23.02.2023 Aufrufe

Raus in die Natur - Band 2 - Zwischen Karwendel und Spessart

Die Geschichte beginnt im Karwendel. Auf einer Mehrtageswanderung durchquerten wir mit unseren Kindern das Gebirge von Ost nach West. Anschließend erzähle ich über die Erlebnisse unserer Zugspitzbesteigung, die über das Reintal erfolgte. Mit dem Rad und im Schlauchkanadier erkundete ich die obere Isar, einem der schönsten bayerischen Alpenfl üsse, denn hier darf sie teilweise noch frei fließen. Angenehm war das radeln auch an der Isar entlang durch München. Auf dem Weg nach Deggendorf lernte ich dann eine Auenlandschaft kennen, die ihresgleichen sucht. An der breiten Donau ging es anschließend weiter bis nach Kehlheim. Mich beeindruckte nicht nur der Donaudurchbruch bei Weltenburg, sondern auch das untere Altmühltal. Dort faszinierten mich die steinzeitlichen Pfahlbauten wie auch die trutzigen Burgen hoch über dem Fluss. Über das liebliche Taubertal erreichten wir anschließend den Spessart und den Main. Der Fluss schlängelt sich in endlosen Schleifen durch das fränkische Schichtstufenland. Nun wird der Leser erneut auf den Fluss gelockt, denn ich erzähle, was ich zwischen Lohr und Wertheim beim paddeln erlebte. Am Ende des Buches sind es aber die alten Eichen und Buchen des Spessarts, die zu einer Wanderung in ein sagenhaftes Waldgebiet einladen.

Die Geschichte beginnt im Karwendel. Auf einer Mehrtageswanderung durchquerten wir mit unseren Kindern das Gebirge von Ost nach West. Anschließend erzähle ich über die Erlebnisse unserer Zugspitzbesteigung, die über das Reintal erfolgte. Mit dem Rad
und im Schlauchkanadier erkundete ich die obere Isar, einem der schönsten bayerischen Alpenfl üsse, denn hier darf sie teilweise noch frei fließen. Angenehm war das radeln auch an der Isar entlang durch München. Auf dem Weg nach Deggendorf lernte ich dann eine
Auenlandschaft kennen, die ihresgleichen sucht. An der breiten Donau ging es anschließend weiter bis nach Kehlheim. Mich beeindruckte nicht nur der Donaudurchbruch bei Weltenburg, sondern auch das untere Altmühltal. Dort faszinierten mich die steinzeitlichen
Pfahlbauten wie auch die trutzigen Burgen hoch über dem Fluss. Über das liebliche Taubertal erreichten wir anschließend den Spessart und den Main. Der Fluss schlängelt sich in endlosen Schleifen durch das fränkische Schichtstufenland. Nun wird der Leser erneut auf den Fluss gelockt,
denn ich erzähle, was ich zwischen Lohr und Wertheim beim paddeln erlebte. Am Ende des Buches sind es aber die alten Eichen und Buchen des Spessarts, die zu einer Wanderung in ein sagenhaftes Waldgebiet einladen.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.


Seite 1

Wer

Lange

Sitzt

Muss

Rosten


2 Seite

Der Weg ist das Ziel

Wege mit Weitsicht

findet man vor allem

in den Alpen wie hier

im Karwendel.

Auf diesen Wegen

zu wandern, ist eine

Naturerfahrung,

die man durch nichts

ersetzen kann.


2 Seite

Der Weg ist das Ziel

Wege mit Weitsicht

findet man vor allem

in den Alpen wie hier

im Karwendel.

Auf diesen Wegen

zu wandern, ist eine

Naturerfahrung,

die man durch nichts

ersetzen kann.


Seite 3

Wandern

Wandern ist Natur pur. In Zeitlupe schwebt sie an dir vorbei und fordert doch

all deine Sinne. Du realisierst das Singen der Vögel im Frühling, das Summen

der Bienen und den Duft der Blüten im Sommer, das Rascheln des Herbstlaubs

im Sturmwind und das Knistern der Blätter, das beim Aufsetzen deiner Füße

entsteht.

Du saugst das leise Nichts im Winter auf, wenn alles ruht und schläft.

Wenn nur das leise „Flupp“ zu vernehmen ist, das unter deinen Füßen entsteht,

wenn diese auf dem Schnee aufsetzen und ihn zerdrücken.

Die Kälte beißt sich in dein Gesicht und du spürst, wie sie mit dem

aufkommenden Wind zunimmt.

Du spürst bei Windstille die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut,

du bleibst stehen und verschließt die Augen, wenn die Sonne schräg über dem

Horizont steht und dich für einen kurzen Moment zum Innehalten einlädt.


Gutes Schuhwerk

an den Füßen ist die

Grundvoraussetzung

für angenehmes

Laufen in der Natur.

Je schwerer der

Rucksack, desto

besser muss der

Halt im Schuh sein.


Wandern ist aber auch die Sehnsucht, jene alten Wege zu gehen, die uns von der

Zivilisation wegführen, fort von den Ablenkungen dieser schnelllebigen Zeit

hin zu Orten, die uns Ausblicke in endlose Weiten ermöglichen.

Orte, die uns die Möglichkeit geben, in die Tiefe unserer Seele hinein zu horchen.

Es sind magische Orte und es sind die Wege dorthin. Sie zwingen uns zum Nachdenken

nach dem wohin.

Insofern ist Wandern Meditation, bei jedem Schritt nach vorne. Wandern kann uns

bis zum Rande unserer bekannten Welt führen, bis zu einem Abgrund, an dem es

nicht mehr weitergeht.


Die Essiggrundhütte

erreicht man über

den Hasenstabweg.

Sie liegt im Essiggrund,

einem Tal

mitten im Spessart.

Alte Eichen und

Buchen umrahmen

idyllisch die Hütte

und bestätigen dem

Wanderer, dass er

sich in einem der

schönsten Wälder

Bayerns befindet.


Beim Wandern macht es nichts aus, in welche Richtung du blickst,

ob es am Morgen, abends, mittags oder mitten in der Nacht ist.

Die Natur ist einfach immer da, wenn du läufst.

Dann konzentrierst du dich wieder auf deinen Weg, denn du

möchtest diese ganz bestimmte Strecke gehen, als wehte dort,

wo es dich hinzieht, eine besondere Luft.

Du fühlst dich wie ein Jäger aus einer längst vergessenen Zeit.

Doch es ist nicht die Luft, es ist dein Leben, das dir begegnet.


Beim Paddeln steht

das Flusserlebnis

im Vordergrund. Nur

so ist das Element

Wasser wirklich

spürbar. Auch die

Kraft, die ein Fluss

besitzt, lässt sich

nur von demjenigen

nachempfi nden, der

sie schon einmal

erfahren durfte. Egal

ob beim Paddeln

gegen den Strom

oder beim Befahren

einer schwierigen

Stelle.


Im gleichen langsamen Tempo wie beim Wandern lassen sich die Wege

auf dem Wasser erkunden. Die Dynamik des Gewässers, seine Kälte und

Strömungen, aber auch die Langsamkeit, mit der du dich fortbewegst.

Fließt der Fluss schneller, wirken vermehrt andere Eindrücke auf dich ein.

Deine Sinne fokusieren sich, weil du versuchst die Bewegung

zu kontrollieren.

Auch mit dem Rad lässt sich ein Flusstal erkunden.

Es ist eine weitere Möglichkeit, aktiv und gleichzeitig

umweltschonend unterwegs zu sein.

Doch das Erlebnis ist ein ganz anderes.


Aktiv draußen unterwegs

zu sein, fordert

uns, es vermittelt

aber gleichzeitig

Zufriedenheit.

Man merkt dies an

Kleinigkeiten, zum

Beispiel wie gut

doch frisches kaltes

Wasser an einem

schönen Rastplatz

schmeckt.


Beim Fahren im

Gelände werden

alle Sinne gefordert,

denn die Geschwindigkeit

muss ständig

dem Untergrund

angepasst werden.

Je schneller du mit

dem Rad fährst oder

je wilder ein Fluss

ist, der dich beim

Paddeln umgiebt,

desto weniger Natur

können deine Sinne

aufnehmen.


12 Seite

Brotzeit an einem

halbschattigen Plätzchen

im Karwendeltal.

„Waldbaden“ entspannt.

Es erzeugt

ein Gefühlserlebnis,

das aufgrund seiner

positiven Auswirkungen

auf unser

Bewusstsein und unsere

Gesundheit immer

mehr umworben

wird. Man erreicht

nach gelaufener

Strecke an solchen

Orten einen Zustand

der Zufriedenheit mit

sich und der Natur.


Seite 13

Wandern ist die älteste Art der Fortbewegung.

Du folgst einem Weg, zwischen den Bäumen

und Sträuchern hindurch. Sie sollten nicht zu

zahlreich sein, damit sie deinen Blick nicht

einengen. Auch der Boden sollte nicht zu üppig

bewachsen sein, damit deine Aufmerksamkeit nicht

von der Erde gefesselt wird.

Dir begegnet der Dunst, der dem Boden entströmt.

Du bist immer auf der Suche nach dem richtigen

Weg. Und während du läufst, merkst du,

das dies der Weg des Lebens sein muss.

Und immer hinterlässt du nur einen Fußabdruck,

mehr nicht.


Aktiv die Natur erleben.

Das heißt, sie in ihrer ganzen

Schönheit kennenzulernen.

Sie verbirgt sich hinter jeder

Ecke in unzähligen Details

und weckt unsere Neugierde.

Begleiten Sie uns eine Weile

und lassen Sie sich den Schatz

zeigen, der direkt vor unserer

Haustür liegt.


Seite 1

01 Karwendeldurchquerung 4

02 Zugspitzbesteigung 30

03 An der Isar entlang 52

04 Auf dem weißen Fluss 66

12 Am Main 194

13 Mainviereck und Spessart 228

14 Auf dem Hasenstabweg 242

15 Licht und Schatten

(Auf dem Hasenstabsweg Teil 2) 264

05 Isar-Radweg Teil 2 80

06 Die untere Isar und ihre Auen

(Isar-Radweg Teil 3) 98

07 An der Donau entlang 112

08 Durch das Altmühltal 126

09 Wenn ein Fluss zum Erlebnis

wird (Paddeln auf der Altmühl) 136

Routenübersicht 288

Mit Kindern unterwegs

Wandern 4-29

Paddeln 136-143

Radfahren 126-135, 172-192

10 An der unteren Altmühl

(Durch das Altmühltal Teil 2) 144

11 Im Taubertal 172


2 Seite

Zwischen Landau und

Deggendorf reizt die

Isar den Naturliebhaber

an unzähligen Stellen

mit ihrer Schönheit.

Hier kann man im

Sommer Wasseramsel,

Eisvogel und Flussregenpfeifer

beobachten.

Selten sind leider die

Fluss-Seeschwalbe und

der Flussuferläufer

geworden. Um diese

scheuen Tiere zu

beobachten, braucht

man jedoch die nötige

Ruhe und Zeit.


Seite 3

Sommer

Für viele ist dies die schönste Jahreszeit. Du liegst an einem See oder an einem

schönen Fluss wie der Isar und träumst vor dich hin. Es umgibt dich das Gezwitscher

der Vögel und das Summen der Insekten. Ein bunter Distelfalter gaukelt über

die hohen Gräser der Ufervegetation hinweg. Dazu gesellt sich das Rauschen des

Wassers. Gelegentlich schaust du nach oben. Zwei emsige Kleiber laufen immer auf

der Suche nach Insekten an den Weiden auf und ab. Plötzlich bemerkst du einen

Fischreiher, der mit kräftigen Flügelschlägen über das Geschehen hinwegfliegt. Der

ein Meter große Reiher mit seinen knapp zwei Metern Flügelspannweite zeichnet

sich vor dem blau-weißen bayrischen Himmel deutlich ab. Es sind Eindrücke, die

einem ein Leben lang im Gedächtnis bleiben. Oft schreibe ich sie gleich mit in eine

Textdatei auf dem Handy und übertrage sie später zu Hause auf eine der Seiten, die

im Laufe der Zeit zu Büchern heranwachsen. Wesentlich schneller wächst jedoch im

Sommer die Flora, die mich gerade umgibt und noch dazu mit einer unbegreiflichen

Kraft und Fülle. Die Natur kommt jetzt zu ihrer maximalen Entfaltung. Doch warum

schreibe ich hier über den Sommer? Es ist die Jahreszeit, in der die folgende

Geschichte beginnt.


4 Seite

Karwendeldurchquerung

Das Karwendel ist

mit seinen weißen

Kalkfelsen und den

weit ausladenden

Tälern eine Naturregion

der Superlative.

Viele behaupten

sogar, dass es das

schönste Gebirge in

den Alpen ist.


Seite 5

In den Nördlichen Kalkalpen liegen die Gebirgskämme des Karwendels. Zwar zum

größeren Teil in Tirol, doch auch die Bayrischen Gebiete sind auf Grund ihrer

Schönheit und Naturwertigkeit beachtenswert. Hier zeigt sich eine Abfolge montaner

bis hochalpiner Lebensgemeinschaften, wobei sich Bergmischwald mit Krummholzgürtel,

saftig grünen Almen und alpine Rasen, mit Fels- und Schuttfluren abwechseln.

Im nördlichen Bereich grenzt die Isar, einer der schönsten bayerischen Flüsse

an das Karwendel und prägt es mit seiner wilden Flusslandschaft.

Das Karwendelgebirge zählt mit seinen elf zusammengefassten Schutzgebieten

zu den größten Naturlandschaften Mitteleuropas. Die Gebiete weisen zusammen eine

Größe von 730 km2 auf. Mit der auf der österreichischen Seite liegenden Birkarspitze

erreicht das Gebirge beachtliche 2749 Meter Höhe und auch im bayrischen Teil

kommt die Östliche Karwendelspitze auf 2537 Meter Höhe. Die Isar bei Vorderriß liegt

jedoch bei etwa 800 Metern, so dass sich der beschriebene Naturraum auf Höhendifferenzen

über 1700 Meter erstreckt. Man trifft dort zum Beispiel auf den seltenen

Weißrückenspecht oder sieht über den mächtigen Kalkfelsen einen Steinadler, dessen

Dichte in diesem Gebiet so hoch ist wie sonst nirgens im Alpenraum. Das Karwendel

beeindruckt somit vorallem jene Besucher, die sich „sanft“ durch dieses Gebirge

bewegen, denn nur so wird die Wanderung zu einem einmaligen Erlebnis.


6 Seite


Seite 7

Die Route

Der beschriebene Wanderweg durchquert das Karwendelgebirge über 40 Kilometer

von Ost nach West. Bereits auf der Anfahrt durch das Natura2000-Gebiet kommen

wir durch das beeindruckende obere Isartal und folgen anschließend dem Rißbach

bis hinauf zu den Ahornböden in der Eng.

Die bekannte Route führt über die Falkenhütte und

das Karwendelhaus bis nach Scharnitz. Es ist eine

Teilstrecke des Karwendellauf-Klassikers, welcher

am Achensee in Pertisau beginnt und ganze 52

Kilometer misst. Während gute Läufer die Strecke

in viereinhalb Stunden durchrennen, waren wir

vier Tage gemütlich unterwegs und haben dabei

sicher mehr gesehen als ein Dauerläufer.

Ein Tag war alleine für die Besteigung des 2194 Meter hohen Hochalmkreuzes vorgesehen,

denn dieser Gipfel ist für Kinder besonders gut geeignet.


8 Seite

Von der Eng Alm nach Scharnitz

August 2009

„Es ist fast so wie vor 21 Jahren“, meinte Kerstin, als wir in strömendem Regen an der Eng

losliefen. „Nur hatten wir damals noch ein wenig Schnee dabei”. „Was, Schnee?“, fragte Jan

sofort nach. „Da kann man doch nicht mehr wandern“. Jan, unser Ältester, wollte immer alles

ganz genau wissen. Er war neugierig und gerade mal acht Jahre alt.

„Damals waren wir unter Ponchos gelaufen“, erläuterten

wir, „die wiegen alleine schon ein knappes Kilo und darunter

trugen wir die alten Molleskin Bundeswehrhosen“.

Dadurch hatten wir eine ganze Menge zu schleppen

im Gegensatz zu heute. Denn die neuen Regenjacken

wiegen nur noch gerade mal 350 Gramm.

Als wir endlich mit dem Bus in der Eng angekommen

waren, regnete es immer noch in Strömen. Doch so

schnell ließen wir uns die Laune nicht verderben. Unser

kleines Energiebündel Lena war zu diesem Zeitpunkt

sechs Jahre alt. Doch trotz des bescheidenen Alters

waren beide für eine Mehrtagestour durch das Karwendel

bestens vorbereitet. Die Rucksäcke hatten wir in der

Eng noch kurzerhand mit Müllbeuteln überzogen und

los gings.


Seite 9

„Federleicht und wasserdicht verpackt“, zwinkerte ich den Beiden zu. Motiviert

nahmen wir die ersten Höhenmeter unserer Bergtour unter unsere Füße. Meine Frau

Kerstin und ich staunten Bauklötze, als die Kinder so prima losliefen. Kein Wort über

das schlechte Wetter. Sie wollten einfach nur hoch in die Berge. Falkenhütte hieß

unser erstes Ziel. Mit ca. 700 Höhenmetern ein ganzes Stückchen Arbeit nicht nur für

die Beiden. Auf dem Weg waren Spinnennetze zu entdecken, die durch die Regentropfen

erst so richtig sichtbar werden. Ein schmales Bächlein hatte sich gebildet und

musste überquert werden. Viele kleine Dinge passieren auf so einer Wanderung und

mit Kindern kann man die Welt wirklich neu entdecken.

Oben:

Ein letzter Blick auf die

Infotafel. Kerstin zeigt

den Kindern den Weg,

der vor uns lag.

Der Große Ahornboden

ist eines der Wahrzeichen

des Naturparks

Karwendel.

Links:

Zweifelhafte Blicke kurz

vor dem Start der

Wanderung


10 Seite

Links:

Urige Wurzeln trafen wir entlang des

Weges, der uns zunächst zur Falkenhütte

führte. Gut in unsere Regensachen

eingepackt, macht uns der Regen gar

nichts aus.

Unten:

Durch dichten Nebel waten wir bergan.

Doch bald verließen wir die Waldgrenze

und ich zeigte auf den richtigen Weg, der

bis hinauf zu einem Pass führt.


Durch die Feuchtigkeit

kommt das Grün der

Pfl anzen besonders gut

zur Geltung. Unter den

Blättern suchen nun

Insekten Schutz. Diese

Einblicke in die Natur

kann aber nur erleben,

wer auch mal bei

schlechtem Wetter

draußen unterwegs ist.

Seite 11


12 Seite

Zielstrebig erreichten wir das Hohljoch auf 1794 Metern Höhe und staunten nicht

schlecht, als die Felswände plötzlich wie aus dem Nichts zwischen all dem Nebel vor

uns auftauchten. Am deutlichsten baute sich die Dreizinkenspitze mit ihrer steilen

Nordwand vor unseren Augen auf. „So hoch hab ich mir die Berge nicht vorgestellt“,

meinte Lena, als sie direkt in die Wand blickte. „Kann man da auch hochklettern?“,

fragte Jan. „Natürlich kann man das“, erwiderte ich, „da müssen wir aber noch ein

bisschen üben“.

Ich erzählte, dass die Routen genau so schwer sind wie die in der Lohrer Kletterhalle,

die wir damals regelmäßig besuchten. „Nur sind richtige Alpenwände viel höher.

Die Geschichten von möglichen Kletterrouten ließen die Laufzeit bis zur Falkenhütte

schrumpfen und als der letzte Aufstieg zur Hütte nahte, stimmte Kerstin noch ein paar

Lieder an. So erreichten wir zufrieden unser Nachtlager und bewunderten das Moutainbike,

das an einem Seil an der Hüttenvorderseite hing. Wie man unschwer sehen

konnte, ist das Karwendel nicht nur bei Wanderern beliebt. Wir hingegen waren froh,

dass der Regen aufgehört hatte. Einigermaßen trocken rückten wir in unser Lager ein

und zufrieden schliefen wir nach einem aufregenden Tag ein.


Grandiose Ausblicke mit

zahlreichen Karwendelbergen

erwarteten uns

am nächsten Tag bei

tollem Wetter. Neben

dem Schlauchkarkopf

sahen wir die Östliche

Hochjöchlspitze direkt

vor uns und den Kuhkopf

auf der anderen Seite

der Hochalm steil

emporsteigen. Doch zur

Hochalm war es noch ein

schönes Stück Weg.

Seite 13


14 Seite

Der zweite Tag begann wesentlich angenehmer. Bereits

beim ersten Blick durch unser Lagerfenster kam mir ein

Gedanke: “Wo ist die Fototasche?“ Alle schliefen noch.

Ich versuchte daher im Schleichgang die Holztreppe zu

erreichen. Nachdem dies gelungen war, machte sich

diese aber anschließend mit lautem Geknarre bemerkbar.

Doch zum Fotografi eren musste ich nach unten.

Es war zwar noch frisch, aber die Sicht bereits wunderbar

klar. Nur Kuhglocken waren in diesen frühen

Stunden zu hören. Das Wetter hatte sich über Nacht

beruhigt und die herrlichen Berge erstrahlten nun in

hellgrau und weiß zu mir herüber. Muschelkalk vom

Feinsten. Rau und kantig, so dass wir uns beim späteren

Hinsetzen die Hosen fasrig reiben sollten. Als ich

wieder zurück im Lager angekommen war, raschelte

es bereits im ganzen Stock. Jeder Bergwanderer weiß,

was ich meine. Es ist unglaublich, wie viele Tüten und

Taschen abends und morgens zum Einsatz kommen. Da

wird alles herausgeräumt und bei jedem Öffnen hört man

Laute wie: „Aahh, wusst´ ich´s doch, die Unterste…“. Dann

alles wieder rein in die Tüte und brav wieder zurück in den

Rucksack gesteckt. Wir schmunzelten nur, hatten nach kurzer

Katzenwäsche schnell unsere sieben Sachen beisammen

und saßen beim Frühstück. Jeder freute sich auf einen schönen

Tag. Meine Sorge um meine gereizte Archillessehne war

wieder verfl ogen. Sie rieb zwar, aber es würde schon gehen.

Wir starteten so gegen 8.30 Uhr und waren bald wieder alleine

auf unserem Weg durch die Berge. Kurze Zeit später erreichten

wir eine malerische Hütte. Sie war so schön, wie ich

bisher noch keine gesehen hatte. Der Besitzer, ein lustiger

Geselle, der gestern Abend seine Späße auf der Falkenhütte

kund getan hatte, suchte auch heute das Gespräch vor seiner

Tür. Wir schwenkten leicht nach rechts und genossen das

herrliche Quellwasser am nahen Brunnen.


Zwischen Falkenhütte

und Karwendelhaus liegt

eine malerische Hütte.

So schön kann man sie

nicht mal erträumen.

Seite 15


16 Seite


Seite 17

Wir folgten dem Adlerweg zum kleinen Ahornboden

hinunter. Die letzten Wolkenfetzen wurden von der bald

senkrecht stehenden Sonne aufgesaugt. Ein endlos blauer

Himmel überspannte uns und wir schwitzten alle beim anschließenden

Anstieg in Richtung Karwendelhaus gehörig.

„Nicht schlecht Herr Specht“, dachte ich, während wir den

Windungen des Weges nach oben folgten. Der gestrige

Regentag war nun restlos aus unserem Gedächtnis gestrichen,

die Kälte und Nässe des Vortages war vergessen.

Nach schweißtreibendem Anstieg hatten wir eine prima

Idee. Während die Kinder den Schmetterlingen hinterherjagten,

suchten wir einen schönen, kuhfl adenfreien Platz für

eine Pause. Wir legten uns nicht weit vom Karwendelhaus

entfernt in die Sonne und genossen den schon fortgeschrittenen

Tag. Nun kehrte für wenige Minuten Ruhe ein. Ein

Gefühl, das man mit kleinen Kindern eher selten hat und

nur wenige Augenblicke später war dieses Gefühl bereits

wieder vorbei. „Papa, Papa, da vorne sind tolle Schmetterlinge“,

rief Lena. Schon auf der letzten Rastbank hatte

sich ein Exemplar gaukelnd auf ihrem Kopf niedergelassen.

Voller Euphorie sprangen die Beiden nun den herrlichen

Tieren hinterher, während wir ihnen zuschauten.


18 Seite

Ausblick vom Karwendelhaus

hinunter ins

Karwendelbachtal.


Seite 19

Wir tranken und aßen etwas und versuchten die Beiden zum

Ausruhen zu bewegen. Doch Jan und Lena waren schon

kurz nach der Brotzeit wieder auf den Beinen gewesen. Die

müden Knochen hatten sie schnell wieder vergessen. Es ist

diese Mischung aus schöner Natur und Fangspielen, die sie

so begeisterte, eine wohl perfekte Kombination.

Nach einer Stunde schulterten wir wieder die Rucksäcke

und liefen das letzte Stück in Richtung Hütte. Unsere

Beiden waren nicht mehr zu bremsen. Fast im Laufschritt

nahmen sie die letzten Höhenmeter und wollen unbedingt

zuerst am Karwendelhaus sein. Wo waren die müden

Beine geblieben? Kurze Zeit später kamen wir an der

Hütte an. Herrlich schmiegt sich das Karwendelhaus an

den Fels. Wie ein Adlerhorst klebt das Bauwerk mitsamt

Terasse in der Felsenwand. Oberhalb der Hütte schützen

Lawinenzäune die Gäste vor bösen Überraschungen.

Bei böhigem Wind genossen wir nun den Ausblick vom

Karwendelhaus im Beisein einiger Alpendohlen.


20 Seite

Kurze Rast auf dem Weg

zum Hochalmkreuz.


Seite 21

Am nächsten Morgen brauchten wir etwas mehr Anlaufzeit,

denn die Nacht war nicht sehr erholsam. Erneut mussten

wir einige Schnarchgeräusche aus den gegenüberliegenden

Lagerplätzen ertragen. Dementsprechend müde saßen

wir an diesem Morgen am Tisch und rieben uns die Augen.

Auf die Anfrage nach einem freien Zimmer erhielten wir die

Aussage: „Für August, da müsst´s Ihr ein halbes Jahr im

Voraus reservieren, gell“. Doch das gute Wetter lockte uns

hinaus. Gut vom Frühstück gestärkt, stiegen wir hinter dem

Haus in die Route zum Hochalmkreuz ein. Eine angenehme

Kühle umgab uns, als wir im Schatten die ersten vor

uns liegenden Kletterpassagen hinter uns brachten.

es kaum erwarten, sich dort verewigen zu dürfen. „Natürlich

schreiben wir da was rein“, meinten wir, nachdem er nachgefragt

hatte„ aber bitte nach der Vesperpause“, so unsere Bitte.

Beim Essen schweiften unsere Blicke nun über die Bergketten

des Karwendels in Richtung Westen. Wir sahen bereits den

Wegverlauf für den nächsten Tag und bedauerten schon heute

das baldige Ende unserer Wanderung. Doch heute genossen wir

erst mal die Berge und das herrliche Wetter. Bald danach folgte

der Abstieg. Dabei machten wir noch einen kleinen Abstecher zu

einem nahegelegenen Schneefeld.

So kamen wir zügig voran. Ebenso schnell durchquerten

wir danach den Latschengürtel und waren bald im Geröll

angekommen. Ein Serpentienenpfad wand sich anschließend

vor uns empor in Richtung Gipfel. Wir passierten

zwei Gedenktafeln von verunglückten Bergsteigern und die

Kinder lauschten gefesselt unseren Geschichten, die wir

dazu erzählten. Dabei leuchteten ihre Augen

und beide liefen nun exakt auf dem Pfad

weiter. Doch wir denken, dass etwas Respekt

in den Bergen nicht schaden kann. Bald

erreichten wir das Gipfelkreuz. Der erste Griff galt

dem Gipfelbuch in der Blechdose. Jan konnte


22 Seite

Abstieg vom Hochalmkreuz.

Lena geht mutig

vorne weg.


Seite 23

Beim Abstieg entdeckten wir ein kleines Rinnsal, das direkt

neben dem Schneefeld in Richtung Karwendelhaus

floss. Wir genossen die Stille und hielten unsere Füße

zum Entspannen in das kalte Wasser hinein. Anschließend

erkundeten wir das kleine Eisfeld. Jan und Lena

hatten einen gehörigen Spaß an der Rutschpartie und

sie wollten gar nicht mehr weitergehen. Dabei erzählten

sie vom letzten Winterurlaub. „Bald gehen wir wieder

Skifahren“, meinte Lena und rutschte noch ein letztes

Mal hangabwärts.

Das abschließende Wegstück zurück zur Hütte war

nach dieser längeren Pause im Schnee gar nicht mehr

so spannend. Wir kletterten die Passagen durch den

Lawinenschutz und erreichten zufrieden die Hütte. Bei

herrlich warmen Sonnenstrahlen genossen wir Apfelstrudel

und Schlagsahne zum Kaffee. Nach mehreren

Spielen lockte abschließend das Abendessen in der

Hütte. Doch an diesem Abend waren Gaststube und

Lager nicht ganz so überfüllt wie am Vortag, worüber

wir uns sehr freuten.


24 Seite

Abstieg vom Hochalmkreuz.

Kerstin kletterte

an den Drahtseilen

entlang nach unten.


Seite 25

Nicht nur wir waren am nächsten Morgen früh auf den

Beinen. Auch viele Mountainbiker fuhren an diesem

Tag von Scharnitz hinauf zum Karwendelhaus. Dabei

beneideten wir jetzt schon ihre herrliche Abfahrt, die

den Radlern am Nachmittag bevorstand. Es muss ein

tolles Gefühl sein, das ich auch gerne einmal erleben

möchte. Doch wir waren gerade zu Fuß unterwegs und

dementsprechend langsam schrumpften die 13 Kilometer

zusammen. Bald musste also eine Pause her.


26 Seite

Das Rißbachtal bildet

zwischen Östlicher- und

Westlicher Karwendelspitze

einen Halbbogen,

der bei schönem Wetter

gut zu erkennen ist.


Seite 27

An einem herrlichen Fleckchen Erde ließen wir uns nieder

und schauten zurück in das gebogene Tal. Dies wäre ein

wunderbarer Zeltplatz, da waren wir uns alle einig. Während

wir unsere Brote aufteilten, fuhren noch viele Radler vorbei

und ich dachte so bei mir: „Mein altes Stahlross wird das

Karwendel auch irgendwann noch einmal besuchen“. Doch

auch der Rest der Familie hätte jetzt gerne den Rucksack

gegen ein Rad getauscht.

Zwei Paddler nahmen mich anschließend mit nach Vorderriß,

denn ich musste noch unser Auto am Sylvensteinsee abholen.

Noch einmal fuhr ich die Mautstraße an der Isar entlang

und schaute auf das kürzlich eingerichtete Natura 2000

Gebiet, das südlich vom Fluss bis hinauf an die Gipfel reicht.

„Eine gute Sache wird hier entstehen“, dachte ich. Gut für die

Natur und für uns Menschen, denn wir sind ein Teil von ihr.


28 Seite

Der Rißbach fl ießt in

einem Halbbogen

hinunter ins Tal und

mündet anschließend bei

Scharnitz in die Isar.


Seite 29


30 Seite

Zugspitzbesteigung

Auf dem Weg zur

Knorrhütte, die auf

2052 Meter liegt,

verlässt der Weg die

Latschenregion und

es wird zunehmend

gebirgig. Gleichzeitig

ergeben sich grandiose

Aussichten

über das südliche

Wetterstein.


Seite 31

Das Wettersteingebirge wird den Nördlichen Kalkalpen zugeordnet. Die kompakten

Berge befinden sich westlich von Mittenwald, südlich von Garmisch-Partenkirchen und

nördlich von Seefeld in Tirol. Im Westen des Gebirges liegt Ehrwald. Damit teilt es sich

zwischen Bayern und Österreich auf und ist auch von beiden Ländern aus erreichbar.

Der Hauptgipfel des Wettersteins ist die Zugspitze mit 2962 Metern. Sie ist gleichzeitig

der höchste Berg in Deutschland. Zwischen Alpspitze und Hochwanner fließt die Partnach

mitten durch das Gebirge. Der Fluss formte das schöne Rheintal, von dem ich

auf den nächsten Seiten erzählen werde. Doch auch Leutasch und Hammersbach

bieten alpine Gebirgsbachkulissen und somit ideale Gebiete nicht nur für Bergsteiger

und Kletterer, sondern auch für Bergwanderer. Diese müssen jedoch teilweise große

Höhen- und Distanzunterschiede bewältigen.

Die gute Erschließung mit Seilbahnen hat jedoch zur Folge, dass das Gebirge zu manchen

Zeiten stark durch Touristen frequentiert wird. Das hintere Reintal, das aufgrund

seiner Abgeschiedenheit seltener von Menschen begangen wird, genießt auch aus

Naturschutz-Sicht einen hohen Status. So wurden dort das FFH-Gebiet „Wettersteingebirge“

und das Vogelschutzgebiet „Schachen und Reintal“ ausgewiesen.


32 Seite


Seite 33

Die Route

Der beschriebene Wanderweg führt zunächst von Garmisch-Partenkirchen entlang der

Partnach in das Herz des Wettersteingebirges. Nach halber Wegstrecke zur Reintalangerhütte

erreichen wir das Natura2000-Gebiet. Wir sind begeistert von der Hochwanner

Nordwand, aber auch vom grünen Märchenwald, der die Partnach im hinteren

Reintal umgibt.

Von den vier Routen, auf denen man auf die

Zugspitze steigen kann, ist die durch das Reintal

einerseits die längste, aber aufgrund der Abwechslung

wahrscheinlich auch die schönste, denn es geht

zunächst gemächlich nach oben. Dadurch entsteht

mehr Bereitschaft, mit der Natur in Kontakt zu treten.

Vor allem aber wird man mit Stille belohnt. Aus diesen Überlegungen heraus waren für

uns die kurzen und steilen Routen, die durch das Höllental oder über den Eibsee auf

den Gipfel führen, nicht zur Auswahl gestanden, zumal ich diese aus meiner Sturmund-Drangzeit

bereits kannte. Die Möglichkeit, den höchsten Gipfel unseres Landes

mit der Bergbahn zu bezwingen, war schon gar keine Option.


34 Seite

Über das Reintal auf die Zugspitze

Juli 2018

Wir stehen direkt vor der Olympiaschanze in Garmisch. Nach einer Anfahrt ohne viel Verkehr

war der sonnige Tag ein gutes Zeichen für unsere bevorstehende Bergtour durch das Wettersteingebirge.

Die gigantische Partnachklamm, die auf der normalen Aufstiegsroute liegt, war

jedoch immer noch gesperrt. Massive Niederschläge im Juni hatten den Weg durch die Klamm

unpassierbar gemacht. Die Schlucht war somit erstmals seit 27 Jahren gesperrt.

Gerne hätten wir uns die schäumenden Fluten des glasklaren

Wassers angesehen, wenn sie über die grauen

Felswände talwärts rauschen. An diesem Tag mussten

wir die Klamm jedoch leider über die Partnachalm

umlaufen. Steil ging es so am Anfang bis zur Alm nach

oben. Anschließend liefen wir ohne nennenswerte Steigung

auf breiten Wegen und Forststraßen dem Reintal

entgegen.

Nach halber Wegstrecke zur Reintalangerhütte erreichten

wir das Natura2000-Gebiet. An einem Aussichtpunkt

konnten wir hinunter zur Partnach schauen. Der glasklare

Fluss schlängelt sich zwischen den Felsen hindurch

und transportiert dabei unzählige Gesteinsbrocken

mit hinunter ins Tal.


Nach etwa zwei Kilometern

setzten wir neben einer

Forsthütte unsere Rucksäcke

das erste Mal ab und nahmen

einen kräftigen Schluck aus

unseren Wasserfl aschen. Ein

Müsliriegel sorgte für eine

kleine Stärkung. Bald verengte

sich die Forststraße. Wir waren

im Reintal und seiner beeindruckenden

Natura2000-Kulisse

angekommen. An einem

Aussichtspunkt rauschte unter

uns der türkisblaue Gebirgsbach

an senkrechten Felsabbrüchen

entlang das Tal hinab.

Seite 35


36 Seite

Die Partnach ist ein etwa 18

Kilometer langer Gebirgsfl uss,

dessen Quelle auf 1.440

Metern Höhe etwas westlich

der Reintalangerhütte liegt.

Gespeist wird die Partnach

jedoch vom Schmelzwasser

des 1100 Meter höher gelegenen

Schneefernergletscher.

Doch sein Abfl uss verschwindet

im Gesteinsboden unterhalb

des Gletschers und tritt

beim Partnachursprung wieder

an die Oberfl äche.


Seite 37

Nach etwa drei Stunden erreichen wir die 1052 Meter

hoch gelegene Bockhütte. Hier legen wir erneut unsere

Rucksäcke ab und lassen uns von der Hüttenwirtin

einen Kaffee und ein Radler einschenken.

Die malerisch gelegene Hütte wird von einem traumhaften

Märchenwald umrahmt. Von der schattigen Bank

aus genießen wir den Blick in die Berge und in das

obere Reintal.

Wir folgen anschließend dem schmalen Pfad am

Bach entlang. Er führt uns durch eine landschaftliche

Traumkulisse. Abwechslungsreich windet sich der Weg

durch das Naturschutzgebiet bis zur Reintalangerhütte.

Im Ohr haben wir dabei immer das Rauschen des

türkisblauen Gewässers. Die Partnach zwingt sich auf

ihrer 18 Kilometer Strecke durch vier Klammen hindurch

und ist auf dem Weg nach Garmisch-Partenkirchen bis

heute ein naturnahes Gewässer geblieben. Nach einer

überwundenen Höhe von 740 Höhenmetern mündet sie

in Garmisch-Patenkirchen in die Loisach.


38 Seite

Der Märchenwald im Reintal ist

Teil des 4.000 ha. großen

Naturschutzgebietes Schachen

und Reintal. Es besitzt einen

großen Reichtum an alpinen

Tier- und Pfl anzenarten.

Neben Alpenrosen stehen

Zirbelkiefern in Gruppen

zusammen. Sie bilden

gemeinsam mit den von

Flechten und Moosen bewachsenen

Fichten eine einmalige

Märchenlandschaft.


Seite 39

Das südliche Wettersteingebirge baut sich mit dem

2746 Meter hohen Hochwanner vor uns auf. Der zweithöchste

Gipfel Deutschlands fällt mit seiner Nordwand

ins Reintal hin ab. Sie ist mit ihren 1400 Meter Wandhöhe

die höchste Nordwand in den Ostalpen.

Doch sie ist vielen nicht bekannt, denn sie verbirgt sich

im hinteren Reintal und fordert dem Besucher einen langen

Fußmarsch ab. Sie gilt jedoch als ein Juwel unter

Bergsteigern. Die klassische Führe wurde 1904 erstbegangen

und bietet auf 1400 Metern Kletterschwierigkeiten

bis in den 3. Grad. Die Schwierigkeit der Tour liegt

somit in ihrer Länge.


40 Seite

Gemächlich steigen wir weiter

das Tal empor bis zum Ort der

legendären »Blaue Gumpe«.

Im Sommer 2005 jedoch

zerstörten starke Niederschläge

und Murenabgänge

diesen schönen Platz im

Reintal.


Unser erstes Etappenziel ist

die Reintalangerhütte. Sie liegt

direkt am Fluss und ist rund

herum mit Gebetsfahnen

geschmückt. Der idylische Ort

am Ende des Tages lädt uns

zum Entspannen ein.

Seite 41


42 Seite

Am nächsten Morgen war ich bereits vor sechs Uhr

wach gewesen. Ich schlich mich aus dem Lager und

ging vom Knarren des Fußbodens begleitet auf den

Balkon, der sich gleich um die Ecke hinter dem Zimmer

befand. Mein erster Blick galt dem Wolkenbild am

Himmel. Das Wetter passte noch. Ich atmete tief ein

und begann mich auf den vor uns liegenden Tag zu

freuen. 30 Minuten später nahmen wir ein reichhaltiges

Frühstück ein und starteten anschließend zügig in

Richtung Talschluß. Eine Brücke führte uns über den

Fluss und nach einigen Wegwindungen überquerten

wir eine größere Grasfl äche. Anschließend führte ein

Steig steil hinauf in Richtung Knorrhütte. Wir gewannen

schnell an Höhe und blickten dabei oft zurück in das

schöne Reintal.


Seite 43

Der Aufstieg wurde immer

schweißtreibender, denn die

Serpentinen wanden sich

immer steiler werdend nach

oben. Schnell brachten wir die

montane Stufe hinter uns und

blickten bald auf die letzten

Latschenkiefern hinab. Noch

eine halbe Stunde Wegstrecke

trennte uns jetzt noch von der

Knorrhütte.


44 Seite

Die nächste Höhenstufe war

erreicht. Nun wechselten sich

Zwergsträucher und Grasmatten

ab und vor unseren Augen

tauchte bald die Knorrhütte auf.

Sie liegt auf 2052 Metern Höhe.

Polsterpfl anzen begleiteten nun

unseren steilen Aufstieg bis zur

Hütte. Dahinter zeigte sich das

Wettersteingebirge von seiner

schönsten Seite. Die Kalkfelsen

des Wettersteins leuchteten

weiß vor dem blauen

Himmel in den Farben des

Bayerischen Wappens.

Schöner kann es in den Bergen

nicht sein.


Seite 45

Die Knorrhütte nutzten wir an diesem Morgen zunächst als Rucksackdepot und

packten unsere Rucksäcke um. Die folgenden Höhenmeter wollten wir nur mit dem

nötigsten Gepäck ersteigen. Nun ging es weiter bergauf. Hinter der Hütte weideten

einige Schafe auf den letzten Grasmatten direkt neben unserem Weg. Anschließend

wechselten sich Geröll und Eisfelder ab.

Beim Blick zurück stach das letzte Grün vor der aufziehenden Schlechtwetterfront

aus den hellgrauen Farben des Gerölls heraus. Eine Stunde später war der Himmel

bereits komplett zugezogen. Der Gipfel der Zugspitze blieb jedoch zum Glück sichtbar.

Wir querten das Skigebiet auf dem Zugspitzblatt und standen bald vor der letzten

Herausforderung unseres Aufstiegs bei dem 1.700 Höhenmeter zu überwinden

waren.


46 Seite

Anschließend mussten wir uns durch ein steiles

Schuttkar empormühen. Jedem Schritt vorwärts folgten

gefühlte zwei Rutschpartien zurück, während unser

Puls stetig stieg. An ein Foto war jetzt nicht zu denken,

denn wir benötigten nun unsere ganze Aufmerksamkeit

für den steilen Aufstieg. Wir passierten die Wetterstation

und folgten einem Steig, der durch den Fels weiter

hinauf führte. Es waren die letzten Höhenmeter vor dem

Gipfelplateau. Mit Drahtseilen gesichert forderte der

Aufstieg noch einmal unsere ganze Kraft. Immer wieder

mussten wir stehenbleiben und tief durchatmen, denn

der sinkende Sauerstoffgehalt in der Luft ließ nach diesem

deftigen Aufstieg die körperliche Leistungsfähigkeit

erheblich sinken.


Geschafft. 2962 Meter über

Deutschland blickt uns das

Gipfelkreuz entgegen. Auf dem

höchsten Berg unseres Landes

angekommen, verhindert der

Nebel die Sicht hinab auf die

umliegenden Berge des

Wettersteins und der Ammergauer.

Auch vom türkisfarbenen

Eibsee sehen wir leider

nichts. Das schlechte Wetter

zwingt uns dazu, den Gipfelaufenthalt

im Münchner Haus zu

verbringen und bald wieder an

den Abstieg zu denken.

Seite 47


48 Seite

Der Abstieg zur Knorrhütte war durch schlechtes Wetter geprägt. Wir hatten unsere

Regenjacken und die Rucksackhüllen übergezogen und mussten uns durch Nieselregen

hindurchkämpfen. Auch die Temperatur war erheblich gefallen, daher hatten wir

alles angezogen, was der Rucksack uns zu bieten hatte. Doch trotz allem freuten wir

uns, dass wir dem Trubel auf dem Gipfel auch bei diesem schlechten Wetter wieder

den Rücken zukehren konnten. Nach dem Queren des unteren Eisfeldes ließ der Regen

spürbar nach. Bald waren auch die Schafe wieder zu hören, die wir beim Aufstieg

bereits bewundert hatten. Erste Sonnenstrahlen blitzten wenig später aus dem noch

wolkenverhangenen Himmel und die besser werdende Sicht zeigte unter uns bald die

näherkommende Knorrhütte mit ihrer grauen Dachbedeckung.

Vom Auf- und Abstieg taten uns jetzt die Füße weh und wir waren froh, nach diesem

langen Tag wieder an der Hütte zu sein. Nun wurden die nassen Sachen in der

Trockenkammer aufgehängt und wir schlüpften in trockene Kleidung. Die reichlich

ausgestattete Speißekarte sorgte anschließend schnell für Glücksmomente und einen

feuchten Gaumen. Denn nach dieser Anstrengung freuten wir uns um so mehr auf

einen genussreichen Tagesausklang in der urigen Hütte.

Direkt neben dem Kachelofen studierten wir erneut die Wanderkarte und ließen den

Tag noch einmal in Gedanken an uns vorüberziehen. Wir waren vom Nadelwald aus

über die Latschenregion und die Zwergstauchvegetation hinauf ins Eis emporgestiegen.

Viele Eindrücke hatten wir gesammelt, die wir jetzt verarbeiten mussten. Ein

wenig Sorge bereitete uns nun das Wetter. Die Wolken waren erneut aufgezogen und

hatten dabei die Hütte gänzlich umhüllt. „Wie wird das Wetter aber Morgen werden?“,

fragte Kerstin. „Des wird schon“, war meine Antwort.


Seite 49

Der Weg von der Knorrhütte über das Gatterl nach Ehrwald

ist eigentlich eine landschaftlich sehr schöne und

vielseitige Variante für den Abstieg von der Zugspitze.

Doch leider war uns keine gute Sicht vergönnt. Dichter

Nebel umhüllte die Knorrhütte bereits am folgenden

Morgen und wir mussten schon zu Beginn des Tages

mit Regenklamotten starten.

Am Vortag hatte ich mir noch beim Abstieg vom Gipfel

die Route hinüber zum Gatterl eingeprägt und so

konnten wir uns zumindest in der ersten halben Stunde

halbwegs orientieren. In weitem Bogen führte uns

zunächst der Weg von der Knorrhütte ohne großen

Höhenunterschied hinüber zum „Gatterl“.

„Gatterl“ ist ein uriger Name für einen Grenzübergang

hinüber nach Österreich. Gestern war der Übergang

noch als ein schiefl iegendes „W“ schon von weitem

erkennbar, heute mussten wir den genauen Zustieg

beinahe ertasten. Nachdem wir die Grundmauern

einer zerfallenen Kapelle passiert hatten, ging es auf

den letzten Metern vor dem „Gatterl“ noch einmal über

ein paar Kraxelmeter hinauf und anschließend gleich

wieder rechter Hand bergab.


50 Seite

Jetzt war Gleichgewicht und teilweiser Handeinsatz angesagt.

Über große Steinabsätze ging es steil hinunter. Die

nassen Steine erforderten dabei unsere ganze Aufmerksamkeit.

Nach diesem kurzen Klettereinsatz mussten wir anschließend

über glitschige Grasnarben gleich wieder bergauf.

Der Pfad war hier aufgrund des gestrigen Regens kaum

begehbar. Auch die Gemsrudel, die hier oben in manchen

Wegbeschreibungen erwähnt werden, konnten wir aufgrund

der schlechten Sicht leider nicht beobachten. Doch

die Aussicht von hier aus muss grandios sein. In engen

Serpentinen windet sich der Steig nun um die Felsen.

Wir waren etwas traurig und zugleich doch begeistert wie

schnell sich die Formen im Nebel vor unseren Augen stetig

veränderten.

Der Grenzübergang über das

„Gatterl“ war früher sogar ein

bevorzugter Schmuggelweg.

Durch den Nebel, der sich an

diesem Tag um die Felszacken

schmiegte, konnten wir uns in

die Schauermärchen, die von

dieser Route berichten, recht

gut hineinfühlen.


Seite 51

Nach dem Queren eines kleinen Schuttkars blitzte

die Sonne wieder unter den Wolken hervor und ein

faszinierendes Blau trat hinter dem Weiß zum Vorschein.

Diese mutmachenden Ausblicke wurden sogleich mit der

Kamera festgehalten. Doch wir mussten weiter, denn wir

hatten uns eine Zugverbindung herausgesucht, die für

unsere Heimfahrt ideal gewesen war.

Unser Weg führte uns dann gemächlich berab in Richtung

Ehrwalder Alm. Wir genossen dabei die landschaftlich

reizvolle Umgebung, die unseren Augen viel grün bot,

denn der Weg brachte uns über zahlreiche Almen hinab

bis ins Tal. Am Bahnhof angekommen, wartete auch

schon unser Zug, mit dem wir zurück nach Garmisch

fuhren.


52 Seite

An der Isar entlang

An den Ufern der Isar

liegen wunderschöne

Buchten. Über diese

kann man mit dem

Boot bequem auf das

Wasser gelangen.

Die besten Ausblicke

auf den Fluss und die

Uferumgebung hat

man jedoch bei einem

kurzen Halt, wenn

man mit dem Rad auf

einer der zahlreichen

Brücken steht, die über

den Fluss führen.


Unsere heimischen Flüsse wie die Isar, die Altmühl oder der Main können zum

näheren Kennenlernen mit dem Paddelboot befahren werden oder man erkundet

ihren Verlauf einfach mit dem Rad. Sie näher kennen zu lernen macht Sinn, denn

die genannten Gewässer sind nicht nur Lebensader einer jeweiligen Region, an

ihren Ufern führen auch schöne Radwege entlang.

Seite 53

Früher wurde ein Fluss vor allem als Transportweg für Waren aller Art genutzt.

Dies galt auch für die Isar, denn dort wurden mit dem Floß vor allem große Holzmengen

abwärts transportiert, wobei sich der Ursprung der bayerischen Floßfahrt

dort bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Im 15. Jahrhundert schlossen

sich die Flößer dann sogar zu organisierten Gewerben zusammen, wobei die Isar

eine Sonderstellung hatte, denn sie galt als der befahrendste Fluss, da er die

Hauptverkehrsader zwischen den südbayerischen Gemeinden und der im Norden

liegenden Donau bildete. Gerade seine Fließlänge von knapp 300 Kilometern

trugen zu dieser Entwicklung bei. Aber auch das Einzugsgebiet, das mit 8.370 km²

angegeben wird, ist erwähnenswert. Denn die Isar entwässert somit einen

beachtlichen Teil in Südbayern.


54 Seite


Seite 55

Die Route

Die beschriebene Radtour startet in Mittenwald und führt an der Isar entlang bis zur

Mündung des Flusses in die Donau bei Deggendorf. Im oberen Teil durchquert man

einen in großen Teilen noch unzerschnittenen Naturraum, der mit seinen

Natura 2000-Gebieten „Karwendel mit Isar“ und „Oberes Isartal“ ein hohes Potential

an Tier- und Pflanzenvielfalt birgt.

Auf diesem Weg lernt man fünf verschiedene

Landschaftstypen kennen. Gleich zu Beginn

beeindruckt das Karwendelgebirge und anschließend

die Moränenlandschaft bis hinunter in die Münchner

Schotterebene. Dahinter weitet sich das Isartal und

der Fluss beeindruckt den Besucher durch immer

stärker ausgeprägtere Auenlandschaften. Am Ende

mündet die Isar in das Stromtal der Donau. Doch

auch menschliche Eingriffe in das Flusssystem

liegen auf dem Weg. Einer davon ist der große Sylvensteinspeicher,

der sich bereits am ersten Tag vor

mir ausbreitet.


56 Seite

Auf dem Isar-Radweg

Juli 2017

Seit unserer Karwendeldurchquerung waren fast acht Jahre vergangen. Umso mehr freute ich mich, wieder

hier zu sein. Hinter der alten Festung “Porta Claudia” ging es von Scharnitz zunächst die ersten Kilometer

bergab bis nach Mittenwald. Meine Familie hatte mich dort abgesetzt. Doch bereits auf der Gebirgspionierstraße

überholten sie mich mit dem Camper. Lachend sah ich Jan und Lena hinter den Scheiben, als ich

gerade in die Rehbergstraße einbog.

Sie amüsierten sich köstlich, als sie mir beim Schwitzen

zusahen und dabei hinter den Scheiben saßen und mir

frech zuwinkten. Die Idee, einmal an der Isar entlangzufahren,

war schon vor vielen Jahren entstanden. Bereits

1990 hatten mich die klaren Bäche Isar und Scharnitz

fasziniert. Doch mit Anfang 20 reizten mich eher Touren

im Gebirge. Damals war ich von Scharnitz über die

Birkarspitze und das Hallerangerhaus bis nach Insbruck

gelaufen und hatte dabei das schöne Karwendelgebirge

in zwei Tagen zügig überquert. Urlaub war schon immer

knapp gewesen und daher war Effizienz das oberste

Gebot. Heute versuche ich mir mehr Zeit zu lassen.

Ich plane bewusst auch längere Pausen ein, um die

Schönheiten der Natur zu genießen. So setzte ich mich

an diesem Tag auch mal eine halbe Stunde ans Ufer

der Isar, um das Spiel des Wassers zu genießen, wenn

es im Bachlauf über die Steine springt.


Seite 57

Doch zunächst trat ich erst einmal in die Pedalen und das

schöne Städtchen Mittenwald war schon bald hinter mir. Die

Isar ist hier noch in einem geraden Bachbett gefangen, doch

der Radweg schlängelte sich einladend an der B2 entlang,

mal auf und mal ab an Krün vorbei bis nach Wallgau. Auf der

Risser Straße passierte ich noch einmal einen kurzgemähten

Golfplatz, doch bald mündete der Isar-Radweg auf eine

kostenpflichtige Mautstraße in Richtung Vorderriß ein und

endlich begann die Natur auf mich zu wirken. Denn auf den

folgenden 13 Kilometern kann die Isar bis nach Vorderriß

frei fließen. Daher bietet sie dort auch etwa 20 Flussuferläufer-Brutpaaren

eine Heimat. Trotz des diesigen Wetters

waren von einigen Standpunkten aus schöne Ausblicke in

das weitläufi g unter mir fl ießende Isartal möglich.

Links:

Der natürliche Verlauf

der oberen Isar ist ein

wichtiges Rückzugsgebiet

des Flussuferläufers.

Oben:

Die vielen Scheunen,

die sich herrlich in die

Landschaft fügen,

werden landwirtschaftlich

genutzt.


58 Seite

An einer Haltebucht führte ein schmaler Pfad an einen

Niedersitz, der gut versteckt über einer nach unten

abfallenden Böschung befestigt war. Von hier aus

konnte man durch die Fichtenäste über das obere

Isartal blicken. Ein Ort, an dem man stundenlang sitzen

und Tiere unten am Fluss beobachten kann. Es fiel mir

schwer, diesen herrlichen Fleck wieder zu verlassen.

Doch ich war motiviert, den ganzen Flusslauf zu

erkunden, der auf seinen 292 Kilometern Länge viele

Ausprägungen hat. Daher setzte ich nach etwa 30

Minuten meine Fahrt fort. Zunächst galt es, den oberen

Verlauf dieses typischen Gebirgs- bzw. Voralpenflusses

kennen zu lernen.

Wenn man mit dem

Fahrrad unterwegs ist,

bietet sich oft die

Möglichkeit, die

Flusslandschaft

hautnah zu erleben.


Zwischen Wallgau und dem

Sylvensteinsee begeistert die

Isar mit ihrem breiten Flussbett,

das sich ständig verlagert und mit

seinen ausgedehnten Schotterbänken

Freiräume für seltene

Tiere schafft. Durch die oft

wechselnden Verzweigungen der

Flussarme wird eine

Dynamik erschaffen, die man als

Naturwunder bezeichnen kann.

Dies zu ermöglichen, sollte Vorbildcharakter

für alle bayrischen

Alpenflüsse haben.

Seite 59


60 Seite

Am Sylvenstein-Stausee angekommen, quere ich den

See über eine Autobrücke und habe von dort aus einen

guten Ausblick über den Speichersee und die umliegenden

Berge. Danach geht es steil hinab am Stausee-

Kraftwerk vorbei bis nach Winkl.


Seite 61

Anschließend fahre ich

hinunter nach Lenggries und

kann dort eine außergewöhnlich

blumenreiche Ufervegetation

beobachten.

Hier wachsen noch Schneeheide,

Enzian und Heideröschen,

aber auch einige

Orchideenarten.


62 Seite

Der gelbe Frauenschuh

(großes Bild) und das

Helmknabenkraut (links),

aber auch die Sommerwurz,

sind Orchideenarten,

die entlang der Isar

wachsen.

Orchideen

Wohl keine heimische Pflanzenfamilie ist

so beliebt wie die Familie der Orchideen.

Das ist durchaus verständlich, denn die

meisten Arten sind nicht nur wunderschön

anzuschauen, die jüngste Familie

innerhalb der Pflanzen ist darüber hinaus

auch ökologisch sehr interessant. Eines

unserer faszinierendsten Exemplare ist

dabei der Frauenschuh, der mit seiner

Kesselfalle potenzielle Bestäuber auf eine

außergewöhnliche Art und Weise anlockt,

aber letztlich doch täuscht.


Seite 63

In Lenggries angekommen, habe ich bereits über 50 Kilometer

Isarerlebnis hinter mir, das zeigt mir ein Hinweisschild. Nach Bad

Tölz hatte ich jetzt noch zehn Kilometer zu radeln. Dabei staunte

ich darüber, wie sehr sich die Flusslandschaft seit meinem Start

bereist verändert hatte. Wenn man die Strecke quasi „unter die

Räder“ nimmt, geht doch alles ziemlich schnell. Das Mountainbikefahren

ist von meinen drei Fortbewegungsarten die schnellste, um

eine Landschaft zu durchqueren.

Eine Landschaft kann

man nur kennen lernen,

wenn man aktiv unterwegs

ist. Autofahrend

lässt sich die Natur nicht

erleben. Man muss

aussteigen und mit ihr

interaktiv werden.

Beim Wandern und Paddeln kann man noch tiefer in die Natur eintauchen

und sich gleichzeitig klimaschonend fortbewegen. Deshalb

bleibe ich beim Radeln immer wieder stehen oder setze mich einige

Minuten ans Ufer. Nur so kann man zum Beispiel eine Bachstelze

beobachten, die auf den Steinen entlangläuft und dabei mit ihrem

Schwanz auf und abwippt, oder einen Turmfalken erkennen, der

gelegentlich über unseren Köpfen seine Kreise zieht. Erst dann

habe ich das Gefühl, ein Teil meiner Umgebung zu sein. Dies zu

erleben, ist meiner Meinung nach nur möglich, wenn die Bewegung

durch einen Naturraum abgebremst und so quasi entschleunigt

erlebt wird. Erst dann entdeckt man neben einer Landschaft auch

seine Bewohner. Erst so begegnet man dem Leben wirklich.


64 Seite

Zwei Kanuten machen mit

ihren roten Booten gerade

eine kleine Pause.


Seite 65

Auf einer Brücke in Lenggries habe ich ein weiteres

Mal einen Ausblick über die Isar und die Berge im Hintergrund.

Ich beobachte zwei Kanuten mit ihren roten

Booten, die gerade eine kleine Pause auf dem Kiesbett

einlegen. Ich beneide zu diesem Zeitpunkt die Beiden

ein wenig, denn sie sind dem glasklaren, türkiesblauen

Fluss viel näher als ich. Mit einem Kanu oder Kajak

einen Fluss hinunter zu paddeln, ist die Königsklasse,

um ein Gewässer kennen zu lernen. Davon möchte ich

auf den nächsten Seiten erzählen.

Den Nachmittag verbrachten wir gemeinsam in Lenggries.

Nach einem Eis beendeten wir den schönen

Sommertag mit einem lustigen Volleyballspiel und

gemeinsamen Wassertreten am Fluss. Doch die Kälte

des Gebirgsfl usses schmerzte bald an unseren Füßen

und die Isar zeigte uns ein weiteres Mal, dass sie eben

doch ein wilder Fluss ist. Anschließend fuhr ich noch die

restlichen neun Kilometer nach Bad Tölz und beendete

dort nach knapp 60 Kilometern den ersten Tag meiner

Radtour. Vom zweiten Tag der Radtour wird dann ab

Seite 80 weiter berichtet.

Links:

Eine Raftinggruppe an

der Isar. Für viele ist dies

der Einstieg in das

Abenteuer „Wildwasser“,

denn es sitzt immer ein

Experte mit im Boot.


66 Seite


Seite 67

Die Route

Die Isar, die an ihrem Oberlauf nördlich von Lenggries mit der Einstufung

Wildwasser III eingeordnet ist, strömt ab Bad Tölz bei idealem Wasserstand

gemächlich durch den Süden Bayerns. Dennoch sollte man auch diesen Flussabschnitt,

der als Wildwasser I eingestuft ist, nicht unterschätzen und ich würde

ihn auch nicht für Paddeleinsteiger empfehlen.

Die beschriebene Route startet etwa sechs

Kilometer nördlich von Bad Tölz und endet

hinter dem Einstieg der Floßfahrten in Wolfratshausen.

Auf diesen etwa anderthalb Stunden,

wenn man lediglich die Paddelzeit rechnet,

legt man auf dem Fluss etwa 16 Kilometer zurück.


68 Seite

Auf dem weißen Fluss

September 2020

Der Tag hätte nicht schöner beginnen können. Bereits auf der Anfahrt in Richtung Bad Tölz verzog

sich der Hochnebel relativ rasch. An der geplanten Einstiegsstelle angekommen, strahlte die Sonne

bereits im schönsten bayerischen Blau vom Himmel.

Lena und ich fragten die Anwohner nach ihrem Einverständnis,

das Boot hinter ihrem Haus einsetzen zu

dürfen. Die Anwohner bejahten dies sehr freundlich und

wir starteten mit den Vorbereitungen.

Antransport, aufpumpen, das Boot beladen. Es ist

die immer wiederkehrende Prozedur, die einem die

morgentliche Herzfrequens das erste Mal nach oben

treibt. Lena machte nebenher schöne Bilder von Boot,

Kiesstrand und Isar. Bald setzte ich ein und stieß mich

mit dem Paddel vom Ufer ab. Wir hatten uns auf zwei

Stunden geeinigt. Dann wollte ich Lena und Kerstin am

besprochenen Isar-Steinstrand wiedersehen. Um kurz

nach 13 Uhr setzte ich meine ersten ruhigen Paddelschläge

in das Wasser.


Seite 69

Während den ersten

Minuten sieht man der Isar

ihre Wildheit noch nicht an.

Ich genoss es, wieder mit dem Boot auf dem Fluss zu

sein. Ein Hauch von Freiheit drang mit jedem Atemzug

hinab in meine Seele. Die schnellere Isar war neu für

mich, denn bisher hatte ich lediglich langsam fließende

Flüsse wie die fränkische Saale, die Altmühl, die Wiesent

und den Main erkundet. Auch die obere Donau, auf

der ich ebenfalls gepaddelt habe, fließt gemächlicher

dahin. Ich freute mich über diese neue Erfahrung, die

ich nun in den folgenden Stunden erleben durfte.

Die Ufervegetation schob sich wie im Kino an mir

vorbei. Der Fluss rauschte unter mir und mit meinen

Paddelschlägen brachte ich das Boot immer wieder

auf Kurs. Nach etwa 13 Minuten erreichte ich die erste

Steinwand. Links vor der Wand musste ich nun fleißig

rudern, um nicht in die Hauptströmung zu kommen. „Na

endlich“, dachte ich, „nun wird es spannend“. Wenige

Augenblicke später folgte eine Rechtskurve, in der ein

Baumstamm am Ufer fest hing. Auch diesen galt es

zu umfahren. Weitere drei Minuten später erreichte ich

die erste Strömungspassage. Die Herausforderungen

reihten sich nun in kurzen Abständen hintereinander.

Sie ließen mich die Isar, also die Kraft, die im fließenden

Wasser stecken kann, spüren. Darauf hatte ich

gehofft. Nicht zu schwer, aber doch spannend. Nach

diesem schönen Hindernis beruhigte sich die Isar wieder

ein wenig. Nun hatte ich etwas Zeit, ein paar Bilder

zu machen.


70 Seite

Nach 15 Minuten wird die

Isar rauer. Nur gelegentlich

und an wenig spektakulären

Abschnitten hole ich

meine Kamera hervor.


Seite 71

Ich drehte mich dazu mit dem Boot um 180 Grad und schaute in die Berge nach Süden

hinunter. Sie zauberten am Horizont eine perfekte Tapete an den blauen Himmel.

„Schöner kann auch Kanada nicht sein“, dachte ich bei mir. Ich kann dies aus eigener

Erfahrung behaupten, denn am Yukon sieht es an den Stellen, an denen ich war, fast

genauso aus. Die Isarauen, die ich hier gerade befahre, sind den wilden Flüssen im

Amerikanischen Norden zum Verwechseln ähnlich.

Nach der nächsten Flussbiegung wagte ich einen weiteren Blick zurück. Es war

fantastisch hier. Da kann man sich doch wirklich den Flug spraren und neben den

Kosten für das Ticket auch noch das Klima schonen.


72 Seite

Nach weiteren 13 Minuten erreichte ich erneut eine

Strömungspassage. Ich war nun eine gute halbe Stunde

unterwegs und genoss diese Abwechslung zwischen

ruhigerem Fahrwasser und dem bekannten „weißen

Wasser“, wie Wildwasserabschnitte auch genannt werden.

Der Name erklärt sich durch die Farbe, die durch

den Einschluss der Luft zustande kommt. Gleichzeitig

bedeutet die weiße Farbe vor allem Vorsicht, denn hier

sieht der Fluss nicht nur anders aus, das Wasser fließt

auch schneller und steigert gleichzeitig seine Kraft, mit

der es so ziemlich alles zerstören kann.

Während mir diese Gedanken durch den Kopf gingen,

verspürte ich zum Glück keine Angst, lediglich

Ehrfurcht, denn ich hatte mich gut auf diese Tour

vorbereitet. Auf ruhigen Flüssen hatte ich schon einige

Erfahrungen gesammelt und war mir sicher, mein Boot

nun auch hier beherrschen zu können. Zumindest

für die Isar in diesem Bereich. Zwei Minuten später

unterfuhr ich eine Brücke. Einen Campingplatz hatte ich

auch bereits passiert. Die Wohnwagen standen sehr

knapp am Ufer, wie ich fand. Ich war etwas verwundert

darüber, doch ich genoss die kurzen Einblicke, die man

nur vom Fluss aus haben kann.


Seite 73

Ich beobachtete Flussseeschwalben und Flussuferläufer.

Davor waren schon viele Enten, die meist in

Gruppen unterwegs sind, am Ufer zu sehen.

Doch gerade auf die Flussseeschwalben und Flussuferläufer,

die hier auf den Kiesbänken gerne brüten,

wollte ich besonders Acht geben. Diese seltenen Vögel

haben hier ihr Rückzugsgebiet. Daher betrat ich diese

Kiesbänke nicht, so wie es die Naturschutzregeln vorgeben.

Ich blieb auf dem Fluss, denn ich weiß, dass wir

auf unsere Natur in Zukunft noch viel mehr Rücksicht

nehmen müssen.

Etwa zehn Minuten nach einer Brücke erreichte ich die

nächste Strömungspassage. Im 90-Gradwinkel steuerte

ich auf die Stelle zu und konnte sie ohne Probleme

durchfahren. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits

eine Dreiviertelstunde auf dem Wasser verbracht und

wunderte mich, wie schnell diese spannende Zeit doch

vergangen war.

Nach einer guten Stunde erreichte ich die großen

Kiesbänke, die mir bereits auf der Karte aufgefallen

waren. Ein weiteres Mal dachte ich an Kanada. Hinter

der ersten großen Sandbank bog ich in eine scharfe

Rechtskurve ein. Ich drehte mein Boot, schaute nach

Süden auf die Berge und freute mich über die Vogelwelt,

die sich an den Kiesufern aufhielt.


74 Seite

Durch das Geschiebe

des Flusses entstehen

Sandbänke.

Sie nutzt zum Beispiel

der Flussuferläufer,

um seine Eier

abzulegen. Daher

dürfen Bootsfahrer

die Kiesbänke nicht

betreten.


Seite 75

Um das Feeling beim Befahren des Flusses hervorzuheben,

erzähle ich die nächsten Zeilen im Präsens.

Über mir kreisen Greifvögel. Doch zum Beobachten und

zum näheren Bestimmen habe ich keine Zeit. Alle zwei

bis drei Sekunden muss ich mich auf den Fluss konzentrieren.

Nach der letzten großen Kiesbank kommt noch

einmal eine Stromschnelle. Jetzt heißt es erneut Obacht

geben, denn ich muss sie gerade, das heißt mit der

Strömung durchfahren, um nicht zu kentern!

Geschafft. Nur wenige Augenblicke später bin ich

durch. „Nicht schlecht“, denke ich für einen Augenblick.

Auch vier Minunten später kommen mir die gleichen

Gedanken noch einmal, als ich erneut stärker paddeln

muss, um mit dem Boot nicht zu dicht an eine Steilwand

gedrückt zu werden. Ich gebe alles, um Kurs zu halten,

denn gegen das Wasser bin ich mit meinem Boot

machtlos.

Ich verdränge dabei die Gedanken, was passieren

würde, wenn mich die Strömung gegen die Steilwand

drücken würde. Paddelfehler werden umgehend

bestraft und das kann ich jetzt beim besten Willen nicht

gebrauchen. Im Ganzen sind es gute 16 Kilometer, die

ich auf der Isar zurücklege. Es sind Eindrücke, die ich

gerne mit den Worten „Natur pur“ umschreibe. Keine

Häuser, keine Straßen, keine Autos und kein Lärm.

Aber auch keine Hilfe, wenn ich kentere, das ist mir in

diesem Moment durchaus bewusst.

Zehn Minuten später erreichte ich den besprochenen Treffpunkt

mit Kerstin und Lena. Es war der Isar Steinstrand

nahe Wolfratshausen und er lag nun direkt vor mir. Nach

etwa anderthalb Stunden paddeln, freute ich mich auf die

bevorstehende Pause mit den Beiden. Sie winkten mir

schon von weitem zu und Lena machte ein paar schöne

Fotos.


76 Seite

Kurz vor dem Anlanden

am Steinstrand

von Wolfratshausen

stand Lena bereits

mit dem Foto auf

Lauerstellung um

ihren Vater zu fotografi

eren.


Seite 77

Zufrieden zog ich mein Boot aus dem Wasser. Die beiden

erwarteten mich mit einer Pizza, die ich nach diesem kleinen

Abenteuer besonders genoss. Ich gestand, dass ich

so richtig Kohldampf hatte, denn zum Paddeln braucht es

einiges an Energie, obwohl ich überwiegend nur steuernd

eingriff und die eigentliche Fortbewegungsarbeit dem Fluss

überließ.

Wir lagen anschließend auf dem Kiesstrand und genossen

die wärmenden Sonnenstrahlen auf unseren Körpern.

Doch trotz des schönen Wetters war es am Fluss nicht zu

warm. Ich begann nun zu erzählen. Dabei schwärmte ich

von den vielen Wasservögeln, die ich vom Boot aus gesehen

hatte. Ich erzählte von der unglaublichen Dynamik des

Flusses und von der Freude, die während der schwierigen

Stellen auf mich wirkten.

„Das ist besser als jede Achterbahn“, gab ich am Ende zu.

Vor allem aber war ich beeindruckt, „klein Kanada“ direkt

vor unserer Haustür entdeckt zu haben.

Die Beiden lauschten meinen Ausschweifungen noch eine

Weile. Dann zog ich erneut mein Boot aufs Wasser zurück.


78 Seite

Von hier waren es nur noch etwa fünf Paddelminuten bis

zum Ausstieg an der Marienbrücke, die sich gleich neben

dem Einstieg der bekannten Wolfratshausener Floßtouren

befindet.

Zufrieden packte ich meine Sachen wieder ins Boot und

machte mich noch einmal auf, das letzte Stück der „Wilden

Isar“ zu befahren. Wetter und Pegelstand hatten mitgespielt

und so den Tag zu einem perfekten gemacht.


Noch einmal hieß

es kraftraubendes

Gegensteuern mit

den Paddeln.

Vor mir lagen noch

ein paar Flussbiegungen

bis zum endgültigen

Ausstieg in

Worfratshausen.

Seite 79


80 Seite

Auf dem Isar-Radweg, Teil 2

Juli 2017

Der Fluss geizt nicht mit Abwechslung. Während er an unverbauten Streckenabschnitten Wildwassercharakter

hat, kann man hinter Bad Tölz am Isarstausee eine für den Fluss untypische

Ruhe erfahren, denn hier hat der Mensch das Gewässer gezähmt.

Dabei werden frei fl ießende Flüsse immer knapper.

Nur noch ein Drittel der großen Flüsse weltweit strömen

ungehindert von der Quelle bis zur Mündung. So

beeinträchtigen immer mehr Staudämme, Begradigungen

und andere menschliche Eingriffe den Lauf unserer

Gewässer. Das hat jedoch schwerwiegende Folgen

für ökologische Zusammenhänge. Daher warnen viele

Forscher und alle Naturschutzorganisationen vor dieser

weltweiten Entwicklung. Doch nicht nur Nil, Amazonas

oder Megastaudämme am Jangtse in China werden

immer mehr zum Problem wandernder Fische, auch

unsere Donau, der Main und ebenso die Isar sind davon

betroffen. Die Flüsse sind die Lebensadern unseres

Planeten. Für die Isar habe ich die Tier- und Pfl anzenwelt

in einem Buch zusammengefasst, auf das ich am

Ende meiner Isar-Radtour hinweisen werde.


Seite 81

Frisch gestärkt verließ ich Bad Tölz und fuhr am Fluss

entlang in nördlicher Richtung. Nach einer kurzen Strecke

auf der Landstraße führte mich der Isar-Radweg

nach Rothmühle und weiter durch den kühlenden Wald

nach Geretsried und Gartenberg. Geretsried hat etwa

23.000 Einwohner, doch davon bekam ich nicht viel mit,

denn der Isar-Radweg umläuft beide Städte und führte

mich geradewegs bis nach Wolfratshausen.

Dort angekommen, blieb ich am Fluss und fotografierte

die Ablegestelle der bekannten Holzfloßfahrt, die in

Wolfratshausen startet. Bald erreichte ich den Isarkanal,

der das Wasser in ein Betonbett eingezwängt und in

Richtung Norden weiterführt.


82 Seite

Der Isarkanal kann mit

dem Floß sehr gut

befahren werden.

Dabei wird auf

Holzbänken kühles

Faßbier gereicht. Dazu

spielt Blasmusik. Auch

so kann man auf dem

Fluss bis nach

München treiben.


Seite 83

Die Flößer auf der Isar

Der Ursprung der bayerischen Floßfahrt

liegt im 12. Jahrhundert. Das Wissen

der Flößer wurde über Generationen

weitergegeben. Daher haben bis heute

nur wenige Familien die Erlaubnis, mit

dem Floß auf der Isar zu fahren. Früher

wurden die Floße ausschließlich für

Holz- und Warentransporte genutzt. Im

15. Jahrhundert schlossen sich dann

Flößer zu organisierten Gewerben

zusammen. Die Isar hatte dabei eine

Sonderstellung. Sie galt als der häufigst

befahrene Fluss und bildete die Hauptverkehrsader

zwischen den südbayerischen

Gemeinden und der im Norden

liegenden Donau.

Wie an einer Perlenkette reihen sich auch heute noch

die Floße hintereinander. Ich zählte an diesem Tag über

15 Stück. Doch heute werden anstatt Holz meist Gäste

bis nach München transportiert. Ich schaute ihnen noch

einen Augenblick hinterher und dachte kurz daran, wie

ich mit meinen Lehrjahrskollegen auf gleichem Weg in

die Landeshauptstadt getragen wurde. Nun war ich aber

mit dem Rad unterwegs und trat weiter in die Pedalen.


84 Seite

Die hochmittelalterliche

Burg Grünwald, die

sich über dem Isartal

erhebt, ist bereits seit

dem 12. Jahrhundert

urkundlich nachweisbar.

Die heutige Anlage

stammt jedoch

überwiegend aus dem

15. Jahrhundert


Seite 85

Kurz vor Mühltal ging es noch einmal steil bergauf.

In der Mittagshitze kam ich ganz schön ins Schwitzen

und ich freute mich, als die ersten Straßlacher Höfe am

Horizont sichtbar wurden.

Amüsiert überholten mich drei Rentner am Anstieg mit

ihren e-Bikes und dem Spruch „Ganz schön steil hier

gell“. Ich nahm es mit Gelassenheit und zog auf der

langen Gerade nach der Frundsberger Höhe wieder

an ihnen vorbei. In Grünwald angekommen, wählte ich

den oberen Isarweg und schaute auf Pullach hinüber.

Tief hat sich hier der Fluß unter mir in die Landschaft

gegraben.

Bei den sommerlichen

Temperaturen ist ein

Fußbad in der kühlen

Isar eine verdiente

Abwechslung. Entspannt

saß ich im

Schatten und genoss,

wie der Fluss an mir

vorüberzog.

Ich rastete kurz auf einer einladenden Bank und

vereinbarte mit dem Rest der Familie den nächsten

Treffpunkt, was einem Eichelhäher gar nicht gefiel.

Dabei wollte ich ihn wirklich nicht stören. Anscheinend

war ich in sein Reich eingedrungen, das er lautstark

verteidigte.


86 Seite

Nach dem Hellabrunner Tierpark durchfuhr ich das

Naherholungsbebiet von München. Die Isar schlängelt

sich hier eingebettet in ein grünes Band über Sendling

bis hinein in die Innenstadt. Am Fluss lässt es sich bei

diesen sommerlichen Temperaturen gut aushalten.

Hinter Sendling ragten die beiden Kirchtürme von

St. Maximilian empor und wenig später erhob sich

das Deutsche Museum ebenfalls auf der gegenüberliegenden

Uferseite der Isar in den strahlendblauen

Himmel. Zum Maximilianeum war es jetzt nur noch ein

Katzensprung. Vorsichtig schlängelte ich mich durch die

Menschenansammlungen hindurch. Hier ist Radfahren

eine knifflige Angelegenheit und benötigte meine volle

Konzentration.


Seite 87

Den gut ausgeschilderten Englischen Garten fand

ich auf anhieb und radelte dann geradewegs auf den

Chinesischen Turm zu, ihn hatten wir als Treffpunkt

ausgemacht.

Das wohlverdiente Radler schmeckte unsagbar gut zu

den Klängen der Blasmusik, die im „Oberstübchen“ des

Turms saß. Anschließend war Sightseeing angesagt.

Wir besichtigten den Marienplatz und die

Frauenkirche, den Stachus und das

Hofbräuhaus. Bei herrlichem Wetter ist

nicht nur die Isar, sondern auch München

eine Reise wert.


88 Seite

Wasserspiele bieten

nicht nur dem Betrachter

eine willkommene

Abwechslung.

Steinablagerungen

bilden entlang der Isar

unzählige Stufen, die

mehr Sauerstoff in das

Gewässer einbringen.

Sie helfen damit der

Isar, Schadstoffe

besser abzubauen.

Oft werden solche

Stufen künstlich

angelegt.

Am nächsten Morgen besuchten wir die Globetrotter-

Filiale. Ich informierte mich eine gute Stunde lang

in verschiedenen Etagen nach Neuheiten, die das

Outdoorleben erleichtern können und war letztlich stolz,

ohne Einkauf den Laden wieder verlassen zu haben.

Denn mal im Ernst, braucht man immer den neuesten

Schrei, wenn man draußen unterwegs ist?

Anschließend ging es wieder am Isarufer entlang. Vom

Friedensengel aus führte mich die Beschilderung in

nördliche Richtung über den Mittleren Isarkanal

durch alte Baumaleen hindurch in Richtung Ismaning.

Es ist erstaunlich, wie wenig von der Stadt man letztendlich

auf dem Radweg entlang der Isar mitbekommt.

Ich radelte weiter bis hinunter nach Moosburg und mir

kam es so vor, als würde die Flussaue immer schöner.


Seite 89

Hier an den mittleren

Isarauen bilden zusätzlich

der Schwabinger

Bach und der

Garchinger Mühlbach

eine breite Auenregion.

Gekennzeichnet als

FFH-Gebiet „Isarauen

von Unterföhring bis

Landshut“ bereichert

dieses 5276 Hektar

große Natura2000-

Gebiet unser Naturerbe.


90 Seite

Die Renaturierung

einiger

Teilstrecken an

der Isar zeigt

erste Erfolge.

Viele selten

gewordene

Tierarten wie

Huchen oder

Streber sollen

davon profi tieren.

Ein paar im Kreis liegende Baumstämme lockten mich erneut an das Isarufer.

Ich stellte mein Mountainbike ab und erkundete zu Fuß das Flussufer. Eine

Gruppe mit etwa 15 Döbel stand direkt unter mir und ich konnte die Fische

eine zeitlang beobachten. Über mir breiteten sich alte Weiden aus, durch

deren Äste blinzelten die Sonnenstrahlen aus einem freundlich hellblauen

Himmel auf mich herab. Dabei umrahmten die weißen Wolken die Baumkronen

malerisch. Unten im Fluss entdeckte ich aber auch zahlreiche Äschen

und Barben, die in Gruppen beieinander standen. Auch Raritäten wie Huchen

und Streber kommen hier vor. Die Renaturierung der Isar zeigt, dass es sich

für Mensch und Natur lohnt, denn viele selten gewordeneTierarten haben so

wieder eine lebenswertere Heimat gefunden.


Seite 91

Ich konnte mich gar

nicht satt sehen und

musste immer wieder

anhalten. Zeitweise

stieg ich im Abstand

von hundert Metern von

meinem Fahrrad ab,

denn ständig schimmerten

weiße Schotterbänke

zwischen

frischem Grün hindurch,

die mich an den

Fluss hinabzogen.


92 Seite

Der Gänsesäger gehört

zu den Entenvögeln

und hat sich mittlerweile

auch an der Isar

eingelebt. Er besitzt

einen roten schmalen,

sägeartig gezähnten

Schnabel mit einem

scharfen, gebogenen

Nagel an der Spitze.

Mit ihm kann er seine

Lieblingsspeise Fisch

gut festhalten.

Beeindruckt vom üppigen Grün, das sich am Flussufer

ausbreitete, erreichte ich Freising etwas später,

denn ständig war ich stehen geblieben. Von der

Stadt machte ich jedoch nur ein flüchtiges Bild. Es

zeigt die Domsiluette aus der Ferne, doch ich blieb

im Grünen. Eine kurze Strecke führte mich anschließend

an einem Damm entlang und bald tauchte auch

die Isar wieder auf, der ich weiter folgte.


DIe Isar wird im

Unterlauf immer ruhiger.

Gemächlich zieht der

Fluss bei Freising in

Richtung Donau und

verändert dabei seine

Farbe immer mehr in

Richtung grün.

Seite 93


94 Seite

Plötzlich entdeckte ich eine kleine Menschengruppe,

die auf einer Schotterbank direkt am Fluß unter einem

vorzeitlichen Unterstand saß. Ich fühlte mich in diesem

Augenblick, als wäre ich in einer anderen Zeit angekommen.

Die Gruppe unten am Fluss vermittelte die

Sehnsucht nach mehr Naturnähe, die sich immer mehr

Menschen wünschen. Dabei befanden sie sich nur

wenige Kilometer von der Zivilisation entfernt.

In diesem Moment dachte ich an unsere Zukunft.

Vielleicht können wir einen letzten Rest ursprünglicher

Naturräume wirklich für unsere Kinder bewahren. Sie

wären uns dafür sehr dankbar. Doch der Eindruck, der

durch dieses Bild vermittelt wird, lässt hoffen, dass

unser Bezug zur Natur doch noch nicht ganz verloren

gegangen ist.


Ich entdeckte ein

weiteres Kleinod der

Natur. Bei Oberhummel

schlängelt sich ein

Seitenarm der Isar

direkt neben dem

Radweg durch die

weitläufi ge Landschaft

und bildet eine Aue.

Seite 95


96 Seite

Eine Schautafel bei Oberhummel erzählte mir die Geschichte

der Isarregulierung. Letztlich müssen wir heute

aber erkennen, dass wir die Natur nicht übernutzen

dürfen. Denn mit der Regulierung der Flüsse verlieren

wir gleichzeitig die Lebensräume vieler Tiere und Pflanzen.

Der Artenschwund der aufgrund unseres Drangs,

die Natur zu beherrschen, immer stärker sprürbar wird,

zeigt uns, dass wir zukünftig einen anderen Weg gehen

müssen.

Naturerlebnisse, wie Wandern, Radfahren oder Kanutouren

können dabei unsere Kinder wieder näher an

unsere eigentlichen Lebensgrundlagen heranbringen.


Seite 97

In Moosburg lädt mich ein Biergarten zum Rasten ein. Noch ein letztes Mal hieß es

danach für etwa 17 Kilometer in die Pedalen treten. Nach dieser schweißtreibenden

Etappe tauchte vor mir die Burg Trausnitz auf. Sie erhebt sich oberhalb der Altstadt

der niederbayerischen Bezirkshauptstadt Landshut. Keramikscherbenfunde bezeugen,

dass die Besiedlung des Burgberges bis in die Urnenfelderkultur zurückreicht.

In Landshut angekommen, traf ich unter dem spitz zulaufenden Kirchturm auf meine

Familie. Hinter mir lagen drei Tage Isar-Radweg und ich war beeidruckt von diesem

schönen Fluss. Anschließend erzählte ich ihnen von meinen Geschichten, die ich

dabei erleben durfte.


98 Seite

Auf dem Isar-Radweg, Teil 3

Juli 2018

Ein Jahr später war ich wieder am Ländtor in Landshut. Das Wahrzeichen der Stadt ist eines von

ehemals acht Toren und es ist am besten erhalten geblieben. Von hier aus besuchte ich kurz die

Fußgängerzone und schlenderte dabei durch die Altstadt zur Basilika St. Martin, die für ihren

spitzen Kirchturm bekannt ist.

Landshut befi ndet sich auf beiden Seiten der Isar.

Markant thront die mittelalterliche Burg Trausnitz über

der Altstadt. Dort befi ndet sich die bekannte Kunst- und

Wunderkammer, in der Teile aus der Sammlung der

Wittelsbacher Herzöge ausgestellt sind.

Daneben hat man von der Burg aus einen herrlichen

Blick auf die historische Altstadt der 73.000 Einwohner

zählenden Stadt, die Sitz der Regierung von Niederbayern

ist. Doch ich war nicht zum Sightseeing gekommen,

sondern zum Radeln. Daher warf ich einen prüfenden

Blick nach oben der mich begeisterte, denn über mir

strahlte die Sonne vom hellblauen bayerischen Himmel

herab und ich freute mich tierisch über das Radeln an

der schönen Isar.


Seite 99

Vor dem hohen Backsteinturm der gotischen Martinskirche

machte ich noch kurz ein Selfie und verließ

anschließend die Altstadt. Bald schwenkte ich mit meinem

Mountainbike ein weiteres Mal in den traumhaften

Isar-Radweg ein.

Es dauerte gar nicht lange, bis ich von satten grünen

Farben umgeben war. Mit einem Strahlen im Gesicht

über das tolle Wetter und die bevorstehende Strecke

fuhr ich dem Altheimer Stausee entgegen.


100 Seite

Kurz vor Auloh liegt

direkt am Radweg der

Altheimer Stausee.

Er besteht aus zwei

Teilseen und endet

kurz vor Niederaichbach

mit einer

Wehranlage.

Über einen Deich ging

es nun weiter an den

beiden Gewässern

entlang, dabei bewunderte

ich die herrliche

Seenlandschaft der

aufgestauten Isar, die

ein wahres Paradies für

Wasservögel bietet.


Eine Schar Graugänse

überraschte mich mit

einem Schnatterkonzert,

nachdem sie auf

mich aufmerksam

geworden waren. Diese

Vögel gehören mit der

Saatgans zu den

größten Entenvögeln

unserer Heimat. Sie

sind durch ihrem

deutlich kräftigeren

orangenen Schnabel

von Saatgänsen gut zu

unterscheiden.

Seite 101


102 Seite

Zwei Distelfi nken fl ogen

auf dem Damm vor mir

her und begleiteten

mich ein Stück auf

meinem Weg. In der

Ferne tauchte bald das

AKW Isar auf. Schon

von weitem war der

Kühlturm zu sehen.

Die knapp vier Kilometer lange Aufstiegshilfe beeindruckte

mich, denn sie überbrückt die beiden Teile

des Altheimer Stausees. Viele Fischarten profi tieren

nachweislich davon. Neben Barbe, Huchen, Brachse

und Rotaugen sind auch Spiegelkarpfen, Hecht und der

Wels in diesem Isarabschnitt heimisch.


Seite 103

Auf dem weiteren Weg nach Niederviehbach schlängelt sich ein schöner MTB-

Trail durch die Auenlandschaft. Ich blieb immer wieder stehen, um durch das

Gestrüpp hinunter an den Fluss zu gehen. Diese kleinen Pausen sind notwendig,

denn nur so kann man das Naturwunder Isarauen in seiner ganzen Schönheit

erleben.

Oft saß ich für mehrere Minuten direkt am Ufer und betrachtete die Spiegelungen

auf der Wasseroberfl äche. Auf dem Wasser wimmelte es vor lauter kleinen Spinnentieren.

Es war bewundernswert, wie sie über das Wasser tanzten. Getragen

werden sie dabei von kleinen Härchen, die sich an den Beinen der Tiere befi nden.

Mit ihrer Hilfe wird eine Oberfl ächenspannung erzeugt, die es ihnen ermöglicht,

schnell auf der Wasseroberfl äche zu laufen, ohne dabei einzusinken. Dabei sind

Wasserläufer eigentlich Wanzen, von denen in Europa 16 verschiedene Arten

vorkommen, doch sind sie kaum voneinander zu unterscheiden.


104 Seite

Ausblicke wie dieser

sind gleichzeitig

Einblicke in einen

grandiosen Lebensraum.

Natürliche

Flusslandschaften mit

ihren Auensystemen

gehören genau so wie

ursprüngliche Wälder

und Moore zu unserem

Naturerbe, das es zu

schützen gilt. Dies zu

erhalten, ist der Ansatz

für die Ausweisung der

Natura 2000-Gebiete.


Ausblicke, die man nie

vergisst. Vier Brücken

überqueren zwischen

Dingolfi ng und Landau

die Isar. Mit dem Rad

bietet sich am ehesten

die Möglichkeit über der

Mitte des Flusses

stehen zu bleiben um

dem fl ießenden Wasser

nachzuschauen und

dabei seine Kraftentfaltung

zu begreifen.

Seite 105


106 Seite

Sechs Kilometer vor

Landau breitet sich kurz

hinter Mamming eine

weitere idyllische

Auenlandschaft aus.

Drei Schwäne zogen

gemächlich in Richtung

Gewässerrand. Ich

stieg erneut vom Rad

und näherte mich den

drei Vögeln mit dem

Fotoapparat.


Auch zwischen Landau

und Deggendorf reizt

die Isar den Naturliebhaber

an unzähligen

Stellen mit ihrer

Schönheit. Hier kann

man Wasseramsel,

Eisvogel und Flussregenpfeifer

beobachten.

Selten sind leider

Fluss-Seeschwalbe und

der Flussuferläufer

geworden. Ich brauchte

daher erneut viel Zeit

um die Eindrücke

einzusaugen.

Seite 107


108 Seite


Seite 109

Auf den etwa 285 Kilometern, die der Fluss von seinem

Ursprung im Karwendel bis zur Einmündung in die Donau

zurücklegt, durchfließt er fünf verschiedene Landschaftsformen.

Nach dem Gebirge und der Moränenlandschaft

des nördlichen Karwendels folgt eine Schotterebene, die

den Fluss prägt. Dieser obere Bereich des Alpenflusses

birgt einzigartige Lebensgemeinschaften, an die sich die

Auwälder der mittleren Isar anschließen.

Im unteren Bereich wird der Fluss breiter und fließt gemächlicher

dahin. Dabei lässt er zahlreiche Auen entstehen. Am

Ende mündet die Isar bei Deggendorf in das Stromtal der Donau.

Dort fallen Seerosen und Schachtelhalme auf. Die Auen

bieten Schutz für Frösche und Kröten, aber auch für Ringelund

die Schlingnattern. Zusätzlich sind sie Leichgebiete vieler

selten gewordenen Fischarten.


110 Seite

Bei Oberpöring tauchte

ich noch einmal in

fantastische Auenlandschaften

ein. Sie reihen

sich wie an einer

Perlenschnur hängend

am Fluss entlang bis

nach Deggendorf.

Müde erreichte ich das

Gut Altholz, wo meine

Familie bereits wartete.

Gemeinsam ließen wir

den Tag bei gutem

Essen gemütlich

ausklingen.


Seite 111


112 Seite

Die Donau


Seite 113

Die Donau fließt durch zehn Länder hindurch, durch so viele wie kein anderer Fluss

auf der Erde. Nachdem sich die beiden Quellflüsse Brigach und Breg im Mittleren

Schwarzwald zur Donau vereint haben, beginnt für ihn ein anstrengender Weg in

Richtung Osten. Zunächst schlängelt er sich zwischen den grandiosen

Kalkfelsen des ehemaligen Tethysmeeres hindurch. Anschließend quert die Donau

das nördliche Alpenvorland und fließt in Österreich durch das Wiener Becken und

durch die Pannonische Tiefebene. Dann hat der Fluss nach der Slowakei Ungarn

erreicht. Sein Weg führt ihn weiter nach Kroatien, Serbien, Bulgarien und Rumänien.

Hier fließt er durch das Walachische Tiefland in die Republik Moldau und mündet an

die Ukraine grenzend ins Schwarze Meer.

Auf ihrer Reise durch diese zehn Länder hat die Donau eine Strecke von 2857

Kilometern zurückgelegt. Sie ist somit nach der Wolga der zweitlängste Fluss in

Europa. Das gesamte Einzugsgebiet der Donau umfasst etwa 817.000 Quadratkilometer.

Durch die vielen Nebenflüsse kommt dabei ein mittleres Wasservolumen

von zur Zeit 6855 Kubikmeter pro Sekunde zusammen. Der Großteil der Wassermenge

wird in Deutschland über die Alpenflüsse Iller, Lech, Inn und Isar zugeführt.

Die Auenlandschaften wirken für das herangeführte Wasser dabei als notwendige

Pufferzonen.


114 Seite

An der Donau entlang

Juli 2017

Die Begeisterung für die Auenlandschaften an der unteren Isar war durch meine Radtour geweckt.

Gerade weil diese als Wasserrückhaltegebiete für Pflanzen, Tiere und Menschen so wichtig sind.

Daher war ich schon gespannt, in welchem Zustand sich die Auen an der Donau befinden würden.

Nach einem perfekten Frühstück auf Gut Altholz stieg

ich bereits um kurz vor acht Uhr auf mein Rad. Für die

vor mir liegenden rund 113 Kilometer nach Kehlheim

hatte ich etwa sechs Stunden eingeplant. Das herrliche

Wetter und das warme Licht des Morgens versüßten mir

den Start. Ich gleitete förmlich fast schwebend über die

Donaubrücke bei Deggendorf und schwenkte in einem

90 Gradbogen nach links auf den Donauradweg ein.

Die breite Schotterstraße verläuft nahezu parallel und

kerzengerade auf einem Damm einige Meter oberhalb

der Donau entlang. Dadurch kann man herrlich auf den

Fluss hinabschauen. Bereits nach wenigen Kilometern

lockte mich eine ausladende Kiesbank und ich machte

meine ersten Bilder am Ufer dieses großen Flusses.


Seite 115

Oben. Schnurgerade fürt

der Donauradweg bei

Deggendorf am Fluss

entlang.

Links: Ein Plätzchen

an der Donau, das mich

mit einem südeuropäischen

Flair anlockte.

Wenige Kilometer hinter

Deggendorf verweilte ich

für einen Moment an den

weitläufi gen Schotterbänken

die sich dort

ausbreiten und genoss

die morgentliche Ruhe

am zweitlängsten Fluss

Europas.


116 Seite

Die Donau fließt durch zehn Länder, doch

die Dimensionen des Gewässers kann man

erst begreifen, wenn man seinem Verlauf

folgt. Für die weiten Strecken eignet sich

das Fahrrad besonders gut, zumal der

Streckenverlauf entlang der Donau zu den

schönsten Radwegen Deutschlands zählt.


Seite 117

Im Sommer 2018 hatte die Donau einen extrem niedrigen

Wasserstand, denn aufgrund des Klimawandels schwanken die

Niederschlagsmengen mittlerweile erheblich. Was an Regen im

Sommer in den letzten Jahren fehlt, wird in den Wintermonaten

zunehmend zur Belastung für die Bevölkerung. Doch auch in

den heißen Monaten kann es zu extremen Wetterereignissen

kommen. Das Wetter ist unberechenbarer geworden. So fand

im Sommer 2013 die bisher verheerendste Flutkatastrophe in

der Geschichte Deggendorfs statt. Weite Teile des Landkreises

mit einer Flächengröße des Tegernsees waren damals überschwemmt.

Mehrere tausend Menschen mussten ihre Häuser

verlassen, weil sie teils meterhoch unter Wasser standen. Da

auch die Autobahnen 92 und 3 sowie sämtliche Bundesstraßen

überfluteten, war die Gegend um Deggendorf quasi von seiner

Umwelt abgeschnitten. Der Höchstpegel der Donau lag am 4.

Juni bei 8,08 Metern und übertraf damit den bisherigen Rekordpegel

um einen halben Meter. In diesem Sommer war auf meiner

Radtour jedoch extreme Trockenheit spürbar, wie die Wiesen

und Felder entlang des Radweges deutlich zeigten.


118 Seite

Das gesamte Einzugsgebiet der

Donau umfasst etwa 817.000

Quadratkilometer. Die vielen

Nebenfl üsse erzeugen dabei ein

hohes Wasservolumen, wobei

der Großteil der Wassermenge

der Donau in Deutschland über

die Alpenfl üsse Iller, Lech, Inn

und Isar zugeführt wird.

Die Auenlandschaften bieten

den herangeführten Wassermassen

notwendige Pufferzonen.

Sie werden vor allem im

Hinblick auf den immer stärker

werdenden Klimawandel immer

wichtiger.


Seite 119

Die beschriebene Route

an der Donau entlang

führt über eine Strecke von

113 Kilometern von Deggendorf

bis nach Kehlheim.


120 Seite

Im Landkreis Straubing-

Bogen kann man die

Ursprünglichkeit der

Donau beispielhaft an

der Öberauer Donauschleife

oder im

Landkreis Regensburg,

südlich von Wörth in der

Gmünder und Pfatterer

Au erleben.

Aufgrund des fortschreitenden

Verlustes der

Biodiversität sollten

jedoch weitere Flächen

renaturiert werden, denn

selten gewordene Arten

wie Großer Brachvogel,

Rotschenkel, Uferschnepfe

und Blaukehlchen

sind an solche

Flächen gebunden.


Seite 121

Doch Auenlandschaften und Seen dienen nicht nur als Rückzugsräume für seltene Tiere

und Pflanzen oder als Pufferzonen für den Hochwasserschutz, sie bereichern auch

unsere Lebensqualität als Erholungsziele. Während ich diesen Gedanken nachging,

durchfuhr ich bereits wieder ausgedehnte Maisfelder bei Pillnach. Bis zum Horizont

zogen sich die intensiv genutzten Anbauflächen hin, während die Hitze der senkrecht

stehenden Sonne erbarmungslos auf meine Arme brannte. Unter der Walhalla machte

ich eine kurze Trinkpause und radelte anschließend weiter nach Regensburg.


122 Seite

Nachdem ich die alte Römerstadt hinter mir gelassen

hatte, führte mich eine breite Schotterstraße an das Vereinsheim

des Regensburger Kanuclubs. Als ich den Steg

rechts vor mir sah, ging mir plötzlich ein toller Gedanke

durch den Kopf, denn der Holzsteg lud für einen Sprung

ins kühle Nass geradezu ein. Ich gab meinen Gedanken

nach und tauchte für wenige Augenblicke unter. Solche

spontanen Einfälle lassen sich auf einer Solotour am ehesten

realisieren. Schon nach ein paar Minuten war ich abgekühlt

und kletterte über die Stufen des Steeges wieder

aus dem Wasser. Wenige Kilometer nach meinem kurzen

Badestopp war vom Trubel der Großstadt bereits nichts

mehr zu sprüren. Ich hielt daher erneut an und genoss die

Stille zum Trinken an einem naturnahen Flussabschnitt.

Der Regensburger Dom überragt die

Bäume der Ufervegetation um Längen.

Doch an diesem Tag war kein Sightseeing

möglich, dafür reichte meine

Zeit einfach nicht. Daher verließ ich

die Altstadt gleich wieder und radelte

weiter die Donau aufwärts.


Seite 123

Der Radweg nach

Kehlheim verläuft

auf dem Scheitel

eines Damms entlang.

Er wurde als

Hochwasserschutz

für das Örtchen

Matting angelegt,

doch leider spendet

er in der Mittagssonne

kein bisschen

Schatten.


124 Seite

Nach einer weiteren Pause im Schatten folgte ich der Donau weiter in Richtung

Kehlheim. Gemütlich führte der Radweg an Lengfeld vorbei und bald sah ich den

Kirchturm von Bad Abbach vor mir. Ein Rad-Wegweiser zeigte, dass ich bereits

wieder 19 Kilometer hinter mir hatte. Doch der Schotter unter meinen Reifen und die

schwüle Hitze zehrten nun nach den vielen Kilometern an meinen Kräften.

Die Donau schreibt zeitlos ihre Windungen durch die Landschaft. So auch hier bei

Lengfeld. Vor mir lagen noch 17 Kilometer bis nach Kelheim und ich hatte bald stolze

100 Kilometer unter die Pedalen gebracht. Mühsehlig quälte ich mich vorwärts und

freute mich über jedes Lüftchen, das mir in den Nacken wehte.

Irgendwann hatte ich es geschafft. Am Zusammenfl uss von Donau und Altmühl traf

ich meine Familie. Ich hatte kaum mehr Kräfte um mich umzuziehen. Als Kerstin mit

dem Camper auf die Autobahn auffuhr, war ich bereits eingeschlafen.


Seite 125

Die Windungen

der Donau wurden

auf dem Weg nach

Kehlheim enger und

bald tauchten erste

Kalkfelsen in der

Ferne auf.


126 Seite

Durch das Altmühltal

Flüsse wie die

Altmühl durchdringen

mit ihren unzähligen

Schleifen weiträumig

unsere Landschaften.

Ein fortwährender

Veränderungsprozess,

der

die Lebensräume

vernetzt, denn viele

selten gewordene

Tier- und Pflanzenarten

sind auf diese

Süßwasserlebensräume

angewiesen.

Heute wird durch

Rückbaumaßnahmen

an Stauwehren,

die der Renaturierung

dienen, wieder

eine bessere Durchgängigkeit

geschaffen.

Dies ist ein

Segen für die Flusslandschaften

und ihre

Bewohner.


Seite 127

Die Altmühl entspringt am Südende der Frankenhöhe unterhalb des 500 Meter

hohen Breitharts und ist 227 Kilometer lang. Zunächst fließt sie nach Südosten,

knickt dann bei Altendorf ostwärts ab und schlängelt im weiteren Verlauf über Eichstätt

nach Dietfurt bis sie bei Kelheim in die Donau mündet. Dabei überwindet sie

einen Höhenunterschied von etwa 120 Metern und hat dabei ein Einzugsgebiet von

3.250 km².

Sie gehört damit zu den größten Flüssen in Franken und birgt dabei Naturschätze

von außergewöhnlicher Schönheit. Die breite Tallandschaft mit weit verzweigten

Gewässersystemen kann man bequem mit Rad und Boot erkunden.

Auch die Fränkische Seenplatte ist für Natur und Freizeit von großer Bedeutung.

Vor der Haustür von Gunzenhausen erstrecken sich nicht nur der naturschutzfachlich

hochwertige Altmühlsee, sondern auch die beiden Brombachseen. Sie bieten

sich als Naherholungsgebiet geradezu an, denn sie befinden sich nur knappe 40

Kilometer von der Metropole Nürnberg entfernt.


128 Seite

Foto: Gunther Zieger

An den fränkischen

Seen kann man

nicht nur gelegentlich

Seeadler beobachten.

So bietet etwa

die Beobachtungsstation

des LBV am

Altmühlsee die

Möglichkeit, eine

Vielzahl an Wasservögeln

kennenzulernen.


Seite 129

Die Route

Die Altmühl bietet sich mit ihrem sanften Gefälle als Radelregion geradezu an.

In Rothenburg ob der Tauber beginnt der offizielle Radweg und führt von dort zur

Altmühlquelle. Wir trafen kurz vor Colmberg das erste Mal auf die Altmühl und den ausgezeichneten

Weg. Ihn radelten wir von dort aus bis nach Treuchtlingen entlang.

Dabei besuchten wir noch die fränkische Seenplatte.

Die Altmühl eignet sich aber ebenfalls zum

Paddeln. Als alte Wasserratten entschieden wir

uns daher, den Fluss auch vom Wasser her zu

erkunden. In Treuchtlingen ging es los und die

Tour endete nach 16 Kilometern Paddelerlebnis

in Solnhofen. Das untere Altmühltal habe ich

fünf Jahre später mit dem Rad erkundet.


130 Seite

Durch das Altmühltal

Mai 2013

Bei schlechten Wetteraussichten waren wir an einem Freitagabend noch nach Treuchtlingen aufgebrochen

und hatten dort im Camper übernachtet. Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Zug

zurück nach Rothenburg. Von dort aus wollten wir starten. Das Wetter war immer noch schlecht,

doch wir dachten: “Bei Sonnenschein radeln, das kann ja jeder”.

Nach einer 1,5 Grad kalten Nacht im Camper freuten

wir uns auf die Wärme im Zug, während draußen die

Felder an uns vorbeizogen. Wir sahen auch viele

Touristen, die bereits in Richtung Innenstadt unterwegs

waren. Auch wir mussten nun aussteigen. Ein

Mädchen wurde dabei in der Schlange sehr unruhig,

denn sie hatte mit ihrem Fahrrad und den angehängten

Satteltaschen so ihre Probleme. Am Ende wurde

sie sogar hysterisch, denn sie dachte bestimmt, dass

sie aus dem Zug nicht mehr heraus kommen würde.

An allen Ecken schien es nun zu klemmen. Wir halfen

ein wenig beim Ausstieg und orientierten uns anschließend

am Bahnsteig, denn unsere Frage lautete:

“ In welche Richtung müssen wir losfahren?“


Seite 131

Bald nahm der Verkehr um uns herum ab, denn wir hatten

die ersten Felder am Rande Rothenburgs erreicht.

Vor uns lagen landwirtschaftlich genutzte Flächen so

weit das Auge reichte. Bald stand unser erster Anstieg

bevor und wir zogen die Mützen unter den Radhelmen

aus. Nun galt es, kräftig in die Pedalen treten. Ein

Angler bot uns direkt am Fahrradweg einen Kaffee an.

Sahen wir wirklich schon so erschöpft aus? Wir lehnten

dankend ab und fuhren weiter. Auf dem nächsten Bergrücken

angekommen, klatschte uns ein älteres Ehepaar

sogar Beifall. Die Kinder freuten sich darüber, während

wir die Beiden passierten. Nach dem Anstieg ging es

wieder gerade aus und die Kinder traten tüchtig in die

Pedalen. Rechts und links des Radwegs konnten wir

einige Greifvögel über den Feldern beobachten.

Es waren Bussarde und Milane, aber auch Turmfalken

und Sperber zu sehen. Dazu zwitscherten Feldlerchen

in den Weizenfeldern ihre Strophen. Um die Mittagszeit

kamen wir an einem kleinen Tante-Emma-Lädchen vorbei.

Auf dem Schild war „Nahkauf“ zu lesen. Wir betraten

den Laden und kauften leckere Brötchen, die wir vor dem

Laden in der Sonne bei mittlerweile 10 Grad genossen.

Weiter ging es über Feldlandschaften und an kleinen

fränkischen Gehöften vorbei bis nach Collenberg. Die

schöne Burg Colmberg war schon von weitem sichtbar.

Nun stießen wir zum ersten Mal auf die Altmühl, die hier

ihre ersten Kilometer Fließstrecke bereits hinter sich hat.

Rechts von uns lag ein Golfplatz und wir rätselten beim

Vorbeifahren, wer wohl die vielen Bälle einsammeln

würde, die dort lagen.


132 Seite

Wir kamen an einem schönen Rastplatz vorbei. Auf einer

Sitzgruppe unter Bäumen war es nun Zeit für einen Apfel

und ein paar Müsliriegel. Die Rast tat uns gut, doch die

Kälte scheuchte uns bald wieder auf. Kurze Zeit später

konnten wir ein Güllefahrzeug beobachten, das beim

Entladen der Gülle seine Duftspuren hinterließ. Wir

beeilten uns, um schnell an der Stelle vorbeizuradeln,

denn es tat gut, wieder frische Luft zu atmen. Kurze Zeit

später erreichten wir erneut eine gemütliche Bank. Da

unser Tagesziel Leutershausen nicht mehr weit entfernt

war, nutzten wir auch dieses schön hergerichtete Plätzchen

für eine kurze Trinkpause. Bald danach begrüßte

uns bereits die hübsche Altstadt von Leutershausen.

Die Sonne blinzelte hervor und wir erreichten nach einer

abschließenden Kaffeepause unsere Unterkunft.


Seite 133

Leutershausen ist für ein Ereignis bekannt, das zwei

Jahre vor dem Flug der Gebrüdern Wright stattgefunden

haben soll. 1901 startete ein gewisser Gustav Albin

Weißkopf mit seiner rechts gezeigten Konstruktion zu

seinem ersten Flug. Der Leutershausener überbrückte

mit seinem Flieger eine Strecke von zweieinhalb Kilometern

in Bridgeport (Connecticut), nachdem er in die USA

ausgewandert war. Ein wirtschaftlicher Erfolg blieb jedoch

aus. In seiner fränkischen Heimat baute man aber

seine Flugmaschine Nr. 21 orginalgetreu wieder nach

und widmete ihm ein Museum in seiner Heimatstadt.

Seinen Flieger konnten wir direkt neben dem Radweg

bewundern.

Abends gab es dann Cordon Bleu direkt gegenüber.

Nach einem tollen Frühstück am nächsten Morgen im

Tanzsaal der Neuen Post fuhren wir bei schlechtem

Wetter in Richtung Gunzenhausen weiter. Und wieder

musste ich meinen Hut vor Jan und Lena ziehen, da die

Beiden auch diesen Tag trotz schlechtem Wetter gut

meisterten. Dabei waren der stetige Nieselregen und die

fünf Grad Lufttemperatur kein Zuckerschleicken gewesen.

Stetig bließ uns der Seitenwind gegen die Räder

und es blieb während der ganzen 42 Kilometer langen

Tagesetappe von oben her nass. Auch der Versuch,

uns etwa zwölf Kilometer vor Gunzenhausen ein wenig

aufzuwärmen, brachte nicht viel. Die tanzenden Rauchschwalben,

die uns das letzte Stück am Altmühlkanal

entlang begleiteten und mit ihren Flugkünsten Erstaunliches

darboten, konnten nicht mehr begeistern.

Die Kinder fluchten am Ende nur noch. Finger und

Füße waren ausgekühlt und so schafften wir es mit

letzten Kräften zum Gasthof Arnold. Endlich wieder im

Trockenen, genossen wir die schöne Ferienwohnung

und nahmen ein heißes Bad. Danach sah die Welt schon

wieder viel besser aus.


134 Seite

Am dritten Tag hatte es endlich aufgehört zu regnen. Motiviert gingen wir zum

Frühstück und fühlten uns in der warmen Bauernstube gut aufgehoben. Nur

schweren Herzens verließen wir daher diesen gemütlichen Ort am Kachelofen.

Bald waren unsere sieben Sachen unter dem Regenschutz verschwunden.

Wir hatten alles angezogen, was der Rucksack hergab. Doch bereits der ausbleibende

Regen war ein angenehmes Geschenk. Alle kamen gut in den Tritt

und die schöne Auenlandschaft begann wieder auf uns zu wirken. Die Altmühl

zog gemächlich dahin und wir radelten von einer Ortschaft zur anderen mit

dem nächsten Ziel: Treuchtlingen.

Seit einigen Jahren wird die Altmühl in ihrem mittleren Verlauf ökologisch

umgestaltet. Durch diese Flussverlängerung hat sich wieder ein vielfältiger

Lebensraum für Planzen und Tiere gebildet. Auf vielen Hinweistafeln werden

die eingearbeiteten Altwasserarme und Feuchtbiotope gezeigt, aber auch der

Lebensraum Wasser erläutert. Nicht nur für die Kinder eine gute Gelegenheit,


Seite 135

Anschließend war noch ein Besuch des Karlsgrabens

vorgesehen. Es war der erste Versuch, eine Verbindung

zwischen Rhein und Donau zu schaffen. Ein erstes

großangelegtes Grabungsprojekt unternahm bereits

Karl der Große vor rund 1200 Jahren. Heute stellt sein

Nachfolger, der RMD-Kanal, eine der wichtigsten Wasserstraßen

Mitteleuropas dar.

Nachdem wir die alte Erfi ndung der im Bild sichtbaren

Wasserschnecke ausprobiert hatten, radelten wir die

letzten Kilometer nach Treuchtlingen hinab. Anschließend

gönnten wir uns den Badespaß im Wellenbad und

beendeten dort unsere Radtour.


136 Seite


Seite 137


138 Seite

Wenn ein Fluss zum Erlebnis wird

Mai 2013

In unserer Heimat gibt es viele Gewässer, die man mit dem Boot befahren kann. Die Isar,

die teilweise Wildwassercharakter hat, würde ich für Einsteiger jedoch auf keinen Fall empfehlen.

Für den Anfang eignen sich ruhigere Flüsse besser, wie etwa die sanft fließende Altmühl.

Wenn Sie mit Kindern paddeln möchten, sollten sie mit

kurzen Strecken beginnen. Hier ist bereits das Aufpumpen

des Bootes ein Erlebnis. Neben der richtigen Einweisung

über die Gefahren auf dem Fluss (Strömungen, Wehre

usw.), sollten die Kinder unbedingt ruhig im Boot sitzenbleiben.

Auch das Tragen einer Schutzweste, die es extra für

Kindergrößen zu kaufen gibt, ist ein Muss. Lassen Sie gelegentlich

die Kinder paddeln, auch wenn dadurch der ein

oder andere Uferkontakt nicht ausbleibt. Nur so bekommen

sie ein Gefühl für Boot, Fluss und Strömungen.

Einsteiger sollten Boote und Ausrüstung zunächst

ausleihen. Dies ist eine kostengünstige Möglichkeit, um

diese Wassersportart kennen zu lernen. Gerade für Kinder

ist Bootfahren eine Riesengaudi und das Naturerlebnis

bekommt man dann quasi nebenbei.


Seite 139

Wir starteten unsere

Paddeltour in Treuchtlingen.

Da wir mit

den Kindern bereits

die fränkische Saale

befahren hatten, war

der Start mit dem Boot

kein Problem mehr.

Mit gemütlichen Paddelschlägen

ging es

gemächlich die unzähligen

Altmühlschleifen

fl ussabwärts.


140 Seite

Jan und Lena waren begeistert, denn sie sahen die unterschiedlichsten Entenvögel

auf dem Fluss. „Die sind ja so schön bunt“, meinte Lena. Wenige Minuten später hatten

die Beiden beim Treideln, so nennt man das Untragen der Wehre, ihren Spaß. Wir gönnten

ihnen zwischen den Paddelstrecken ausgiebige Pausen zum Spielen, da sie im Boot ruhig

sitzen bleiben mussten, denn Kentern ist nicht nur für Kinder ein unangenehmes Erlebnis.

Die Bootslänge ist für die Wendigkeit ausschlaggebend. Da wir zu viert in einem

langen Boot saßen, mussten wir die Fließgeschwindigkeit vorausschauend beachten.

Nach einigen Minuten auf dem Fluss klappte das bereits gut. Nur einmal hatten wir

den Kurvenradius und die Länge unseres Bootes falsch einschätzt. Dabei kamen wir

zu dicht ans Ufer und mussten unter dem Weidengestrüpp hindurchtreiben.


Seite 141

Mit unserem 4-er

Kanu paddelten wir

den 12 Aposteln entgegen.

Auf einer der

schönsten Altmühlschleifen

zogen die

Felsen langsam an

uns vorrüber. Unterhalb

der Felsen ließen

wir uns treiben, um

möglichst lange den

Anblick der Apostel

genießen zu können.


142 Seite Die erste Pause in

Pappenheim. Hier

zogen wir nach gut

sieben Kilometern

unser Boot an Land.

Dabei aßen wir die

leckeren Sandwiches,

die wir in

Treuchtlingen

eingekauft hatten.

Nach der Weiterfahrt

und einer Treidelstelle

erreichten wir

Solnhofen.


Seite 143

Die Kalkfelsen der 12 Apostel haben eine lange Entstehungsgeschichte,

denn das Altmühltal hat sich im

Laufe der Jahrmillionen stetig verändert. Vor 147 Millionen

Jahren lag das heutige Altmühltal mitten in einer subtropischen

Insel- und Lagunenlandschaft. Ammoniten, Raubfische

und Krokodile bevölkerten damals das Jurameer und

Dinosaurier druchstreiften das Land, während Flugsaurier

und riesige Libellen den Himmel beherrschten.

Unter ihnen war ein halbgefi ederter Freund, der heute

als Bindeglied zwischen Reptilien und Vögeln zu einer

Berühmtheit geworden ist. Der Urvogel Archaeopteryx.

1860 wurde in Solnhofen der erste spektakuläre Fossilienfund

gemacht: der Abdruck einer Feder aus der Jurazeit,

der ein erster Hinweis auf den Urvogel war. Bald

darauf kamen auch vollständige Fossilien ans Licht, die

zeigten, dass der Archaeopteryx sowohl Merkmale der

Dinosaurier als auch der modernen Vögel trug.

Das faszinierende Tier wurde bisher nur im Naturpark

Altmühltal entdeckt. Ein Grund für uns, dem Museum

einen Besuch abzustatten. Im Altmühltal kann man

Sport, Natur und Kultur perfekt verbinden, denn die

Region ist voller historischer Sehenswürdigkeiten. Wie

Perlen an einer Schnur reihen sich Alte Städte, Burgen

und Aussichtsfelsen hintereinander. Nach dem Besuch

des Museums hatten wir nur noch wenige Kilometer bis

zur Hammersmühle zurückzulegen, denn dort endete

unsere Bootstour. Die untere Altmühl fl ießt anschließend

in Richtung Osten weiter und birgt eine Besonderheit,

denn in der Vorzeit vereinte sie sich bereits hier

mit der Donau, die damals über das Schuttertal in das

Altmühlbecken hineinfl oss, so hatte ich es jedenfalls

nachgelesen und war daher neugierig geworden.


144 Seite

Durch das Altmühltal, Teil 2

Mai 2018

Franken, Oberpfalz oder Bayern? Hinter Solnhofen verlässt die Altmühl Mittelfranken. Hinter der

Hammersmühle, an der wir unserere Bootsfahrt vor fünf Jahren beendet hatten, folgte ich nun den

Windungen des schönen Flusses in Richtung Osten.

So schnell wie die Flusswindungen wechseln hier auch

die Regierungsbezirke und ich fragte mich, was diese

Gegend an der unteren Altmühl ausmacht. Bereits früh

war sie als Siedlungsraum ausgewählt worden und

auch für den Warenaustausch schien es hier attraktiv

zu sein, zumal nur wenige Kilometer südlich während

der Mindel-Riß-Zwischeneiszeit, also vor etwa 250.000

Jahren, die Urdonau noch über die Schutter nach Südosten

abfl oss. Es konnte also von hier aus weitläufi ger

Handel nach Norden, Osten und Westen betrieben

werden.

Ich befand mich nun in Oberbayern und durchquerte den

kleinen Ort Hagenacker in Richtung Dollnstein. Über das

Handy erfuhr ich, dass hier im Grenzgebiet zwischen

Alemannen, Franken und Bayern bereits in der Hallstattzeit

Eisenverhüttung betrieben wurde.


Seite 145

Ich folgte der Altmühl weiter nach Osten. Die Kalkfelsen tauchten

nun immer öfter auf und das Tal weitete sich etwas. Immer

wieder beobachtete ich Kanuten auf der Altmühl. Gemächlich

ließen sie sich von der Strömung abwärts treiben, während ich

fleißig in die Pedalen treten durfte. Es war schweißtreibend an

diesem Tag, denn die Temperaturen kletterten immer weiter

nach oben und so freute ich mich bald um jeden Schatten

spendenden Baum.


146 Seite

Während Paddler

gemütlich auf der

Altmühl dahintreiben

und von der kühlenden

Wirkung des Wassers

profitieren, komme ich

beim Radeln immer

mehr ins Schwitzen.


Seite 147

An einer kleinen Brücke, nur wenige Kilometer vor

Obereichstätt, beobachtete ich einen Schwarm

Prachtlibellen. Sehr deutlich konnte ich von hier

oben aus die viergeteilten Flügel der Tiere erkennen.

Sie tanzten über der Wasseroberfl äche und

verleiteten mich dazu, hinunter ans Ufer zu gehen.

Ich beobachtete sie eine Weile, denn ich wollte ein

Foto machen, doch sie waren nicht gewillt, sich

abzusetzen. Auf der Suche nach einem geeigneten

Weibchen tanzten sie wie wild umher.

Doch eine Libelle setzte sich am nahen Ufer ab und mir

gelang ein Schnappschuss des schönen Insekts.

Die Wiese an der Kanu-Anlegestelle nutzte ich anschließend

für eine kurze Trinkpause. Ich schaute auf

meine Karte und sah, dass ich von Eichstätt gar nicht

mehr weit entfernt war. Ich band daher meine Fronttasche

um und radelte wieder los. Bald war die Silhouette

der Willibaldsburg zu sehen. Das erste Etappenziel war

in greifbare Nähe gerückt.


148 Seite

Mit seinen beiden Ecktürmen ragt das Bauwerk über

die umliegende Landschaft hinaus. Die Burganlage

wurde 1355 vom Nürnberger Bischof Berthold, einst

Burggraf von Zollern errichtet und diente bis 1725 als

Bischofssitz. In den folgenden Jahrhunderten wurde

die Willibaldsburg weiter ausgebaut. Ihren Namen hat

sie aber nicht von Ihrem Erbauer, sondern von einem

Heiligen, denn die Anlage wurde „auf dem Berge des

hl. Willibald“ errichtet. Es war 1633, als die Schweden

die Burg einnahmen. Im gleichen Jahr, in dem auch

die Burg meines Heimatdorfes Partenstein zerstört

wurde. Hier hatte man die Schäden des dreißigjährigen

Krieges beseitigen können und den Bischofssitz wieder

hergestellt. In Partenstein wurden die Überreste der

Burg erst vor einigen Jahren archäologisch erforscht

und teilsaniert. Nicht weit von der Altstadt entfernt, sah

ich eine Ansammlung von Seerosen auf der Altmühl.

Von diesen Pfl anzen gibt es weltweit über 50 Arten. Sie

bilden Schwimmblätter und Unterwasserblätter aus und

blühen normalerweise weiß, aber auch gelb, rot und

blau. Einige Sorten können auch orange, grün, violett

oder lila blühen. Dieses Exemplar gefi el mir besonders

gut, denn die rosa Blüten leuchteten auffallend hell in

der Mittagssonne.


Die Willibaldsburg

erhebt sich über der

Altmühl.

Seite 149


150 Seite

Am Marktplatz von Eichstätt grüßte noch einmal Willibald von seinem Brunnen herab.

Das schöne Rathaus überragt Brunnen und Maktplatz mit seinem prächtigen Giebelbau

aus dem Jahr 1444. Hier traf ich meine Familie, die im Schatten mit einer Brotzeit

auf mich wartete. Wir beschlossen zum Abkühlen ins nahegelegene Schwimmbad zu

gehen. „Eine gute Idee“, sagte ich. Die Ruhe unter einem Schattenbaum war nach der

Abkühlung im Becken ein Genuss. Doch meine Gedanken an die noch bevorstehenden

55 Kilometer holten mich bald aus dem Halbschlaf und ich stieg erneut auf mein Rad.


Seite 151

Es folgte eine lange Durststrecke. Nur wenige Kilometer

hinter Eichstätt traf ich auf einige Bäume, die mit Gespinstmotten

befallen waren. Diese Raupen überziehen

befallene Bäume und Sträucher mit einer silbrigen

Hülle. Gespenstisch sahen die laublosen Gehölze aus.

Für den Schaden waren die Raupen verantwortlich, die

die Blätter der befallenen Pfl anzen vollständig abfressen

und Stämme, Äste und Zweige komplett mit einem

weißen Gespinst überziehen. Den „seidigen Schleier“

spinnen die kleinen Raupen übrigens deshalb, weil sie

sich vor Fressfeinden oder Witterungseinfl üssen durch

Regen schützen wollen. Unter dem Schleier fressen sie

den befallenen Baum anschließend kahl. Die natürlichen

Gegenspieler dieser Raupen werden leider immer

seltener. Bis zu 80 verschiedene Insektenarten, darunter

Schlupfwespen und Raubwanzen, aber auch Vögel

können normalerweise eine ungehemmte Ausbreitung

der Gespinstmotten verhindern. Das Artensterben lässt

grüßen, doch nur wenige erkennen die Zusammenhänge.

Nach einigen hundert Metern Wegstrecke ist der

Baumbefall dann wieder vorbei. Hinweistafeln erinnern

wenig später an die Flussregulierungen, die hier vor

etwa 100 Jahren zwischen Landershofen und Pfünz

durchgeführt wurden. Man begradigte die so genannten

„Schlingen“, die die Heuernten auf den Talwiesen vernichteten.

Heute würde man sich an vielen Stellen den

ursprünglichen Verlauf wieder zurückwünschen, denn

für viele Amphibienarten wie Wasser-, See- und Teichfrosch,

aber auch Kamm- und Bergmolch sind Tümpel

und stehende Gewässerabschnitte für den Nachwuchs

überlebensnotwendig.


152 Seite

Bei Pfünz warf ich einen Blick auf die ausgedehnten

Magerrasenflächen, die sich über dem Altmühltal zwischen

Pappenheim und Kehlheim dahinziehen. Diese

Landschaftsform ist Bestandteil des NATURA 2000

Gebietes „Hirschberg und Altmühlleiten“ und umrahmt

die Hangflächen der Altmühl bis hinunter nach Kehlheim,

um die artenreichen Trockenlebensräume mit

ihren markanten Felserhebungen zu schützen.


Seite 153

Rechts und links an den Hanglagen überhalb des

Flusses fielen mir immer wieder die ausgedehnten

Freiflächen des etwa 4.000 Ha großen Projektgebietes

Altmühlleiten ins Auge. Es besitzt eine überaus artenreiche

Vielfalt an Tieren und Pfl anzen, die sich aufgrund

der abwechslungsreichen Landschaft hier entwickeln

konnte. So sind großfl ächige Magerrasenstrukturen anzutreffen,

die durch Felsen und Waldabschnitte immer

wieder aufgelockert werden.

Gerade auf den Magerrasenfl ächen, die durch Schafbeweidung

offen gehalten werden, konnten im Lauf

von Jahrhunderten Trockenlebensräume entstehen,

die deutschlandweit von großer Bedeutung sind. Über

360 Rote Liste-Arten konnten bisher im Projektgebiet

Altmühlleiten nachgewiesen werden.


154 Seite

Ich erreichte Inching. Hier ist das Altmühltal landwirtschaftlich

stark geprägt. Nur gelegentlich findet sich

eine Mohnblume an den Randbereichen der Felder,

die wie diese im oberen Bild vor den Felstürmen sehr

hilfreich war. In Inching angekommen fuhr ich direkt

unter einigen Felsstrukturen vorüber, die teilweise als

Kletterfelsen eingerichtet sind.

Auf dem weiteren Weg nach Walting stand ein Turmfalke

rüttelnd in der Luft. Er war auf der Suche nach

Mäusen, die er hier über den Feldern gerne jagt. Doch

mich zog es weiter nach Arnsberg. Die Festung Schloß

Arnsberg war bereits von weitem sichtbar. Während ich

den Ort rechter Hand an mir vorbeiziehen sah, wurde

ich vom Ruf eines Kuckucks begleitet. Die Rufe wirkten

beruhigend auf mich, während mir die Hitze

doch allmählich zu schaffen machte. Hinter Arensberg

zeigte sich eine Heidelerche direkt am Radweg,

nachdem ich durch ihre schönen Strophen aufmerksam

geworden war. Dass es aber eine seltene Heidelerche

und nicht die häufi ger vorkommende Feldlerche war,

erkannte ich an ihrem Flugverhalten, denn der Singfl ug

der Heidelerche verläuft schräg nach oben, wobei die

Feldlerche senkrecht singend startet.


Seite 155

Erleichtert erreichte

ich Kipfenberg, denn

hier hatte ich die Hälfte

meiner Strecke nach

Dietfurt geschafft.

Im Gasthof zur Post

grübelte ich über der

Speisekarte. „Frischer

Sauerbraten vom Rind

nach altbayrischem

Rezept mit Semelknödel

für 14.80 Euro“ war

da zu lesen. Da lief mir

glatt das Wasser im

Mund zusammen.


156 Seite

Die letzte Etappe wurde dann noch einmal anstrengend. Das änderte auch ein Turmfalkenpärchen

mit seinem sehenswerten Balzfl ug nicht. Die lange Sonnenscheindauer

an diesem Tag zehrte an meinen Kräften. Auch die Tatsache, dass ich in Kipfenberg

den Mittelpunkt Bayerns passiert hatte, konnte mich nicht mehr aufmuntern und

änderte nichts an meiner körperlichen Ermüdung. Da half schon eher ein kaltes Eis.

Dieses genoss ich im Schatten der Dorfkirche von Bailngries, doch wenig später saß

ich aber bereits wieder im Sattel.

Immer wieder quert der Radweg die Altmühl, so auch

in Kottingwörth. Noch vor der alten Wehrkirche

St. Vitus, die bereits im 11. Jahrhundert existierte,

führt die „Alte Salzstraße“ über den Fluss.

Zahlreiche Wasservögel wie Zwergtaucher,

Bläßhuhn, Teichhuhn und Stockenten tummelten

sich unter mir im Wasser. Noch einmal raffte ich mich auf

und ging auf Fotojagd. Dabei erwischte ich ein schönes Bläßhuhn.


Seite 157

Endlich angekommen.

Die Bedienung in

unserem Gasthof

servierte mir am frühen

Abend den heißbegehrten

Sauerbraten, der

mir schon am Mittag

geschmeckt hätte.

Bon appetit.


158 Seite


Seite 159

Gut erholt startete ich am nächsten Morgen in den Tag,

denn mit dem Landgasthof zum Wolfsberg in Mühlbach

hatten wir eine sehr gute Wahl getroffen. Bald erreichte

ich wieder den Fluss und meine Blicke schweiften über

die glatte Oberfl äche des Wassers hinweg.

Die Schwarzerlen und Strauchgesellschaften spiegelten

sich immer wieder auffallend vor meinem seitlichen

Sichtfeld auf dem Fluss. Ich blieb stehen und beobachtete,

wie gelegentlich Fische kurz an die Oberfläche

kamen, um nach Insekten zu schnappen. Doch den Artenreichtum,

der sich unter der Wasseroberfläche tummelte,

konnte ich vom Rad aus leider nicht einsehen.

Die Altmühl ist ein langsam fl ießendes Gewässer und

zählt zur so genannten Barbenregion, die eine große

Vielfalt an Fischarten vorweisen kann. Es dominieren

natürlicherweise die Weißfi scharten Barbe, Aitel, Nase

und Rotauge. Auch Kleinfi scharten wie Gründling,

Schmerle und Laube kommen hinzu. In Altwasserbereichen

können ebenso Brachsen, Karpfen und die

Schleie vorkommen. Sie werden dort von den Raubfischen

Hecht, Wels, Zander und Flussbarsch gejagt.

Aufgrund der EU-Wasserrahmenrichtlinie, die neben

dem bereits erreichten guten ökologischen Wasserzustand

auch eine Verbesserung der Durchgängigkeit

vorschreibt, ist man zunehmend aufgefordert, die im

letzten Jahrhundert vorgenommenen Flussbegradigungen

und die errichteten Querbauwerke teilweise wieder

zurückzunehmen. Gerade letztere verhindern die freie

Wanderung der hier vorkommenden Fische.

Der immer seltener werdende Aal ist ein gutes Beispiel

für die fehlende Durchgängigkeit auch dieses Flusses.


160 Seite

Zeugnisse der Vergangenheit

Zwischen Dietfurt und Kelheim traf ich auf eine wiedererrichtete

Siedlung. Auf dieser etwa 40 Kilometer langen Flussstrecke

wurden bisher etwa 18 Siedlungsfunde entdeckt. Sie

bezeugen, dass der Mensch hier bereits von der Steinzeit

bis in die Bronzezeit lebte.


Seite 161

Mit dem Projekt „Archäologiepark Altmühltal“ hat

man einen für die damalige Zeit dicht besiedelten

Lebensraum teilweise wieder sichtbar gemacht.

Neben dem keltischen Stadttor in Gronsdorf,

einem eisenzeitlichen Herrenhof in Oberhofen und

einem Hügelgrab in Riedenburg ist auch diese

frühkeltische Siedlung in Oberhofen zu bestaunen.


162 Seite

Die Einträge aus der landwirtschaftlichen Überdüngung

schädigen immer noch den gemächlich dahinziehenden

Fluss. Einen Trost für das Auge wie dieses kleine

Mohnfeld, sieht man nur gelegentlich. Nach einer

weiteren Schleuse kreiste ein Rotmilan idyllisch über

dem Tal. Im Vordergrund erhob sich bereits Schloss

Rosenburg, das schon in der zweiten Hälfte des 12.

Jahrhunderts erbaut wurde.

Heute kann dort ein Falkenhof besucht werden. Neben

einigen Adlerarten wie dem Steinadler, dem Weißkopfseeadler

und dem Seeadler, sieht man hier auch Uhu

und Schnee-Eule neben Wanderfalke und Gerfalke

während der Vorführungen.

Auch das schöne Gefi eder des hoch über der Altmühl

beobachteten Rotmilans kann hier aus nächster Nähe

bestaunt werden. Er zählt zu den schönsten Greifen

unserer Heimat.


Seite 163

Schloss Rosenburg

hoch über der Altmühl


164 Seite

Burgruine

Tachenstein


Seite 165

Die Burgruine Tachenstein, die auf einem gegenüberliegenden

Felsen von Schloss Rosenburg liegt, ist die

Ruine einer ehemaligen Spornburg. Über den Resten

der von den Grafen von Riedenburg erbauten Anlage

weht heute unsere Fahne mit ihren schwarz rot goldenen

Farben.

Keine fünf Kilometer weiter fl ussabwärts erhebt sich

ein weiteres Bauwerk aus dem Mittelalter markant

über den natürlich gewachsenen Felsen. Ein gewisser

Wernherus de Prunne, der mitsamt seiner Burg Prunn

1037 erstmals urkundlich erwähnt wurde, ist der älteste

bekannte Besitzer dieser Anlage.

Gegenüber der Burg können zwei Klammhöhlen und

eine Klamm besichtigt werden. Daneben befindet sich

auch eine vorgeschichtliche Wallanlage auf dem bewaldeten

Berg. Heute sind diese Naturlandschaften entlang

der Altmühl als FFH-Gebiet „Trockenhänge im unteren

Altmühltal“ Bestandteil des Europäischen Natura 2000

Netzwerkes.

Von hier bis hinunter nach Kehlheim sind es keine zehn

Kilometer Radelstrecke mehr. Ich schaute auf die Uhr

und wunderte mich, dass ich trotz der vielen Sehenswürdigkeiten,

die ich besichtigt hatte, doch gut vorwärts

gekommen war. Zufrieden fuhr ich nun Kehlheim

entgegen.


166 Seite

Burg

Prunn


Seite 167

Ein letzter Blick zurück auf die Burg Prunn zeigt, wie malerisch und gleichzeitig uneinnehmbar

sich diese Festung über das Altmühltal erhebt.

Nach einigen Minuten fl ussabwärts windet sich die Holzbrücke „Tatzlwurm“ hinüber

nach Randeck und gegenüber von Altessing breitet sich ein Altwasser gegenüber

einer wiedererrichteten keltischen Schmiede aus. In unmittelbarer Nähe kann zusätzlich

die Tropfsteinhöhle Schulerloch besucht werden. Ich grüßte beim Vorbeifahren

zwei Angler, die es sich mit ihren Stühlen gemütlich gemacht hatten und bewunderte

kurz ihre bunten Schwimmer. „Ob da heute noch einer anbeißt“, wollte ich von

den beiden wissen? Sie lachten und meinten: „Na das wollen wir doch hoffen“. Ich

wünschte ihnen ein Petri heil und folgte der Altmühl noch ein kurzes Stück, bis sie

sich in Kehlheim mit der Donau vereint.


168 Seite

In Kehlheim traf ich am Marktplatz auf meine Familie. Die

Innenstadt war mit grün-roten Wimpelketten geschmückt. Im

historisch interessanten Stadtgebiet befi nden sich bronzezeitliche

Grab- und Siedlungsfunde, aber auch Gräberfelder

aus der Urnen- und Hallstattzeit. Doch erst archäologische

Ausgrabungen bestätigten eine Besiedelung Kehlheims und

der näheren Umgebung seit der Neandertalerzeit.

Zwischen dem dritten und ersten vorchristlichen Jahrhundert

befand sich auf dem Michelsberg ein spätkeltisches

Oppidum, welches sich in alten Aufzeichnungen als „Alkimoennis“

wiederfi ndet. Wir wollten daher unbedingt dort

hinauf, zumal heute die Befreiungshalle den Bergrücken

schmückt. Der mächtige Rundbau aus Kelheimer Kalkstein

ruht auf einem dreistufi g angelegten Sockel, der als achtzehneckiges

Polygon angelegt wurde. Die Außenfassade

wird durch 18 Strebepfeiler gegliedert, die umlaufend von

18 Kolossalstatuen geschmückt werden. Sie symbolisieren

die an den Schlachten gegen Napoleon beteiligten

deutschen Volksstämme.


Die Befreiungshalle in Kehlheim steht

auf einem achtzehneckigen Sockel. Sie

hat bei einer Höhe von 45 Metern einen

Hallendurchmesser von 29 Metern. Das

Bauwerk wurde im Andenken an die

gewonnenen Schlachten gegen Napoleon

während der Befreiungskriege errichtet.

Sie fanden zwischen 1813 und 1815 statt,

König Ludwig I. von Bayern gab für das

Gebäude den Auftrag und zwischen 1842

und 1863 wurde es errichtet.

Seite 169


170 Seite

Zwischen dem dritten und ersten vorchristlichen Jahrhundert

befand sich auf dem Michelsberg ein spätkeltisches

Oppidum, welches sich in alten Aufzeichnungen

als „Alkimoennis“ wiederfi ndet. Wir begeben uns daher

auf den Michelsberg, den heute die Befreiungshalle

schmückt. Der mächtige Rundbau aus Kelheimer

Kalkstein ruht auf einem dreistufi g angelegten Sockel,

der als achtzehneckiges Polygon angelegt wurde. Die

Außenfassade wird durch 18 Strebepfeiler gegliedert,

die umlaufend von 18 Kolossalstatuen geschmückt werden.

Sie symbolisieren die an den Schlachten gegen

Napoleon beteiligten deutschen Volksstämme.

Der Donaudurch bei Weltenburg

wird von bis zu 80 Meter hohen

Felswänden eingegrenzt, Dabei hat

ihn die Donau hier, im Gegensatz

zum Donaudurchbruch bei Beuron

nahe Sigmaringen, nicht selbst

durchbrochen. Die ursprünglich

als „Altmühldonau“ weiter nördlich

bei Dollnstein, Eichstätt, Beilngries

und Riedenburg fließende Urdonau

änderte mehrmals ihren Lauf und

nutzt erst seit etwa 80.000 Jahren

ihr heutiges Flussbett.


Seite 171

Unser nächster Halt ist der Donaudurchbruch und das dort errichtete Kloster Weltenburg.

Schon 45 n. Chr. lag in der Nähe auf dem Südufer der Donau der Endpunkt einer

römischen Grenz- und Militärstraße. Sie führte von hier aus an der Donau entlang

stromaufwärts bis zum Kastell Hüfingen bei Donaueschingen. Dieser als Donausüdstraße

bezeichnete Weg war lange Zeit eine der wichtigsten Ost-West-Verbindungen

nördlich der Alpen.

Das Kloster selbst soll um das Jahr 617 durch die iroschottischen Mönche Eustachius

und Agilus aus Luxeuil nach den Regeln des Heiligen Kolumban gegründet worden

sein. Doch die Geschichtsforschung ist mittlerweile anderer Meinung.

Archäologische Funde zeigen, dass das Gebiet um Weltenburg bereits um 600 christlich

geprägt war. Die Frage, ob Weltenburg das älteste Kloster Bayerns ist, kann man

damit heute nicht eindeutig beantworten. Das bekannte Klosterbier schmeckte uns im

Schatten des Klostergartens trotzdem.

Die Donau durchschneidet die trennenden Gebirge an weiteren vier Stellen. Es sind

Engtäler, die aufgrund erodierender Kräfte des Flusses entstanden sind und

außergewöhnliche Landschaftsformen entstehen ließen. Die bekanntesten sind die

Hainburger Pforte, die Wachau, das Eiserne Tor und der Donaudurchbruch

bei Beuron, den ich mit dem Boot erkundet habe und im nächsten Band beschreibe.


172 Seite

Im Taubertal

Die Tauber windet

sich in unzähligen

Schleifen durch die

Landschaft und ist

dabei einem ständigen

Veränderungsprozess

unterworfen.

Dieser vernetzt die

Lebensräume und

gibt vielen Tier- und

Pflanzenarten eine

Heimat.


Die Tauber entspringt am Westfuß der Frankenhöhe und fließt in nordwestlicher

Richtung etwa 130 km durch unsere Heimat, bis sie in Wertheim in den Main

mündet. Dabei überwindet sie einen Höhenunterschied von etwa 120 Meter und

hat ein Einzugsgebiet von 3.250 km².

Seite 173

Im Laufe der Zeit ist an der Tauber ein repräsentatives Mittelgebirgsflusstal mit

vielfältigen Komplexlebensräumen entstanden. Neben Hang- und Auewiesen

haben sich Feucht- und Trockenstandorte etabliert, die sich mit Laub- und

Mischwäldern, aber auch mit Streuobstwiesen abwechseln.

Das Taubertal gehört somit zu den größeren Flusslandschaften unserer Heimat

und birgt entlang ihres Flussbettes auch eine Fauna von außergewöhnlicher

Schönheit. So sind neben vielen Libellenarten auch Eisvögel und Wasseramseln

in ihrer Ufervegetation zu Hause.

Die Tallandschaft kann bequem mit Rad und teilweise auch mit dem Boot

erkundet werden. Sie wartet geradezu auf aufmerksame Besucher.


174 Seite

An der Tauber kann

man sehr gut Eisvögel

beobachten,

Doch um sie fotografieren

zu können,

muss man sehr

schnell sein und

gleichzeitig Glück

haben. Doch nur

wenn man oft genug

draußen unterweg ist,

kann man die fliegenden

Edelsteine

irgendwann in einem

Bild einfangen.


Seite 175

Die Route

Das liebliche Taubertal kann sehr gut mit dem Rad befahren werden. Für diese Tour

starteten wir von Roth am See und fuhren zunächst zur Tauberquelle. Zwei Tage

lang waren wir mit unseren damals zehn- und achtjährigen Kindern unterwegs.

Dabei lernten wir eine außergewöhnliche

Flusslandschaft kennen. Gleich hinter Rothenburg

sahen wir urige Wege mit tiefen Taleinschnitten.

Es stand aber auch viel Kultur auf

unserem Programm. Schließlich durchquerten

wir neben Rothenburg ob der Tauber auch

Creglingen oder Bad Mergentheim mit seinem

Deutschordensschloss. Kulturelle Höhepunkte

fi ndet man aber auch in Weikertsheim mit dessen Schlosspark. Am Ende besuchten wir

noch das mittelalterliche Kloster Bronnbach mit seinen prächtigen Sandsteinskulpturen

und natürlich die schöne Burg Wertheim.


176 Seite

Liebliches Taubertal

Juni 2011

Unsere Flusslandschaften lassen sich mit Kindern und mit dem Rad sehr gut erkunden.

Dies wollten wir auf einer Mehrtagestour durchs Taubertal endlich selbst ausprobieren. Dabei

verspricht die Tauber viel Abwechslung, denn neben der schönen Natur hat das Tal auch viel

Kulturelles zu bieten. Mit dem Zug fuhren wir nach Rot am See, um dort mit den Rädern zu starten.

Gut markierte Radwege führten uns zunächst durch

Felder hinüber zur Tauberquelle. Von dort ab sollte das

kleine Rinnsal unsere weitere Strecke begleiten. Zügig

ging es von da an ins Taubertal hinab. „Geht es eigentlich

nur bergab?“, fragte Jan. „Fast nur“, erwiderte ich.

Ein Vorteil, der wirklich Lust aufs Radfahren macht, so

war unser Plan gewesen. Den Kindern gefi el die Idee,

auch wenn einige Anstiege im Verlauf der Tour die ein

oder andere Frage aufkommen ließen.

Der Radwanderweg entlang der Tauber wird überall als

„der Klassiker“ angepriesen. Er führt von Rothenburg

ob der Tauber bis nach Wertheim. Der Vorschlag, auch

die Quelle in unsere Tour mit einzubeziehen, war dann

meine Idee gewesen, denn ich liebe frisches Quellwasser

und vor allem direkt daraus zu trinken.


Seite 177

Die Zuganbindung nach Rot am See war ideal gewesen.

Auch der Start mit dem Rad gelang ohne Schwierigkeiten.

Doch nach etwa 20 Kilometern übersahen wir eine

Markierung und fuhren geradeaus anstatt links abzubiegen.

Bald standen wir an einem schönen Anglersee,

doch unser eigentlicher Radweg war verschwunden.

Mühsam strampelten wir einen Feldweg bergauf. Die

ersten Fragen kamen auf. Zu allem Übel sprang auch

noch die Kette von Kerstins hinterem Ritzel ab und

verklemmte sich zwischen Rahmen und Rad. Nun hieß

es tief durchschnaufen, reparieren, schönreden und

weiterfahren.

Solche Pannen sind natürlich übel. Sie drücken aufs

Gemüt und nehmen einem die Lust am Radeln. Zum

Glück hatte es nicht ein Rad der Kinder getroffen, denn

sie hätten das vielleicht persönlich genommen. Das

schöne Wetter verdrängte aber bald das kleine Maleur

aus unseren Sinnen und die Schmerzen meiner zerschundenen

Hand behielt ich vorsichtshalber für mich.

Die letzten zehn Kilometer in Richtung Rothenburg ob

der Tauber verliefen dann ohne weitere Zwischenfälle.

Leider waren wir etwa eine Stunde hinter unseren Zeitplan

zurückgefallen und die Vorfreude auf ein Eis in der

Altstadt musste noch ein wenig Geduld haben.

Getreidefelder so

weit das Auge reicht.

Die Gegend rund um

die Tauberquelle ist

stark landwirtschaftlich

geprägt. Dabei

wechseln sich alte

Fachwerkhäuser mit

modernen Traktoren

ab.


178 Seite

Ein herrlicher Weg führte durch die Schlucht nahe der

Stadt und bald standen wir vor den Toren Rothenburgs.

Riesige Mauern verbanden die Türme der Stadtmauer

und wir schoben unsere Räder in das Innere der mittelalterlichen

Anlage.

Die herrlich restaurierte Altstadt gefi el nicht nur uns auf

Anhieb. Eine große Besucherzahl war an vielen Stellen

in Rothenburg anzutreffen. An einem einladenden Cafe

stellten wir die Räder ab und genossen unser verdientes

Eis, während Touristen an uns vorbeiströmten. Ihr

Ziel waren die Souvenirgeschäfte. Ausgeruht schoben

wir weiter die Altstadt hinauf bis zum Marktplatz und

weiter hinunter zur Burganlage.


Seite 179

Von der Wehranlage aus genossen wir den Ausblick auf

das Taubertal. Anschließend verließen wir den schönen

Aussichtsort in Richtung Norden, denn wir wollten noch

ein paar Kilometer radeln und dann in einem Gasthof

übernachten. In Bettwar fanden wir in der „alten Schreinerei“

eine ideale Bleibe. Bei köstlichem Essen endete

unser erster Tag auf der Terasse. Ein Gewitter brachte

abends noch etwas Regen und wir gingen nach unserem

perfekten Rehbraten mit Klösen in unser Zimmer.

In der Fußgängerzone

von Rothenburg

reihen sich die

Fachwerkhäuser

aneinander. Besonders

gut gefiel uns

der Ausblick vom

Burggarten auf die

Tauberschleife.


180 Seite

Wir schliefen wie die Murmeltiere, doch da unser Zimmer

keine Außenrollos besaß, war die Nacht schon um

sieben Uhr vorbei und eine halbe Stunde später saßen

wir bereits beim Frühstück. Vor unserem Tisch stand

Müsli in verschiedenen Variationen bereit, daneben

lagen frische Brötchen mit hausgemachter Marmelade

und es duftete nach frischem Kaffe. Herz was begehrst

du mehr.

Nach dem Frühstück packten wir gemütlich unsere sieben

Sachen zusammen und holten die Räder aus dem

Keller und schon bald spürten wir wieder den Fahrtwind

in unseren Gesichtern. Das Wetter sollte noch ein paar

Stunden halten und wir nutzten die Zeit, die Eindrücke

des Taubertals an uns vorbeiziehen zu lassen. Wiesen-

Flockenblumen ragten mit ihren lila Köpfen weit aus den

Wiesen hinaus. Dann kam wieder eine der Siedlungen.

die sich zwischen die Felder wie Knoten an einer Schnur

dem Taubertal entlangreihten.


Seite 181

Klatschmohn bildete schöne

Kontraste am Rand der Roggen-

felder. Die roten Blüten gefielen

den Kindern, doch sie sind vor

allem für die Insekten wichtig.

Auch wir würden uns solche

Anblicke viel öfter in der Landschaft

wünschen. Sie zu finden

wäre so einfach, wenn man die

Randstreifen an allen Feld- und

Radwegen nicht mulchen, sondern

länger stehen lassen würde.


182 Seite

Bald rollten wir in Creglingen ein und Hinweisschilder

machten uns auf ein Rosenfest am Römerschlösschen

aufmerksam. Wir beschlossen daher, dort einen kleinen

Zwischenstop zu machen. Hinter einem Bauwerk am

Hang gelegen, hatte der hiesige Gartenbauverein über

die Jahre ein herrliches Kleinod geschaffen. Viele heimische

Kräuter und Wein, vor allem aber Rosen, konnte

man hier bestaunen. Überhalb des Gartens hatten

die Blumenfreunde eine Tribüne aufgebaut. Von dort

schauten wir auf die Wiese darunter und bewunderten

die Muster aus Teelichtern, die von vielen fleißigen

Helfern dekoriert worden waren und die jedes Jahr

diesem Fest einen Rahmen gaben. Wir hofften für die

Veranstalter nur, dass das Wetter halten würde, denn

der Himmel schaute bereits bedrohlich aus. Wir verließen

den Ort wieder und fuhren weiter nach Röttingen.


Seite 183

Röttingen mit seiner mittelalterlichen Stadtmauer lag

direkt am Tauberradweg. In der Innenstadt angekommen,

warb ein Plakat für einen Bühnenauftritt in der

Burganlage. Das wäre auch eine schöne Idee gewesen,

doch das Wetter mit den immer dunkler werdenden

Wolken ließ uns keine Ruhe. Wir mussten ja weiter nach

Weikersheim. Dabei kamen wir an einer schönen Brücke

vorbei, die von Baltasar Neumann entworfen worden

war. Zu unserem Glück blieb es noch trocken.

Wir tasteten uns quasi Stück für Stück von Ort zu Ort

vorwärts. Bald blies uns jedoch heftiger Wind in die

Gesichter. Er wurde schließlich so stark, dass wir beinahe

unser eigenes Wort nicht mehr verstanden. Wir duckten

uns über die Lenker und traten in die Pedalen so gut es

eben ging. Ich glaube, dass wir auf den letzten paar Kilometern

nach Weikersheim mehr Kraft benötigt hatten als

während des gesamten vorherigen Tages. In Weikersheim

angekommen, waren die Kinder ziemlich erschöpft.

Wie lange sie noch fahren müssten, fragten sie mehrfach,

während wir versuchten, sie immer wieder aufzumuntern.

Eigentlich war unser nächster Halt am Weikertsheimer

Schloss geplant. Doch wir entschlossen uns,

direkt am Marktpatz eine Pause einzulegen und kehrten

dazu in ein kleines Cafe mit großen Fenstern ein. Gemütlich

war es hier und vor allem ganz ohne Wind. So

konnten wir ganz angenehm neue Kraft tanken.


184 Seite

Das Weikertsheimer Schloss ist eine Augenweide

und auch der Schlosspark gefi el uns. Er würde bei

Sonnenschein sicher noch prächtiger sein. Wir wollten

ihn aber trotz des schlechten Wetters anschauen und

schlenderten gemütlich durch die Anlage. Der Bau des

eindrucksvollen Residenzschlosses wurde im 16 Jh.

begonnen, wobei die Baustelle 200 Jahre unvollendet

bleiben sollte. An gleicher Stelle stand bereits vorher

ein Bauwerk, das Hohenloher Wasserschloss. Nach der

Säkularisation wurde dann das einst zusammenhängende

Territorium an der Tauber zwischen Bayern und

Baden-Württenberg aufgeteilt.

Wir verließen den Barockgarten und beendeten nach

80 gefahrenen Kilometern unsere Taubertour. Aber nur

vorläufi g. Bei nächster Gelegenheit wollen wir dann von

hier aus nach Wertheim weiterfahren, soviel stand fest,

als wir im Zug saßen um nach hause zurückzufahren.


Seite 185

Zwei Wochen später rollten unsere Räder bereits wieder

auf dem Radweg an der Tauber entlang. Zwei freie

Tage standen an und das Wetter versprach dieses Mal

besser zu werden. In Weikertsheim angekommen führten

uns die ersten Kilometer durch das breit gewordene

Tal. Hier zwischen Weikersheim und Bad Mergentheim

wird viel Wein angebaut. Die Hänge scheinen mit

Rebstöcken bis auf den letzten Platz besetzt zu sein.

Den Landesherren beschehrte dies große Einnahmen,

die sich in den Prachtbauten wiederspiegelten. Das

Weikertsheimer Schloss ist eines davon. In Bad Mergentheim

würden wir vor einem weiteren stehen.

Vorher bestaunten wir aber noch im Kurpark eine herrliche

Rosensammlung. Der Duft der Rosen stieg uns

schon beim Vorbeigehen in die Nase.


186 Seite

Das Schloss in Bad Mergentheim war einstiges

Machtzentrum des Deutschen Ordens. Der hohe Turm

überragt das Geschehen rund um den Marktplatz. Die

schwarz-weißen Fahnen an der Eingangsbrücke zum

Schloß und die vielen Ordenskreuze, die in Sandstein

gemeißelt überall zu fi nden sind, zeigen noch heute,

wer hier früher das Sagen hatte. Beeindruckend ist

auch das Ordensmuseum, dem wir einen Besuch abstatteten.

Dort kann man ein schönes Modell der Burg

Rehden in der Eingangshalle betrachten. Bei angenehmem

Wetter schlenderten wir durch den Innenhof und

betrachteten die fi ligranen Fassaden, die sich plastisch

in der Sonne präsentierten.


Seite 187

Auf dem Makrtplatz genossen wir dann leckeren

Rhabarberkuchen und Pizzastücke. Gestärkt gingen

wir anschließend an die Strecke. Unser Plan war

nun, weiter dem Taubertal zu folgen. In der Nähe von

Tauberbischofsheim wollten wir uns dann ein Zimmer

suchen. Wir wussten aber noch nicht, dass dies nicht so

einfach werden würde.


188 Seite

Entlang des Radweges hatten wir immer wieder

Gelegenheiten, die für Abwechslung sorgten. So zum

Beispiel ein Mühlenspiel mit Riesensteinen, das wir in

einer Parkanlage vorfanden. Ab und an fütterten wir auch

einfach nur die Enten, die in der Tauber schwammen.

Anschließend radelten wir weiter, durchquerten kleinere

Ortschaften und erreichten schließlich Grünsfeld, das

etwa vier Kilometer von der Tauber entfernt liegt. Dort

fanden wir endlich ein Quartier, nachdem wir vorher noch

zwei kraftraubende Kilometer einen Berg hochgestrampelt

waren.

Eine alte Mühle sollte für diesen Tag unsere Bleibe sein.

Es war eine perfekte Location, wie wir fanden. Mit Blick

auf einen Garten belohnte uns die gegenüberliegende

Pizzeria für die Anstrengungen des Tages.


Seite 189

Unsere Tour lief bis dahin „wie am Schnürchen“, wie man

so schön sagt. Der zweite Tag startete jedoch mit wesentlich

schlechterem Wetter, was uns die Laune aber nicht

trübte. Das gemütliche „Dahinfahren“ schien momentan

das ideale Betätigungsfeld für uns zu sein. Trotz der

kühleren Temperaturen und dem Gegenwind erreichten

wir gut gelaunt die Altstadt von Tauberbischofsheim.

Einen Tag früher wäre ein Fest in Tauberbischofsheim

gewesen, das mit dem Auftritt einer Soulband beendet

wurde. Wir schoben unsere Räder durch die Spuren der

letzten Nacht, aber auch durch den gerade stattfindenden

Flohmarkt. Nun setzte Nieselregen ein, während wir

die Stadt wieder verließen. Schnell war die Regenbegleidung

übergezogen und es ging am schönen Rathaus

vorbei hinunter zur Tauber. Eine alte Steinbrücke

führte uns über den Fluss und wir folgten dem Lauf der

Tauber nun auf der linken Flussseite.


190 Seite

Das Tal wurde nun enger und wir waren erstaunt über

die Naturbelassenheit dieses Flussabschnitts. In engen

Schleifen fl oss die Tauber jetzt gemächlich in Richtung

Wertheim weiter. Wie eine Schlange, die sich beherzt

ihren Weg bahnen muss, windete sie sich durch das Tal

dem Main entgegen.

Die Weinberge waren nun ganz verschwunden,

dagegen machten sich Waldhänge breit. Bei Kloster

Bronnbach schien nichts mehr vom landwirtschaftlich

geprägten Tal übrig geblieben zu sein.


Seite 191

Im Innenhof des Klosters Bronnbach kamen wir

dann aus dem Staunen kaum heraus, denn die hohe

Schule der Steinmetzkunst wurde innerhalb der

Klosteranlage sichtbar und es schien, als wollten uns

die Figuren ihre eigene Geschichte erzählen. Auch

RTL war von der Anlage begeistert und nutzte die

Örtlichkeiten als Drehort für seine DSDS-Show.


192 Seite

Noch einmal radelten wir zurück zur Tauber, doch unsere

Tour neigte sich so langsam dem Ende entgegen,

denn bis nach Wertheim war es nun nicht mehr weit.

Nach einer letzten Rast radelten wir gemütlich auf die

Stadt zu. Während die gleichnamige Burg schon von

Weitem sichtbar über Main und Tauber wacht, dringen

erste Verkehrsgeräusche aus der alten Mainstadt in

unsere Ohren. Kurz bevor wir die Tauber überqueren,

präsentiert sich die Burganlage vor unseren Augen in

ihrer ganzen Größe. Wie ein Bollwerk thront sie über

dem Taubertal und demonstriert gleichzeitig an der

Mündung hoch über dem Main den Machtanspruch des

einstigen Adels über diese Region. Der Main jedoch,

der sich wie ein größeres Geschwisterkind unter der

Burg mit der Tauber vereint, soll nun Gegenstand für

die nächste Tour dieses Buches sein. Ihn erkundete ich

bereits als Jugendlicher zusammen mit meinem Vater.

Es war eine Radtour, an die ich heute noch gerne

denke.


Die Burg Wertheim

liegt auf einer schmalen

Bergzunge zwischen

den Tälern von Main und

Tauber. Sie ist eine der

mächtigsten Burganlagen

weit über die Region

hinaus. Es gibt begründete

Hinweise darauf,

dass hier Teile des

Mittelalterepos des

Parzival entstanden

sind, dessen Niederschrift

zwischen 1200

und 1210 erfolgte.

Seite 193


194 Seite

Am Main

Ruhig wie ein Brett

liegt er da, der Main.

Bei schönem Wetter

spiegeln sich der

blaue Himmel, aber

auch die Höhen

der umliegenden

Berge auf der glatten

Wasseroberfl äche

und erzeugen dabei

fantastische Formen.


Seite 195

Der Main ist die Lebensader Frankens. Sanftmütig fließt er durch die Mittelgebirge

dieser Region. Im Spessart angekommen, windet er sich mit engen Schleifen wie eine

Schlange durch die Landschaft und prägt so die Ränder dieses einmaligen Waldes.

Für den Main wird eine Länge von 553 Kilometern angegeben. Vor der Wiedervereinigung

wurde er sogar als längster Fluss der damaligen BRD genannt. Sein

Einzugsgebiet mitsamt seinen Nebenflüssen umfasst eine Fläche von 27.292 km²

und er entwässert dabei den größten Teil Frankens.

Bereits bei den Kelten wurde er als Transportweg genutzt. Die Römer begannen auf ihm

auch größere Waren, vor allem aber Kriegsgerät zu transportieren. Doch ebenso große

Mengen Holz wurden auf dem Main verschifft. Die Flößerei, die auf dem Main erstmals

1386 erwähnt wurde und ihren Höhepunkt Anfang des 20. Jahrhunderts erreichte, wurde

immer weiter intensiviert. Zwischen 1900 und 1915 befuhren den Fluss fast 1800 Flöße

jährlich, wie Zählungen in Wertheim bestätigen. Doch die mangelnde natürliche Strömung

führte zu hohen Kosten für Löhne und Schleppkähne und man begann den Fluss

zur Wasserstraße auszubauen. Zwischen 1886 und 1960 wurden ganze 34 Staustufen

gebaut. Das Nachsehen hatten dabei die Wanderfische, wie etwa der Lachs, nach dem

früher zum Beispiel in Gemünden gefischt wurde.


196 Seite

An den Ufern des

Mains zwischen Lohr

und Wertheim liegen

faszinierende kleine

Buchten. Am besten

fi ndet man diese

Stellen vom Wasser

aus.


Seite 197

Die Route

Der Main ist ein langer und sehr schöner Paddelfluss, trotz der 34 Staustufen,

die ihn zerschneiden und mit dem Paddelboot umtragen werden müssen.

Zwischen Gemünden und Marktheidenfeld fließt er mitten durch den Spessart

und umrundet ihn anschließend.

Nachdem ich die Flusstrecke zwischen Gemünden

und Lohr bereits im ersten Band beschrieben

habe, möchte ich nun meine Paddelerlebnisse

von Lohr bis Wertheim erzählen. Dabei ist dieser

Abschnitt besonders schön, da der Wald bis direkt

an den Main heranreicht.


198 Seite

Auf dem Main durch den Spessart

Juli 2020

Das Wetter war nicht unbedingt optimal. Ich schaute von meinem Esszimmertisch hinaus auf

die Terasse und grübelte über mein Paddelvorhaben, während draußen vor dem Fenster kleine

Regentropfen auf dem Terassentisch aufploppten. Doch das Wetterradar meldete einen kurzen

Regenstopp zwischen neun und zwölf Uhr.

„Das müsste reichen“, dachte ich und startete mein

Vorhaben. Spontanität ist manchmal nicht schlecht, vor

allem wenn ein schöner Fluss nur sieben Kilometer vor

der Haustür liegt. 15 Minuten später war ich in Sackenbach

auf dem Parkplatz gleich hinter der Schleuse und

begann meinen Schlauchkanadier aufzupumpen. Die

Teerstraße in Lohr war zwar bereits trocken gewesen,

die Wiese am Main natürlich noch nicht. Doch während

des Aufpumpens ist ein bedeckter Himmel sowieso

Gold wert, denn man schwitzt dann nicht so leicht.

Schon saß ich nach nur vier Tagen Pause bereits wieder

zwischen den beiden Luftkammern meines Palavas,

denn am Samstag erst hatten wir eine Paddeltour auf

der Fränkischen Saale unternommen. Es war ein sehr

schönes Geburtstagsgeschenk meiner Freunde zu

meinem 50. gewesen.


Seite 199

Doch das Wetterglück vom letzten Samstag hatte

ich an diesem Tag leider nicht. Zum Glück aber blieb

es trocken. Ich querte mit schnellen Paddelschlägen

zügig den Main, um auf der anderen Seite die kleinen

Buchten hinter Steinbach genauer anzuschauen. Das

neue Doppelpaddel erwies mir dabei große Dienste,

denn auf einem ruhigen und breiten Fluss hat es

gewisse Vorteile gegenüber den Stechpaddeln, die

ich auf kleinen und windungsreichen Flüssen wie der

Wiesent oder der Saale normalerweise benutze. Auch

die Sitzposition hatte ich heute etwas anders arrangiert.

Mit Hilfe eines Sitzkissens und einer Lehne lag ich nun

angenehm im hinteren Teil des Bootes und gleitete mit

leichten Paddelschlägen von einer Bucht in die nächste.

Der Fischreiher, den ich beim Überqueren des Mains

am Ufer gesehen hatte, war in die ufernahen Bäume

gefl üchtet. Dort oben wartete er geduldig bis ich keine

Gefahr mehr für ihn darstellte, dann kam er wieder zum

fi schen zurück ans Wasser.


200 Seite

Mit gemütlichen Schlägen ging es mit der Strömung

sanft dahin und am Campingplatz in Lohr vorbei. Ich

passierte das Schwimmbad mit seiner schönen Liegewiese

und erreichte bald die Mainläde. Kurz dachte ich

an die bekannte Festwoche, die leider coronabedingt in

diesem Jahr nicht stattfinden konnte. In etwa drei Wochen

wäre es wieder so weit gewesen. Die Einschränkungen

sind doch gewaltig und es schmerzt, denn auch

ich bin dort normalerweise regelmäßig zu Gast.

Hinter der alten Mainbrücke hatte das Grün der Ufervegetation

bald wieder die Oberhand. Nur der Straßenlärm

war an dieser Stelle wieder lauter zu hören, da die

Geschwindigkeiten der Autos auf der Höhe des Industriegebietes

steigen. Die unangenehmen Geräusche

begleiteten mich bis etwa auf die Höhe des Obi-Baumarktes.

Dort schluckte endlich die Vegetation der alten

Bäume eines Naturschutzgebietes und die zunehmende

Entfernung der Straße den lästigen Schallpegel.

Ich tauchte nun in einen sattgrünen Flussabschnitt

ein. Rechts und links am Ufer erheben sich mächtige

Weiden und Erlen. Einzelne davon sind bereits abgestorben

und verleihen dem Streckenabschnitt einen

Hauch Natürlichkeit. Nur die Bojen für den Schiffverkehr

stören diese Eindrücke. „Bald wird wieder ein Koloss

in der Ferne auftauchen“, dachte ich. Dann musste ich

zügig in eine Bucht hineinpaddeln, wie bereits vor einer

Stunde, denn die Schiffe fahren teilweise im Tandem

den Main. Fast bedrohend wirken sie dann im Vergleich

zu einem winzigen Paddler.


Seite 201

Die Schwergutschiffe verfügen über besonders leistungsfähige

Ballastpumpen und Antriebsmotoren. Das merkt man

auf dem Wasser sofort. Ein kräftiger Sog zieht beim Auftauchen

dieser Riesen alles Wasser vor sich ab. Dabei überkommt

einen auch schon mal ein mulmiges Gefühl, wenn

plötzlich das Wasser unter dem nur knapp vier Meter langen

Paddelboot abgesaugt wird. Nach dem Passieren des

Schiffes werden die Wellen wieder nach außen gepresst,

schlagen an die Uferböschung und schwappen dabei

unter meinem Boot hindurch. Wenn man dieses kraftvolle

Schauspiel einmal auf dem Wasser mitbekommen hat,

wird schnell klar, warum die Uferbereiche unseres schönen

Mains mit derart schweren Quadern befestigt wurden. Eine

natürliche Vegetation ist aufgrund der Wasserstraße kaum

möglich. Erst der Steinwall sorgt für Festigkeit im Dienste

des Schwertransports. Das Paddeln wäre angenehmer,

wenn die Schwergutschiffe nicht wären.

Gelegentlich taucht eine schöne Bucht auf. Sie vermittelt,

wie es ohne die Wasserstraße überall am Main aussehen

würde. Ich muss gestehen, ich könnte mir kein schöneres

Geschenk vorstellen.


202 Seite

Bei herrlichstem Wetter kam ich eine Woche später an meine letzte Ausstiegsstelle

zurück. Ich trug mein Boot vom sonnigen Feldrand in den Schatten der umliegenden

Bäume, Es waren große Erlen und Weiden, die ihn an dieser Uferstelle spenden.

Schräg scheinte die Sonne durch das Geäst auf den sandigen Untergrund.

Ich breitete mein Boot aus und begann mit dem Aufpumpen.

Etwa 150 Stöße sind es pro Kammer, wobei das Boot drei Kammern hat. Anschließend

genoss ich noch ein wenig den Sonnenaufgang und wartete, bis mein Puls wieder

ruhiger geworden war. Nun befestigte ich meinen Sitz auf der Unterlage, um eine

ideale Sitzhöhe in meinem Boot zu gewährleisten. Dies ist wichtig, denn bei jedem

Paddelschlag schleife ich ansonsten an der oberen Gummikannte des Boots entlang,

was zu Verletzungen an den Händen führen kann. Diese unschönen Schrammen

möchte ich aber vermeiden und passe daher immer wieder das Volumen der Luftkammer

und somit die Sitzhöhe an. Die Utensilien waren anschließend schnell an

Bord und ich verließ schweren Herzens diese schöne sonnige Bucht.


Das Naturschutzgebiet

zwischen Lohr

und Rodenbach kann

vom Wasser aus seine

ganze Schönheit

präsentieren. Bei wunderbarem

Augustwetter

genoss ich diesen

Flussabschnitt.

Seite 203


204 Seite

Das Naturschutzgebiet, das hier das Ufer säumt, begeisterte mich bereits nach wenigen

Paddelschlägen. Geradewegs steuerte ich auf eine abgestorbene Baumgruppe

zu, auf deren Ästen eine Gruppe Fischreiher zum Jagen ansitzt. Sie beschwerten sich

lautstark bei meiner Ankunft und drehten weite Runden über mir und um mein Boot

herum. Nach wenigen Minuten waren sie jedoch wieder vor Ort und nahmen ihren

alten Platz erneut ein. Ein paar Meter weiter ragte ein weiterer Baumstumpf aus dem

Wasser. Seerosengewächse umrahmten ihn und eine urige Stimmung machte sich

um mich herum breit. Ich fühlte mich für einen Augenblick wie auf einem Seitenarm

eines Urwaldfl usses. Dabei waren es nur klägliche Reste von Altwasserbeständen,

die an der unbefestigten Uferzone wachsen dürfen. Die Fahrrinne selbst ist durch

eine Aufschüttung in Richtung Mainmitte gesichert. Man hat jedoch die Randbereiche

naturnah wieder hergestellt. Es ist ein kleiner Flussabschnitt, der vorbildlich für

Nutzung und Naturnähe betrachtet werden kann. Einmal als Wasserstraße und an

den Randbereichen durch eine Schutzzone für die Natur. Leider ist nach wenigen

hundert Metern am Ortseingang von Rodenbach die Realität der reinen Wasserstraße

zurückgekehrt. Während melodisches Vogelgezwitscher über mir in den Weiden

ertönte, erreichten mich Sekunden später bereits halbmeterhohe Wellen, die mein

Boot aufschaukelten. Sie erreichten gleich darauf die Uferböschung, die nun wieder

befestigt war. Die Wellen zeigten mir, welche Kraft in ihnen steckt. Sie schlugen

lautstark gegen den harten Stein.


Idyllischer Mainabschnitt

bei

Rodenbach.

Seite 205


206 Seite

Nach wenigen Paddelkilometern war ich in einer weiteren schönen Mainschleife angekommen.

Wie eine grüne Oase wirkten nun die üppigen Bäume und Sträucher auf mich, denn zwischen

Lohr-Rodenbach und Rothenfels kommen die bewaldeten Spessarthöhen besonders nah an den

Main heran. Dort fallen abgestorbene Baumreste auf, die mit ihrer hellen braun-grauen Farbe aus

dem üppigen Grün herausstechen. Sie werden von Wasservögeln rege genutzt. Mal sind es Fischreiher,

mal Kormorane oder gelegentlich schöne Eisvögel.

Auch auf diesem Flussabschnitt huschten zwei dieser fliegenden Edelsteine vor meinem Boot her

und flogen flussabwärts. Leider konnte ich ihnen nur für wenige Sekunden hinterherschauen, dann

waren sie schon wieder im Dickicht verschwunden. Einer der abgestorbenen Bäume fi el mir besonders

auf, denn ein dort sitztender Fischreiher bewegte sich kaum. Als ich sanft an ihm vorrüberpaddelte,

schaute er mich kurz an und setzte just sein halbflüssiges Geschäft direkt vor mir in den Fluss

ab. Mit einem lauten „Blupp“ glitt die Rakete in das Wasser. „Sauber“, sagte ich so vor mich hin und

fi ng an zu lachen. Ihn störte das nicht. „Dankeschön“ rief ich zu ihm hoch, doch da war ich bereits

etwa zwanzig Meter von ihm entfernt. Der Geselle hatte mich glatt ignoriert. Er hielt weiter nach

Fischen Ausschau, als hätte er mich gar nicht bemerkt.

Ich war jetzt etwa einen Kilometer vor Neustadt und das erste, was

ich sah, waren die leuchtend türkisen Türme des Klosters, die weit in

Richtung Lohr blicken. Bereits 738 soll der Ort als Rorinlacha an der

„Michil Statt“ (heutiger Michelsberg) gegründet worden sein. Namhafte

Persönlichkeiten, wie der damalige Bischof von Würzburg Burkard

und Karl Martell, werden mit der Gründung genannt und in Verbindung

gebracht.


Seite 207

Schon 772 wurde das zweite Benediktinerkloster nur wenige hundert

Meter nördlich errichtet. Diesmal an der Neuen Statt (Niunstat) im Auftrag

von Karl dem Großen. Der zweite Bischof von Würzburg, Megingaud, war

mit dem Bau betraut worden. Man sieht daran, dass der Spessart schon

immer eine größere strategische Bedeutung gehabt haben muss. Beim

Vorbeipaddeln fi el mir auf, das sich Neustadt mit seinem Umland wie ein

Keil in den Spessart hineinschneidet. Warum die Würzburger Bischöfe

gerade an dieser Stelle auf Mainzer Gebiet siedeln mussten, ist eine lange

Geschichte, die am Ende zeigt, dass es der Kirche eben nicht immer nur

um den Glauben ihrer Schäfchen ging.

Ich querte hier den Main, fuhr nun linksmeinisch an der Uferpromenade

von Erlach entlang und unter der Fußgängerbrücke hindurch. Bald

schon war ich erneut von bewaldetem Ufer umgeben. Hinweisschilder

kündigten mögliche Wassersportler an und tatsächlich fuhren wenig

später die ersten Boote mit Wasserskifahrern im Schlepptau an mir vorbei.

Das wunderte mich nicht, denn ich war im Umfeld des Campingplatzes

angekommen, der auf einem sanften Vorsprung liegend sehr schön in

den Main hineinragt. Mit dem Gaibach endet wenig später nicht nur der

Campingplatz, sondern auch die Gemarkung von Neustadt und ich bog

mit der sanften Windung der nächsten Mainschleife um die Ecke und

erblickte auf dem Fels hoch über dem Main die Burg Rothenfels. Die

gleichnahmige und kleinste Stadt Bayerns wird jedoch leider von einer

Staustufe verdeckt. Der rote Fels, auf dem die Burg erbaut wurde, scheint

früher außergewöhnlich gewesen zu sein, denn er gab nicht nur Burg

und Stadt ihren Namen, auch das Wappen der Stadt zeigt dies eindeutig.

Während ich diese Zeilen in mein Handy sprach, begann mein Boot

erneut zu schaukeln und wieder prallten die Wellen gegen die Vegetation

des nahen Ufers. Bald hatte ich die letzten Meter bis zur Staustufe hinter

mir. Hinter einem Angler verließ ich den Fluss und freute mich über diesen

gelungenen Paddeltag.


208 Seite

Eine Woche später war ich wieder mit dem Boot unterwegs und kehrte nach Rothenfels

zurück. Am Ufer angekommen, stand die frühe Sonne noch schräg über dem

Main und brachte Wasserdampfschwaden zum Leuchten. Ein Zeichen für die kälteren

Temperaturen, die jetzt Ende August in den Morgenstunden bereits herrschten, aber

auch für den wärmer gewordenen Main. Denn in den Sommermonaten werden im

Wasser meist über 22 Grad Celsius gemessen. Am 12. August hatte die Wassertemperatur

des Mains in Würzburg und in Kahl sogar die 26 Grad überschritten. Der

Schwellenwert von 26 Grad gilt dabei als kritisch für die ökologischen Bedingungen

von Gewässern. Sobald dieser Wert längere Zeit darüber liegt, schadet dies den

Fischen und das hat einen einfachen Grund. Es sinkt mit der Erwärmung gleichzeitig

der Sauerstoffgehalt. Mit den knapp 23 Grad Wassertemperatur, auf die ich an

diesem Morgen traf, erschrak ich förmlich, denn es kam mir viel zu warm vor. Es

fühlte sich an, als ob ich mit den Füßen in einer warmen Badewanne stehen würde,

während ich mein Boot über die Uferböschung in Rothenfels in den Main hinabzog

und anschließend beim Einstieg ins Boot bis zu den Waden im Wasser stand.

Beim Lospaddeln schaute ich noch einmal auf die Burg Rothenfels hinauf und zur Altstadt

hinüber. Sie wurde in diesem Moment von der aufsteigenden Sonne angestrahlt

und die roten Fachwerke leuchteten auffällig zu mir herüber. Nur langsam erwärmte

sich die Luft und die Schwaden über dem Wasser verzogen sich nur zäh. Es ist

eine beeindruckende Stimmung, die der Main an solchen Tagen bietet, wenn man

einen Blick dafür hat. Vor mir lagen zwölf Kilometer bis nach Triefenstein, doch nach

wenigen Paddelschlägen gleitete ich bereits am Campingplatz von Zimmern vorbei

und genoss es, wieder auf dem Fluss zu sein. Vor mir querte ein Fischreiher über den

Main und ich beobachtete zwei Schwäne, die von einem Camper am anderen Ufer

gefüttert wurden. Anschließend erreichte ich die ersten Schilfstauden. Bis zu zwei

Meter stehen sie am Ufer direkt im Wasser noch vor den Weiden, die sich dahinter

erheben. Das Schnattern von Gänsen war aus der Ferne zu hören und ein kleiner

Trupp Rauchschwalben segelte knapp über der Wasseroberfl äche vor meinem Boot

hin und her. Sie jagten mit aufgerissenen Schnäbeln nach Mücken, die sie dicht über

dem Wasser jetzt am zahlreichsten vorfanden.


Seite 209

Ich erreichte Hafenlohr und seine gemütliche Uferpromenade.

Durch einen Torbogen, der sich direkt hinter

einem Bootseinlass befi ndet, schaute ich hinauf zum

ummauerten Kirchhügel auf die Kirchturmspitze. Direkt

an der gegenüberliegenden Mainseite zeigte sich ein

ähnlicher Bootseinlass. Hier muss es früher eine Furt

gegeben haben, dachte ich, denn in Verlängerung der

Einlasstelle gegenüber zieht sich der Lisbachgraben

hinauf nach Karbach auf die fränkischen Platte. Auch an

der Einmündung des gleichnamigen Flusses Hafenlohr

in den Main laden Bänke und Tische zum Verweilen ein.

Ich schaute durch den alten Eisenbahntunnel hindurch

und sah, wie sich das Bächlein gemächlich plätschernd

auf den Main zubewegt. Ein Fachwerkhaus steht direkt

über dem Bach und das weiße Gefache leuchtete unter

der Brücke zu mir herüber. Mehrere Treppen vor und

hinter der Einmündung führen hinunter auf den Main.

Sie erleichtern den Einstieg für Paddelboote erheblich.

Hinter Hafenlohr gewinnt die natürliche Vegetation wieder

die Oberhand am Fluss. Ausladende Weiden säumten

nun die schilfbewachsenen Ufer. Auf einer Steinreihe

im Fluss watschelten Kanadagänse auf und ab. Sie

ließen sich bei ihrem Geschnatter nicht stören, doch sie

hatten gleichzeitig mein Boot fest im Auge, dass sich

jedesmal, wenn ich fotografi eren wollte, um 180 Grad

drehte. Dies geschieht aufgrund der einseitigen Belastung

im Boot immer wieder, denn ich sitze im hinteren

Teil und kann während des Fotografierens mit dem Paddel

nicht gegensteuern. Zugegeben, es nervt ein wenig,

wenn man viel fotografi ert, doch es ermöglicht einem

ebenso den Blick zurück auf die gepaddelte Strecke.


210 Seite

Ich paddelte nun auf Marktheidenfeld

zu. Die neue

Mainbrücke war schon von

weitem vom Main aus zu

sehen. Nach einer weiteren

Bootsumdrehung unter der

blauen Brücke vor Marktheidenfeld

konnte ich ein letztes

Mal die Kirchturmspitze von

Hafenlohr erkennen, bevor

der Ort endgültig hinter den

Bäumen verschwand.


Die Schilfgürtel in Marktheidenfeld

ragen hoch über dem Fluss

nach oben. Sie gedeihen hier

besonders prächtig.

Seite 211


212 Seite

Anschließend paddelte ich auf die alte Mainbrücke zu. Der rote Sandstein hebt sich

hier gut vom Grün der Bäume und dem dunkleren Grün der Wasseroberfläche ab.

Beim Durchfahren eines Brückenbogens staunte ich über die schmalen Fugen zwischen

den großen Quadern. Exakt fügen sie sich ineinander und zeigen damit,

wie genau ein Steinmetz früher arbeiten musste.

Hinter der Brücke beginnt die Uferpromenade von Marktheidenfeld. In weitem Bogen

zieht sich die Schiffsanlegestelle von hier aus den Main abwärts. An diesem Tag war

kein Schiff und auch kein Boot zu sehen, doch ich konnte mich noch gut an die farbenprächtigen

Boote erinnern, die hier während des Drachenbootrennens vor einigen

Jahren das Schnellste aus der Umgebung ermittelten.


Seite 213

Hinter Marktheidenfeld taucht der Main nach einer

Rechtskurve wieder in das saftige Grün des umliegenden

Spessarts ein. Die bewaldeten Hügel reichen auf

der weiteren Strecke nach Lengfurt erneut bis an den

Fluss hinab.

Auf einem abgestorbenen Baum konnte ich einen

Fischreiher beobachten. Als ich ihm zu nahe kam, ging

er kurz in die Hocke und hob anschließend ab. Mit

kräftigen Flügelschlägen fl og er hinüber an das andere

Ufer.


214 Seite

Wenig später konnte ich eine

Schwanenfamilie und hoch

oben im Wald zwei Bussarde

beobachten,

die

sich im Flug

abwechselnd immer wieder

kurz berührten und nach eini-

zwischen

gen Augenblicken

den Ästen verschwanden. Es

sind diese Eindrücke, die sich

plötzlich ergeben und mich

immer aufs neue faszinieren.


Seite 215

Leider wurde die Idylle bald wieder gestört. Die Straße

nach Triefenstein, die direkt am Main entlangführt,

verläuft hier sehr nah am Ufer entlang. Man hört daher

den Motorlärm, der sich in Abständen von etwa fünfzehn

Sekunden immer wieder ins Bewusstsein drängt.

Die Straße und auch die Fahrzeuge blieben jedoch zu

meinem Glück hinter den Bäumen verborgen.

Ausgedehnte Schilfgürtel begleiteten mich nun den

Fluss hinab und gelegentlich traf ich auf kleine Einbuchtungen

mit urigen Sandstränden.

Dann windete sich der Fluss erneut, diesmal in einer

weit gezogenen Linkskurve und es zog plötzlich Wind

auf. Die Wasseroberfl äche wellte sich mit den aufkommenden

Böhen und das Paddeln wurde merklich

schwerer. Ich war jetzt noch etwa zwei Kilometer von

der nächsten Staustufe entfernt, doch das Wasser

schien bereits zu stehen und nur langsam kam ich nun

vorwärts. Erleichtert erreichte ich wenig später meine

Ausstiegsstelle vor der Lengfurter Schleuse.

Anschließend zog ich meinen Schlauchkanadier aus

dem Wasser, wobei ich im Süden schon die Türme des

Triefensteiner Klosters über den Baumwipfeln herausspitzen

sah. Zufrieden packte ich mein Boot zusammen,

denn der Fluss hatte mich für eine kurze Zeit ein

weiteres Mal fest in seinen Bann gezogen.


216 Seite

Zwischen Marktheidenfeld

und Lengfurt fi ndet man

immer wieder idyllische Orte,

die jeden Naturliebhaber

begeistern.


Seite 217

In der Woche darauf startete ich in Triefenstein bei

durchwachsenem Wetter und herbstlichen elf Grad Lufttemperatur.

Mit meinem Boot suchte ich einen geeigneten

Einstieg hinter der Triefensteiner Staustufe. Vor

mir ragten die Schuttkalkfelsen steil empor und immer

wieder suchte mein Blick die Kalkfelsen, während ich

das Boot aufpumpte. Dort oben würde ich am Nachmittag

nach meiner Rückker noch ganze 17 Greifvögel am

blauen Himmel beobachten können. Doch nun galt es

erst einmal, den Main weiter abwärts zu paddeln. Nach

der ersten Rechtskurve ließ ich das Lengfurter Zementwerk

schnell hinter mir und sah bald die Homburg, die

sich über dem gleichnahmigen Ortsteil von Triefenstein

über dem Fluss erhebt.

Das kräftige Rotbraun des schmucken Fachwerkbaus

setzt sich deutlich von der grünen Ufervegetation ab.

Direkt unter der Burg fl ießt der Bischbach in den Main.

Seine Kraft diente viele Jahrhunderte lang der alten

Papiermühle, die hinter der Homburg liegt und heute ein

Museum ist, als Energiespender. Doch dort angekommen,

verdeckten große Zitterpappeln die Sicht auf Burg

und Dorf. Nur die Weinberge ragten dahinter hervor.

Doch leider waren die weißen Kalkhänge aufgrund

des trüben Wetters nur schwach sichtbar, denn die

Sonne mühte sich an diesem Morgen vergeblich. Hinter

Trennfeld angekommen, schaute ich noch einmal auf

die Weinlagen des Kallmuth zurück. Dabei musste

ich an den guten Geschmack des dort wachsenden

Weines denken, den ich jetzt gerne in meinem Gaumen

geschmeckt hätte. Doch in diesem Moment war nur

meine Wasserfl asche greifbar, um den aufkommenden

Durst zu stillen.


218 Seite

Die Homburg erhebt sich

über dem Main. Im Hintergrund

der Burg wird Weinbau

auf dem kalkigen Untergrund

des Kallmuth betrieben.


Seite 219

Auch eine alte Furth, die in Trennfeld den Main querte, konnte ich vom Wasser aus

erkennen. Nun tauchte ich wieder in üppiges Grün ein, während die Sonne immer

mehr die Oberhand bekam. Noch vor der Autobahnbrücke der A3, die hier den Main

quert, endet der Spessart auf der linken Mainseite. Seine weitere Grenze, die auch

die von Bayern und Baden-Würthenberg darstellt, verläuft von hier ab mitten auf dem

Fluss. Er teilt die beiden Bundesländer, bis er Freudenberg erreicht. Hier wurde ich

Zeuge einer nicht alltäglichen Begebenheit.

Ein Fuchs saß am Flussufer und schaute träumend auf den Fluss. Er schien mich

nicht zu bemerken, sodaß ich ihn sogar vom Boot heraus fotografieren konnte, auch

wenn die Aufnahme leider verwackelte. Dann, keine fünzig Meter weiter flussabwärts,

standen drei Rehe direkt am Wasser, die sich ebenfalls nicht stören ließen. Ich

konnte sie eine Weile sogar beim Äsen beobachten und dabei fotografieren. Ohne zu

paddeln, trieb ich ganz langsam an ihnen vorbei. Wenig später konnte ich schließlich

noch zwei schöne Eisvögel beobachten, wie sie über dem Wasser den Fluss entlangflogen.

„Na, das hat sich aber heute gelohnt“, dachte ich.


220 Seite

Naturidylle am Mainufer


Seite 221

Hinter Bettingen erreichte ich die große Mainschleife. Hier vollzieht der Fluss eine

Kehre, mit der er den Bergrücken des Himmelreichs umfließt und sogar anschließend

wieder ein Stückchen nach Norden zurückmäandert. Dabei hat der Main im Laufe der

Jahrmillionen beinahe eine Insel geschaffen. Sie bildet heute ein naturnahes Rückzugsgebiet

für viele Tier und Pfl anzenarten. Davon künden auch die abgestorbenen

Baumriesen, die hier vermehrt am Ufer stehen, aber auch unzähliges Vogelgezwitscher,

das aus dem Wald dahinter heraushallte und bis über die Flussmitte zu hören

war.

Dies konnte auch der Grund für die hohe Eisvögeldichte sein, denn wenig später

sichtete ich noch einmal zwei einzelne Exemplare. Ich genoss nun die Ruhe und den

Wald, der dort bis ans Ufer reicht. Nichts außer Wald und Wasser wirkte nun auf mich

ein. Paddeln kann nicht herrlicher sein.


222 Seite

Urphar liegt eingebettet

an einer Mainschleife.


Seite 223

Ich erreichte den südlichsten Punkt der

Mainschleife. Zwei Schwäne schwammen

gemächlich über das Wasser und ich folgte

ihnen an der Innenseite der Flussbiegung.

Die schönsten Buchten tauchten

nun auf. Teilweise lassen sich diese

sogar befahren. Man fühlt sich plötzlich,

als sei man in der Wildnis angekommen.


224 Seite

Ich spürte beim Aussteigen den Sand

unter meinen Teva-Sandalen, dann

schaute ich über den klaren Grund der

Bucht zurück auf den Main hinaus. Unglaublich

waren die Natureindrücke, die

hier auf mich wirkten.


Seite 225

Traumhafte Buchten und alte Bäume,

die ihre Schatten auf die Wasseroberfläche

werfen. Beim Fotografieren kann man

da die Zeit schon mal vergessen.


226 Seite

Die Blätter an den Ästen, die zwischen

mir und der Sonne im Wind

hin und her tanzten, sorgten für Licht

und Schatten auf meinem Gesicht.

Ich saß am Main und wollte gar nicht

mehr weg von hier. Doch bald drangen

die Geräusche der Fahrzeuge

in meine Ohren, die auf der anderen

Mainseite entlangfuhren.

Eine Zeit lang hatte ich sie verdrängen

können. Nun riefen sie mich

wieder zurück ins Weltgeschehen,

dem ich eigentlich auf meinen Touren

entfliehen will. Ich kehrte zurück

auf den Main und paddle noch ein

wenig auf und ab. Die Staustufe Eichel

konnte ich bereits sehen. Dann

kam ich zu jenem Schild, an dem ich

mein Fahrrad zurückgelassen hatte.


Seite 227

Ich holte mein Boot aus dem Wasser, entleerte

es, zog meine nass gewordene Hose

aus und wechselte sie, denn zum Glück hatte

ich in meinem wasserdichten Packsack

frische Klamotten dabei. Das Boot musste

jetzt abgetrocknet und zusammengepackt

werden. Dann fuhr ich mit dem Rad zurück

zum Auto. Es waren Handgriffe, die sich

im Laufe der Zeit auf meiner Mainreise

automatisiert hatten.

Auf dem Radweg strahlten mir bald die

Weinberge des Kallmuths entgegen. Nun

glänzte auch der hellgraue Kalk in der Sonne

und zeigte mir seine schönen Strukturen.

Am Himmel über den Kiefern der Berghänge

kreisten nun die 17 Greife, die ich vorhin

bereits erwähnt hatte. Es waren Bussarde

und die schöneren Rotmilane, die man gut

an den weißgebänderten Unterseiten und

dem gegabelten Schwanz erkennen kann.

Ich beobachte die faszinierenden Vögel

noch eine Weile. Doch ich musste zurück,

denn mein Boot lag ja noch am Ufer unter

dem Naturschutzgebiet Leidenrain. Bald

danach erreichte ich die Stelle und lud

meine Sachen ein. Noch einmal schaute ich

hinüber zu jener schönen Bucht, wo ich gewesen

war, direkt unter dem Himmelreich.


228 Seite

Der Spessart


Der Spessart bietet dem Wanderer einmalige Erlebnisse. Er ist eines der größten

zusammenhängenden Waldgebiete Europas. Alte, mächtige Eichen und Buchen

können hier noch bewundert werden. Quasi im Vorbeilaufen können Wanderer bis

zu sieben Spechtarten rufen und klopfen hören und mit etwas Geduld sogar beobachten.

Und noch vieles mehr. Über 4000 Tier- und 1.500 Pflanzenarten wurden

bisher im Spessart gezählt. Darunter auch Raritäten wie der Schwarzstorch oder

der Mittelspecht. Sie alle sind in diesem Waldkomplex heimisch.

Seite 229

Außerdem hat die Gegend historische Zeugnisse zu bieten. Die fränkische Kulturlandschaft

zeigt sich durch Burgen, Schlösser und Ruinen, die hoch über den Tälern hinter

den Bäumen hervorragen. Klöster und Kirchen findet man ebenfalls in abgelegenen

Dörfern. Doch bald verschwindet der Weg anschließend wieder im Grün des Waldes.

Wie durch einen Torbogen taucht dann der Wanderer in die alten Eichen- und Buchenwälder

ein. Dazwischen führen die Wege über Wiesen und durch Bachtäler in das

nächste Dorf hinein. Dort erzählen schmucke Fachwerkbauten von ihrer langen

Geschichte.

Diese abwechslungsreiche Landschaft war ein wesentlicher Grund, weshalb sich bereits

früh Wanderfreunde im Spessart zusammenfanden. Heute zählt der Spessartbund, der

auch die Wege unterhält, etwa 17.000 Mitglieder, die in 88 Ortsgruppen organisiert sind.


230 Seite

Das Naturschutzgebiet

Spessartwiesen ist

mit seinen 269 ha von

beachtlicher Größe.

Es zieht sich von

Partenstein über

Krommenthal bis nach

Heigenbrücken hin.


Seite 231

Die Route

Das Wechselspiel zwischen Main und Spessart kann man vom Rad aus besonders gut

erleben. Vielleicht ist deshalb das Radfahren um das Mainviereck bei vielen Spessartern

zur Tradition geworden. Ich möchte daher nun von meiner ersten größeren Radtour

erzählen, die ich als Jugendlicher zusammen mit meinem Vater unternommen hatte.

Zunächst radelten wir von Partenstein durch das

NSG Spessartwiesen bis nach Aschaffenburg. Dann

am Main entlang über Miltenberg weiter bis Wertheim.

Nach einer Übernachtung ging es hinein in den

Spessart bis nach Mespelbrunn. Über die

Höhenstraße am Eselsweg entlang erreichten wir

die „Sieben Wege“ und den Aussichtspunkt am

Pollasch. Anschließend radelten wir über die

Spessartwiesen wieder zurück nach Hause.


232 Seite

Mainviereck und Spessart

August 1984

Radfahren war bereits früh mein Ding, doch leider scheiterten größere Touren, an die man sich als

Jugendlicher gerne herantasten möchte, an einem vernünftigen Bike. Die Räder, auf die ich zu Hause

in der Scheune stieß, würde ich heute als Drahtesel bezeichnen. Doch auch damit konnte man einiges

machen. Mit guten Vorsätzen startete ich mit meinem Vater auf eine außergewönliche Tour.

Aubachtal hinter Partenstein

(Bild aus 2020)


Seite 233

Wir fuhren in Partenstein los, direkt unter dem Schlossberg,

von wo man einen herrlichen Ausblick über unsere Gemeinde,

aber auch über das Lohrtal hat. An schönen Tagen kann

man von dort oben sogar die Windräder auf der Frankenplatte

sehen. Fröhlich strampelten wir mit unseren beladenen

Radtaschen auf der Staatsstraße durch das Aubachtal. Die Bezeichnung

NSG Spessartwiesen gab es damals noch gar nicht,

denn das Naturschutzgebiet wurde erst 2001 ausgewiesen.

Das schöne Tal gefi el mir schon als Kind, denn oft war ich dort

mit meinen Eltern spazieren. Auch später war ich mit meinen

eigenen Kindern an Sonntagvormittagen im Aubachtal unterwegs,

um den naturnahen Bach zu erkunden. Nun radelten wir

das ganze Tal entlang und immer wieder waren von der Straße

aus Einblicke in die Spessartwiesen möglich. Wir hörten den

Aubach rauschen, der durch das Tal mäandert und manchmal

sehr nahe an der Straße vorbeifl ießt.

Wir radelten über Krommenthal nach Neuhütten und Heigenbrücken.

An einen separaten Radweg durch den Spessart

kann ich mich jedoch nicht erinnern. Hinter Krommental knickt

der Aubach in Richtung Wiesthal ab und wir folgten nun

dem Lohrbach. Bis nach Heigenbrücken waren wir auf der

Staatsstraße 2317 unterwegs gewesen, danach ging es weiter

am Lohrbach entlang bis nach Jakobsthal. An einer Quelle

direkt an der Straße legten wir unsere erste kleine Pause ein.

Die Vögel zwitscherten in den Bäumen und wir lauschten dem

Hasselbach, der hier durch das Tal fließt. Die Pause war eine

gute Idee, denn hinter Jakobsthal ging es steil bergauf. An

den Skiliftanlagen vorbeigekommen, erreichten wir fast außer

Atem den Engländer und unsere „Dreigangschaltungen“ hatten

sich das erste Mal bewähren müssen. An diesem bekannten

Ausflugsziel nutzten wir die Bänke und Tische für eine Brotzeit.


234 Seite

Wir folgten anschließend der Höhenstraße in Richtung

Aschaffenburg. Nach etwa zwei Kilometern machte das

Radeln endlich so richtig Spaß, denn von hier aus ging

es bis nach Sailauf steil bergab. Ich fuhr hinter meinem

Vater her und kann mich noch gut daran erinnern, wie sein

Rad plötzlich zu rauchen begann. Es waren die Bremsen,

die heiß liefen. Unten im Ort angekommen stiegen wir ab

und schauten nach. „Alles OK“, meinte mein Vater und

weiter ging es. Ich muss gestehen, dass ich damals das

Ganze ziemlich lustig fand. Noch viele Jahre war dies ein

Gesprächsstoff, wenn die Verwandschaft zusammensaß.

Das alte Rad meines Vaters war sowieso eine Ausnahmeerscheinung.

Das Alter des dunkelroten Vehikels war kaum

einzuschätzen und glänzen tat da sowieso nichts mehr,

doch das war meinem Vater noch nie wichtig gewesen.

„Für die Radtour um den Main tut´s das“, meinte er. Dafür

hatte ich zu Weihnachten von meinem Opa ein tolles Rad

bekommen. Es war dunkelbau und vom feinsten. Sogar mit

einem Tachometer, der bergab nach Seilauf sagenhafte

60 Km/h angezeigt hatte. Es war kein Wunder, dass dabei

Vaters Bremsen zu rauchen begannen. Auch sonst war

es ziemlich heiß hergegangen, wie man an den braunen

Gräsern auf dem Bild links oben gut erkennen kann.

Wir erreichten Aschaffenburg und radelten bis ans Schloss,

das so schön am Mainufer liegt. Von dort aus ging es dann

mainaufwärts.


Seite 235

Doch an den folgenden Streckenabschnitt bis nach Miltenberg

kann ich mich so gut wie nicht mehr erinnern. Ich weiß

noch, dass mein Vater mir in Kleinwallstadt am Bahnhof von

meinem Paten erzählte, der hier einmal gearbeitet hatte,

doch an die anderen Städte wie Elsenfeld oder Erlenbach mit

seiner großen Werft, kann ich mich nicht mehr erinnern.

In Miltenberg war am späten Nachmittag jedenfalls erst mal

die Luft raus. Wir hatten eine ausgiebige Pause nötig, die wir

am Mainufer im Schatten großer Bäume machten. Doch vor

uns lag noch ein Kraftakt, denn es mussten noch 34

Kilometer bis nach Wertheim geradelt werden. Dort hatte

mein Vater eine Übernachtungsmöglichkeit besorgt.


236 Seite

Die Steinbrüche, die am

Mainviereck über Jahrhunderte

genutzt wurden, sind

von der linksmainischen

Seite aus gut sichtbar.

Darüber entfaltet sich der

Spessartwald mit seinen

alten Buchen und Eichen.


Seite 237

Etwa um 18 Uhr erreichten wir Mondfeld. Von hier aus kommt die Henneburg am besten

zur Geltung. Die große Burganlage über Stadtprozelten hat eine lange Geschichte.

So diente sie dem deutschen Orden lange als Machtzentrum, bis dieses später nach

Bad Mergentheim verlegt wurde. Beide Orte spielten beim Aufbau des Kirchenstaates

eine zentrale Rolle. Von hier aus wurden die Fäden für die Besitzansprüche im

Baltikum und dem dort gegründeten Deutschordensstaat gezogen, der am Ende des

14. Jahrhunderts ein Gebiet von rund 200.000 Quadratkilometern umfasste, was beinahe

der Fläche der alten Bundesrepublik entsprach. Anders lässt sich die mächtige

Festung Henneburg, die ihre ganze Größe erst beim Anblick von Mondfeld aus zu

erkennen gibt, nicht erklären.


238 Seite

Erst spät am Abend erreichten wir Wertheim. Auf

unseren Satteltaschen hatten wir unsere Schlafsäcke

befestigt. Erschöpft und müde legten wir uns nach dem

Abendessen in die Betten, denn am nächsten Tag war

erneut eine anstrengende Etappe geplant. Wir wollten

ein zweites mal den Spessart durchqueren und das

schöne Wasserschloss Mespelbrunn besuchen.

Wir radelten daher recht früh los, denn die Hitzestunden

vom letzten Nachmittag waren uns noch gut im Gedächtnis.

Umso mehr freuten wir uns, als wir in Hasloch

die Eisenhammerstraße nordwärts fuhren. Nach Schollbrunn

ging es noch mal übel bergauf, denn die Gemeinde

liegt auf 412 Meter über dem Meeresspiegel und

wir kamen ja vom Main heraufgefahren. Ich kann mich

an diese Teilstrecke noch erinnern, denn mir tat nicht

nur mein Hintern weh, sondern auch die Oberschenkel.

Über die langgezogene Hochstraße erreichten wir den

Autobahnrasthof Spessart. Dabei genossen wir die

angenehmen Temperaturen des kühlenden Waldes,

denn die Hochstraße verläuft auf ihrer ganzen Strecke

bis zum Echterspfahl unter hohen Bäumen.

Nach Rohrbrunn führte uns die Staatsstraße 2312 zum

Echterspfahl, der direkt auf der Grenze von Rohrbrunn

und Mespelbrunn liegt.

Der Name „Echterspfahl“, den auch die gleichnahmige

Gaststätte trägt, geht auf eine Sage zurück. Ein Pfahl

soll demnach ein Treff- bzw. Trennungspunkt der drei

Ritterbrüder aus der Familie der Echter gewesen sein.

Sie kamen aus dem nicht weit entfernten Odenwald

aus dem Schloss zu Weckbach. Truppen des Kaisers

Barbarossa verfolgten die drei Brüder, doch diese

zogen sich in den Spessart zurück und siedelten sich

nach ihrer Trennung am besagten „Echterspfahl“ an

drei verschiedenen Orten an. Von Zeit zu Zeit trafen sie

sich an diesem bescheidenen Ort zu Besprechungen

und banden ihre Pferde an einem Pfahl fest, der mit

drei Metallringen versehen war. Die drei Ringe sollen

auch der Ursprung für das Wappen der Familie Echter

gewesen sein, das diese in einem blauen Schild mit

einem weißen, schrägen Balken zeigt.

Wieviel Wahrheit in der Geschichte verborgen ist, darüber

lässt sich streiten. Zumindest sind die drei blauen

„Echter-Ringe“ heute im Wappen des Landkreises

Aschaffenburg und im Wappen von Mespelbrunn zu

fi nden. Auch Gräfendorf im Nordosten des Spessarts

und Thüngersheim im Landkreis Würzburg hat sie im

Wappen. Später wurde ein Julius Echter sogar Fürstbischof

in Würzburg.

Wir fuhren nach einer kurzen Rast am Pfahl weiter über

Hessenthal hinab nach Mespelbrunn zum wohl bekanntesten

Schloss im Spessart.


Seite 239

Am Schloss angekommen waren es zum Brunnen, der

sich im Schlosspark befi ndet, nur noch ein paar Schritte.

Ich fühlte mich nun wie in einem Märchen. Unsagbar

schön arrangieren sich die Gebäude in der Talsenke,

umgeben von hohen Spessartbäumen mitten in einem

See. Hinter dem Schloss führt ein Wanderweg in den

Ingelheimer Grund.

Wir gingen danach ein Stück in dieses Tal hinein, um

uns ein wenig die Beine zu vertreten. Dabei trafen

wir auf eine Lichtung, die in der Karte mit „Kühtrieb“

bezeichnet war und hatten von dort aus einen ebenso

schönen Bilck auf die Rückseite des Schlosses. Wieder

zurück bei den Rädern verließen wir Mespelbrunn, ein

auch heute noch beliebtes Ausfl ugsziel.

Das in die Jahre gekommene

Bildmaterial von 1984 habe

ich auf der folgenden Doppelseite

durch neue Bilder

ergänzt.


240 Seite


Seite 241

Nun hieß es wieder in die Pedale treten. Wir strampelten die Straße

hoch zurück zur Autobahn und fuhren über die Sieben Wege, am

Pollasch-Denkmal des Spessartbundes vorbei, hinunter nach

Heigenbrücken. Von dort führte uns die letzte Etappe unserer Tour

erneut durch die Spessartwiesen zurück nach Hause.


242 Seite


Seite 243

Die Route

Die schöne Wandertour führt uns auf den Spuren des Wilderers Johann Adam

Hasenstab mitten durch den Hochspessart. Die abwechslungsreiche Strecke

mit vielen Auf- und Abstiegen ist landschaftlich sehr reizvoll. 2016 wurde das Gebiet

mit der Auszeichnung „Qualitätsregion Wanderbares Deutschland“ zertifiziert.

Gleichzeitig ist der Weg eine Reise durch die

Spessartgeschichte. Auf Hinweistafeln lassen sich

immer wieder interessante Details aus vergangenen

Zeiten entdecken. Man kommt durch Rothenbuch,

wo Hasenstab 1716 geboren wurde, erwandert die

Lichtenau, Bischbrunn, Schollbrunn, Wildensee,

Dammbach, aber auch den im Spessart bekannten

Echterspfahl. Man spricht daher auch gerne vom Räuberland. Die Wanderung fand

zur einen Hälfte im Oktober und zur anderen Hälfte im Winter statt. So wurde ich mit

den Schönheiten dieses alten Waldes, aber auch mit den Schäden durch die Holzernte

konfrontiert.


244 Seite

Auf dem Hasenstabsweg

Oktober 2020

Nach mehreren Planänderungen, die krankheitsbedingt oder aufgrund des Wetters nötig waren,

konnten wir endlich am 10. Oktober unsere lang geplante Wanderung beginnen. Steffi war schon

Stunden vorher ziemlich aufgeregt und sorgte vorab für gute Stimmung in der Whats App-Gruppe.

„Also gut, wir fahren 30 Minuten früher los“, das war

das Ergebnis der umfangreichen Korrespondenz am

Vorabend. Der Beschluss, der alle am Ende zufrieden

stellte, denn die Sonne blinzelte am Parkplatz in Weibersbrunn

bald durch die Wolkenschichten. Nachdem

wir ein Auto nach Schollbrunn gebracht hatten, starteten

wir gemütlich in den Tag hinein, querten die A3

und waren bald auf dem markanten Höhenzug, der den

Spessart von Nord nach Süd auf einer oft gleichbleibenden

Höhe mit alten Fernwegen, wie zum Beispiel dem

Eselsweg verbindet. Gelegentlich verläuft auch unser

Hasenstabsweg auf gleicher Strecke durch den Wald,

zumindest bis zum Echterspfahl, unserer ersten Rast.

Leider war das „Wirtshaus im Spessart“, wie es so

schön heißt, geschlossen. Daher vesperten wir bestens

gelaunt und von der herbstlichen Sonne gewärmt vor

dem Gebäude.


Seite 245

Mehrere Garnituren standen zusammengelehnt vor Ort, um benutzt zu werden.

Diese Gelegenheit wurde sogleich am Schopf gepackt. Anschließend ging es weiter,

am Echterspfahl mit seinen drei eisernen Ringen vorbei hinab in den Essiggrund. Der

bereits beschriebene Pfahl mit den drei Ringen war dann Anlass, alte Geschichten

aufzuwärmen, etwa die mit unserem leider bereits verstorbenen Kumpel Frank. An

etwas schöneres als an unsere Wintertour 1998 auf dem Eselsweg kann ich mich

kaum erinnern. Ich werde in einem späteren Band mal davon erzählen.

Nun schien aber die Sonne schräg durch den Hochwald und die bereits zunehmenden

gelben Blätter leuchteten uns entgegen. Mit dabei waren neben Steffi und Kai

auch Christina und Udo. Mit Kerstin und Max, dem Hund, waren wir sieben.


246 Seite

Herbstliche Stimmung im

Hochspessart


Seite 247

Bei herrlichstem Wetter wanderten

wir fröhlich unserem

nächsten Ziel entgegen.

Jetzt tauchten wir in einen

Waldabschnitt ein, wie ich ihn

bisher nur im Spessart gesehen

habe. Neben mächtigen

Buchen fanden wir viel Totholz

vor. Gerne werden diese verrottenden

Gehölze von Pilzen

angenommen, die für eine

weitere Zersetzung sorgen.

Hier hat die Artenvielfalt noch

einen guten Stand.


248 Seite

Bald ging es bergab. Der Weg

war von Moos überzogen und

federte jeden unserer Schritte

ab. So macht das

Wandern

wirklich Spaß.


Seite 249

Abgebrochene Buchen

werden nach einer gewissen

Zeit von Baumschwämmen

besiedelt. Solche

Raritäten,

die in naturnahen

Wäldern

noch vorkommen, fielen

uns sofort ins

Auge und wir

fühlten uns als wären wir im

Märchenwald.


250 Seite

Ohne große Mühe erreichten wir

die in einem Taleinschnitt herrlich

gelegene Essiggrundhütte.

Hier trennte sich der Eselsweg

von unserer grünen Markierung

mit dem weißen Räuber.


Seite 251

Wir bewunderten die schöne Jagdhütte und den Holztrog vor der Veranda. Nach

einer kleinen Trinkpause spielten wir mit Max, der vor unseren Füßen lag und sich mit

seinem Stöckchen beschäftigte.


252 Seite

Langatmig zog sich der Weg

anschließend durch den

Essiggrund in Richtung Süden

bis nach Krausenbach hinab.


Seite 253

Parasolpilze standen auf einer

Apfelbaumwiese, die sich

mitten im Wald befand. Dabei

wurden sie von der Sonne angestrahlt,

was die Strukturen

an Stiel und Hut sehr schön

zur Geltung brachte.


254 Seite

In der Ferschenmühle hatten wir uns dann nach etwa elf Kilometern eine längere Rast

verdient. Es gab leckeren Apfelstrudel zum Kaffee und wir genossen es, beisammen

zu sitzen. Doch die Sonnenstrahlen lockten uns bald wieder auf den Weg zurück. Noch

einmal galt es einen Bergrücken zu erklimmen und es ging wieder bergauf. Der Weg

zum Waldhotel Heppe schlängelte sich durch die immer noch saftig grünen Wiesen

nach oben und ermöglichte weite Ausblicke über den südwestlichen Spessart. Leider

hatte die Sonne ihre tägliche Reise fast hinter sich gebracht und nach einigen Minuten

war sie hinter dem Horizont verschwunden. Wir tauchten wieder in die grünen Lungen

des Waldes ein und liefen nun wieder unter dem Blätterdach der Eichen und Buchen,

die bald den letzten Rest des Tageslichtes verschlungen hatten. Auf dem letzten knappen

Kilometer der Tagesetappe wartete nun ein herrlich weicher Waldboden auf uns.

Wie eine Schlange zog sich der Weg nun durch die Baumstämme hindurch. Uns zauberte

dies ein zufriedenes Lächeln in die Gesichter. Bald lichtete sich das Blätterdach

vor uns und die Fassaden des Waldhotels Heppe wurden erkennbar. Noch wenige

Meter, dann hatten wir das Ziel erreicht. Der erste Blick galt natürlich der Speisekarte

gleich neben der Tür. „Hirschbraten mit Klößen“, perfekt, sagte ich zu den anderen.

Dann warf ich noch einen letzten Blick über die Schulter zurück in den dunklen Wald.

Tolle Aussichten und

glückli-

auf

dem

che Spessarthühner

Weg zum Waldhotel Heppe.


Seite 255

Nach einem tollen Hirschbraten mit Kloß und Soß

schlief ich wie ein Murmeltier. Auch das Frühstück am

nächsten Morgen ließ keine Wünsche offen. Zu sechst

saßen wir am reichlich gedecktem Tisch und genossen

das Beisammensein. Doch bald waren wir in Laufstimmung

und freuten uns auf unseren zweiten Tag auf dem

Hasenstabsweg.

Gleich zu Beginn war erst einmal eine schweißtreibende

Steigung zu bewältigen. Quasi als Schmankerl drang

die Sonne bereits wieder durch das Geäst und wir

waren uns alle einig, dass der Spessartwald sich nicht

schöner zeigen kann.


256 Seite

Mit dem Sonnenaufgang liefen

wir immer tiefer in den Spessart

hinein. Schöner kann Wandern

nicht sein.


Seite 257

Auf der Höhe angekommen führte der Weg durch herrliche Buchen und Eichen bis

hinüber zum Hundsrücker Hof. Die schräg stehende Sonne blinzelte dabei immer

wieder durch das Blätterdach und sorgte so für eine unbeschreibliche Stimmung im

Wald.


258 Seite

Der Hasenstabsweg verläuft in

seinem südwestlichen Teil oft auf

naturnahen Pfaden. Dies macht

ihn so einzigartig.


Seite 259

Am Hundsrücker Hof angekommen, wurden alte Erinnerungen

wieder wach, denn vor vielen Jahren hatten wir

hinter dem Haus auf der Wiese gezeltet. Aufgrund der

eisigen Temperaturen hatten wir am Abend tief in den

Bämbel hineingeschaut. Udo und Kerstin waren damals

auch mit dabei gewesen und konnten sich noch gut an

das Apfelweingelage erinnern. Daher erzählten wir beim

Weiterlaufen den anderen unsere lustigen Geschichten

von damals. Wie im Flug verging dabei die Zeit.

Ein letztes Mal ging es noch einmal bergauf, was unseren

Puls erneut in die Höhe trieb. Oben angekommen

setzten Udo und ich die Rucksäcke ab und warteten,

bis alle wieder beisammen waren. Eine traumhafte

Wanderung war das, darüber waren wir uns alle einig

und das lag nicht nur am Wetter, sondern auch an der

Gruppe.


260 Seite

Bleibende Eindrücke auf

dem Hasenstabsweg


Seite 261

Der letzte Abschnitt begann bald mit einem Schotterweg, der uns hinunter in das

Kropfbachtal führte. Dort befi ndet sich der Ort, wo einst der Namensgeber unserer

Wandertour erschossen wurde.


262 Seite

Das Hasenstabskreuz

erinnert noch heute an den

Wilderer und seine spannende

Geschichte. Lange wurde

er verfolgt. Sein Weg endete

hier im Kropfbachtal.


Seite 263

Am Ende ging es ganz schnell. Durch eine Silberkugel des Revierjägers Johann Sator

starb Hasenstab am 3. Juni 1773, nachdem er durch ein Gerücht vom weißen Hirschen

im Kropfbachtal dorthin gelockt worden war. Sein ganzes Leben lang hastete

er zwischen den unterschiedlichen Hoheitsgebieten hin und her und entkam so immer

wieder der Obrigkeit. Doch warum war er beim einfachen Volk so beliebt, dass sie

an seiner Todesstätte immer wieder ein Kreuz aufstellten, obwohl es die Behörden

drei mal abreißen ließen? Der Grund: Er kämpfte gegen die Ungerechtigkeit, die den

Menschen im Spessart wiederfuhr. Denn für den Mainzer Kurfürst war der Wald nicht

nur eine Einnahmequelle beim Holzeinschlag, die Fürsten benutzten zur Repräsentation

vor allem die Jagd und ein jeder wollte den anderen mit glanzvollen Jagdfesten

übertreffen. Dabei waren die geistlichen Herren nicht besser als die weltlichen. Daher

galt es, einen besonders hohen Wildstand aufzubauen, was erst mit der Ausrottung

des Wolfes möglich wurde. „Doch was den Fürsten Glanz bescherte, ließ das Volk

leiden“, denn gleichzeitig hieß hoher Wildstand für den Adel auch hoher Wildschaden

auf den Äckern. Das war damals nicht anders als heute, denn das Rotwild und

die Schwarzwildrotten fraßen den Bauern das Getreide und die Kartoffeln weg, was

gerade im bettelarmen Spessart ein großes Problem darstellte. Hasenstab, der schon

in jungen Jahren, als er noch als Jagdgehilfe angestellt war, heimlich Schlingen legte,

war daher bei den einfachen Leuten sehr beliebt, denn er regulierte zusammen mit

seinen Gehilfen die Bestände. Bis nach Frankfurt soll er das Wildbrett verkauft haben,

doch verschenkte er auch einen Teil an seine Helfer vor Ort im Spessart und wurde

dadurch zu einer Art Robin Hood in unserem Wald. 1750 wurde er zu Zwangsarbeit

verurteilt, doch 1757 tauchte er wieder im Spessart auf. Da er auch aus dem

Gefängnis entkam, schrieb ihm das Volk sogar übernatürliche Kräfte zu, denn er

könne sich unsichtbar machen. 1770 wurde er verurteilt und nach Australien verbannt,

doch bereits 1772 hieß es im Spessart: „Der Hasenstab ist wieder da“. Während das

Volk jubelte, handelte die Obrigkeit und stellte ihm eine Falle im Kropfbachtal, um

ihn endgültig los zu werden. Das ganze wurde als „Notwehr“ ausgelegt, doch in den

Geschichten des Spessarts lebt Hasenstab bis heute weiter. Mit diesen Gedanken

im Kopf und auf den Lippen liefen wir die letzten Meter hinauf zum Schollbrunner

Wanderparkplatz und beendeten dort unsere schöne Herbstwanderung.


264 Seite

Licht und Schatten - Hasenstabsweg Teil 2

Winter 2021/22

Ich startete ein gutes Jahr später um 9 Uhr in Schollbrunn

bei strahlendem Sonnenschein und minus ein Grad, um

die Hasenstabswanderung fertig zu laufen. Jetzt im Winter

war es zwar kaum grün, doch um so einsamer war es

im Wald. Aber einen Haken hat die kalte Jahreszeit. Man

muss die industrialisierte Holzernte in unserem schönen

Spessart ertragen, denn dann wird das Holz tonnenweise

aus dem Wald geholt und abtransportiert, mit den entsprechenden

Schäden, die ich auf der Tour noch sehen

würde. Es ist ein regelrechter Holzfraß, der da stattfindet.

Doch zunächst lief ich ins Haseltal hinunter. Auf dem

Schild las ich, dass die Strecke 10,5 Kilometer bis nach

Bischbrunn misst und dann noch zwei Kilometer bis zum

Torhaus Aurora dazu kamen. Für die knapp 13 Kilometer

hatte ich drei Stunden eingeplant. Ich folgte nun ein

weiteres Mal dem Hasenstab auf grünem Grund, der mir

gut beschildert immer wieder entgegenlachte.

Die Sonne schien schräg in das Haseltal hinein und die

hohen Buchen warfen lange Schatten auf den vor mir

liegenden Weg.

Durch die morgendliche Stille drang plötzlich das

schrille Rufen eines Schwarzspechtes und seine Töne

hallten laut durch das Tal. Nach drei Kilometern war ich

unten am Haselbach angelangt. Rechts unten musste

die Peter-Albert Hütte liegen, doch mein Weg führte in

die andere Richtung direkt auf das Pfandtor zu.

Durch die ungewöhnliche Stille drang jeder Schritt auf

der Schotterstraße in meine Ohren, doch ich genoss

es, auch einmal alleine zu laufen, denn so achtet man

viel besser auf die Natur. Keine Teerstraße und keine

Stromleitung durchzieht das schöne Haselbachtal, nur

der Bach rauscht sanft vor sich hin. Ab und an kann

man zwar eine Meise hören, doch ansonsten herrscht

Stille.


Seite 265

Im Winter suche ich daher nach unscheinbaren Dingen

im Wald und die fi ndet man beim Blick auf den Waldboden.

Dort entdeckte ich winzige Flechten und Moose,

die das letzte Grün hartnäckig im Wald verteidigen.

Rührend recken sich diese kleinen Lebewesen nach

der Sonne.


266 Seite

Nach einer guten Stunde

sah ich zum ersten Mal

die Autobahnbrücke über

dem Tal. Anschließend

folgte ich einem Naturweg,

doch zu schnell

endete dieser auf einer

Schotterstraße. Tief zerschneiden

sie den Wald

mit seinen alten Eichen

immer wieder.


Seite 267

Doch es gibt auch Lichtblicke wie dieser schöne Waldteich,

der sich hinter einer Quelle füllt. Von dort aus

ging es bergauf und der Weg führte mich nun direkt auf

die riesige Autobahnbrücke zu, die das Haselbachtal

überquert.

Als ich unter der gigantischen Brücke stand, war ich

überrascht, denn die mächtigen Pfeiler über mir schienen

mich zu erdrücken. Vor allem aber zerschneiden

sie das schöne Tal. Bis hierher würde ich dasTal als

eines der schönsten im Spessart beschreiben, wenn

nicht die Autobahn wäre. Hinter der Brücke knickt das

Tal nach links, ich folgte aber der Markierung nach

rechts. Dabei begleitete mich der Lärm der Fahrzeuge

bis ich wieder auf dem Höhenrücken angekommen war.


268 Seite

Nach einem Ausblick über den Hochspessart, den die

A3 in der Mitte zerschneidet, beeilte ich mich um dem

Lärm der Autobahn schnellstens zu entfl iehen.

Bald traf ich auf ein Hinweisschild mit Informationen

über das ehemalige königliche Jagdrevier im Spessart.

Bereits König Ludwig I. kam hierher zur Jagd. Doch vor

allem Prinzregent Luitpold nutzte zwischen 1886 und

1912 den hiesigen Wildpark, ebenso sein Sohn König

Ludwig III., wie zahlreiche fotografi sche Aufnahmen

auf dem Schild dokumentieren. Vom Jagdschloss

Luitpoldshöhe ging es über den „Kurfürstenplan“ zum

Königsrondell. Dort wurden den Hoheiten von den Jägern

die Wildschweine zugetrieben. Teile des einstigen

Wildparkzauns, der den Park umgab, sind heute noch

im Wald sichtbar und entlang des Hasenstabswegs gut

zu sehen.


Seite 269

Der ehemalige Wildparkzaun, der mit Eichenplanken

abgegrenzt war, sorgte dafür, dass das Wild im Wald

blieb. Der bereits 1680 angelegte 1.000 ha große Park

wurde 1730 auf 11.000 ha erweitert. Dazu wurden

Forstabteilungen von Bischbrunn, Rohrbrunn, Altenbuch

und Krausenbach eingegliedert.


270 Seite

Im Winter herrscht in

der heutigen Zeit am

„Kurfürstenplan“ im ehemaligen

Wildpark rege

Holzabfuhr.


Seite 271

Heute ist es oft nicht anders als zu Hasenstabs Zeiten. Es sind die

Interessensgruppen der Obrigkeit, die den Ton angeben.

So wird unser Wald auch heute noch über seine Verhältnisse hinaus

genutzt, wobei gleichzeitig die Schäden schöngeredet werden.

Wenn nötig wird auch noch Stimmung gemacht und das oft mit

zurechtgebogenen Argumenten. Dabei sind große Teile des Hochspessarts

als Natura 2000-Gebiete ausgewiesen und obliegen

einer schonenden Nutzung. Wie passt das zusammen?

Die bayerischen Könige, die in ihrem 11.000 ha großen Wildpark

gerne jagten und dafür dort entsprechend die forstliche Nutzung

reduzierten, würden sich im Grabe herumdrehen, wenn sie diese

Bilder sehen könnten.


272

Nachdem

Seite

Greenpeace 2011 auftauchte, wurde diese Gruppe engagierter Naturfreunde nicht

gerade Willkommen geheißen, teilweise sogar beschimpft. Dabei setzte sie sich für den Schutz

UNSERES Waldes ein. Für ihren Erhalt kämpfte sie. Doch Lobbyisten der industriellen Holznutzung

versuchten den Einheimischen einzureden, ihre Holzrechte wären in Gefahr. Dabei ging es

um diese gar nicht, denn geschützt werden soll ja Staatswald. Aber politisch konservative Kräfte

mit überholtem Gedankengut aus dem letzten Jahrtausend, das den Klimawandel mit all seinen

Konsequenzen immer noch nicht akzeptieren will, sorgten dafür, dass das Nationalparkthema

wieder in den Schubladen verschwand. Dabei wäre dieser eine große Chance gewesen, denn

bayernweit gibt es kein hochwertigeres Laubmischwaldgebiet mit einer ähnlich unzerschnittenen

Gebietsgröße. Das sieht man auch an der großen Anzahl der Klasse 1 Waldanteile, die

man gerne einschlagen möchte. Ironischerweise sind sie im gleichen Waldgebiet zu finden, in

dem schon Hasenstab sein Unwesen trieb. Es bleibt daher die Frage: Wem gehört der Wald

eigentlich? Sollen wir ihn der intensiven Holzindustrie überlassen oder sehen wir ihn als unsere

Lebensgrundlage an, für deren Schutz wir kämpfen müssen?

Forciert wurde die intensive Waldbewirtschaftung durch die Privatisierung des bayerischen

Staatswaldes als Folge der bayerischen Forstreform 2004. Trotz der heftigen Proteste aus

der Öffentlichkeit, getragen durch Natur- und Umweltschutzverbände in einem Aktionsbündnis

mit dem Volksbegehren „Aus Liebe zum Wald“, konnte das Vorhaben der CSU-Regierung im

Bayerischen Landtags nicht aufgehalten werden. Stattdessen wurde im März 2004 ein Konzept

zur Forstverwaltungsreform beschlossen, das folgende Änderungen mit sich brachte:

Alle 128 bayerischen Forstämter wurden aufgelöst und in die Landwirtschaftsämter eingegliedert.

Zusammen mit der Aufl ösung der vier Forstdirektionen und der Verschlankung des

Forstministeriums wurden so rund 1.000 der etwa 5.000 Forstbeschäftigten eingespart. Die

Aufgaben der Forstämter, also Vollzug der Rechtsvorschriften, die den Wald betreffen, wurden

in die heutigen Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) eingegliedert. Diesen

übertrug man auch die ehemals bei Landratsämtern angesiedelten Aufgaben wie z. B. Erteilung

von Erstaufforstungs- oder Rodungserlaubnissen. Die privatwirschaftlich orientierten Bayerischen

Staatsforsten übernahmen die Bewirtschaftung des Staatswaldes und kompensierten

das abgebaute Personal von etwa 20% durch den Einsatz von immer mehr und vor allem

durch immer größer werdenden Maschineneinheiten. Die mittlerweile massiven Waldschäden

liegen wie ein offenes Buch vor uns. So hat sich der Holzeinschlag in Deutschland von knapp

53 Millionen Kubikmetern in 2016 auf 80 Millionen Kubikmeter in 2020 erhöht. Das ist eine

Steigerung von zusätzlichen 70%. (Quelle: Statistisches Bundesamt). Logischerweise geht

das zu Lasten der Böden, wie auf dem Bild sehr klar zu sehen ist. Da gibt es nichts schön zu

reden, denn gerade der Maschineneinsatz muss sich hierfür stark erhöht haben, zumal man

davor 20% Mitarbeiter abgebaut hatte. Es ist ein Unding, dabei auch noch von nachhaltiger

Forstwirtschaft zu sprechen. Diese Entwicklung hat unser Spessart nicht verdient, denn was

es dort an seltenen Arten zu erhalten gilt, habe ich in meinem Buch „Naturwunder Spessart“

festgehalten. Es ist der Schatz vor unserer Haustür.


Seite 273


274 Seite

„Der Klimawandel kommt nicht, er ist schon da“. So

kann man es auf einem Schild der Bayerischen Staatsforsten

lesen. Man müsse den Wald zukunftsfähig

gestalten. Doch ich folgte gleich hinter dem Schild

einer schnurgeraden Waldautobahn direkt hinter

Bischbrunn, auf der ich während der nächsten zwei

Kilometer an einer Fichtenschonung vorbeihastete.

Dies zeigte, dass das Wunschdenken auf dem Schild in

der Waldbaurealität noch lange nicht angekommen ist.

Anschließend erreichte ich das Torhaus Aurora. Auf den letzten Metern zum Wanderparkplatz

musste ich auf den Verkehr aufpassen, denn er verläuft kurz am Rande der

Teerstraße.

Eine Woche später war ich wieder am Torhaus Aurora, um den Hasenstabsweg fortzusetzen.

Von hier aus geht es hinab zur Sylvanhütte. Nach wenigen hundert Metern verlies

ich die Schotterstraße und war nun endlich wieder auf einem herrlichen Waldweg.

Auf den Füßen der Bäume ging es hinab in den Weihersgrund. Der urige Weg wird von

Wurzeln unterzogen, die über die ganze Breite des Waldweges ragen und leider hat

man nur selten einen so schönen Pfad unter den Sohlen. Das einzige Manko stellt die

Steilheit des ersten Stückes dar, zumindest wenn man den Weg bergauf gehen muss.


Seite 275

Ich folgte dem Weg zum Glück bergab und war bald im Weihersgrund angekommen.

Dort sah ich die schöne Sylvanhütte, die idyllisch auf der anderen Seite des Tales

liegt.

Das ehemalige Forsthaus wird von der Sektion Main-Spessart des Deutschen Alpenvereins

bewirtschaftet und ist ein beliebtes Ausflugsziel. Schon oft waren wir dort mit

Freunden gewesen, denn herrliche Köstlichkeiten inmitten einer traumhaften Lage

machen den Sylvan zu einem beliebten Ausflugsziel.


276 Seite

Nach dem Sylvan ging es dann wieder bergan zur Bauhöhe, die

auf einem Höhenzug liegt. Der Hasenstabsweg führt anschließend

auf das 121 ha große Naturwaldreservat „Hoher Knuck“ zu und

verläuft anschließend direkt an der Grenze des Reservates.

Dadurch hatte ich Einblicke in eines der schönsten nutzungsfreien

Schutzgebiete, das mitten im Hochspessart liegt. Hier

kann die Natur sich wieder entfalten und nach ihren eigenen

Gesetzen leben, solange holzwirtschaftliche Eingriffe entfallen.

Dabei werden die Widerstandskräfte des Waldes vor allem durch

Nutzungsverzicht gestärkt, was ihn anschließend weniger anfällig

gegen die Folgen des Klimawandels macht. Dies ist erwiesen und

wird in Fachkreisen als Resilenz bezeichnet. Gleichzeitig wäre

das wirklich nachhaltig, denn er bliebe uns erhalten. Wichtig wäre

es daher, wenn Nutzungsverzicht auf allen Natura 2000-Flächen

im Spessart umgesetzt werden würde. Doch die Einsicht für die

Dringlichkeit, dies für nachkommende Generationen zu tun, lässt

leider immer noch auf sich warten, obwohl der Klimawandel bedrohlich

und für jeden bereits sichtbar voranschreitet.

Bald ging es wieder bergab und ein Stück am Hang entlang zum

Gasthaus „Hoher Knuck“. Ich befand mich nun im Hafenlohrtal,

das als eines der schönsten Spessarttäler gilt. Von hier ist es nur

noch einen Katzensprung hinüber zur Lichtenau.


Seite 277

An einem herrlichen Wintertag startete ich eine Woche

später bei neun Grad Minus in der Lichtenau, um den

Hasenstabsweg weiter zu laufen. Zunächst musste ich

etwa 200 Meter steil hinaufsteigen, um anschließend

hoch über dem Hafenlohrtal im Wald am Hang entlang

nach Rothenbuch zu laufen.

Für ein paar Stunden war ich wieder in meinem

Element und ich lief befreit und gut gelaunt in Richtung

Westen dahin. Die Sonne stand noch schräg über dem

Hohen Knuck, einem von hier aus beeindruckenden

Spessartberg, den ich schon oft überquert habe. Dabei

trafen mich ihre Strahlen seitlich im Gesicht und die

zarte Wärme tat gut.


278 Seite

Unten im Hafenlohrtal, in das ich von hier oben

aus gut einblicken konnte, hielt sich hartnäckig der

Raureif an den schattigen Nordhängen. Ich freute

mich trotz der mäßigen Kälte auf diesen schönen

Winterwandertag, auch wenn diesmal kein Schnee

lag.

Bereits nach 15 Minuten und einem guten Kilometer

Wegstrecke war ich am Bomigsee angekommen.

Das Gewässer liegt eingebettet in einem

Taleinschnitt und wird vom Mäusbach gespeist.

Sehr ruhig wirkte er auf mich, während ich ein paar

Fotografien machte.


Seite 279

Anschließend folgte ich weiter dem Hasenstabsweg

gemächlich bergan. Während mir die schräg stehende

Sonne in den Rücken scheinte, zeigten mir die langen

Baumschatten den Weg nach oben.

Harsche Geräusche, ähnlich wie Chipsknappern,

erzeugten meine Fußtritte durch die gefrorenen

Blätter unter meinen Schuhen, während ich durch die

Säulenhallen der Spessartbuchen lief und schnell an

Höhe gewann. Der Weg windet sich hier über eine

lange Schleife traumhaft schön nach oben und dem

Waldrand an der Heidlücke entgegen.

Bald unterquerte ich eine umgeknickte abgestorbene

Eiche, die sich im Geäst einer Buche verfangen hatte

und blieb kurz stehen, um ein paar lange Atemzüge

zu nehmen und die vor mir emporstrebenden Riesen

zu fotografieren.


280 Seite

Hinter der Waldabteilung

Heidlücke beginnt die Rothenbucher

Gemarkung. Dabei

tritt man aus dem Wald und

schaut weit über raureifgeschmückte

Wiesen.


Seite 281

Hoch über Rothenbuch lädt eine ideal platzierte Sitzgruppe zur Rast ein. Ich nutzte den schönen

Platz, um die raureifüberzogenen Bergkuppen in der Ferne zu bewundern. Meine Isomatte, die ich

im Winter immer in der Seitentasche habe, erweiste mir nun gute Dienste. Aufgrund der herrlichen

Fernsicht an diesem Tag konnte ich mich gar nicht satt sehen. Trotz der ausgesetzen Lage war es

windstill und ich genoss die Sonnenstrahlen in meinem Gesicht.

Auf der letzten Wegstrecke hinunter nach Rothenbuch musste ich erneut an Johann Adam Hasenstab

denken, als ich an einer Wegmarkierung unter den Bäumen hinüber auf die weitläufi ge Wiesenlandschaft

blickte. Dabei wurde mir bewusst, wie hart der Alltag für die Menschen damals im Winter

gewesen sein musste.


282 Seite


Seite 283

Während ich Rothenbuch entgegen lief, stand die Sonne bereits tief im Südwesten. Hinter der

Mariengrotte führt ein eingewachsener Weg wie durch einen Tunnel in das Dorf hinab. Nachdem

ich Rothenbuch über den Ölberg erreicht hatte, war es nur noch ein Katzensprung hinunter

zum Schloss. Bei meiner Ankunft am Schloss war das Wetter immer noch unbeschreiblich

schön. Ich saß noch einen Augenblick vor dem Gebäude und betrachtete die Fassaden, denn

in der Sonne kamen die Sandsteinfensterrahmen, die zusammen mit den grünen Fensterläden

einen guten Kontrast zur weißen Schlossfassade bildeten, gut zur Geltung.

Bereits 1342 begann man an der Quelle der Hafenlohr mit dem Bau des Schlosses. Im

Bauernkrieg 1525 wurde es jedoch stark beschädigt aber 1566 auf Weisung des Mainzer

Kurfürsten Daniel Brendel von Homburg wieder aufgebaut und erweitert.

Mit dem Schloss erlangte auch der Ort Rothenbuch Bedeutung und zusätzlich durch die Entstehung

der Amtskellerei auch regional als Finanz- und Verwaltungsbehörde für 14 Orte des

Hochspessarts. Zur Zeit Hasenstabs war Rothenbuch somit nicht unbekannt und während ich

mich auf mein Klapprad schwang um zur Lichtenau zurück zu radeln, warf mir der steinerne

Johann aus seiner Hockstellung vor dem Schloss noch einmal einen prüfenden Blick zu.


284 Seite

Eine Woche später war ich wieder in Rothenbuch

und startete um 9.30 Uhr bei vier Grad plus zu meiner

letzten Etappe. Zu meinem Glück war es von oben her

trocken, doch die feuchte Kälte kroch unter meine dünne

Fleecejacke, als ich zügig den Hang hochlief und dabei

Rothenbuch in östlicher Richtung verließ. Kurz vor dem

Wald schaute ich noch einmal auf Rothenbuch zurück und

tauchte dann wieder in die Buchenheine unter.

Über den 426 Meter hohen Hochschnabel führte mich das

Räuberzeichen auf grünem Grund in gut 20 Minuten hinunter

zum Breitsee. Er wurde bereits im Mittelalter angelegt,

um die Hölzer bis zum Abtransport der hochwertigen

Spessartbuchen und Eichen besser lagern zu können.

Aus dem gleichen Grund wurde auch der Bomigsee und

der Eichensee, die sich ebenfalls an den Zuflüssen der

Hafenlohr befinden, angelegt. Den Bomigsee kannte ich

schon von letzter Woche, doch der Bomigsee auf der

anderen Seite des Hafenlohrtales wirkte aufgrund des

besseren Wetters wesentlich schöner. Über die Hafenlohr

wurden die Stämme dann an den Main gebracht und im

gleichnamigen Ort verladen, wie ich einer Hinweistafel des

Archäologischen Spessartprojektes entnehmen konnte.


Seite 285

Anschließend wanderte ich auf dem „Königsweg“ weiter

nach Weibersbrunn. Unmittelbar hinter dem Breitsee dominieren

junge Bäume und daher kam nun etwas mehr Licht

in den düsteren Wald, denn der tief in den Spessarttälern

hängende Nebel, der sich bis zum Ende meiner Wegstrecke

nicht mehr auflösen wollte, sorgte für ein nasskaltes

und ungemütliches Empfinden. Doch zum Glück hatte ich

das letzte Stück Schotterstraße gleich geschafft.

Etwa 500 Meter hinter dem See folgte ich der Wegmarkierung

nach links den Berg hoch. „Genauso hatte ich mir

den Hasenstabsweg vorgestellt“, dachte ich mir, denn nun

befand ich mich auf einem perfekten, etwa drei Meter breiten

Wanderpfad, der mich bis hinauf auf die Weißensteiner

Höhe und weiter zum Wanderparkplatz direkt an der A3

führte. Es tat richtig gut, keinen Schotter mehr unter den

Füßen zu haben und durch die paar Höhenmeter, die ich

nun zu bewältigen hatte, wurde mir auch wieder wärmer.

Sanft federte nun der weiche Waldboden meine zügigen

Schritte ab. Knapp die Hälfte der etwa sechs Kilometer

langen Strecke durfte ich nun auf diesem Traumpfad

weiterlaufen.


286 Seite

Doch oben auf der Weißensteiner Höhe angekommen,

erwartete mich ein trauriger Anblick, denn ich überquerte

dort eine der großen Waldautobahnen, die sich hier

über drei Kilometer Länge schnurgerade bis hinüber an

den Fraurain hinzieht. Durch matschige Fahrspuren der

durchgefahrenen Schwerlasttransporter querte ich die gut

20 Meter breite Schneiße, die sich durch den schönen

Buchenwald zieht.

Was hier fehlt, ist nur noch ein Autobahnschild. Man

könnte es ja in grün anstatt in blau drucken.

An den Rändern der Transportstraße türmten sich die

gefällten, hundert Jahre alten Stämme in die Höhe und

in die Breite. Vor mir sah ich nun Bilder, die uns zwar aus

den Medien bekannt sind, jedoch in der Regel Amazonas-

Regenwälder ablichten.

Dorthin zeigen wir gerne mit dem Finger und ich finde das

erbärmlich. Die traurige Realität aber sah ich hier, direkt

vor unserer Haustür. Sie findet jedes Jahr im Herbst statt

und wir blenden sie als Gesellschaft gekonnt aus, denn

das wollen und sollen wir nicht sehen.


Seite 287

Ich machte einige Bilder von den herumliegenden tonnenschweren

Holzstapeln, um darüber in meinem nächsten

Wanderbuch „Zwischen Karwendel und Spessart“ aus der

Serie „Raus in die Natur“ berichten zu können. Doch sie

passen nicht zum idyllisch angepriesenen Spessartwald,

den man so gerne vermarktet. Die Schönheit unseres

Waldes erleben die angelockten Wanderer ja in den Sommermonaten.

Bis dahin sind die eingeschlagenen

Buchen und Eichen längst abtransportiert. „Aus den Augen,

aus dem Sinn“, wie man so schön sagt. Ich habe mir

aber vorgenommen beide Seiten zu beschreiben.

Während Hasenstab im Mittelalter räuberte, tun dies heute

die bayerischen Staatsforsten. Dabei beschönigen sie

mit Floskeln wie „Schützen und Nützen“ ihren Raubbau

an unserem Wald. Die Realität aber kann jeder im Winter

gerne einmal selber beobachten. Die hier beschriebene

Waldautobahn erreicht man auch bequem mit dem Auto

und zwar von der A3-Ausfahrt Weibersbrunn, wenn man in

Richtung „Sieben Wege“ (Zubringer zur B26) fährt

und nach „abtransportgerechten“ 800 Metern rechts

anhält.

Auf einer ähnlichen Waldautobahn waren wir im letzten

Herbst von der Weibersbrunner Höhe bis zum Echterspfahl

gelaufen. Erst danach folgt der Hasenstabsweg

wieder einem Waldpfad, wie ihn sich Spessartwanderer

wünschen.


6 Seite

Routenübersicht Band 2


Seite 7

Durch meine Heimat Band 1

Die Geschichte beginnt im Spessart. Auf einer Mehrtageswanderung

durchquerten wir mit unseren Kindern das Mittelgebirge von West

nach Ost. Anschließend erzähle ich von Paddelerlebnissen auf dem

Main von Gemünden nach Lohr und auf der fränkischen Saale. Dann

geht es über das Sinntal in die Rhön. Das Land der offenen Fernen

lässt sich auf Schusters Rappen am Besten erkunden und wir waren

von der einstigen Vulkanlandschaft begeistert. Über die Hassberge

ging es dann weiter mit dem Rad, ebenso den Main entlang. In den

Steigerwald führte mich ein Wanderweg zu alten Buchenbeständen

die auf Keuper stehen. Anschließend ging es auf dem Mainradweg

weiter bis nach Lohr. Ein weiteres Mal von Bayreuth nach Bamberg.

Auf unserer Frankenrunde durfte das Fichtelgebirge natürlich nicht

fehlen. Dort wanderten wir mit dem Zelt und wurden von einem

Wintereinbruch überrascht. Was wir dabei erlebten war mehr als

abenteuerlich. Ins Boot stieg ich dann wieder in der Fränkischen

Schweiz, denn die Wiesent ist ein herrlicher Paddelfluss in dieser

Region. Die Fränkische Schweiz und das Pegnitztal bis hinunter in

den Nürnberger Reichswald durchradelten wir im Familienquartett,

ebenso entlang der Altmühl und der Tauber. Am Ende waren wir

wieder am Main angelangt und unsere „Frankenrunde“ neigte sich

dem Ende zu. Am Schloss Johannisburg setzte ich meine letzten

Paddelschläge im Winter 2020, denn ich war in Aschaffenburg und

somit am Startpunkt unserer Reise angekommen.

Weitere Informationen und Bestelldaten unter:

www.raus-indienatur.de


290 Seite

Fürs Leben lernen

Wenn man draußen unterwegs ist, lernt man, nach dem

Motto „Hinterlasse nur deine Fußspuren“ zu leben, was

bedeutet, dass generell kein Abfall zurückgelassen

wird. Beim Wandern mit Rucksack lernt man aber auch,

mit minimalem Gepäck auszukommen. Denn je weniger

man rumschleppt, desto schneller kommt man vorwärts.

Im Laufe der Jahre lässt man immmer mehr Dinge zu

Hause, die auf der letzten Tour nicht gebraucht wurden.

Neben der Botschaft, dass wir unsere Naturräume zum

Überleben brauchen, war es das Hinterfragen vieler

unnötig gewordener Dinge, die wir im Leben mitschleppen.

Damit müssen wir unsere Kindern konfrontieren,

damit sie fürs Leben lernen. Denn unser Leben im

Überfl uss hat uns in die Sackgasse geführt. Im Grunde

müssen wir diese Fehlentwicklung in allen Lebensbereichen

überdenken, denn es hat uns in eine prekäre,

nahezu aussichtslose Position gebracht. Vor allem aber

müssen wir handeln!

Die Rede ist von der Klimakatastrophe, die obwohl seit

50 Jahren bekannt, von Politik als Klimawandel verharmlost

und seitens der Industrie wenn möglich totgeschwiegen

wird - bis zum heutigen Tag. Und ich frage mich, wie

wir mit dieser Schuld leben wollen, die wir durch unser

Nichtstun in dieser Sache auf uns geladen haben.

Daher lag mir noch ein weiteres Thema seit vielen

Jahren auf der Seele. Und mein Herz hat mich solange

gedrängelt, bis ich es endlich zu Papier gebracht hatte.


Warum auf einmal alles so schnell gehen soll

Seite 291

Unser Klima hat sich im Laufe der Evolution schon oft verändert. Doch seit der Industrialisierung wird

es vom Menschen aufgrund des steigenden Energieverbrauchs zunehmend beeinflusst, was zu einer

Erwärmung führt. Diese Klimaveränderung entsteht durch Treibhausgase, vor allem durch CO2, Methan

und Lachgas. Diese Gase reichern sich immer mehr in der Atmosphäre und in den Weltmeeren an und

erhitzen dabei unseren Planeten in ständig steigendem Maße. Doch warum erkennen und akzeptieren

wir diese Veränderungen nicht, obwohl die Meldungen über Hitzesommer, Waldbrände, Überflutungen

und Wirbelstürme immer mehr zunehmen?

Wie können kleine Teilchen wie das CO 2 , das wir weder sehen noch riechen können,

durch ihre Anreicherung in der Atmosphäre so große Auswirkungen hervorrufen?

Wissenschaftler trauen diesen Teilchen sogar zu, dass sie unseren Lebensraum auf der

Erde zerstören. Die genauen Zusammenhänge sind komplex, doch ständig werden wir

mit immer neuen Zahlen und Hiobsbotschaften bombardiert.

Dieses Büchlein ist der Versuch, die Auswirkungen unseres Handelns möglichst einfach

zu erklären. Denn es kann nur dann ein Umdenken stattfinden, wenn wir die Zusammenhänge

hinreichend verstehen.

Verständnis für diese Entwicklungen wird automatisch unser Handeln einfordern.

100 Seiten, die Sie unbedingt lesen sollten. Weitere Infos unter: www.schroepfer-net.de


292 Seite

Naturwunder als Netzwerk

Das neunbändige Werk zeigt, wie sich die Natur mit den ausgewiesenen Natura 2000 Gebieten

vernetzt. Dies wurde beispielhaft für die Region Franken dargestellt. Für einen besseren Schutz

wäre es jedoch nötig, dass in diesen Gebieten die Nutzung eingeschränkt oder ganz eingestellt

wird. Zumindest so lange, bis der Artenschwund gestoppt ist und sich die Natur wieder erholt hat.

www.naturwunderinfranken.de


Seite 293

Auf meinen Touren durch unsere Heimat lernte ich unsere Flüsse, viele Wälder, Wiesen und Felder

kennen. Gleichzeitig wurde ich dabei mit der steigenden Übernutzung unserer Lebensräume konfrontiert.

Die Flüsse, die als Wasserstraßen dienen, werden durch Querbauwerke alle paar Kilometer

zerschnitten. Dabei geht nicht nur ihre Ursprünglichkeit verloren, sondern langfristig auch das Leben

darin. Aber auch die Wälder haben wir zurückgedrängt. 50% unserer Landesfläche wird heute beackert

und die verbliebene Waldfläche immer intensiver genutzt. Dies hinterlässt jedoch tiefe Spuren

in der Natur, die zu einer extremen Ausdünnung der heimischen Artenvielfalt geführt hat. Wie lange

soll dieser Trend anhalten?

Natura2000 ist ein Versuch, eine Umkehr herbeizuführen, denn dort

soll die Nutzung solange zurückgefahren werden, bis das Artensterben

nicht mehr weiter geht. Ein Grund für mich, auf dieses Naturnetzwerk

aufmerksam zu machen und dies in Büchern zu publizieren.

Daraus entstand „Naturwunder in Franken“ (siehe oben)

Doch dieses Netzwerk Natura2000 funktioniert nur, wenn weitere

Großschutzgebiete entstehen würden, Die beste Möglichkeit dies

zu tun, ist das Einrichten weiterer Nationalparks in Deutschland.

Möglichkeiten für geeignete Flächen gibt es viele. Daher war für

mich auch klar, dass ich diese Gebiete aufsuche. Also machte ich

mich auf den Weg.

Die ersten Gebiete findest du unter:

www.derschatzvorunsererhaustuer.de


294 Seite

Impressum

Danksagung

Mein Dank gilt vor allem meiner Familie. Sie hat mir durch ihr Verständnis ermöglicht, dieses Buch zu schreiben,

auch wenn es zeitweise sicher nicht immer einfach war.

Zusätzlich möchte ich mich bei meinem treuen Lektor Herrn Wolfgang Weismantel bedanken.

Er hilft mir bei jedem neuen Buch, mit dem ich „um die Ecke komme“.

Quellen / Bildmaterial

Text und Bildmaterial stammt vom Buchautor.

Einige Bilder wurden von Kerstin, Jan und Lena gemacht.

Autor, Layout, Satz und Gestaltung / Herausgeber

Frank Schröpfer, Partenstein / Eigenverlag

Druck

Gmedien, Genheimer Druck GmbH, Lohr a. Main

Copyright

© 2022, Frank Schröpfer, Partenstein

Alle Rechte der Verbreitung, wie Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art, sind vorbehalten.


Seite 295

Über den Autor

Frank Schröpfer ist in Lohr a. Main geboren und seit seiner Kindheit im Spessart unterwegs. Mittlerweile ist er verheiratet und hat zwei Kinder.

Bereits mit 15 Jahren unternahm er mit Freunden und seinem ersten Fotoapparat mehrtägige Wanderungen durch seine Heimat, später auch durch andere Länder.

»Durch das Draußensein ist meine Liebe zur Natur entstanden, die einen festen Platz in meinem Herzen einnimmt.« So beschreibt Frank Schröpfer seine Grundeinstellung.

Dabei sieht er sich als Naturbeobachter, nicht als Experte. Und bis heute treibt ihn diese Leidenschaft oft mit dem Rucksack hinaus in die Natur. Dabei begleitet ihn meistens noch immer

die Familie. Im Laufe der Jahre ist so einiges an Bild- und Textmaterial entstanden, das er schrittweise in einzelnen Buchprojekten vorstellt. Der gelernte Elektrotechniker arbeitet seit

über 30 Jahren bei Bosch Rexroth. Zu seinen Plänen sagt er: „Es gibt noch vieles, was ich gerne fotografieren und aufschreiben würde. Ich möchte mit meiner Arbeit für mehr Naturschutz

werben und hoffe, dass viele meine Bücher lesen und dadurch den Schätzen unserer Heimat einen höheren Wert beimessen.«

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!