach Siedlungen der Waldfrefel erst so richtig beginnt.

Der Sonntagsspaziergänger soll eben nicht alles sehen,

was dort so geschieht.

Der Name Sohlhöhe, der hier eine Waldabteilung kennzeichnet,

war mir von Partenstein bereits bekannt, denn

mein Hausberg dort heißt ebenso. Schnurstrax geht es

weiter dahin, doch die Forststraßen abzulaufen, das

macht nicht lange Spaß und so war ich froh, als ich die

Weggabelung erreicht hatte, an der nun eine alte Geschichte

beginnt, die ich im Anschluss erzählen werde,

doch dazu ist ein Zeitsprung in das Jahr 1989 nötig.

Ich selbst kehrte an dieser Stelle um und lief nach

Großheubach zurück.


22 Seite

Anstieg zum Eselsweg

von Reistenhausen-

Fechenbach aus.


Seite 23

Es war im Dezember 1989, als wir am Bahnhof Reistenhausen-Fechenbach ausstiegen.

Udo, Gaby, Bernd, Karina, Frank, Kerstin und ich waren trotz des diesigen

Wetters bestens gelaunt, wie das eben so ist in jungen Jahren. Wir waren damals

17,19 und 20 Jahre alt und unternahmen regelmäßig an Ostern, Pfingsten und in

den Herbstferien Dreitagestouren durch den Spessart. Wir waren regelrecht süchtig

geworden, mit viel Gepäck durch den Spessart zu laufen. Doch im Winter, das sollte

etwas Neues sein. Bis zuletzt hatten wir auf Schnee gehofft, doch leider verließ uns

das Glück. Bereits die Vorbereitungen waren spannend gewesen. Schon Wochen davor

wurden Ausrüstungspläne geschmiedet, welche Jacke, welcher Fleece, welchen

Schlafsack wir mitnehmen sollten. Kocher und „Fressalien“, wie es bei uns damals

so schön hieß, an alles sollte gedacht werden. Die Krönung waren jedoch die Überlegungen

von Frank gewesen. BW-Parka ohne Winterfell, das hatte er noch schnell

vor der Wanderung herausgeknöpft und ohne Zelt natürlich. Wir waren damals eifrige

Leser von Rüdiger Nehbergs „Letz fetz“ gewesen, einem Buch, in dem er die Kunst

zu Überleben beschreibt. Frank hatte augenscheinlich alles ziemlich wörtlich genommen

und speckte seine Ausrüstung dementsprechend ab. Gut, unser Vorbild war uns

logischerweise um Längen voraus, doch wir waren jung und lernfähig.

Wir verließen den Bahnhof und hinter dem Ort ging es auf dem Zeilweg gleich steil

bergauf. Am Waldrand angelangt, suchten wir das Weinpfädle, auf dem wir in den

Wald hineinspazierten, bis wir die Anhöhe und den Eselsweg erreicht hatten. Dabei

kamen wir das erste Mal ins Schwitzen, denn auf unseren Rücken hatten wir schwer

geladene Rucksäcke geschultert. So eine Wanderung im Winter mit Zeltübernachtung

verlangt gute Ausrüstung. Bis auf unseren Frank, der diesbezüglich wie bereits

gesagt, eine etwas andere Auffassung vertrat. Auf dem Eselsweg angekommen,

machten wir eine kleine Rast.


24 Seite

Wintercamping am

Hundsrücker Hof


Seite 25

Wir folgten dem Eselsweg, der uns um das Naturschutzgebiet

Aubachtal zur 441 Meter hohen Heidenplatte und weiter zur Dreifaltigkeitslärche

führte. Den ganzen Tages liefen wir durch einen

geschlossenen Spessartwald und die Kälte kroch dreist unter unsere

Jacken. Hinter dem Dammberg ging es ein letztes Mal bergab und wir

stießen kurz vor dem Hundsrückkopf auf den Hasenstabsweg, der von

hier aus zum Gasthaus Heppe hinüberführt und bis zum Kreuztor dem

Verlauf des Eselsweges folgt.

Den Hasenstabsweg habe ich bereits in meinem zweiten Buch „Raus

in die Natur- zwischen Karwendel und Spessart“ ausführlich beschrieben.

Auch die Bilder sind dort ansehnlicher, denn sie stammen aus

dem Jahr 2020 und es war Spätsommer gewesen. Doch ich wollte

dem Leser auch diese Geschichte nicht vorenthalten, auch wenn sie

schon über 20 Jahre her ist.

1989 erreichten wir nach stramm gelaufenen 15 Kilometern die

einladende Wiese hinter der Gaststätte am Hundsrücker Hof. Nach

dem Zeltaufbau auf der Wiese hinter dem Haus, rückten wir in die

Gaststätte ein. Es gab damals Bembel oder Äppelwoi, wie man so

schön in Hessen sagt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass

wir an diesem Abend recht tief ins Glas geschaut hatten. Aufgeheitert

wankten wir am Ende des Tages bereits im Dunkeln auf die

gegenüberliegende Wiese zu unseren Zelten, das heißt zu drei Zelten

und einem Biwack, denn wie bereits gesagt hatte mein Namensvetter

Frank seine eigenen Ansichten zum Zelten. Er biwakierte lieber unter

einem Poncho, aber davon später mehr.


26 Seite

Am nächsten Morgen starteten wir wie gewohnt bereits

früh in den Tag. Es gab Tee und Nutellabrote, die wir

aufgrund der Kälte schnell zu uns nahmen. Alleine

das Schmieren der Brote ist bei Temperaturen um

den Gefrierpunkt nicht so einfach. Es sind dann eher

Nutellascheiben, die man auf das Brot legt. Anschließend

verstauten wir die feuchten Zelte im Rucksack

und liefen los. Die erste Herausforderung bot sich an

der Schneckenhöhe, die mit 509 Metern angegeben

ist. Unsere schweren Rucksäcke sorgten dafür, dass

es uns oben angekommen warm geworden war. Nun

ging es wieder hinab zum Kreuztor und anschließend

auf gleichbleibender Höhe von etwa 500 Metern hinauf

zum Jagdschloss Rohrbrunn. Wir kehrten dem Lärm der

nahen Autobahn aber gleich wieder den Rücken, denn

anschließend starteten wir weiter in östliche Richtung

hinab in den Essiggrund.

An der dortigen Hütte waren wir schon einmal in den

Osternferien gewesen und auch auf unserer Hasenstabstour

kamen wir dort vorbei. Ich muss zugeben, dass

die Hütte, die idyllisch im Essiggrund liegt, wesentlich

einladender wirkt, wenn sie umrahmt vom Sommerkleid

der Eichen und Buchen, wie es bereits im Band zwei

sehr schön zu sehen ist, hinter den Bäumen auftaucht.

Der Essiggrund verläuft von dort aus durch einen eng gewordenen

Taleinschnitt in nördliche Richtung weiter. Wir

verließen das Tal in Richtung Nordwesten und stapften

hinauf zum Echterspfahl.


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Der Name „Echterspfahl“, den auch die gleichnamige

Gaststätte trägt, geht auf eine Sage zurück. Ein Pfahl

soll demnach ein Treff- bzw. Trennungspunkt der drei

Ritterbrüder aus der Familie der Echter gewesen sein.

Sie kamen aus dem nicht weit entfernten Odenwald

aus dem Schloss zu Weckbach. Truppen des Kaisers

Barbarossa verfolgten die drei Brüder, doch diese

zogen sich in den Spessart zurück und siedelten sich

nach ihrer Trennung am besagten „Echterspfahl“ an

drei verschiedenen Orten an. Von Zeit zu Zeit trafen sie

sich an diesem bescheidenen Ort zu Besprechungen

und banden ihre Pferde an einem Pfahl fest, der mit

drei Metallringen versehen war. Die drei Ringe sollen

auch der Ursprung für das Wappen der Familie Echter

gewesen sein, das diese in einem blauen Schild mit

einem weißen, schrägen Balken zeigt.

Damals war die Gaststätte noch offen. Ich kann mich

an den Abend noch sehr gut erinnern, denn wir hatten erneut

eine Menge Spaß. Manche Sprüche, die an jenem

Abend gefallen sind, werden noch heute erzählt. Doch

an der Stelle möchte ich noch ein wenig über Franks

Biwaklager berichten, das er auch an diesem Abend aufbaute.

Nachdem wir angekommen waren, machte er sich

zunächst auf die Suche nach zwei passenden Stöcken

für die Mittelabspannung. Bis er sich diese aus einem

Haselnussstrauch zurechtgeschnitzt hatte, waren wir

bereits mit dem Zeltaufbau fertig. Amüsiert schauten wir

dem weiteren Aufbauprozess zu. Noch heute sehe ich

ihn vor mir, wie er mit den Haselruten herumhantierte.

In der Nacht wurde es dann bitterkalt, wie das Bild vom

nächsten Morgen deutlich zeigt.


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Am Echterspfahl wurden

wir durch Raureif und

zweistellige Minusgrade

überrascht.


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Vorbeikommende Spaziergänger wunderten sich über unser hartnäckiges Verweilen

trotz eisiger Temperaturen und sie fragten, ob das nicht vielleicht zu kalt zum

Übernachten wäre? Doch auch hier hatte Frank wieder einen Spruch parat und er

meinte: „Naja, ein wenig frisch vielleicht“. Wir bogen uns vor lachen, denn immer

wenn er dabei war, wurde es automatisch lustig. Er war für außergewöhnliche

Taten immer zur Stelle und platzierte dabei seine berüchtigten Sprüche.

Jahre später verstarb Frank unverschuldet mit seiner Freundin bei einem Autounfall,

aber seine Eigenart und seine spektakulären Taten werden immer in unseren

Gedanken weiterleben.


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Auf der ganzen Wanderung ließ Frank keine Gelegenheit

aus diverse Dinge zu testen. Sei es, ob ein Ast

ihn hielt, oder wie unten, das dünne Eis, das einen

Waldtümpel überzog. Wir liefen über die Höhen des

Eselsweges weiter bis zu den Hirschhörnern, dann ging

es steil bergab hinunter zum Bahnhof nach Heigenbrücken.

Damals lag dieser noch neben dem Schwarzkopftunnel

und mit dem Blick hinauf auf den Schwarzkopf

endete im Dezember 1989 unsere schöne Dreitagestour

durch den Spessart, die ich nie vergessen werde.

Von der Weibersbrunner Höhe ging es nach der Autobahnüberquerung

am Hirschschlag wieder hinein in den

Spessartwald. Lang zog sich der Weg über die Hirschale

um den Hirschkopf herum und weiter zur Eselshöhe.

Hier kreuzt der Eselsweg den Spessartweg 1, den ich

im Band eins bereits beschrieben habe. Anschließend

liefen wir hinab und querten den Autobahnzubringer,

der an den Sieben Wegen auf die B26 trifft. Wir folgten

dem Eselsweg nun rechts der Straße bis zum Wegkreuz

der sieben Wege. Danach ging es wieder hinauf

auf den Böshornkopf und weiter über den Hetzberg

hinüber zum Schwarzkopf. Dabei bewegten wir uns

immer zwischen 400 und 500 Meter über N.N.

Hinter dem Schwarzkopf erreichten wir den Pollasch.


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32 Jahre und zwei Monate später war ich wieder vor

Ort. Von Heigenbrücken aus lief ich den steilen Pfad

hinauf, wobei ich mich auf dem Spessartweg 2 befand.

Oben angekommen folgte ich dem „E“ bis hinüber zum

Pollasch. Dort wollte ich ein weiteres Mal die Aussicht

genießen, die man über Laufach und Aschaffenburg

bis nach Mainaschaff hat. Bei schönem Wetter soll man

sogar bis hinüber an den Mainzer Berg bei Dieburg

schauen können. Ich brauche für die Strecke nur wenige

Minuten, doch der Ausblick ist umso schöner.


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Vom Pollasch aus kann

man eine der schönsten

Weitsichten im ganzen

Spessart genießen.

Der Ort ist ebenso eine

Gedenkstätte des

Spessartbundes.


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Der Ausblick vom

Pollasch reicht über

Aschaffenburg hinaus bis

zum 44 km entfernten

Mainzer Berg bei

Dieburg. Das Aschaffenburger

Schloss, das

hinter dem Schafberg

liegt, kann man von hier

aus nur erahnen. Doch

wenn man dem Spessartweg

auf die Bergkuppe

weiter folgt, kann

man ebenso weit nach

Osten schauen, wobei

mit etwas Übung

zwischen den beiden

Hochspannungsmasten

sogar die Sohlhöhe am

Ostrand des Spessarts

erkennbar ist.


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Zurück an den Hirschhörnern angekommen, traf ich auf

die „Alte Straße“, die von Hain nach Heigenbrücken

führte und hier den Eselsweg kreuzt. Heute ist sie als

Spessartweg 2 ausgezeichnet wobei der Eselsweg, den

ich weiterlaufen wollte, nach Nordwesten abknickt.

Ich überquerte die Straße und erreichte bald eine Kirrung.

Die vielen Schwarzwildspuren verraten, dass hier

mächtig angefüttert wird. Schräg gegenüber befi ndet

sich ein doppelter Niedersitz, wobei die Fahrspuren

direkt an die kurze Dreisprossenleiter heranreichen.

Effizienz lässt grüßen. Hinter dem Schießstand erhebt

sich der kahlgeschlagene Falkenberg und ich muss an

eingezäunten Kiefern, die etwa mannshoch emporragen,

entlanglaufen. Einen Vorteil hat der kahle Bergrücken

jedoch, man kann von hier aus trotz dem mäßigen

Wetter an diesem Tag weit hinüber auf den östlichen

Spessart schauen.


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Auf dem Bergrücken angekommen, schweift mein Blick

über die vor mir liegende lichte Fläche. Dabei saß ich

auf einer Holzbank, die von den Staatsforsten gespendet

wurde. Der Bezug zur Holznutzung war somit eindeutig

hergestellt. Zu meinem Glück wanderte ich anschließend

wieder in den Wald hinein.

Ein schöner Weg lag nun vor mir, wie ich ihn mir immer

wünsche. Ich lief auf einem schmalen Pfad, der unter

Blättern verborgen lag, doch sein Verlauf war immer noch

erkennbar. Leider war nach sieben Minuten der Pfad

bereits wieder zu Ende und ich bewegte mich erneut auf

einer Schotterstraße, die zur Andreas Berbig-Schutzhütte

führte. Am Efflingsberg angelangt wurde der Weg wieder

schöner. Von hier ab lief ich nun weiter über die Eselshöhe

durch herrlichsten Buchenwald bis hinüber zum

Streitplatz, den ich nach fünf Kilometern erreicht hatte.


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Der Streitpalatz ist ein markantes und weitläufiges

Wegkreuz. Es befindet sich auf einem Bergsattel, wobei

die Wege von dort aus in viele Richtungen weisen. Von

Seilauf und Laufach bis zum Engländer ist alles dabei.

Das traf sich gut, denn da musste ich hin. Vor mir lagen

nun noch drei Kilometer, die ich zu laufen hatte.

Ich folgte somit weiterhin dem schönen Waldweg mit

dem „E“ etwa anderthalb Kilometer. Der Rest war leider

wieder Schotterpiste. Bezeichnend sind für den Eselsweg

die teilweise kerzengeraden Wegabschnitte, auf denen

man weit den Streckenverlauf überblicken kann.

So sah ich auch bald die Teerstraße, neben der ich die

letzten Meter bis zum Engländer laufen musste.

Nach knappen zehn Kilometern schwang ich mich bei

kühlen sechs Grad Lufttemperatur auf mein Klapprad und

fuhr nach Heigenbrücken zurück.

Moutainbiker sollen nicht

überall fahren. Absperrungen,

wie hier durch

die bayerischen Staatsforsten

geschehen,

versperren ihnen

die Weiterfahrt.


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Eine Woche später startete ich erneut bei herrlichstem Wetter

aber frischen drei Grad Celsius am Engländer um auf dem

Eselsweg weiterzulaufen. Zunächst führte eine sanfte Schleife

um den Hochkopf herum leicht bergauf, doch dann bewegte ich

mich, wie es typisch für diesen Weg ist, zwischen 450 und 550

Höhenmetern auf einem Höhenkamm entlang. Die Sonne schien

schräg durch die alten Fichten und ich wanderte nun um den

Spindelberg. Die Sturmschäden der letzten Tage hielten sich

hier sehr in Grenzen, nur vereinzelt lagen kleinere Äste auf dem

Boden. Fasziniert war ich jedoch vom frischen Grün der Moose,

die mir aufgrund des Niederschlages der letzten Nacht nun in der

Morgensonne entgegenleuchteten. Der noch schöne Waldweg

ging anschließend leicht bergab, doch bald wurde ich durch

zunehmende Matschspuren immer öfter behindert.

Die größeren Wasserlachen, die überwiegend von Holzrückearbeiten

stammen mussten, bremsten mein Fortkommen

zusätzlich. Erst nach einer geschlagenen halben Stunde hatte

ich mich endlich an das andere Ende der Durchforstung vorgekämpft,

doch wie ein Wunder empfing mich bereits nach wenigen

Metern hinter den letzten Harvesterspuren ein herrlicher, von

schwachen Grassoden umrahmter Waldpfad. So hatte ich mir

den Eselsweg im Winter eigentlich vorgestellt. Ich spazierte nun

wieder durch die Säulenhallen der Altbuchen während mich das

schallende Hämmern eines Spechtes und der zarte Gesang der

Meisen begleitete. Vom Enländer waren es etwa 18 Kilometer

zum Dr. Kihn-Platz, der auf der Grenze zwischen Bayern und

Hessen liegt. Dort trifft der Eselsweg auf die ebenso bekannte

wie alte Birkenheiner Straße. Ich konnte mich an den Ort mit der

Schutzhütte noch gut erinnern. Mit meinem Freund Udo hatte ich

dort 1987 bei eisigen zweistelligen Temperaturen biwakiert.


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Sanft windet sich der

Eselsweg durch den

Spessart.


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Der Wanderer trifft auf

mächtige Säulenhallen aus

Altbuchen, die am Rande

des Eselsweges stehen.


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Vorher und nachher.

Holzeinschlag im

Spessart.


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Einen halben Kilometer vor dem Lärchenberg ist

der schöne Eselsweg endgültig zu Ende. Wanderer

werden mit einem weiß-roten Trassband auf die

kerzengerade Schotterstraße umgeleitet.

Da die Waldarbeiten an diesem Tage ruhten,

schaute ich mir das geschlagene Holz, das Kreuz

und quer auf dem alten Abzweig des Eselsweges

lag, einmal näher an. Sturmschäden konnte ich

nicht erkennen, es handelte sich vielmehr um frisch

geschnittene gut 100- jährige Fichten, die da vor mir

lagen. Auch Borkenkäferschäden, die gut an den geschädigten

Rinden und den Spuren am Baumstumpf

zu erkennen sind, konnte ich keine feststellen. Die

alten Prachtkerle waren kerngesund.


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Vor dem Lärchenberg ging es nun rechts ab und ich

folgte dem Eselsweg entlang einer der vielen Schotterstraßen,

die unseren schönen Wald aufdringlich wie ein

dichtes Spinnennetz durchziehen. Direkt an der Straße

machte ich ab und an ein Bild. Gesunder Spessartwald

sieht anders aus, dachte ich beim Druck auf den

Auslöser.

Nach einer Weile hatte ich einen großen kreisrunden

Holzabfuhrplatz direkt neben der Teerstraße erreicht.

Sie ist quasi der neue Eselsweg, der auch nach tausend

Jahren noch dem Gütertransport dient.

Ich lief auf zwei rote Doppelachsanhänger zu, die hier

abgestellt waren. Noch während ich ein Bild machte,

kam ein Lastwagen mit voller Ladung auf mich zu. In

wenigen Minuten hatte der Fahrer mit seinem Kran das

Langholz vom Zugfahrzeug aus auf einen der Anhänger

abgeladen.


Abtransport riesiger

Mengen wertvoller

Hölzer über den

„neuen Eselsweg“.

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Auf dem Eselsweg


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Ich hatte vom Holzaufl adeplatz aus noch etwa 20 Minuten zu laufen und tauchte ein

letztes Mal an diesem Tag in den schönen Spessart ein. Da waren sie wieder. Herrliche

Buchenstämme überragten mich und drangen bis hoch in den Himmel vor.

Ich schaute noch ein paar Mal in das herrliche Blau über

mir, doch bald hatte ich mein Klapprad erreicht, das unversehrt

hinter einem Baum stand. Auf dem Rückweg fuhr

ich daher wenige Minuten später an dem Verladeplatz vorbei,

doch der LKW war bereits weg. So schnell geht also

der Abtransport über den neuen Eselsweg auf die Autobahn,

dachte ich mir. Und somit waren die massiven Baumstämme

„aus den Augen, aus dem Sinn“, wie es so schön

heißt, denn innerhalb kürzester Zeit sah man nur noch

Reifenspuren auf diesem Drehplatz, als sei nichts gewesen.

Ich genoss noch für ein paar Minuten die herrlichen Sonnenstrahlen und dachte am

Auto angekommen bereits an die nächste kleine Wanderung, die mich zu jenem Ort

führen sollte, an dem meine Wintertouren durch den Spessart vor vielen Jahren begannen.


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Die Kronen eines

hoch aufwärtsragenden

Altbaumbestandes

gruppieren sich

vor dem blauen

Himmel.


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An einem leicht bewölkten Morgen startete

ich bei minus zwei Grad in Wiesen zu

meiner vorläufi g letzten Etappe auf dem

Eselsweg. Über den Dr.-Kihn-Platz ging es

diesmal zum Wiesbüttsee. Doch zunächst

lief ich von Wiesen aus über den Kreuzweg

hinauf zur Kreuzkapelle. Dabei fi el mir der

tief eingegebene alte Hohlweg gleich neben

der heutigen Teerstraße auf.

Oben an der Kreuzkapelle angekommen lief

ich noch kurz zum Wegkreuz „Eselshöhe“

und kehrte dann zur Kreuzkapelle, die direkt

am Eselsweg liegt, zurück. Der bis zu

sieben Meter tief eingegrabene Hohlweg

ging mir dabei nicht aus dem Sinn, denn

Wiesen, das keinen Kilometer vom

Eselsweg entfernt liegt, musste aufgrund

der aussagekräftigen Spuren eine größere

Bedeutung gehabt haben. War Wiesen die

ursprüngliche Fuhrmannssiedlung gewesen

und nicht Frammersbach? Zumindest deutet

auch die Ortsbezeichnung „Wisun“ aus dem

Jahre 1057 auf ein hohes Alter des Ortes

hin, ebenso wie Lohrhaupten, das 1057

durch den Burggrafen von Mainz bzw. dem

Aschaffenburger Stift Alexander gegründet

wurde. Der alte Hohlweg als Zubringer zum

Eselsweg würde zumindest dafür sprechen,

dass Frammersbach mit seiner ersten

Erwähnung aus dem Jahr 1314 wesentlich

jünger ist. Könnte Frammersbach gar aus

einem Wiesener Ableger entstanden sein?

Na das wäre ja ein Unding für unsere

Nachbarn :-). Ich lief auf der Wiesener Höhe

entlang und schaute über weitläufi ge

Felder, die einen guten Ertrag abzuwerfen

scheinen, ein weiterer Hinweis, der für eine

frühe Besiedlung spricht.


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Nach der halben Strecke

zum Dr.-Kihn-Platz

tauchte ich wieder in den

Wald ein und erreichte

dort eine etwas seltsame

Wegkreuzung, die an eine

Überholspur auf der

Autobahn erinnert. Schon

komisch, denn bereits im

Mittelalter trafen sich hier

mitten im Wald die

einstigen Autobahnen E, B

und D, wie im Bild ganz

rechts zu sehen ist. Auch

dieser Platz liegt gerade

einmal zweieinhalb

Kilometer von Wiesen

entfernt.


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Ich wanderte nun weiter auf dieser mittelalterlichen Autobahn entlang und traf dabei auf schönsten Eichen-Buchen

Mischwald. Bald erreichte ich eine Kreuzung, an der sich mein E vom D trennte, welcher hinunter zur nahen Lahnquelle

führt. Noch 200 Meter bis zum Dr.-Kihn-Platz. Dieser Platz hat seinen Namen von Dr. Karl Kihn, der 1913 den

Spessartbund aus der Taufe holte und dem Spessartverein selbst zwischen 1920 und 1925 vorstand. Vor allem aber

gilt er als „Spessartvater“, da er die alten Wege wie den Eselsweg wieder bekannt machte. Den Platz schmückt heute

ein Ehrenmal und eine Schutzhütte. Zusätzlich informiert ein Hinweisschild, dass man sich hier mitten auf der Grenze

zwischen Bayern und Hessen befi ndet, von der eine 1.000 Jährige Grenzbeschreibung des Spessarts und somit die

älteste zwischen den einstigen Territorien Kurmainzer Oberstift Aschaffenburg und Landgrafschaft Hanau zeugt.

So war es auf einer Hinweistafel zu lesen. Vom Dr.-Kihn-Platz über den Wisbüttsee bis hin zur heutigen B276 über

Flörsbach verlaufen E und B paralell. Somit wird klar, das derjenige, der das Land in unmittelbarer Nähe der mittelalterlichen

Autobahnkreuze beherrschte, auch den logistischen Part übernehmen und so den Nutzen daraus ziehen

konnte. Der Handel in der ganzen Region war somit nutzbar und in diesem Zusammenhang muss wohl auch der

Aufstieg der Ur-Rienecker letztlich gesehen werden. Es ist dieser Schnittpunkt der Nord-Südachse zwischen Miltenberg

nach Schlüchtern in Richtung Fulda mit der Ost-West Achse der Birkenheiner zwischen Hanau und Gemünden

bzw. weiter nach Würzburg, der im Frühmittelalter so wichtig war. Die weitreichenden Auswirkungen erklären auch

die Verflechtungen zwischen Mainz, Hanau und Isenburg hier im nördlichen Spessart und letztlich auch Stationen,

die mitten im Wald entstanden, wie etwa das Kloster Elisabethenzell, das die Rienecker zwischen der Bayerischen

Schanz und Gemünden errichteten.

Nach einer kurzen Pause am Kihn-Platz wanderte ich nun auf diesen mittelalterlichen Autobahnen die gleichzeitig

Landesgrenzen sind, weiter bis zum Wiesbüttsee. Rechts und links ragten nun hohe Fichten und Tannen empor. Sie

ließen die blattlosen Laubwaldbereiche dazwischen nahezu mickrig erscheinen. Zum Glück war hier die Schotterstraße

von einem grünen Mittelstreifen überwachsen, was nur bedeuten konnte, dass hier schon lange kein Einschlag

mehr vorgenommen wurde. Das bezeugten auch die hohen Nadelbäume über mir. Sanft gaben nun die Grasmatten

unter meinen Füßen nach und durch das angenehme Laufen bemerkte ich gar nicht, dass ich schon fast den Parkplatz

des Wiesbüttsees erreicht hatte. Dort stand mein Klapprad, mit dem ich anschließend zurück nach Wiesen fuhr.


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Der Spessart mit seinen

alten Eichen und Buchen

kann eine lange

Kulturgeschichte

erzählen, doch heute

benötigt er im Zuge des

Klimawandels einen

besseren Schutz.


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Odenwald

Auf dem Nibelungenweg

trifft man auf schöne

Buchen und Eichen, oft

aber auch auf Kiefern,

die auf sandigen Böden

stehen.


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Der Odenwald ist ein Mittelgebirge, das sich zwischen Südhessen, Bayern und dem nördlichen

Baden-Württemberg befindet. Auf einer Länge von etwa 65 Kilometern erheben sich zwischen

Darmstadt und Wiesloch die Bergflanken des Odenwaldes, die bis zu einer Höhe von 626 Metern

aufsteigen. Als nördlichste Grenze wird die B 26 bei Darmstadt angegeben, im Osten bildet das

Maintal auf 33 Kilometer Länge von Großwallstadt bis Bürgstadt die Grenzlinie zum Spessart. Im

Westen stößt er an den Kraichgau und im Süden reicht der sogenannte Kleine Odenwald über

den Neckar hinaus. Aus geologischer Sicht bildet er zusammen mit dem Spessart sowie mit den

Landschaften Büdinger Wald und Südrhön eine Einheit, die naturräumlich als Großregion Odenwald,

Spessart und Südrhön zusammengefasst wird. Der Odenwald gliedert sich in den Sandstein-Odenwald

und den Vorderen Odenwald mit kristallinen Gesteinsschichten.

Bei Miltenberg, wo der Main nach einer 90 Gradschleife in Richtung Aschaffenburg weiterfließt,

endet der Spessart und beginnt der Odenwald. Doch wie sehr gleichen sich diese beiden Waldgebiete?

Von oben aus gesehen könnte man glauben, der Main würde durch ein zusammenhängendes

Waldgebiet mäandern. Auf unserer Wanderung erkannten wir aber, dass sich die beiden Wälder

doch oft unterscheiden, nicht nur in der Vegetation. Gleichzeitig wurden wir viele Male Zeugen

unserer eigenen Vergangenheit. Wir waren also gespannt, welche neuen Eindrücke uns im Odenwald

erwarten würden. Gespannt wanderten wir einen sanften Anstieg nach oben und gleichzeitig

großen Baumriesen entgegen.


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Die Route

Die beschriebene Route führte uns von Miltenberg aus in westlicher Richtung bis nach

Worms am Rhein. Dabei folgten wir überwiegend dem Nibelungenweg, der zwischen

Wertheim am Main und Donnersberg in der Pfalz eine 145 Kilometer lange Strecke

verbindet. Bevor ich aber von einer Radtour am Rhein entlang erzähle, die von

Breisach nach Worms führt, berichte ich von einem

ebenso schönen Weg, der mich mitten in das Herz

des Pfälzer Waldes führen sollte. Doch nun der

Reihe nach.

Der Nibelungenweg schlängelt sich durch den

Odenwald zunächst nach Michelstadt. Auf diesen

guten 25 Kilometern waren etwa 800 Höhenmeter

im Auf- und knapp 900 im Abstieg zu bewältigen. Anschließend führten mich 40 Kilometer

nach Auerbach, mit 1.400 Höhenmetern aufwärts und 1.300 Höhenmetern

abwärts. Für die letzen 27 Kilometer nach Worms waren dann nur noch leichte

100 Höhenmeter zu bewältigen.


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Auf dem Nibelungenweg

Mai 2017

Wir starteten in Miltenberg, einer Stadt am Main mit einer alten Geschichte. Bereits vor der Zeitenwende

war dieser Ort, an dem der Main seinen Verlauf nach Norden ändert und der zwischen

Odenwald und Spessart liegt, von großer Bedeutung. Mächtige Ringwälle auf dem Greinberg,

südlich der Stadt, aber auch auf dem Bürgstadter Berg zeugen heute noch davon.

Bereits für die Römer war Miltenberg von Bedeutung

gewesen. Sie hatten um 155 n.Chr. den Ort und die

Umgebung in ihren „vorderen Limes“ integriert. Damit

war für die folgenden zwei Jahrhunderte das Kastell Miltenberg-Altstadt

ein strategischer Grenzpunkt zwischen

Römischem Reich und dem freien Germanien.

Im späteren Mittelalter entwicklete sich im Schutz der

Miltenburg die Stadt Miltenberg. Noch heute sind mittelalterliche

Sehenswürdigkeiten wie das „Schnatterloch“

oder das „Gasthaus zum Rießen“ beliebte Anlaufpunkte

für Ausfl üge. Das historische Gasthaus zum Beispiel

wurde bereits im 12. Jahrhundert urkundlich erwähnt.

1314 soll sich dort Ludwig der Bayer aufgehalten

haben.


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Selbst Karl IV. war im Februar 1368 acht Tage lang hier

einquartiert. Auf unserem Weg aus der Altstadt überragen

stattliche Brückentore weit sichtbar den Main. Sie

zeugen, neben vielen anderen geschichtsträchtigen

Bauwerken, von Miltenbergs lange zurückreichender

Bedeutung.

Nach der Überquerung der Mud, einem Bächlein das

hier aus südlicher Richtung kommend in den Main mündet,

führt der Nibelungenweg über Felder und teilweise

am Waldrand nach Rüdenau.

Rechter Hand, etwa vier Kilometer entfernt, überragt

das Kloster Engelberg auf einem Bergsporn den Main,

und strahlt mit seiner weißen Farbe, die sich vom grün

der Umgebung deutlich abhebt, zu uns herüber. Die

Anlage liegt auf dem Eselsweg, von dem ich bereits

erzählt habe.

Hinter dem Ortskern von Rüdenau folgten wir dem

Nibelungenweg, der heute als Vierländerweg mit einem

gelben Kreis auf weißem Grund ausgezeichnet ist, über

eine nach Westen ansteigende Feldlandschaft, die zu

den ersten Ausläufern des Odenwaldes zählt.

Ein Wegweiser aus Holz zeigte uns, dass nicht alle

Wege nach Rom führen. Kerstin, die mich auf dieser

Teilstrecke begleitete, fand das Schild, das in beide

Richtungen nach Rüdenau zeigte, besonders lustig.


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Streuobstwiesen ermöglichen

den Blick zurück ins Maintal.


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Von hier oben hatten wir noch einmal einen schönen

Blick zurück ins Maintal und auf Teile Miltenbergs. Auch

der Bürgstadter Berg ist im Hintergrund noch zu sehen.

Danach tauchten wir in die Kühle des Waldes ein. Eine

Holzbrücke, die auf dem Weg lag, gefi el uns ganz besonders,

wobei die gut sichtbare Markierung uns zeigte,

dass wir auf dem richtigen Weg waren.

Es war ein angenehmes Gefühl, entlang der schattigen

Pfade zu wandern, denn die Sonne brannte endlich

nicht mehr auf den Hinterkopf. Lediglich ein laues

Lüftchen wehte uns um die Nase. An einer Schutzhütte

machten wir eine kurze Trinkpause. Wir hatten den

ersten Höhenrücken erreicht, der uns geradewegs

in Richtung Westen immer weiter in den Odenwald

hineinführte.


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Reizvoll führt der Nibelungenweg

durch den sommergrünen

Odenwald.


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Der gemächliche Anstieg bis zum 419 Meter hoch

gelegenen Geißberg ließ sich im Schatten angenehm

laufen. Besonders hatten uns die schmalen Waldwege

auf dieser Teilstrecke gefallen. Sie ziehen sich gemächlich

unter Kiefernbäumen dahin. Das Zirpen der Grillen

begleitete uns und der angenehme Kiefernduft war

immer wieder schubweise riechbar.

Es war ein südliches Flair zu spüren. Man könnte sich

vorstellen, in den Pinienwäldern an Kroatiens Küste zu

sein. Zusätzlich breiteten sich zwischen den Kiefern

rechts und links des Weges großflächige Heidelbeerplatten

aus. Die Heidelbeere wächst als Halbschattenpflanze

gerne in bodensaueren und nährstoffarmen

Laub- und Nadelwäldern, vor allem Kiefernwälder

scheint sie gerne zu mögen. Die Pflanze ist in unseren

Mittelgebirgen bis hoch in die nordischen Zonen Eurasiens

weit verbreitet.


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Auf unserem weiteren Weg an den westlichen Hängen

des Geißberges bis hinab zur Geyersmühle dominierten

die Kiefern. Zwischendurch konnten wir immer

wieder schöne Ausblicke hinunter in das Ohrenbachtal

genießen.


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Idyllisch liegt die Geyersmühle im stillen Ohrenbachtal.

Umrahmt wird sie von steil abfallenden Odenwaldhängen.

Die gegenüberliegende Golfanlage zeigte uns,

dass nicht nur fl eißige Wanderer diesen schönen Ort

aufsuchen.


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Einsame Täler wie das

Ohrenbachtal sind beliebte

Ausfl ugsziele für Wanderer.


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Danach verließen wir die Geyersmühle und mussten

zunächst ein kurzes Stück auf der Teerstraße zurücklegen.

Der Wärmeunterschied zum vorherigen Waldweg,

der unter einem geschlossenem Baumkronendach

verlief, wurde uns nun deutlich vor Augen geführt. Am

gegenüberliegenden Hang ging es aber zum Glück

wieder hinein in den Wald bis hinauf nach Vielbrunn,

wo wir neben einem alten Brunnen rasteten.

Wo früher die Frauen ihre Wäsche waschen mussten,

lädt heute eine Wassertretanlage zum kurzen Verweilen

ein. Wir genossen die Abkühlung, denn anschließend

führte uns der Weg über ausgedehnte Felder hinweg, bis

wir an die Limesgrenze gelangten. Hier querten wir den

ehemaligen Grenzwall, der durch einen wiederhergestellten

Wachturm bereits von weitem gut zu erkennen war.


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Die nächste Etappe führte uns nach Weitengesäss.

Dabei tauchten wir erneut in ein traumhaftes Odenwaldtal

ein.

Unter einer schattigen Eiche sitzend, blickten wir über

die Wiesenflächen, die sich schräg gegenüber vor

unseren Füßen ausweiteten und genossen dabei einen

Apfel aus unserem Rucksack.

Anschließend ging es wieder hinauf nach Weitengesäss

und dahinter über den Vierländerweg erneut bergan.

Zum Glück spendete uns eine Galerie aus Eichen und

Buchen ein wenig Schatten, zumindest so lange, bis

wir die Weitengesäßer Höhe erreicht hatten. Bei diesen

Temperaturen galt es um die Mittagszeit der Sonne

aus dem Weg zu gehen. Wir freuten uns daher sehr

darüber, dass uns die letzten Kilometer hinunter nach

Michelstadt wieder durch den Wald führen sollten.


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Auf dem Weg unter den Bäumen begleiteten uns Buchfi nken mit ihrem

Gesang bis hinab nach Michelstadt. Zufrieden liefen wir unserem

Tagesziel entgegen.

Bald tauchten die ersten Häuser von Michelstadt auf. In den Gassen

der Altstadt war es gefühlte zehn Grad wärmer als voher im Wald.

Daher freuten wir uns, dass wir unser Etappenziel erreicht hatten.

Mit einem kühlen Spagettieis ließen wir es uns im Schatten der

Altstadt gut gehen. Dabei saßen wir in unmittelbarer Nähe unserer

heutigen Bleibe dem Hotel „Drei Hasen“, das mit seiner schmucken

Ausenfassade sehr einladend aussah.


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Das Zentrum von Michelstadt beeindruckt durch seinen

mittelalterlichen Kern und stellt vor allem bei schönem

Wetter eine Augenweide für den Besucher dar. Neben

Brunnenanlagen und ausreichend vorhandenen Sitzgelegenheiten

bewunderten wir vor allem die zahlreichen

Fachwerkhäuser. Gerade an sonnenreichen Tagen

heben sich die massiven dunklen Holzkonstruktionen

vom hellen Blau des Himmels deutlich ab.


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Links ist das alte Rathaus zu sehen. Der stilvolle

Fachwerkbau liegt im Zentrum der Altstadt. Das offene

Erdgeschoss mit den mächtigen Eichenpfosten schindet

mächtig Eindruck und spendet an heißen Sommertagen

ausgiebig Schatten. Auf der Westseite wird das Obergeschoss

von hohen, spitzen Erkertürmchen fl ankiert

und an einem der nördlichen Pfosten fanden wir das

Entstehungsjahr des Bauwerks. 1484 war dort zu lesen.

Auch in unserer heutigen Unterkunft staunten wir nicht

schlecht, als wir ein großes Gemälde des Gelehrten

Einhard in unserem Zimmer vorfanden. Gleich machten

wir uns an die Onlinerecherche, um die Hintergründe

zu diesem ritterlichen Kunstwerk, das dominant neben

unserem Doppelbett thronte, zu erfahren. Dass wir über

die abgebildete Persönlichkeit am folgenden Tag noch

mehr erfahren würden, war kein Zufall.


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Die Altstadt von Michelstadt

ist eine Augenweide.


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Am Abend schauten wir uns die Altstadt ausgiebig

an. Bummeln war angesagt. Neben dem alten

Rathaus mit seinen zwei Türmchen, das wir bereits

kannten, erkundeten wir anschließend den Stadtgraben

mit seiner gut erhaltenen mittelalterlichen

Stadtmauer.

Anschließend sorgte das Brauhaus und der Grüne

Baum für unser leibliches Wohl. Hinter den mittelalterlichem

Fachwerkgebäuden ging nun langsam

die Sonne unter, doch in den windstillen Ecken der

Altstadt hielten sich die angenehmen Temperaturen

noch lange und wir konnten diesen perfekten

Frühsommertag gemütlich ausklingen lassen.


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Nach einem perfekten Frühstück starteten wir in den

Tag und liefen zunächst in den Stadtteil Steinbach.

Dort angekommen betrachteten wir eine alte Basilika.

Der Erbauer war dieselbe Person, mit der wir schon die

letzte Nacht verbringen druften.

Einhard war ein um 770 im Maingau geborener und 840

im Seligenstädter Kloster Obermulinheim begrabener

fränkischer Gelehrter und Autor der „Vita Karoli Magni“.

Diese Biografie Karls des Großen ist aufgrund ihres eleganten

Sprachstils unter Geschichtskennern bekannt.

Einhard gehörte weiterhin zur Hofschule Karl des

Großen, war Ratgeber Ludwig des Frommen und erhielt

zum Dank für seine Leistungen im Jahr 815 die Mark

Michelstadt zum Geschenk. An Stelle der bereits vorhandenen

Holzkirche errichtete er in der Folgezeit eine

Basilika aus Stein. Jetzt wurde uns auch klar, warum

dieses Bild in unserem Zimmer gehangen hatte.

Steil ging es hinter der Basilika unter strahlender

Morgensonne der ersten Anhöhe entgegen. Dabei

kamen wir das erste Mal ins Schwitzen. Immer wieder

verleitete uns das schöne Frühsommerwetter, den Blick

zurück auf Michelstadt zu richten. Je höher wir über

den Steinbacher Ortsteil hinauskamen, umso idyllischer

wirkte das Städtchen, das zentral im Odenwald liegt.

Am Waldrand angekommen, bog unser Weg links ab

und angenehm ging es nun im Schatten weiter zur

Einhardquelle. Leider öffnete sich der Wald bald wieder,

doch dafür konnten wir über die intensiv bewirtschafteten

Felder blicken, die sich jetzt links und rechts des

Nibelungenwegs bis hinüber in die Dörfer des Brombachtales

hintereinanderreihten.


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Nach einer kurzen Strecke durch reinen, wenig spektakulären

Fichtenwald, geht es bald rechter Hand um den

Morsberg herum und anschließend wieder bergab.

Noch einmal wird ein Ausblick zwischen den umliegenden

Bäumen frei. Wir stehen direkt am Abhang und

können dabei bis hinauf nach Fränkisch Crumbach

blicken, einem Ort, der seinen Ursprung im heute hessischen

Odenwald verrät. Anschließend liefen wir zügig

weiter in das Örtchen Beerfurth hinab.

Eine Richtungsänderung um 90 Grad führte direkt zur

Russeneiche. Der Uralt-Solitärbaum stand neben dem

Weg im freien Feld. Danach tangierten wir kurz die Nibelungenstraße,

die hier parallel zum Wanderweg ebenfalls

in Richtung Reichelsheim führt. Etliche Male wurden wir

von herrlichen Aussichtspunkten empfangen, die hier in

nördliche Richtung über Klingsbach die Geländeformen

des Odenwaldes sichtbar machen.


74 Seite

Wald und Felder wechseln sich

auf unserem Weg durch den

Odenwald immer wieder ab.


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Wir folgten anschließend unserem gelben Quadrat,

liefen durch Wiesen und Felder, bis wir Schloss Reichenberg

erreicht hatten. Dort tauchten wir ein letztes

Mal in den sommerlichen Odenwald ein und wurden

bald von den Kinderstimmen aus dem nahen Reichelsheimer

Schwimmbad empfangen.

Dort endete der erste Teil unseres Weges, auf dem

einst der Volksstamm der Burgunder nach Worms

gekommen war. Noch heute trägt der Vier-Länder-Weg

im Volksmund seinen ursprünglichen Namen, es ist der

Weg der Nibelungen.


76 Seite

Zwei Jahre später war ich nach Reichelsheim zurückgekehrt,

um den Spuren der Nibelungen weiter

in Richtung Westen bis nach Worms zu folgen. Nach

einer verkehrsreichen Anfahrt über die B26, die Lohr mit

Darmstadt verbindet, verließ ich genervt die Bundesstraße,

um in südliche Richtung weiter nach Bensheim

zu fahren. Dort parkte ich mein Auto und erreichte

gerade noch den Bus um 10.10 Uhr, der mich in das

etwa 23 Kilometer entfernte Reichelsheim brachte. Die

Busanfahrt entlang der Nibelungenstraße führte mitten

durch den schönen hügeligen Odenwald. Entspannt

schaute ich dabei aus dem Fenster.

In der „Drachenstadt Linde“ bewunderte ich die schmucke

Burg Lindenfels, die über der „Perle des Odenwaldes“

thront. Über Serbentinen ging es hinter Linde

durch felsige Waldlandschaften bergab.

In Reichelsheim angekommen traf mich die Hitze wie

ein Schlag, als ich aus dem Bus ausstieg und nach der

ersten „Vier-Länder-Weg“-Markierung suchte.


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Zunächst ging es dann bergauf und ich konnte noch

einmal zurück auf Schloß Reichenberg schauen, dorthin

wo vor zwei Jahren unsere erste Etappe endete.

Ich lief ein Stück an Wiesen und Feldern vorbei. Dabei

freute ich mich bereits auf den schattigen Odenwald,

der vor mir auftauchte.

Endlich konnte ich eine längere Strecke laufen, denn

ich war alleine unterwegs. Ich versuche daher meine

Aufmerksamkeit noch mehr in Richtung Natur zu lenken,

hörte den Meisen und Buchfi nken zu, die fortwährend

in mein Ohr zwitscherten. Ein letztes Mal blickte

ich zurück in Richtung Reichelsheim. Ich machte ein

paar Fotos und tauchte anschließend in den Wald ein.


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Das frische Grün des Odenwaldes und der blaue

Himmel über mir sorgten für gute Laune. Langsam beruhigte

sich auch mein Puls nach dem ersten Aufstieg.

Ich blieb stehen, hielt inne und holte bewusst tief Luft.

Ich spürte dabei, wie meine Gedanken immer klarer

wurden, wie sie sich auf die bevorstehende Strecke

einstimmten und freute mich, endlich wieder draußen

unterwegs zu sein.

Noch war das Zusammenspiel zwischen den Daten auf

der Karte und der real zurückgelegten Strecke etwas

holprig, doch nach einer halben Stunde hatte sich alles

wieder so eingespielt, dass ich zufrieden vorwärts

drängte und dabei spürte, dass dies meine Welt war.


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Ich liebe das Laufen in einer neuen Region,

doch gleichzeitig mag ich es gar nicht, wenn

ich mich verlaufe, selbst wenn dies nur wenige

hundert Meter sind. Leider passiert es vor

allem am Anfang einer Wanderung immer mal

wieder. Mal sieht man eine Abzweigung nicht

rechtzeitig, so wie an diesem Tag.

Kurz nachdem ich die Höhe nach Laudenau

hinter mich gebraucht hatte, machte der markierte

Weg auf der Karte einen scharfen Knick

nach rechts, den ich beim Laufen jedoch

prompt verfehlt hatte und das bereits nach

zwei Kilometern Strecke.


80 Seite

Doch bereits nach 50 Metern bemerkte ich, dass ich

falsch gelaufen war und kehrte um. „Das fängt ja gut

an“, dachte ich und ging auf den richtigen Weg zurück.

Nun stimmten Karte und Orientierungspunkte wieder

überein. Auch die innere Ruhe stellte sich schnell

wieder ein.

Noch ein letztes Mal konnte ich zurück auf Schloß Reichenberg

schauen, dann verschwand der Ort endgültig

hinter der wellenförmigen Odenwaldlandschaft und dem

dichten Blätterdach saftiggrüner Bäume. Nach wenigen

Minuten machte mein Weg einen weiteren Knick,

diesmal jedoch nach links. Doch nach dem vorherigen

Fehler war meine Aufmerksamkeit zu 100% auf Karte

und Gelände fi xiert. Ich wanderte nun auf eine Häusergruppe

zu, die sich auf der Karte Freiheit nannte.


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Eine Wiese nach der Mahd.

Nichts kann herrlicher

duften.

Während mein Blick in

die Ferne über die Hügel

des Odenwaldes streifte,

summten unzählige

Insekten vor mir über die

abgemähten Stoppel.


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Über einen Höhenrücken führte

mich der „Vier-Länder-Weg“

hinunter zum Ort „Freiheit“.


Kornblumen schmücken

den Rand eines

Getreidefeldes.

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Ein schöner Erdweg breitete sich nach der kleinen

Ortschaft „Freiheit“ vor meinen Füßen aus. Auf ihm ging

es steil hinauf auf den nächsten Höhenzug des Odenwaldes.

Rechts tauchten plötzlich die ersten größeren

Steine am Waldboden auf. Meine Aufmerksamkeit galt

jedoch dem schönen Weg, der immer weiter in den

Wald hineinführte und ich entdeckte weitere Steinhaufen,

die sich angenehm in die Landschaft einfügten.

Sie warteten nur darauf fotografi ert zu werden.


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Schöne Steinformationen

tauchen entlang des

Nibelungenweges immer

wieder auf.

Auf dem Höhenweg zum

Kaiserturm wurde ich von

hellgrünem Bodenbewuchs

geradezu geblendet.


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Nachdem ich auf dem nächsten Höhenkamm angekommen

war, führte mich die gelbe Rechteck-Markierung

weiter nach Westen direkt auf eine Weggabelung zu.

Ein Zaunpfahl zeigte mir die verschiedenen Routen

der Wege, die sich hier kreuzten. Das ist ja die reinste

Autobahn, dachte ich.

Ein Wegweiser zeigte mir an einem gegenüberliegenden

Baum die Richtung zu meinem nächsten Ziel an,

dem Kaiserturm. Doch vorher kam ich noch an der

Gersprenzquelle vorbei, wie mir ein Hinweisschild

verriet. Ich konnte den Namen kaum aussprechen,

machte aber im seitlichen Gebüsch eine interessante

Beobachtung.


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Eine Bank lädt an der

Gersprenzquelle zum

verweilen ein.


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Ein Fuchs hatte vor mir die Quelle besucht. Nachdem

er mich bemerkt hatte, ist er hinter einem Gebüsch in

Deckung gegangen. Dort wartete er nun ab, doch als

ich ihm zu nah gekommen war, suchte er schnell das

Weite. Im Augenwinkel konnte ich noch seinen buschigen

Schwanz und die Silhouette des Tieres erkennen,

doch für einen schnellen Griff zu meinem Fotoapparat

hat es nicht gereicht. „Schade“, sagte ich leise vor mich

her, aber wenigstens hatte ich ihn bemerkt.

Auf einem Hinweisschild waren die Gersprenzquelle

und der spätere Bach Gersprenz näher beschrieben.

Er fließt durch Reichelsheim, meinen Startpunkt, später

auch durch Dieburg und Babenhausen und mündet

nach 62 Kilometer nahe Stockstadt in den Main. Die Bedeutung

des Baches für die Region hat man durch eine

schön gestaltete Sitzgruppe an der Quelle und das seit

1952 unter Naturschutz stehende Umfeld gewürdigt. Ich

nahm einen Schluck aus der Quelle und schlenderte

anschließend weiter in Richtung Kaiserturm weiter.


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Am Kaiserturm im Odenwald.

Der Turm ist ein 34 Meter hohes

Mauerwerk, das sich auf

605 Meter Höhe befindet.


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Die Anfänge des Turmes gehen bis in das Dreikaiserjahr

1888 zurück. Damals ließ die Ortsgruppe Darmstadt

des Odenwaldklubs durch Adam Fleischman auf

der Neunkircher Höhe einen 24 Meter hohen Holzturm

als Aussichtsturm erbauen. Er wurde zur Erinnerung an

Kaiser Wilhelm I. als Kaiserturm bezeichnet.

Der heutige Turm ist ein 34 Meter hoher, gemauerter

Steinbau, der sich auf 605 Metern Höhe befindet. Im

Turm selbst fi ndet man „die höchstgelegene Wirtschaft“

des Odenwaldes. Doch leider war sie an diesem Tag

geschlossen. Ich verließ den Ort und passierte anschließend

schöne Felsformationen und Baumstümpfe

mit Spechthöhlen auf dem weiteren Weg hinab ins Tal.


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Auf meinem Weg dorthin erreichte ich bald den

Waldrand und über die Wiesen blickend sah ich Gadernheim.

Das Gezwitscher der Buchfi nken, das mich

durch die herrliche Waldstrecke begleitet hatte, hörte

ich leider nur noch von fern. Es war bereits Nachmittag,

als ich durch den Ort wanderte und daher hielt ich

Ausschau nach einem Biergarten oder etwas änlichem.

Zehn Kilometer hatte ich bereits hinter mich gebracht

und hätte eine kleine Stärkung vertragen können.

Doch leider stand ich vor verschlossenen Türen. Auch

Nachfragen brachte keinen Erfolg und ich musste mit

knurrendem Magen weiterlaufen. Nach einem Schluck

aus meiner Trinkfl asche ging es nun wieder bergauf

und ich erreiche erneut einen schönen Aussichtspunkt.


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Nach der Anhöhe westlich von

Gadernheim geht es bis nach

Bensheim fast nur noch bergab

und der Wald weicht immer

mehr Wiesen und Feldern.


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Der Abstieg ins Lautertal

führte mich an einer markanten

Felsformation vorbei, dem

Hohenstein. Die gelbe Markierung

und das „N“ zeigten

mir, dass ich mich auf dem

richtigen Weg befand.


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Nicht weit vom Hohenstein entfernt, stieß ich auf eine

kleine Schutzhütte. Sie liegt idyllisch am Waldrand und

wird halb durch eine mächtige Eiche verdeckt. Ich ging

den stufig angelegten Zugang zur Hütte hinauf und genoss

von der Holzbank aus die schöne Aussicht hinunter

nach Reichenbach. Dort wollte ich mich erneut nach

etwas Essbarem umschauen, denn mein Magen meldete

sich seit Gadernheim in immer kürzeren Abständen.

In Reichenbach angekommen, fiel mir eine Metzgerei

ins Auge und die hatte es in sich. Ich wurde bestens

umsorgt und erhielt abschließend auch noch einen Apfel

als Geschenk. „Jeden Tag eine gute Tat“, war die Anwort

auf mein Dankeschön. Verwundert und gleichzeitig begeistert

von dieser tollen Geste nahm ich den anschließenden

Aufstieg beherzt unter die Sohlen.


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Den Aufstieg zum Teufelsstein musste ich in der

Hitze des Nachmittags auf mich nehmen und er war

schweißtreibend. Nach dem Fotografi eren schöner

Kornblumen suchte ich erst einmal den Schatten auf einer

naheliegenden Bank auf und beobachtete, wie eine

Goldammer ein großes grünes Heupferd erbeutete. Es

sah so aus, als wollte der Vogel mit dem Insekt spielen.

Doch nach einigen Sekunden hatte die Ammer das

Heupferd im Schnabel und fl og davon. Wahrscheinlich

werden die Jungen bereits hungrig warten, dachte ich.

Anschließend machte ich mich wieder auf den Weg und

passierte einen großen Steinbruch. Nicht weit dahinter

lag das Ehrenmal am Teufelsstein und dort machte ich

eine weitere seltene Beobachtung.


Ein großer Schillerfalter, der

eine Spannweite von bis zu

70 Millimetern erreichen kann,

stach mit seinen blau schimmernden

Flügeln aus dem

grauen Schotter heraus und

fi el mir direkt ins Auge.

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98 Seite

„Baum des Lebens“ - ein Friedmal

für Europa. Diese Gedenkstätte

für Frieden und Freiheit

etwa einen Kilometer hinter

dem Ehrenmal am Teufelsstein

beeindruckte mich nicht nur

wegen der weiten Aussicht.


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Mein gewählter „Vier-Länder-Weg“ ist auf einem Teil

der Strecke mit dem Europäischen Fernwanderweg E8,

der über 4.300 Kilometer von Irland quer durch Europa

bis fast ans Schwarze Meer führt, deckungsgleich.

Seine Bedeutung wollte man 2010 mit diesem Mahnmal

hervorheben.

Ich saß nach dem Lesen der Informationstafeln auf der

Bank, genoss die Aussicht und dachte lange über den

soeben gelesenen Inhalt nach. Man kann für ein Mahnmal,

das für Leben in Frieden wirbt, keinen schöneren

Ort finden.


100 Seite

Bereits von Weitem ist das

Auerbacher Schloss mit seinen

Rundtürmen vom Wanderweg

aus sichtbar.

Müde erreichte ich gegen 18 Uhr Auerbach.

Die Füße und die dehydrierten Muskeln

schmerzten gehörig. Ich hätte bei der Hitze

mehr trinken sollen. Mit diesem Vorsatz

und einem alkoholfreien Weizen endete der

Tag auf dem Balkon der Pension Schlossblick

bei immer noch herrlichstem Wetter.

Gigantisch war an diesem Tag die Aussicht, denn sie gewährte mir den Ausblick

von den westlichen Ausläufern des Odenwaldes weit nach Südwesten.

Am Horizont sah ich die Ausläufer des Pfälzer Waldes am gegenüberliegenden

Rheinufer. Es war ein erhabener Moment. Auf den letzten Kilometern nach

Auerbach waren noch einmal meine ganzen Orientierungskünste gefragt. Ich

erreichte den Moutainbike-Park „Fuchstrail“, von dessen Bergstation aus sich

Trails verschiedenster Schwierigkeitsgrade bis hinunter ins Tal winden. Doch

auf einmal war die Markierung verschwunden. Nach einigem hin und her lief

ich querfeldein durch den Wald und an den Trails entlang bis hinunter ins Tal.


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102 Seite

Den nächsten Morgen startete ich mit einer gehörigen

Portion Muskelkater. Meine gestern Abend aufgestochenen

Blasen machten jedoch anfangs einen guten

Eindruck. Am Frühstückstisch führte ich eine nette

Unterhaltung mit dem Eigentümer der Pension über

aktuelle Probleme aus den Tagesnachrichten. Frisch

gestärkt startete ich um acht Uhr und machte mich auf

den Weg.

Nach einem guten Kilometer lud mich eine Sitzbank zu

einem ersten Foto ein. Ich schaute noch einmal zurück

nach Osten in Richtung Odenwald, der aufgehenden

Sonne entgegen. Die Silhouette des Auerbacher

Schlosses war noch gut zu erkennen. In Richtung Westen

wurden jedoch die lauten Autogeräusche der vor mir

liegenden A5 immer deutlicher. Beim Überqueren der

Autobahnbrücke konnte ich weit über landwirtschaftlich

intensiv genutzte Felder blicken. Auch ein Entwässerungsgraben,

der ein begradigter Bachlauf gewesen

sein könnte, zog sich weit sichtbar nach Norden hin

durch die Flur. Etwa 50% der Fläche Deutschlands

werden landwirtschaftlich genutzt. Aufgrund des

fortschreitenden Insektensterbens müssen wir uns aber

fragen, wie lange unsere Natur den Pestizitbelastungen

unserer intensiven Landwirtschaft noch standhalten

wird. Können wir auf die Bestäubungsleistung dieser

kleinen Tiere wirklich verzichten?


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Auf der Brücke angekommen erschlägt einen die laute

Kulisse der vielbefahrenen Autobahn. Unter mir rauschten

die Lastwagen wie an einer Perlenschnur gereiht

hindurch. Meine Gedanken kreisten in diesen Minuten

wieder mal um die Problematik der Verbrennungsmotoren

und deren Auswirkungen auf die Klimaerwärmung,

denn vor uns liegen große Herausforderungen, die

wir schon lange hätten anpacken müssen. Auch die

Tatsache, dass ich ein Auto mit Elektroantrieb und eine

PV-Anlage besitze, befriedigen mich nicht wirklich,

denn die Probleme werden weiter wachsen.

Ich versuchte meine Gedanken wieder auf die Natur und

das schöne Wetter zu lenken. Gersten- und Roggenfelder

wechselten sich rechts und links des Wanderweges

ab. Ich freute mich bereits auf das kleine Waldstück,

das ich vor mir sah. Ich tauchte in den Wald ein und es

wurde sogleich kühler, denn die Sonnenstrahlen wurden

durch die Blätter über mir aufgehalten. Während dort die

Photosynthese in Hochtouren lief, wehte hier unten am

Boden ein laues Lüftchen um meine Nase. Bereits nach

wenigen Metern unter dem Blätterdach empfing mich

Vogelgezwitscher und das Rufen eines Eichelhähers. Es

ist sehr angenehm, bei großer Hitze im Wald zu laufen,

denn dort ist es immer ein paar Grad kühler.


104 Seite

Hinter Fehlheim ging es wieder durch Felder bis nach

Langwaden, das ich südlich umging. Anschließend

querte ich die nächste Autobahn mit der Nummer 67,

dabei freute ich mich schon auf den direkt sich dahinter

anschließenden Wald. Ich verließ die Teerstraße

und schwups war ich wieder unter dem Blätterdach.

Schnurgerade zieht sich hier der Nibelungenweg weiter

in Richtung Westen. Die Sonne stand bald über mir und

daher nahm sie immer größere Teile meines Weges in

ihren Besitz.

Der Wald hier ist von vielen Schotterstraßen rechtwinklig

durchzogen. Auf der Karte sieht das wie ein großes

Schachbrett aus. Alle paar hundert Meter passierte ich

einen der Wasserspeicher, die zu einem ganzen System

zu gehören schienen. Ob sie der Trinkwasserversorgung

dienen oder eventuell das nahegelegene Biblis mit Kühlwasser

versorgen, erschloss sich mir nicht. Am Wegrand

fi el mir ein starker Brennesselbewuchs auf. Ein Zeichen

für zu hohe Stickstoffeinträge im Boden. Auch dies

ist eine Folge unserer immer intensiver werdenden

Bodennutzung.

Nach einiger Zeit sah ich in der Ferne ein helles Blau.

Wie durch einen Tunnel führte mich der Weg auf den

langsam größer werdenden Ausgang zu, während mich

die Vogelstimmen unzähliger Waldvögel begleiteten.


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Ein Rotmilan kreiste direkt über mir und Feldlerchengesang

drang in mein Ohr. Ich beobachtete den Greif,

wie er mit dem gegabelten Schwanz seine Flugroute

beeinfl usste. Auch die Lerche konnte ich kurz beim

Landen beobachten. Auf einer Brachfl äche fi elen mir

anschließend zahlreiche Distelfalter auf, die dort von

Blüte zu Blüte gaukelten. Doch es war schwierig sie

zu fotografi eren, denn durch die Mittagshitze hatten

sie ihre Betriebstemperatur bereits erreicht und fl ogen

schnell auf, sobald ich mich ihnen auf etwa zwei Meter

Distanz genähert hatte.

Ich trat aus dem Wald heraus und blickte hinaus in die weite

Landschaft. Großflächige Rapsfelder leuchteten mir grellgelb

entgegen und am Horizont in etwa drei Kilometern Entfernung

lag Biblis mit seinem alten Atommeiler jetzt direkt vor mir. Zum

Glück war er 2008 wegen Sicherheitsmängeln abgeschaltet

worden. Doch leider konnte ich die nun brettebene Landschaft

trotzdem nicht ausgiebig genießen, denn meine Oberschenkel

und auch die Füße schmerzten schon eine ganze Weile.


106 Seite

In Biblis angekommen, genoss ich am Straßenrand

unter einem Baum etwas Abkühlung. Die Wasserpumpe

eines Rollrasenherstellers war in Betrieb und ich

nutzte die Gelegenheit das Wasser auf meiner Haut

zu spüren. Es war ein Genuss, deshalb ging ich mit

jeder Umdrehung der Anlage ein kleines Stück auf die

Pumpe zu.

Schön abgekühlt lief ich weiter am Stadtrand entlang.

Nach nur wenigen Minuten raschelte es seitlich im Gras

und ich entdeckte eine Zauneidechse. Ich blieb stehen

und auch das Reptil verharrte. Schnell holte ich meine

Kamera heraus und ging vorsichtig in die Hocke.

Das tat meinen Oberschenkeln nicht gerade gut, aber

ich konnte eine geeignete Position zum Fotografi eren

fi nden. Jetzt hatte ich mehr Glück als davor bei den

Distelfaltern. Das vor mir sitzende Weibchen bewegte

sich nicht und mein Bild war im Kasten.


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Zauneidechse am Wegrand

des „Vier-Länder-Weges“.


108 Seite

In der Mitte der knapp 9.000 Einwohner zählenden

Gemeinde wurde meine lang ersehnte Mittagspause

endlich Realität. In einer Dönerkneipe nahm ich ein kühles

Radler zu mir. Tat das gut! Gegenüber sah ich zu

meinem Glück auch noch eine Eisdiele. Perfekt, dachte

ich und lachte in mich hinein, doch als ich mich vom

Stuhl erhob, kamen schlagartig die Schmerzen zurück.

Ich humpelte aus dem Lokal und weiter über die Straße.

Das kann ja noch heiter werden, dachte ich, denn es

lagen nach gelaufenen 22 Kilometern noch acht vor mir.

Ich verließ Biblis und überquerte die Weschnitz

auf einer Straßenbrücke. Gleich dahinter bog der

Wanderweg nach rechts ab. Hinter dem Sportgelände

konnte ich in der Pfaffenaue ein letztes Mal ein wenig

Schatten nutzen, doch im anschließenden Weschnitzgrund

brannte die Sonne wieder erbarmungslos auf

mich herab. Dem jungen Spatz, der direkt hinter einem

Bauernhof im Straßenrand Platz nahm, schien es nicht

zu heiß zu sein. Er saß gemütlich auf einer Traktorspur

und schaute mir beim Wandern hinterher. Es wurde mir

nicht langweilig, denn kurz darauf begleitete mich ein

Turmfalke und ein Taubenschwänzchen ein weiteres

Stück auf meinem Weg nach Worms. Kurz hinter

Hofheim wollten jetzt noch vier Kilometer auf einem

Rad- und Fußgängerweg entlang der Eisenbahnstrecke

zurückgelegt werden.


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Die Teerstraße schien kein Ende zu nehmen. Wie ein

Roboter watschelte ich Meter um Meter dahin. Doch

irgendwann tauchte sie auf - mein Ziel, die Nibelungenbrücke

von Worms. Da lag sie. Die Hitze flimmerte

über dem Gras vor der Brücke und die Grillen zirpten

ihre Strophen dazu. Wäre ich in südlichen Gefilden

unterwegs gewesen, hätte mich das nicht gewundert,

doch ich war mitten in Deutschland. Wenn die Sommer

aufgrund des Klimawandels noch heißer werden,

braucht man sich um diese Jahreszeit bald keine Wanderungen

mehr vorzunehmen, dachte ich, während ich

geradewegs auf die Brücke zulief.

Als ich die Mitte der Brücke erreicht hatte, empfing mich

eine angenehm frische Brise. Ich blickte in Richtung

Norden den Rhein hinab. Gigantisch war er anzuschauen,

während seine Wassermassen gemächlich an mir

und an Worms vorbeizogen.

Die Nibelungenbrücke ist ein imposantes Bauwerk.

Nachdem sie im März 1945 noch kurz vor dem Ende des

Zweiten Weltkrieges zerstört worden war, konnte der

Rhein hier erst 1951 wieder überquert werden. Heute

führt die neue Brücke direkt auf den Nibelungenturm

zu. Ich lief ihm nun geradewegs entgegen und dahinter

erhob sich rechter Hand über der Altstadt der Dom.


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Der Wormser Dom St. Peter wurde zwischen 1130 und

1181 auf dem höchsten Punkt der Wormser Innenstadt

errichtet und gilt als das bedeutendste Bauwerk der

Wormser Romanik. Seine schlanken hohen Türme an

den vier Seiten ragen weit über die Altstadt hinaus.

Dabei ist seine Ansicht außergewöhnlich, denn er ist

der Kleinste der drei rheinischen Kaiserdome.

Er wurde auch steiler und schlanker konzipiert als die

anderen beiden in Speyer und Mainz.

Ich hatte fast das Ende der Brücke erreicht. Der

Nibelungenturm baute sich jetzt mit seiner ganzen

Mächtigkeit über mir auf.


Der Nibelungenturm erhebt

sich über der gleichnamigen

Brücke und steht wie ein

Wächter vor der Wormser

Altstadt.

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112 Seite

Die Ernst-Ludwig-Schule

in Worms liegt direkt hinter

der Nibelungenbrücke.


Seite 113

Mit der Brückenüberquerung hatte ich endgültig das Bundesland Hessen verlassen.

Nun befand ich mich in Rheinland-Pfalz. Ein weiteres unter Denkmalschutz

stehendes Gebäude stand vor mir. Es war die Ernst-Ludwig-Schule, die 1905 gebaut

wurde und der Lohrer Realschule, die ich nach meiner Grundschulzeit besuchte, sehr

ähnlich sah.

Von hier aus waren es noch einmal 1,5 Kilometer an den Hauptbahnhof. Auf dem Weg

dorthin besorge ich mir noch etwas Obst und zwei Flaschen Wasser. Mit schweren

Beinen erreichte ich den Bahnhof. Auf der Fahrt zurück nach Bensheim ließ ich die

zurückgelegte Strecke noch einmal Revue passieren. Etwa 110 Kilometer waren es

von Miltenberg bis nach Worms gewesen und ich hatte mit dem Odenwald eine weitere

schöne Mittelgebirgslandschaft kennen gelernt.


114 Seite

Von Worms nach Dahn

Juni 2021

Mein neues Ziel war nun, nachdem ich meine Odenwalddurchquerung im Mai 2019 abgeschlossen

hatte, hinüber in den Pfälzer Wald zu laufen. Das war nun wieder so eine Herausforderung,

der ich mich zwei Jahre später endlich stellen konnte. Doch dafür musste ich zunächst die Bergstaße

queren. Dazu lief ich von Bad Dürkheim nach Worms.

Nach einer unspektakulären, aber pünktlichen Anreise

mit der Bahn hatte ich in Mannheim sogar den richtigen

Ausgang für meine Anschluss-S-Bahn erwischt. Keine zehn

Minuten später saß ich bestens gelaunt in der „Tram“, mit

der ich in Richtung Bad Dürkheim tuckerte. Nach vielen

Windungen ging es auf Schienen über den Rhein nach

Ludwigshafen und weiter in mäßigem Tempo hinüber bis

an meinen Zielbahnhof.

In Bad Dürkheim drehte das Schienenfahrzeug noch eine

gemütliche Runde im Kreis, doch dann konnte ich endlich

direkt an einem schönen Brunnen aussteigen. Wurstmarktbrunnen

stand auf einem kleinen Schild. Ich stand davor

und schaute einen Augenblick den Wasserspielen zu, denn

zunächst wollte ich ankommen. Jetzt noch schnell orientieren

und schon konnte es losgehen. Zunächst lief ich auf der

Mannheimer- dann auf der Salinenstraße direkt nach Osten.


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Am Kurpark machte ich vom „Gradierbau“ noch schnell ein Bild. Mit Gradierbau

bezeichnet man eine lange, meist aus Holz errichtete Kuranlage, die den Salzgehalt

einer Sole durch Verdunstung an die Umgebungsluft abgibt, so dass Freiluftinhalation

im Kurgarten möglich wird.

Das Bauwerk war beeindruckend. Ich lief jedoch weiter, kam am Ostbahnhof vorbei

und folgte weiter den Bahngleisen bis zum Flugplatz.


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Anschließend kam ich immer öfter an Weinanbaufl ächen vorbei. Sie nahmen bis

nach Erpolzheim an Fläche stetig zu. Ab und an werden die Weinanbaufelder hier

durch Naturschutzfl ächen aufgelockert. Das bemerkt man beim Vorbeilaufen sofort

am abwechslungsreichen Vogelgezwitscher, das sich bereits von weitem ankündigt.

In Erpolzheim angekommen, bog mein Weg am Kriegerdenkmal scharf nach links

in eine Gasse ab. Nach einer Rechts-Links-Kombination erreichte ich das Dorfende

und tauchte wieder in ausgedehnte Weinanbaugebiete ein. Sanft ging es nun einen

Hügel hinauf, der einen weiten Rundumblick ermöglichte. Ich schaute kurz zurück in

Richtung Bad Dürkheim und konnte dahinter sehr gut die ansteigenden Höhenzüge

des Pfälzer Waldes erkennen. Ich freute mich bereits an diesem Tag auf die baldige

Tour in diese schöne Waldregion, die ich bereits geplant hatte. Doch zunächst einmal

genoss ich meine Etappe durch die Weinlandschaften der Bergstraße.

Auf dem Weg nach Weisenheim kam ich ebenfalls an alten Apfelbäumen vorbei und

bewunderte eine größere Ansammlung von herrlich lila blühenden Wicken, die ich

fotografi erte. Dabei bemerke ich zwei Hasen, die direkt vor mir über den Weg hobbelten.

Auch eine Weidenmeise fl og an mir vorbei und verschwand in einem Baum.


Weinstöcke so weit

das Auge reicht.

An der Bergstraße

nicht weit vom

Rhein entfernt

wachsen sie

besonders gut.

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Kurz vor Weisenheim blieb ich erneut stehen, denn abwechslungsreiche Strophen eines

Vogels drangen aus den umliegenden Bäumen in meine Ohren. Ich startete meine

BirdNET-App, die meine Vermutung bestätigte. Es war eine Nachtigall und wenige

Schritte weiter sang eine Mönchgrasmücke. Dies notierte ich umgehend in mein Tagebuch.

Ich war im Naherholungsgebiet Ludwigshein angekommen, wie ich auf einem

Hinweisschild erfuhr und wenige Minuten später lief ich bereits in Weisenheim ein.

Darin sah ich zwei Fotografen mit riesigen Objektiven auf der Lauer liegen.

Ich näherte mich den Beiden mit großen, aber leisen Schritten und erkannte, weshalb

sie sich hier zusammengefunden hatten.

Anschließend ging es wieder über die Felder, wobei nun ausschließlich Gemüseanbau

vorherrschte. Den fruchtbaren Boden, der sich hier unter meinen Füßen ausbreitete,

bemerkte ich ebenso am klebrigeren Lehm, der sich unter meinen Füßen zu dicken

Klumpen ansammelte und mir ein zügiges Fortkommen immer mehr erschwerte.

An einer Bank beschloss ich eine Pause zu machen und holte nach einem ausgiebigen

Schluck aus meiner Wasserfl asche einen Apfel aus dem Rucksack. Vor mir lag

die Deponie Heßheim und über mir querte eine Hochspannungsleitung das Gelände.

Nach ein paar Minuten Pause lief ich weiter. Mittlerweile klebten meine Füße fast bei

jedem Schritt fest. „Wie lange wird das wohl so gehen“, dachte ich. Endlich erreichte

ich eine Straße und überquerte sie. Auf der Karte war ersichtlich , dass sie Gerolsheim

mit Lambsheim verbindet. Gleich gegenüber entdeckte ich eine riesige Lehmgrube,

an deren Rand ein Foto-Unterstand hinter einem Gebüsch sichtbar wurde.


Eine seltene

Überraschung.

Mitten in den

Gemüsefeldern

konnte ich viele

Bienenfresser

beobachten, die in

einer Lehmgrube

eine Brutkolonie

gegründet hatten.

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120 Seite

In der Grube konnte ich auch den Grund erkennen, weshalb zwei Fotografen mit

schwerem Gerät anwesend waren. Ich war auf eine Kolonie Bienenfresser gestoßen,

die hier ihre Paarung und das Brutgeschäft tätigen. In die Lehmwände hatten sie ihre

Nester gebaut und ich war nun Zeuge ihrer Balz- und Paarungsrituale. Welch ein

Glück ich doch hatte. Da wir uns hinter einem fest installierten Fotostand befanden,

konnten wir die Vögel auch nicht stören. Ich gesellte mich eine Weile dazu und

bedauerte, dass ich nur meine Minimal-Ausrüstung bei mir hatte. Doch für ein paar

Schnappschüsse reichte es. Kurz unterhielt ich mich noch mit den professionellen

Fotografen, dann musste ich auch schon wieder weiter.

Noch bevor ich meinen Rucksack abgezogen hatte, hielt ein Auto direkt neben mir.

Ich war gerade die lange Weinsheimer Straße hinuntergelaufen, quer durch die ersten

Stadtteile von Worms. Nun fragte mich doch tatsächlich jemand, ob ich mitfahren

wollte. Kurzentschlossen nahm ich das Angebot an, denn die Regentropfen waren

zu einem Regenschauer herangewachsen. Kaum war ich eingestiegen, prasselten

Wassermassen auf das Dach und die Scheibenwischer wurden mit dem vielen Nass

kaum fertig. „Glück gehabt“, grinste mich der Fahrer mit diesen kurzen Worten an.

„Ja“, lachte ich zurück. Der nette Mann fuhr über die Speyrer-Straße zum

Die Sonne brannte nun das erste Mal vom Himmel und heizte die schwüle Luft zunehmend

auf. Ich kramte meinen Hut aus dem Rucksack und lief weiter auf Heßheim

zu. Immer noch mühte ich mich mit dem Lehm unter den Füßen ab, der ja der Grund

für die Anwesenheit der Bienenfresser war und ebenso für das üppige Wachstum auf

den Feldern, an denen ich immer noch vorbeikam. Die Bewässerungsanlagen legten

den Grundstein für eine reiche Ernte, aber auch für rutschige Wege dazwischen.

In Heßheim wanderte ich dann an der Umgehungstraße entlang auf dem Radweg

weiter. Anschließend ging es unter der A6 hindurch. Mein Weg führte mich nun nach

Großniedesheim und dort hatte ich bereits 23 Kilometer unter den Füßen. Der Himmel

war nun wieder bedeckt, es zogen sogar dunkle Wolken von Südwesten kommend

auf mich zu. Doch in Weinsheim hatte ich meine Wanderung fast hinter mir.

Immer wieder schaute ich nach oben und bald fielen erste Tropfen auf mich herab. An

den dunklen Wolken erahnte ich, was gleich auf mich zukommen sollte.


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Willy-Brandt-Ring. „Da drüben musst du weiter. Zum Bahnhof sind es etwa fünf Minuten

Gehweg“, sagte der Fahrer. Ich bedankte mich höflich und stieg aus. Der Regen

war schon wieder schwächer geworden, doch ich stellte mich noch ein paar Minuten

unter, nachdem mein Taxi weitergefahren war. „Glück muss man haben“, dachte ich.

Nun bemerkte ich auch meine Füße wieder und war froh, als ich nach wenigen Metern

in der Bahnhofshalle stand. Gleich rechts am Kiosk lachte mich ein Marmorkuchen

an und er war auch noch ofenfrisch.


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Pfälzerwald

Der Krappenfels liegt

bereits auf der französischen

Seite des

Waldgebietes. Von

dort aus kann man

weit in die Nordvogesen

blicken. Den

Felskopf erreicht

man über den Felsenland

Sagenweg.


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Der Pfälzerwald, der gelegentlich auch Haardtgebirge genannt wird, liegt im Bundesland Rheinland-Pfalz

und zählt wie der Spessart zu den größten zusammenhängenden Waldgebieten

Deutschlands. Seine Ausdehnung beträgt 1771 km², was 177.100 Hektar entspricht, wobei fast

90 Prozent der Fläche von Wald bedeckt sind. Damit nimmt er ein gutes Drittel der gesamten

Pfalz ein. Seine typische Landschaft prägt das ganze Bundesland und hat sich auch in ihrem

Namen niedergeschlagen. Etwa 30 Prozent kleiner ist die südliche Fortsetzung dieses Naturraums,

der auf französischem Boden liegt, aber die Bezeichnung Nordvogesen trägt. Der mit

179.800 Hektar etwas größere Naturpark Pfälzerwald umfasst zusätzlich den Landstrich zwischen

Haardtrand und Deutscher Weinstraße im Osten sowie die Täler von Eckbach und Eisbach im

Nordosten.

Artenreiche Mischwälder, sonnige Wiesentäler, mächtige Felsentürme und sagenumwobene Burgruinen

machen dieses Waldgebiet einzigartig. Wegen seines besonderen Charakters erkannte

die UNESCO den Pfälzerwald 1992 als Biosphärenreservat an, das seit 1998 gemeinsam mit

seinem französischen Partner, dem Naturpark Nordvogesen, das einzige grenzüberschreitende

Biosphärenreservat Deutschlands bildet.


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Die Route

Nachdem ich die Bergstraße zwischen Worms und Bad Dürkheim durchquert hatte,

führte mich der Pfälzer Weinsteig nach Neustadt an der Weinstraße. Nach diesen

18 Kilometern hatte ich weitere 24 Kilometer nach Albertsweiler, westlich von Landau

vor mir. Auf diesem Streckenabschnitt hatte ich herrliche Ausblicke auf das Hambacher

Schloss und das dahinterliegende Rheintal. Wenige

Stunden später fiel mein Handyakku aus und ich

musste den Weg ohne Karte hinab nach Albertsweiler

gehen. Auch die letzten 23 Kilometer bis nach

Dahn waren noch einmal sportlich gewesen. An der

Queich entlang wanderte ich nach Annweiler am

Trifels, um anschließend nach Wernersberg zu

laufen. Entlang typischer Sandsteinfelsen ging es

weiter durch Täler und Höhen nach Lug und nördlich von Schwanheim vorbei nach

Erfweiler. Begeistert von den Felsstrukturen, blickte ich von einem der bekanntesten

noch einmal über Dahn. Ich war begeistert vom Pfälzerwald und daher besuchten wir

ihn noch zwei weitere Male. Dann aber, um auf dem Felsenland Sagenweg zu wandern.

Er zählt zu den schönsten Wegen der Region.


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Der Pfälzerwald ruft

Juni 2021

Zunächst war mein ICE aufgrund eines Unfalls ausgefallen, doch ein kleiner Umweg über

Mannheim löste das Problem und ich stieg in eine der S-Bahnen nach Bad Dürkheim ein.

Dort angekommen machte ich mich gleich auf den Weg, um den Pfälzerwald unter die

Schuhsohlen zu nehmen.

Ich freute mich riesig, denn schon lange

möchte ich dieses Waldgebiet näher kennen

lernen. Durch die Fußgängerzone ging es

dann zunächst zum Friedhof und daran links

vorbei steil nach oben. Das erste Hinweisschild

zeigte mir, dass ich nun dem Pfälzer

Weinsteig folgen würde. Die gelb-rote

Markierung mit den gelben Weinreben

begleitete mich zunächst in den Wald hinein.

Ich bemerkte, dass nicht nur die sommerlichen

Temperaturen, sondern auch die steilen Anstiege im Pfälzerwald nicht ganz ohne

waren. Mit nassen Unterarmen und feuchter Sturn erreichte ich bald eine Lichtung,

die den Blick auf den gegenüberliegenden Höhenzug ermöglichte und eine herrliche

Sicht auf die Klosterruine Limburg freigab. Ich verweilte dort ein paar Minuten und

nahm einen kräftigen Schluck aus meiner Wasserfl asche. Ein schmaler Pfad führte

mich anschließend weiter in den Wald hinein. Dabei umgab mich bereits der angenehme

Duft der Kiefern, die diesen Wald dominieren.


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Auf dem Höhenzug angekommen, schlängelte sich

mein Pfad durch den ausgetrockneten Wald, denn

zusätzlich zu den ausbleibenden Niederschlägen steht

dieser auch noch auf sandigem Boden. Ich musste

beim gelegentlichen Blick hinauf in die Kieferkronen

sofort an die südfranzösichen kargen Wälder denken.

Auch die Grillengeräusche um mich herum trugen zu

diesem Eindruck bei. Immer wieder erschrak ich, denn

derart ausgetrocknete Böden hatte ich in einem Wald

in unseren Breiten noch nie gesehen. Der Klimawandel

lässt grüßen.


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Ausgetrocknete

Kiefernwälder prägen

die Ostabhänge des

Pfälzerwaldes.


Gelegentlich stieß ich

auf feuchte Orte, wie

hier am aufgestauten

Schwabenbach.

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130 Seite

Ich durchschritt eine Talsole mit

drei hintereinander liegenden

Fischweihern, an deren gegenüberliegenden

Seite eine tolle

Hütte stand. Hinter dem Weiher

ging es wieder bergauf und nach

etwa fünf Kilometern erreichte

ich den Weisenstein. Von diesem

Bergsattel aus führen sternförmig

sechs Straßen in alle Richtungen.

Mein Weg war der mittlere, der in

südliche Richtung führte. Dabei

blieb ich auf gleicher Höhe und lief

um den Plankenberg herum.

An diesem Weg wurden immer wieder

Ausblicke hinunter ins Rheintal

frei. Dort unten musste Wachenheim

an der Weinstraße liegen. Es

war gigantisch, denn im Gegensatz

zum heimischen Spessart sind hier

die Berge steiler, jedoch von der

Ausdehnung kleinfl ächiger, so dass

die Wälder insgesamt hügeliger erscheinen.

Die lichten Kiefern sorgten

zusätzlich für weite Ausblicke,

die sich durch den blauen Himmel

an diesem Tag noch verstärkten.

„Sagenhaft, dieser Pfälzerwald“,

dachte ich und konnte mich kaum

satt sehen. Dabei ging auf dem

Höhenzug ein leichtes Lüftchen,

das die Hitze erträglich machte.

Ruckzuck purzelten die Kilometer,

die ich zu laufen hatte, wie Flug.


Die trockenen

Kiefernwälder sind

von herausragender

Schönheit.

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Ausblicke vom Pfälzer

Weinsteig nach Osten.

Am Horizont liegt

Wachenheim an der

Weinstraße.


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Vom Rotsteiger Kopf stieg ich hinab und stand vor dem

geschlossenen Kurpfalz-Park, doch endlich nach dreizehn

gelaufenen Kilometern war ich am Zusammenfluss von

Silbertalbach und Mußbach vor einer Gaststätte, die sogar

hatte, angekommen. Die Gelegenheit nutzte ich sofort

und saß wenige Minuten später mit einem kalten Radler

im schattigen Biergarten. Anschließend kostete ich noch

ein Stück Käsesahne. Gütiger, war die lecker, das musste

sein. Nach erholsamer Rast ging es anschließend wieder

bergauf. Ich ließ die 400er Höhenlinie hinter mir und war

nun von Sandbirken umgeben. Gemütlich wanderte ich

hinüber zum höchsten Punkt meiner Tour, einem herrlichen

Aussichtspunkt, der weite Ausblicke hinab nach Neustadt

und das dahinter liegende Rheintal bot.


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Weit ins Rheintal kann

man vom 554 Meter

hohen Weinbiet aus

blicken.


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Auf dem 554 Metern hohen Weinbiet befand sich sogar

eine Gaststätte mit Sonnenterasse. Doch leider war ich

etwas in Eile, denn in einer knappen Stunde würde bereits

mein Zug in Neustadt an der Weinstraße abfahren.

So machte ich mich schweren Herzens an den Abstieg

und ließ die schöne Aussicht bereits nach wenigen Minuten

hinter mir. Nun durchquerte ich Felsformationen,

wie man sie sich für den Pfälzerwald vorstellt. Der Pfad

schlängelte sich erneut durch trockene Kieferwälder

und führte mich stetig bergab. Der trockene Waldboden

unter meinen Füßen blieb bis hinunter ins Tal mein

ständiger Wegbegleiter. Das letzte Wegstück zog sich

allerdings merklich in die Länge. Ob ich meinen Zug

noch erreichen würde?


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Weinberge über

Neustadt an der

Weinstraße.


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Endlich trat ich aus dem grünen Dach heraus und die Weinberge empfi n-

gen mich. Weit konnte ich nun über Neustadt hinwegschauen, während

mich Serpentinen stetig weiter nach unten führten. Ich tauchte zwischen

die ersten Mauern der Häuserfassaden ein. Auch zur Fußgängerzone war

es jetzt nicht mehr weit. Meinen Zug erreichte ich trotzdem nicht mehr.

Der war zehn Minuten zuvor abgefahren. Das dies aber ein schlechtes

Zeichen sein würde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich nutzte

nun die verbleibenden 90 Minuten, hielt meine Füße in einen Brunnen

und ruhte ein wenig im Schatten aus. Anschließend lief ich zurück zur

Eisdiele, die ich in der Fußgängerzone gesehen hatte und genoss mein

obligatorisches Spagettieis. Die Zeit dieser Schlussrast verging leider wie

im Flug und bald saß ich im Zug, der mich zurück nach Hause bringen

sollte. Im ICE ab Mannheim passierte es dann. Nach einer Notbremsung

auf der Strecke kam eine erschreckende Durchsage im Abteil an. Wir

hatten gerade einen Menschen überfahren und es war schon der zweite

Unfall auf der Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim an jenem Tag.

Nach einer halben Stunde erreichte uns Fahrgäste dann die ernüchternde

Botschaft „Streckensperrung bis auf unbestimmte Zeit“. Die Kripo rückte

an und uns Fahrgästen wurde ein Schienenersatzverkehr in etwa einer

Stunde in Aussicht gestellt. Ich verließ den Bahnhof von Groß-Gerau,

denn hier stoppte der Zug, und ich erwischte an der Zufahrtsstraße zum

Bahnhof dann zufällig ein Taxi, das mich nach Darmstadt fuhr.

Als ich dann 20.17 Uhr endlich in meinem letzten Anschluss Zug saß, hatte

ich einen ereignisreichen Tag hinter mir. Mit dem letzten Regionalzug

gondelte ich durch den Spessart und kam fast pünktlich zum EM Länderspiel

Deutschland - Frankreich auf der Terasse unserer Freunde an. Das

Leben geht weiter, auch nach einem solch schrecklichen Erlebnis. Noch

spät am Abend musste ich immer wieder an den Bremsvorgang denken,

der einem Menschen vor einigen Stunden das Leben gekostet hatte.


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Die Anfahrt mit der Bahn zur nächsten Etappe verlief ohne Komplikationen. In Neustadt

angekommen, wartete ich noch etwa 10 Minuten, bis der Regen aufgehört hatte, begann

anschließend zielstrebig mit meiner Wanderung und machte mich an den ersten Anstieg.

Bereits in der Waldstraße traf ich auf die erste Wandermarkierung des Pfälzer Weinsteigs,

die mir schon beim letzten Mal den Weg gezeigt hatte. Die angenehmen 20 Grad Lufttemperatur

machten es mir leicht, die ersten Höhenmeter zu erklimmen. Bald befand ich mich unter

den Bäumen und es ging in mehreren serpentinenartigen Schleifen nach oben. Am Freytag

Mausoleum orientiere ich mich kurz, denn es standen mehrere Wege zur Auswahl. Ich nahm

den mittleren, einen unbefestigten Pfad, der direkt auf den vor mir liegenden Berg auf 400

Meter Höhe hinaufführte. Auf dem Weg traf ich neben vielen Steingebilden auf Reste von

Stangenzeltgerüsten, die wahrscheinlich von Kindern zum Spielen in diesem märchenhaften

Waldstück errichtet worden waren.


Der Pfälzer Weinsteig

schlängelt sich durch

Kiefern, Birken und

einzelne Kastanien

hindurch.

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Auf dem ersten Bergrücken angekommen, zeugten

Steinwallreste von alten Befestigungswällen. Wellenförmig

ging es anschließend hinunter und gleich wieder

steil nach oben, immer durch einen märchenhaften

Wald. Die Tropfen des vor einer Stunde abgeklungenen

Regens fielen auf den Boden und ich fühlte mich wie im

Regenwald. Schöner kann man sich den Pfälzerwald

nicht vorstellen. Mehrere Wegweiser verrieten, dass ich

mich in der Nähe des Hambacher Schlosses befand.

Doch meinen Einfall, diesen Abstecher noch mitzunehmen,

verwarf ich gleich wieder, denn aufgrund der

schönen Baum- und Felsstrukturen kam ich nur

langsam vorwärts und einen zusätzlicher Umweg konnte

ich mir leider nicht leisten. Der steile Weg verzögerte

mein Fortkommen zusätzlich, doch nach einer Stunde

war ich endlich auf dem Nollenberger Kopf angekommen,

der sich mit 490 Metern über Neustadt erhebt.

Nach einer kleinen Verschnaufpause erkundete ich die

nähere Umgebung.


Märchenhaft führt der

Weinsteig auf dem

Bergrücken entlang.

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Impressionen auf dem

Weg durch den Wald.


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Ein schöner Wanderweg

durch den

Pfälzerwald, der

einiges verspricht.


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Auf dem Nollenberger Kopf traf ich auf den Stein der Weisen Zufriedenheit und ich

konnte diese Zufriedenheit in dem Moment spühren, während ich den Text las. Für einen

kurzen Moment war ich an einem Ziel angekommen und alle Strapazen waren eine

Kurze weil wie vergessen. Nicht weit von diesem Ort entfernt befand sich ein Aussichtspunkt.

Von dort aus konnte ich durch eine Baumlücke hinüber nach Westen schauen

und hinter den grünen Bergrücken des Pfälzerwaldes war erneut etwas zu entdecken.


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Aussicht vom

Nollenberger Kopf


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Nach dem „Stein der Zufriedenheit“ und den tollen

Ausblicken auf den Wald hob sich dazwischen ein

burgartiges Gebäude hervor. Es war das Hambacher

Schloss, auf das ich hinunterblickte. Erneut ließ ich

für einen Moment alle Gedanken ruhen und schaute

zum Schloss hinunter. Leider musste ich weiter und

schwenkte bald um 90 Grad nach links in einen Pfad

ein. Gleich neben dem Gipfel in Südlicher Richtung traf

ich auf eine Gedenktafel einer ehemaligen Bastion und

einen weiteren Ausblick auf das Hambacher Schloss

und ebenso auf die Rheinebene, die darunter lag.

Ein herrliches Fleckchen Erde, auf dem ich da gerade

stehe, dachte ich und bedauerte leider nicht länger

hier oben sitzen bleiben zu können. Erneut setzte ich

meinen Weg durch den Wald fort. Bald hatte ich anstatt

der Steine wieder weichen Waldboden unter meinen

Füßen. Kerzengerade verlief nun der Weg weiter in

Richtung Süden.


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Es dauerte nicht lange bis ich unterhalb des 589 Meter hohen

Zwergberges angekommen war, dessen Gipfel ich links umgehen

wollte. Der Märchenwald, der mich umgab erfreute mein grünes Herz

immer wieder mit seinen unzähligen Details, wie etwa den lila Blüten

des Fingerhutes, der hier immer wieder wächst. Etwa 25 Arten gibt

es davon in Europa und es scheint ihnen hier im Pfälzerwald sehr zu

gefallen. Plötzlich sprangen drei Rehe vor mir auf und entfernten sich

im Zickzackkurs schnell wieder aus meinem Sichtfeld. Immer wieder

musste ich meinen Fotoaparat herausholen um die vielen visuellen

Eindrücke einzufangen.


Leider können Bilder nur bedingt zeigen,

was man real erlebt. Um all dies

bestmöglichst einfangen zu können,

hätte ich mehr Zeit zur Verfügung haben

müssen. Doch das war an diesem Tag

leider nicht möglich. Für meine 24

Kilometer, die aufgrund der vielen

Höhenunterschiede in meiner App mit

knapp sieben Laufstunden angegeben

waren, musste ich mich sputen, obwohl

ich mir schon einen späteren Zug

zugestanden hatte. Nach Albersweiler,

meinem heutigen Ziel, war ja noch nicht

einmal die Hälfte geschafft.

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Während ich nun auf dem Höhenzug versuchte, meine Durchschnittsgeschwindigkeit zu

erhöhen, lenken mich die Fingerhüte ab, die gerade in voller Blüte standen und direkt am

Weg immer wieder auf sich aufmerksam machten.

Irgendwann war ich auf die Teerstraße nach Sankt Martin gestoßen, doch auf einmal verfehlte

ich meine Route und lief paralell zu dieser nach Süden weiter. In Summe war dies zum

Glück kein Umweg, doch ich musste nun häufiger navigieren was Zeit und Akku kostete.

Bald war ich jedoch wieder auf

meiner geplanten Strecke, wobei

bald darauf der Handyempfang

verschwand. Nachdem ich den

Triefenbach überquert hatte und

auf der anderen Talseite wieder

hinauf lief passierte das Unglück.

Mein Handy ging trotz noch

verfügbarer 14% Akkuladung

einfach aus. Ich erschrak und

versuche immer wieder es anzuschalten.

Nun zeigte es 0% Akku an,

obwohl es an der Powerbank

hing. „Schöne Bescherung

dachte ich, doch auf einmal

lud das Handy langsam wieder.

Bei 8% schaltete ich es gespannt

ein und ging in meine

App, Doch wo war die Karte

geblieben, ich hatte sie doch

offline verfügbar gemacht?


Der Blaue NaviPointer meldete sich auf einer

strukturlosen hellgrünen Fläche meines Handys. Kein

Empfang nach dem Neustart. Ich begann zu schwitzen,

denn ich hatte keine analoge Karte dabei. Zum

Glück befand ich mich auf einem markierten Weg,

dem „Hüttenweg“, der mich zur Landauer Hütte führen

sollte. Dort angekommen fragte ich zwei alte Männer,

die dort gerade Brotzeit machten, nach dem Weg, der

hinab nach Albersweiler führt. Peinlich war das. Doch

die Beiden halfen mir aus der Patsche, wobei ich mit

ihrer Wegbeschreibung wenig später doch nicht ganz

zufrieden war. Erneut versuchte ich meine Karte

herunterzuladen. Auf einmal funktionierte das Handy

an einer Weggabelung wieder und ich konnte

erleichtert meine geplante Route fortsetzen.

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Ich war nun vorsichtig geworden und kontrollierte

alle paar Minuten den Akkustand. Mit meinem

Handy schien wieder alles in Ordnung zu sein und

ich war wieder auf meinem Weg, der mich hinab zur

Nallo-Hütte führte, an der ich entspannt eine Pause

einlegte.

Mein Zeitfenster für die Wanderung hatte sich in

den letzten drei Stunden wieder etwas entspannt

und daher genoss ich nun den Apfel aus meinem

Rucksack, nachdem ich einen kräftigen

Schluck aus der Wasserfl asche genommen hatte.

Anschließend richtete ich meine Socken, schnürte

die Schuhe neu und schon ging es wieder weiter,

überwiegend bergab. Ich querte den Modenbach

und lief anschließend wieder bergan hinauf zum

Dreimärker. Dabei bemerkte ich, dass sich während

den letzten Kilometern immer mehr Laubwald unter

die Kiefern gemischt hatte.


Knorrige Kiefern und

urige Eichen säumen

den Weg durch den

nördlichen Pfälzerwald.

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Meine Wanderung hatte mich mit ihren 1.700 Höhenmetern

bergauf und den 1.400 Höhenmeter bergab ganz

schön gefordert. Doch als ich am Orensberg ankam,

ging es nur noch bergab. Zuletzt führte mich mein Weg

durch vogelreiche Heckenzüge bis an den Steinbruch von

Albersweiler heran und ich schaute nach Annweiler am

Trifels hinüber. Dort sah ich die Burg Trifels zum ersten

Mal, wie sie sich hoch über dem Tal erhebt. Nun waren

wieder die steilen Waldberge deutlich zu erkennen, die

sich doch gravierend vom Spessart oder vom Odenwald

unterscheiden.

Während ich in Albersweiler zum Bahnhof joggte, was

nach dieser anstrengenden Tour gar nicht so einfach war,

freute ich mich bereits auf die nächste Etappe, die mich in

die Tiefen des südlichen Pfälzer Waldes führen wird.


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Eine Woche später war ich zurück in der Pfalz und ich

konnte es kaum glauben, denn dieses Mal war nur eine

Gleisänderung bei der Bahnanfahrt fehlerhaft und ich

kam somit tiefenentspannt in Albersweiler an. Aus dem

Zug heraus hatte ich noch schnell ein Bild vom Hambacher

Schloss gemacht, das ich auf der letzten Etappe

bereits von oben betrachtet hatte. Dort fand 1832 das

Hambacher Fest, in der damals noch zum Königreich

Bayern gehorigen Rheinpfalz statt. Es war eines von

vielen Bekundungen, mit dem Ziel, eine Durchführung

von Wahlen zu einer verfassungsgebenden deutschen

Nationalversammlung zu erreichen, was letztendlich am

18. Mai 1848 in der Paulskirche in Frankfurt am Main

gelang.

Für diesen Tag hatte ich laut Tourenvorschlag meiner

App 23 Kilometer zu bewältigen. Auch die Höhenmeter

waren nur geringfügig weniger als vergangene Woche. Daher war mein Entschluss, bereits den Sechsuhr-Zug

zu nehmen, goldrichtig gewesen. Nun ging es bei herrlichstem Wetter und stahlendblauem Himmel endlich los.

Ich wanderte durch das Tal zunächst nach Annweiler am Trifels. Dem Wetter sei dank, verging die erste Stunde

wie im Flug. Links oben thronte die Burg Trifels mit ihrem wuchtigen Palast über dem Tal, während ich Annweiler

erreichte. Nun lief ich durch die Stadt mit ihren knapp 7.000 Einwohnern, die sich auch als Stauferstadt bezeichnet.

Der Grund hierfür ist eine spannende Geschichte, die in Kurzfassung folgendermaßen lautet:

In den Jahren 1125 bis 1298 wurden auf der Reichsburg Trifels die Reichskleinodien, darunter auch die Reichskrone,

aufbewahrt. Möglicherweise war um 1194 der englische König Richard Löwenherz für ein Jahr als Gefangener

auf dem Trifels. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf stieg ich nun einen schönen Waldweg im Schatten bergan. Unter

mir breitete sich wieder einer dieser weichen Böden aus, die ich schon auf den letzten Etappen im Pfälzer Wald

bewundert hatte. Es ging dabei schräg am Berg entlang und gerinfügig bergauf, wobei immer wieder Ausblicke auf

die umliegenden Kuppen des Pfälzer Waldes und vor allem auf die Burg Trifels möglich waren.

Die immer wieder auftauchenden Sandsteinsäulen gefi elen mir besonders gut, denn sie ragten nun immer öfter aus

dem Blätterdach heraus. Sie sind es, die den Pfälzerwald in seiner Einzigartigkeit hervorheben. Ich war von der

Gegend von Anfang an begeistert.


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Beim Blick auf den Boden konnte ich ebenso eine große Vertrautheit spüren, denn

der Sandsteinboden und der Bewuchs unterschied sich vom Spessart aus meiner

Sicht nicht im geringsten. Biologen mögen mir dies verzeihen, aber ich fühlte mich

quasi wie zu Hause und war zusätzlich auch noch gut in der Zeit. Nach weiteren 45

Minuten erreichte ich Wernersberg. Mit großen Schritten trat ich aus dem Wald heraus

und durchquerte den Ort. Anschließend folgte ich dem Pfälzer Keschteweg und

hatte erneut eine Felsnadel im Blick, bevor es wieder in den Wald hineinging.

Bis nach Lug breitete sich das Blätterdach schützend über mir aus. Etwa einen Kilometer

vor dem Ort erkannte ich am Boden weißen Schwerspat. Die Ähnlichkeit des

Bodens mit dem im Spessart war schon erstaunlich.


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Nach der Überquerung der Bundesstraße ging es nun

ein Stückchen den Rimbach entlang und wenig später

wieder hinein in den Wald.

Bald führte ein Pfad schräg hinauf, wobei ich Schwanheim

unter mir sah. Doch die Schönheiten am Weg

lenkten mich zunehmend ab. Hohe Sandsteinformationen,

die vorher aus weiter Ferne grüßten, lagen nun

direkt neben meinem Weg.


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Der Weg war so schön, dass ich die Zeit ganz vergaß.

Mit einer ungewöhnlichen Leichtigkeit erreichte ich das

Wanderheim zur Dicken Eiche.


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Den Gastbetrieb am Wanderheim zur Dicken Eiche

hörte ich bereits von weitem und das ließ ich mir

natürlich nicht entgehen. Es war seit Corona schwierig,

ab und an einkehren zu können. Ich nutzte deshalb die

Gelegenheit und ließ mir eine Bratwurst mit Kraut gut

schmecken. Nach einem Radler und einem Hinweisschild

„Dahn sieben Kilometer“ ging es nun mit gut

gefülltem Bauch sanft bergab.


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Ein hoher Zwillingsfelsen war wenig später ein weiteres

Highlight auf meinem Weg nach Dahn und mir kam das

Elbsandstein sofort in den Sinn. Nein, vor der Sächsischen

Schweiz braucht sich der Pfälzerwald wahrlich

nicht verstecken, denn diese beiden Brocken waren

echt die Wucht. Gute 20 Meter hoch ragten die „Glasfelsen“

aus den Baumkrohnen hinaus. Auch auf der gegenüberliegenden

Seite der Grünbrunnenwiesen erhob

sich ein weiteres Sandsteingebilde aus den Bäumen.

Einfach sagenhaft. Kein Wunder, dass rund um Dahn

der Felsenland Sagenweg überregionale Bekanntheit

genießt. Ihn wollte ich daher unbedingt noch erwandern,

das war mein Ziel für den Herbst gewesen.


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Doch zunächst einmal war es anfang Juli und hinter

Erfweiler begann der eigentliche Höhepunkt meiner

Tagesetappe. Denn auf dem Höhenzug zwischen

dem Lachberg und dem Vogelsberg reihten sich weitere

Sandsteintürme aneinander. Gleichzeitig konnte

ich immer wieder auf die Altdahner Burgengruppe

hinüberschauen.


Beim Blick auf die Altdahner Burgengruppe

bedauerte ich zum ersten Mal, dass ich

kein Teleobjektiv dabei hatte. Doch trotzdem

war ich bald um viele Eindrücke und

einige Fotos reicher.

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Aussicht vom Lachbergblick.


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Endlich, nach einer langen Wanderung trat ich aus

dem Wald heraus und der Jungfernsprung ragte

direkt vor mir in die Höhe. Er ist der markanteste

Felsen in Dahn und er beeidruckte mich noch ein

letztes Mal.

Erschöpft erreichte ich im Laufschritt glücklicherweise

doch noch meinen Zug. Als ich vom Abteil zurück

auf den Jungfernsprung schaute, war mir eines klar.

Hier war ich nicht zum letzten Mal gewesen.


168 Seite

Felsenland Sagenweg

Oktober 2021

Gute drei Monate später war es wieder so weit und wir waren echte Glückspilze gewesen,

denn mit der Ankunft im Dahner Felsenland hatte sich auch die Sonne gegen den herbstlichen

Nebel durchgesetzt. Nach einem ausgiebigen Frühstück im Landgasthaus Frauenstein waren wir

an den Dahner Bahnhof gefahren und hatten dort unser Fahrzeug geparkt.

Beim Aussteigen zeigte sich dann auch gleich das

Felsmassiv des Jungfernsprungs in seiner ganzen

Pracht. Wir wanderten über die Wieslauter Bach auf die

andere Seite des Tals und tauchten direkt unter dem

Sängerfelsen in den Wald ein.

Serpentinenartig schlängelte sich unser schmaler Pfad

nach oben und schon nach wenigen Minuten standen

wir auf dem Sängerfelsen. Dort angekommen, genossen

wir die Morgensonne und den ersten Ausblick über

den Pfälzerwald. Dieses Mal waren Kerstin und unsere

Freunde Steffi und Kai mit dabei und natürlich Max

unser Vierbeiner. Max, ein schwarzer lieber Labrador,

freute sich über die schönen Pfade, die nun unter unseren

Füßen bzw. Pfoten zu spührten waren und nach

den ersten Eindrücken waren wir uns alle sicher, dass

dies eine besondere Wanderung werden würde.


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Vom Sängerfelsen aus kann man über Dahn und den

herbstlichen Pfälzerwald schauen.


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Sanft schlängelte sich unser Weg anschließend

über die Hügel durch den

herbstlichen Wald. Unser nächstes

Ziel war die Ruine Neudahn. Auf dem

Weg dorthin kamen wir am Hexenpilz

und am Satansbrocken vorbei. Wir

tauchten somit gedanklich immer weiter

in die Sagenwelt der Dahner Felsenlandschaft

ein, was zum schönen

Wetter durchaus passte. So hüllten

die Sonnenstrahlen am Hexenpilz das

Sandsteingebilde in ein mystisches

Licht. Motiviert erreichten wir bald

die Ruine Neudahn und stiegen dort

angekommen die Treppenstufen im

Inneren des Turmes empor.

Oben angekommen, standen wir auf

einer Aussichtsplattform hoch über

dem Wieslauter Tal und genossen

die weite Aussicht über die Bäume

bis hinüber zu den Hügeln des umliegenden

Pfälzerwaldes. Nach ein paar

Bildern ging es wieder bergab zum

nächsten Höhepunkt, dem Dahner

Felsentor. Der Weg führte geradewegs

auf die Felsformation zu und

durch ein großes Loch hindurch. Mit

großen Augen schweifte unser Blick

nach oben, als wir genau in der Mitte

unter dem Felsen standen, und ich

fühlte mich für einen Moment wie in

einem realen Märchenland.


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Das Dahner Felsentor ist wie die Granitblöcke im

Fichtelgebirge oder den Sandsteinfelsen der sächsischen

Schweiz faszinierend und eben so schön wie

die Felsstrukturen im Südwesten der USA. Zwar sind

sie hier hicht ganz so groß, jedoch wächst im Gegensatz

zum Südwesten bei uns ein vielfältiger Wald.


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Seenlandschaft mitten im

Wald. Man fühlt sich hier wie

in Kanada.


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Wir wanderten schließlich weiter und kamen bis zur

Talsole. Dort angekommen bogen wir scharf nach links

ab und erreichten den Neudahner Weiher.

Die Wegmarkierung führte uns anschließend durch das

idyllische Moosbachtal hinaus zum Ederswoog, einer

moorigen Landschaft, die an eine kanadische Wildnis

erinnert. Die herbstlichen Farben umrahmen die schönen

Eindrücke der Seenlandschaft, die zusätzlich von

unzähligen Grashügeln umrahmt wurde. Das Tal bildete

einen Kontrast zu den Steinformationen im Dahner

Felsenland. Wir verließen das Moosbachtal wieder und

folgten anschließend dem Seibersbach, den wir bald

überqueren mussten.

Anschließend befanden wir uns auf der Zufahrtstraße

zur Dahner PWV-Hütte. Dort auf dem Parkplatz

angekommen, war es dann erst einmal mit der Ruhe

vorbei. Viele Besucher nutzten die Zufahrtstraße, die

nahe an die Hütte heranführt und dementsprechend voll

waren auch die Sitzplätze an der Hütte. Wir entschlossen

uns direkt weiter zu laufen, stiegen erneut hinunter

ins Moosbachtal ab und fanden dort am Kühwog eine

schöne Bank in der Sonne. „Das passt“, sagten alle.

Wir nahmen die Rucksäcke ab und machten es uns

gemütlich. Schlagartig gingen alle Mundwinkel nach

oben, denn die ersten Hinweise auf eine Pause waren

bereits eine halbe Stunde alt. Auch Max tänzelte um die

Brotzeitboxen herum, denn Hunde nehmen den Geruch

von frischer Wurst und von Käse besonders intensiv

wahr. Wir teilten unser Vesper brüderlich auf, sodass

am Ende wirklich „jeder“ etwas abbekam.


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Immer wieder stießen wir im

Wald auf Sandsteinformationen.

Wer ihrer Geschichte auf

den Grund gehen will, sollte

den Geopfad Fladensteine bei

Budenthal besuchen.


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Frisch gestärkt ging es

nach der Brotzeit weiter

über den Steinhohl zum

Campingplatz Felsland,

der ein Paradies besonders

für junge Familien

mit Kindern darstellt.

Der Anstieg davor war

noch einmal knackig gewesen.

Wir stiegen über

ausladende Baumwurzeln

hinweg und genossen

dabei den Sonnenschein,

der durch die Baumwipfel

bis hinunter auf den

Boden vordrang.

Oben angekommen liefen

wir auf leichten Sohlen

über den herrlich sandigen

Waldboden mitten

durch den sonnendurchfl

uteten Wald.


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Am Campingplatz Felsland angekommen,

blickten wir begeistert auf

die Sandsteinpilze, die sich um das

Feriendorf reihten. Pfaffenfelsen und

Wachtfelsen begleiteten uns anschließend

auf dem weiteren Weg hinunter

nach Dahn.


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Als wir den Ort erreicht hatten, mussten wir uns an der

Marktstraße durch einen turbulenten Verkehr kämpfen.

Erleichtert bogen wir in die Schulstraße ein und

erreichten über dem Friedhof wieder den Wald. Steil

ging es nun hinauf zum Vogelsberg und hinüber zum

Jungfernsprung. Der Weg durch die Felsen war noch

einmal abwechslungsreich und spannend.


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Letzter Anstieg zum

Jungfernsprung


180 Seite

Am Tagesziel angekommen.


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Der Jungfernsprung ist nicht nur etwas für Schwindelfreie.

Auch weniger Geübte kommen auf dem

Weg zum Aussichtspunkt voll auf ihre Kosten. Vom

Jungfernsprung aus schweiften unsere Blicke noch

einmal hinunter ins Wieslauter Tal und wir genossen

die abendliche Sonne vom Gipfelplateau aus.

Der Rückweg zum Auto am Dahner Bahnhof ist

anschließend nur noch Formsache, der abschließende

Besuch im Cafe Zürn in Hinterweidental

jedoch Pfl icht. Der Teufelstisch allerdings muss leider

noch warten. Ihn sollten wir an diesen beiden

Tagen nicht mehr schaffen. Mit unserem ersten

Herbstwandertag waren wir trotzdem mehr als zufrieden,

denn schöner hätte der Tag nicht sein können.

Trotz allem freuten wir uns auf der Rückfahrt

bereits im Auto über das Abendessen.


184 Seite

Der nächste Morgen begann erneut mit zähem Nebel,

doch für den Tag versprach die Wetterapp ein weiteres

Mal Sonnenschein. Ich besuchte daher zunächst die

Nutrias, die hinter unserer Pension den Uferbereich

eines kleinen Gewässers bewohnten und fotografi erte

die trolligen Kerle ein wenig.

Anschließend fuhren wir nach Reichenbach, das etwa

drei Kilometer hinter Dahn liegt. Unser Weg führte uns

zunächst durch ein Tal und anschließend über eine

Schleife hinauf auf den Hochstein. Bereits der Zustieg

war spannend gewesen, aber vor allem steil. Oben

angekommen waren wir überwältigt von der Aussicht.

Zunächst stießen wir auf ein großes Loch im Felsen.

Orte mit solch einem Weitblick wie hier vom Hochstein

aus, findet man nicht oft. Wir setzten ihn kurzerhand mit

großen Namen wie „Deadhorse point“ im Südwesten

der USA gleich, was durchaus ernst gemeint ist. Durch

das Loch blickend, sahen wir in die Ferne. Dort am

Horizont muss Frankreich liegen, etwa zehn Kilometer

südlich von diesem Aussichtspunkt aus.


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186 Seite

Aussichtsberg

Hochstein


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Nicht weit hinter unserem „Steinfenster“ stießen wir

auf einen Ort, der nicht schöner hätte sein können. Bei

strahlender Sonne beschlossen wir jetzt schon ein kleines

Vesper abzuhalten. Orte mit solch einem Rundumblick

wie hier vom Hochstein aus, findet man nicht oft.

Wir packten unsere Brote aus und ließen unsere Blicke

über den unter uns liegenden Pfälzersald schweifen.

Dabei träumten wir ein wenig vor uns hin und hätten

hier gerne noch mehr Zeit verbracht. Noch einen kräftigen

Schluck aus der Flasche und ein letzter Blick hinaus

in die Ferne. „Los wir gehen“, meinte ich, denn vor

uns lag noch eine ereignisreiche Wanderung. Vor allem

hatten wir noch weitere schöne Ziele, die wir erwandern

wollten. Gut gelaunt räumten wir unsere sieben Sachen

zusammen und verließen diesen traumhaften Ort.


188 Seite

Stetig auf und ab ging es nun bis hinüber zu drei hintereinander

liegenden Burgen. Auf einem großen mehrteiligen

Felsplateau sahen wir bald die Burgen Tanstein,

Grafendahn und Altdahn vor uns. Anschließend stiegen

wir durch die Ruinen von Grafendahn nach oben.

Der Ausblick auf Altdahn von dort oben war erneut

spektakulär, vor allem das Zusammenspiel der weinroten

und gelben Herbstfarben, die mit den Sandsteinmauern

einen guten Kontrast bildeten, begeisterte uns.


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Ausblick von Altdahn

auf Wald

und Burg.


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Was sich die Burgherren wohl gedacht haben mögen,

wenn sie auf ihre Ländereien herunterschauten? Der

Ausblick war damals sicher der gleiche gewesen. Wir

versanken noch eine Weile in geschichtlichen Gedanken,

redeten über Holzöfen und Heizkamine in den

mittelalterlichen Gemächern, aber auch über die vielen

Beschwerden wie etwa Rheuma, das die Menschen in

den zugigen Gemäuern geplagt haben dürfte.

Doch insgesamt können wir uns diese beschwerliche

Zeit nicht annähernd vorstellen. Zahnschmerzen,

Colera, Eiterherde und kein Antibiotika. Die Lust auf

das Leben auf einer solchen Burg in der damaligen Zeit

verfl og beim Nachdenken schnell. Genau so wie die

Türme, die hinter uns im dichten Wald bald nicht mehr

zu sehen waren.


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Der Wald hatte uns wieder und er verzauberte durch

seine Farben und die Sonnenstrahlen, die schräg durch

das Blätterdach hindurchschienen.

In Erfweiler angekommen, hatte uns die Zivilisation

wieder, doch nur kurz war unser Weg durch den Ort.

Schnell waren wir wieder auf dem Felsensand Sagenweg

und folgten ihm weiter. Am gegenüberliegenden

Talhang stieg der Weg serpentienenartig und steil nach

oben. Wir ließen den Felslandblick aus, der rechts von

uns lag, und wanderten weiter hinauf zum Dorfblick.

„Wow, nicht schlecht“ erwähnte ich. Was wir von hier

oben sahen, war die Hauensteiner Straße von Dahn in

ihrer ganzen Länge. Erneut rasteten wir, doch dann

bemerkte Kai, dass seine Umhängetasche samt Handy

fehlte. „Mist, wo hatte ich das Handy zuletzt gebraucht“,

fragte er.


192 Seite

Sofort startete in unseren Köpfen eine Art Notprogramm, denn die Ereignisse der

letzten Stunden wurden nun im Schnelldurchlauf zurückgespult. Wir gingen alle Rastplätze

und Trinkpausen nach und nach durch. Währenddessen hörten zwei Wanderer

mit, die sich gegenüber unserer Bank niedergelassen hatten. Sie informierten uns

darüber, dass sie ja weiter nach Erfweiler müssten, dies war der Ort, von dem wir

gerade hergekommen waren. Wir dankten den Beiden, doch insgeheim sahen wir

uns bereits im Dunkeln auf den Altdahner Ruinen herumsuchen und überlegten, wie

wir uns dabei am Besten aufteilen sollten. Das Problem war ja nicht das physische

Handy selbst, sondern die vielen Kontaktdaten und Bilder, naja, jeder kennt das.

Um die Geschichte etwas zu verkürzen nur soviel: Die beiden Wanderer fanden doch

tatsächlich das Handy in Erfweiler an einer Treppe und riefen mit diesem die letzte

gewählte Nummer an. Es war die Mutter von Steffi gewesen. Der Rest ist schnell

erzählt. Wir eilten zurück, trafen die Beiden und das Handy wurde übergeben. Bei

Kai machte sich große Erleichterung breit. Jetzt lachte er wieder und wir konnten

nach diesem Schock unsere Wanderung wie geplant fortsetzen. Noch einmal ging

es hoch auf den Kahlenberg hinauf und weiter bis vor zum Wasgaublick. Ein letztes

Mal genossen wir den Pfälzerwald von oben, auch wenn das Wetter nicht mehr ganz

so toll gewesen war. Die letzten Kilometer zurück nach Reichenbach waren dann nur

noch Formsache. Durch uns allen war klar, dass ein weiterer Besuch dieser schönen

Gegend für das nächste Jahr fest eingeplant werden würde.


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So ein Jahr vergeht ja bekanntlich schnell und so waren

wir im folgenden Herbst wieder hier. Dieses Mal hatten

wir als Bleibe den Ferienbahnhof Reichenbach gewählt.

Dort kann man nicht nur vorzüglich essen, sondern in

den Waggons auch bequem schlafen.

Das Ulkige war, dass ein kleiner Felskopf oben auf der

gleichnamigen Burg das selbe Aussehen hatte, wie

der ganze Fels von weitem. Die Aussicht war auch dort

atemberaubend schön. Uns zog es jedoch weiter in östlicher

Richtung am Weißensteinerhof vorbei und durch

das Fehrental bis nach Erlenbach. Dort war die Burg

über dem Ort ein schöner Blickfang, doch wir wollten

wieder hinauf in den Wald.

Unsere erste Wanderung war wieder ein Rundkurs gewesen,

denn dies ist für die Zu- und Abfahrt am tauglichsten.

Zunächst führte unsere Route durch das Geiersteinbachtal

und hinauf zum Drachenfels. Schon von weitem kann

man diese außergewöhnliche Erhebung erkennen.


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Wir wanderten am Kirchenbusch vorbei und konnten über eine Lichtung zum Heidenberg

hinüberschauen. Anschließend ging es angenehm auf gleicher Höhe um den Jüngstberg herum,

bis wir auf eine einladende Bank trafen. Von dort aus sahen wir den Dickenberg, der sich vor

Reichenbach erhebt. Eine einsame Kiefer erhob sich unmittelbar vor unserer Bank und bildete

einen schönen Blickfang vor dem bewaldeten Tal, das direkt vor uns lag.


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Auf dem weiteren Weg bergab erreichten wir Ungerteich,

eine kleine Lichtung die vor einem riesigen

Sandsteinfelsen lag. Mehrere einladende Kletterrouten

führten dort hinauf und es juckte mich ganz schön in

den Fingern. Doch die Erfahrung im Frühjahr, bei einer

Wanderung auf dem Rheinsteig, bei der ich nach einer

kurzen Kletterpartie mit einem Bänderriss ausgefallen

war, lehrte mich, bei Wanderungen besser auf kurze

Klettereinlagen zu verzichten. Guter Dinge liefen wir

daher vom Felsen an unseren Parkplatz zurück.

Am nächsten Morgen stand dann die wohl schönste Wanderung

an, die ich bisher im Pfälzerwald genießen durfte.

Sie war ebenso wie die am Vortag etwa 15 Kilometer lang,

wobei 600 Höhenmeter im Auf- und das gleiche noch

einmal im Abstieg bewältigt werden mussten. Wir nannten

diese Route den Franzosenschlenker, da ein gutes Stück

der Strecke auf französischem Boden zurückgelegt werden

musste. Zunächst führte unser schmaler Pfad schräg

hinauf zum Schwobberg auf 524 Meter Höhe. Durch die

schräg einfallenden Sonnenstrahlen wurde der Aufstieg

dabei zum Genuss. Kai war vor Begeisterung gar nicht

mehr zu bremsen. Oben angekommen wurden wir vom

ersten Sandsteingebilde empfangen.


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Nach einer kurzen Pause und einigen

Bildern später ging es hinab auf einen

Bergsattel, der zwischen dem Schwobberg

und dem Kuhnenkopf lag. Hinter einer

Schutzhütte führte uns der Pfad erneut

bergan und direkt an einem meiner bisher

schönsten Plätze im Pfälzerwald vorbei.


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Sonne, Wald und

Felsstrukturen, ein Platz

zum Träumen.


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Hinter dem Kuhnenkopf beeindruckte uns 20 Minuten

später eine weitere Felsformation. Sie befand sich noch

vor dem Aufstieg zum Sindelsberg und ein weiteres Mal

waren Serpentinen zu meistern.


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Über Sandsteinstufen

ging es hinauf auf den

Sindelsberg zur Wegelnburg.


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Die Wegelnburg liegt auf

571 Metern Höhe und

ist damit die höchstgelegene

Burg der Pfalz mit

herrlicher Aussicht auf

den Wasgau.


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Nach dem Sindelsberg führte uns der Wanderweg hinab

zum Kaiser-Wilhelm-Stein. Hinter der gleichnamigen

Schutzhütte erreichten wir die Grenze zu Frankreich,

die mit einem Sandstein gekennzeichnet ist. Doch das

Auf und Ab nahm kein Ende.

Nun lag der Schlossberg mit seinen 551 Metern

Höhe vor uns und gleich dahinter der Abstecher zum

Krappenfelsen. Die Aussichtspunkte übertrafen sich

immer wieder aufs Neue, zusätzlich war uns der

Wettergott gut gesonnen, denn der Himmel leuchtete in

einem strahlenden blau hinter dem gelbgrünen Blättern

des Herbstes hervor, wie es schöner nicht sein konnte.

Durch kurze Trinkpausen aufgelockert, wanderten wir

immer weiter in den Pfälzerwald hinein.


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Die Hohenburg auf dem

Schlossberg war unser

nächstes Ziel. Auf dem

Aussichtsfelsen erleichterte

eine beschriftete

Steintafel die Zuordnung

der umliegenden Berge.


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Hinter dem Krappenfelsen ging es stetig bergab.

Eine weitläufi ge spitze Bergzunge bescherte uns

noch ein letztes Mal felsige Eindrücke und eine

weitere Burganlage, danach tauchten wir in einen

Abschnitt mit standhaften Buchen und knorrigen

Eichen ein, wobei es stetig bergab ging.


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Abstieg vom Schlossberg

nach Hirschthal.


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Bald überquerten wir kurz vor Hirschthal die Grenze nach

Deutschland. Nun mussten wir nur noch den Saarbach entlanglaufen.

Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden und

müde, aber zufrieden erreichten wir Schönau, den Ausgangspunkt

unseres Franzosenschlenkers.


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Am nächsten Tag fuhren wir wieder nach Schönau,

doch dieses Mal wanderten wir nicht nach Westen,

sondern in östlicher Richtung zunächst am Wenglesbach

entlang und dahinter schräg am Lindelsberg

empor.

Unsere Route führte jedoch nicht zum Gipfel hinauf,

sondern östlich unter dem Bergrücken vorbei nach

Süden, wobei der schöne Pfad immer wieder seine

Farben und Formen wechselte. Schon oft hatten wir uns

darüber gewundert, dass die Wanderwege in der Pfalz

gegenüber dem Spessart oft schöner, vor allem aber

weniger schotterweglastig beschaffen sind.


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Nachdem wir die 400

Höhenmeterlinie überschritten

hatten, wurde

der Wald lichter und

wir konnten zwischen

hohen Buchenstämmen

hinunter nach Wenglesbach

schauen. Zwischen

dem Götzenberg

und den Ausläufern des

Lindelsberges trafen

wir erneut auf einen

Sandstein-Felssattel,

der von der Beschaffenheit

dem Gestrigen

Abstieg ähnlich war.


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Auf unserer Rundwanderung

um den Ort Wenglesbach

trafen wir auf erstaunliche

Sandsteingebilde.


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Immer wieder wurden wir

von sagenhaften Felsstrukutren

überrascht, die sich

zwischen den Baumstämmen

dem Wanderer zeigen.


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Wie an einer Perlenschnur reihten sich die Sandsteinfelsen

aneinander, einige konnten wir über Leitern

besteigen, andere waren nur von unten aus anzuschauen.

So reihten sich die Eindrücke unserer Wanderung in

unseren Köpfen aneinander, während sich die Speicherkarte

füllte.


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Noch ein letztes Mal kletterten wir auf eine Ruine und

genossen von den Mauerresten aus herrliche Panoramablicke

auf den Pfälzerwald, doch unsere Zeit auf

dem Felsenland Sagenweg schwand dahin. Schweren

Herzens traten wir nach unserer Abschlussrast das

letzte Wegstück hinunter nach Schönau an. „Aber heute

wollen wir den Teufelstisch endliche sehen“, brachte

Kai fordernd ins Gespräch ein. „Ja das machen wir“, war

der gemeinsame Tenor. So fuhren wir noch ein letztes

Stück nach Hinterweidenthal, um den wohl bekanntesten

Felsen in der Pfalz, den Teufelstisch zu besuchen,

der zwischen Handschuhkopf und Etschberg in einem

Sattel zwischen den Bäumen nach oben ragt.


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Am Teufelstisch im

Pfälzerwald.


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Wie ist es um den Pfälzerwald bestellt?

„Dem Wald in Rheinland-Pfalz geht es schlecht. Nur noch zwei von zehn Bäumen gelten als gesund.

Obwohl es in diesem Jahr im Vergleich zu den drei vorausgegangenen Dürrejahren verhältnismäßig viel geregnet

hat, hat sich der Zustand kaum verbessert“. So lautet das Fazit des Waldzustandsberichtes 2021, den

Klimaschutzministerin Katrin Eder von den Grünen am 20.12.2021 vorgestellt hat. Untersucht wurde unter

anderem, wie licht die Baumkronen sind, wie viele Blätter verfärbt sind und wie stark der Schädlingsfraß ist.

Eichen, Buchen und Fichten geht es besonders schlecht

Gerade um die Buchen, von denen nur noch acht Prozent als wirklich gesund gelten, sind die Sorgen

groß. Denn diese Baumart gilt als eine der wichtigsten und hat in Rheinland-Pfalz eines ihrer natürlichen

Verbreitungsgebiete. Dass von ihr so viele Bäume geschädigt sind, macht Fachleuten große Sorgen, so

Hans-Werner Schröck, stellvertretender Leiter der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft.

Allerdings sehe die jüngere Buchengeneration deutlich besser aus als die älteren Bäume. Das mache

Hoffnung, dass sich die jungen Bäume besser an die veränderten Umstände anpassen können. Eine Verjüngung

der Baumbestände sei deshalb bei der Buche ein Ziel.

Noch nie waren so viele Bäume tot

In Rheinland-Pfalz werden nur noch acht Prozent der Buchen und sieben Prozent der Eichen als gesund

eingestuft. „Diese Daten sind ein Hilferuf der Wälder für mehr Klimaschutz“, sagte Klimaschutzministerin

Katrin Eder von den Grünen. Der Anteil geschädigter Bäume in einer landesweiten Stichprobe von 3.700

Bäumen sank von 84 auf 82 Prozent. Vor den Jahren von 2018 bis 2020 waren es erst 73 Prozent. Aktuell

gelten 6,1 Prozent der Bäume in Rheinland-Pfalz als tot oder als akut gefährdet, in Kürze abzusterben.

Das sind drei Mal so viele wie noch 2017. Bei der Fichte waren es sogar elf Prozent. Wälder, die überleben

sollen, müssen nach Eders Worten naturnah bewirtschaftet werden. Die Zukunft seien Mischwälder und

mehr klimaresistente Arten. Mischwälder seien deshalb im Vorteil, weil Schädlinge meistens nur an eine Art

gingen. Momentan sei es aber noch ein Prozess herauszufinden, wie den Wäldern geholfen werden könne,

so Hans-Werner Schröck.

Was sind die Gründe?

Die Wälder litten massiv unter dem Klimawandel, betonte Eder, aber auch Luftschadstoffe seien weiterhin ein

Problem. Diese sorgten immer noch dafür, dass die Böden in zahlreichen Waldgebieten übersäuert seien;

Nährstoffe ließen sich dann nur noch schlecht lösen. Auch Schädlinge seien nach wie vor ein großes Thema.

Ein alter Bekannter ist der Borkenkäfer, der laut Eder nach wie vor vielen Bäumen, aber besonders der Fichte

zusetzt. Andere Bäume würden durch eingeschleppte invasive Arten bedroht. So schädige ein aus Ostasien

eingeschleppter Pilz, das „falsche weiße Stängelbecherchen“ seit einigen Jahren die Esche ganz massiv.

Aus der Sendung vom Mo., 20.12.2021 19:30 Uhr, SWR Aktuell Rheinland-Pfalz, SWR Fernsehen RP


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Der Rhein und seine Auen


Der Rhein ist eine der großen Lebensadern in Deutschland. Sein Einflussgebiet reicht vom

Bodensee im Süden bis an die Grenze zu den Niederlanden im Norden. Zusammen mit den

Anrainerstaaten Schweiz und den Niederlanden umfasst das Einzugsgebiet des Flusses

218.300 km². Das Quellgebiet des Rheins liegt allerdings in den Schweizer Alpen. Nach dem

Zusammenfl uss der beiden Hauptquelläste fließt er in den Bodensee. Ab Basel spricht man

vom Oberrhein, ab Bingen vom Mittelrhein und ab Bonn vom Niederrhein. In den Niederlanden

teilt sich der Fluss in drei Mündungsarme des Deltarheins auf, bevor er in die Nordsee mündet.

Die im Buch beschriebenen Touren befinden sich am Oberrhein.

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Zwischen dem kanalisierten Rhein-Hauptkanal und den landwirtschaftlichen Monokulturen der

Oberrheinebene ist ein schmaler Landstrich mit unzähligen Altrheinarmen und urigen Auwäldern

erhalten geblieben. Dieses wasserreiche Gebiet vermittelt auch heute

noch den ursprünglichen Charakter einer Flussaue. Dies hatte zur

Folge, dass der Oberrhein im Jahr 2008 die Auszeichnung als

„grenzüberschreitendes Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung“

gemäß der Ramsar-Konvention erhalten hat. Das Ramsar-Gebiet

umfasst seither insgesamt etwa 48.000 Hektar auf deutscher und

französischer Seite. Es erstreckt sich auf 190 km Länge von Weil am

Rhein bis Karlsruhe und beinhaltet 17 verschiedene FFH-Lebensraumtypen.

Manche der Gebiete entlang des Oberrheins haben nahezu einen Urwald-Charakter.


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Große Weiden und

Birken säumen die

Uferbereiche des

Rheins. Auf Deichsystemen

führt der

Radweg kilometerlang

am Fluss

entlang.


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Die Route

Die Deiche am Oberrhein wurden zusammen mit einem riesigen Pegelausgleichssystem

realisiert. Eine gigantische Ingenieursleistung, die

im Zuge der Rheinbegradigung durch Gottfried Tulla 1809 geplant und

bis 1867 auf nahezu 360 Kilometern Länge realisiert wurde. Erst vor

Ort und entlang meiner 260 Kilometer langen Fahrt wird für mich dieses

Megaprojekt einigermaßen fassbar, wobei die Flussbreite am

Oberrhein von Tulla auf exakt 240 Meter festgelegt wurde.

Drei Tage war ich im Oktober 2020 unterwegs. Auf meiner Radtour

erlebte ich nicht nur weite Flusslandschaften, rechts und links traf ich

ebenso auf Auen, die ich in dieser Dimension noch nie vorher gesehen

hatte. Schnell war mir klar, dass ich diese Urlandschaften näher

kennen lernen wollte und so war bald eine neue Idee geboren. Diese

Auen musste ich unbedingt mit dem Boot unter die Lupe nehmen.


224 Seite

Von Breisach nach Worms

Oktober 2020

Nach einer einstündigen Verzögerung bei der Bahnanfahrt verließ ich bei herrlichstem Wetter den

Bahnhof von Breisach und steuerte geradewegs in Richtung Rhein hinüber. Am Dom machte ich

noch schnell einen Schnappschuss von mir und dem Fluss, der mich für die nächsten drei Tage

fesseln würde.

Anschließend konnte es losgehen. Schon nach wenigen

Minuten beeindruckte mich die Größe dieses Stromes,

so richtig klar wurden mir seine Dimensionen jedoch

erst nach den drei Tagen. Ich genoss nun erst einmal

das anfänglich schöne Wetter und die Auenlandschaften,

die sich hinter dem riesigen Dammbau ausbreiteten.

Mein Zahnkranz lief wie am Schnürchen und ich

blickte geradewegs weit nach Norden.

Vor mir lag der mächtige Rhein und über ihm kreisten

Kormorane, Enten und Fischreiher. Mit dabei war ebenfalls

der frische Wind, der mich auf den nächsten drei

Tagen unentwegt begleiten sollte. Ab und an verließ ich

den Damm und bog direkt in die unendlich scheinenden

Auenlandschaften ein. Sie werden von schmalen

Pfaden durchdrungen, auf denen man nicht nur mit dem

Rad wesentlich abwechslungsreicher unterwegs ist,


Seite 225

denn sie geben dem Besucher schöne Einblicke in eine

außergewöhnliche Wasserlandschaft. Hier sind neben

Schwänen gelegentlich die blau schimmernden Eisvögel

zu sehen, die auf abgestorbenen Ästen sitzen und beim

Herannahen der Rollgeräusche mit einem markdurchdringenden

Pfi ff das Weite suchen. Große Weiden und

Birken säumen die zusammenhängenden Gewässer, die

in Summe ein riesiges Pegelausgleichssystem realisieren.

Eine gigantische Ingenieursleistung, die zusammen mit der

Rheinbegradigung auf rund 360 Kilometer Länge realisiert

wurde. Erst nach meiner 260 Kilometer langen Radtour

konnte ich dieses Megaprojekt einigermaßen einschätzen,

doch je näher man darüber nachdenkt, umso unglaublicher

wird seine Dimension. So legte Tulla die Flussbreite am

Oberrhein auf exakt 240 Meter fest. Schon alleine das ist

für den Leihen unfassbar.


226 Seite

Nach einigen Kilometern fi el

mir ein weißer Bussard auf,

der sich gemütlich in einer

alten Weide ein Sonnenbad

gönnte. Dann kam wieder der

Wind.

Ich legte eine kurze Pause ein

und positionierte mein Rad für

ein Bild mit dem Rhein. Solche

Spielereien ergaben sich am

Anfang meiner Tour. Das

Wetter war noch schön und

die Sonne wärmte zumindest

beim Sitzen im Gras Gesicht

und Hände.

Am Wegrand weisen immer

wieder hellgraue Grenzsteine

auf die bereits zurückgelegte

Strecke hin.


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Etwa alle 13 Kilometer

wurde der Rhein breiter.

Seeartig schob sich die

Wasserfläche dann in

Form eines großen Dreiecks

über die gewohnte

Breite hinaus.

Es sind riesige Stauwerke,

die den Fluss auf die

doppelte Breite anwachsen

lassen. Bei Burkheim

stieß ich auf das Erste

dieser Bauten.

Auf Pfählen, die direkt an

den Schleusen aus dem

Wasser ragen, saßen

unzählige Kormorane und

warteten auf ihren Fisch.

Bei herrlichstem Wetter breiteten einige der Vögel

die Flügel aus, um sie in der Sonne zu trocknen.

Anschließend erreichte ich einen markanten Berg, der

sich neben dem Rhein erhob. Es handelte sich um den

solitären Limberg und ich fuhr direkt auf ihn zu. Den

dahinter liegenden Kaiserstuhl konnte ich jedoch nur erahnen.

Immer wieder wechselte ich nun zwischen dem

Dammweg und dem Weg darunter, denn der untere lag

im Windschatten und gleichzeitig näher

an den Auen, die mich so sehr faszinierten.

So brachte ich nebenbei etwas

Abwechslung in die Radtour, denn die

Eindrücke zwischen wilden Auenlandschaften

und den weiten Rheintalblicken,

die sich vom Damm aus als

Kontrast ergaben, waren sehr reizvoll.


228 Seite

Teilweise führte der Weg aber auch weg vom Damm in die Dörfer hinein, wie beispielsweise

in Meißenheim. Dann folgte ich dem Radweg durch Wiesen und Felder,

die immer wieder von Kanälen durchzogen wurden. Bemerkenswert war die gute Ausschilderung

auf dieser Teilstrecke. Ich radelte vorbei an der Auenlandschaft Taubergießen

und dem Ferienpark Rust und kam anschließend wieder in die Felder abseits

des Rheins. Aufgrund meines verspäteten Starts und den kleineren Pausen, die ich mir

zwischendurch gönnte, kam ich erst nach etwa fünf Radelstunden zum Ende der ersten

Tagesetappe. Bei Dämmerlicht und müden Beinen fuhr ich auf Kehl zu. Mein Quartier

erreiche ich erst im Dunkeln. Mit angeschalteter Beleuchtung fuhr ich in den Rosengarten

in Kehl ein.

Nach dem Duschen war dann ein entspanntes Abendessen angesagt. Ich ließ mir eine

warme Gulaschsuppe und einen Flammkuchen schmecken und freute mich auf mein

warmes Bett nach diesem anstrengenden Tag.


Seite 229

Der Radweg

zwischen Breisach

und Kehl wechselt

zwischen eintönigen

Dammstrecken und

kurvigen Schlenkern

durch die Rheinauenlandschaft

ab.

Dazwischen trifft

man immer wieder

auf schmucke

Dörfer wie Sasbach

oder Nonnenweier.


230 Seite

Auch am nächsten Tag startete ich bei herrlichstem

Wetter in den Tag. Zunächst navigierte ich zum Bahnhof,

denn dahinter führte meine Route direkt an der Kinzig

entlang, wobei die Sonne nur so vom Himmel strahlte.

Bald hatte ich die Einmündung des Flusses in den Rhein

erreicht und der Radweg führte mich von dort aus weiter auf dem Damm immer am Fluss entlang. Dabei blies mir

der Wind beständig entgegen. Am Rheinauenwald bei Diersheim machte ich daher eine kurze Pause und trat anschließend

der Schleuße Gambsheim entgegen. Die weiten Aussichten entlang des Rheins begeisterten mich und

ich war froh, endlich diesen Fluss näher kennen zu lernen. In Gambsheim hatte ich bereits die ersten 14 Kilometer

hinter mir. Ich durchfuhr anschließend weite Landschaften mit Ausblicken bis hinüber zum Schwarzwald, den dortigen

Nationalpark, der direkt hinter Achern liegt, konnte ich jedoch nur erahnen.

Die Höhenzüge dieses ausgedehnten Mittelgebirges begleiteten mich rechter Hand bis an die Tore von Karlsruhe.

In Lichtenau machte ich eine weitere Rast und wechselte mein Kartenblatt nach gefahrenen 28 Kilometern aus.

Anschließend ging es wieder hinüber zum Rhein und am Fluss weiter entlang.


Seite 231

Breite Bewässerungskanäle

durchziehen

die Rheinniederungen

zwischen Kehl

und Rastatt.


232 Seite

Bei Hügelsheim stieß ich direkt an der Straße auf ein altes keltisches Hügelgrab und nutzte den Platz

für eine kurze Rast. Dann fuhr ich weiter über Iffezheim bis nach Rastatt. Kurz vor der Stadt erwischte

mich ein erster Schauer und ich beschloss meine Klamotten auf Regenkleidung umzustellen. Ich fuhr anschließend

weiter bis zur Stadtmitte und suchte in einem Cafe etwas Wärme, denn die hatte ich mir nach

50 Kilometern auf dem Rad wirklich verdient. Auch etwas Süßes musste sein, denn dies ist eine meiner

großen Schwächen. Mit einem Granatsplitter auf dem Tablett, der hier Bergspitze heißt, suchte ich mir ein

gemütliches Plätzchen aus. Mit der weichen süßen Masse im Gaumen ging es mir schon bald wieder viel

besser.

Gestärkt setzte ich meine Tour in Richtung Norden fort. Ich trat nun fl eißig in die Pedalen, während mir der

Wind von vorne direkt ins Gesicht blies. Der zusätzliche Nieselregen wäre dabei wirklich nicht nötig gewesen,

aber naja, das wird schon, dachte ich. Abgekämpft und mit kalten Füßen und belzigen Fingerspitzen

erreichte ich Karlsruhe. Dort navigierte ich zum Bundesverfassungsgericht und anschließend zum Schloß.

Ein paar Bilder mussten trotz des schlechten Wetters ja schon sein. Leider lagen immer noch neun

Kilometer bis zur Unterkunft vor mir und ich musste noch einmal alles geben. Mit dem letzten Akkustrich

auf dem Handy erreichte ich die Unterkunft „Garbo Löwen“ und ein Michelinmännchen strahlte mir an der

Eingangstür entgegen. Ich entschied mich dann zu später Stunde für ein günstiges Cordon Bleu und war

trotzdem begeistert, denn so einen zarten Happen hatte ich vorher noch nicht gegessen. Wenige Minuten

nach dem Essen schlief ich bereits wie ein Murmeltier oder besser gesagt wie ein müder Löwe ein.


Seite 233

Das Karlsruher Schloss war einst Residenzschloss

der Markgrafen bzw. Großherzöge

von Baden. Heute ist in dem Gebäude das

Badische Landesmuseum und ein Teil des

Bundesverfassungsgerichts untergebracht.


234 Seite

Am nächsten Morgen trank ich gegenüber meiner Unterkunft einen Kaffee und genoss

dazu einen Mohnstreusel. Zwei Rosinenbrötchen packte ich für die Fahrt in die

Außentasche und schon konnte es losgehen. Leichter Nieselregen benetzte meine

Brille gleich zu Beginn und ich fuhr bei acht Grad Celsius in Richtung Hochstetten los.

Weiter ging es dann bis nach Rußheim und hinüber in die Rheinauen von Elisabethenwörth.

Dieser Altarm des Rheins kann mit einem urigen Baumbestand aufwarten,

der seinesgleichen sucht. Ich fuhr mit meinem Drahtesel geradewegs unter diesen

grünen Riesen hindurch. In Germersheim querte ich den Rhein und radelte erneut an

einem Altarm vorbei in Richtung Speyer. Die Altarmschleifen befinden sich jeweils

rechts und links des Flusses und wechseln nach jeder Windung die Uferseite. Das

Schlangenwirrwarr zwischen Wörth und Speyer ist jedoch die Krönung, doch ich fand

immer wieder einen Weg, der zwischen dieser Schlangenlinie hindurchführte.

In der Breite laden diese aneinandergereihten Halbkurven mächtig aus und dehnen

das Rheinbett auf etwa fünf bis sieben Kilometern Breite aus.

Die Strecke bis nach Speyer schmolz nur spärlich unter meinen Füßen dahin, doch

viertel vor elf saß ich an einem Stadttorcafe, keine 400 Meter vom berümten Dom

entfernt und trank eine schöne heiße Schale Kaffee. In der angenehmen Wärme des

schmucken Örtchens beschloss ich trotz des schlechten Wetters die Weiterfahrt nach

Worms anzutreten. Google verriet mir aber leider, dass ich dafür noch geschlagene

45 Kilometer radeln musste. Ich leerte genießend meine Tasse und suchte währendessen

die Anschlusszüge ab Worms nach Hause. Zum Glück verkehren die Züge

zwischen Worms und Frankfurt im Stundentakt. Das sah auf der Bahn-App schon mal

vielversprechend aus.


Seite 235

Ich konnte also ohne Stress die restliche Strecke angehen und verließ guter Dinge Speyer in Richtung Norden. Nun

blieb ich auf der linken Rheinseite, dabei versuchte ich zum einen durch Navigation mit dem Handy und zum anderen

mit Hilfe der Radwegschilder die einfachste Verbindung nach Worms zu finden. Am Ende wurde es ein Kraftakt, denn

der Wind aus Norden blies immer heftiger und die Böhen landeten fortwährend in meinem Gesicht. In Ludwigshafen

hielt ich am Rhein an einer Bratwurstbude an. „Du kommst mir jetzt gerade recht“, dachte ich und es kam mir vor,

als hätte ich noch nie eine bessere Wurst gegessen. Auch die Wärme des Stücks füllte sich in meinem ausgekühlten

Körper supergut an. Mit neuer Kraft und aufgrund der Schmerzen am Gesäß radelte ich nun stehend weiter. „Noch 21

Kilometer, dann hast du es geschafft“, dachte ich, während das Wetter immer wieder meine Motivation dämpfte. Vor

allem die Windböhen waren grauselig. Zusätzlich kämpfte ich nun immer öfter gegen die Beschilderung statt mit ihr,

las ständig dieses Frankenthal, obwohl ich es doch schon lange verlassen hatte. Zurück am Rhein waren anschließend

wieder die Windböhen mein Hauptgegner.

Noch neun Kilometer. Es folgte ein Stück Radweg direkt an der autobahnartigen B9, anschließend tauchte ich wieder

in den Wald ein. Eins Komma neun Kilometer, fast hatte ich es geschafft. Erleichtert reduzierte ich die Geschwindigkeit.

Trat nun zwei mal in die Pedale und rollte im Stehen ein paar Meter gemächlich dahin. Mein Hintern war am

Ende. Schrebergärten und Pferdekoppeln tauchten auf. Dann endlich das Häusermeer von Worms. Ich kann euch

nicht sagen, wie ich mich darüber freute. Flott ging es nun durch das Straßengeflecht bis hinauf zum Bahnhof. Der

Zug, der um 14 Uhr 17 den Bahnhof verließ, war gerade abgefahren, während ich auf eine rettende Eisdiele blickte.

„Genau das isses jetzt“, dachte ich und kehrte ein letztes Mal ein. Die Dreiviertelstunde, die jetzt bis zum nächsten

Zug vor mir lag, genoss ich wahrlich in vollen Zügen. So gut hatte mir selten ein Eis und eine Cola geschmeckt wie

an jenem Nachmittag. Um 15 Uhr radelte ich die letzten 500 Meter zum Bahnhof hinüber. Der Zug war pünktlich und

ich saß im trockenen und warmen Abteil, ließ die Umgebung an mir vorbeirauschen und träumte nur noch vor mich

hin. „Das ist schon eine feine Sache mit der Bahn“, dachte ich, doch nach dem Umsteigen im Frankfurter HBF und

dem Anschlußzug über den Spessart, sollte ich doch noch eine kleine Überraschung erleben. Die Zugtüre ließ sich

am Bahnhof in Partenstein nicht öffnen, denn der Lockführer hatte sich verbremst und der letzte Wagen, in dem ich

saß, stand über dem Schotterbett. Der Schaffner schickte mich zwar gleich durch den Wagen nach vorne, doch als

ich dort angekommen war, fuhr der Zug bereits los. Vergeblich hämmerte ich auf den Ausstiegsknopf ein, doch der

Main-Spessart-Express hielt erst wieder in Lohr. Neben mir waren noch zwei weitere Fahrgäste betroffen. Die hierzu

fallenden Schimpfwörter möchte ich hier besser nicht wiedergeben. Am Ende brachte uns ein Anschlusszug wieder

zurück nach Partenstein. Der dritte Reisende hatte jedoch zu viel geflucht. Er wurde vom Schaffner vom Bahnsteig

verwiesen. Das hatte an diesem Tag gerade noch gefehlt. Müde schob ich mein Rad den Berg hinauf. Zu Hause in

der Küche standen die gewünschten Schinkennudeln bereits auf dem Tisch und Kerstin freute sich, dass ich heil

wieder zu Hause angekommen war.


236 Seite

Paddeln durch die Rheinauen

August 2021

Die Rastatter Rheinaue umfasst rund 850 Hektar und ist somit eines der größten, aber auch schönsten

Naturschutzgebiete Baden-Württembergs. Es handelt sich um eines der letzten, natürlichen

Überflutungsgebiete am Oberrhein. Für mich war das Grund genung, diese Wasserlandschaft einmal

mit dem Schlauchkanadier zu besuchen.

Es versprach ein herrlicher Paddeltag zu werden. Schon

am Tag zuvor hatte ich mich über die Temperatur- und

Wettermeldungen gefreut. Unspektakulär war auch die

Anfahrt über die Rheintalautobahn gewesen. Nun musste

ich nur noch Plittersdorf ansteuern, ein Dorf mit 3.000

Einwohnern. Schnell war ich am Parkplatz neben dem

Schützenhaus in der Schulstraße angelangt und sortierte

am naheliegenden Ufer meine sieben Sachen.

Es war noch früh am Tag, bereits um drei Uhr am Morgen

war ich zuhause losgefahren, doch die Sonne stand hier

am Rhein bereits spürbar am blauen Himmel und schickte

ihre wärmenden Strahlen zu mir herab. Bereits der Einstieg

ins Wasser war urig schlammig gewesen, doch nach wenigen

Paddelschlägen war ich in meinem Element.


Seite 237

Mit langsamen vier Kilometern pro Stunde bewegte ich

mich nun vorwärts und mein Gemütszustand steigerte

sich mit jedem Paddelschlag. Neben der herrlichen Natur

und dem schönen Wetter, die mich umgab, lag die aufkommende

Freude aber vor allem an der lagsamen Geschwindigkeit,

mit der ich nun unterwegs war. Denn dabei

werden Gefühle geweckt, die sich kaum beschreiben

lassen. Es ist die Geschwindigkeit, die auch dem Tempo

entspricht, mit der wir uns beim Laufen fortbewegen.

Ich bezeichne sie daher als eine Art „Urgeschwindigkeit“,

mit der wir Menschen seit etwa 100.000 Jahren

unser Umland erforschen. Unsere Sinne sind darauf

bestmöglichst angepasst, auch die Verarbeitung der Reize

in unserem Gehirn optimal darauf ausgerichtet, was

tief in unser Unterbewusstsein hineinwirkt. Als Rückmeldung

erhalten wir von ihm erst diese Zufriedenheit, die

ich nun wieder spürte, während ich einen Paddelschlag

nach dem anderen setzte.


238 Seite

Es ist auch der Grund, warum wir die uns umgebenden

Eindrücke beim Wandern oder beim Paddeln mit maximaler

Aufmerksamkeit aufnehmen können. Er liegt genau an

dieser Geschwindigkeit. Dabei lässt sich die Achtsamkeit

während des entstandenen Flows immer weiter steigern,

je mehr wir entschleunigen, also langsamer werden. Eine

Fähigkeit, die sich seit den Jäger- und Sammlerkulturen

bildete und bis heute etwa beim Pirschgang Anwendung

findet. Sich darauf einzulassen ist die Voraussetzung, um

die Vorgänge in der Natur bestmöglichst aufnehmen und

Veränderungen beobachten zu können.

Doch nun wieder zurück zum Paddeln. Für Neulinge,

die zum ersten Mal auf einem Fluss unterwegs sind, ist

es durchaus ungewohnt, denn bei vier bis fünf Kilometern

pro Stunde scheint man auf dem Wasser gar nicht

vorwärts zu kommen. Für alle, die mit der Natur nichts

am Hut haben, ist diese Bewegungsform daher auch

eher weniger ratsam. Aber gerade die Langsamkeit zu

sprüren, das ist das, was heute viele Menschen wieder

suchen. Wir fühlen, wie das Wasser mit uns fließt. Wir

bekommen auf langsamer fließenden Gewässern ein

Gespür für die Wasseroberfläche, auch für das Boot, mit

dem wir uns auf dem Fluss fortbewegen. Wir erfahren,

dass stärkere Paddelschläge zum schnelleren Drehen

des Bootes führen. Anschließend führt Gegensteuern

mit leichten Paddelschlägen zum Ausrichten des Bootes.

Zusätzlich erreicht uns die Stille des Momentes, wenn wir

das Paddeln sein lassen. Wenn Sie in diesem Moment

die Augen schließen, sind sie mittendrin und ein Teil der

Natur geworden, die sie gerade umgibt. Ich jedenfalls

bezeichne diese Momente als paradiesisch.


Seite 239

Ich überquerte den Flussarm, tauchte in ein Dickicht

aus Weidenästen ein und traf auf einen Fischreiher, der

sich für einen Moment beobachten lies. Wenig später

huschten Blesshühner unter den Weidenstämmen hindurch

und ein Schwan glitt gemächlich am Ufer entlang.

Die friedliebenden Vögel strahlten eine Ruhe aus,

die man nur vom Wasser aus beobachten kann. Hier

fühlen sie sich durch uns Menschen nur wenig gestört.

Möglicherweise liegt es auch daran, dass wir hier für

sie keine natürlichen Feinde darstellen und sie einfach

in ihrem Element sein können. Für den Schwan traf es

zumindest zu 100% zu, denn immer wieder tauchte er

mit seinem langen Hals unter, um sich etwas von den

grünen Wasserpfl anzen zu holen. Ich genoss es, ihm

beim Fressen zuzuschauen.

Am Himmel tauchten weiße Wolken auf. Ich nahm

einen Schluck aus meiner Trinkfl asche und paddelte

gemütlich weiter. Ab und an drehte ich mich um und

schaute zurück. Dann war ich am Rhein angekommen.


240 Seite

Unterwegs in den

Rastatter Rheinauen


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Hinter einer Biegung

paddelte ich auf einen

Damm zu, den ich mit

dem Boot umtragen

musste.


242 Seite

Traumhafte Altrheinkulisse

auf dem Weg

zum Bärensee


Seite 243

Beim Überqueren des Waldweges wechselte ich das

Objektiv, um näher an das Geschehen am anderen

Ufer heranzukommen. Doch auch meine 400 Milimeter

Brennweite nützte nichts. Die Kormorane zogen

weiter, während ich noch mit dem Umpacken meiner

Ausrüstung zugange war. „Schade“, dachte ich, doch

vielleicht würde sich noch einmal eine ähnliche Situation

ergeben. Es war ja noch genügend Zeit. Wieder im

Boot, paddelte ich nun geradewegs auf den Bärensee

zu, doch noch war ich auf dem Altrhein. Nun passierte

ich den abgestorbenen Baum, auf dem die Kormorane

gesessen waren. Dahinter ragten mächtige Weiden in

den Himmel, die mit Mistelzweigen übersäht waren.


244 Seite

Ein Durchgang beendet

den Altrhein und vor mir

öffnet sich der Bärensee.


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Schilfgürtelsäume tauchten nun vermehrt am Uferrand

auf. Sie haben hier die darunterliegende Uferbefestigung

überwachsen und zeigen, dass die Natur die Kraft hat,

wieder zurückzukommen, wenn wir wir es zulassen.

Während ich wie durch einen Tunnel ausladender

Weiden hindurchfuhr, wurde ich nur wenige Augenblicke

später erneut überrascht. Ein Eisvogel flog plötzlich

mit einem schrillen Pfi ff aus der Ufervegetation heraus

und eilte über die Wasserfl äche in Richtung Bärensee

davon. Diese schönen Vögel sind sehr schnell in der Luft

unterwegs und man bekommt sie nur selten zu Gesicht,

geschweige denn vor die Kamera. Sie werden gerne als

fliegende Edelsteine bezeichnet, denn ihr schimmerndes

türkisblaues Gefi eder hebt sich deutlich von den Farben

der Uferbereiche ab. Wenn die türkisblauen Federn noch

dazu wie an diesem Tag von der Sonne angestrahlt

werden, kann man die Bezeichnung Edelstein leicht

nachvollziehen. Doch nach Sekundenbruchteilen ist der

Schönling wieder verschwunden.


246 Seite

Ein ausgedehnter Schilfgürtel

breitet sich am Westufer des

Bärensees aus.


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Über eine Flachwasserstelle erreichte ich den Wörthfeldsee,

der sich hinter dem Bärensee befindet. Auf der

dortigen Kiesbank traf ich auch die Kormorane wieder.

Ich hielt jedoch Abstand, um die Kolonie nicht zu stören.

Mit meinem Fernglas beobachtete ich das Geschehen

auf der hellen Kiesbank und kehrte nach einer Weile

um.


248 Seite

Auf dem Rückweg durchfuhr ich ein weiteres Mal

die Engstelle, die den Bärensee vom Altrhein trennt.

Die Sonne stand bereits schräg zum Wasser und

die Mücken tanzten im Lichtkegel auf und ab. Meine

Wasserration war bereits leer aber die Eindrücke von

den Altrheinschleifen begeisterten mich nach Stunden

immer noch.


Seite 249

Im Spätmittagslicht erreichte

ich wieder den abgestorbenen

Baum, den ich vorher mit den

Kormoranen gesehen hatte.


250 Seite

Auch die Mistelzweige zogen

ein weiteres Mal über mir

hinweg.


Seite 251

Beeindruckt von den Rheinauen versuchte ich

noch einmal die am Morgen gesehenen Motive

im Bild einzufangen. Doch ich werde wieder

kommen, dies war die wesentliche Erkenntnis

an diesem schönen Sommertag gewesen.


252 Seite

Wie steht es um die Rheinauen?

Mit der Regulierung des Flusses ab 1817 wurden gleichzeitig landwirtschaftliche Nutzflächen geschaffen.

Die starken Eingriffe in das Flusssystem haben aber auch großflächig Auwaldgebiete zerstört. Der Artenschwund,

der im Laufe der Zeit durch den Nutzungsdruck entstand, ist mittlerweile erschreckend und aktueller

denn je. Er findet vor allem unbemerkt in Landschaften statt, die außerhalb von Schutzgebieten liegen.

Auch die landwirtschaftlichen Einträge in unseren Gewässern wirken sich zunehmend negativ aus. Seit die

Landwirtschaft intensiviert wurde, mussten auch die Gewässer und die natürliche Vegetation immer stärker

werdende Einbußen hinnehmen. Ein weiterer negativer Einfluss wird dem Klimawandel zugeschrieben, der

seit der Industrialisierung zusätzlich unsere Umwelt und somit auch die Artenvielfalt belastet.

Schutz für letzte Auenreste

Zwischen dem kanalisierten Rhein-Hauptkanal und den landwirtschaftlichen Monokulturen ist jedoch ein

schmaler Landstrich mit unzähligen Altrheinarmen und urigen Auwäldern erhalten geblieben. Dieser wurde

im Jahr 2008 als „grenzüberschreitendes Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung“ gemäß der Ramsar-

Konvention ausgezeichnet. Das Ramsar-Gebiet umfasst insgesamt etwa 48.000 Hektar auf deutscher und

französischer Seite und erstreckt sich auf 190 km Länge von Weil am Rhein bis Karlsruhe und beinhaltet

17 verschiedene FFH-Lebensraumtypen. Manche der Gebiete entlang des Oberrheins haben nahezu einen

Urwald-Charakter. So trifft man nicht nur auf Wildschwein, Reh, Fuchs, Dachs, Marder, Fasan und den

Biber, auch seltene Arten wie die Wildkatze, die Rohrdommel, der Fischadler oder der Seidenreiher leben in

den oberrheinischen Auwäldern. Die teils undurchdringlichen Dickichte bieten ihnen gute Rückzugsmöglichkeiten

und sichern ihr Überleben. Die alten Baumbestände mit knorrigen Eichen und reichlich Totholz sind

Lebensraum und Brutgebiet für weitere Vogelarten.

Doch Auszeichnungen und Gebietsmeldungen alleine reichen wohl nicht, wie man am fortschreitenden

Artenschwund sehen kann, auch in Deutschland. Die Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung, die 2007

auf den Weg gebracht wurde, ist in der Fläche immer noch nicht umgesetzt und der Artenschwund geht

ungehindert weiter.


Seite 253


254 Seite

Schwarzwald


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Der Schwarzwald erstreckt sich über insgesamt 11.100 Quadratkilometer im Südwesten

Deutschlands. Damit ist er nicht nur unser größtes Mittelgebirge, sondern auch das am höchsten

gelegene. Die langgezogenen Waldberge erreichen im südlichen Schwarzwald stolze 1493 Meter

Höhe. Von Norden nach Süden erstreckt sich der Schwarzwald über etwa 150 Kilometer,

seine Breite erreicht im Süden etwa 50, im Norden bis zu 30 Kilometer. Die ausgedehnten Wälder

stehen auf Gesteinen des Grundgebirges und auf Buntsandstein, wobei diese im Norden dichter

bewaldet sind. Im mittleren Schwarzwald gesellen sich breite Wiesentäler hinzu und im Süden

ragen baumfreie Bergkuppen aus dem Schwarzwald heraus.

Generell hebt sich der Schwarzwald durch geringere Temperaturen und höhere Niederschläge

von seinem Umland ab. Die Niederschläge fallen zwar regelmäßig und während des ganzen

Jahres, jedoch nehmen die Temperaturen mit zunehmender Höhe nicht gleichmäßig ab und die

Niederschläge auch nicht gleichmäßig zu. Vielmehr steigen die Niederschläge in tieferen Lagen,

besonders aber an der niederschlagsreichen Westseite unverhältnismäßig stark an. Die niederschlagsreichsten

Bereiche findet man in den Höhenregionen um die Hornisgrinde im Nord- sowie

Belchen und Feldberg im Südschwarzwald, wo jährliche Mengen von bis zu 2100 Liter pro Quadratmeter

auftreten können. Auf den nach Osten exponierten Seiten wird es wieder wesentlich

trockener und die Niederschlagsmengen sinken hier auf etwa 750 Liter pro Quadratmeter.


256 Seite

Idyllisch fließt die

Wutach durch den

südlichen Schwarzwald.


Die Route

Seite 257

Zwischen Breisach am Rhein und Donaueschingen liegen etwa 90 Kilometer,

die quer über den Schwarzwald führen. Doch bevor ich von unserer Familienwanderung

auf einem Premiumweg durch die Wutachschlucht erzähle,

wird eine Radtour beschrieben, die von Lenzkirch aus über die Höhen des

Schwarzwaldes bis nach Breisach an den Rhein führte. Dazu musste ich

zunächst auf 1055 Meter hinauftreten um anschließend zum Titisee hinunter zu radeln, der 200

Höhenmeter darunter liegt. Eine Abfahrt, bei der sich meine Scheibenbremsen glühend heiß geworden,

durch quietschen bemerkbar machten. Doch auch anschließend ging es munter auf und ab.

Danach erzähle ich von einem der schönsten Wege Deutschlands, denn auf einer Rucksacktour

entdeckten wir die wilden Flusslandschaften von Wutach und Haslach im südlichen Schwarzwald.

Die beschriebene Wanderung ist ein Teil des Schluchtensteiges, der von Stühlingen nach Wehr

führt und 2011 als schönster Premiumweg Deutschlands ausgezeichnet wurde. Ob der Fernwanderweg

ein guter Einstieg in den Sommerurlaub werden würde, war die große Frage? Schließlich

hatten wir unsere Kinder und das Zelt mit dabei und wollten anschließend mit dem Camper weiter

zur Verdunschlucht und weiter nach Südfrankreich fahren. Von Lenzkirch aus führte aber zunächst

unsere Wanderung hinunter in die Wutachschlucht, wir kraxelten über Felsen und meisterten Bergkuppen.

Ein stetiges Auf und Ab sorgte auf dem Schluchtensteig durchgehend für Abwechslung

und Abenteuerfeeling. Erst in Achdorf erreichten wir nach vier Wandertagen wieder die Zivilisation,

doch dann liefen wir noch nach Weizen, um von dort aus mit dem ÖPNV-Bus zurück nach Lenzkirch

zu fahren. Die 15 Kilometer von Achdorf nach Donaueschingen fuhr ich dann sieben Jahre

später mit dem Rad, um meine Schwarzwalddurchquerung abzuschließen. Es war der Einstieg

einer Radelstrecke, die mich an der oberen Donau entlang bis nach Thiergarten brachte.


258 Seite

Von Lenzkirch nach Breisach

Juni 2019

Zum Glück liegt Lenzkirch bereits auf 850 Metern Höhe und somit war es auf der Teerstraße hinauf

nach Saig nicht zu strapaziös. Nachdem ich am Tag zuvor bereits 80 Kilometer von Achdorf

aus durch das Obere Donautal geradelt war, sollten die 60 Kilometer über den Hochschwarzwald

bis nach Breisach am Rhein auch zu schaffen sein.

Bedacht, aber konsequent trat ich nun in die Pedalen

und während ich eine Serpentine nach der anderen

meisterte, nahm die Aussicht über den südlichen

Schwarzwald mit jedem Höhenmeter zu. Ich genoss

jedes Mal beim Umdrehen die schöne Aussicht über

Lenzkirch und die Wälder rund um die dahinter liegende

Wutachschlucht. Schweißtreibend radelte ich weiter

bergan und kam ab und an gehörig aus der Puste.


Seite 259

Am Ufer des Titisees im

südlichen Schwarzwald.

Bald war die Saiger Höhe gemeistert. Ich stand vor dem

Hotel Saigerhöh und ich freute mich auf die Abfahrt

hinunter zum Titisee. Der überregional bekannte See liegt

auf 850 Metern Höhe im südlichen Schwarzwald und

bedeckt eine Fläche von 1,3 Quadratkilometer. Dabei hat

er eine durchschnittliche Tiefe von 20 Metern. Vor mir

lagen nun 200 Höhenmeter steile Abfahrt, die auf einem

Kilometer Strecke zu bewerkstelligen waren. Ich wunderte

mich daher nicht, dass bereits auf halber Strecke meine

Scheibenbremsen zu quietschen begannen.

An einer Rastbank mit Blick auf den Titisee legte ich daher

eine Zwangspause ein, damit die Scheibenbremsen etwas

abkühlen konnten. Ich wollte ja noch bis hinunter an den

Rhein fahren und ein defektes Rad wäre dabei sicher

keine Hilfe.

Zufrieden mit dem Wetter und meiner bisher gut geplanten

Tourenparameter genoss ich nun auf der Aussichtsbank

die hohen Tannen um mich herum, vor allem aber

die Stille, die bald unten am See vorbei sein würde.


260 Seite

Der weitere Weg hinab war dann gleich geschafft und am

See angekommen, bestätigten sich meine Befürchtungen.

Der Parkpatz am Titisee war mit Bussen überfüllt und

daher verweilte ich dort auch nur kurz, um ein paar Bilder

zu machen. Dann drehte ich dem ansonsten sehr schönen

Ort den Rücken zu und fuhr entlang der B31 weiter nach

Hinterzarten. Es folgte eine rasante Abfahrt nach Falkensteig,

wobei ich leider die Fahrbahn nehmen musste.

Dies quittieren mir die Lastwagenfahrer mit lautstarkem

Gehupe, doch was sollte ich machen.

Erst kurz vor Falkensteig konnte ich wieder auf den Radweg

ausweichen. Im Ort angekommen war ich froh, ohne

Unfall diese gefährliche Strecke gemeistert zu haben.

Am Straßenrand musste ich beim Vorbeiradeln AfD-Wahlplakate

lesen, auf denen „Heimat bewahren“ stand. Starke

Worte, dachte ich. Doch die Mehrheit unseres Landes

begreift zum Glück, dass unter „Heimat bewahren“ etwas

anderes zu verstehen ist, nämlich eine demokratische

Grundordnung zu unterstützen, in der Menschen friedlich

zusammenleben können. Leider machen Wahlkämpfe auch

vor Missbrauch des Heimatbegriffes keinen Halt.


Seite 261

Bald erreichte ich Himmelreich. Am Bahnhof reihten sich

knallrote Nahverkehrszüge aneinander. Ich freute mich

über die elektrifizierte Strecke, die mitten in den Schwarzwald

hineinführt. Was in Schwaben möglich ist, scheint zu

Hause in Bayern ein Problem zu sein. Denn gerade Bayern

hat einen großen Nachholbedarf auf diesem Gebiet. Nur 50

Prozent der Strecken sind dort elektrifiziert. Deutschandweit

liegt der Anteil bei 61, in Östreich bei 72 und in der

Schweiz bei 100 Prozent. Gerade abgelegene Gebiete

werden immer noch mit Diesellocks betrieben. Da muss

sich in Zukunft einiges tun, um die Klimaziele zu erreichen.

Endlich führte mich die Radwegbeschilderung unter der

B31 hindurch und von der Hauptverkehrsstraße weg. Auf

dem Radweg ging es nun weiter in Richtung Kirchzarten

und hinunter nach Freiburg im Breisgau. Hinter Himmelreich

bewunderte ich die traditionelle Bauweise der

Bauernhäuser, die idyllisch die Osthänge des Schwarzwaldes

schmücken. Sie sind im Hochschwarzwald häufig

zu sehen. Ich radelte weiter nach Kirchzarten, dahinter

mündet der Rotbach in die Dreisam. Jetzt war es nach

Freiburg nicht mehr weit.


262 Seite

Entlang der Dreisam führte mich der Radweg direkt in die

Freiburger Innenstadt. Mit 230.000 Einwohnern ist sie die

südlichste Großstadt in Deutschland. Nach Einwohnerzahlen

sortiert, nimmt sie in Baden-Württemberg nach

Stuttgart, Karlsruhe und Mannheim die vierte Stelle ein.

Vor 1952 war Freiburg im Breisgau Landeshauptstadt des

Landes Baden. Bekannt sind vor allem die Altstadt und

ihre Wahrzeichen, wie etwa das Freiburger Münster.

Auch das Schwabentor erhebt sich, wie auf der folgenden

Seite zu sehen, markant am Eingang der Fußgängerzone

empor und begrüßt weit sichtbar die Besucher der Stadt.

Ich staunte über die vielen Radfahrer, die hier unterwegs

waren. Vorbildlich hat das bereits 1008 urkundlich erwähnte

Freiburg ganze Straßen für Radfahrer gekennzeichnet.

Gemeinsam mit vielen Gleichgesinnten durchquerte ich

nun die Altstadt und schob anschließend die letzten Meter

bis zum Marktplatz, der sich am Freiburger Münster befindet.

Es machte sogar Spaß, Rücksicht auf die Fußgänger

zu nehmen.


Schwabentor und Freiburger

Münster sind zwei Wahrzeichen

der Stadt.

Seite 263


264 Seite

Am Marktpatz hatte ich mich mit Jan verabredet. Er hatte

zu diesem Zeitpunkt bereits einige Geschäfte unsicher

gemacht. Ich freute mich, ihn nun zu treffen und wir setzten

uns in eine Eisdiele. Gemütlich saßen wir hinter einem

Brunnen und genossen den Ausblick auf die Sandsteinfassaden

des Münsters und den dahinter ansteigenden

und komplett mit Wald eingewachsenen Schlossberg.

Dort soll um 1091 der Zähringer-Herzog Bertold II. das

Castrum de Friburch, die heutige Ruine Leopoldsburg,

gebaut haben. Heute duchziehen zahlreiche Wanderwege

den geschichtsträchtigen Schlossberg, den man in wenigen

Minuten vom Marktplatz am Münster aus erreichen

kann.

Wir verweilten noch ein wenig in Freiburgs Innenstadt und

plauderten ein wenig über die Erlebnisse des Tages, wie

man das so in der Familie eben macht. Eine halbe Stunde

später nahm ich dann die letzte Etappe unter meine

Pedalen, denn wir wollten aufgrund der Verkehrslage nicht

zu spät zurück nach Hause fahren.


Seite 265

Ich verließ über die Freiburger Landstraße die Stadt

in Richtung Westen. Nach dem Überqueren der A5

erreichte ich nach geradelten zehn Kilometern Tiengen,

einen kleinen Ort im Breisgau. Vor mir lagen jetzt nur

noch 16 Kilometer nach Breisach am Rhein. Ich umfuhr

anschließend einen Bergrücken und erreichte Munzingen.

Dort angekommen fiel mir die Hotel- und Restaurantanlage

Schloss Reinach am Fuße des Tunibergs auf. An

einen der schön gedeckten Tische würde ich jetzt auch

gerne Platz nehmen, doch ich musste weiter. Der Hintern

schmerzte bereits vom Vortag und mit den Strapazen der

heutigen Schwarzwaldüberquerung sollten die Schmerzen

an diesem Tag auch nicht mehr besser werden.

Der Radweg führte mich weiter dem Rhein entgegen.

Noch ein letztes Mal musste ich nun in die Pedale treten.

Ich war wieder auf die B31 gestoßen, die sich nun schnurgerade

auf den letzten Kilometern dahinzog. Die Wärme

und die Strapazen drückten nun übel auf mein Gemüt.

Doch ich war auf der Zielgeraden angekommen, denn die

Bundesstraße führt direkt auf die Altstadt zu.

Bereits von weitem war nun der Münsterberg mit den

Münstertürmen zu sehen. Gegenüber Freiburg ist

Breisach am Rhein wesentlich älter. Bereits die Römer

unterhielten hier vom 4. Jahrhundert an bis ungefähr in

das frühe 5. Jahrhundert auf dem „mons Brisiacus“ ein

Auxiliarkastell zur Grenzsicherung gegen die Allemannen.


266 Seite

Burg Breisach thront

auf der Nordseite

und das Münster

St. Stephan auf der

Südseite des Münsterberges.


Seite 267

Es war Kaiser Valentinian I., der dort am 30. August 369

ein Edikt erließ, in dem Breisach erstmals als „brisiacus“

erwähnt wird. Der Name kommt vom keltischen brisin-ac,

was so viel wie „Wasserbrecher“ bedeutet.

Nach neuesten archäologischen Erkenntnissen hatte das

römische Lager auf dem Münsterberg eine Ausdehnung

von ungefähr drei Hektar und verfügte über repräsentative

Verwaltungs- und Wohngebäude, sogar ein sogenanntes

Prätorium, das Gebäude des Oberbefehlshabers, befand

sich dort. Kaiser Valentinian I. überwachte von hier aus

den Ausbau der Rheingrenze mit den neu angelegten

militärischen Befestigungsanlagen, denn das römische

Reich musste besser vor den vorrückenden Alemannen

geschützt werden. Letztendlich misslang jedoch das

Vorhaben der Römer, Germanien zu erobern.

Im 11. Jahrhundert war Breisach dann einer der Hauptsitze

der Zähringer, ein mit den Staufern verwandtes schwäbisches

Fürstengeschlecht. Auf dem vor mir liegenden

Münsterberg wurde daher bald eine Burg errichtet und bis

zu seinem Tod 1218 ließ der Zähinger Herzog Berthold

die Burg Breisach und das Münster St. Stephan auf dem

Münsterberg bauen.

Seit dieser Zeit erheben sich Burg und Münster weithin

sichtbar über den Rhein. Vom Burgberg aus kann man

sogar hinüber nach Wittenheim und Mulhouse schauen,

das nur etwa 30 Kilometer Luftlinie entfernt auf der anderen

Rheinseite liegt. Der dortige Übergang zur Rhone wird

auch als Burgunder Pforte bezeichnet.

Die Burgunder Pforte benennt aber nicht nur einen Weg,

den die Burgunder während der Völkerwanderung hinab

ins Rhonetal zurückgelegt haben, sondern sie lokalisiert

auch die Eiflugsschneiße vieler Tiere und Pflanzen, die

nach der Eiszeit von Südfrankreich wieder nach Deutschland

zurückgekehrt sind.

Hier endete somit nicht nur meine heutige Reise, sondern

ich beschloss auch, den Titel des dritten Bandes meiner

Wanderbuchserie mit diesem Namen zu kennzeichnen.


268 Seite

Durch die Wutachschlucht

August 2012

Wir saßen in Lenzkirch über einem fluffigen Bienenstich. Gegenüber befand sich die Kirche und

dazwischen lag der Dorfplatz. Beste Voraussetzungen also für eine Bäckerei und somit auch für

uns, denn gleich sollte es losgehen. Mit frischem Brot und gefüllten Wasserflaschen versorgt,

trennten wir uns nur ungern von den bequemen Stühlen des Cafes.

Doch nach wenigen Metern waren alle bequemen

Gedanken passe, wir schlenderten durch die letzten

Wohnsiedlungen und querten den Kurpark. Ein eintöniger

Fahrradweg, der schnurgerade einer ehemaligen

Bahntrasse folgte, füllte die erste halbe Stunde unserer

Tour. Anschließend ging es rechts an der Haslach

entlang weiter bergab. So gefi el es uns schon besser.

Trotz großer Hitze kühlte der nahe Bachlauf die Luft

unter den schattigen Bäumen merklich ab. Ein alter

Mühlenweg führte uns bald steil bergauf. Die Vögel

zwitscherten über uns und gut gelaunt erreichten wir

den herrlich gelegenen Rechenfelsen. Dies war eine

gute Gelegenheit für eine kleine Rast. Von einer Bank

aus blickten wir in die urige Haslach hinunter, die sich

im Laufe der Jahrtausende einen Durchlass durch den

Felsen gespült hatte. Die Brotzeit genossen wir an

diesem schönen Ort in vollen Zügen.


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Gestärkt liefen wir weiter an der Haslach entlang bis

zur Einmündung der Wutach. Dort führt eine herrliche

Brücke über den Fluss. „Die sieht aus wie auf unserer

Wanderungen in Schweden“, erinnerte sich Jan, und

zugegeben, es fehlten zwar die Ketten, an denen die

Brücken in Lappland abgespannt waren, aber sonst

konnte man schon gewisse Parallelen erkennen.

Hier endete nun die Haslach, die ihren Weg auf dem

Feldberg in 1250 Metern Höhe begonnen hatte und auf

ihren 17 Kilometern etwa 500 Höhenmeter nach unten

fällt. Für die Mühlen hier in der engen Schlucht war die

Wasserkraft ein Segen, wie wir auf den Hinweisschildern

nachlesen konnten. Nach unserer kurzen „Mühlenschleife“

ging es nun an der Wutach weiter entlang, die

zusammen mit dem Wasser der Haslach tiefe Spuren

im Gestein hinterlassen hatte, und wir folgten ihr.


270 Seite


Seite 271

Bald gesellte sich ein weiterer Fluss hinzu, der Rötenbach.

Hier fanden wir einen tollen Platz für unser Zelt.

Schnell hatten die Kinder ihre Rucksäcke abgestellt und

die Schuhe ausgezogen. Geradewegs drängte es alle

in Richtung Wasser. Ich tauchte kurz unter und kam

erfrischt wieder ans Ufer zurück. Die Kinder erkundeten

unterdessen den abenteuerlichen Verlauf des Gewässers,

während Kerstin sich ebenfalls frisch machte.

Vom Ufer aus beobachtete ich das Treiben der beiden

Flussläufer und dachte dabei an meine eigene Kindheit

mit ähnlichen Ausfl ügen zurück. Nur zu oft waren wir

als Kinder in der Lohrbach gewesen, hatten Neunaugen

beobachtet und versucht, Forellen mit den Händen zu

fangen. Während meine Gedanken abschweiften,

schaute ich den Beiden hinterher. Bald machten sie

kehrt und wateten im Bachlauf zurück. Anschließend

hatten sie einen riesen Hunger. Die Quengeleien, die

sich während des Laufens gelegentlich einstellten,

waren längst abgehakt. Alle freuten sich nun auf die

bevorstehende Zeltübernachtung. Doch zunächst

holten wir Kocher und Tütensuppen hervor und setzten

Wasser auf. Unsere bewährten Mahlzeiten vom letzten

Lapplandaufenthalt hatten wir kurzerhand kopiert.

Die schnelle Zubereitung der 5-Minutengerichte war

für unsere Bedürfnisse gerade das Richtige. Frei nach

dem Motto „Schnell und Gut“ saßen wir bald um den

Holztisch und dinierten mitten im Waldparadies.

Der Zeltaufbau konnte ruhig noch etwas warten. Bei

angenehmen Temperaturen lauschten wir nach dem

Essen in die Stille hinein. Nach 17 Uhr waren wir ganz

alleine in der Schlucht und genossen es, ein weiteres

Mal mit dem Zelt „On Tour“ zu sein. Zwar waren die

Übernachtungen im Camper auch immer reizvoll, doch

im Zelt, das war dann doch noch mal was anderes.

Im Schlafsack nahm das Rauschen der Wutach mit

steigender Dunkelheit noch einmal an Lautstärke zu.

Nun bemerkten wir, dass wir unsere Taschenlampe

vergessen hatten, was wirklich ärgerlich war. Ein lauter

Vogelruf weckte uns so gegen drei Uhr ein letztes Mal.


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Am nächsten Morgen waren wir bereits recht früh auf

den Beinen. Während die beiden Frauen die Nutellabrote

schmierten, bauten Jan und ich das Zelt ab. Nach

unserem gemütlichen Frühstück liefen wir los. Der Weg

begann gleich mit einem kurzen Aufstieg, der unsere

Beine auf Betriebstemperatur brachte. Dann trafen wir

auf eine alte Staumauer, sie lag rechts unten in der

Schlucht. Die ringförmig betonierte Bogenstaumauer

war Teil des Wasserwerks Stallegg, das bereits 1889

als ältestes Flusskraftwerk Badens in Betrieb ging.

Nicht weit dahinter faszinierte uns die Stallegger Tanne,

die mit 280 Jahren und 52 Metern Höhe einen stattlichen

Metusalem darstellt.

An einem weiteren Zufluß, dem Rötenbach fanden

wir einen tollen Zeltplatz. Dieser war direkt an

der Wutach gelegen. Schnell hatten wir die Rucksäcke

abgestellt und die Schuhe ausgezogen.

Geradewegs drängte es alle in Richtung Wasser.

Ich ging mit gutem Beispiel voran und nahm ein

Komplettbad. Erfrischt kam ich ans Ufer zurück

und trat entspannt an das seichte Ufer. Meiner

Idee wollte aber keiner so richtig folgen. Die

Kinder erkundeten lieber den abenteuerlichen

Bachverlauf und Kerstin begnügte sich mit einer

kurzen Wäsche. Ich beobachtete einstweilen das

Treiben der beiden Flußwanderer und dachte ein

wenig neidisch an meine eigene Kindheit zurück.


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Unser nächster Anlaufpunkt, das „Räuberschlössle“ lag

hoch über der Wutach. Diese ehemalige Burg aus dem

14. Jahrhundert wurde bereits 1525 zerstört. Die Ruinen

aber dienten später als Versteck für Räuberbanden

und diese Tatsache hat sich im Namen erhalten.

Der Grund für die hohen Felsabstürze ist das Porphyrgestein

unter unseren Füßen. Dieses harte Gestein

stellte sich neben Granit und Gneis aus dem Grundgebirge

der Wutach hartnäckig entgegen und ließ nur

diesen äußerst schmalen Durchgang entstehen.

Wir schauten hinunter in die Tiefen der Schlucht und

waren von den Gegebenheiten fasziniert. Gleich hinter

dem Schlösschen ging es schon wieder bergauf.

Bald waren wir über der Schlucht auf Feldern unterwegs und liefen dabei einen

Knick in die Route. Dabei tankten wir kräftig die heiße Sonne und waren froh, als

es wieder sachte in die schattige Wutachschlucht hinab ging. An der Schattenmühle

angekommen, war erst einmal Mittagsrast angesagt. „Wo ist da der

Schatten?“, meinte Jan. Die Sonne schien erbarmungslos auf uns herab, als wir

die Terrasse ansteuerten.

Wir flüchteten vor der Sonne und genossen anschließend die Vorzüge der

Schwarzwälder Küche. Danach gab es zur Belohnung auch noch Eis und Kaiserschmarrn.

„Jetzt wäre ein Nickerchen eine Wohltat“, dachte ich bei mir. Doch

unser Weg führte uns weiter, den Windungen der Wutach entlang. Ein schmaler

Streifen Bundsandstein kreuzte unseren Weg, bevor wir vor Bad Boll in den

Muschelkalk eintauchten.


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Die Raupe des Kiefernschwärmers,

einer Nachtschwärmerart,

erkennt man

an ihrem Stachel und der

grün-weißen Färbung. Sie

hatte es sich am Wegrand

gemütlich gemacht.


Ein Wasserfall war vor der

Dietfurtbrücke noch einmal

eine willkommene Abwechslung.

Früher diente sie als

Zollbrücke. Heute führt sie

den Wanderer direkt in den

verlassenen Kurort Bad Boll.

Winston Churchill soll hier als

Mitglied des „Royal Fishing

Club of London“ mehrmals

gewesen sein, um nach den

damals geschätzten Wutacher

Forellen zu angeln. Heute sind

von dem Ort nur noch Ruinen

und eine alte Kapelle sichtbar.

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Weiter ging es durch imposante Muschelkalkfelsen im 950 Hektar großen

Naturschutzgebiet. An der Felsengalerie machten wir kurz einen Halt,

um den Rest aus den Feldfl aschen zu trinken. Die Schwüle setzte uns

auf diesem Abschnitt gehörig zu. Wir wurden nun von Springkraut und

großblättrigen, gigantischen Staudengewächsen umrahmt und fühlten

uns dabei wie in den Tropen.

Anschließend ging es wieder steil hinauf in die Felswand, wobei erneut

tolle Ausblicke zurück in die Schlucht möglich waren. Endlich waren

wir im Herzen des Naturwunders Wutachschlucht angekommen. Nicht

weit hinter der Felsgalerie erreichten wir die Schurhammerhütte. Sie ist

benannt nach Herman Schurhammer, der als Vater dieses Naturschutzgebietes

gilt. Am dortigen Grillplatz beenden wir unsere Tagesetappe.


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Wutach-Wildnis. Man kommt

sich vor wie in Kanada, nur

ist es vor der Haustür im

Schwarzwald.


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Nun war Wasserspaß am Fluss angesagt. Wir rollten unsere Isomatten

am Steinufer aus und machten es uns gemütlich. Stundenlang konnten

sich Jan und Lena hier beschäftigen und auch an diesem Tag waren

Müdigkeit und Lauffaulheit beim Steinesuchen wie weggezaubert. Kaum

hatten sie ihre Rucksäcke abgesetzt, turnten beide wie wild am Fluss hin

und her. Wir genossen es den Beiden zuzuschauen und viel zu schnell

ging der Nachmittag vorüber.


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Bis in die sonnigen Abendstunden bauten wir noch Steinmanderl

am Ufer auf. Die Urlaubsstimmung hatte sich auf ganzer Linie breit

gemacht. Wir freuten uns auf das zweite Nudelgericht und gingen

müde, aber zufrieden recht früh ins Zelt. Ich hoffe, ich muss nicht extra

erwähnen, dass wir beim Zelten nur unsere Fußspuren hinterlassen.

Am nächsten Morgen verließen wir den Platz so, als wären wir gar

nicht hier gewesen.

Der dritte Tag fing dann mit Regen an und auch die halbe Nacht hatte

es bereits gewittert. Wir frühstückten daher in der Schutzhütte. Pünktlich

um 8.30 Uhr hörte der Regen beim Loslaufen plötzlich auf. Welch

ein Glück hatten wir da gehabt. Unser Weg begann am dritten Tag

mit herrlichen Felsquerungen, bis ein größeres Hindernis unserem

anfänglichen Tempo ein jähes Ende setzte. Vermutlich durch einen

Blitzschlag war ein Baum quer über den Abhang herabgefallen und

versperrte nun unseren Weg. Ein kleines Abenteuer begann.

Mühsam kraxelten wir nacheinander durch das Geäst, was mit den

Rucksäcken auf dem Buckel nicht wirklich einfach war. Am leichtesten

hatten es noch die Kinder. Schnell waren sie zwischen den Holzgabeln

hindurchgehuscht. Doch wie sollte ich das mit meinem Rucksack

hinkriegen? Schließlich war es uns allen vieren dann doch gelungen,

das Hindernis zu passieren und dabei nicht in die Wutach zu fallen.

Erleichtert setzten wir unseren Weg fort, querten herrliche Felsnadeln

und standen plötzlich vor einer riesigen Wand aus Kalkstein. Sie türmte

sich vor uns auf wie die Kletterfelsen in der fränkischen Schweiz,

nur mit dem Unterschied, dass direkt darunter die Wutach vorbeifl oss.

Ein herrliches Plätzchen hatten wir da entdeckt. Am liebsten wären wir

gleich hier geblieben und hätten unser Zelt erneut aufgebaut. Doch wir

waren erst eine gute Stunde unterwegs.


Teilweise ist das Vorwärtskommen

auf dem Schluchtensteig

kein Zuckerschlecken.

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Impressionen aus der

Wutachschlucht.


Zauberhafte Wildnis

mitten in Deutschland.

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Wir hatten noch etwa vier Kilometer bis zur Wutachmühle zu laufen. Der Weg blieb

weiterhin spannend. Trotzdem freuten wir uns auf unsere erste Vesperpause. Das

Wetter hatte sich beruhigt und wir konnten nun die Rucksäcke zum Trocknen mit dem

Tragegestell in Richtung Sonne stellen. Anschließend zogen wir die nassen Sachen

aus. „Die sechs Kilometer nach Achendorf schaffen wir jetzt auch noch“, motivierten

wir uns einstimmig. Nach so einer zünftigen Brotzeit war das auch kein Problem und

weiter gings. Ein leichter Weg führte uns dann am Fluss weiter hinab. Die Sonne

hatte sich wieder durchgesetzt und bescherte uns einen angenehmen Nachmittag. In

Achendorf wurden ein letztes Mal die Wasserfl aschen aufgefüllt, dann schlenderten

wir den restlichen Kilometer einer großen Wiese entgegen, die uns ein Bauer empfohlen

hatte. Wir hatten es geschafft, bauten das Zelt auf und legten uns zum Entspannen

in die Sonne. Während ich ein paar Zeilen schrieb, teilte Jan die heutige Ration

Gummibärchen auf und die Mädels zauberten schöne Frisuren in der Mittagssonne.


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Am nächsten Tag ging es erst einmal wieder vier Kilometer hinauf nach Blumegg, doch gleich anschließend wieder

hinab zur Wutach. Der Weg war immer noch total schön. Wir überquerten Holzstege und bald die Sauschwänzlesbahn.

Diese kurvenreiche Strecke wurde vor 120 Jahren als so genannte „Kanonenbahn“ gebaut. 1871 hatte man

sie im Krieg mit Frankreich für befürchtete Truppenverlegungen als unverzichtbar angesehen. Dabei schreckte man

auch vor der Höhendifferenz zwischen Weizen und Blumberg von ganzen 230 Höhenmetern auf nur zehn Kilometern

Streckenentfernung nicht zurück. Zum Einsatz kam die Bahn aber erst im zweiten Weltkrieg. Heute ist sie eine

Tourismusattraktion und wird mit Dampfl okomotiven befahren.

Wir unterliefen eine der Bahnbrücken und wanderten weiter bis nach Weizen. Hier war unsere Tour auf dem

Schluchtensteig zu Ende und wir nahmen den Bus zurück nach Lenzkirch. Dort angekommen, sortierten wir die

Wandersachen aus und schickten sie samt den großen Rucksäcken mit der Post zurück nach Hause, denn im

Camper waren wir ja zu viert und der Platz wurde für den anschließenden Aufenthalt in Südfrankreich gebraucht.

Die wenigen Kilometer zwischen Achenkirch und der Donau fuhr ich dann sieben Jahre später mit dem Rad, um

meine Schwarzwalddurchquerung abzuschließen. Es war der Einstieg einer Radelstrecke, die mich an der oberen

Donau entlang bis nach Thiergarten brachte. Doch davon mehr in der nächsten Geschichte.


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Obere Donau

Entlang der Oberen

Donau trifft man auf

traumhafte Landschaften,

wie etwa

acht Kilometer vor

Beuron.


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Im Südwesten der Schwäbischen Alb begegnen wir einer einzigartigen Naturlandschaft.

Das Obere Donautal, das auch als „Schwäbischer Grand Canyon“ bezeichnet

wird, ist das Herzstück des Naturparks Obere Donau. Es zählt zu den eindrucksvollsten

und artenreichsten Naturlandschaften unseres Landes.

Das felsenreiche, tief eingeschnittene Durchbruchstal der Jungen Donau reicht von

Mühlheim bzw. Fridingen im Landkreis Tuttlingen über Beuron, Thiergarten und

Gutenstein bis Inzigkofen bei Sigmaringen. Entstanden ist diese Landschaft, indem

sich die Donau ein tiefes Bett durch das Juragestein der Schwäbischen Alb gegraben

hat und dabei mächtige Kalkfelsen freigelegt wurden.

Nach der Wolga ist die Donau der zweitgrößte und zweitlängste Fluss Europas und

sie durchfließt zehn Länder. Das sind so viele wie bei keinem anderen Fluss auf

der Erde. Entlang ihres Flussbettes ist aber auch die Fauna von außergewöhnlicher

Schönheit. So sind neben vielen Libellenarten auch Eisvögel und Wasseramseln

in ihrer Ufervegetation zu Hause.

Die Tallandschaft kann bequem mit dem Rad und teilweise auch mit dem Boot

erkundet werden. Sie wartet geradezu auf aufmerksame Besucher.


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Die Donau zwischen

Donaueschingen und

Sigmaringen gehört

zu den landschaftlich

eindrucksvollsten

Landschaften Süddeutschlands.

Während ihres

Verlaufes wechseln

sich Kalkfelsen,

Wiesen- und Waldlandschaften,

aber

auch zahlreiche

Burgruinen stetig ab.


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Die Route

Bei der Donau ist alles ein wenig anders. Die Donauquelle in Donaueschingen ist eigentlich

gar nicht die Quelle. Denn kaum beginnt der Fluss, verschwindet er plötzlich auch

schon wieder. Die Erklärung, warum das so ist, werden Sie während der Radtour auf Hinweisschildern

mehrfach erfahren. Vor allem aber gehört die erste Etappe des Donauradweges

zu den landschaftlich eindrucksvollsten

Strecken. Die Kalkfelsen ragen rechts und links

hoch in den Himmel empor, denn die Donau hat

sich tief durch das Gestein gefressen und eine

wahre Meisterleistung erschaffen. Zahlreiche

Burgruinen auf den Felsen sind stille Zeugen

einer längst vergangenen Zeit und erfreuen

immer wieder den Betrachter.

Allmählich wird das Tal dann breiter und die Donau fließt in weiten Schleifen dahin.

Wenn man die Obere Donau erleben will, darf auch eine Kanufahrt nicht fehlen. Davon

erzählt die zweite Geschichte.


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Radelspaß durch Kalkfelsen

Juni 2019

Achdorf ist ein kleiner Ort in der Wutachschlucht, der seit 1972 zur Stadt Blumberg gehört. Er liegt in

einem Talkessel, an dem die Wutach in ihrem weiteren Verlauf in Richtung Süden weiterfließt. Hier

startete ich zu einer Radtour, die mich über den östlichen Schwarzwald und weiter an der Donau

entlang bis nach Thiergarten führen sollte.

Nach der dreieinhalbstündigen Anfart über die A81 war ich am Start guter

Dinge, denn die Sonne stand strahlend am Firmament. Nachdem ich mich

vorerst von Jan verabschiedet hatte, trat ich bei herrlichstem Wetter die

erste leichte Steigung empor. Jan hatte mich in Achdorf abgesetzt und wir

würden uns in Thiergarten wieder treffen. So war der Plan.

Den Ort, dessen erste Nennung auf das Jahr 775 zurückgeht, verließ ich

über das Krottenbachtal in Richtung Norden. Gleich hinter dem Ortsausgang

geht es in Richtung Eschach, dann etwas steiler bergauf. Ich

beobachtete einen Rotmilan, der über mir seine Kreise zog. Er drehte

bald in Richtung Wutachschlucht ab und ich schaute ihm noch eine Weile

hinterher. Mein Puls kam nun immer mehr auf Touren, aber ich gewann

dabei stetig an Höhe.


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Hoch motiviert trat ich in die Pedale, während mir die

Bäume ihr sattes Grün entgegenstrahlten. Der Wald

wechselte sich mit bunten Blumenwiesen ab, und die

Straße schlängelte sich am Krottenbach entlang stetig

bergauf.

Auf schattigen Straßenbereichen wehte mir gelegentlich

ein kühlerer Wind entgegen, den ich als sehr angenehm

empfand. Am Ortsausgang von Opferdingen wunderte

ich mich über die Beschilderung nach Hausen im Wald

und ich fragte mich, ob es nun drei oder vier Kilometer

zu radeln waren.


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Ich trat fleißig in die Pedale und folgte hinter einer

scharfen Kurve einem Waldweg weiter am Krottenbach

entlang. Der feuchte Boden war nun etwas schwieriger

zu befahren als die Teerstraße davor. Mittlerweile befand

ich mich jedoch bereits über 700 Meter Höhe.

Nach einem kurzen steilen Anstieg verließ ich den Wald

bereits wieder und stand am Rand eines Feldes, das

sich weit nach Osten hin öffnete. Nachdem ich den

schönen Ausblick betrachtet hatte, radelte ich weiter

über einen Feldweg hinab und rollte in Behla ein.

Das schmucke Örtchen liegt direkt an der B27, die

ziemlich stark befahren ist. Gleich an der Ortsausfahrt

lud eine Bankgruppe zur kurzen Rast ein. Erneut ließ

ich meinen Blick über die Weiten der Felder schweifen

und nahm dabei einen Schluck aus meiner Trinkflasche.

Auf dem Ortsschild, das direkt an der Bank stand, war

der Name Sumpfohren zu lesen. Dies freute mich, denn

es bestätigte, dass ich nach meiner wilden Feldabfahrt

auf dem richtigen Weg war.


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Nach Behla ging es dann etwa fünf Kilometer bergab bis

nach Neudingen. Hier erreichte ich endlich die Donau, die

an dieser Stelle bereits erstaunlich breit dahinfl oss. Seit

ihrem Ursprung im Schlossgarten in Donaueschingen hat

der Fluss an dieser Stelle bereits 22 Quellen aus dem

Umfeld eingesammelt, doch war er zumindest schon

mal da. Denn wie ich bereits gelesen hatte, konnte die

Donau einige Anomalien vorweisen. Nach einem kurzen

unterirdischen Lauf mündet sie nämlich in die Brigach und

vereinigt sich nach eineinhalb Kilometer erst mit der Breg

zur eigentlichen Donau. Ab dort fl ießt sie hinter Donaueschingen

weiter durch eine breite Landschaft.

Der Fluss zählt zu den ältesten und wichtigsten europäischen

Handelsrouten. Er verbindet die unterschiedlichsten

Kulturkreise und Landschaften. Von unverbauten

Naturräumen an der oberen Donau fl ießt er anschließend

durch das Alpenvorland und das Wiener Becken über die

Pannonische Tiefebene bis ins Schwarze Meer. Ihrem

Lauf ein weiteres Mal zu folgen, das wollte ich nun tun.


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Die Donau ist zwischen

Neudingen und Geisingen

bereits ein breiter Fluss.

Mäandernd fließt sie auf ihren

2857 Kilometern in Richtung

Osten quer durch Europa und

zehn Länder. So viele wie kein

anderer Fluss auf der Erde.


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Bald war ich in Neudingen angekommen. Von dort

waren es noch etwa acht Kilometer nach Geisingen.

Ich fuhr an blühenden Wiesen und Feldern vorbei und

ein Distelfink begleitete mich mit seinem wellenförmigen

Flug ein Stück des Weges. Etwa eineinhalb Stunden

nach meinem Start an der Wutach erreichte ich Geisingen.

Die Sonne stand jetzt senkrecht über mir und der

Schweiß perlte unter meiner Sonnenbrille hervor. Die

Hitze des Tages hatte nun ihren Höhepunkt erreicht und

das ließ sie mich spüren. Dazu kam, dass ich nun ein

paar mal nach dem Radweg suchen musste, der erst ab

Hintschingen wieder gut ausgeschildert war. Davor hatten

einige Brückensperrungen für Verwirrung gesorgt.

Ich war daher streckenweise auf die Bundesstraße

ausgewichen. Auto an Auto raste in dieser Zeit an mir

vorbei und dazwischen ich, ein lästiger Radfahrer. Das

machte nur wenig Spaß und ich freute mich, als ich in

Hintschingen erneut auf dem Radweg einbog und meine

Aufmerksamkeit wieder ganz der Landschaft galt.

In Immendingen, etwa 15 Kilometer vor Tuttlingen,

rastete ich an einer naturnah gestalteten Wasserstufe.

Fünf bis sechs Bachstelzen suchten wippend das

Flußufer nach Nahrung ab. Ich schaute ihnen aufmerksam

zu, während ich einige Male meine Wasserfl asche

zum Trinken ansetzte. Es machte Freude zu sehen,

dass solche Baumaßnahmen auch von wasserbewohnenden

Vögeln gerne angenommen wird.


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Naturnaher Flussabschnitt bei

Immendingen an der Oberen

Donau.


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Und weiter ging es an der Donau entlang. Nach einer

weiteren Schleife sah ich die ersten Häuser und den

Kirchturm von Möhringen. Der Ort, der über dem Ufer

des Flusses plötzlich auftauchte, erwartete mich mit

seinem schmucken Rathaus.

Hinter Möhringen radelte ich an mehreren Altwasserarmen

vorbei und erreichte bald den Nägelsee. Hier hat

der 20 Jahre lang stattfi ndende Kiesabbau deutliche

Spuren hinterlassen. 1969 wurde zusätzlich dieser

Donauabschnitt begradigt und an den Altgewässern

wurden Baggerseen angelegt. Hochwasser, aber auch

sinkende Grundwasserspiegel führten in der Folge zu

einem dramatischen Verlust an Lebensräumen.

Viele Tier- und Pfl anzenarten hatten unter diesen

Eingriffen zu leiden. Letztlich waren darüber hinaus die

Selbstreinigungskräfte des Flusses stark gestört und

Baden-Württemberg beschloss 1992 in einem ökologischen

Gesamtkonzept das „Integrierte Donauprogramm“

(IDP) umzusetzen.


1994 renaturierte Tuttlingen

den Nägelsee und es entstand

vor den Toren der Stadt

ein Baustein für das „Integrierte

Donauprogramm“

(IDP) mit dem Ziel der

Wiederherstellung des

naturnahen Gewässerlaufes.

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Ich erreichte die Kreisstadt Tuttlingen. Mit über 35.000

Einwohnern ist sie das Zentrum des gleichnamigen

Landkreises. Neidisch blickte ich vom Fahrradweg

hinüber auf das Freibad der Stadt, das am westlichen

Stadtrand lag und bedauerte, meine Badehose nicht in

den Rucksack gepackt zu haben. Gerne wäre ich in das

kühle Wasser hineingesprungen.

Nun erhielt ich über WhatsApp eine Nachricht. Jan

war bereits am Zielort eingetroffen, doch vor mir lag

noch eine Strecke von etwa 40 Kilometern. Ich verließ

daher zügig die Stadt und radelte weiter Donauabwärts.

Gleich an der ersten Donauschleife hinter Tuttlingen

stieß ich auf einen weiteren renaturierten Altarm des

Flusses. Diese Naturoasen begeisterten mich immer

wieder, denn die Wiederherstellung ursprünglicher Gewässerabschnitte

dienen seltenen Arten als Rückzugsraum

und bewahren sie so vor dem Aussterben.

Dies trifft auch für den Feuersalamander zu, der wieder

in sein ehemals besiedeltes Gebiet zurückgekehrt ist.

Auch die zahlreichen Kaulquappen, die sich direkt an

der Wasseroberfläche tummeln, lassen erkennen, dass

mit den Renaturierungsmaßnahmen das Leben auch

wieder zurückkehren kann, wenn wir es zulassen.


Ein renaturierter Altarm

der Donau liegt direkt auf

der Grenze zwischen Nendingen

und Tuttlingen. Die

abgestorbenen Bäume

dienen zusätzlich Spechten

als Lebensraum.

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Ausgedehnte Wiesenlandschaften

und überschaubar

große Gemeinden

prägen die Täler an

der oberen Donau.


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Ich radelte an weitläufi gen Blumenwiesen entlang und

ließ mich dabei gedanklich vom Vogelgezwitscher in die

Natur hineinziehen. Bald tauchte hinter den Wiesenlandschaften

die Gemeinde Stetten auf, ein Ortsteil der

Stadt Mühlheim an der Donau mit etwa 730 Einwohnern.

Man glaubt kaum, dass sich hier in den letzten

50 Jahren etwas verändert hat. Mühlheim selbst besitzt

einen 800 Jahre alten Stadtkern, wobei das Fachwerkrathaus

und der Dorfbrunnen wie eh und je im Zentrum

liegen. Die schöne Innenstadt ist vom Radweg aus über

einen Anstieg zu erreichen und sie scheint geradezu

unter einem Bergrücken über der Donau zu kleben.

Durch die verwinkelten Gässchen ging es vom Marktplatz

aus bald wieder bergab zum Flusstal zurück.


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Am Ortsausgang von Mühlheim an der unteren Mühle

schenkte mir ein Lama seine Aufmerksamkeit. Da ich

kurz stehen blieb, wurde es neugierig und kam mir

entgegen. Mich faszinierte jedoch im selben Augenblick

etwas anderes. Vor mir spitzte der erste Donaufelsen

aus den Baumwipfeln hervor. Er, der „Gelber Fels“ genannt

wird, war aber nur ein kleiner Vorgeschmack auf

das, was mich auf den folgenden Kilometern erwarten

würde.

Gerne hätte ich nun die dahinter liegende Mühlheimer

Höhle oder die benachbarte Kolbinger Höhle besucht,

denn sie gehören zu den Bedeutendsten und Größten

der Schwäbischen Alb. Doch der Tag war durch den

Streckenverlauf, der mich donauabwärts bis nach Thiergarten

führen sollte, verplant. Ich konzentrierte mich

daher auf die direkt am Radweg liegenden Besonderheiten,

die aber nicht weniger beeindruckend waren.


Im Naturschutzgebiet

„Buchhalde-Oberes

Donautal“ direkt hinter

Mühlheim haben sich

wieder Biber angesiedelt.

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Ein solch kleines Naturwunder stellt die Wulfbachaue

dar, die direkt hinter Mühlheim bestaunt werden kann.

Dort haben sich im Naturschutzgebiet „Buchhalde-Oberes

Donautal“ wieder Biber angesiedelt, wobei die Tiere

es mit der Akzeptanz durch uns Menschen nicht leicht

haben. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden sie sogar

fast ausgerottet. Den letzten baden-württembergischen

Biber hatte man bereits 1834 im Iller-Mündungsbereich

erlegt, doch über die Schweiz kamen die Wasserbewohner

ab 1960 wieder zurück und 1978 konnte

erstmalig ein Exemplar bei Geisingen nachgewiesen

werden. Heute ist der Biber an der Donau und ihren Nebenfl

üssen somit ein zweites Mal heimisch geworden,

was ein gutes Zeichen des Miteinanders von Mensch

und Natur ist.


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Im weiteren Streckenverlauf entlang der Donau beeidrucken

die Felsformationen den Betrachter in immer

kürzeren Abständen. Laibfelsen und Stiegelesfels

türmen sich über dem Tal auf. Sie zwangen den Fluss

sich in immer enger werdenden Windungen durch die

Landschaft zu schlängeln. Wie der Fluss, so musste

auch der Mensch den Schienenverlauf dem kurvenreichen

Donautal anpassen. Es kam mir vor, als ob ich

durch die Kulisse eines Karl-May-Films radeln würde.

An jeder Ecke könnte plötzlich ein Indianer oder ein

Cowboy auftauchen.


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Eine grasende Rinderherde

mit Felsen im Hintergrund.

Wer will da noch in den

Wilden Westen reisen.


Traumhafte Naturkulisse

bei Fridingen an der

Oberen Donau.

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Acht Kilometer vor Beuron

tauchte ich ein weiteres

Mal in eine außergewöhnliche

Landschaft ein. Ich

war nun direkt unter den

Felsen und gleichzeitig am

Fluss.


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Die Strecke zwischen Fridingen und Thiergarten gehört

aus meiner Sicht zu den landschaftlich schönsten

Abschnitten entlang der Donau innerhalb Deutschlands,

vor allem, weil sich hier grüne Landschaftselemente

und hoch aufragende Felsen in immer kürzeren Abständen

abwechseln. Daher stieg ich öfter ab und genoss

diese einmaligen Eindrücke.

Ich konnte mich nun an der Natur kaum satt sehen und

fragte mich, wie diese weißen Felslandschaften, die das

obere Donautal so eindrucksvoll prägen, wohl entstanden

waren. Dazu muss man jedoch etwa 150 Millionen

Jahre zurückblicken, in eine Zeit, in der weite Teile

Deutschlands unter dem Wasserspiegel lagen.


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Die hellen Felsen, an

denen ich vorbeiradelte,

sind die Reste eines etwa

150 Millionen Jahre alten

Riffgesteins.


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Süddeutschland war damals weitgehend von einem

warmen, subtropischen Meer überflutet, das heute

als Jurameer bezeichnet wird. Es war das Randmeer

des noch größeren Tethysmeeres, dessen Lage dem

heutigen Indischen Ozean entspricht.

Das Klima zu dieser Zeit war deutlich wärmer als

heute, denn alleine die Wassertemperaturen lagen bei

etwa 22°C. Dieses Klima war die Grundlage für die

Ansiedlung riffbildender Organismen, wie zum Beispiel

Korallen, die in der Region der schwäbischen Alb, die

heute sichtbaren weißen Kalkfelsen in einem Zeitraum

von vielen Millionen Jahren aufbauten. Die Küste

dieses Meeres lag damals etwa 20 Kilometer nördlich

von Ulm im Lonetal.

Um diese großartigen Felsen zu bilden, mussten die riffbildenden

Organismen vom Grund des Meeres immer

weiter emporgewachsen sein. Es waren große tropische

Riffe, die den heutigen Korallenriffen sehr ähnlich

waren, denn auch sie reichen bis fast an die Wasseroberfläche.

Das Gestein, das im Laufe der Zeit aus den

Riffen entstand, wird heute Massenkalk genannt. Es ist

ein extrem hartes und widerstandsfähiges Gestein,

das der Verwitterung, aber auch der Erosion weitaus

besser stand hält, als das weiche Gestein des Umfeldes.

So lässt sich erklären, dass sich nur das harte

Gestein bis heute erhalten hat und immer noch auf der

Schwäbischen Alb zu sehen ist.


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Ich erreichte das Kloster in Beuron. Es liegt andächtig

umrahmt von den Kalkfelsen des Donautals in einem

weiten Kessel. Für mich ist es einer der schönsten Orte

an der Oberen Donau. Das Kloster selbst wurde bereits

in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts gegründet

und wechselte im Laufe der Zeit immer wieder der Besitzer.

Am Anfang waren es Kanoniker, die unter päpstlichem

Schutz standen, später waren es Augustiner,

aber auch weltliche Herrschaften, wie etwa die Grafen

von Hohenzollern oder die Freiherren von Enzberg.

1863 wurde es dann zu einem Benediktinerkloster und

das ist es bis zum heutigen Tag geblieben. Die weitläufi

ge und protzige Anlage umgibt eine friedliche Aura,

die man besonders in den Morgen- und Abendstunden

spürt, wenn der Parkplatz vor der Anlage noch leer ist.

Dieses Gefühl spürte ich zum ersten Mal im Sommer

2010, als wir hier im Camper vor unserer Kanutour

übernachteten, doch davon später mehr.


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Als ich hinter Beuron über eine Brücke fuhr, wurde mir

wieder bewusst, was mich seit über zehn Jahren an der

Oberen Donau so fesselt. Es ist der einmalige Kontrast

mehrerer Lebensräume, die hier direkt aufeinander treffen.

Es sind die Dinge, die unser Leben ermöglichen.

Es ist das direkte Zusammentreffen von Fels, Wald und

Wasser.


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Die Burg Wildenstein liegt

etwa einen Kilometer hinter

Beuron Donauabwärts.


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waren etwa gigantische Ichtyosaurier, die bis zu 18

Meter lang werden konnten, aber auch Haie, Krokodilarten

und andere Fische besiedelten das Jurameer. Viele

Lebewesen traten auf und verschwanden später wieder.

Doch sie hinterließen unzählige Spuren, die man heute

in den Felslandschaften der Oberen Donau und in den

nahgelegenen Kalksteinbrüchen wiederentdecken

kann. Durch sie können Paläontologen, so heißen die

Dinosaurierforscher wissenschaftlich, das marine Leben

von damals rekonstruieren. Anschauen kann man diese

Funde etwa im Juramuseum im Schloss Willibaldsburg

in Eichstätt. Im dortigen Naturkundemuseum trifft man

auf eine umfangreiche Ausstellung von Jura-Fossilien

aus den Steinbrüchen von Solnhofen und Umgebung,

darunter Meeresreptilien, Flugsaurier und ein Exemplar

des Frühvogels Archaeopteryx.

Wenn man sich durch das Donautal bewegt, kann man

nicht erfassen, dass diese Landschaft einmal gänzlich

unter Wasser lag. Diesen für uns heute unglaublichen

Zustand sollte man jedoch versuchen zu verinnerlichen,

wenn man durch die Windungen des Donautals hindurchfährt

und an den weißen Kalkfelsen emporschaut.

Versuchen Sie für einige Augenblicke in dieses Meer

gedanklich einzutauchen, denn in ihm lebten nicht nur

Korallen, sondern dort schwammen auch riesige Saurier

umher und auch sie hinterließen in der Schwäbischen

und Fränkischen Alb ihre Spuren.

Über die Jahrmillionen formte sich aber nicht nur die

Landschaft immer wieder neu und erschuf erstaunliche

Welten, auch die Tierwelt entwickelte sich stetig fort.

Die faszinierenden Tiere, die hier damals lebten,


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Schloss Werenwag erhebt

sich hoch über die Donau.

Schon von Weitem kann

man die Gebäude auf den

Kalkfelsen erkennen.


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Das Schloss Werenwag ist direkt auf einem Felssporn

gebaut. Auch die Anfänge dieser Anlage lassen sich bis

in das 11. Jahrhundert zurückverfolgen.

Heute befi ndet sich das historische Bauwerk, das sich

in der Nähe von Beuron befi ndet, im Eigentum des

Hauses Fürstenberg und wird immer noch bewohnt.

Für die Öffentlichkeit ist es aber leider nicht zugänglich.

Daher muss man den Anblick vom Talgrund aus vom

Radweg genießen, die Aussicht von der Burg aus bleibt

dem Besucher des Tals leider verwehrt.


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Die Region zwischen Lone - und Donautal ist in einem Zeitraum von vielen Millionen

Jahren entstanden. Ihre weit sichtbaren weißen Kalkfelsen sind Zeitzeugen dieser

langen Geschichte. Doch um sie zu begreifen, müssen wir uns dafür öffnen und den

Gedanken Raum geben. Am einfachsten gelingt dies, wenn wir die Naturwunder

gesehen haben und bereit sind, in diese schöne Welt einzutauchen. Ich wollte diese

einmalige Natur erleben und versuchte immer wieder tageweise ein Teil von ihr zu

sein, letztlich um sie besser verstehen zu können, denn sie ist unsere Lebensgrundlage,

die es zu erhalten gilt. Gerade wenn man durch das Tal der Oberen Donau fährt,

wird man zum Zeitzeugen. Man sieht in eine Art Spiegel des Lebens, das in vielen

Millionen Jahren entstanden ist und das wir mit unserem rücksichtslosen Handeln in

so kurzer Zeit zerstören.

Heute, wie schon damals, sind Oberes Donautal und Schwäbische Alb sehr artenreich.

Dieses Erbe gilt es nun zu erhalten. Es ist der Schatz vor unserer Haustür, den wir in

immer kürzeren Abständen verlieren. Es sind diese Gedanken, die mir am stärksten

begegnen, wenn ich mich in der Natur aufhalte. Sie in mir zu bündeln, ist der Grund,

weshalb ich mit meinem Moutainbike an unseren Flüssen entlang fahre.

Wenige Meter hinter Thiergarten, erreichte ich den Gutrshof Käppeler. Hier wollten wir für

eine Nacht bleiben. Im Garten direkt an der Donau ließ ich noch einmal den Tag Revue

passieren und erzählte Jan meine Eindrücke. Er war bereits eingetroffen und zeigte ebenfalls

Begeisterung für diese schöne Landschaft. Darüber hinaus hatte er eine Pizzeria

im nahe gelegenen Stetten entdeckt, dort wollten wir später noch zu Abend essen. Noch

lange erzählten wir uns gegenseitig Geschichten über die Erlebnisse des heutigen Tages.


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Von Thiergarten nach Sigmaringen

Juni 2010

Naturnahe Gewässer sind nicht nur für Naturliebhaber wichtig, sondern auch für Kanufahrer

reizvoll, denn dort passt noch alles zusammen. Paddelsport lässt sich bei entsprechender Rücksichtnahme

mit einem Naturerlebnis gut verbinden, daher versuchen beide Gruppen immer öfter

gemeinsam gegen Interessen aus Politik und Wirtschaft Position zu beziehen.

Das zeigt sich an der oberen Donau deutlich. Denn

selten ist eine Flusslandschaft in Deutschland so schön

wie zwischen Beuron und Sigmaringen. Das Engagement

für ein Stück frei fl ießende Donau ist daher ein

gemeinsames Ziel von Sportlern und Naturschützern

geworden.

Auch wir wollten die Natur vom Fluss aus genießen und

kamen an diesem sommerlichen Junitag in Beuron an.

Der Tag war bereits vor dem Paddeln voller schöner

Überraschungen gewesen. Am Abend davor waren wir

mit unserem Camper auf dem Parkplatz direkt am Kloster

angekommen. Schon die ersten Stunden machten

Lust auf mehr, denn ein tolles Abendrot legte sich um

die Felsen und das Schloss Werenwag.


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In der kommenden Nacht war eine Wolkenfront über

uns hinweggezogen und die hatte am Abend davor die

bunten Farben an den Himmel gezaubert. Doch das

schöne Wetter kehrte am nächsten Morgen zurück. Die

ersten Sonnenstrahlen weckten uns in unserem kleinen

Zuhause und auch der Hunger meldete sich. Auf den

wenigen Quadratmetern im Camperinneren will jeder

Handgriff gut geplant sein. Frühstück machen, Sitzbank

umklappen, Decken aufräumen, Equipment verstauen

usw. Zu viert ist dies immer eine organisatorische Meisterleistung,

die oftmals gute Nerven voraussetzt.

Bei schönem Wetter bauten wir den Frühstückstisch

vor dem Fahrzeug auf, während unsere zwei Kinder mit

ihren Rollern über den Parkplatz düsten. Bald saßen wir

am Campingtisch und genossen unsere Brote, Tee und

Kaffe und wurden zeitgleich mit unzähligen Geschichten

konfrontiert. Als Eltern ist man meist der Zuhörer,

doch wir versuchten auch die Aufmerksamkeit unserer

beiden Lieben zu gewinnen, redeten von den Felsen,

dem Tal und dem Donaufl uss, der uns erwartete.

Alle freuten sich nun auf

den Tag und die Kanufahrt.

Ungeduldig wollten

Jan und Lena sofort loslegen.

Doch vorher mussten

wir zusammenpacken und

nach Thiergarten fahren.

Dort erhielten wir das

Briefi ng bei Jack Rattles

im Tal der Piraten.


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Stolz trug Jan sein Paddel hinab zur Bootsablegestelle.

Nach einer Einweisung über die Gefahren auf der

Strecke und die Umtragungspunkte an den Stauwehren

konnte es losgehen.

Unser Boot zog ich mit einem Mitarbeiter von Jack

Rattle vom Hänger an den Fluss.

Die Spannung stieg, denn nachdem unser Boot zu

Wasser gelassen worden war, bestiegen wir nacheinander

das Kanu. Es wackelte beim Einsteigen etwas

stärker als unser Schlauchkanadier, mit dem wir zu

Hause gelegentlich paddelten, doch schnell waren wir

startklar und los ging es. Zu Beginn ließen wir uns erst

einmal von der Donau mitziehen.

Der Rest der Familie trug in der Zwischenzeit die

Paddel an den vielen Booten vorbei hinunter an den Fluss.


Gemächlich paddelten wir

mit dem Kanu die Donau

abwärts.

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332 Seite

Die erste Donauschleife war rasch gemeistert und wir passierten

den Thiergartenhof. Anschließend durchpaddelten

wir größere Teppiche mit Wasserpflanzen. Mit leisen

Singgeräuschen glitten die meterlangen Gewächse unter

unserem Boot hindurch. Mit vier Mann Besatzung waren

wir fortwährend am Seiten- bzw. Paddelwechsel, damit wir

unser Gefährt halbwegs geradeaus steuern konnten.


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Die Strömung des Flusses zwang uns ständig zur Korrektur, aber auch unsere

Paddelkünste waren noch nicht ganz perfekt gewesen. Immer wieder wollte das

Boot seitlich ausscheren. Wir steuerten durch Paddelschläge dagegen an, denn

uns war es wichtig, in der Mitte des Flusses zu bleiben. Dort konnte ich zum Filmen

und Fotografieren einige Sekunden Freiraum schaffen, während meine Mannschaft

aufgefordert war, fleißig zu paddeln. Ab und an mündeten kleinere Bäche in den

Fluss und betankten ihn so mit Sauerstoff.


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Nach etwa vier Kilometern erreichten wir Gutenstein.

Hier mussten wir das erste Mal ein Wehr umtragen. Bei

Dietfurt, nach etwa sieben Kilometern, das zweite Mal. Wir

stiegen jedesmal an der linken Seite aus und ein Kraftakt

begann.

Während beim Rudern Jan, Lena und Kerstin fleißig

waren, wurde beim Treideln nun hauptsächlich meine

Kraft gebraucht. Mühsam zog ich das Boot an Land und

schleppte es entlang des Treidelpfades weiter über die

Wiesenfläche bis an die nächste Einsetzstelle.


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Nachdem das Boot wieder

eingesetzt war, ging es

auf der Donau weiter den

Fluss hinab.

Es gibt keine bessere Möglichkeit um in die Natur einzutauchen.

Während wir gemächlich den dahinfließenden

Fluss hinunterpaddelten, lief die einmalige Bilderbuchlandschaft

wie im Kino an uns vorbei. Wir mussten unseren

Kanadier nur gelegentlich in einen idealen Betrachtungswinkel

drehen. Somit wurde der Energieaufwand für die

Fortbewegung auf ein Minimum reduziert. Nur das Verharren

an einer bestimmten Position war etwas schwieriger,

denn der Fluss zog unaufhaltsam weiter und nahm uns mit

auf seine Reise.


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Vom Wasser aus wurden Einblicke in

die Natur ermöglicht, die wir so noch nie

gesehen hatten. Wir befanden uns in

einer eigenen Welt und waren dabei den

Kräften des Wassers ausgesetzt.

Der Fluss gab das Tempo und die

Regeln vor, die wir zu beachten hatten.

Strömungen, Strudel und Wehre und

die Kraft des Wassers sollte niemand

unterschätzen.


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„Endlich kommt unsere verdiente Mittagspause“, sagte Jan.

Nach acht Kilometer Paddelstrecke lag an der linken Flussseite

ein herrliches Plätzchen vor uns. Die frisch gemähte

Wiese bot für Kanuten einen idealen Ort für eine Rast. Mit

kräftigen Zügen zog ich das Boot über die Treppenstufen

auf den Rastplatz hinauf.

Es war nicht leicht, den Kunststoffrumpf des GFK-Kanus

den Hang hinauf zu ziehen, denn er wiegt etwa 38 Kilogramm.

Dazu kommt noch der Reibungswiderstand des

Untergrundes. Ich kam dabei ganz schön außer Puste.


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Doch nach etwa der halben Strecke konnten wir erst

einmal ausruhen. Auch unser Picknick hatten wir uns jetzt

wirklich verdient. Wir saßen auf unserer Picknickdecke

und genossen die belegten Brötchen, sie schmeckten

nach den Anstrengungen der Bootsfahrt besonders lecker.

Als Nachtisch gab es nach dem Nickerchen noch ein paar

Gummibärchen. Herz was will man mehr.


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Gestärkt und ausgeruht ging es anschließend wieder an

die Strecke. Zunächst musste jedoch das Boot wieder in

die Donau abgelassen werden. Während ich alles gab,

unterstützte mich die Familie mit reichlich Beifall.

Nun hieß es einsteigen und schon konnte die zweite

Etappe unserer Donaufahrt beginnen.


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Entspannt ging es die

Donau weiter abwärts.


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Ein einzigartiges Erlebnis erwartete uns noch einmal bei

Kilometer 13 an der nächsten Schleuse. Für die Kanuten

stand ein separater Wasserkanal zur Verfügung, durch

den wir hinab fahren mussten. Dazu galt es zunächst

unser Boot in die richtige Position zu bringen. Anschließend

ging es über eine Rutsche hinab, während das Boot

rasant beschleunigte. Dabei kam Freizeitparkfeeling auf.

Lautstark quittierte die Bootsmanschaft das tolle Erlebnis.

Unten angekommen schauten wir noch einmal zurück auf

den hinter uns liegenden Kanal. „Nochmal“ war die erste

Reaktion von Jan und Lena und Gelächter löste die noch

am Einstieg vorherrschende Anspannung jetzt ganz auf.

Ich freute mich mit ihnen und hoffte, dass sie diese schönen

Erlebnisse lange in Erinnerung behalten werden.


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Bald waren wir am Ziel angekommen. Kurz vor Sigmaringen

verließen wir den Fluss und brachten unser Gepäck

vom Boot zum bereits wartenden Transportfahrzeug.

Sehnsüchtig schaute Lena noch einmal zurück

zum Fluss und zu den Booten. „Wollen wir

das wieder mal machen“?, fragte sie. „Ja, das

machen wir“, war die eindeutige Antwort von

allen.


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Das Hohenzollerschloss in Sigmaringen thront über der Donau auf

einem lang gestreckten Kalkfelsen und ist das größte aller Schlösser im

Donautal. Der Vorgängerbau, eine Burganlage aus dem 11. Jahrhundert,

wurde erstmals 1077 erwähnt. Damals hatte Rudolf von Schwaben

im Krieg gegen Kaiser Heinrich IV. die Burg vergeblich belagert.

Später war die Anlage lange Zeit Residenzschloss und

Verwaltungssitz der Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen

in der gleichnamigen baden-württembergischen Stadt.


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Wie ein Märchenschloss wirkt

das Hohenzollerschloss in

Sigmaringen auf den Betrachter.

Seine besondere Lage auf dem

lang gestreckten Kalkfelsen

über der Donau macht es zum

Wahrzeichen der Stadt.


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Schwäbische Alb


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Die Schwäbische Alb zählt zu den Mittelgebirgen in Süddeutschland. Sie ist etwa 200 km lang und

bis zu 40 km breit. Neben dem Schwarzwald und dem Bodensee gilt sie als eine der touristischen

Hauptattraktionen im Südwesten Deutschlands, denn sie ist sowohl Wander-, Kletter- als auch

Wintersportregion. Hervozuheben ist hierbei der Albtrauf, der den Nordwestrand des Gebirges

bezeichnet, eine über 200 Kilometer lange und bis zu 400 Meter hohe, meist steil abfallende

Schichtstufe. Von der Neckarseite aus erscheint der Albtrauf als zerklüftete, mauerartige Wand,

welche mit Wald und Felsformationen durchsetzt ist und ihr dadurch aus der Ferne einen bläulichen

Schimmer verleiht. Die höchsten Erhebungen der Alb reichen bis knapp über 1000 Meter

Meereshöhe hinauf, wobei sie alle im südwestlichen Teil der Alb, auf der so genannten Hohen

Schwabenalb und dem Großen Heuberg zu finden sind. Zwölf Eintausender befinden sich hier.

Zusammen mit der sich nach Nordosten fortsetzenden Fränkischen Alb wird die gesamte Region als

Südwestdeutsches Stufenland bezeichnet. Bekannt ist die Alb aber auch aufgrund ihrer erdgeschichtlichen

Besonderheiten. So wird als Trennlinie der beiden Alben das Nördlinger Ries angesehen, einem

kreisrunden Krater mit einem Durchmesser von über 20 Kilometern. Der Grund für die Entstehung des

Rieses soll ein Meteorit gewesen sein, der vor rund 14 Millionen Jahren hier einschlug und einen

Durchmesser von etwa 1,5 Kilometer gehabt haben soll. Doch auch die lange menschliche Besiedlungsgeschichte

seit der Steinzeit, mit zahlreichen materiellen und konstruktiven Hinterlassenschaften

aus allen Epochen, zeichnet sie sich als Region mit reichem kulturellem Erbe aus.


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Vom Zeller Horn aus

hat man wohl die beste

Postkartenperspektive

auf die über den Wolken

schwebende Stammburg

der Hohenzollern.


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Die Route

Den Untergrund der Alb bildet mesozoisches Kalkgestein aus der Zeit des Jura und sie gilt

als eines der größten zusammenhängenden Karstgebiete in Deutschland. Dies macht die

Schwäbische Alb für Wanderer so attraktiv, vor allem da die aufbauenden Schichten ungefaltet

und schräggestellt sind. Das hat zur Folge, dass sich die höchsten Punkte zum größten

Teil entlang des Albtraufs befinden und genau dort war ich zum Wandern unterwegs.

Von Traufgängen ist immer dann die Rede, wenn die

Wege entlang des steil abfallenden Albtraufs führen

und immer wieder überwältigende Ausblicke garantieren.

Die Aussichten reichen dann bis weit ins Schwabenland

hinein. Gleich 10 Premiumwanderwege wurden

auf der Albtrauf ausgezeichnet.

Zu den beliebtesten Touren gehören etwa der Traufgang

Zollernburg-Panorama, der zugleich beeindruckende

Blicke auf die märchenhaft thronende Burg

Hohenzollern bietet, oder der Weg zum Wackerstein bei Pfullingen.


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Zeller Horn und Wackerstein

September 2022

Exponierte Aussichtsfelsen wie der Hangende Stein, aber auch die Fernblicke von der Traufkante

bieten Panoramawandern pur. Die Rede ist von zwei kürzeren Touren, die ich auf der Albtrauf

unternommen habe. Am Ende sollten noch eine Höhle und einer der schönsten Burgen im

Schwäbischen meinen Besuch auf der Schwäbischen Alb abrunden.

Mein Besuch auf der Schwäbischen Alb begann an

einem vielversprechenden Spätsommertag. Die Anfahrt

über die A81 und anschließend weiter über die B27

nach Bisingen war unspektakulär. Schon um drei Uhr

in der Früh war ich in Partenstein gestartet und die

Autobahn war dementsprechend frei.

Bereits während der Anfahrt waren durch die Nebelschwaden

schöne Siluettenbilder möglich gewesen,

wie etwa vom Hohenzollernberg mit der Burg, die sich

mystisch vor dem hellen Horizont abzeichnete.

Weiter ging es dann über Onstmettingen hinauf nach

Raichenberg zum Parkplatz am Nägelehaus. Es war

noch frisch an diesem Morgen, aber das Wetter versprach

perfekt zu werden. Ausgerüstet mit Fotoausrüstung

und zusätzlicher Jacke machte ich mich an die

erste Teilstrecke hinüber zum Hangender Stein.


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Die weit auseinander stehenden knorrigen Eichen und

Buchen reihten sich lose aneinander, dazwischen eine

Wiese, dann wieder Wald. Es dauerte gar nicht lange,

bis ich auf dem Gradweg angekommen war. Genau hier

verläuft die Grenze zwischen Hechingen und Albstadt.

Spektakulär war dann die erste Aussicht vom Hangender

Stein aus von den Albtraufhängen hinab in das

Reichenbachtal. Auch die weiter nördlich gelegenen

Albtraufhänge, die sich bis hinauf nach Mössingen hinziehen,

waren aufgrund des schönen Wetters gut zu

erkennen. Nach ein paar Bildern wanderte ich immer

am Grad entlang nach Westen und wieder begleiteten

mich urige Baumgestalten.


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Manche von ihnen wuchsen spektakulär aus der

Schlucht direkt unter mir nach oben und zauberten mit

ihren störrischen Ästen eine Märchenstimmung direkt

vor meine Kamera und verleiteten mich immer wieder

dazu, mit dem Foto einen Schritt zurück und dabei in

die Hocke zu gehen. Zusätzlich wurden die Äste von

der aufgehenden Sonne umstrahlt. Schöner kann ein

Vormittag nicht sein.

Ich wanderte wie an einer Filmleinwand vorbei, die nicht

abwechslungsreicher hätte sein können. Das Spiel

zwischen Licht und Schatten, nah und fern, zog mich so

richtig in ihren Bann.


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Impressionen vom

Hangender Stein


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Mächtige Buchen und

knorrige Kiefern wachsen

bis an die Abbruchkante der

Albtraufhänge.


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Teilweise ragen die

Altbäume bis in die

Schlucht hinein, doch

gelegentlich schwindet

ihre Haltekraft und die

Kolosse fallen entwurzelt

in die Tiefe.


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Moment im Licht


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Albtraufhänge mit weiten

Aussichten.


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Viel zu schnell hatte ich das Zeller

Horns erreicht, dessen Aussicht

mir erneut den Atem nahm.

Dass ich dabei so viel Glück mit

dem Wetter hatte, freute mich

zusätzlich.


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Ich genoss nun von einer Bank aus das Lichtspiel der

in der Sonne liegenden Burg Hochenzollern, die sich

wie eine Gralsburg auf dem 855 Meter hohen Zollerberg

erhebt. Welch ein Glück ich doch hatte, da schmeckte

mein Apfel aus dem Rucksack gleich doppelt so gut. In

der Ferne konnte ich die Nebelschwaden ziehen sehen.

Hier vom Zeller Horn aus, hat man wohl die beste Postkartenperspektive

auf die scheinbar schwebende

Stammburg der Hohenzollern. Exponierte Aussichtsfelsen,

der abenteuerliche Hangende Stein, die

Buchenwälder sowie die Fernblicke von der Traufkante.

Schöner kann Panoramawandern nicht sein. Dieser

Rundweg ist ein Glanzlicht unter Deutschlands

Wanderwegen.

Man erreicht die Traufkante und blickt herunter auf die

weit entfernten Gemeinden, die unten im Tal liegen und

hier vom Zeller Horn aus kann man dann auch noch

das majestätische Wahrzeichen des Zollernalbkreises

bewundern.


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Der Rückweg führte mich ab dem Trauffelsen Ost über eine Wiesenlandschaft, die als Schafweide zu

erkennen war. Ich verließ nun die Traufkante mit Felsspornen, Klüften und wurzelgesäumten Pfaden.

Sie hatte mich in ihren Bann gezogen, doch nun folgte eine sanfte Albhochfl äche, geprägt von

Wacholderheiden und schier endlosen Wiesen, Feldern und Waldsäumen. Hier blühen blauer und

gelber Enzian, aber auch die Silberdistel. Bluthänfl ingen und Heidelerchen begegnet man hier noch

häufiger, ebenso dem Schachbrett und dem Schwalbenschwanz, zwei unserer schönsten Tagfaltern.

Hier oben zu sein ist Wandervergnügen pur! Doch bald erreichte ich den Parkplatz, dort wo mein

Auto stand. Ein herrlicher Auftakt meines Besuches der Albtraufhänge war gelungen. Ich hielt mich

noch ein wenig am schön gelegenen Nägelehaus auf, fuhr dann hinab nach Onstmettingen und blieb

an einem gemütlich aussehenden Kaffe im Ort stehen. Eine schwäbische Stimme begrüßte mich und

die Sprache gefi el mir auf anhieb, auch wenn ich mich als Franke quasi wie im Ausland fühlte. Anschließend

ging es hinauf auf den Zollerberg, um die schöne Aussicht von der Burg aus zu genießen.


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Die Burg Hohenzollern zählt zu den bekanntesten deutschen Sehenswürdigkeiten. Sie thront

auf dem kegelförmigen 855 Meter hohen Zollerberg und bietet einen fantastischen Rundblick.

Daneben gewährt ein Besuch Einblicke in die prachtvollen Säle und Gemächer der Anlage, die

sich seit rund 1.000 Jahren im Privatbesitz der Familie Hohenzollern befi ndet.

Sehr schön waren von hier aus die Ausblicke auf die knapp 900 Meter hohen Kuppen des Blasenberges

und des Heiligenkopfes, aber auch die Aussicht bis nach Bisingen und Geislingen

dahinter. Wenn man in Richtung Norden blickt, sieht man Hechingen und Stetten, aber auch

die Nordwestlichen Albtraufhänge mit dem Dreifürstenstein und den etwas niedrigeren Tirolerkopf.

An der weiten Aussicht über das Schwabenland kann man sich gar nicht satt sehen.


362 Seite

Als Nächstes galt es die Draufhänge auch einmal von unten zu sehen.

Saftige Wiesen und Felder wechseln sich hier mit Obstbaumplantagen ab.

Dazwischen trifft man auf weitläufi ge Rinderweiden, bevor es anschließend

wieder in die bewaldeten Albtraufhänge hinauf ging.


Seite 363

Für den zweiten Tag hatte ich mir zwei weitere Aussichtspunkte vorgenommen. Die

etwa 17 Kilometer lange Wanderung startete erneut auf einem Parkplatz, der sich

hinter der Stuhlsteige befand. Diese Teerstraße verbindet Pfullingen mit Genkingen.

Vom Parkplatz am Bergsattel aus führte mich der Wanderweg zunächst leicht bergan,

einem Halbkreis folgend, zum Wackerstein hinauf. Auf dem urigen Weg erreichte ich

bald eine Schutzhütte, die sich nicht weit vom Gipfel entfernt befand. Doch die Aussicht

von dort oben kann man kaum beschreiben, man muss sie gesehen haben.


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Aussicht vom Wackerstein

Wie das Donautal, so war auch die Schwäbische Alb vor Jahrmillionen von einem warmen,

subtropischen Meer überfl utet, das heute als Jurameer bezeichnet wird. Es war das Randmeer

des noch größeren Tethysmeeres, dessen Lage dem heutigen Indischen Ozean entspricht. Das

damals warme Klima war die Grundlage für die Ansiedlung riffbildender Organismen, die der

schwäbischen Alb ihr heutiges Gesicht gaben, denn die weißen Kalkfelsen sind in einem Zeitraum

von vielen Millionen Jahren entstanden.

Das Gestein, das im Laufe der Zeit aus den Riffen entstand, wird heute Massenkalk genannt. Es

ist ein extrem hartes und widerstandsfähiges Gestein, das der Verwitterung aber auch der Erosion

weitaus besser stand hält als das weiche Gestein des Umfeldes. Nur so lässt sich erklären,

dass sich nur das harte Gestein bis heute erhalten hat und auch heute noch auf der Schwäbischen

Alb zu sehen ist.


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Über die Jahrmillionen formte sich aber nicht nur die

Landschaft immer wieder neu und erschuf erstaunliche

Welten, auch die Tierwelt entwickelte sich stetig fort.

Die faszinierenden Tiere, die hier damals lebten, waren

gigantische Ichtyosaurier, die bis zu 18 Meter lang

werden konnten, aber auch Haie,

Krokodilarten und andere Fische besiedelten das Jurameer.

Viele Lebewesen traten auf und verschwanden

später wieder. Doch sie hinterließen unzählige Spuren,

die man heute in den Felslandschaften der Schwäbischen

Alb wiederentdecken kann. Viele Funde kann man

im Fossilienmuseum in Dotternhausen besichtigen.

Daher wurde das Gebiet 2004 zum Geopark erklärt.

Was ihn einzigartig macht, ist seine geologische

Vielfalt, die als weltweit einzigartig gilt. Doch neben

den weißen Kalkfelsen sind ebenso mächtige Höhlen

entstanden. Eine der Schönsten wollte ich auf meiner

Wanderung kennenlernen.


366 Seite

Nach guten zwei Kilometern erreichte ich

vom Wackerstein aus die Nebelhöhle. Sie

ist neben der Bärenhöhle eine der faszinierendsten

Orte in der Region. Die Höhlensysteme

auf der Schwäbischen Alb sind spektakulär

und ihr Besuch überaus spannend.

Entstanden sind sie durch Auswaschungen

größerer Flusssysteme, die heute vertrocknet

sind. Später haben sich dort über Jahrmillionen

Tropfsteine gebildet. Diese Stalaktiten,

die von der Decke der Höhle herabhängen,

haben Gegenstücke, die vom Boden emporwachsen

und Stalagmiten genannt werden.

In der Eiszeit haben sich die Menschen besonders

im Winter in den Höhlen aufgehalten

und dort ihre Spuren hinterlassen. Heute ist

diese Unterwelt vor allem Rückzugsgebiet

seltener Fledermäuse, von denen 24 Arten

auf der Schwäbischen Alb vorkommen.

Im Geopark Schwäbische Alb kann man

aber auch Reste vulkanischen Gesteins

finden. Diese lassen sich etwa in Bad Urach

bestaunen. Neben Versteinerungen fand man

auf der Alb Skelettreste von Dinosauriern.

Viel Arbeit war nötig, um diese Puzzleteile

wieder zusammenzufügen. Wissenschaftler

von der TU Tübingen machten sich an diese

Mammutaufgabe und heute kann man die zusammengesetzten

Skelette dort bewundern.


Seite 367

Nach dem Höhlenbesuch, bei dem ich mich

im Treppensteigen üben konnte, waren

weitere drei Kilometer zu laufen, bis mein

nächstes Etappenziel erreicht war. Schon

nach einer guten halben Stunde sah ich

die ersten Gebäude der Anlage vor mir.

Ich hatte Lichtenstein erreicht, das für

mich das eindrucksvollste Schloss in der

Schwäbischen Alb darstellt. Ich lief nun die

Aussichtspunkte ab und genoss die Weitsicht,

die mir das immer noch gute Wetter

bescherte. Unter mir lag das Echaztal und

hinter Lichtenstein konnte ich den Imenberg

erkennen, ein Kugelberg, der sich von den

anderen Erhebungen der Albtrauf visuell

abhebt. Noch eine Weile blieb ich an

diesem schönen Ort. Dann machte ich mich

auf den Rückweg.


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Schloss Lichtenstein zählt

zu den Schönsten auf der

Schwäbischen Alb.


Seite 369


370 Seite

Allgäuer Hochalpen


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Das Gebirge der Allgäuer Alpen liegt östlich des Bodensees. Zwei Länder haben einen Anteil an

diesem Gebierge. Deutschland mit dem Bundesland Bayern und Österreich mit den Bundesländern

Vorarlberg und Tirol. Die Allgäuer Alpen haben eine Ausdehnung von etwa 75 × 50

Kilometer. Vor allem die Allgäuer Hochalpen sind landschaftlich sehr beeindruckend, denn das

abwechslungsreiche Gebirge weist eine Vielfalt an Gesteinsarten auf, was zu unterschiedlichen

Lebensbedingungen führt. So gibt es nährstoffreiche, magere, basische, aber auch saure Standorte.

Die Höhe, das Klima und deren Dynamik sind weitere Gründe die dazu führten, dass unterschiedlichste

Tier- und Pflanzenarten dort ihre ökologische Nischen gefunden haben. Durch die

Lage am Nordrand der Alpen ist das Gebiet aber auch niederschlagsreich, es gilt sogar als das

Regenreichste von Deutschland.

Diese Erkenntnisse, dass die Allgäuer Hochalpen als artenreichstes Gebirge Deutschlands angesehen

werden, führten dazu, dass 1992 auf 20.724 Hektar Fläche Naturschutzgebiete ausgewiesen

wurden. 2002 erfolgte als logische Konsequenz die Meldung als Natura 2000 Gebiet. Außergewöhnlich

sind aber auch die Ausmaße. Von der Fläche her gesehen, ist es mit Abstand nicht nur

das größte Naturschutzgebiet im Regierungsbezirk Schwaben, sondern sogar größer als einige

Nationalparks in Deutschland. Charakteristisch sind daneben auch die Schlucht- und Blockwälder,

die alpinen Bäche, Moore und Karseen in den Schutzgebieten.


372 Seite

Der Seealpsee ist vom

Bergsattel zwischen dem

Zeiger und dem Östlichen

Hüttenkopf am besten

zu sehen. Dahinter kann

man bis zum Hohen Ifen

im Kleinen Walsertal

hinüberblicken.


Seite 373

Die Route

Bemerkenswert sind in den Allgäuer die steilen Grasberge mit Neigungswinkeln von bis zu

70 Grad. Auch sie gehören zu den Vielfältigsten der ganzen Alpen. Bekannt sind aber auch

die Höhenwege, die dort oben von Hütte zu Hütte führen und Bergwanderungen von sieben

bis zu zehn Tagen ermöglichen, ohne in bewohnte Täler absteigen zu müssen. Insider sprechen

daher auch gerne vom Schwabenhimmel. Der logische Gedanke, der für Naturliebhaber

und Bergsteiger darauf folgt, ist, dieses Gebirge zu besuchen.

Die beschriebene Wanderung führte uns vom

Vilalpsee auf die Landsberger Hütte, dann über den

Jubiläumsweg zum Prinz-Luitpold-Haus und am

dritten Tag zum Edmund-Probst-Haus, das sich direkt

neben der Nebelhornbahn befindet. Beeindruckend

war kurz davor die Aussicht auf den malerisch

gelegenen Seealpsee, der sich über Oberstdorf in die

Allgäuer Berge schmiegt.


374 Seite

Unterwegs im Schwabenhimmel

September 2011

Eines unserer Lieblingsgebiete in den Alpen sind die Allgäuer und folgende Geschichte beginnt im

Tannheimer Tal. Schon oft war ich dort gewesen, denn von Franken aus hat man eine kurze

Anfahrt über die A7. So auch dieses Mal, denn wir kamen nach guten drei Stunden direkt an den

Füßen der Allgäuer an. Gut gelaunt starteten wir am Vilsalpsee gleich hinter dem Parkplatz.

Da wir in Partenstein eine halbe Stunde später als unsere Freunde

gestartet waren, mussten wir uns vor der eigentlichen Wanderung

zusammen telefonieren. Kurz vor dem Oberjoch versuchten wir unsere

aktuellen Positionen auszutauschen, was aber nicht so einfach war. Armin

hatte zunächst eine viel zu ausführliche Beschrebung seiner gerade

zurückgelegten Strecke abgegeben, mit der alle anderen der Gruppe

nur wenig anfangen konnten. Am Ende seiner Ausführungen meinte er

kurz: „Seid ihr noch in Deutschland oder etwa schon in Österreich?“.

Bis dahin konnte ich wirklich nicht nachvollziehen, wo das zweite Auto

mit seinen vier Insassen und einem Hund gerade sein sollte. Aber seine

Angabe „GRENZE“ machte mich hellhörig, denn auch wir fuhren gerade

auf das alte Grenzhäuschen zu. „Da vorne, das ist doch der BMW von

Sabine und Michael“, meinte Kerstin.„Brems mal kurz“, rief ich ins Handy.

Und tatsächlich, sofort leuchteten mir rote Lichter entgegen. Vom

Telefongespräch mal abgesehen war es doch eine genaue Punktlandung

gewesen. Wir fuhren zeitgleich in einen Hinterhof ein.

„Na auch schon da“, meinte Michael.


Seite 375

Wir klopften wieder mal unsere Standardsprüche durch

die heruntergekurbelten Scheiben. Kurz darauf bogen

wir in Tannheim rechts ab und erreichten kurz darauf

den Vilsalpsee. Anschließend brachten wir noch ein

Auto zurück zum Oberjoch und starteten nach einem

obligatorischen Gruppenbild unsere Wanderung.

Bodo, unser Lawinenhund, spurtete voran den Berg

hinauf. Nach einer Weile sahen wir ein letztes Mal den

Vilsalpsee von oben, doch nun mussten wir eine kleine

Herde Kühe durchqueren. Nach einer guten halben Stunde

erreichten wir den Traualpsee und legten eine kleine

Pause ein. Der See lag an diesem Tag so ruhig vor

uns, dass sich sogar die Lachenspitzgruppe auf seiner

Oberfläche spiegelte, auf dessen Gipfel wir bereits 2008

mit den Kindern gewesen waren.


376 Seite

Hier am See hatte sich Jan schon vor drei Jahren mit

einer Ziege angelegt, als wir ebenfalls zur Landsberger

Hütte aufgestiegen waren. Ich konnte mich noch gut daran

erinnern. Und auch dieses Mal suchte er die Nähe

zu den neugierigen Tieren.

Wenig später hatten wir es dann noch einmal mit einigen

Kühen zu tun, die aber einen friedlichen Eindruck

machten. Nach einem kräftigen Muh trotteten sie vom

Weg auf die Seite und grasten gemütlich weiter.


Seite 377

Dort oben lag sie nun vor uns, die Landsberger Hütte.

Die Sonne senkte bald ihr Haupt über die Spitzen der

Berge hinab. Ich nutzte die Gelegenheit für ein paar

Bilder mit meinem Foto, während die anderen die letzten

Meter zur Hütte aufstiegen.

Wie immer beim Fotografi eren, vergaß ich auch diesmal

die Zeit und eilte den anderen erst hinterher, nachdem

die Sonne bereits verschwunden war.


378 Seite

Sonnenuntergansstimmung

in den Allgäuer

Alpen.


Seite 379

Auch am nächsten Morgen, während alle noch

schliefen, fing ich die ersten Sonnenstrahlen mit der

Kamera ein. Danach weckte ich den Rest der Familie.

Jan reagierte sofort und eilte in die Gaststube, um den

runden Erkertisch an der Ostseite des Raumes freizuhalten.

Langsam trudelten auch die anderen in der

Stube ein. Wir besprachen kurz die heutige Tour und

hatten bereits während des Frühstücks unseren Spaß.

Um halb neun ging es dann endlich los. Gut gelaunt

verließen wir die Hütte und nahmen die ersten

Höhenmeter unter die Füße. Die Gespräche verzettelten

sich anschließend beim beliebten Thema

„Weltreise mit dem Unimog“, zumindest bei den Herren.

Von den Unterhaltungen der Frauen bekamen

wir Männer wie gewöhnlich eher weniger mit.


380 Seite

Unsere Wandergruppe

auf dem Jubiläumsweg.


Seite 381

Es gelang uns sogar, bis zum Erreichen der Lahner Scharte aktiv

wegzuhören und dies waren immerhin an die zwei Stunden. Nach

diesem ersten kleineren Hindernis wurden die Stimmen nach einer

Pause lauter und ich versprach, zeitnah ein Plätzchen zu suchen.

Direkt vor uns stand der Hochvogel dominant auf der deutschösterreichischen

Grenze. Der in diesem Abschnitt herrliche Jubiläumsweg,

der auch als Adlerweg-Zubringer bezeichnet wird, windet

sich hier um das eindrucksvolle Schwarzwassertal. Tief unten

am Talboden konnten wir die Brandweintalhütte erkennen. Doch

erst südlich des Schänzlekopfes fanden wir endlich ein perfektes

Plätzchen mit Blick auf die vor uns liegende Bockkarscharte. Nun

wurde die Brotzeit ausgepackt und ein lustiges Schwätzchen

gehalten. Unser Lawinenhund Bodo suchte sich zwischenzeitlich

unter den Latschenkiefern ein Schattenplätzchen.


382 Seite

Es folgte ein mörderischer Aufstieg hinauf zur Bockkarscharte. Die Sonne brannte

erbärmlich auf unsere Leiber herab und Bodo, der Lawinenhund war einem Herzinfarkt

nahe. Böse Gedanken gingen mir durch den Kopf. „Hoffentlich fällt der Kleine nicht tot

um“, dachte ich einige Male, während wir die steilen Serpentinen hinaufkraxelten. Bodo

blieb immer wieder stehen, bis ich ihn letztlich auf dem Arm nach oben trug. Schweißtreibend

stiegen wir Höhenmeter um Höhenmeter bergan, während die Gespräche immer

spärlicher wurden.

Endlich hatten wir es geschafft und alle waren oben angelangt. Jetzt leerten wir die Reste

unserer Trinkflaschen, was nicht weiter schlimm war, denn das letzte Stück bergab war

nur noch die Kür des Tages.


Seite 383

Kurz vor der Hütte fanden wir noch eine frische Quelle

und hielten die müden Füße in den kleinen See direkt

hinter dem Prinz-Luipolt-Haus. „Fünf Stunden Laufzeit,

Respekt“, meinte ich abschließend an die Gruppe gerichtet.

Die Reaktionen blieben gedämpft, denn es war doch

etwas anstrengender gewesen als gedacht. Doch in der

Hütte konnten wir uns bald wieder erholen und freuten uns

über die Schmankerl des Hüttenteams.


384 Seite

Am nächsten Morgen führte

unser Weg um das Stierbachtal

herum und wieder 500 Höhenmeter

hinauf zum Laufbacher

Eck. Die Sonne brannte uns auf

den Rücken, aber der Aufstieg

war nicht mehr ganz so heftig

wie am Tag zuvor. Gelegentlich

mussten wir Steigpassagen

überwinden, die in einer Gruppe

ein wenig Zeit in Anspruch

nehmen, doch wir meisterten

alle die schwierigen Passagen

mit bravour.


Seite 385

Bald erreichten wir einen für die Allgäuer so typischen steilen Grashänge

und anschließend ging es endlich bergab. Die Umgebung wurde

bald aber wieder hügeliger und auf einmal geschah das Unerwartete.

Wie aus dem Nichts tauchte er auf und schwebte für einen kurzen

Augenblick dicht über uns hinweg, dann drehte er und ließ sich durch

die Luftströmung nach oben heben. Nervös hantierte ich an meinem

Foto herum, doch da war er auch schon wieder hinter dem Grashügel

verschwunden. „Mist“, dachte ich und stand dabei mit meinem Foto da

wie bestellt und nicht abgeholt. Doch er kam ein zweites Mal zurück,

zwar nicht mehr so nah, aber immerhin. Ich zoomte aus und zack,

jetzt hatte ich ihn erwischt, meinen ersten Steinadler in freier Wildbahn.

Kurz vor Obersdorf, unserem heutigen Ziel. Wir stiegen weiter bergab,

immer unter der Seilbahn entlang. Stolz und zufrieden näherten wir uns

Obersdorf. Eine herrliche Tour im Schwabenhimmel war uns da auch

dank des guten Wetters gelungen.


386 Seite

Der Adlerweg führt quer durch Österreich. Unsere Dreitagestour

auf dem Jubiläumsweg, ist dabei ein möglicher Zustieg zum

Adlerweg.

Der dritte Tag unserer Wanderung führte uns durch die Allgäuer

Hochalpen. Sie gelten als artenreichstes Gebirge Deutschlands.

Über 20.000 Hektar des Gebirges sind als Naturschutzgebiete

ausgewiesen. 2002 erfolgte die Meldung als Natura 2000 Gebiet.

Außergewöhnlich sind aber nicht nur die Ausmaße und die

Felslandschaften der Allgäuer Hochalpen. Charakteristisch

zeigen sich daneben auch die Schlucht- und Blockwälder, die

alpinen Bäche, Moore und Karseen in einem der schönsten

Schutzgebiete Deutschlands.


Seite 387


388 Seite

Fürs Leben lernen

Wenn man draußen unterwegs ist, lernt man, nach dem

Motto „Hinterlasse nur deine Fußspuren“ zu leben, was

bedeutet, dass generell kein Abfall zurückgelassen

wird. Beim Wandern mit Rucksack lernt man aber auch,

mit minimalem Gepäck auszukommen. Denn je weniger

man rumschleppt, desto schneller kommt man vorwärts.

Im Laufe der Jahre lässt man immmer mehr Dinge zu

Hause, die auf der letzten Tour nicht gebraucht wurden.

Neben der Botschaft, dass wir unsere Naturräume zum

Überleben brauchen, war es das Hinterfragen vieler

unnötig gewordener Dinge, die wir im Leben mitschleppen.

Damit müssen wir unsere Kindern konfrontieren,

damit sie fürs Leben lernen. Denn unser Leben im

Überfl uss hat uns in die Sackgasse geführt. Im Grunde

müssen wir diese Fehlentwicklung in allen Lebensbereichen

überdenken, denn es hat uns in eine prekäre,

nahezu aussichtslose Position gebracht. Vor allem aber

müssen wir handeln!

Die Rede ist von der Klimakatastrophe, die obwohl seit

50 Jahren bekannt, von Politik als Klimawandel verharmlost

und seitens der Industrie wenn möglich totgeschwiegen

wird - bis zum heutigen Tag. Und ich frage mich, wie

wir mit dieser Schuld leben wollen, die wir durch unser

Nichtstun in dieser Sache auf uns geladen haben.

Daher lag mir noch ein weiteres Thema seit vielen

Jahren auf der Seele. Und mein Herz hat mich solange

gedrängelt, bis ich es endlich zu Papier gebracht hatte.


Routenübersicht Band 3

Seite 389

S. 6

S. 56

S. 118

S. 224

S. 236

S. 350

S. 328

S. 258

S. 296

S. 268

S. 374


390 Seite

Durch meine Heimat Band 1

Die Geschichte beginnt im Spessart. Auf einer Mehrtageswanderung

durchquerten wir mit unseren Kindern das Mittelgebirge von West

nach Ost. Anschließend erzähle ich von Paddelerlebnissen auf dem

Main von Gemünden nach Lohr und auf der fränkischen Saale. Dann

geht es über das Sinntal in die Rhön. Das Land der offenen Fernen

lässt sich auf Schusters Rappen am besten erkunden und wir waren

von der einstigen Vulkanlandschaft begeistert. Über die Hassberge

ging es dann weiter mit dem Rad, ebenso den Main entlang. In den

Steigerwald führte mich ein Wanderweg zu alten Buchenbeständen,

die auf Keuper stehen. Anschließend ging es auf dem Mainradweg

weiter bis nach Lohr. Ein weiteres Mal von Bayreuth nach Bamberg.

Auf unserer Frankenrunde durfte das Fichtelgebirge natürlich nicht

fehlen. Dort wanderten wir mit dem Zelt und wurden von einem

Wintereinbruch überrascht. Was wir dabei erlebten war mehr als

abenteuerlich. Ins Boot stieg ich dann wieder in der Fränkischen

Schweiz, denn die Wiesent ist ein herrlicher Paddelfluss in dieser

Region. Die Fränkische Schweiz und das Pegnitztal bis hinunter in

den Nürnberger Reichswald durchradelten wir im Familienquartett,

ebenso entlang der Altmühl und der Tauber. Am Ende waren wir

wieder am Main angelangt und unsere „Frankenrunde“ neigte sich

dem Ende zu. Am Schloss Johannisburg setzte ich meine letzten

Paddelschläge im Winter 2020, denn ich war in Aschaffenburg und

somit am Startpunkt unserer Reise angekommen.

Weitere Informationen und Bestelldaten unter:

www.raus-indienatur.de

Neu

auch als eBook


Seite 391

Zwischen Karwendel und Spessart

Band 2

Die Geschichte beginnt im Karwendel. Auf einer Mehrtageswanderung

durchquerten wir mit unseren Kindern das Gebirge von Ost

nach West. Anschließend erzähle ich über die Erlebnisse unserer

Zugspitzbesteigung, die über das Reintal erfolgte. Mit dem Rad

und im Schlauchkanadier erkundete ich die obere Isar, einem der

schönsten bayerischen Alpenflüsse, denn hier darf sie teilweise noch

frei fließen. Angenehm war das Radeln auch an der Isar entlang

durch München. Auf dem Weg nach Deggendorf lernte ich dann eine

Auenlandschaft kennen, die ihresgleichen sucht. An der breiten

Donau ging es anschließend weiter bis nach Kehlheim. Mich beeindruckte

nicht nur der Donaudurchbruch bei Weltenburg, sondern

auch das untere Altmühltal. Dort faszinierten mich die steinzeitlichen

Pfahlbauten wie auch die trutzigen Burgen hoch über dem Fluss.

Die landschaftlich einmaligen Kulissen zeigten sich vom Rad aus

optimal. Über das liebliche Taubertal erreichten wir anschließend

den Spessart und den Main. Der Fluss schlängelt sich in endlosen

Schleifen durch das fränkische Schichtstufenland. Nun wird der Leser

erneut auf den Fluss gelockt, denn ich erzähle, was ich zwischen

Lohr und Wertheim beim paddeln erlebte. Am Ende des Buches sind

es aber die alten Eichen und Buchen des Spessarts, die immer wieder

zu einer Wanderung in dieses sagenhafte Waldgebiet einladen.

Weitere Informationen und Bestelldaten unter:

www.raus-indienatur.de

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392 Seite

Tourenguides

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Jeder Tourenguide enthält:

- Tourenbeschreibung

mit Insiderinfos als pdf-Dokument

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zum digitalen navigieren

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Seite 393

Auf meinen Touren durch unsere Heimat lernte ich unsere Flüsse, viele Wälder, Wiesen und Felder

kennen. Gleichzeitig wurde ich dabei mit der steigenden Übernutzung unserer Lebensräume konfrontiert.

Die Flüsse, die als Wasserstraßen dienen, werden durch Querbauwerke alle paar Kilometer

zerschnitten. Dabei geht nicht nur ihre Ursprünglichkeit verloren, sondern langfristig auch das Leben

darin. Aber auch die Wälder haben wir zurückgedrängt. 50% unserer Landesfläche wird heute beackert

und die verbliebene Waldfläche immer intensiver genutzt. Dies hinterlässt jedoch tiefe Spuren

in der Natur, die zu einer extremen Ausdünnung der heimischen Artenvielfalt geführt hat. Wie lange

soll dieser Trend anhalten?

Natura2000 ist ein Versuch, eine Umkehr herbeizuführen, denn dort

soll die Nutzung solange zurückgefahren werden, bis das Artensterben

nicht mehr weiter geht. Ein Grund für mich, auf dieses Naturnetzwerk

aufmerksam zu machen und dies in Büchern zu publizieren.

Daraus entstand „Naturwunder in Franken“ (siehe oben)

Doch dieses Netzwerk Natura2000 funktioniert nur, wenn weitere

Großschutzgebiete entstehen würden, Die beste Möglichkeit dies

zu tun, ist das Einrichten weiterer Nationalparks in Deutschland.

Möglichkeiten für geeignete Flächen gibt es viele. Daher war für

mich auch klar, dass ich diese Gebiete aufsuche. Also machte ich

mich auf den Weg.

Die ersten Gebiete findest du unter:

www.derschatzvorunsererhaustuer.de


394 Seite

Netzwerk Natura 2000

Das neunbändige Werk zeigt ausgewählte Natura 2000 Gebiete und deren Vernetzung

beispielhaft für die Region Franken. Für einen besseren Schutz bedrohter Arten wäre es jedoch

nötig, dass in diesen Gebieten die Nutzung weiter eingeschränkt oder ganz eingestellt wird.

Zumindest so lange, bis der Artenschwund gestoppt ist und sich die Natur wieder erholt hat.

www.naturwunderinfranken.de


Warum auf einmal alles so schnell gehen soll

Seite 395

Unser Klima hat sich im Laufe der Evolution schon oft verändert. Doch seit der Industrialisierung wird

es vom Menschen aufgrund des steigenden Energieverbrauchs zunehmend beeinflusst, was zu einer

Erwärmung führt. Diese Klimaveränderung entsteht durch Treibhausgase, vor allem durch CO2, Methan

und Lachgas. Diese Gase reichern sich immer mehr in der Atmosphäre und in den Weltmeeren an und

erhitzen dabei unseren Planeten in ständig steigendem Maße. Doch warum erkennen und akzeptieren

wir diese Veränderungen nicht, obwohl die Meldungen über Hitzesommer, Waldbrände, Überflutungen

und Wirbelstürme immer mehr zunehmen?

Wie können kleine Teilchen wie das CO 2 , das wir weder sehen noch riechen können,

durch ihre Anreicherung in der Atmosphäre so große Auswirkungen hervorrufen?

Wissenschaftler trauen diesen Teilchen sogar zu, dass sie unseren Lebensraum auf der

Erde zerstören. Die genauen Zusammenhänge sind komplex, doch ständig werden wir

mit immer neuen Zahlen und Hiobsbotschaften bombardiert.

Dieses Büchlein ist der Versuch, die Auswirkungen unseres Handelns möglichst einfach

zu erklären. Denn es kann nur dann ein Umdenken stattfinden, wenn wir die Zusammenhänge

hinreichend verstehen.

Verständnis für diese Entwicklungen wird automatisch unser Handeln einfordern.

100 Seiten, die Sie unbedingt lesen sollten. Weitere Infos unter: www.schroepfer-net.de


396 Seite

Impressum

Danksagung

Mein Dank gilt vor allem meiner Familie. Sie hat mir durch ihr Verständnis ermöglicht, dieses Buch zu schreiben,

auch wenn es zeitweise sicher nicht immer einfach war.

Zusätzlich möchte ich mich bei meinem treuen Lektor Herrn Wolfgang Weismantel bedanken.

Er hilft mir bei jedem neuen Buch, mit dem ich „um die Ecke komme“.

Quellen / Bildmaterial

Text und Bildmaterial stammt vom Buchautor.

Einige Bilder wurden von Kerstin, Jan und Lena gemacht.

Autor, Layout, Satz und Gestaltung / Herausgeber

Frank Schröpfer, Partenstein / Eigenverlag

Druck

Gmedien, Genheimer Druck GmbH, Lohr a. Main

Copyright

© 2023, Frank Schröpfer, Partenstein

Alle Rechte der Verbreitung, wie Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art, sind vorbehalten.


Seite 397

Über den Autor

Frank Schröpfer ist in Lohr a. Main geboren und seit seiner Kindheit draußen unterwegs. Mittlerweile ist er verheiratet und hat zwei Kinder.

Bereits mit 15 Jahren unternahm er mit Freunden und seinem ersten Fotoapparat mehrtägige Wanderungen durch seine Heimat, später auch durch andere Länder.

»Durch das Draußensein ist meine Liebe zur Natur entstanden, die einen festen Platz in meinem Herzen einnimmt.« So beschreibt Frank Schröpfer seine Grundeinstellung.

Dabei sieht er sich als Naturbeobachter, nicht als Experte. Und bis heute treibt ihn diese Leidenschaft oft mit dem Rucksack hinaus in die Natur. Dabei begleitet ihn meistens noch immer

die Familie. Im Laufe der Jahre ist so einiges an Bild- und Textmaterial entstanden, das er schrittweise in einzelnen Buchprojekten vorstellt. Der gelernte Elektrotechniker arbeitet seit

über 30 Jahren bei Bosch Rexroth. Zu seinen Plänen sagt er: „Es gibt noch vieles, was ich gerne fotografieren und aufschreiben würde. Ich möchte mit meiner Arbeit für mehr Naturschutz

werben und hoffe, dass viele meine Bücher lesen und dadurch den Schätzen unserer Heimat einen höheren Wert beimessen.«

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