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volkshilfe. #75Jahre

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„Die Frage ist, wie nimmt man in dieser

Krise das Subjekt Mensch wahr?”

Du wirst in den Medien immer

wieder mit „Kämpfer für sozialen

Gerechtigkeit!“ betitelt. Wird er

Dir gerecht?

Eigentlich mag ich keine

Titel, aber als Zuschreibung

stimmt es schon mit meinem

Wollen überein! Gerechtigkeit,

das ist so ein

zentrales Element meines

Handelns. Das Nichtzulassenwollen,

dass Unrecht,

Benachteiligung,

oder Unterdrückung ausgeübt

wird. Ich versuche

mich immer wieder in das

benachteiligte Subjekt hinein

zu-versetzen und zu

fragen, „Was passiert an

Zerstörung im Menschen,

wenn er unter extremen

Bedingungen leben muss?“

Auch, wenn mich selbst

das Unrecht nicht direkt

trifft, so ist es trotzdem

unsere Gesellschaft, die

es hervorbringt und produziert.

Das lehne ich ab.

Es gibt aber auch Konsumverweigerer…

Natürlich gibt es sowas, wie „kein freiwillig

im Reichtum leben“, also die bewusste Entscheidung

zu treffen, gewisse Konsumation

zu verweigern, was dann aber nicht aus

einer Zwangslage hervorgeht, sondern das

ist dann vielmehr eine kognitive, sozioökonomische

Überlegung. Ich persönlich kann

mein Lebensglück nicht in einem Vermögen

sehen. Ich bin weder arm, noch reich. Ich

habe noch nie für einen Kapitalbesitzer gearbeitet,

der mit mir Profit generieren konnte,

obwohl ich mit meiner Expertise um das

Thema Pflege schon viele Angebote bekommen

hätte, aber das würde ich niemals tun.

Du definierst Dich als Direktor der Volkshilfe

als Sozialarbeiter?

Ich bin der Überzeugung, dass die Sozialarbeit

für meine Profession in Theorie,

Wissenschaft und Praxis substanziell entscheidend

ist, um Prozesse zu verstehen.

Soziale Organisationen sind dazu gegründet,

Benachteiligungen zu beseitigen und

dafür ist es wichtig, sich den Dingen nicht

allein nur über die Ideologie anzunähern,

sondern die Probleme der Menschen im

direkten Verbund mit Armuts-Betroffenen,

oder Pflegebedürftigen zu definieren.

Was macht Armut mit einem?

Armut ist nie eine Freiwilligkeit,

sondern eine Zwangsbe-dingung.

Sie führt dazu,

dass Menschen extrem

eingeengt, ausgeschlossen

und isoliert werden und

dass sie oft nicht mal die

primären Lebensbedürfnisse

abdecken können. 1,9

Milliarden Menschen auf

der Welt sind unterernährt.

Sie haben sich weder die

Armut, noch den Hungertod

ausgesucht und auch

in unserer sozialen Gesellschaft

ist Armut eine

Zwangslage, die man als

Zwangsjacke begreifen

muss. In der Kinderforschung

sehen wir, dass die

Kinder diese Jacke meistens

nie ablegen können.

Also muss Armut erstmal definiert werden?

Ilse Arlt, die österreichische Pionierin der

wissenschaftsgeleiteten sozialen Arbeit

hat als einer der ersten die Dialektik erfasst

und sagte, wir müssen begreifen, dass

Armut die Negation des gelingenden Lebens

ist, weil Grundbedürfnisse nicht befriedigt

werden. Sie sagt, dass die Orientierung

soziale Gerechtigkeit sein muss und

nur so gelingendes Leben entstehen kann.

Was sind die Voraussetzungen?

Ilse Arlt hat 13 Lebensnotwendigkeiten*

bis hin zur Teilhabe artikuliert. Diese

Bedürfnisse , - für uns in der Sozialarbeit

eine wichtige Säule - gilt es zu

befriedigen, damit gelingendes Leben entstehen

kann. Also eine „Negation der Negation,“

wenn man es philosophisch will.

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