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90 Dreifaltigkeitssonntag / Trinitatis 07.06.09 nachhaltig predigen 11 ...

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<strong>90</strong><br />

Joh 3, 1-8 (9-15)<br />

Röm 8, 14-17<br />

<strong>07.06.09</strong><br />

Wer an den Gott des<br />

Lebens, der Gerechtigkeit, des<br />

Friedens, den Schöpfergott<br />

glaubt, bei dem muss eine<br />

radikale Veränderung im<br />

Leben sichtbar werden.<br />

<strong>Dreifaltigkeitssonntag</strong> / <strong>Trinitatis</strong><br />

ev. Reihe I: Joh 3, 1-8 (9-15) kath. 1. L.: Dtn 4, 32-34.39-40 kath. 2. L.: Röm 8, 14-17 kath. Evang.: Mt 28, 16-20<br />

14.06.09<br />

Der Autor betrachtet die ev. Predigtperikope und den Text zur 2. kath. Lesung.<br />

Stichworte zur Nachhaltigkeit: radikale Veränderung, keine nächtlichheimlichen<br />

Lippenbekenntnisse, Engagement für Nachhaltigkeit beweist keinen<br />

Glauben, Leben im Geist Jesu bzw. Nachfolge ist ohne Engagement aber nicht möglich<br />

<strong>Trinitatis</strong> / Gottesbeziehung<br />

Der Sonntag <strong>Trinitatis</strong> /<strong>Dreifaltigkeitssonntag</strong><br />

bietet sicherlich Gelegenheit, Überlegungen<br />

über die inner-trinitarischen Beziehungen<br />

anzustellen. Der Evangelist Johannes und mit<br />

ihm Paulus in seinem Römerbrief schlagen<br />

ein anderes Thema für den Sonntag vor. Sie<br />

zeigen die Bedeutung der Dreifaltigkeit für<br />

unsere Gottesbeziehung auf.<br />

Der Pharisäer Nikodemus kommt nachts zu<br />

Jesus, um ihm gegenüber zu bekennen, dass<br />

„du ein Lehrer bist, der von Gott gekommen<br />

ist“ (Joh 3, 2). Die ausdrückliche Erwähnung,<br />

dass er nachts zu Jesus kommt, ist dabei entscheidend<br />

für die Qualität seines Bekenntnisses<br />

zu Jesus. Es bleibt ein theoretisches Bekenntnis,<br />

das keinerlei Auswirkungen für sein Leben<br />

haben soll. Diese Situation kennen wir zur Genüge.<br />

Zu den Zielen Frieden, Gerechtigkeit und<br />

Bewahrung der Schöpfung bekennt sich<br />

inzwischen fast jeder in unserer Gesellschaft.<br />

Aber diese „Sonntagsreden“ haben manchmal<br />

(?)/häufig (?) keine konkreten Konsequenzen<br />

– sowohl auf privater als auch auf politischer<br />

Ebene. „Warum soll ich der Umwelt zuliebe<br />

langsamer fahren, wenn mich alle anderen<br />

dabei überholen? Wenn es alle machen würden,<br />

z. B. weil es ein Gesetz so vorschreibt,<br />

würde ich mich natürlich daran halten.“ „Natürlich<br />

treten wir für den Schutz der Erde ein,<br />

aber bitte nicht mit strengen CO 2-Grenzwer-<br />

<strong>11</strong>. Sonntag im Jahreskreis / 1. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

ten, die unsere Automobilindustrie schädigen.“<br />

„Wenn wir die Waffen nicht liefern, dann<br />

liefert sie ein anderes Land – zum Schaden für<br />

unsere Wirtschaft.“<br />

Solche „frommen“ Bekenntnisse ohne Konsequenzen<br />

sind nach Ansicht von Jesus nichts<br />

wert. Wer an den Gott des Lebens, der Gerechtigkeit,<br />

des Friedens, den Schöpfergott glaubt,<br />

bei dem muss eine radikale Veränderung im<br />

Leben sichtbar werden: „Wenn jemand nicht<br />

von Neuem geboren wird, kann er das Reich<br />

Gottes nicht sehen“(Joh 3, 3). Paulus stellt<br />

fest: „Alle, die sich vom Geist Gottes leiten<br />

lassen, sind Söhne Gottes. ... Ihr habt nicht<br />

einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven<br />

macht ..., sondern ... der euch zu Söhnen<br />

macht“ (Röm 8, 14-15).<br />

Werke der Nächstenliebe, Engagement für<br />

Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der<br />

Schöpfung werden so nicht zum Beweis des<br />

Gottesglaubens – denn sie könnten ja auch<br />

aus ganz anderer Motivation geschehen, sondern<br />

sie sind unverzichtbarer Bestandteil des<br />

Lebens aus Gottes Geist, ohne sie bleiben wir<br />

ein Nikodemus. Nachfolge in dem Geist<br />

Gottes heißt, sich auf Jesu Vertrauen, das<br />

„Vom-Vater-her-Sein und zum-Vater-hin-<br />

Sein“, auf „den Geist, in dem wir rufen:<br />

Abba, Vater“ (Röm 8, 15), einzulassen.<br />

ev. Reihe I: Lk 16, 19-31 kath. 1. L.: Ez 17, 22-24 kath. 2. L.: 2 Kor 5, 6-10 kath. Evang.: Mk 4, 26-34<br />

Der Verfasser betrachtet alle Predigtperikopen des Sonntags. Stichworte zur<br />

Nachhaltigkeit: die Bereitschaft zum vorausschauenden Denken, Werte- statt<br />

Güterorientierung, andere Kulturen wahrnehmen, nicht nur im Hin-blick auf<br />

ihre finanziellen Ressourcen (Lk 16); in der Schöpfung steckt Gottes herrschaftlicher<br />

Wille zum Heil (für alle), das hat für uns Maßstab zu sein (Ez 17);<br />

Christen sind frei, zu gestalten, sie sind glaubensgemäß nicht materiellen<br />

Zwängen unterworfen, Altenheime / Gesundheitsreform (2 Kor 5); wir haben<br />

kein Recht auf Erfolg unserer Bemühung, Allmachtsgedanken schaden (Mk 4)<br />

Thomas Kupczik, Trier<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong>


Predigttext (evang.): Lk 16, 19 - 31<br />

Exegetische Beobachtungen<br />

Es handelt sich um eine der großen<br />

Beispielerzählungen im Lukasevangelium, in<br />

der gleichen Weise gestaltet wie die Gleichnisse<br />

vom barmherzigen Samariter oder vom<br />

verlorenen Sohn. Der Evangelist behandelt hier<br />

das Thema Arm und Reich und die verderbliche<br />

Rolle des Besitzes fürs Seelenheil. Er<br />

greift auf einen Erzählstoff zurück, der den<br />

Zeitgenossen wohl vertraut war und in zahlreichen<br />

Varianten kursierte: ein ägyptisches<br />

Märchen berichtet z. B. von der Fahrt des<br />

Setme Chamois ins Totenreich, wo der Reiche<br />

sich plötzlich in der finsteren Unterwelt wieder<br />

findet, während der Arme, ausgestattet<br />

mit Ehrengewändern und Luxus, seinen Platz<br />

beim Gott Osiris einnehmen darf, der überdies<br />

befohlen hatte, ihm die Grabausstattung<br />

des Reichen zu schenken. „Gib, so rettest du<br />

dich; behalte und genieße, so verdirbst du“,<br />

lautet die einfache Moral dieser Erzählungen.<br />

Bei Lukas hat die Geschichte eine zweite<br />

Pointe: Der Reiche bittet Abraham, er möge<br />

doch seine fünf Brüder vor dem Verhängnis<br />

warnen, das ihn betroffen hat. Abraham lehnt<br />

ab unter Hinweis auf Mose und die Propheten.<br />

Theologische Wertung<br />

Die Beispielerzählung beginnt mit dem<br />

altbekannten Problem der Theodizee: Die verschiedenen<br />

Lebenswege geben unserem Gerechtigkeitsempfinden<br />

Rätsel auf. Damit Gott<br />

nicht ungerecht oder machtlos erscheint,<br />

wird ein Ausgleich des erlittenen Unrechts<br />

notwendig. Dies geschieht direkt nach dem<br />

Tod durch Umkehrung der Verhältnisse: Der<br />

arme Lazarus wird erhöht, der Reiche erniedrigt.<br />

So kann Gott gerecht, gütig und zugleich<br />

allmächtig bleiben, und unser moralisches<br />

Ver-halten behält Bedeutung für das<br />

Ergehen: Wer zu Lebzeiten nur bequem war<br />

und die Nächstenliebe versäumt hat, wird<br />

dafür zur Rechenschaft gezogen. Dabei muss<br />

die himmlische Vergeltung ebenso unerbittlich<br />

verfahren wie Gott es auf Erden macht.<br />

Die verspätete Einsicht des Reichen kann so<br />

weder ihm, noch seinen lebenden Brüdern<br />

helfen. Die Wahrheit über das rechte Leben<br />

war ihnen ja durch Gesetz und Propheten<br />

bekannt. Ihre Blindheit zu Lebzeiten erklärt<br />

sich aus der verderblichen Wirkung von Geld<br />

und Reichtum auf die Menschen. Der Satz<br />

„Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr…“<br />

beschreibt ein Grundanliegen des Evangelisten.<br />

Nachhaltige Aspekte<br />

Die Lazaruserzählung kann als Appell an<br />

unsere Fähigkeit zu vorausschauendem Denken<br />

interpretiert werden, weil sie die Fernwirkungen<br />

aktuellen Fehlverhaltens drastisch<br />

beschreibt. Das Problem der „Reichen“ ist<br />

nicht ihr Mangel an Wissen, sondern ihr<br />

Mangel am Willen, ihr Leben in einen Horizont<br />

tätiger Nächstenliebe zu stellen. Ihr Verhalten<br />

zeugt nicht nur von Egoismus, sondern<br />

offenbart Kleinglauben: Dass mit einer<br />

Verantwortung auch die Kraft wächst, übersteigt<br />

ihren Horizont. Lieber hält man sich<br />

ans Gegebene. Was man dabei übersieht, kann<br />

auch nicht verunsichern, stört nicht das<br />

gemütliche Beisammensein. Lazarus, der krank<br />

vor der Tür lag, war der abgewiesene Anruf<br />

Gottes zur Umkehr. Gegen solche Lieblosigkeit<br />

richtet selbst das Evangelium vom<br />

auferstandenen Christus nichts aus. Das<br />

Übersehen von Not wird heute allerdings<br />

dem leicht gemacht, der sein Interesse auf<br />

Kommerzfernsehen, Boulevard und den engsten<br />

Familienkreis beschränkt. Doch kann<br />

sich der besinnungslose Konsumhedonist vor<br />

den Folgen seines Tuns oder Nichthandelns<br />

ebenso wenig drücken wie der Reiche in<br />

unserer biblischen Erzählung: Wenn Raubüberfälle<br />

in der Stadt zunehmen, wenn<br />

immer mehr Flüchtlinge und Armutsmigranten<br />

ankommen, die in seiner Nachbarschaft<br />

untergebracht und mit seinen Steuergeldern<br />

versorgt werden müssen, werden ihm<br />

die Versäumnisse seiner Zeit und ihrer politischen<br />

Vertreter vielleicht bewusst.<br />

Dem erzählenden Jesus geht es um die<br />

Sinnausrichtung unseres Daseins: Sollen Werte<br />

das Leben bestimmen oder Interessen? Nach<br />

Edmund Husserl sind Werte die letzten<br />

Zufluchtsorte von Transzendenz in unserer<br />

modernen Welt. Sie schützen vor Verdinglichung<br />

und Entfremdung in einer anonym<br />

gewordenen, an Effizienz und Kapitalverwertungskriterien<br />

ausgerichteten Warenwelt.<br />

Werte motivieren zu einem Lebensstil, der<br />

unsere enge Lebenswelt „überschreitet“. Erich<br />

Fromm hat dem Existenzmodus des „Habens“<br />

ein Konzept der „Seinsorientierung“ gegenüber<br />

gestellt. Statt besitzen, herrschen, kontrollieren<br />

zu wollen, was in der Konsequenz<br />

14.06.09<br />

Lk 16, 19-31<br />

Der besinnungslose<br />

Konsumhedonist kann sich<br />

vor den Folgen seines Tuns<br />

oder Nichthandelns ebenso<br />

wenig drücken wie der<br />

Reiche in unserer biblischen<br />

Erzählung.<br />

91


92<br />

14.06.09<br />

Gerodete Wälder können<br />

neu gepflanzt werden,<br />

ausgeräumte Landschaften<br />

neu erblühen,<br />

wenn wir es nur wollen.<br />

Ez 17, 22-24<br />

2 Kor 5, 6-10<br />

zu unlösbaren Konflikten führt, soll der<br />

Mensch im „Seinsmodus“ seine kreativen Fähigkeiten<br />

entfalten, Interesse am Gestalten entwickeln,<br />

seine Freude am gemeinsamen Erreichen<br />

von Zielen haben. Im Mittelpunkt steht<br />

die Gemeinschaft durch Lieben und Geben.<br />

Werte benötigen keinen Platz und verbrauchen<br />

keine Ressourcen. Sie vermehren sich<br />

durch Weitergabe, während Güter sich durch<br />

Weggabe verknappen. Demokratie wäre so<br />

ein segensreiches Werte-Geschenk für viele<br />

Länder Afrikas. Die dort herrschenden<br />

Diktaturen behindern die Entwicklung <strong>nachhaltig</strong>.<br />

Da durch Korruption viel Geld verloren<br />

geht, wären Regeln und Methoden des<br />

„good government“ dringlicher und wertvoller<br />

als mancher Millionenbetrag an Entwicklungshilfe.<br />

Die Weitergabe von Werten<br />

macht allerdings mehr Mühe als die Überweisung<br />

von Geld und ist langwieriger als<br />

ein Gütertransport in Krisengebiete. Wenn<br />

wir Bildungsstätten gründen, Experten<br />

schicken und auf Lernprozesse setzen, hilft<br />

das gegen Fehlhaltungen und Unwissen <strong>nachhaltig</strong>.<br />

Wenn wir uns auch selbst öffnen können<br />

für Wissen und Erfahrungen anderer; wenn<br />

wir die Errungenschaften von Kulturen, die<br />

uns fremd sind, respektieren können, lernen<br />

und gewinnen wir ebenso. Anzustreben ist<br />

nicht die Anpassung aller Menschheitskulturen<br />

an den westlichen Lebensstil, sondern<br />

eine Konvergenz, die allen historisch<br />

gewordenen Eigenheiten das jeweils Beste<br />

abgewinnt und aufhebt in einer gemeinsamen<br />

Zukunft. An vielem lässt sich sparen,<br />

nur nicht am Denken. Lukas würde sich freuen,<br />

wenn seine Warnung vor den Suchtgefahren<br />

des Reichtums gehört würde.<br />

1. Lesung (kath.): Ez 17, 22 - 24<br />

Theologische Wertung<br />

Der Text gehört zu den Unheilsankündigungen<br />

Ezechiels. Seine Drohworte münden<br />

in das Bekenntnis zu dem einen Gott, der<br />

alles geschaffen hat und heute noch die Völkerwelt<br />

regiert. Er hat den Untergang Israels<br />

herbeigeführt, doch dies ist nicht sein letztes<br />

Wort. Ezechiel, der seine umfassende Geschichtsschau<br />

aus exilischer Perspektive entwirft,<br />

löst Israel vom Tempelkult, indem er<br />

verkündet, Gott könne an jedem Ort verehrt<br />

werden. Statt durch den Tempelkult am Zion<br />

wird Israels Identität künftig nur noch durch<br />

Wort und Geist Jahwes gestiftet. Veranschaulicht<br />

wird dies durch eine Zeichenhandlung:<br />

Gott pflückt ein Reis von einer Zeder und<br />

pflanzt es an einem anderen Ort wieder ein.<br />

Nachhaltige Aspekte<br />

Hier denke ich an die bildhaften Parallelen<br />

im Handeln Gottes. Einmal führt er Völker<br />

heran, um Israel zu strafen oder zu befreien,<br />

so dass diese zu Paradigmen seiner Weltregierung<br />

werden. Im Lesetext vollzieht er<br />

das Gleiche an der Natur: Er erniedrigt und<br />

erhöht Bäume, lässt Pflanzen ergrünen und<br />

verdorren, pflanzt Schösslinge um. Gott demonstriert,<br />

dass er überall „im Regimente<br />

sitzt“, damit alle „erkennen, dass ich Jahwe<br />

bin“. Natur und Geschichte werden zu<br />

Aspekten einer umfassenden Handlungskonzeption:<br />

Sie besteht in Gottes Willen<br />

zum Heil, der sich an Menschen, Völkern<br />

und allem Lebendigen vollzieht. Die ganze<br />

Schöpfung wird Adressat göttlichen Gerichts<br />

und Heilshandelns. Der einzelne Mensch,<br />

den Ezechiel als erster unter den Propheten in<br />

persönlicher Verantwortung vor Gott sieht,<br />

muss sich diesem Prozess stellen: Will er<br />

Gottes Werk mittun, indem er sich unter<br />

sein Gesetz stellt, oder will er der „Sünde“<br />

verfallen und „sterben?“ Jeder wird nach seinem<br />

persönlichen Verhalten beurteilt, Kollektivurteile<br />

sind abgetan. Dieses Recht auf<br />

freie Entscheidung ermöglicht allen Künftigen<br />

Chancen, neu anzufangen. Für uns mag<br />

es sich darin zeigen, dass gerodete Wälder<br />

neu gepflanzt, ausgeräumte Landschaften<br />

wieder neu erblühen können, wenn wir es nur<br />

wollen. Damit auch unsere Zeit erkennt, dass<br />

allem Geschehen ein transzendentaler Sinn<br />

innewohnt, der auf Heil und Leben zielt.<br />

2. Lesung (kath.): 2 Kor 5, 6 – 10<br />

Theologische Wertung<br />

Zentralthema des 2. Korintherbriefes ist<br />

das apostolische Amt. Im Kontext von Kap.<br />

4, 7 bis 6, 10 geht es um den Inhalt der apostolischen<br />

Verkündigung. Christlich existieren<br />

bedeutet, ein geistlich bestimmtes Leben<br />

im „neuen Bund“ zu führen, welches sich im<br />

Glauben konstituiert und in den Gnadengaben<br />

von Glaube, Liebe und Hoffnung ausweist.<br />

Die Christen leben „zwischen den<br />

Zeiten“: noch in der Welt, aber so, dass sie


der Welt gekreuzigt sind und sich darin als<br />

„Fremde“ fühlen. Das „Schauen“ der Wahrheit<br />

liegt in der Zukunft. Gegenwärtig bleibt nur<br />

die Hoffnung, welche immer wieder durch Trost<br />

und Zuversicht gestärkt werden muss. Dabei<br />

hilft das Bestreben, Gott zu gefallen. Denn zum<br />

einen hält es die Verbindung zu ihm, zum anderen<br />

mehrt es den „Lohn“, den jeder einmal vor<br />

dem „Richterstuhl Christi“ empfangen wird.<br />

Nachhaltige Aspekte<br />

Die begnadeten Sünder sind frei, durch gute<br />

Tat Gott zu erfreuen, ohne in gesetzliche Verdienstethik<br />

zurück zu fallen. Helle Zuversicht<br />

befreit zu mutigem Bekennen und Tun. Das<br />

Fremdheitsgefühl im eigenen Körper muss<br />

dabei nicht hindern, sondern kann beflügeln,<br />

weil damit auch manche Angst verblasst.<br />

Christliche Menschen sind frei, „zwischen den<br />

Zeiten“, im Seinsmodus als „Neue Kreatur“<br />

neue Modelle des Miteinander zu versuchen:<br />

Müssen alte, verwitwete Menschen vor der<br />

Alternative stehen, entweder allein oder kaserniert<br />

in Heimen zu leben? Betreute Wohngemeinschaften<br />

dürften für viele besser sein. Auch<br />

Wohnprojekte, bei denen sich mehrere Generationen<br />

aus freiem Entschluss zusammen finden,<br />

um einen Teil ihres Lebens miteinander zu verbringen,<br />

finden zu Recht immer mehr Interesse.<br />

Wer schreibt vor, dass es im Wirtschaftlichen<br />

allein auf den Gewinn ankommt? Kirchliche<br />

Einrichtungen erleben durch die Gesundheitsreform<br />

zwar Kostendruck und Wettbewerb<br />

wie andere und müssen sparen. Sie<br />

sind aber aus Prinzip nicht gewinnorientiert.<br />

Sie können sich dadurch auch künftig von<br />

kommerziellen Einrichtungen abheben. Wenn<br />

sie ihre Verwaltungen nicht allzu üppig ausstatten<br />

(Verwaltung und Juristerei sind die<br />

größten Feinde des Evangeliums), haben sie<br />

Geld und geistliche Ressourcen frei, um die<br />

Atmosphäre menschlicher, christlicher zu gestalten.<br />

Manche Theolog/inn/en, die im Gemeindedienst<br />

nicht unterkommen können, wären hier<br />

in verschiedenen Funktionen einsetzbar. Nach<br />

entsprechender Fortbildung könnten gerade sie<br />

dazu beitragen, den Geist dieser Einrichtungen zu<br />

heben. Auch das ehrenamtliche Engagement der<br />

Gemeinden, die sie mittragen, kann mithelfen.<br />

Evangelium (kath.): Mk 4, 26 - 34<br />

Theologische Wertung<br />

Das Evangelium ist von der Passionsge-<br />

schichte her konzipiert: als Werbebotschaft<br />

für den Glauben an Jesus Christus. Er war der<br />

Messias und Menschensohn, der in Galiläa<br />

wirkte und am Kreuz für uns alle starb. Die<br />

beiden Gleichnisse von der selbstwachsenden<br />

Saat und vom Senfkorn illustrieren die Wirkung<br />

dieses Evangeliums: geheimnisvoll wie<br />

das selbsttätige Wachsen der Saat; gewaltig<br />

wie die Entwicklung einer großen Staude aus<br />

einem winzigen Korn – erneut ein Gleichnis,<br />

das die natürlichen Lebensprozesse in den Blick<br />

nimmt. Es passt gut zur Jahreszeit, in der alles<br />

wächst und reift, manches Feld ist vielleicht<br />

schon abgeerntet und liegt bereit für eine<br />

zweite Aussaat. Ist es nicht vermessen, die Wirkung<br />

unserer Predigt damit zu vergleichen?<br />

Nachhaltige Aspekte<br />

Eine Karikatur von Marie Marcks zeigt einen<br />

Mann, der die Erdkugel auf seinem Rücken<br />

trägt. Eine Frau steht daneben und sagt: „roll<br />

das Ding doch.“ Es heißt, Gutmenschen wären<br />

schon von fern zu erkennen am sauertöpfischen<br />

Gesichtsausdruck. Unbefangene fragen:<br />

Warum tun die das? Wenn sie überhaupt nichts<br />

davon haben? Bei Manchem hat man den Eindruck,<br />

er suche geradezu nach einer Möglichkeit,<br />

Verantwortung, Last und Probleme zu übernehmen,<br />

um sich so fühlen zu können, wie es<br />

das Gesicht zeigt. Fehlt diesen Leuten die Fähigkeit<br />

zum Glück? Ein anderer Cartoon zeigt,<br />

wie ein leptosomer, bebrillter Mensch mit<br />

einem Schild in der Fußgängerzone steht:<br />

„Pfarrer auf der Suche nach einer lieben, kleinen<br />

Randgruppe“. Böse, gewiss, denn wer<br />

sich angesprochen fühlt, wird zwingende Argumente<br />

für sein Tun beibringen, die jede<br />

Kritik beschämen. Wird „so jemand“ seine<br />

Schützlinge auch mal wieder loslassen können?<br />

Jesus kann uns beruhigen: Vieles wächst<br />

von allein, wenn ihr nur die richtige Saat ausbringt.<br />

Nicht alles können wir vollbringen.<br />

Zu oft gießen kann auch schaden. Oft ist es<br />

Kleinglaube, der zu gouvernantenhafter, kontrollierender<br />

Ängstlichkeit verführt. Was aus<br />

der Saat werden kann, zeigt die Senfstaude.<br />

Ob sie heranwächst, haben wir meist nicht in<br />

der Hand. Wenn sie nicht wächst, dürfen wir<br />

es erneut versuchen. Unser Glück darf nicht<br />

davon abhängen. Vertrauen kann sehr gut tun.<br />

Winfried Anslinger, Homburg<br />

14.06.09<br />

Mk 4, 26-34<br />

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94<br />

21.06.09<br />

Bei all den Krisen und<br />

Gefahren unserer heutigen<br />

Zeit hoffen wir doch selbst<br />

immer wieder auf Rettung.<br />

12. Sonntag im Jahreskreis / 2. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

ev. Reihe I: Lk 14, (15) 16-24 kath. 1. L.: Ijob 38, 1.8-<strong>11</strong> kath. 2. L.: 2 Kor 5, 14-17 kath. Evang.: Mk 4, 35-41<br />

Mk 4, 35-41<br />

Mk 4, 35-41 Das Wunder der Sturmstillung:<br />

Unser täglich Leben<br />

Wir hören Nachrichten; täglich aktuelles<br />

Geschehen verbunden mit Informationen, Erläuterungen<br />

und Kommentaren. Trauriges,<br />

Fürchterliches, Interessantes, Belangloses nehmen<br />

unsere Wahrnehmungsorgane auf. Doch<br />

meist gehen wir trotzdem getrost unserer<br />

täglichen Arbeit und Verpflichtungen nach.<br />

Als gläubige Menschen geht es uns oft<br />

genauso. Doch wir ziehen uns einmal in der<br />

Woche zurück – zur Begegnung mit Jesus in<br />

seinem Brot. Nicht, dass wir ihn schlafend<br />

vorfinden, wohl aber sind seine Worte der<br />

Frohen Botschaft letztlich für uns nicht mehr<br />

aufrüttelnd. Wir haben ihm – Gott, seinem<br />

Sohn und dem Heiligen Geist – viele schöne<br />

Plätze bereitet, die wir gerne besuchen. Nur<br />

noch an anderen Stellen in unserem Leben<br />

regen wir uns auf und diskutieren. Gottes Anwesenheit,<br />

unser Glaube gibt uns diese Sicherheit,<br />

unser Leben hier als überwiegend angenehm<br />

zu beschreiben. Die Alltagsaufgaben<br />

anzugehen und je nach Gutdünken mal die<br />

eine oder andere Blickrichtung aufzunehmen,<br />

mal zu unterstützen oder um in Betroffenheit<br />

zu erstarren. So sorglos müssen sich die<br />

Fischer am Anfang ihrer Fahrt gefühlt haben.<br />

Dann passiert es – auf einmal bekamen sie –<br />

auf einmal bekommen wir Angst. Warum?<br />

Vielleicht weil wir krank werden, unsere<br />

Zukunft sich als unsicher erweist, wir mit<br />

dem Tod konfrontiert sind, wir Ungerechtigkeiten<br />

erkennen, uns bedroht fühlen. Was<br />

vorher sicher schien und reibungslos ablief,<br />

hat ein abruptes Ende erfahren. „Dieser Jesus<br />

ist doch jetzt gefordert“, so denken wir,<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

Der Autor betrachtet die Bibelstellen der kath. Leseordnung. Stichworte<br />

zur Nachhaltigkeit: Gott setzt Grenzen, diese verlangen nach Anerkennung,<br />

dem Fortschritt Maßstäbe geben (Ijob 38); sich von der Liebe<br />

drängen zu lassen führt zu einer <strong>nachhaltig</strong>en Mitgestaltung der Schöpfung<br />

(2 Kor 5), wir müssen Jesus nicht erst aufwecken – seine Anweisungen<br />

sind schon gegeben (Mk 4)<br />

„wieso kann er das nur zulassen?“ Ja, wo ist<br />

er, dass ich ihn wecken kann, wie die Jünger<br />

im Boot?<br />

Was wäre, wenn ich mir vorstelle, dass<br />

Jesus mir im wirklichen Leben begegnet?<br />

Seine Anwesenheit sichtbar und fühlbar ist?<br />

Was wir sonntags feiern, eben keine müde und<br />

routinemäßige Zusammenkunft ist? Diejenigen,<br />

die gekommen sind, haben Fragen,<br />

wollen Hilfe. Aber er kennt ja mein Problem,<br />

unsere Probleme. Die Fragen brauchen wir<br />

folglich nicht mehr alle zu stellen. Da horche<br />

ich genauer hin, was er sagt und lass mich<br />

davon betreffen und bewegen. Und andere<br />

tun es mit mir. Wir tauschen uns aus, was wir<br />

gehört haben, wie wir es für uns verstehen<br />

und umsetzen können und bändigen so unsere<br />

(Lebens-)Angst und schenken uns gegenseitig<br />

Hoffnung. Und das verstärkt sich<br />

immer mehr. Unser Leben wird anders. Die<br />

plötzliche Angst kann mir und uns keine<br />

Angst mehr machen.<br />

Vom Rettungswunder zur Nachhaltigkeit<br />

Unsere Perikope von der Sturmstillung wird<br />

häufig als Rettungswunder bezeichnet. Bei all<br />

den Krisen und Gefahren unserer heutigen<br />

Zeit hoffen wir doch selbst immer wieder auf<br />

Rettung oder zumindest auf das Ausbleiben<br />

von Situationen, wo wir auf Rettung angewiesen<br />

wären. Die Sturmstillung zeigt uns,<br />

wie unversehens wir in eine Notlage kommen<br />

können (vgl. Vers 38: „wir zugrunde gehen“).<br />

Die Frage, wer dafür verantwortlich ist oder<br />

Schuld hat, stellt sich hier nicht.<br />

Schon im Alten Testament in den Psalmen<br />

(vgl. Ps 69, 2) ist von Notlagen die Rede, die<br />

mittlerweile auch in unseren Sprachschatz<br />

übergegangen sind: „wenn einem das Wasser<br />

bis zum Halse steht“. Ob unverschuldet oder<br />

selbst verschuldet, sind diese Situationen


nicht außergewöhnlich.<br />

Der Umgang mit Notlagen, eigener und<br />

fremder Not, erweckt laut unserer Perikope<br />

den Eindruck, dass wir das Gefühl haben,<br />

Jesus „aufwecken“ zu müssen und ihn um<br />

Hilfe zu bitten. Das Gefühl ihn „aufzuwecken“,<br />

das ist ein Schritt, der zwar von einer<br />

Notsituation ausgelöst werden kann, aber immer<br />

wieder neu gegangen werden muss – bis<br />

dahin, dass wir davon ausgehen können, dass<br />

ER immer da ist. Das heißt, ihn als Lebendigen<br />

zu sehen, seine Anweisungen zu befolgen,<br />

seinen Gedanken und Worten Leben<br />

einzuhauchen. Unser Leben, das Denken und<br />

Handeln muss sich von ihm durchgehend<br />

infizieren lassen.<br />

Jesus als den immer Anwesenden zu erleben,<br />

ist ein grundlegender, langer Prozess<br />

und sehr umfassend. Er ist nicht nur auf<br />

mich, auch auf alle anderen Geschöpfe und<br />

die gesamte Schöpfung ausgerichtet. Und in<br />

dieser Perspektive zu handeln, Not zu sehen<br />

und die geschwisterliche Hilfe anzubieten,<br />

ist eine Nachhaltigkeit, die das Leben für den<br />

Einzelnen und im Miteinander auf Dauer verbessert.<br />

Letztlich ist diese Denk- und Handlungsweise<br />

sogar notwendig, um unsere Gesellschaft<br />

zusammenzuführen und den Fortbestand<br />

der Schöpfung nicht vorzeitig zu beenden.<br />

2 Kor 5, 14-17 … für die Nachhaltigkeit<br />

gestorben…<br />

So würde vielleicht Paulus heute im<br />

Korintherbrief schreiben. Seine Liebe zu<br />

Christus hat in ihm förmlich gebrannt, so dass<br />

sein Zeugnis wahrhaft <strong>nachhaltig</strong> gewirkt<br />

hat. Da er kein großer Redner war (2 Kor 10,<br />

10), wie seine Gegner bemerken, muss wohl<br />

seine innere Überzeugung und seine Hingabe<br />

ausschlaggebend gewesen sein.<br />

Aber dieses Engagement, die Durchdrungenheit<br />

seiner Person von Jesus hat ihn für unseren<br />

Glauben so entscheidend und prägend<br />

gemacht. Seine Liebe zu Jesus drängt ihn und<br />

meint damit auch uns, sich in diese Liebe zu<br />

stellen. Nicht mehr menschliche Maßstäbe<br />

(Wissen, Zeit, Leid) und Besitztümer zählen<br />

(„mein Haus, mein Boot …“) sondern nur die<br />

Ausrichtung hin auf Jesus (die Erfahrung<br />

eines absoluten Lebens). Wenn sich darum<br />

unser Leben dreht, dann hat sich grundlegend<br />

etwas gewandelt. Paulus spricht daher<br />

von der neuen Schöpfung. Und diese Schöp-<br />

fung kann nicht mehr untergehen. Sie bietet<br />

Leben für alle, die in Christus leben. Oder im<br />

Bild des Evangeliums ausgedrückt: die Jesus<br />

als mitlebende Person bei sich wissen.<br />

Ijob 38, 1.8-<strong>11</strong> Menschliche Grenzen<br />

anerkennen<br />

Mit der Drohung an die Adresse Ijobs „bis<br />

hierher darfst du und nicht weiter …“ könnte<br />

man sich an den Baum der Erkenntnis im<br />

Paradies erinnert fühlen. Eine Autorität setzt<br />

Grenzen. Gott will dem Menschen Grenzen<br />

aufzeigen, die er vermeintlich nicht mehr<br />

kennt oder kennen lernen will. In der Fortsetzung<br />

des Satzes heißt es: „Hier muss sich<br />

legen deiner Wogen Stolz“. Also die Selbstherrlichkeit<br />

des Menschen hindert ihn, selbst<br />

zu erkennen, was noch seine Leistung ist und<br />

was er Gott als dem Schöpfer zuzuerkennen<br />

hat.<br />

Während früher Menschen verstärkt aus<br />

ihrer Erfahrung lernten und ihre Hilfen<br />

davon ableiteten, versucht der Mensch heute,<br />

in das Leben selbst einzugreifen; natürlich<br />

immer unter dem Mantel der Verbesserung<br />

und der notwendigen Hilfeleistung. Aber ist<br />

abzusehen, wie sich z. B. gentechnische<br />

Veränderungen langfristig auswirken? Wenn<br />

wir dem Leben höchste Priorität einräumen,<br />

damit dem Schöpfer alle Macht zuerkennen<br />

und trotzdem in Versuchen alles Leben nachzuahmen<br />

oder zu verändern trachten, dann<br />

stimmen unsere Welt- bzw. Glaubensausrichtung<br />

nicht mehr überein.<br />

Es geht nicht darum, den Fortschritt zu<br />

behindern, sondern um die Frage, was ist<br />

noch Fortschritt? Was ist noch verantwortlich?<br />

Wollen wir Gottes Planung übernehmen?<br />

Die Anerkennung einer Grenze des<br />

Menschen zur Veränderung der Schöpfung<br />

Gottes ist eine unumgängliche Voraussetzung<br />

für dauerhaftes, <strong>nachhaltig</strong>es Leben<br />

auf diesem Planeten. Indem der Mensch seine<br />

Grenze annimmt, wird er ein neuer Mensch.<br />

Er wird zu dem, was sein Menschsein ausmacht.<br />

Rüdiger Torner, Köngernheim/Rhh.<br />

21.06.09<br />

Ijob 38, 1.8-<strong>11</strong><br />

Die Selbstherrlichkeit des<br />

Menschen hindert ihn, selbst<br />

zu erkennen, was noch seine<br />

Leistung ist und was er<br />

Gott als dem Schöpfer<br />

zuzuerkennen hat.<br />

2 Kor 5, 14-17<br />

95


96<br />

Lk 15, 1-3.<strong>11</strong>b-32<br />

28.06.09<br />

Diejenigen, die andere<br />

schon längst aufgegeben<br />

haben, sind die Menschen,<br />

die Jesus zuallererst zu<br />

finden sucht.<br />

13. Sonntag im Jahreskreis / 3. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

ev. Reihe I: Lk 15, 1-3.<strong>11</strong>b-32 kath. 1. L.: Weish 1, 13-15; 2, 23-24 kath. 2. L.: 2 Kor 8, 7.9.13-15<br />

kath. Evang.: Mk 5, 21-43 oder kurz: Mk 5, 21-24.35b-43<br />

Lk 15, 1-7 (8-10)<br />

Lost and found: der Sonntag und „sein“ Text<br />

Der Wochenspruch für den 3. Sonntag<br />

nach <strong>Trinitatis</strong> lässt deutlich den thematischen<br />

Fokus dieses Sonntags erkennen: Der<br />

Menschensohn ist gekommen, zu suchen und<br />

selig zu machen, was verloren ist (Lk 19, 10).<br />

Dieser Vers, das Fazit der Zachäus-Perikope<br />

im Lukasevangelium, bringt es auf den<br />

Punkt: Jesus geht zu den Verlorenen, nicht<br />

zu denen, die sich schon gefunden haben. An<br />

den Motiven des Suchens und Findens wird<br />

nachvollziehbar, was Jesus unter Barmherzigkeit<br />

versteht. Das Gleichnis vom verlorenen<br />

Sohn (Lk 15, <strong>11</strong>-32), das auch zu den<br />

Texten dieses Sonntags gehört (Predigtreihe<br />

III), macht es beispielhaft deutlich, dass es<br />

für Jesus keine Verlorenen gibt. Im Gegenteil:<br />

Diejenigen, die andere schon längst aufgegeben<br />

haben, sind die Menschen, die Jesus<br />

zuallererst zu finden sucht.<br />

Dem Gleichnis vom verlorenen Sohn gehen<br />

im Lukasevangelium zwei weitere Gleichnisse<br />

voraus, die in den thematischen<br />

Zusammenhang des Suchens und Findens<br />

gehören: das Gleichnis vom verlorenen Schaf<br />

(15, 1-7) und das Gleichnis vom verlorenen<br />

Groschen (15, 8-10). Der Hirte lässt um des<br />

einen Schafes willen, das sich verirrt hat, die<br />

99 anderen allein. Weil ihm gerade dieses<br />

eine Schaf am Herzen liegt, geht der Hirte<br />

ihm nach, bis er es gefunden hat. Die Frau,<br />

die einen ihrer zehn Silbergroschen verloren<br />

hat, setzt alles daran, diesen wieder zu finden.<br />

Die beiden Gleichnisse zeigen: Jesus hat eine<br />

hohe Wertschätzung für das Einzelne (vgl.<br />

dazu auch die Parallele Mt 18, 14). Beide<br />

Gleichnisse verbindet die Freude, die am<br />

Ende steht. Sie ist Folge und somit Frucht<br />

des Wiederfindens. Die Freude am Finden<br />

des Verlorenen ist das entscheidende Argument<br />

gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten,<br />

die an Jesu Mahlgemeinschaft und<br />

Umgang mit Zöllnern und Sündern Anstoß<br />

nehmen.<br />

Jesus ist somit selbst die Auslegung seiner<br />

Gleichnisse (Eduard Schweizer zur Stelle). An<br />

seinem Verhalten zu den Outcasts seiner Zeit<br />

wird deutlich, was einen guten Hirten ausmacht:<br />

Die Liebe gibt keinen auf. Und deshalb<br />

handelt gerade derjenige verantwortungsethisch,<br />

der sich von ihr leiten lässt und<br />

nicht von einem Kalkül, das die 99 anderen<br />

zu dem einen ins Verhältnis setzt und in der<br />

Abwägung den 99 mehr Gewicht gibt. Die<br />

Pointe des Textes besteht also darin, dass das<br />

Verhalten des Hirten gerade nicht unvernünftig<br />

ist. Denn die Freude stellt sich erst<br />

dann ein, wenn das eine Schaf gefunden und<br />

damit die Herde wieder komplett ist. Damit<br />

klingt auch bei Lukas an, was Paulus als<br />

Charakteristikum derjenigen bestimmt, die<br />

in der Nachfolge des guten Hirten die gute<br />

Botschaft verkünden: GehilfInnen der Freude,<br />

und nicht Herren über den Glauben zu sein<br />

(2 Kor 1, 24).<br />

Drinnen oder draußen?<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

Der Verfasser betrachtet alle genannten Bibeltexte. Stichworte zur<br />

Nachhaltigkeit: Wertschätzung für das Einzelne, Freude am Wiederfinden,<br />

entscheidend für Jesus ist nicht statistische Ökonomik, sondern<br />

Liebe / welche Schafe sind bei uns außerhalb der Herde geraten? Armut<br />

bedeutet „draußen sein“ – die Verantwortung für die Situation wird nicht<br />

dem Schaf überlassen, Sozialstaat und Rahmenbedingungen (Lk 15);<br />

krankmachende / todbringende gesellschaftliche Strukturen ausgleichen<br />

(kath. Perikopen)<br />

Die Auslegung des Gleichnisses vom verlorenen<br />

Schaf (oder in anderer Pespektive: vom<br />

suchenden Hirten) unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten<br />

wirft die Frage auf, wer denn<br />

bei uns heute in sozialer Hinsicht außerhalb<br />

der Herde geraten ist. Zuallererst fallen mir<br />

dazu Langzeitarbeitslose und Kinder aus bildungsfernen<br />

Schichten ein. Der Entwurf des<br />

dritten Armuts- und Reichtumsberichts der


Bundesregierung, der im Mai 2008 erschienen<br />

ist, spricht davon, dass die Schere zwischen<br />

Arm und Reich weiter auseinandergegangen<br />

ist. 13% der bundesdeutschen Bevölkerung<br />

sind nach der gängigen Armutsdefinition<br />

der EU als arm zu bezeichnen. Weitere<br />

13% wären es auch, wenn sie keine staatlichen<br />

Sozialtransfers erhielten. Besonders<br />

betroffen sind die Familien von Alleinerziehenden<br />

und MigrantInnen. Selbst diejenigen,<br />

die Arbeit haben, sind nicht mehr vor<br />

dem Abrutschen in Armut sicher. Dafür spricht<br />

das Anwachsen der sog. „working poor“, d. h.<br />

derer, die im Niedriglohnsegment beschäftigt<br />

sind und trotz ihrer Arbeit auf aufstockende<br />

Transferzahlungen angewiesen sind.<br />

Armut ist dabei keinesfalls mehr eine Frage<br />

der unteren Gesellschaftsschichten. Weil<br />

diese auch die Mittelschicht erfasst hat und<br />

quer zu der sozialen Segmentierung liegt,<br />

haben die Soziologen Heinz Bude und<br />

Andreas Willisch den Vorschlag gemacht,<br />

nicht mehr von oben und unten, sondern von<br />

drinnen und draußen zu sprechen. Gerade in<br />

dieser Perspektive wird deutlich: Armut<br />

bedeutet mehr als geringes Einkommen.<br />

Armut kulminiert in mangelnder Teilhabe an<br />

den Chancen und Möglichkeiten unserer<br />

Gesellschaft. Darauf hat auch die Denkschrift<br />

des Rates der EKD zur Armut in Deutschland<br />

mit dem Titel „Gerechte Teilhabe“ aufmerksam<br />

gemacht. Die Debatte um gesellschaftliche<br />

Teilhabe weist auf die vielen<br />

unterschiedlichen Facetten der Armut in<br />

einem reichen Land hin, nämlich in Hinsicht<br />

auf Ernährung, Bildungschancen, Gesundheit<br />

und Altersvorsorge. Die PISA-Studien<br />

belegen im Übrigen, dass sich die Bildungseliten<br />

aus sich selbst heraus reproduzieren<br />

und schlechte Bildungschancen sich genauso<br />

„vererben“ wie die guten.<br />

Vor diesem Hintergrund gewinnt das<br />

Gleichnis vom verlorenen Schaf an besonderer<br />

Aktualität. Das gestiegene Risiko der<br />

gesellschaftlichen Exklusion zeigt, dass auch<br />

in Deutschland die Chancen und Risiken der<br />

Globalisierung ungleich verteilt sind. Die<br />

einen genießen – mehr oder weniger zufällig –<br />

den Vorteil, der richtigen Generation anzugehören,<br />

die richtigen Eltern und deshalb die<br />

richtige Qualifikation sowie den richtigen<br />

Job in der richtigen Firma am richtigen Ort<br />

zu haben. Wer dieses Glück nicht hat, läuft<br />

Gefahr, abgehängt zu werden, und d.h.<br />

28.06.09<br />

immer mehr im Niedriglohnsegement bzw.<br />

in Arbeitslosigkeit zu landen.<br />

Der Umbau zum aktivierenden Sozialstaat<br />

hat in den letzten Jahren dazu geführt, die<br />

Verantwortung für die negativen Auswirkungen<br />

des Globalisierungsprozesses einseitig<br />

denen aufzubürden, die von seinen<br />

Segnungen am wenigsten profitieren. Die<br />

Armutsfrage verschärft sich somit durch das<br />

gesellschaftliche Auseinanderdriften von<br />

GlobalisierungsgewinnerInnen und -verlierer-<br />

Innen. Sowohl das Gleichnis vom verlorenen<br />

Schaf als auch die Exklusionsdebatte lenken<br />

unseren Blick auf die, die draußen sind, auf<br />

die „Überflüssigen“ und Abgehängten. In der<br />

Sichtweise des guten Hirten geht es darum,<br />

wie diejenigen, die draußen sind, wieder in<br />

die Gesellschaft hereingeholt werden können.<br />

Das Gleichnis vom verlorenen Schaf setzt<br />

diesbezüglich Maßstäbe: es entkoppelt die<br />

Sorge für die Exkludierten von jedem<br />

Kosten-Nutzen-Kalkül: Schon ein einziges<br />

Schaf, das draußen ist, ist Grund genug, sich<br />

auf die Suche zu machen. Die Liebe ist für<br />

den Hirten Antrieb und Motiv, die Freude ist<br />

die Belohnung für beide.<br />

Für Jesus gibt es also keine verlorenen<br />

Fälle. Was bedeutet dies für die Herausforderung<br />

von Teilhabegerechtigkeit und<br />

Inklusion? Zuerst gilt es die, die draußen stehen,<br />

wirklich wahrzunehmen und nicht zu<br />

übersehen. Dazu braucht es den ersten Schritt<br />

aus der Vertrautheit der 99 heraus. Dort ist<br />

der Glaube als sorgender und deshalb aufsuchender<br />

Glaube gefragt. Das Diakonische<br />

Werk der EKHN hat in seiner Stellungnahme<br />

zum Entwurf des dritten Armuts- und<br />

Reichtumsberichts der Bundesregierung Vorschläge<br />

gemacht. Es braucht Lösungen, die<br />

den betroffenen Familien und ihren Kindern<br />

helfen. Die Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze<br />

um 20% könnte ein erster Schritt sein,<br />

ist aber noch nicht des Rätsels endgültige<br />

Lösung. Vielmehr ist gerade im Sinne der<br />

Nachhaltigkeit eine Verbesserung der Kinderbetreuung<br />

und der schulischen Bildung (z. B.<br />

durch Ganztagsschulen) gefordert. Zur Begrenzung<br />

des Niedriglohnsektors und zur<br />

Lösung des Problems der Langzeitarbeitslosigkeit<br />

müssen mehr öffentlich geförderte<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden.<br />

Im Übrigen betrifft die Aufgabe der<br />

Inklusion nicht nur den Hirten. Vielmehr 97


98<br />

28.06.09<br />

Zur Gewährleistung des<br />

sozialen Friedens, an dem<br />

auch die Reichen ein<br />

Interesse haben dürften,<br />

gehört deshalb<br />

Teilhabegerechtigkeit für alle.<br />

Weish 1, 13-15; 2, 23-24<br />

2 Kor 8, 7.9.13-15<br />

Mk 5, 21-43<br />

sind auch die gut situierten unter den 99<br />

Schafen gefragt, die sich (noch) in Sicherheit<br />

befinden. Das Diakonische Werk der EKHN<br />

weist darauf hin, dass es um der Handlungsfähigkeit<br />

des Sozialstaats willen auch um<br />

steuerpolitische Fragen (z. B. Erbschafts- und<br />

Vermögenssteuer) und d. h. um die Solidarität<br />

der Wohlhabenden und Reichen mit den<br />

Armen geht. Zur Gewährleistung des sozialen<br />

Friedens, an dem auch die Reichen ein<br />

Interesse haben dürften, gehört deshalb<br />

Teilhabegerechtigkeit für alle.<br />

So sei noch einmal auf das paulinische Leitbild<br />

von Kirche als Leib mit vielen Gliedern<br />

verwiesen (1 Kor 12), das sich auch auf die<br />

Gesellschaft anwenden lässt. Damit der Gesamtorganismus<br />

funktioniert, braucht es<br />

konstitutiv jedes einzelne Glied. Und gerade<br />

die, die die Schwächsten zu sein scheinen,<br />

sind die Nötigsten (1 Kor 12, 22). Weil alle<br />

anderen Glieder mitleiden, wenn ein Glied<br />

leidet (1 Kor 12, 26), deshalb sieht der gute<br />

Hirte (im Sinne von good governance) auf<br />

jedes einzelne: damit sich alle freuen können.<br />

Weish 1, 13-15; 2, 23-24 /<br />

2 Kor 8, 7.9.13-15 / Mk 5, 21-43<br />

Die beiden neutestamentlichen Texte für<br />

den 13. Sonntag im Jahreskreis verstehe ich<br />

als Fortführung und Verdeutlichung des Verses<br />

aus dem Buch der Weisheit: Denn Gott<br />

hat den Tod nicht gemacht und hat keine<br />

Freude am Untergang der Lebenden (1, 13).<br />

Mk 5, 21-43 zeigt Jesus als den Herrn über<br />

Leben und Tod. Er heilt den Blutfluss der<br />

Frau, die ihn bedrängt, als er schon unterwegs<br />

zur todkranken Tochter des Synagogenvorstehers<br />

Jairus ist. Diese weckt er vom Tod<br />

wieder auf. Vor dem Hintergrund des<br />

Gegensatzes zwischen Leben und Tod lesen<br />

sich diese beiden Episoden wie Inklusionsgeschichten<br />

der besonderen Art. Auch hier<br />

tritt Jesus als der gute Hirte in Erscheinung,<br />

der die Menschen, die draußen sind, wieder<br />

in die Gemeinschaft zurückholt. Das gilt<br />

sowohl für die kranke Frau als auch für das<br />

vom Tod auferweckte Mädchen. Die namenlose<br />

Frau, die 12 Jahre unter dem Blutfluss<br />

litt, war zur permanenten Unreinheit und damit<br />

zu einer Außenseiterposition verdammt.<br />

Alle ihre Bemühungen, dies zu ändern, scheiterten.<br />

Die Ärztehonorare haben sie finanziell<br />

ruiniert. Erst als es ihr gelingt, Jesus im<br />

Vorübergehen zu berühren, erfährt sie durch<br />

ihn am eigenen Körper Heilung. Ihr Glaube<br />

an den Heiland hat die Reintegration in die<br />

Gesellschaft möglich gemacht.<br />

Als Inklusionsgeschichten gelesen, lenken<br />

die beiden Perikopen unseren Blick auf<br />

krankmachende und todbringende Strukturen<br />

unserer Gesellschaft. Solche sind z. B. die von<br />

den Armuts- und Reichtumsberichten der<br />

Bundesregierung monierten „deutschen Realitäten“,<br />

zumal eine Facette von Armut auch<br />

eine schlechtere Gesundheitsversorgung darstellt.<br />

Wo es gelingt, verfestigte Strukturen<br />

von Armut und Ausgrenzung zu durchbrechen,<br />

dort wird Heilung im umfassenden<br />

Sinn erfahrbar: sowohl auf individueller als<br />

auch auf gesellschaftlicher Ebene.<br />

Die Verse aus dem 2. Korintherbrief beziehen<br />

sich auf die von Paulus auf dem Apostelkonzil<br />

mit seinen Kollegen ausgehandelte<br />

Kollekte für die Jerusalemer Armen (vgl.<br />

Gal 2, 10). Die Kollekte, die er jetzt der<br />

Gemeinde in Korinth ans Herz legt, ist für<br />

ihn ein Akt der Geschwisterlichkeit, denn sie<br />

zielt auf den Ausgleich zwischen Arm und<br />

Reich innerhalb der einen grenzüberschreitenden<br />

christlichen Gemeinschaft.<br />

Dahinter steht auch hier die paulinische<br />

Konzeption von der christlichen Gemeinde<br />

als Körper. Seine unterschiedlichen Glieder<br />

sind alle aufeinander verwiesen. Wo ungleiche<br />

Verhältnisse herrschen, dort ist die paulinische<br />

Argumentation darauf ausgerichtet,<br />

dass der Überfluss der einen zum Beheben<br />

des Mangels der anderen beitragen möge.<br />

Das Modell von Paulus basiert auf dem<br />

Prinzip der Gerechtigkeit, auch wenn dieser<br />

Begriff hier nicht fällt. Der Prozess des gerechten<br />

Ausgleichs ist jedoch nicht einseitig,<br />

sondern auf Gegenseitigkeit hin angelegt: Im<br />

Augenblick soll euer Überfluss ihrem Mangel<br />

abhelfen, damit auch ihr Überfluss einmal<br />

eurem Mangel abhilft. So soll ein Ausgleich<br />

entstehen (2 Kor 8, 14). D. h. die, die mehr<br />

haben, profitieren letztendlich auch von den<br />

Armen. Paulus denkt also <strong>nachhaltig</strong>! Wie<br />

könnte daraus eine Handlungsmaxime für<br />

arme Hungernde und reiche Übersättigte, für<br />

die wohlhabenden Länder des Nordens und<br />

die überschuldeten Länder des Südens, für<br />

multinationale Pharmakonzerne und die ver-


armten Aidskranken in den Ländern der<br />

Dritten Welt werden?<br />

Literatur:<br />

Heinz Bude, Die Ausgeschlossenen, Das Ende<br />

vom Traum einer gerechten Gesellschaft,<br />

München 2008.<br />

Heinz Bude / Andreas Willisch (Hg.), Exklusion.<br />

Die Debatte über die „Überflüssigen“, Frankfurt<br />

am Main 2008.<br />

Kirchenamt der EKD (Hg.), Gerechte Teilhabe.<br />

Befähigung zu Eigenverantwortlichkeit und<br />

Solidarität. Eine Denkschrift des Rates der EKD<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

zur Armut in Deutschland, Gütersloh 2006.<br />

Eduard Schweizer, Das Evangelium nach Lukas<br />

(NTD, Bd.3), Göttingen 18. Aufl. 1982.<br />

Jean Ziegler, Das Imperium der Schande. Der<br />

Kampf gegen Armut und Unterdrückung,<br />

München 2005.<br />

Dr. Gunter Volz, Frankfurt am Main<br />

Der Verfasser betrachtet die ev. Predigtperikope ausführlich sowie die<br />

Bibelstelle zur kath. 1. Lesung. Stichworte zur Nachhaltigkeit: im Hinblick<br />

auf den Klimawandel mit Blindheit geschlagen sein und auf die<br />

Blindheit der anderen weisen, den eigenen Lebensstil auf den Prüfstand<br />

stellen – meine Aktivitäten, mein Bedarf, meine Unterstützung der<br />

Ausbeutung durch Auswahl meiner Konsumartikel, Strategien zur Ko-<br />

Existenz entwickeln (Lk 6); aufrecht / aufrichtig sein – als Voraussetzung<br />

für alles Weitere (Ez 1)<br />

28.06.09<br />

05.07.09<br />

ev. Reihe I: Lk 6, 36-42 kath. 1. L.: Ez 1, 28b-2, 5 kath. 2. L.: 2 Kor 12, 7-10 kath. Evang.: Mk 6, 1b-6<br />

Lukas 6, 36-42 „Seid barmherzig, wie<br />

auch euer Vater barmherzig ist“<br />

Unser Predigttext ist Teil der lukanischen<br />

Bergpredigt: Lk 6, 20-49, die im Allgemeinen<br />

als Feldrede bezeichnet wird, da sie Jesus<br />

hält, nachdem er vom Berg hinabgestiegen<br />

ist (V. 17). Ihre Hauptteile, das Gebot der<br />

Feindesliebe (Vv 27-35) und Einzelermahnungen<br />

(Vv 36-45), werden gerahmt von<br />

vier Seligpreisungen (Vv 20-23) und vier<br />

Weherufen (Vv 24-26) sowie der Aufforderung<br />

zum Handeln (Vv 46-49). „Im Kontext<br />

des Lukasevangeliums bildet diese Rede<br />

die Grundunterweisung Jesu, die den Aposteln<br />

und Jüngern zur Weitergabe in der Kirche und<br />

über sie hinaus anvertraut ist“ (Kremer, S. 71).<br />

Jesus spricht wie ein Prophet die Jünger<br />

direkt in der zweiten Person an: „Selig seid<br />

ihr Armen …“ (V. 20), „Weh euch Reichen …“<br />

(V. 24), „Seid barmherzig …“ (V. 36). Aber<br />

14. Sonntag im Jahreskreis / 4. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

nicht nur die Jünger, die mit Jesus umhergezogen<br />

sind, nicht nur die Hörer der urchristlichen<br />

Gemeinde, für die Lukas sein Evangelium<br />

schrieb, sondern wir Christen heute,<br />

ich selbst bin mit der direkten Anrede Jesu<br />

gemeint. Mich spricht Jesus an, mir redet er<br />

leidenschaftlich wie ein Freund ins Herz!<br />

Die Seligpreisungen (Vv 20-23) in ihrer<br />

geschärften Klarheit, die kein Wenn und<br />

Aber kennen, sind die prophetische Ankündigung<br />

der Umkehrung der Lebenssituation,<br />

einer grundsätzlichen Änderung der Wirklichkeit,<br />

die gekennzeichnet ist von Armut<br />

und Hunger, Elend und Hass. Aber was hat<br />

sich seitdem in 2.000 Jahren geändert?<br />

Nichts? Die Antwort darauf sind die Warnungen<br />

der Weherufe (Vv 24-26), die uns,<br />

die mich meinen; sie sind Aufrufe zur<br />

Umkehr: Wenn ihr umkehrt, dann werden<br />

sich die Verheißungen erfüllen! Es kann sich<br />

nur was ändern, wenn wir es tun, wenn ich es<br />

Lk 6, 36-42<br />

Die Seligpreisungen sind<br />

die prophetische Ankün-<br />

digung der Umkehrung der<br />

Lebenssituation.<br />

99


100<br />

05.07.09<br />

Nur das Brot, das ich mit<br />

anderen Menschen teile,<br />

kann sich vermehren. Nur<br />

geteiltes Leben kann zum<br />

Leben im Überfluss werden.<br />

tue: „Was nennt ihr mich aber Herr, Herr,<br />

und tut nicht, was ich euch sage?“ (V. 46).<br />

Unserem Abschnitt voraus geht das Gebot<br />

der Feindesliebe: „Aber ich sage euch, die ihr<br />

zuhört: Liebt eure Feinde; tut wohl denen,<br />

die euch hassen; segnet, die euch verfluchen;<br />

bittet für die, die euch beleidigen“ (Vv 27 f.).<br />

Ausführlich wird dargelegt, was das konkret<br />

bedeutet, u. a. die Goldene Regel in positiver<br />

Fassung zitiert (V. 31). Am Ende des Abschnitts<br />

ruft Jesus nochmals auf: „… liebt<br />

eure Feinde; tut Gutes und leiht, wo ihr<br />

nichts dafür zu bekommen hofft. So wird<br />

euer Lohn groß sein und ihr werdet Kinder<br />

des Allerhöchsten sein; denn er ist gütig<br />

gegen die Undankbaren und Bösen“ (V. 35).<br />

Unser Predigttext ist eine Konkretisierung<br />

des Gebotes der Nächsten- und Feindesliebe;<br />

dabei hat Lukas die urchristliche Gemeinde<br />

und ihr Zusammenleben im Blick (Kremer,<br />

S. 77). Er will mit Jesu Worten Wege weisen,<br />

wie mit Spannungen, Streitigkeiten, wie mit<br />

Feindschaft in der Gemeinde, aber auch über<br />

sie hinaus umzugehen ist:<br />

Im Zentrum steht dabei die Barmherzigkeit:<br />

„Seid barmherzig, wie auch euer<br />

Vater barmherzig ist“ (V. 36). Eine Barmherzigkeit,<br />

die Maß nimmt an der Barmherzigkeit<br />

Gottes. So wie Gott mir gegenüber<br />

barmherzig ist, soll auch ich barmherzig sein<br />

mit dem Nächsten, mit meinem Feind.<br />

Barmherzigkeit befähigt mich, in meinem<br />

Feind den Menschen zu sehen, in ihm das<br />

einzigartige Geschöpf Gottes, das Kind<br />

Gottes, das Gott so liebt, wie er mich selbst<br />

liebt. Barmherzigkeit mit dem Nächsten,<br />

mit meinem Feind setzt aber voraus, dass ich<br />

auch – und zuerst – mit mir selbst barmherzig,<br />

mir selbst kein Feind bin und mich<br />

annehmen kann, wie ich bin, mich selbst lieben<br />

kann. Ich kann das, weil, „wenn uns unser<br />

Herz verdammt, Gott größer ist als unser<br />

Herz und erkennt alle Dinge“ (1 Joh 3, 20).<br />

Er verhilft mir dazu, eins mit mir selbst zu<br />

sein. Man könnte V. 36 deshalb ergänzen: Seid<br />

eins mit euch selbst, wie euer Vater im<br />

Himmel es ist!<br />

Der Barmherzige ist der, der nicht richtet,<br />

d. h. nicht verurteilt. Das steht uns nicht zu!<br />

Das ist Gottes Sache! Bei Johannes heißt es<br />

aber auch von Jesus: „… ich bin nicht<br />

gekommen, dass ich die Welt richte, sondern<br />

dass ich die Welt rette“ (Joh 12, 47). Von<br />

Sufimeister Rumi (1207-1273) wird folgen-<br />

des Wort überliefert: „Draußen hinter den<br />

Ideen von rechtem und falschem Tun liegt<br />

ein Acker. Wir treffen uns dort“ (zitiert nach<br />

Pierre Stutz). In diesen Worten ist eine<br />

Grundhaltung ausgedrückt, die wahrnehmen<br />

will, ohne zu bewerten, zu beurteilen – zu<br />

verurteilen. Ähnlich ist das im Gleichnis Jesu<br />

vom Unkraut und vom Weizen ausgedrückt:<br />

„Lasst beides miteinander wachsen bis zur<br />

Ernte“ (Mt 13, 30). Wahrnehmen, ohne zu<br />

bewerten und zu verurteilen. Schauen, was<br />

ist. Annehmen, was ist. Da muss ich zunächst<br />

auf mich selbst schauen, auch wahrnehmen<br />

und annehmen, was mir gar nicht gefällt,<br />

meine Schwächen und Fehler, meine Neigungen,<br />

die mich dahin führen, wohin ich<br />

nicht will. Das alles ist Teil meines Selbst, zu<br />

dem Gott schon immer Ja gesagt hat. Und<br />

was ich angenommen habe, das kann sich<br />

auch verwandeln – in pures Leben. Nicht richten,<br />

nicht verurteilen – ein guter Weg, sich<br />

mit sich selbst zu versöhnen. Nicht richten,<br />

nicht verurteilen – ein guter Weg, auch Versöhnung<br />

mit anderen Menschen zu schaffen.<br />

„Vergebt, so wird euch vergeben“ (V. 37).<br />

Keiner ist ohne Schuld. Auch ich habe andere<br />

Menschen verletzt. Barmherzigkeit befähigt<br />

mich, meinen Feind nicht nur als Täter,<br />

sondern auch als Opfer, als Verletzten zu<br />

sehen. Das mag mir helfen, ihm zu vergeben.<br />

Vergebung stiftet neue Beziehungen zwischen<br />

Menschen, stiftet neue Lebensmöglichkeiten<br />

unter Menschen, verlebendigt das<br />

Leben in einer Gemeinde. Versöhnung unter<br />

den Versöhnten ist ein Stück Erlösung unter<br />

den Erlösten. Und dort, wo Erlösung konkret<br />

wird, strahlt sie auch aus auf die nichtchristliche<br />

Umwelt.<br />

Und weiter: „Gebt, so wird euch gegeben.<br />

Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes<br />

Maß wird man in euren Schoß<br />

geben“ (V. 38). Dahinter verbirgt sich nicht<br />

mehr und nicht weniger als das Geheimnis<br />

des Lebens selbst: Nur das Brot, das ich mit<br />

anderen Menschen teile, kann sich vermehren.<br />

Nur geteiltes Leben kann zum Leben im<br />

Überfluss werden. Überall, wo ich mich<br />

selbst öffne und einem Menschen Anteil an<br />

mir selbst gebe, und überall, wo ich selbst<br />

Anteil nehme an einem anderen Menschen,<br />

der sich mir mit-teilt, überall dort wächst das<br />

Leben – wachsen Glaube, Hoffnung, Liebe<br />

(1 Kor 13, 13).<br />

Das Bild vom Blinden, der den Blinden


führt, führt mich auf mich selbst zurück, auf<br />

meine eigene Blindheit, auf meine mangelnde<br />

Einsicht, meine Erkenntnisunfähigkeit. Es<br />

meint vor allem den Mangel an Selbsterkenntnis,<br />

der im Mangel an Gotteserkenntnis<br />

gründet. Nur in der Begegnung mit Gott<br />

kann ich erkennen, wer ich selbst bin. Jesus<br />

ist der Weg der Gottes- und Selbsterkenntnis.<br />

Ihn zu suchen, sein Wort zu verstehen,<br />

ihm zu folgen – das ist der Weg aus der<br />

eigenen Blindheit. Erst dann kann ich auch<br />

anderen ein Führer aus ihrer Blindheit sein.<br />

Das Gleichnis vom Splitter im Auge des<br />

anderen und vom Balken im eigenen Auge<br />

macht mich auf die Gefahr der Selbstgerechtigkeit<br />

aufmerksam, der Heuchelei. Es<br />

ist die Blindheit, die Erkenntnis sein will,<br />

aber nur der Hochmut ist, der vor dem Fall<br />

kommt. Die Haltung, die sich selbst erhebt,<br />

überhebt über andere und den Morast im<br />

eigenen Innern nicht wahrhaben will. Es verbirgt<br />

sich dahinter auch die Spaltung von<br />

Wort und Tat, von Überzeugung und Leben:<br />

„Sie <strong>predigen</strong> Wasser und trinken Wein.“<br />

Hier geht es um das Leben in Übereinstimmung<br />

mit sich selbst, um die Einheit von<br />

Glaube und Tat in Erkenntnis der eigenen<br />

Grenzen, Mängel und Bedürftigkeit, um das<br />

„Ich bin, was ich tue“ (C.S. Lewis). Und Maß<br />

nehme ich dabei immer wieder neu, Tag für<br />

Tag an Jesus Christus, an seiner Liebe, seinem<br />

Wort, seinem Lebensbeispiel, seinem Handeln,<br />

um „vollkommen“ zu werden wie er (V. 40).<br />

Aspekte der Nachhaltigkeit<br />

Die Bilder von dem Blinden, der den<br />

Blinden führt, und vom Splitter und dem<br />

Balken lassen mich an den politischen und<br />

persönlichen Umgang mit Realität und<br />

Ursachen des Klimawandels denken. Sind<br />

wir nicht von Blindheit geschlagen? Stecken<br />

wir nicht den Kopf in den Sand vor den<br />

Konsequenzen der durch uns Menschen verursachten<br />

globalen Erderwärmung? Die klimatischen<br />

Veränderungen bleiben uns hier in<br />

den grünen und wasserreichen Breiten<br />

Mitteleuropas vielfach noch abstrakt – trotz<br />

vieler Bilder und Zeugnisse in den Medien.<br />

Und mit dem Finger auf die Blindheit der<br />

anderen zu zeigen – Die Politiker, die<br />

Wirtschaftsbosse, die Lobbyisten, der<br />

Kapitalismus sind schuld! –, ist leicht und<br />

entlarvende Selbstentlastungsstrategie.<br />

Aber wir leben alle in den wirtschaftlichen<br />

Verhältnissen der Wohlstandsgesellschaften<br />

des Westens mit ihrem enormen Energieund<br />

Ressourcenverbrauch. Wir selbst sind so<br />

verstrickt in die Lebensverhältnisse und den<br />

Lebensstil unserer Gesellschaft, dass wir<br />

selbst Ursache der Bedrohung des Lebens auf<br />

diesem Planeten sind.<br />

„Weh euch Ihr Reichen! Denn ihr habt<br />

euren Trost schon gehabt!“ (V. 24). Ich bin<br />

angesprochen. Ich muss was tun. Nur ich<br />

kann das tun, was nur ich tun kann! Und das<br />

heißt für mich, den eigenen Lebensstil, die<br />

eigene Lebensphilosophie, die eigenen Bedürfnisse<br />

und Interessen auf den Prüfstand zu<br />

stellen: mein persönlicher Energie- und<br />

Naturverbrauch, die Nutzung des Autos<br />

(Ideologie vom freien Bürger auf freien<br />

Straßen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung),<br />

meine Essgewohnheiten (Fleisch), meine<br />

Bedürfnisse an Kleidung (Quantität und Qualität),<br />

an Freizeitaktivitäten, mein Technikbedarf.<br />

Wo kaufe ich ein? Bin ich mir bewusst,<br />

dass mein Einkauf beim Discounter<br />

von anderen Menschen bezahlt wird (Formen<br />

von Ausbeutung durch geringe Löhne, unmenschliche<br />

Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit…)?<br />

Wie kann ich selbst so leben, dass ich<br />

weniger Energie und Lebensressourcen verbrauche,<br />

weniger das ökologische System dieser<br />

Welt belaste als bisher? Wie kann ich<br />

durch persönliches, soziales und politisches<br />

Engagement dazu beitragen, dass sich politische<br />

und wirtschaftliche Strukturen Leben<br />

zerstörender Ressourcenausbeutung ändern?<br />

Durch gemeinsames sozialethisches Handeln<br />

vieler, z. B. durch Kaufboykott, können auch<br />

Marktmechanismen verändert, humanisiert<br />

werden. Es geht hier um nicht weniger als<br />

eine neue Weise, das Leben mit anderen<br />

Menschen, das Leben mit allem, was auf dieser<br />

Erde lebt, zu teilen. Dazu bedarf es des<br />

Bewusstseins von der Einheit allen Lebens,<br />

„dass alles, was existiert, ko-existiert“ und<br />

„nur in der Koexistenz der Beziehung leben<br />

und überleben kann“ (Dorothee Sölle).<br />

Ez 1, 28b-2, 5: „Stell dich auf deine Füße,<br />

Menschensohn, ich will mit dir reden.“<br />

05.07.09<br />

Ez 1, 28b-2, 5<br />

Der Prophet Ezechiel erzählt von seiner<br />

Berufung im Rahmen einer Epiphanie: „Als<br />

ich diese Erscheinung sah, fiel ich nieder auf 101


102<br />

05.07.09<br />

Nicht von oben herab,<br />

sondern auf gleicher Höhe,<br />

auf Augenhöhe<br />

gewissermaßen will Gott<br />

mit seinem Menschen reden.<br />

12.07.09<br />

mein Gesicht“ (V. 28). Und der Herr sagt zu<br />

ihm: „Stell dich auf deine Füße, Menschensohn,<br />

ich will mit dir reden.“<br />

Ein ungemein beeindruckendes Bild: Der<br />

Mensch wirft sich „in Furcht und Zittern“<br />

vor seinem Gott nieder, und Gott will, dass<br />

er sich auf seine Füße stellt, sich auf-richtet,<br />

denn er will mit ihm reden. Er stellt den<br />

Menschen aufrecht vor sich hin, nicht<br />

gekrümmt, gebeugt, sondern mit geradem<br />

Rückgrat aufrecht zwischen Himmel und<br />

Erde, fest auf dem Boden stehend, ausgerichtet<br />

nach oben hin zum Himmel. Nicht von<br />

oben herab, sondern auf gleicher Höhe, auf<br />

Augenhöhe gewissermaßen will Gott mit seinem<br />

Menschen reden. So wie es seiner Würde<br />

als Geschöpf Gottes entspricht, in dem der<br />

Atem des Heiligen Geistes ein- und ausweht,<br />

mit jedem Atemzug, mit jedem Atemzug<br />

neu verlebendigend.<br />

Die Voraussetzung, dass Gott mit Ezechiel<br />

redet, ist sein Aufrecht-Sein vor Gott, sein<br />

Gerad-Sein vor Gott! Gott sieht in ihm sein<br />

Ebenbild, sein Abbild, der Mensch ist von<br />

seiner Art, von seiner Würde! Gott achtet die<br />

Würde seines Menschen, den er liebt. Er ist<br />

der Gott der Menschenwürde und der<br />

Menschenrechte!<br />

Und dieses Gerad-Sein meint auch ein<br />

15. Sonntag im Jahreskreis / 5. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

Ganz-Sein vor Gott (Gen 17, 1: „Geh vor mir<br />

her und sei ganz!“), ein inneres Eins-Sein, das<br />

befähigt, ganz in Übereinstimmung mit sich<br />

selbst die Einheit von Glaube und Tat zu<br />

leben. Gott schenkt dieses Ganz-Sein. Und es<br />

ist die Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit<br />

der Verkündigung: „Ob sie dann<br />

hören oder nicht – denn sie sind ein widerspenstiges<br />

Volk –, sie werden erkennen müssen,<br />

dass mitten unter ihnen ein Prophet<br />

war“ (Ex 2, 5).<br />

Thomas Bettinger, Landstuhl<br />

Quellen:<br />

Jakob Kremer: Lukasevangelium, Reihe: Die<br />

Neue Echter Bibel, Kommentar zum Neuen Testament<br />

mit der Einheitsübersetzung, Bd. 3, Echter-<br />

Verlag, Würzburg 1988<br />

Pierre Stutz: Vom Umgang mit Ungerechtigkeiten<br />

in meinem Leben, Vortrag am 25. Mai 2006<br />

beim 96. Deutschen Katholikentag in Saarbrücken<br />

Dorothee Sölle: Mystik und Widerstand – „Du<br />

stilles Geschrei“, Piper-Verlag, 2006<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

ev. Reihe I: Lk 5, 1-<strong>11</strong> kath. 1. L.: Am 7, 12-15 kath. 2. L.: Eph 1, 3-14 oder kurz Eph 1, 3-10 kath. Evang.: Mk 6, 7-13<br />

Am 7, 12-15<br />

Die Autorin betrachtet die Bibelstellen der kath. Leseordnung. Stichworte<br />

zur Nachhaltigkeit: den Mund aufmachen, auch auf die Gefahr hin, nicht<br />

gehört zu werden / Nord-Süd-Konflikt, soziale Ungerechtigkeiten (Am 7);<br />

der Mensch hat schon in sich, was er zur Bewahrung der Schöpfung benötigt<br />

... er soll seine Kreativität und seinen Verstand nutzen, Lebensstile<br />

auf Kosten anderer (Eph 1) sowie zahlreiche Impulse / Anstöße zu den Versen<br />

aus Mk 6, die hier nicht nochmals aufgeführt werden<br />

Amos 7, 12-15<br />

Exegetische Anmerkungen<br />

Amos wird angegriffen für das, was er prophezeit,<br />

und des Landes verwiesen. Seine Pro-<br />

phetie ist nicht erwünscht, weil sie in dieser<br />

radikalen Form nicht wahrgenommen und<br />

angenommen werden will. Die Regierenden<br />

befürchten, dass hinter den Worten des Amos<br />

judäische, dem Nordreich feindlich gesinnte<br />

Kreise stecken, die Amos mit Geld bestochen


haben. Amos ist aber kein Berufsprophet,<br />

sondern ein Berufungsprophet. Er lebt nicht<br />

von seinem Prophetentum, denn sein Broterwerb<br />

ist die Viehzucht und Landwirtschaft.<br />

Jahwe selbst sei es, der ihn, – so wörtlich –<br />

„von hinter der Herde wegpackte“.<br />

Predigtgedanken<br />

Wer sagt, was unbequem, radikal ist, die<br />

bestehende Ordnung und Sicherheit in Frage<br />

stellt, hat es oft schwer, mit seinen Worten<br />

anzukommen und gehört zu werden. Die Ungerechtigkeit,<br />

dass viele Reichen immer reicher<br />

werden und viele Armen immer ärmer,<br />

bringt Unheil, z. B. Nord-Süd-Konflikt,<br />

gesellschaftliche Ungerechtigkeit in unserem<br />

Land. Wenn alle Menschen auf der Welt so<br />

viel Rohstoffe und Ressourcen verbrauchen<br />

würden wie wir in westlichen Ländern,<br />

würde dieser Standard nicht mehr möglich<br />

sein. Ist er überhaupt notwendig, gerecht<br />

und verantwortbar? Menschen, die immer<br />

wieder den Finger in die Wunde legen, die<br />

auf drastische Auswirkungen der Raubbaus<br />

mit den Gütern der Welt und der Schöpfung<br />

aufmerksam machen, werden oft nicht gehört,<br />

für Spinner und Schwarzmaler gehalten.<br />

Wer spürt, dass ihm eine Botschaft von Gott<br />

gegeben ist, die nicht aus seinen eigenen<br />

Interessen kommt, der kann die Erfahrung<br />

machen, dass er nicht gehört werden will.<br />

Wie viele werden dafür bezahlt, dass sie nach<br />

dem Mund der Einflussreichen reden;<br />

Lobbyisten in unserer Zeit?<br />

Quelle:<br />

A. Deissler, Hosea, Joel, Amos, St. Benno Leipzig<br />

1985<br />

Eph 1, 3-14<br />

Exegetische Bemerkungen<br />

Ein Großteil der Bibelwissenschaftler geht<br />

davon aus, dass Paulus den Epheserbrief nicht<br />

selbst verfasst hat. Er soll einige Zeit nach<br />

seinem Tod entstanden sein und in paulinischer<br />

Tradition weitergeführt worden sein.<br />

Die Verse 3-14 im 1. Kapitel sind als ausführlicher<br />

Lobpreis Gottes gestaltet, nach<br />

Vorlage eines antiken Briefes. Die Kompaktheit<br />

der zentralen Heilsbotschaft und hymnisch<br />

überladene Sprache lassen den Text beim<br />

einmaligen Lesen kompliziert erscheinen.<br />

Zentrale Kernaussagen des Textes:<br />

1. Gott hat uns schon immer geliebt und<br />

will unser Heil.<br />

2. Durch Christus sind wir erlöst und<br />

gerettet.<br />

3. Durch den Heiligen Geist gehören wir<br />

jetzt schon zu Gott.<br />

Anmerkungen aus der Sicht der Nachhaltigkeit<br />

12.07.09<br />

Aus der festen Zusage und Überzeugung<br />

des Verfassers, dass jeder Mensch zuerst von<br />

Gott geliebt ist, ergibt sich, dass jeder<br />

Mensch die Aufgabe im Leben hat, darauf Der Mensch trägt in sich,<br />

Antwort zu geben. Das kann nur in Solidarität<br />

mit allen Menschen der Welt gesche- was er zur Bewahrung der<br />

hen und nicht auf Kosten der sog. „Dritten<br />

Welt“. Das, was der Mensch tut, soll zum Schöpfung und zur<br />

„Lob seiner (Gottes) herrlichen Gnade“ (V. 6a)<br />

geschehen. Somit ist es nicht mit einem Gerechtigkeit unter den<br />

Lebensstil vereinbar, der auf Kosten anderer<br />

geht, ein Lebensstil, der in Kauf nimmt, dass Menschen einbringen kann.<br />

durch ungerechte Verteilung der Güter,<br />

Menschen ihrer Existenzgrundlage entzogen<br />

werden. In und an uns Menschen muss ablesbar<br />

sein, dass wir als Gottes Söhne und<br />

Töchter leben. Gott will das Heil der<br />

Menschen und damit das Heil aller Menschen<br />

und Geschöpfe, und nicht nur derer, die gerade<br />

diesen Text lesen.<br />

„Mit aller Weisheit und Einsicht reich<br />

beschenkt“ – das könnte in der Predigt als<br />

Aufhänger genommen werden, dass der<br />

Mensch in sich trägt, was er zur Bewahrung<br />

der Schöpfung und zur Gerechtigkeit unter<br />

den Menschen einbringen kann. Jeder Mensch<br />

darf und soll kreativ sein und soll seinen<br />

Verstand benutzen.<br />

Es ist klar, dass nicht jeder Mensch die Eph 1, 3-14<br />

Möglichkeit hat, Großprojekte anzutreiben,<br />

zur gerechteren Verteilung der Güter und<br />

zum fairen Umgang mit den Ressourcen auf<br />

der Welt. Allerdings kann sich jeder Mensch<br />

überlegen, wo er in seinem begrenzten<br />

Bereich Möglichkeit hat, Schöpfung zu<br />

bewahren, z. B. durch Art und Weise des<br />

Aufbaus und der Pflege des eigenen Gartens,<br />

neue Lebensräume für Tiere zu schaffen, Verzicht<br />

auf Einsatz von chemischen Mitteln, ...<br />

Wichtig bei allem ist, nicht die moralische<br />

Keule zu schwingen, sondern aus der Liebe<br />

Gottes zu seinen Geschöpfen die eigene Ver- 103


104<br />

Mk 6, 7-13<br />

12.07.09<br />

Einsatz für Gerechtigkeit<br />

und Frieden, für<br />

Nachhaltigkeit erfordert,<br />

dies nicht nur in Worten zu<br />

tun, sondern auch Taten<br />

folgen zu lassen.<br />

antwortlichkeit herauszuspüren und wahrzunehmen.<br />

Ermutigung soll im Vordergrund<br />

stehen, und positive Handlungsoptionen sollen<br />

aufgezeigt werden.<br />

Mk 6, 7-13<br />

Biblischer Hintergrund<br />

Jesus ist in Galiläa unterwegs gewesen und<br />

hat das Reich Gottes verkündet. Dann kommt<br />

er wieder in seine Heimatstadt Nazareth<br />

zurück. Sein Auftreten und Wirken bleibt<br />

aber nicht ohne Widerspruch und Ablehnung.<br />

Nun beansprucht er seine Jünger und<br />

erteilt ihnen den ersten Missionsauftrag und<br />

startet damit einen neuen Anlauf seiner<br />

Verkündigung.<br />

Exegetische Anmerkungen und Impulse<br />

„V. 7 Er rief die Zwölf zu sich und sandte sie<br />

aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen die<br />

Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben.“<br />

Wenn die Jünger zu zweit ausgesandt werden,<br />

soll dies sowohl ein Zeichen für<br />

Gemeinschaft sein als auch die Glaubwürdigkeit<br />

erhöhen. Die Zwölf können<br />

gegenseitig Zeugen sein. Wer etwas erreichen<br />

will, schafft dies nicht im Alleingang.<br />

Jesus braucht seine Jünger, die im Namen<br />

Gottes unterwegs sein sollen.<br />

Unreine Geister – was können das sein?<br />

– Psychosomatische Krankheiten<br />

– Allmachtsvorstellungen von Menschen: Alles<br />

ist machbar<br />

– Vorstellungen von Menschen: nehmen und<br />

verbrauchen, solange die Rohstoffe, Ressourcen<br />

und Kapazitäten da sind, ohne Rücksicht<br />

auf Nachhaltigkeit und spätere Generationen<br />

– Gewissenlosigkeit: kein Gespür haben für<br />

die ganz persönliche Verantwortung, mit<br />

den Schätzen der Welt so umzugehen, dass<br />

es allen Menschen zum Leben dient.<br />

Impulse zum Nachdenken:<br />

– Wo suche ich nach Mitstreiterinnen und Mitstreitern<br />

in der Gemeinde oder in meinem<br />

Umfeld, um Projekte der Nachhaltigkeit<br />

durchzusetzen, z. B. im Pfarrgemeinderat<br />

beschließen, fair gehandelten Kaffee bei<br />

Gemeindefesten auszuschenken?<br />

– Jeder Christ hat eine Sendung und Berufung:<br />

Spüre ich den Auftrag an mich ganz<br />

persönlich, mich in der Gemeinschaft mit<br />

anderen für Nachhaltigkeit einzusetzen?<br />

„V. 8 Und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab<br />

nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot,<br />

keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, V. 9 kein<br />

zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen.“<br />

Jesus gebietet den Jüngern, nichts mitzunehmen,<br />

was über den Augenblick hinaus<br />

Sicherheit geben könnte. Die Jünger werden<br />

so die Erfahrung machen, abhängig zu sein<br />

und müssen auf Bequemlichkeiten verzichten.<br />

Durch diese Erscheinung soll deutlich<br />

werden, dass sie tatkräftiges Zeugnis für die<br />

Einfachkeit, Armseligkeit und Sorglosigkeit<br />

der christlichen Botschaft ablegen. Wort und<br />

Tat stimmen überein.<br />

Impulse zum Nachdenken<br />

– Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden, für<br />

Nachhaltigkeit erfordert, dies nicht nur in<br />

Worten zu tun, sondern auch Taten folgen<br />

zu lassen.<br />

– Frieden heißt nicht nur keinen Krieg führen,<br />

sondern z. B. auch in der eigenen Ausdrucksweise<br />

gewaltfrei zu sprechen.<br />

– Bin ich beim Autokauf darauf bedacht, ein<br />

Auto nach dem Spritverbrauch zu beurteilen<br />

oder nur nach dem Gefallen? Unabhängig<br />

davon, ob der Sprit teuer oder billig<br />

ist?<br />

– Suche ich nach Alternativen in meiner<br />

Fortbewegung? Bus, Bahn, Fahrgemeinschaft...<br />

– Kaufe ich ein größeres Auto, weil ich einmal<br />

im Jahr im Urlaub fahre und da möglichst<br />

viel mitnehmen möchte? Schwereres<br />

Auto, höherer Spritverbrauch<br />

– Es gibt so viele Dinge zu kaufen, die man<br />

einfach nicht braucht, auch wenn sie<br />

bequem sein könnten. Lasse ich mich verführen?<br />

Nur mal ausprobieren?<br />

– Wenn ich eine Wanderung unternehme,<br />

muss ich alles Mögliche einpacken oder begnüge<br />

ich mich auch mit dem Notwendigen?<br />

Wer alles klein einpackt, produziert<br />

unnötigen Verpackungsmüll. Mehrwegbehältnisse<br />

– Wenn ich nur das Notwendige dabei habe,<br />

kann ich den Augenblick viel eher wahr-


nehmen, bin ich viel aufmerksamer für das<br />

Spontane und Ungeplante, was mir geschenkt<br />

wird. Ich kann mich viel eher auf<br />

das Einlassen, was mir vor Ort begegnet.<br />

„V.10 und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem<br />

Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder<br />

verlasst. V. <strong>11</strong> Wenn man euch aber in einem Ort<br />

nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann<br />

geht weiter und schüttelt den Staub von euren<br />

Füßen, zum Zeugnis gegen sie.“<br />

Füße abschütteln gilt als symbolisches<br />

Gericht, vgl. Mk 6, 4 ff. Die Jünger sollen<br />

sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es<br />

ihnen gegenüber keine Ablehnung geben<br />

würde. Jesus macht bei seinem Missionsauftrag<br />

gleich auf dieses Thema aufmerksam<br />

und gibt ihnen Anweisung zum Handeln.<br />

Impulse zum Nachdenken<br />

– Wer sich für Nachhaltigkeit einsetzt, wird<br />

nicht überall mit offenen Armen empfangen.<br />

Bin ich so realistisch?<br />

– Wer Menschen gewinnen möchte, sich<br />

gemeinsam für ökologisch-soziales Handeln<br />

einzusetzen, wird auch immer wieder die<br />

Erfahrung machen, dass Menschen nicht<br />

bereit sind, sich mit diesen Gedanken konfrontieren<br />

zu lassen. Führe ich gleich Gericht<br />

gegen sie, oder habe ich im Hinterkopf,<br />

dass für sie vielleicht noch nicht der<br />

„Kairos“ da ist, in dem sie dafür empfänglich<br />

sind?<br />

V. 12 Die Zwölf machten sich auf den Weg und<br />

riefen die Menschen zur Umkehr auf. V. 13 Sie trieben<br />

viele Dämonen aus und salbten viele Kranke<br />

mit Öl und heilten sie.“<br />

Auffällig ist, dass Jesus seine Jünger nicht<br />

damit beauftragt, das Reich Gottes zu verkünden,<br />

sondern „nur“ die Menschen zur<br />

Umkehr aufzurufen, Dämonen auszutreiben<br />

und Kranke zu heilen. Die Jünger sollen<br />

praktische Spuren hinterlassen.<br />

Impulse zum Nachdenken<br />

– Wer andere zur Umkehr aufruft, muss auch<br />

selbst bereit sein umzukehren.<br />

– Gilt Umkehr im ökologischen Bereich nur<br />

in meiner Einstellung, oder gehe ich tatsächlich<br />

in den Bioladen?<br />

– Lerne ich umzudenken, Geldanlagen auch<br />

nach ethischen Gesichtspunkten zu beurteilen<br />

oder nur nach einem günstigen Ertrag<br />

für meinen Geldbeutel?<br />

– Wer sich für Nachhaltigkeit einsetzt, setzt<br />

sich für Heilung ein. Ziel meines Anspruches,<br />

Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen<br />

zu verwirklichen, sollte das<br />

„magis“, ein Mehr an Leben sein.<br />

– Umkehr im Sinne der Nachhaltigkeit<br />

heißt: Effizienz, Suffizienz, Konsistenz optimieren.<br />

Gedanken zur Jahreszeit<br />

Sommerzeit, Urlaubszeit: mal etwas ausprobieren,<br />

sich auf Neues einlassen<br />

– sich Zeit nehmen herauszufinden, wo ich<br />

Menschen in meiner Umgebung finde, die<br />

sich auch mit dem Thema der Nachhaltigkeit<br />

beschäftigen, Institutionen aufsuchen<br />

– sich Zeit nehmen, nach Alternativen von<br />

ökologischer Verwertbarkeit zu suchen<br />

– sich Zeit nehmen, sich auf Notwendiges zu<br />

beschränken, nicht alles vorzuplanen.<br />

Elisabeth Geisler, Waldems-Esch<br />

12.07.09<br />

105


106<br />

Mt 28, 16-20<br />

... weil eine Erbschaft per se<br />

<strong>nachhaltig</strong> ist: Etwas<br />

Erlebtes, Erkanntes,<br />

Erfahrenes soll weiterwirken,<br />

lebendig bleiben.<br />

Jer 23, 1-6<br />

19.07.09 16. Sonntag im Jahreskreis / 6. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

ev. Reihe I: Mt 28, 16-20 kath. 1. L.: Jer 23, 1-6 kath. 2. L.: Eph 2, 13-18 kath. Evang.: Mk 6, 30-34<br />

Der Autor betrachtet alle Bibelstellen des Sonntags. Stichworte zur Nachhaltigkeit:<br />

Erbschaft, Vermächtnisse sind per se <strong>nachhaltig</strong> – es geht um die<br />

Fortführung des Gegebenen (Ökologie – Oikos – Haus Gottes), das Erbe<br />

aufrichtig und angstfrei annehmen (Mt 28); es gibt Anlass zur Klage – wie<br />

bei Jeremias (Klimapolitik, Globalisierungsopfer, ...) – wir sollen klagen<br />

und uns dabei ruhig auf Gott berufen (Jer 23); Zusammenhänge erkennen,<br />

im Frieden zusammenleben – nur so gedeiht das Oikos als Gesamtes<br />

(Eph 2); bei der Speisung der Hungernden (nach Essen, Gerechtigkeit,<br />

Bildung, ...) nicht skeptisch sein, sondern einfach einmal anfangen (Mk 6)<br />

Matth. 28, 16-20<br />

Zum Text<br />

Als Verfasser des ersten Evangeliums wird<br />

ein Matthäus genannt und auf jenen bekehrten<br />

Zolleinnehmer verwiesen, der bei Markus<br />

und Lukas Levi heißt. Da das Evangelium<br />

jedoch den Untergang Jerusalems voraussetzt<br />

und eher um das Jahr 80 herum verfasst sein<br />

dürfte, ist ein nicht näher bekannter, judenchristlicher<br />

Lehrer, der selbst ein Apostelschüler<br />

war, als Verfasser anzusehen. Quelle<br />

seines Werkes ist zum einen das Markusevangelium,<br />

dann eine Spruch- und Redesammlung,<br />

die auch von Lukas benutzt<br />

wurde, sowie Sondergut. Der Abschnitt 28,<br />

16-20 erneuert die in Kapitel 10 berichtete<br />

Sendung der Jünger durch den „noch irdischen“<br />

Jesus, nun aber erweitert zum weltweiten<br />

Auftrag. Parallelen finden sich in<br />

Lukas 24, 47 und auch Johannes 20, 21.<br />

Predigtgedanken<br />

Der Text hat testamentarische Züge und<br />

lässt sich zugleich auf das Erleben eines<br />

Gottesdienstes beziehen. Die Jünger Jesu<br />

haben die Gemeinschaft mit ihm wie einen<br />

Gottesdienst erlebt, und nun verfügt der<br />

Testament-Geber: „Geht in den Alltag und<br />

haltet all das lebendig, lasst all das lebendige<br />

und alltägliche Wirklichkeit werden, was Ihr<br />

hier erkannt und erlebt habt.“ Um Nachhaltigkeit<br />

geht es hier, weil eine Erbschaft<br />

per se <strong>nachhaltig</strong> ist: Etwas Erlebtes, Erkanntes,<br />

Erfahrenes soll weiterwirken, lebendig<br />

bleiben. Und es geht auch im weiteren<br />

Sinne um Ökologie. Denn der Inhalt des<br />

Erbes ist das Ganze, das Umfassende. Der<br />

Mensch Jesus verkörpert das „Haus Gottes“.<br />

Wer da auf sein Erbe schaut, wird auch auf<br />

erlebte Heilungen zurückblicken und auf<br />

verantwortliches Miteinander mit dem Ziel<br />

„Dass alle leben!“ Der Auftrag „Gebt IHR<br />

ihnen zu essen!“ gehört dazu genau so wie die<br />

Ermöglichung von Neuanfängen und die Ermutigung<br />

dazu.<br />

Hier können je nach örtlicher Gegebenheit<br />

und Interesse der Hörenden einzelne Stücke<br />

der „Erbmasse“ benannt, vertieft und in ökologische<br />

Bezüge gebracht werden. Als Kernaussage<br />

des Textes ist dabei das „Ich bin bei<br />

Euch alle Tage“ nicht zu vergessen. Trost und<br />

Stärkung durch nahestehende Menschen wie<br />

Eltern und Großeltern gegenüber einem Kind,<br />

später dann Freunde oder Ehepartner sind das<br />

Eine, darüber hinaus sind diese Worte die<br />

unbegrenzt gültige Zusage Gottes, die im<br />

gottesdienstlichen Geschehen sowohl mit der<br />

Feier der Taufe als auch mit der des Abendmahls<br />

vergegenwärtigt wird. In Umkehrung<br />

der bekannten „Barmer These“ ist hier dann<br />

daran zu erinnern, dass Gottes „Anspruch auf<br />

unser ganzes Leben“, wovon gern und mit Recht<br />

gerade im Zusammenhang mit ökologischer<br />

Verantwortung der Christen gesprochen wird,<br />

zugleich „Gottes gnädiger Zuspruch“ ist. Manche<br />

Erben haben ihre Schwierigkeiten damit,<br />

das Erbe anzunehmen, weil es ihnen als all zu<br />

große Last vorkommt. Wie gut, wenn dann der<br />

Erblasser ihnen die Ermutigung zusagte: „Habt<br />

keine Angst, ich bin bei Euch alle Tage!“<br />

Jeremia 23, 1-6<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

Zum Text<br />

Der Text gehört zu dem Teil des Jeremiabuches,<br />

in dem Prophetenworte gegen<br />

Juda und Jerusalem zur Zeit der Könige<br />

Joschija bis Zidikia gesammelt sind. Unter<br />

König Joschija zum Propheten berufen, wen-


det Jeremia sich zunächst gegen die noch<br />

nachwirkenden religiösen und ethischen Missstände.<br />

Joschija, der eine umfassende Reform<br />

des Jahweglaubens veranlasst, findet die Zustimmung<br />

Jeremias auch zu seiner Lossagung<br />

vom zerfallenden Assyrerreich. Unter König<br />

Jojakim (609-597) werden die Reformen rückgängig<br />

gemacht, und heidnische Sitten greifen<br />

erneut um sich. Der Prophet protestiert<br />

leidenschaftlich – auch gegen die Regierung<br />

– und wird verfolgt. Tief enttäuschen ihn der<br />

Misserfolg seiner Verkündigung und seiner Warnungen,<br />

der Unglaube seiner Zuhörer und die<br />

Nachstellung sogar durch seine Verwandtschaft.<br />

Von der Verschleppung nach Babylon<br />

bleibt er verschont. König Zidikija lässt ihn<br />

als Verräter verhaften, weil er die anti-babylonische<br />

Politik kritisiert hat. Jeremia setzt seine<br />

harsche Kritik aber selbst aus dem Gefängnis<br />

heraus fort. Nach weiteren Unruhen flieht<br />

Jeremia ins ägyptische Exil. Seine leidenschaftliche<br />

Kritik und Klage wie sein ebenfalls leidenschaftlicher<br />

Trost, gipfelnd in der „Verheißung<br />

des neuen Bundes“, sind sein Vermächtnis.<br />

Predigtgedanken<br />

Der Text beginnt mit einem „Weheruf“ im<br />

Namen Gottes. Gottes Urteil gegen die falschen<br />

Hirten wird proklamiert, – gegen den<br />

König, seine Berater, seine Hofpropheten, die<br />

ganze „PR-Abteilung“, gegen alle maßgeblichen<br />

Kräfte, die am Zustand des Volkes Juda<br />

wie auch Israels schuldig sind. Alle sie sind<br />

die schlechten Hirten. Jeremia präsentiert<br />

sich hier als durch und durch politischer<br />

Prophet, der ohne jede Scheu die Autorität<br />

Gottes für seine Klage in Anspruch nimmt.<br />

Eine derartige „Einmischung in die Politik“<br />

durch kirchliche Instanzen oder Personen<br />

wäre heutzutage kaum vorstellbar, aber<br />

durchaus geboten!? Es wird nicht schwer<br />

sein, Gegebenheiten und Geschehnisse der<br />

Gegenwart zu benennen, die dem Unglauben<br />

und ethischen Verfall im Königreich Juda zur<br />

Zeit Jeremias entsprechen. „Es gilt ... ein<br />

offenes Bekenntnis ...“ (eg 136, 4), auch wenn<br />

wir genau wie Jeremia die Erfahrung machen<br />

werden, nur wenig Gehör zu finden. Gerade<br />

in den gesellschaftlichen Bereichen, die mit<br />

den Schlagworten einer ökumenischen<br />

Dekade benannt werden – Frieden, Gerechtigkeit<br />

und Bewahrung der Schöpfung „brüsten<br />

Unglaub’ und Torheit sich frecher jetzt<br />

als je“ (eg 136, 3). Globalisierung hat durch-<br />

aus etwas mit der „Zerstreuung der Schafe“<br />

zu tun, wenn sie eben nicht als globale Verantwortung<br />

zum Wohl aller verstanden wird. Dazu<br />

gehörte, „dass alle satt werden“ (Brot-für-die-<br />

Welt), und das setzt Bewahrung der Schöpfung<br />

voraus. Die bisher verfolgte Klimapolitik mit<br />

ihren Scheinlösungen und Ausflüchten gäbe<br />

einem Jeremia genug Anlass zur Klage.<br />

Er würde es andererseits an leidenschaftlichem<br />

Trost nicht fehlen lassen: Augen auf für<br />

die bestellten neuen Hirten! Es gibt sie immer<br />

wieder, die Verantwortungsbewussten in Politik,<br />

Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft.<br />

Ist es überheblich oder vermessen, in solchen<br />

Hoffnungsträgern Bevollmächtigte Gottes zu<br />

sehen? Und ist es naiv oder unzeitgemäß,<br />

eine trotzige Hoffnung auf DEN Hirten zu<br />

setzen, den Schöpfer und Bewahrer allen<br />

Lebens? Jeremia hatte zu seiner Zeit gewiss<br />

nicht den konkreten Menschen Jesus aus<br />

Nazareth vor Augen, wohl aber die Vision,<br />

dass Gott sehr konkret in unsere Geschichte<br />

eintreten wird. Er ist DER gute Hirte, der<br />

sich im Glauben der Christen im Menschen<br />

Jesus verkörpert. Weil er Gott ist, ist sein<br />

Eintreten in unsere Geschichte Grund zur Hoffnung<br />

und gegen alle Verzweiflung und<br />

Selbstaufgabe. Weil er zugleich der Mensch<br />

Jesus ist, wissen wir, was wir von seinem<br />

Eintreten zu erwarten haben.<br />

Epheser 2, 13-18<br />

Zum Text<br />

Der Epheserbrief zählt zu den paulinischen<br />

Schriften, wobei der Verfasser durchaus auch<br />

ein Schüler des Apostels gewesen sein kann.<br />

Der Gestaltung nach ist das Schreiben ein<br />

Brief, nach Stil und Inhalt jedoch eher eine<br />

Predigt: Im Eingangsteil finden sich Gotteslob<br />

und Fürbitte, am Ende ein liturgischer<br />

Lobpreis. Predigtthema ist die Kirche, und<br />

zwar die weltweite mit Christus als Herrn<br />

und Haupt. Das wird inhaltlich in den Kapiteln<br />

1 bis 3 entfaltet, wozu der Predigttext<br />

zählt.<br />

19.07.09<br />

Augen auf für die bestellten<br />

neuen Hirten! Es gibt sie<br />

immer wieder, die<br />

Verantwortungsbewussten in<br />

Politik, Kultur, Wirtschaft<br />

und Wissenschaft.<br />

Eph 2, 13-18<br />

Predigtgedanken<br />

Um Frieden geht es in dieser Predigt, und<br />

zwar um DEN Frieden, der durch Jesus verkörpert<br />

wird, um den Frieden zwischen Gott<br />

und den Menschen und den der Menschen<br />

untereinander, hier insbesondere der Juden<br />

und der Heiden. Wobei aus christlicher Sicht 107


108<br />

Wahre Wunder gibt es<br />

immer wieder; wir müssen<br />

sie nur tun. Geben wir den<br />

Hungernden zu essen.<br />

Mk 6, 30-34<br />

19.07.09<br />

wohl zu beachten ist, dass Paulus die angestammten<br />

Hausgenossen Gottes im Judentum<br />

verwurzelt sieht, und hinzu kommen<br />

dürfen die neuen, die ehemaligen Heiden.<br />

Doch sagen uns diese Verse etwas zu Nachhaltigkeit<br />

und Ökologie? Vielleicht, wenn<br />

wir Ökologie nicht gleich verkürzt mit Umweltfragen<br />

erklären, sondern weiter als Lehre<br />

vom ganzen Haus des Lebens verstehen.<br />

Damit es ein Haus des Lebens sein kann bzw.<br />

werden kann, muss Frieden sein bzw. werden.<br />

Weitere Stich- und Anreizworte im Text lohnen<br />

ein vertiefendes Nachdenken: fremd und<br />

ausgeschlossen sein (Vers 12), einander fern<br />

oder nahe sein (Vers 13), Jesus als verkörperter<br />

Friede (Vers 14), zu neuen Menschen<br />

gemacht werden (Vers 15), Friede den Fernen<br />

und den Nahen (Vers 17), Alle in einem<br />

Geist Zugang zu Gott (18). ...<br />

Sind das nicht alles zu vertiefende Verheißungen<br />

für jene Menschen, die sich<br />

Gedanken oder auch Sorgen machen über die<br />

weitere Entwicklung der menschlichen Beziehungen<br />

zu- bzw. gegeneinander? Und<br />

natürlich gehört in solches An- und Weiterdenken<br />

dann auch das Verständnis von und<br />

das Verhältnis zur außermenschlichen Mitwelt.<br />

Dass die GANZE Kreatur nach Erlösung und<br />

Frieden seufzt, gehört auch zum theologischen<br />

Vermächtnis des Paulus. Gewiss verbietet<br />

es sich, in diesem Text aus dem<br />

Epheserbrief eine Art „Paulinischer Ökologie“<br />

erkennen zu wollen. Gewiss geht es im<br />

Kern um das Verhältnis von Judentum und<br />

Christentum und damit um die Verwurzelung<br />

des Christlichen im jüdischen Glauben,<br />

um Frieden und Versöhnung. Es verbietet<br />

sich jedoch nicht, auf der Basis solchen<br />

An-Denkens (Andacht) weiterzudenken und<br />

die gesamte „Hausgenossenschaft Gottes“ und<br />

ihren Frieden mit in den Blick zu nehmen.<br />

Markus 6, 30-44<br />

Zum Text<br />

Markus gilt als Verfasser des ältesten, griechisch<br />

geschriebenen Evangeliums (um 70 n.<br />

Chr. vermutlich in Rom), als Mitarbeiter des<br />

Paulus und später des Petrus. Er sammelte<br />

Überlieferungen über das Leben, Wirken und<br />

Lehren Jesu (Wundererzählungen, Gleichnisse,<br />

Einzelworte und Passionsberichte), ordnete<br />

diese zeitlich und sachlich und verarbeitete<br />

sie so zu seinem Evangelium. Der vorlie-<br />

gende Text gehört von der Gattung her zu<br />

den Wundererzählungen.<br />

Predigtgedanken<br />

Die Sättigung der Vielen ist Thema in allen<br />

vier Evangelien und damit ein Kernthema<br />

der frühen christlichen Überlieferung. Dabei<br />

gehören Eingangsgebet und Brotbrechen<br />

schon zu jedem traditionellen jüdischen<br />

Mahl. Zugleich wird voraus gewiesen auf die<br />

Stiftung des Abendmahls und die künftige<br />

Mahlfeier der Gemeinde – damit aber auch<br />

darauf, dass diese Mahlfeier zugleich ein<br />

Sättigungsmahl war, bei dem besonders die<br />

Armen der Gemeinde versorgt wurden. Dass<br />

noch zwölf Körbe mit Brot übrig blieben, ist<br />

nicht Zeichen für orientalische Übertreibung<br />

seitens der Erzähler, sondern veranschaulicht<br />

die Fülle des Segens, den Gott in der Person<br />

und im Wirken Jesu zu Teil werden lässt,<br />

und steht für seine unermessliche Güte.<br />

Kernsatz der Erzählung ist für mich jedoch<br />

Vers 37: „Gebt doch ihr ihnen zu essen!“ Und<br />

das eigentliche Wunder ist, dass sie es tun –<br />

trotz aller klugen Vorbehalte und Ausreden.<br />

Was sie – was wir – dann im Namen Jesu und<br />

in der Gemeinschaft mit ihm tun, ist eben,<br />

etwas von der unermesslichen Güte Gottes,<br />

von seinem Segen weiter zu geben. Und das<br />

konkret, handfest, nicht nur in wohl klingenden<br />

Worten und Programmen. Womit wir<br />

wieder beim Abendmahl sind und seinem<br />

Kern: „Dies ist mein Leib.“ Das Wort ward<br />

Fleisch. Worte und Programme mit Hand<br />

und Fuß sind gefragt – und sind möglich.<br />

Und von wegen Wunder: Wahre Wunder<br />

gibt es immer wieder; wir müssen sie nur<br />

tun. Geben wir den Hungernden zu essen.<br />

Damit ist dann die globale Verantwortlichkeit<br />

angesprochen, die sich natürlich nicht<br />

Lebensmitteltransporten erschöpft. Beim<br />

Abendmahl feiert auch nicht in fröhlicher,<br />

sättigender Runde eine Teil-Gemeinschaft,<br />

die dann gnädig etwas von ihrem Kuchen für<br />

die Armen der Welt übrig hat – sondern die,<br />

die Armen der Welt, sind Teil der Gemeinde<br />

und von uns genau so zu sehen und nicht als<br />

Empfänger unserer Mildtätigkeit. „Gebt ihr<br />

ihnen zu essen“ ist damit die Aufforderung<br />

zum gerechten Teilen. Und da sind wir in der<br />

Tat gefordert.<br />

Wilfried Stender, Essen


<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

Stellung im Kirchenjahr<br />

Der heutige Evangelientext ist in der evangelischen,<br />

wie in der katholischen Leseordnung,<br />

der Bericht der Brotvermehrung bei<br />

Johannes. In der katholischen Leseordnung<br />

folgen auf die Berichte aus dem für das Lesejahr<br />

B sonst üblichen Evangelium des Markus<br />

fünf Lesungen aus dem 6. Kapitel des Johannesevangeliums.<br />

Der Text des 17. Sonntags<br />

schließt sich aber trotzdem organisch an<br />

den an sich fälligen Markustext an, denn auch<br />

bei Markus wäre die Brotvermehrungserzählung<br />

an der Reihe. Als Lesungstext wird<br />

das alttestamentliche Pendant zur Brotvermehrung<br />

aus dem zweiten Buch der Könige<br />

gelesen. Der neutestamentliche Text aus dem<br />

Epheserbrief schlägt die Brücke zum Begriff<br />

der Einheit und Gemeinschaft.<br />

Überlegungen zu Joh 6, 1-15<br />

Exegetische Überlegungen<br />

17. Sonntag im Jahreskreis / 7. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

Die Autorin betrachtet alle genannten Bibelstellen, wobei sie die alttestamentliche<br />

Lesung in ihre Überlegungen zu Joh 6 einbezieht. Stichworte<br />

zur Nachhaltigkeit: Bei globaler sozialer Gerechtigkeit geht es<br />

nicht nur um die Verteilung, sondern um die Schaffung von Strukturen /<br />

Fairer Handel, Würde – Schaffung einer Win-win-Situation (Joh 6 / 2 Kön 4);<br />

Konziliarer Prozess Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung<br />

– Helfen durch Partnerschaft statt anonyme Spenden (Eph 4)<br />

Mit Kapitel 6 des Johannesevangeliums<br />

wechselt der Ort der Handlung von Jerusalem<br />

nach Galiläa. Der heutige Evangelientext ist<br />

der Beginn der großen Brotrede. Diese<br />

erstreckt sich von dem vorliegenden Text, der<br />

Speisung der 5.000, über das Wunder des<br />

Seewandels (6, 16 ff.) bis hin zum Bekenntnis<br />

des Petrus: „Du bist der Heilige Gottes“ (6,<br />

69). In Vers 6, 41 findet sich das erste „Ichbin-Wort“,<br />

in dem Jesus sich als das „Brot<br />

des Lebens“ bezeichnet. Die Volksmenge, die<br />

Augenzeuge der Zeichen Jesu an den Kranken<br />

wurde, folgt Jesus, wohl in Erwartung<br />

weiterer Wunder, nach. Die Frage Jesu, wo es<br />

Brot zu kaufen gibt, scheint eher ein Test zu<br />

sein als eine wirkliche Frage, „denn er wusste<br />

selbst, was er tun wollte“ (6, 6). Es ist ja auch<br />

ganz offensichtlich, dass die Jünger keine<br />

200 Denare (das Jahreseinkommen eines<br />

Arbeiters) haben, um die riesige Menge satt<br />

zu bekommen. In Vers 10-13 folgt das<br />

eigentliche Wunder. Mit fünf Gerstenbroten<br />

und zwei Fischen (die ein Kind dabei hat)<br />

macht Jesus, nachdem er das Dankgebet gesprochen<br />

hat, fünftausend Männer (die Frauen<br />

und Kinder werden nicht gezählt) satt. Am<br />

Ende bleiben sogar noch zwölf Körbe übrig,<br />

mehr als zu Beginn da war. Die Menschen, die<br />

anwesend sind, ziehen den Schluss: „Dieser<br />

ist wirklich der Prophet, der in die Welt<br />

kommt“ (6, 14).<br />

Verbindung zur alttestamentlichen Lesung<br />

(2 Kön 4)<br />

Eine ähnliche Form wie die Erzählung der<br />

Brotvermehrung des Jesus findet sich auch<br />

schon im alten Testament, im zweiten Buch<br />

der Könige, welches die alttestamentliche<br />

Lesung des Sonntag ist. Hier ist es der<br />

Prophjet Elischa, der mit zwanzig Gerstenbroten<br />

und einigen frischen Körnern einhundert<br />

Männer satt macht. Die große Ähnlichkeit<br />

hat Bibelwissenschaftler vermuten lassen,<br />

dass die Geschichte von Elischa einfach<br />

nur auf Jesus übertragen wurde. Selbst wenn<br />

das so wäre, muss man sich trotzdem fragen,<br />

„was denn bei Jesus so Eindrückliches geschah,<br />

dass eine solche Geschichte auf ihn<br />

übertragen und dabei typisch neu gestaltet<br />

wurde.“ 1<br />

Bedeutung für Ökologie und Nachhaltigkeit<br />

26.07.09<br />

ev. Reihe I: Joh 6, 1-15 kath. 1. L.: 2 Kön 4, 42-44 kath. 2. L.: Eph 4, 1-6 kath. Evang.: Joh 6, 1-15<br />

2 Kön 4, 42-44<br />

Joh 6, 1-15<br />

Nicht die Jünger teilen, wie in den Berichten<br />

der Brotvermehrung bei den Synoptikern,<br />

das Brot aus, sondern Jesus selbst gibt, und<br />

plötzlich ist aus dem scheinbar Wenigen ein 109


<strong>11</strong>0<br />

26.07.09<br />

Nachhaltigkeit muss nicht<br />

immer sparen bedeuten.<br />

Es kann sein, dass alle<br />

mehr davon gewinnen,<br />

wenn sie geben.<br />

Überfluss geworden. Woher kommt der<br />

Überfluss? Darüber haben sich schon jahrhundertelang<br />

TheologInnen die Köpfe zerbrochen.<br />

Eine Theorie besagt, dass Jesus es<br />

schafft, dass die Menschen ihre Angst überwinden.<br />

Ihre Angst, zu kurz zu kommen, ihre<br />

egoistische Angst, die sie in die Vereinzelung,<br />

in die innere Einsamkeit treibt. Im<br />

Evangelium ist die Rede davon, dass Jesus<br />

die Leute auffordert, sich zusammenzusetzen.<br />

Sie tun, wie ihnen geheißen, und vielleicht<br />

legen sie das Wenige zusammen, was sie mitgebracht<br />

haben. Und im Zusammenlegen<br />

erfahren sie Ergänzung und Bereicherung.<br />

Zwei Dinge werden dabei klar:<br />

1. Wer zusammensitzt, der schaut sich an,<br />

für den ist die Lage überschaubar. Das nimmt<br />

Angst, das nimmt Bedrohlichkeit. Wenn<br />

Menschen zusammensitzen und zusammen<br />

essen, Mahl halten, entsteht Beziehung. Und<br />

in dem heutigen Evangelium wird diese<br />

Beziehung mit Gott in Verbindung gebracht.<br />

Er ist der Urheber dieser Beziehung.<br />

2. Nachhaltigkeit muss nicht immer sparen<br />

bedeuten. Es kann sein, dass alle mehr<br />

davon gewinnen, wenn sie geben.<br />

Auf die Weltsituation übertragen kann das<br />

heißen:<br />

Wenn Hungernde, also die Entwicklungsländer,<br />

mit an unseren Tischen sitzen dürfen,<br />

also auf gleicher Augenhöhe, verlieren wir<br />

nicht, wir gewinnen auch. Es entsteht Beziehung,<br />

und auch wir werden beschenkt.<br />

Und: Dann geht es nicht mehr „nur“ um<br />

Lebensmittel, sondern dann geht es um die<br />

Würde und den Wert jedes einzelnen Menschen.<br />

Es geht um gerechte Strukturen, die<br />

nicht von Abhängigkeit geprägt sind. Solche<br />

Strukturen schaffen nicht nur Beziehung, sondern<br />

auch Gerechtigkeit und Frieden. Ein<br />

kleiner Schritt dahin sind die fair gehandelten<br />

Produkte. Sie orientieren sich nicht am<br />

Preiskampf der Unternehmer, sondern an der<br />

Leistung der Erzeuger. Die Konsumenten<br />

bekommen für den höheren Preis, den sie<br />

bezahlen, aber auch etwas: hochwertige Produkte,<br />

die sozial gerecht und umweltverträglich<br />

produziert wurden.<br />

Praktische Vorschläge zur Umsetzung<br />

Das Hungertuch aus dem Jahr 2004 macht<br />

deutlich, dass es nicht um das Brot alleine<br />

geht, sondern auch um die Beziehung, die<br />

beim gemeinsamen Essen bzw. Teilen entsteht.<br />

Als Ergänzung kann auch die folgende<br />

Geschichte gelesen werden:<br />

Das halbe Brot<br />

Als der Arzt Professor Dr. Breitenbach gestorben<br />

war, gingen seine drei Söhne daran, das Erbe<br />

ihres Vaters getreu seinem letzten Willen unter sich<br />

zu verteilen. Da waren alte, noch handgeschnitzte<br />

Eichenmöbel, schwere Teppiche, kostbare Gemälde.<br />

Und dann war da noch eine Vitrine, ein schmaler,<br />

hoher Glasschrank mit vergoldeten Füßen und<br />

geschliffenen Scheiben. In diesem Schrank waren<br />

Erinnerungsstücke aufbewahrt. Behutsam wurde<br />

Stück um Stück herausgenommen. Als die Brüder<br />

das unterste Fach öffneten, stutzten sie. In grauem<br />

Seidenpapier eingewickelt lag da ein ziemlich großes,<br />

hartes Stück. Was kam zum Vorschein? – Ein<br />

steinhart gewordenes halbes Brot! Die alte Haushälterin<br />

erzählte den erstaunten Söhnen die<br />

Geschichte dieses Brotes: In der schweren Notzeit<br />

nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) war der<br />

alte Herr einmal schwer krank gewesen. Zu der<br />

Erkrankung war ein allgemeiner Erschöpfungszustand<br />

getreten, so dass die behandelnden Ärzte<br />

etwas von kräftiger Nahrung murmelten und dann<br />

entmutigt die Achseln zuckten. Gerade in jener<br />

kritischen Zeit hatte ein Bekannter ein halbes Brot<br />

geschickt. Sosehr sich der Professor auch über diese<br />

Gabe freute, aß er sie doch nicht. Er wusste, dass<br />

im Nachbarhaus die Tochter des Lehrers krank<br />

war und Hunger litt. Er sagte damals: „Was liegt<br />

schon an mir altem Mann, das junge Leben<br />

braucht es nötiger“, und so musste die Haushälterin<br />

das halbe Brot den Lehrersleuten bringen.<br />

Wie sich später herausstellte, hatte auch die<br />

Lehrerfrau das Brot nicht behalten wollen, sondern<br />

an eine alte Witwe weitergegeben, die in einer<br />

Dachkammer ein Notquartier gefunden hatte. Aber<br />

auch damit war die seltsame Reise des Brotes noch<br />

nicht zu Ende. Die Alte trug es zu ihrer Tochter,<br />

die nicht weit von ihr mit ihren beiden Kindern in<br />

einer Kellerwohnung Zuflucht gefunden hatte. Diese<br />

Tochter wieder erinnerte sich daran, dass ein paar<br />

Häuser weiter ein Arzt krank war, der einen ihrer<br />

Buben kürzlich bei schwerer Krankheit behandelt<br />

hatte, ohne etwas dafür zu verlangen. Sie nahm<br />

das halbe Brot unter den Arm und ging damit zur<br />

Wohnung des Doktors. „Wir haben es sogleich wieder<br />

erkannt!“, schloss die Haushälterin. „Als der<br />

Herr Professor das Stück Brot wieder in den<br />

Händen hielt und von dessen Wanderung hörte,


war er tief bewegt und sagte. „Solange noch die<br />

Liebe unter uns ist, habe ich keine Furcht um uns.“ 2<br />

Überlegungen zu Eph 4, 1-6<br />

Exegetische Überlegungen<br />

Der Brief an die Epheser ist wahrscheinlich<br />

nicht von Paulus selbst, sondern von einem<br />

„Schüler“ des Paulus nach dessen Tod geschrieben<br />

worden. Auch handelt es sich nicht<br />

im eigentlichen Sinn um einen Brief, sondern<br />

eher um eine Epistel, genauer noch ein theologisches<br />

Lehrschreiben. 3 Während die ersten<br />

drei Kapitel sich eher auf der theoretischen<br />

Ebene mit Gemeinde befassen und<br />

einen hohen Abstraktionsgrad aufweisen,<br />

wird der Verfasser ab Kapitel vier konkreter,<br />

und es folgt der eher praktische Teil des<br />

Briefes. Gut erkennbar ist die Zäsur auch<br />

durch das Gebet am Ende des 3. Kapitels, das<br />

mit dem Wort „Amen“ abschließt. In den<br />

vorangegangenen Kapiteln wurde auf der<br />

theoretischen Ebene erklärt, was Gott in seiner<br />

Gnade geplant hat, damit die Menschen<br />

das Heil bekommen können. Jetzt schließen<br />

sich praktische Folgerungen aus dem zuvor<br />

Gesagten an. Dazu zählen „Haltungen, auf<br />

die es im Gemeinschaftsleben der Getauften<br />

besonders ankommt“ 4 (4, 2-4): Demut,<br />

Friedfertigkeit, Geduld. Die Aufforderung,<br />

sich um die Einheit zu bemühen (das griechische<br />

Wort enotes kommt in dieser Form im<br />

NT nur hier und in 4, 13 vor), wird in den<br />

Versen vier bis sechs ausgeführt und erklärt.<br />

Sieben Faktoren sind es, die die Einheit begründen:<br />

Ein Geist, eine Hoffnung, ein Herr,<br />

ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater.<br />

Überlegungen zur Ökologie und Nachhaltigkeit<br />

Der Epheserbrief, besonders die zur heutigen<br />

Lesung gehörenden Verse drei bis sechs<br />

des vierten Kapitels, ist einer der biblischen<br />

Texte, auf den sich die ökumenischen Bemühungen<br />

stützen. Dabei geht es neben allen<br />

Einheitsbemühungen auch um einen gemeinsamen<br />

Lernweg der christlichen Kirchen, der<br />

unter dem Begriff „Konziliarer Prozess“<br />

zusammengefasst ist.<br />

Auf der VI. Vollversammlung des Ökumenischen<br />

Rates der Kirchen (ÖRK) in<br />

Vancouver (Kanada) 1983 schlug die DDR-<br />

Delegation ein gesamtchristliches Friedens-<br />

konzil vor, wie es Dietrich Bonhoeffer angesichts<br />

des drohenden Zweiten Weltkrieges<br />

fünfzig Jahre zuvor für geboten hielt. Ein<br />

Konzil war nicht möglich, und so kam es zur<br />

Einigung auf einen konziliaren Prozess<br />

gegenseitiger Verpflichtung auf Gerechtigkeit,<br />

Frieden und Bewahrung der Schöpfung.<br />

Der Konziliare Prozess ist seitdem ein fortlaufendes<br />

Geschehen des Nachdenkens und<br />

Beratens in größeren und kleineren Gruppen<br />

und Arbeitskreisen. Er ist wesentlicher Bestandteil<br />

der Ökumene, ja, der konziliare<br />

Prozess hat mit dafür gesorgt, dass der<br />

Gedanke der Ökumene in breiten Teilen der<br />

Gemeinden erst angekommen ist. Dabei ist<br />

wichtig zu beachten, dass das Ziel nicht nur<br />

sein soll, Einheit auf der Ebene des Glaubens<br />

zu erreichen. Die ökumenische Bewegung<br />

(Ökumene = griech. oikouménï „ganze bewohnte<br />

Erde“, „Erdkreis“) hat auch dafür<br />

gesorgt, dass ein größeres Bewusstsein für<br />

Zusammenhänge weltweit entstanden ist,<br />

dass Menschen eine stärkere Verbindung und<br />

Solidarität zu Gemeinden in der Zweiten<br />

bzw. Dritten Welt empfinden. Das führt weg<br />

vom anonymen Spenden, hin zu Partnerschaften<br />

und Lernen in Beziehung.<br />

Pascale Jung, Losheim-Wadern<br />

Quellen:<br />

1<br />

Schweizer, Eduard: Das Evangelium nach Markus,<br />

Göttingen, 1989, S. 73.<br />

2<br />

Aus: Zisler, K., Reischl, W., Perstling, H., Neuhold, H.,<br />

Gruber, A.: Glaubensbuch 6. Im Glauben wachsen.<br />

Graz 1987, Seite 96.<br />

3<br />

Vgl. Mussner, F.: Der Brief an die Epheser (ÖTK<br />

10 / GTB 509) Gütersloh 1982, S. 17.<br />

4<br />

Josef Pfammatter: Epheserbrief, Kolosserbrief.<br />

Die neue Echter-Bibel 10 u. 12, Würzburg 19<strong>90</strong>,<br />

S. 30.<br />

26.07.09<br />

Eph 4, 1-6<br />

Die ökumenische Bewegung<br />

hat auch dafür gesorgt, dass<br />

ein größeres Bewusstsein für<br />

Zusammenhänge weltweit<br />

entstanden ist.<br />

<strong>11</strong>1


<strong>11</strong>2<br />

02.08.09<br />

Vers 15 stellt fest,<br />

dass das Licht gesehen<br />

werden muss.<br />

Mt 5, 13-16<br />

18. Sonntag im Jahreskreis / 8. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

Stellung im Kirchenjahr<br />

Die <strong>Trinitatis</strong>zeit ist die Zeit der werdenden<br />

und wachsenden Kirche. Daher bietet<br />

sich eine Predigt zu und über Kirche und<br />

Kirchen an. Die <strong>Trinitatis</strong>sonntage überspannen<br />

die Sommermonate bis hin zum Herbst.<br />

Diese Zeit war früher stark von der Landarbeit<br />

bestimmt. Die ersten Früchte in Feld<br />

und Garten sind geerntet, andere sind noch<br />

im Wachstum begriffen. Zum Wachsen brauchen<br />

Pflanzen Luft, Wasser, Wärme und<br />

Licht. Diese elementaren Naturkräfte haben<br />

aber auch ihre Schattenseiten, die zerstören<br />

können. Inzwischen sind ganze Landstriche<br />

und Regionen immer wieder bedroht durch<br />

Überschwemmungen, Sturm, Hagel, Dürreund<br />

Hitzewellen. Heute wissen wir nur zu<br />

gut, dass an der Entstehung dieser Naturkatastrophen<br />

der Mensch durch sein Verhalten<br />

seinen Anteil hat. Es wäre denkbar,<br />

dass eine Predigt die Verantwortung des Menschen<br />

gegenüber der Schöpfung aufnimmt.<br />

Diese kann sich aber nicht nur darauf beschränken,<br />

Naturkatastrophen zu verhindern.<br />

Matthäus 5, 13-16: Salz der Erde und<br />

Licht der Welt<br />

Anmerkungen zum Text<br />

Die Bergpredigt bildet den Rahmen und<br />

die zwei Bildworte/Gleichnisse über Salz der<br />

Erde und Licht der Welt prägen unseren<br />

Text. Für Julius Schniewind beschreiben<br />

diese beiden Bilder „Art und Beruf der<br />

Jüngergemeinde“. Salz und Licht zählen zu<br />

den „Grund-Nahrungsmitteln und den Grund-<br />

Bedürfnissen“. Während sich das Matthäusevangelium<br />

an Juden und Judenchristen<br />

richtet, ist der Hörerkreis der Bergpredigt<br />

vorrangig auf die Jünger Jesu (Mt 5, 1) einzugrenzen.<br />

Schniewind spricht im Zusam-<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

ev. Reihe I: Mt 5, 13-16 kath. 1. L.: Ex 16, 2-4.12-15 kath. 2. L.: Eph 4, 17.20-24 kath. Evang.: Joh 6, 24-35<br />

Der Verfasser betrachtet den ev. Predigttext und seine Bezüge zur<br />

Nachhaltigkeit. Stichworte: Authentizität der christlichen Kirchen, die<br />

Wahrheit aussprechen (Lager für Atomwaffen / Verstoß gegen das Völkerrecht),<br />

Rüstungsexporte nicht stillschweigend tolerieren, Glaubhaftigkeit<br />

der Kirche als Ausgangsbasis für christliches Engagement in<br />

Sachen Nachhaltigkeit<br />

menhang mit den Versen von der „Würde der<br />

Jüngerschaft“. Worin liegt die Würde? Folgen<br />

wir Gottfried Voigt, liegt die Würde<br />

darin, dass die Welt durch die Jünger Jesu<br />

erhalten (Salz) und erhellt (Licht) würde.<br />

Sicherlich eine gewagte Aussage.<br />

Vers 13 „Ihr seid Salz der Erde“ – Gehen<br />

wir davon aus, dass die Hörerfrage („Ihr“ –<br />

die Jünger) geklärt ist. Salz besteht aus einer<br />

chemischen Verbindung aus Natrium und<br />

Chlor (NaCl). Natrium ist ein edles Mineral<br />

und Chlor ein gefährliches Gift. Erst die<br />

Verbindung beider Substanzen macht daraus<br />

ein wertvolles Nahrungsmittel. Salz ist als<br />

Würze für Speisen unersetzlich und hat konservierende<br />

Eigenschaften. Salz wirkt daher<br />

extrem <strong>nachhaltig</strong>. Dass Salz „salzlos/kraftlos“<br />

werden kann, ist physikalisch unmöglich.<br />

Salz kann allerdings verunreinigt werden<br />

und dadurch nutzlos und wertlos werden.<br />

Vers 14 „Ihr seid Licht der Welt“ – Im „Ihr“<br />

findet sich wieder die direkte Anrede der<br />

Jünger. Bei der Formulierung „Licht der<br />

Welt“ ist auf ein anderes Jesuswort hinzuweisen,<br />

in dem Jesus diese Formulierung für sich<br />

in Anspruch nimmt – Joh 8, 12: „Ich bin das<br />

Licht der Welt!“ Licht hat nicht nur im<br />

Neuen und Alten Testament, sondern in allen<br />

Religionen eine zentrale Bedeutung. Dass<br />

hier das Wort von der „Bergstadt“ genannt<br />

wird, führt nicht wirklich zu neuen Erkenntnissen,<br />

sondern ist eher als Dublette zum<br />

„Lichtwort“ zu verstehen.<br />

Vers 15 führt den Gedanken über das Licht<br />

fort und stellt fest, dass das Licht gesehen<br />

werden muss. Wenn es nicht gesehen wird,<br />

hat es seine Daseinsberechtigung verloren.<br />

War schon das „kraftlose Salz“ unsinnig, so


ist es kompletter Unsinn, ein Licht anzuzünden<br />

und unter einen „Scheffel“ (andere Übersetzung:<br />

„unters Bett“) zu stellen.<br />

Vers 16 präzisiert den vorhergehenden Gedankengang<br />

und führt ihn fort und spricht<br />

im Zusammenhang mit dem Licht von<br />

„guten Werken“. Die entscheidende Frage:<br />

Was sind gute Werke?<br />

Zwei Predigtvorschläge<br />

„Die Welt wird durch die Jünger Jesu erhalten<br />

und erhellt.“<br />

Der Anknüpfungspunkt dieser Predigt könnte<br />

der „Hiroshima-Gedenktag“ am 6. August<br />

sein. Wenn die Predigt vier Tage vor dem 64. Jahrestag<br />

des Hiroshima-Gedenkens gehalten<br />

wird, könnte nach dem Hinweis auf diesen<br />

Gedenktag berichtet werden, wie das damals,<br />

am 6. August 1945, war: Die Explosion der<br />

Bombe über der japanischen Großstadt<br />

Hiroshima zerstörte in wenigen Augenblicken<br />

jegliches Leben in einem weiten<br />

Umkreis. Das grell glühende Licht war nicht<br />

nur hunderte Kilometer weit zu sehen, sondern<br />

auch für Hunderttausende Menschen<br />

tödlich. 20 solcher todbringender Atomsprengköpfe,<br />

jeder mit einer Vernichtungskraft von<br />

13 Hiroshioma-Bomben, lagern heute noch<br />

in Deutschland. Sie lagern auf dem Rheinland-Pfälzischen<br />

Fliegerhorst Büchel in der<br />

Eifel. Diese Tatsache dürfte vielen Zuhörern<br />

völlig unbekannt sein. Die Frage, warum bis<br />

heute in Deutschland noch Atomwaffen lagern,<br />

könnte auch vor dem Hintergrund der<br />

Menschenrechts-Charta gestellt werden. Nach<br />

dieser ist die Herstellung, Lagerung und der<br />

Einsatz von Atomwaffen völkerrechtswidrig.<br />

Die Kirche darf zu diesen Themen nicht<br />

schweigen. Die „guten Werke“, von denen in<br />

Vers 16 gesprochen wird, könnten auf diesen<br />

völkerrechtswidrigen Verstoß hinwirken. Weiterhin<br />

könnte auf die Zusammenhänge zwischen<br />

Krieg, Rüstungsproduktion und Rüstungsexport<br />

hingewiesen werden. Ohne Rüstungsexporte<br />

könnte mancher Krieg nicht geführt<br />

werden. Deutschland zählt inzwischen zur weltweiten<br />

Elite der Rüstungsexporteure (3. Stelle).<br />

Darauf hat die GKKE (Gemeinsame Konferenz<br />

Kirche und Entwicklung, www.gkke.org) der<br />

Deutschen Bischofskonferenz und der EKD<br />

schon mehrfach hingewiesen.<br />

Im Gegenzug könnte der aktive Einsatz für<br />

Frieden durch Abrüstung, durch die Vernichtung<br />

der vorhandenen Atomwaffen eine<br />

Nachhaltigkeit schaffen, die ein weltweiter<br />

Beitrag für mehr Gerechtigkeit, Frieden und<br />

Bewahrung der Schöpfung wäre.<br />

Zur atomaren Bedrohung schreibt Papst<br />

Benedikt XVI: „Der Weg, um eine Zukunft<br />

des Friedens für alle zu sichern, besteht nicht<br />

nur in internationalen Übereinkünften über<br />

die Nicht-Verbreitung von Atomwaffen, sondern<br />

auch in dem Bemühen, mit Entschiedenheit<br />

ihre Verminderung und ihren endgültigen<br />

Abbau zu verfolgen.“ Zur gleichen<br />

Thematik äußert sich der Ratsvorsitzende der<br />

EKD, Bischof Wolfgang Huber: „Im Teufelskreis<br />

der Absicht, Böses mit Bösem zu vergelten,<br />

gewinnen die Atomwaffen wieder an<br />

Bedeutung. Die Ausbreitung der Atomwaffen<br />

lässt sich nur verhindern, wenn die bisherigen<br />

Atommächte die Verfügung über atomare<br />

Waffen beenden. Das schließt die 20 amerikanischen<br />

Atomwaffen ein, die immer noch<br />

in Deutschland lagern.“<br />

„Was drauf steht sollte auch drin sein!“<br />

02.08.09<br />

Eine zweite Predigt könnte eine ganz andere<br />

inhaltliche Gewichtung bekommen. Sie<br />

könnte unter dem Motto stehen: „Was drauf<br />

steht sollte auch drin sein!“ Dabei wäre der<br />

Fokus auf Kirche als Institution gesetzt und<br />

das Thema könnte lauten: „Wenn Kirche<br />

drauf steht, sollte auch Kirche drin sein!“<br />

Ausgangspunkt wären die Verse 14-16<br />

(„Licht der Welt“).<br />

„Licht“ spielt in allen Religionen eine<br />

wichtige Rolle, so auch damals im Judentum.<br />

Und wenn Jesus sagt: „Ihr seid das Licht der<br />

Welt!“, mag das noch einigermaßen moderat<br />

klingen. Doch wenn heute ein evangelischer<br />

oder katholischer Prediger diese Aussage auf<br />

seine jeweilige Kirche bezieht, klingt das<br />

schon sehr anmaßend. Hat doch Kirche in<br />

den zurückliegenden Jahren einen starken<br />

Bedeutungsverlust erleben müssen. Das spiegelt<br />

sich u. a. in Kirchenaustritten. Sicherlich<br />

macht es Sinn, nach den Gründen zu suchen.<br />

Und an manchen dieser Gründe kann und<br />

muss auch ernsthaft gearbeitet werde. Aber<br />

vielleicht sind es auch ganz andere Gründe,<br />

etwa die, dass wir einen Grundsatz der<br />

Werbung nicht ernst genug nehmen: Tue<br />

Gutes und rede darüber! Festzustellen ist, <strong>11</strong>3


<strong>11</strong>4<br />

02.08.09<br />

Klaffen Anspruch und<br />

Wirklichkeit nicht zu oft<br />

auseinander? Ist in (der)<br />

Kirche drin, was<br />

drauf steht?<br />

dass zumindest die beiden großen Volkskirchen<br />

offensichtlich Probleme damit haben,<br />

ihr „Licht leuchten zu lassen“.<br />

Die Kirche kann von der Wirtschaft lernen.<br />

Für die Wirtschaft ist klar, dass auf<br />

Werbung nicht verzichtet werden kann. Es<br />

kommt allerdings darauf an, richtig zu werben,<br />

Produkte ins rechte „Licht“ zu setzen.<br />

Werbeagenturen leben davon, dass sie dieses<br />

professionell tun. In den Kirchen wurde Werbung<br />

und Öffentlichkeitsarbeit bisher eher<br />

stiefmütterlich behandelt. Mit einer guten<br />

Öffentlichkeitsarbeit könnte auch den Kirchenaustritten<br />

entgegengewirkt werden. Hinsichtlich<br />

der Kirchenaustritte muss allerdings<br />

auch eine ehrliche Auseinandersetzung<br />

bezüglich der Gründe stattfinden. Bei genauer<br />

Draufsicht sind es jedenfalls nicht nur finanzielle<br />

Gründe. Was also sind die anderen<br />

Gründe? Klaffen Anspruch und Wirklichkeit<br />

nicht zu oft auseinander? Ist in (der) Kirche<br />

drin, was drauf steht?<br />

Dennoch, bei aller berechtigter Kritik, die<br />

an den Kirchen aufkommen kann, könnte<br />

auch fröhlich und selbstbewusst von den<br />

„guten Werken“ geredet werden, die in und<br />

durch die Kirchen getan werden. Hierzu<br />

könnten die „zwölf guten Gründe, in der<br />

Kirche zu sein“ hilfreich sein:<br />

Zwölf gute Gründe, in der Kirche zu sein<br />

Im christlichen Glauben bewahrt die Kirche eine<br />

Wahrheit, die Menschen sich nicht selber sagen<br />

können. Daraus ergeben sich Maßstäbe für ein verantwortungsbewusstes<br />

Leben.<br />

In der Kirche wird die menschliche Sehnsucht<br />

nach Segen gehört und beantwortet.<br />

Die Kirche begleitet Menschen von der Geburt<br />

bis zum Tod. Das stärkt auf geheimnisvolle Weise.<br />

In der Kirche können Menschen an einer<br />

Hoffnung auf Gott teilhaben, die über den Tod<br />

hinausreicht.<br />

Die Kirche ist ein Ort der Ruhe und Besinnung.<br />

Unsere Gesellschaft ist gut beraten, wenn sie solche<br />

Orte pflegt.<br />

In der Kirche treten Menschen mit Gebeten und<br />

Gottesdiensten für andere ein. Sie tun das auch<br />

stellvertretend für die Gesellschaft.<br />

Die kirchlichen Sonn- und Feiertage mit ihren<br />

Themen, ihrer Musik und ihrer Atmosphäre prägen<br />

das Jahr. Die Kirche setzt sich dafür ein, diese<br />

Tage zu erhalten.<br />

In Seelsorge und Beratung der Kirche wird der<br />

ganze Mensch ernst genommen und angenommen.<br />

In Krankenhäusern und anderen sozialen Einrichtungen<br />

der Kirche schaffen viele haupt- und<br />

ehrenamtlich Engagierte ein besonderes, menschliches<br />

Klima.<br />

Wer die Kirche unterstützt, übt Solidarität mit<br />

den Schwachen und Benachteiligten.<br />

Kirchliche Musik und Kunst sind bis heute prägende<br />

Kräfte unserer Kultur.<br />

Wo immer Menschen hinkommen oder hinziehen,<br />

treffen sie auch die weltweite christliche Gemeinschaft.<br />

Dazu kann jede und jeder beitragen.<br />

(Quelle: Amt für Öffentlichkeitsarbeit der<br />

Nord-elbisch-Evangelisch-Lutherischen Kirche,<br />

Broschüre „12 Gründe, in der Kirche zu<br />

sein“)<br />

Dank:<br />

Mein Dank gilt den Mitgliedern des<br />

Seniorenkreises „Gespräch um Vier“ im<br />

Haadter Wohnstift, namentlich Charlotte<br />

Becker, Helga Erhard, Gisela Rose und<br />

Conrad Pohle und den Mitgliedern des Ökumenischen<br />

Gesprächskreises Venningen, namentlich:<br />

Heidi und Otto Christmann, Hans Hesse,<br />

Hildegard Hein, Brigitte Stauch, Hanna und<br />

Günter Vogeler.<br />

Literatur:<br />

Julius Schniewind, NTD, Bd. 1, Matthäusevangelium,<br />

Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen,<br />

1968<br />

Eduard Schweizer, NTD, Bd. 1, Matthäusevangelium,<br />

Evangelische Verlagsanstalt Berlin, 1977<br />

Gottfried Voigt, Der schmale Weg, Predigtexte<br />

zur Reihe I, Ev. Verlagsanstalt Berlin, 1978<br />

Eberhard Dittus, Neustadt an der Weinstraße


<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

Exegetische Überlegungen<br />

1 Kön 19, 4-8<br />

Ein wichtiger Inhalt des ersten Buches der<br />

Könige ist die Geschichte des Propheten Elija.<br />

Dabei handelt es sich nicht um eine einheitliche<br />

Erzählung. Wahrscheinlich standen am<br />

Anfang kleine Einzelerzählungen, die später –<br />

nicht ohne Bruchstellen – zusammengefügt<br />

wurden. Die vorliegende Perikope besteht aus<br />

drei Abschnitten: Verzweiflung des Propheten<br />

und Flucht in die Wüste. Erste Stärkung durch<br />

den Engel. Zweite Stärkung durch den Engel<br />

und Neuaufbruch. Elija flieht vor dem Zorn<br />

der Königin in die Wüste, um sein Leben zu<br />

retten. Trotz seiner vorausgehenden Erfolge<br />

ist er verzweifelt, entkräftet und wehrlos. Er<br />

will sterben. Der erste Besuch des Engels mit<br />

Brot und Wasser wird von Elija erstaunlich<br />

nüchtern hingenommen. Er isst und trinkt<br />

und legt sich wieder hin. Aber es verändert<br />

nichts in ihm. Noch gehen ihm nicht die<br />

Augen auf. Beim zweiten Mal wird die<br />

Zuwendung Gottes direkter. Der Hinweis<br />

auf den Weg, den Elija noch zu gehen hat,<br />

weckt in ihm Zukunftsperspektiven. „Vierzig<br />

Tage und vierzig Nächte“ ist wohl eine ab –<br />

sichtlich symbolische Zeitangabe, die an den<br />

gleich langen Aufenthalt des Mose auf dem<br />

Horeb erinnern soll. Sowohl Mose als auch<br />

Elija machen auf diesem Berg eine neue und<br />

entscheidende Gotteserfahrung.<br />

Eph 4, 30 - 5, 2<br />

Im zweiten Lesungstext kann man insofern<br />

eine inhaltliche Verbindung zum atl. Lesungstext<br />

sehen, als es auch da um Zukunftsperspektiven<br />

geht. Der Verfasser stellt im<br />

zweiten Teil des 4. Kapitels den „alten“ und<br />

den „neuen“ Menschen gegenüber. Der alte<br />

Mensch, der von Ausschweifung, Gier und<br />

19. Sonntag im Jahreskreis / 9. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

Der Autor beschränkt sich auf die Texte der katholischen Leseordnung.<br />

Er bedenkt die Frage: „Wovon leben wir?“ auf dem Hintergrund<br />

der Zeitsituation sowie anhand der ersten Lesung (1 Kön 19, 4-8) und des<br />

Evangeliums (Joh 6, 41-51). Die ökologische und ökonomische<br />

Entwicklung stellt nicht nur die Frage nach materiellen Lebensmitteln,<br />

sondern auch nach dem, was die Seele nährt, damit Menschen in Zukunft<br />

leben können. Stichworte: Zukunftsperspektive; Sinnfrage; Gottes<br />

Gegenwart als „Lebens-Mittel“.<br />

Gemeinheit gekennzeichnet ist, geht zugrunde<br />

(vgl. 4, 19-22). Der neue Mensch trägt das<br />

Siegel (Zeichen der Zugehörigkeit) Gottes.<br />

Güte, Barmherzigkeit, Vergebung sind seine<br />

Eigenschaften, weil auch Gott durch Christus<br />

vergeben hat. Ein Leben in den christlichen<br />

Tugenden, vor allem in der Liebe, hat seinen<br />

letzten Grund in der Nachahmung Gottes,<br />

dessen Liebe in Jesus Christus offenbar wurde.<br />

Während der alte Mensch dem Untergang<br />

geweiht ist, steht der neue Mensch für eine<br />

Zukunft, die sowohl ihre Wurzeln als auch<br />

ihre Auswirkungen in der Liebe Gottes hat.<br />

09.08.09<br />

ev. Reihe I: Mt 25, 14-30 kath. 1. L.: 1 Kön 19, 4-8 kath. 2. L.: Eph 4, 30 - 5, 2 kath. Evang.: Joh 6, 41-51<br />

1 Kön 19, 4-8<br />

Joh 6, 41-51<br />

Joh 6, 41-51<br />

Die Evangeliumsperikope ist der sog. Brotrede<br />

Jesu in der Synagoge von Kafarnaum<br />

entnommen. Sie ist in Beziehung gesetzt zur<br />

ersten Lesung 1 Kön 19, 4-8, da es in beiden<br />

Texten um „Brot vom Himmel“ geht, wenn<br />

auch in je unterschiedlicher Weise. Anlass für Der alte Mensch, der von<br />

das ungläubige Murren der Juden ist die vorausgehende<br />

Aussage Jesu, er sei das Brot vom Ausschweifung, Gier und<br />

Himmel. Das Murren war schon zur Zeit der<br />

Wüstenwanderung Israels Ausdruck der un- Gemeinheit gekennzeichnet<br />

gläubigen Auflehnung. Hier steht es als Auflehnung<br />

gegen Jesus als Boten des Himmels, ist, geht zugrunde.<br />

da man ja glaubte, seine irdische Herkunft zu<br />

kennen. Die folgenden Verse verweisen darauf,<br />

dass der Glaube an diesen Jesus Geschenk,<br />

„Gnade“ Gottes ist (V. 44). Wer auf<br />

den Vater hört und Schüler Gottes ist (V 45),<br />

der erkennt im Glauben das wahre Wesen<br />

Jesu. Die Verse 48-51 greifen noch einmal Eph 4, 30 - 5, 2<br />

das Brotmotiv auf. Jesus als das Brot des<br />

Lebens ist mehr als das Manna in der Wüste.<br />

Dieses sicherte das irdische Leben, jenes das<br />

Ewige. Vers 51b hat sakramentale, eucharistische<br />

Anklänge: das Brot, das Jesus gibt, ist<br />

er selbst, „sein Fleisch für das Leben der<br />

Welt“. <strong>11</strong>5


<strong>11</strong>6<br />

09.08.09<br />

Kein Geschehen kann so<br />

sinnlos sein, dass Gott nicht<br />

daraus etwas Sinnvolles,<br />

etwas Neues, etwas<br />

Lebensträchtiges und<br />

Zukunftsweisendes machen<br />

könnte.<br />

Predigtskizze<br />

Aufgrund der täglichen Nachrichten will<br />

einem der Optimismus bezüglich der Zukunft<br />

unserer Welt schwer fallen. Tat man<br />

zuerst noch solche Nachrichten als vordergründige<br />

Panikmache ab, so bestätigt sich<br />

wohl ihr Wahrheitsgehalt in einem immer<br />

bedrängenderen Maße. Die Zukunftsaussichten<br />

scheinen nicht gut zu sein. Über die<br />

Gründe und Hintergründe lässt sich trefflich<br />

streiten. Nahrungsmittelknappheit, Hungerkatastrophen,<br />

Erschöpfung der natürlichen<br />

Ressourcen einerseits und steigender Energiebedarf<br />

andererseits, Klimawandel mit verheerenden<br />

Folgen, Spekulanten, die aus all dem<br />

noch skrupellos Gewinn ziehen, das alles sind<br />

Stichworte, die Zukunftsängste wecken.<br />

Geht unserer Erde – und auf ihr dem<br />

Menschen – die Puste aus?<br />

Wovon sollen wir, und erst recht künftige<br />

Generationen, leben?<br />

Politik und Wirtschaft versuchen, Zuversicht<br />

nach dem Motto zu verbreiten: „Wir<br />

sind auf das Schlimmste gefasst, aber wir<br />

bekommen schon alles in den Griff“. So jagt<br />

denn ein „Gipfel“ den anderen: Klimagipfel,<br />

Erdölgipfel, G-8-Gipfel, WHO-Gipfel und<br />

viele andere. Manchmal hat man den Eindruck,<br />

es ist wie das Pfeifen im dunklen Wald<br />

gegen die Angst. Viele Menschen mögen sich<br />

die bedrückende Frage stellen: „Hat das<br />

Leben dann überhaupt noch einen Sinn, wenn<br />

die Zukunftsaussichten so schlecht sind?“ In<br />

Klammern: Ob die sooft beklagte sinkende<br />

Kinderzahl nicht einen wichtigen Grund<br />

darin hat, dass man seinen Nachkommen eine<br />

solche Welt nicht zumuten will? Menschen<br />

reagieren auf diese Sinnfrage unterschiedlich.<br />

Die einen werden agressiv und wollen sich<br />

mit Gewalt nehmen, wovon sie glauben, dass<br />

es ihnen zusteht. Egoismus und Rücksichtslosigkeit<br />

machen sich nach der Devise breit:<br />

Ich nehme alles mit, was das Leben bietet.<br />

Wer weiß, was morgen ist? Andere verfallen<br />

in Resignation und Depression, weil sie glauben,<br />

es habe sowieso alles keinen Sinn. Man<br />

müsse das Schicksal eben hinnehmen …<br />

Die erste Lesung des heutigen Sonntages<br />

zeigt am Beispiel eines von Gott berufenen<br />

Menschen die Möglichkeit einer zukunftsorientierten<br />

Lösung: Wir dürfen die Rechnung<br />

nicht ohne den Wirt und die Zukunft unserer<br />

Welt nicht ohne Gott machen. Der Prophet<br />

Elija war machtvoll für das Reich Gottes<br />

eingetreten. Das war sein Lebensinhalt. In<br />

einer spektakulären Aktion hatte er den<br />

Baalskult und seine Priester ausgerottet. Er<br />

schien auf dem Höhepunkt seiner Karriere<br />

angekommen. Aber: Konnte er davon leben?<br />

Sehr rasch fiel sein Ruhm wie ein Kartenhaus<br />

zusammen. Die Königin, eine Anhängerin<br />

des Baalskultes, ließ ihn verfolgen. Ihm blieb<br />

nur der Weg in die Wüste, wo er sich unter<br />

einem Ginsterstrauch mit seinem spärlichen<br />

Schatten niederließ. Er fiel in eine tiefe Depression.<br />

Kein Ausweg, keine Zukunft! Alles<br />

ist sinnlos und ziellos. Wegschauen, vergessen,<br />

schlafen!<br />

Auch Elija hat die Rechnung ohne den<br />

Wirt gemacht. Denn Gott selbst bewirtet ihn<br />

– zwei Mal, geduldig, einfühlsam, durch<br />

einen Engel. Es geht dabei nicht nur um Brot<br />

und Wasser. Es geht auch um eine neue<br />

Perspektive. Es wird ein Weg aufgezeigt, ein<br />

Weg, den Elija noch nicht kennt. Er erfährt<br />

nur, dass er für diesen Weg Kraft braucht und<br />

dass er diese Kraft nicht aus sich selbst bekommt.<br />

Er erhält sie von Gott. Und im<br />

Gehen erschließt sich ihm das Ziel: die<br />

Begegnung mit Gott am Gottesberg Horeb<br />

und ein neuer Auftrag, der eine Wende in der<br />

Geschichte Israels bedeutet. Er soll einen<br />

neuen König salben.<br />

Die Botschaft dieser Lesung könnte heißen,<br />

dass kein Geschehen im Laufe der Geschichte<br />

so sinnlos sein kann, dass Gott nicht daraus<br />

etwas Sinnvolles, etwas Neues, etwas Lebensträchtiges<br />

und Zukunftsweisendes machen<br />

könnte. Vorausgesetzt, der Mensch lässt sich<br />

auf Gott ein, er lässt sich von ihm nähren und<br />

Kraft geben, er lässt sich von ihm Weg und<br />

Ziel weisen, er lässt sich von Gott in Dienst<br />

nehmen und beauftragen.<br />

Wovon leben wir? – Nicht von unseren<br />

selbst ausgedachten Zukunftsperspektiven.<br />

Erst recht nicht von unseren Zukunftsängsten.<br />

Wir können – wie Elija – leben von der<br />

Zuwendung Gottes, die uns fürsorglich<br />

durch die Wüsten des Lebens führt. Diese<br />

Zuwendung Gottes ist, gemäß unserem<br />

christlichen Glauben, in Jesus Christus sichtbar<br />

und greifbar geworden. Sein Leben und<br />

Wirken zeigen, dass nicht Egoismus und<br />

Ausbeutung Wege zum wahren Leben sind,<br />

sondern das Füreinander-da-sein. Jesus hat es


uns vorgelebt bis zum Tod am Kreuz.<br />

Deshalb spricht er auch von seinem Leben im<br />

Bild vom Weizenkorn oder vom Lebensbrot,<br />

Bilder der Hingabe und Bilder der Hoffnung.<br />

Wenn Jesus im Evangelium heute<br />

sagt: „Ich bin das Brot des Lebens“, dann verweist<br />

er auf sich selbst als Quelle der<br />

Lebenskraft und der Hoffnung. Angesichts<br />

unserer verwirrenden und oft unübersichtli-<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

Predigtsituation – Kirchenjahreszeit<br />

Israelsonntag<br />

Der 10. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong> ist der<br />

sog. „Israelsonntag“ oder auch „Gedenktag<br />

an die Zerstörung Jerusalems“. In den Jahren<br />

70-71 n. Chr. wurde Jerusalem von den<br />

Römern zerstört. Josephus Flavius (* 37 n.<br />

Chr.) schreibt darüber: „6.000 Menschen<br />

wurden im Tempel verbrannt. 100.000 wurden<br />

gefangen nach Rom verschleppt und die<br />

Stadt Jerusalem mit ihren herrlichen Palästen<br />

dem Erdboden gleich gemacht“ (De bello<br />

judaico).<br />

Ev. Predigttext: Lk 19, 41-48<br />

Exegetische Hinweise<br />

Lukas schreibt vom Weinen Jesu und der<br />

Ankündigung der Zerstörung Jerusalems im<br />

Rückblick. Das Evangelium entsteht um ca.<br />

80 n. Chr., und die Zerstörung hat zu diesem<br />

Zeitpunkt bereits stattgefunden. In der<br />

Vision Jesu beschreibt Lukas daher den tatsächlichen<br />

späteren Verlauf.<br />

chen Wege in eine ungewisse Zukunft sind<br />

wir eingeladen, ihn in unser Leben als<br />

„Lebensmittel“ aufzunehmen, ihm zu glauben<br />

und zu vertrauen. Im Brot der Eucharistie<br />

bietet er sich uns an: „Steh auf und<br />

iss, sonst ist der Weg zu weit für dich.“<br />

20. Sonntag im Jahreskreis / 10. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

Die Autorin betrachtet den ev. Predigttext und die kath. 1. Lesung.<br />

Stichworte zur Nachhaltigkeit: Kraft durch Zusammenhalt und den<br />

begleitenden Blick auf Gott – für Naturschutz, Energiepolitik, Katastrophenhilfe<br />

(Lk 19); Weisheit denkt in langfristigen Perspektiven, erst<br />

bei mir den Weg bereiten, dann die anderen einladen (Spr 9)<br />

Assoziationen<br />

– Jesus weint über Jerusalem.<br />

Weint Gott über uns hier und heute?<br />

Wie weit sind wir von der nächsten Katastrophe<br />

entfernt?<br />

– „Gott sei Dank, es ist Sonntag“ EKD-<br />

Kampagne: www.ekd.de/sonntagsruhe<br />

– Jes 56,7: Dieses Haus soll ein Bethaus sein;<br />

ihr aber habt es zur Räuberhöhle gemacht.<br />

Übertragung:<br />

Dieser Tag soll ein Sonntag sein; ihr aber<br />

habt ihn zum Regentag gemacht.<br />

Dieser Tag soll ein Feiertag sein; ihr aber<br />

habt ihn zum Werktag gemacht.<br />

Diese Welt soll eine Lebenswelt sein; ihr aber<br />

habt sie zur Wüste gemacht.<br />

Diese Erde soll Gottes Erde sein; ihr aber<br />

habt sie zu eurem Eigentum gemacht.<br />

Bezug zu Nachhaltigkeit<br />

Anton Sauer, Heusenstamm<br />

– Jesus sieht, wie die Menschen in ihr Unglück<br />

rennen, weil sie Gott nicht mehr als<br />

Mittelpunkt in ihrem Leben haben. Sie sind<br />

09.08.09<br />

16.08.09<br />

ev. Reihe I: Lk 19, 41-48 oder Mk 12, 28-34 kath. 1. L.: Spr 9, 1-6 kath. 2. L.: Eph 5, 15-20<br />

kath. Evang.: Joh 6, 51-58<br />

Lk 19, 41-48<br />

<strong>11</strong>7


<strong>11</strong>8<br />

16.08.09<br />

Die Probleme der<br />

Gegenwart sind groß, und<br />

die Schritte, die wir gehen<br />

können, klein.<br />

Spr 9, 1-6<br />

zerstritten, konkurrenzorientiert und von materiellen<br />

Gewinnen geleitet. Das macht sie zu<br />

„leichten Opfern“ für das Römische Reich.<br />

Schlussfolgerung für die Gegenwart: Es braucht<br />

den Zusammenhalt von Menschen, um<br />

diese Welt und das Leben zu erhalten und<br />

zu stärken. Es braucht Motivation und Verantwortungsbewusstsein.<br />

Diese Kraft lässt<br />

sich ohne den Blick auf Gott nicht finden.<br />

Stichworte: Naturschutz, Energiepolitik,<br />

Katastrophenhilfe, soziale Marktwirtschaft,<br />

Work-Life-Balance, Spiritualität, Ökumene<br />

– Jesus fängt an einer Stelle an zu handeln. Er<br />

vertreibt die Händler aus dem Tempel.<br />

Dies ist nur eine kleine Aktion angesichts<br />

der damaligen Bedrohung durch die Römer.<br />

Jesu Handeln beschäftigt uns Menschen aber<br />

noch bis heute, auch wenn die damalige Katastrophe<br />

nicht abgewendet werden konnte.<br />

Die Probleme der Gegenwart sind groß,<br />

und die Schritte, die wir gehen können,<br />

klein. Das Beispiel Jesu kann uns Mut<br />

machen, diese kleinen Schritte trotzdem<br />

immer wieder zu gehen. Die damalige<br />

Zerstörung hätte verhindert werden können.<br />

Das zeigt die Hoffnung, die Jesus bei<br />

der Tempelaktion trotz allem hatte.<br />

Unsere Zukunft ist die, die wir daraus<br />

machen – mit Gottes Hilfe.<br />

Kath. 1. Lesung: Spr 9, 1-6<br />

Exegetische Hinweise<br />

Spr 1-9 ist eine Sammlung der Worte von<br />

Weisen, die sich nicht sicher zeitlich datieren<br />

lässt. Salomo wird zugesprochen, dass er diese<br />

Sammlung erstellt hat, aber nicht der alleinige<br />

Urheber ist (Donald Guthrie). Die Verse<br />

9, 1-6 gehören eng mit 9, 13-18 zusammen<br />

als zwei Hälften eines Lehrgedichts über<br />

„Frau Weisheit“ und „Frau Torheit“ (Susanne<br />

Gorges-Braunwarth). Im Alten Testament ist<br />

die Gottesfurcht die Grundlage der Weisheit.<br />

Die Weisen galten daher zusammen mit den<br />

Priestern auch als die Verkündiger des<br />

Willens Gottes (z. B. Jer 18, 18).<br />

Assoziationen<br />

– Weisheit kommt von Gott.<br />

– Weisheit zeigt sich, lädt ein, aber zwingt nicht.<br />

– Weisheit bringt Veränderung.<br />

– Weisheit ist Lebensfülle.<br />

Bezug zu Nachhaltigkeit<br />

Die Weisheit denkt langfristig. Zuerst<br />

wird das Haus gebaut, jede der sieben Säulen<br />

behauen, das Vieh geschlachtet, der Wein<br />

gemischt und der Tisch bereitet. Und dann<br />

folgt eine schlichte Einladung.<br />

Schlussfolgerung für die Gegenwart: Es gibt<br />

viel zu tun für mich. (Appelle, Schuldzuweisungen<br />

oder Anklagen an andere Menschen<br />

gehören nicht dazu.) Weisheit beginnt<br />

mit der Frage nach Gott. Darauf folgt mein<br />

eigenes Denken und Handeln. Erst dann ist<br />

eine Einladung an andere möglich. Eine Einladung<br />

zum Leben.<br />

Quellen:<br />

Donald Guthrie, Kommentar zur Bibel. AT und<br />

NT in einem Band; Brockhaus 2003; S. 667<br />

Susanne Gorges-Braunwarth, Frauenbilder –<br />

Weisheitsbilder – Gottesbilder. Die personifizierte<br />

Weisheit im Gottesbild der nachexilischen Zeit;<br />

Lit-Verlag 2002, S. 218<br />

Ivonne Heinrich, Westerburg


<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

21. Sonntag im Jahreskreis / <strong>11</strong>. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

Exegetische Hinweise zum Buch Josua<br />

Das Buch Josua ist Abschluss und Anfang<br />

zugleich. Abschluss, weil das den Vätern verheißene<br />

Land (Gen 12, 7) nun dem Volk<br />

Israel zum Erbe gegeben wird (Jos 1, 2 ff.).<br />

Die Zeit der Knechtschaft in Ägypten, der<br />

Exodus und die Wüstenwanderung sind<br />

Geschichte. Gleichzeit erzählt das Buch den<br />

Anfang von der Sesshaftigkeit des Volkes<br />

Gottes. Um die Treue zum Glauben geht es<br />

in der alttestamentlichen Lesung. Josua<br />

macht sich zum Sprecher für die Glaubenstreue.<br />

In Kanaan wirken die dort verehrten<br />

Gottheiten und Rituale faszinierend auf<br />

das Volk, das nur den schlichten Kult der<br />

Wüstenwanderer kannte. Josua vollendet das<br />

politische Wirken des Mose und wird wie er<br />

als „Knecht des Herrn“ (Jos 24, 29) bezeichnet.<br />

Am Beginn des Josuabuches (Jos 1, 5 f.)<br />

wird ihm in einer thematischen Jahwerede<br />

zugesprochen, dass er dem Volk das Land, das<br />

Jahwe den Vorfahren versprochen hatte, zum<br />

Erbe geben wird. So versammelt er dann auch<br />

am Ende seines Lebens das ganze Volk in<br />

Sichem und verpflichtet es an Jahwe festzuhalten<br />

(Jos 23 und 24). Entschieden sollen sie<br />

sich von den fremden Gottheiten und Ritualen<br />

abwenden. Durch die Verleihung des<br />

Landes an Israel tritt Jahwe seine Rechte<br />

nicht ab, das Land bleibt sein heiliges Land<br />

(Jos 22, 19). Das Land Kanaan ist der Ort, an<br />

dem Jahwe mit seinem Volk seine Geschichte<br />

schreibt. Der Besitz des Landes verpflichtet<br />

zur richtigen Antwort auf Gottes Treue.<br />

Israel soll in seiner Geschichte Gottes Handeln<br />

erkennen, seinen Willen tun und alles<br />

befolgen, was im Gesetzbuch des Mose steht<br />

(Jos 23, 6). Josua schließt in Sichem für sein<br />

Volk einen Bund und legt Gesetz und Recht<br />

fest. Den Besitz des gelobten Landes haben<br />

die Israeliten alleine Jahwe zu verdanken. Er<br />

hat sein Wort gehalten.<br />

Marcelo de Barros Souza und José Luis<br />

Caravias (S. 86 f.) gehen davon aus, dass das<br />

Buch Josua zum deuteronomistischen Geschichtswerk<br />

gehört und fünfhundert Jahre<br />

nach den entsprechenden Ereignissen entstand:<br />

„Wer fundamentalistisch an die entsprechenden<br />

Josua-Texte herangeht und sie<br />

wörtlich nimmt, deutet die Ereignisse etwa<br />

so: ... In der Hoffnung auf die Verheißung,<br />

die Gott Abraham gegeben hat, er werde<br />

dem Volk Israel das Land Kanaan übergeben,<br />

ziehen die Menschen durch die Wüste, dringen<br />

in das verheißene Land ein, erobern eine<br />

kanaanäische Stadt nach der anderen und zerstören<br />

sie alle miteinander, bis sie selbst die<br />

alleinigen Herren des Landes sind. Diese Art<br />

von Lektüre dient heute manchen Leuten als<br />

religiöser Vorwand dazu, die Expansionspolitik<br />

des gegenwärtigen Staates Israel den<br />

Palästinensern gegenüber zu rechtfertigen.<br />

Doch auch manche Christen verstehen die<br />

Texte so. Für sie ist nämlich das AT lediglich<br />

Symbol und Vorbild für das NT, so dass sie<br />

gar kein Problem darin sehen, dass sich Gott<br />

bzw. Gottes Volk im AT unterdrückerisch<br />

gebärdet.“<br />

Nachhaltigkeitsaspekte und mögliche Predigtinhalte<br />

23.08.09<br />

ev. Reihe I: Lk 18, 9-14 kath. 1. L.: Jos 24, 1-2a.15-17.18b kath. 2. L.: Eph 5, 21-32 kath. Evang.: Joh 6, 60-69<br />

Der Verfasser betrachtet die Bibeltexte der beiden kath. Lesungen.<br />

Stichworte zur Nachhaltigkeit: Erinnerung an das geschichtliche Handeln<br />

Gottes als Grundlage und Rechtfertigung für die Kritik an aktuellen Unrechtssituationen,<br />

Entscheidung entweder für Gott oder die Götter unserer<br />

Zeit (Jos 24); Soziale Gerechtigkeit als Aspekt von Nachhaltigkeit insbesondere<br />

bei der Benachteiligung von Frauen in allen Gesellschaften (Eph 5)<br />

Jos 24, 1-2a.15-17.18b<br />

Der Besitz des Landes<br />

verpflichtet zur richtigen<br />

Antwort auf Gottes Treue.<br />

Weltgestaltung aus geschichtlicher und heilsgeschichtlicher<br />

Erfahrung<br />

In einer langen Rede lässt Josua Jahwe selber<br />

zu Wort kommen (Jos 24, 2 ff.), in der er<br />

an seine Treue zum Volk von Anfang an erinnert.<br />

Das Vergessenwollen verlängert das Exil,<br />

und das Geheimnis der Erlösung liegt in der<br />

Erinnerung. Diese so oft zitierte jüdische<br />

Weisheit betont, dass der Glaube an Jahwe<br />

ein Glaube an sein Wirken in der Geschichte<br />

ist. So erklärt das Buch Josua theologisch die<br />

Gegenwart aus der Vergangenheit und vermittelt<br />

Erkenntnisse und Lehren für die<br />

Zukunft. Auch dem christlichen Glauben <strong>11</strong>9


120<br />

23.08.09<br />

Gott und sein Wirken in<br />

der Geschichte werden nur<br />

dann ernst genommen, wenn<br />

wir bereit sind, die momen-<br />

tane Situation <strong>nachhaltig</strong><br />

zu verbessern.<br />

geht es in Treue zu den jüdisch-christlichen<br />

Traditionen des AT und NT nicht um eine<br />

vergangene Wirklichkeit, auf die wir vielleicht<br />

wehmütig und nostalgisch zurückblicken.<br />

Wenn christliche Theologie versucht,<br />

über Gott, die Welt und die Menschen auf<br />

der Grundlage der biblischen Botschaft nachzudenken,<br />

muss sie immer auch eine prophetische<br />

Kritik an der heutigen politischen und<br />

ökonomischen Situation sein. Es geht ihr<br />

einerseits um die Erinnerung an das Handeln<br />

Gottes in der Geschichte und andererseits um<br />

eine zukünftige und noch ausstehende Wirklichkeit.<br />

Das Wort des Rates der Evangelischen Kirche<br />

in Deutschland und der Deutschen<br />

Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und<br />

sozialen Lage in Deutschland/Für eine Zukunft<br />

in Solidarität und Gerechtigkeit greift<br />

diese Gedanken auf: „Das Volk Gottes lebt<br />

aus der Erinnerung an die Geschichte des<br />

Erbarmens Gottes ... Daraus schöpft es Kraft<br />

und Zuversicht; es weiß sich dadurch zugleich<br />

motiviert zur barmherzigen und solidarischen<br />

Zuwendung zu den Armen, Schwachen<br />

und Benachteiligten. ... Die Bibel übt<br />

prophetische Kritik an gesellschaftlichen<br />

Unrechtssituationen ...; sie setzt sich vor<br />

allem für die Benachteiligten und die Fremden<br />

ein ... So wird in großen Teilen des AT die<br />

gesellschaftsgestaltende Kraft des biblischen<br />

Glaubens deutlich“ (S. 40 f.). Theologisches<br />

Reflektieren will glaubenden Menschen<br />

Zugänge eröffnen, die gegenwärtigen politischen<br />

und ökonomischen Bedingungen zu<br />

verändern, um der Herrschaft Gottes zum<br />

Durchbruch zu verhelfen. Gott und sein Wirken<br />

in der Geschichte werden nur dann ernst<br />

genommen, wenn wir bereit sind, die momentane<br />

Situation <strong>nachhaltig</strong> zu verbessern<br />

(vgl.: Für eine Zukunft ..., S. 49 f).<br />

Der Glaube an Jahwe und seine gesellschaftlich<br />

politischen Folgen<br />

Die Entwicklung des Glaubens an Jahwe<br />

ist ein langer Prozess. Die Glaubensinhalte<br />

unterscheiden sich fundamental von der<br />

kanaanäischen Religion und ihren Gottheiten.<br />

Der Glaube an Jahwe ist Symbol des<br />

sozialen Kampfes eines unterdrückten Volkes<br />

um Selbständigkeit und um gerechtere und<br />

geschwisterliche Lebensbedingungen. Jahwe<br />

will, dass die Güter der Erde (Herden, Grund<br />

und Boden) allen zugänglich sind. Das Land<br />

soll seinem Volk insgesamt gehören. Niemand<br />

darf bevorzugt oder gar ausgeschossen<br />

werden. Er ist parteiisch für die, die kein<br />

Land besitzen und kämpft an ihrer Seite,<br />

damit sie etwas bekommen. Die Religion<br />

Israels ist eine Religion von Unterdrückten,<br />

während die Religion der Kanaanäer oftmals<br />

die Interessen der Unterdrücker widerspiegelt.<br />

Der Glaube an Jahwe hat Auswirkungen<br />

auf sein Volk. Er stärkt das Bemühen um eine<br />

geschwisterliche Gesellschaftsordnung und<br />

verpflichtet das Volk Israel zur Solidarität. In<br />

Sichem wird Glaube aus der Privatheit in das<br />

Licht einer öffentlichen Diskussion hineingestellt.<br />

Die Philosophin Hanna Arendt hat<br />

Politik einmal so definiert: Treffen sich Menschen,<br />

um miteinander etwas in der Welt<br />

anzufangen, entsteht politische Macht. Genau<br />

darum geht es Josua in Sichem. Er sucht eine<br />

politische Entscheidung, die nach den Grundlagen<br />

für das zukünftige Zusammenleben im<br />

Volk Israel sucht.<br />

Was bewirkt heute der Glaube an Jahwe,<br />

den Gott der Bibel?<br />

Führt er zu Solidarität und zum gesellschaftlichen<br />

Engagment?<br />

Bestärkt er uns, <strong>nachhaltig</strong>e Entwicklungen<br />

anzustoßen?<br />

Führt er uns aus der Privatheit in die<br />

Öffentlichkeit?<br />

Jahwe oder die Götter?<br />

Josua stellt die Frage: Entscheidet euch,<br />

wem ihr dienen wollt, Gott oder den Göttern?<br />

Eine Entscheidung ist fällig, die unaufschiebbar<br />

ist. Wer sie jetzt nicht fällt, ist den neuen<br />

Göttern bereits verfallen. Josua erinnert<br />

daran, dass es im Kern nicht Kriege und<br />

Eroberungen waren, die Israel ins gelobte<br />

Land gebracht haben, sondern letztendlich<br />

das Hören Einzelner oder des ganzen Volkes<br />

auf Gottes Wort; denn die Geschichte Israels<br />

ist auch eine Geschichte des In-Vergessenheit-Geratens<br />

Jahwes. In Sichem findet<br />

eine Versammlung gegen das Vergessen statt,<br />

ein Versprechen es mit Gott zu halten, ein Ja<br />

zu einem Weg gegen den Strom, eine Absage<br />

an die Götzen. Die Diskussion um die Zukunft<br />

beginnt mit dem Hören auf die<br />

Geschichte Gottes mit seinem Volk. Nicht<br />

die eigenen Interessen, sondern das Interesse<br />

Gottes an Welt und Mensch und seine Treue


stehen im Vordergrund und führen zu einer<br />

Entscheidung. Auch heute stehen wir am<br />

Scheideweg von Sichem. Wir dürfen von der<br />

Option Gottes für die Armen, von seiner<br />

Vision einer Veränderung bestehender Verhältnisse<br />

und der Überwindung von Gewalt<br />

zwischen Menschen, Gruppen und Völkern<br />

nicht lassen.<br />

Wie halten wir es mit dem Traum Gottes<br />

von einer Welt, die sich dem Frieden, der<br />

Gerechtigkeit und der Bewahrung der<br />

Schöpfung verpflichtet weiß? Wie kommen<br />

wir zu politischen Entscheidungen, die auch<br />

die nachfolgenden Generationen mit in den<br />

Blick nehmen (Gentechnologie, Energie,<br />

Umwelt, Außenpolitik) und den Götzen<br />

unserer Zeit eine klare Absage erteilen?<br />

Literaturempfehlungen<br />

Eugen Sitarz (Hrsg.), Höre, Israel! Jahwe ist einzig,<br />

Stuttgart 1987.<br />

Marcelo de Barros Souza, Jose Luis Caravias,<br />

Theologie der Erde, Düsseldorf 19<strong>90</strong>.<br />

Norbert Greinacher, Der Schrei nach Gerechtigkeit.<br />

Elemente einer prophetischen politischen<br />

Theologie, München 1986.<br />

Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland/Sekretariat<br />

der Deutschen Bischofskonferenz<br />

(Hrsg), Für eine Zukunft in Solidarität und<br />

Gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen<br />

Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz<br />

zur wirtschaftlichen und sozialen Lage<br />

in Deutschland, Hannover/Bonn 1997.<br />

Exegetische Hinweise zum Eph 5, 21-33<br />

Der Abschnitt beginnt mit der Ermahnung<br />

zu gegenseitiger Unterordnung, was<br />

zunächst eine partnerschaftliche Ordnung<br />

andeuten könnte. Die anschließende Ehebelehrung<br />

jedoch fordert die Frauen, auf sich<br />

den Männern unterzuordnen wie dem Herrn<br />

(Christus). Das Verb sich unterordnen ist im<br />

Griechischen ein Ordnungsbegriff und beinhaltet<br />

die Anerkennung der bestehenden patriarchalischen<br />

Verhältnisse. Hubertus Halbfas<br />

schreibt in seiner kommentierten Bibel:<br />

„Hinter dieser die gesamte antike Gesellschaftsstruktur<br />

bestimmenden männlichen<br />

Dominanz (vgl. 1 Kor <strong>11</strong>, 3-12) steht zunächst<br />

im jüdisch-christlichen Raum die<br />

damalige Auslegung von Gen 2, 18-24. Da<br />

die Frau erst nach dem Mann, aus ihm und<br />

seinetwegen geschaffen sei, sei er auch in<br />

allem der Frau übergeordnet. Dieser Hintergrund<br />

wird nun christologisch überhöht. Die<br />

Überordnung des Mannes soll aus der<br />

Beziehung Christi zu seiner Kirche verstanden<br />

werden. ... Vers 33 bringt die Lektion<br />

noch einmal auf den Punkt: Der Mann soll<br />

seine Frau lieben, die Frau aber – sie fürchte<br />

(ehre) den Mann. Mit diesem überraschenden<br />

Verb wird eine sich unterordnende Haltung<br />

verlangt, wie Untergeordnete den ihnen<br />

Vorgeordneten begegnen“ (S. 574). Die<br />

Wirkungsgeschichte dieser Ehelektion transzendiert<br />

und rechtfertigt ein Machtgefälle<br />

zwischen Mann und Frau und fordert mit<br />

einer Grundsätzlichkeit, die dogmatisch legitimiert<br />

indiskutabel ist, die Unterordnung<br />

der Frau.<br />

Nachhaltigkeitsaspekte und mögliche Predigtinhalte<br />

23.08.09<br />

Der Abschnitt aus dem Epheserbrief muss<br />

uns Mut machen, „ganze Teile des NT von<br />

unserer eigenen Zeit und unserem Lebensgefühl<br />

her kritisch in Frage zu stellen und die<br />

Botschaft Jesu mit Fragen zu konfrontieren,<br />

die sich ihr in der Zeit ihrer ersten Interpretation<br />

so noch gar nicht stellen konnten“.<br />

Wir haben Grund „anhand dieses Textes in<br />

seiner Problematik einmal das Feld der<br />

Auseinandersetzung und des Nachdenkens<br />

viel weiter zu spannen und uns das Problem<br />

vorzulegen, wie schwer es ist, sich im<br />

Rahmen von Frömmigkeit und Religion freizuhalten<br />

von Ideolgie, Machtbegründung Eph 5, 21-32<br />

und autoritärem Denkstil. ... Nach zweitausend<br />

Jahren Patriarchalismus in der Kirche<br />

müssten wir, könnten wir durch die<br />

Vermittlung von Frauen vieles aus dem<br />

Munde Jesu lernen“ (Eugen Drewermann,<br />

Düsseldorf 1991, 147 ff). Doch nach wie vor<br />

blockiert die Kirche die Frauen, indem sie<br />

„von ihnen ein traditionelles Bild und einen<br />

altherkömmlichen Status weitervermittelt.<br />

Das von der Kirche geförderte, ja sakralisierte<br />

Bild der Frau ist das der hingebungsvollen<br />

Mutter, die sich gut aufopfern kann“ (Jacques<br />

Gaillot u. a., S. 219 f.).<br />

Man wird in der Religionsgeschichte kaum<br />

jemanden finden, der mit der Männerherrschaft<br />

deutlicher aufgeräumt hat als der<br />

Mann aus Nazareth. Er verurteilte alles, was<br />

nur den Geruch von Überlegenheit, Herrschaft<br />

und Macht an sich hatte. Da Frau und 121


122<br />

23.08.09<br />

Frauen zählen weltweit<br />

zu den Ärmsten der Armen,<br />

so dass bereits von einer<br />

Feminisierung der Armut<br />

und einer Apartheid der<br />

Geschlechter gesprochen wird.<br />

30.08.09<br />

Mann nach dem Bild Gottes geschaffen sind,<br />

müsste zumindest im jüdisch-christlichen<br />

Raum die Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit<br />

sein. Frauen zählen weltweit<br />

zu den Ärmsten der Armen, so dass bereits<br />

von einer Feminisierung der Armut und einer<br />

Apartheid der Geschlechter gesprochen wird.<br />

Die Arbeitslast der Frauen erhöht sich nach<br />

wie vor, ihr Zugang zu den Wirtschaftsressourcen<br />

nimmt ab, und ihre Ernährungsund<br />

Bildungssituation, sowie ihr Gesundheitszustand<br />

verschlechtern sich rapide.<br />

Menschenverachtung und Frauenverachtung<br />

hängen fundamental zusammen. Die<br />

Geburt eines Mädchens gilt vielfach als<br />

Unglück. Franz Kamphaus differenziert die<br />

vielfältigen Formen von Gewalt, die Frauen<br />

treffen: „psychische Gewalt in Form des<br />

öffentlich anerkannten Gewaltrechtes von<br />

Männern gegenüber Frauen; sexuelle Gewalt<br />

und die damit verbundenen Einschüchterungen;<br />

materielle Gewalt, das heißt die<br />

männliche Kontrolle über das Wirtschaftsleben;<br />

ideologische Gewalt, das meint das<br />

angemaßte männliche Potenzgehabe, dem die<br />

weibliche Demut und Minderwertigkeit korrespondiert“<br />

(S. 124 f.). Auch in Deutschland<br />

ist Armut häufig weiblich. Besonders alleinerziehende<br />

und ältere Frauen sind auf<br />

Sozialhilfe angewiesen. Diejenigen sind in<br />

unserem Sozialsystem begünstigt, die ohne<br />

Unterbrechungen voll erwerbstätig waren –<br />

in der Regel Männer. Tätigkeiten im Haushalt,<br />

die Erziehung der Kinder, Pflege der<br />

Angehörigen und soziales ehrenamtliches<br />

Engagment werden zu wenig berücksichtigt.<br />

Klassische Frauenarbeit bleibt auch hierzu-<br />

lande eher unsichtbar und unbezahlt. Die<br />

Benachteilung der Frauen wurzelt immer in<br />

kulturellen Mustern und religiösen Wertvorstellungen,<br />

die männlich geprägte Strukturen<br />

fördern. Frauengerechte Entwicklung bedeutet<br />

darum die Mitgestaltung eines Prozesses,<br />

in dem Frauen und Männer partnerschaftlich<br />

die Verantwortung für ökonomische,<br />

politische, kulturelle und geistige Entwicklungen<br />

in ihrer Gesellschaft übernehmen.<br />

Wie kommen wir der Vision einer gemeinsamen<br />

Verantwortung von Frau und Mann in<br />

allen Bereichen der Gesellschaft (und der<br />

Kirche) näher?<br />

Welche Entwicklungsprojekte von Frauen<br />

und für Frauen sind zu fördern?<br />

Wie sprechen wir in der Verkündigung<br />

von einem Gott, der Mann und Frau als sein<br />

Abbild schuf und beiden die Erde anvertraute?<br />

Literaturempfehlungen<br />

Eugen Drewermann, Zwischen Staub und Sternen.<br />

Predigten im Jahreskreis, Düsseldorf 1991<br />

Franz Kamphaus, Eine Zukunft für alle. Umkehr<br />

zur Solidarität, Freiburg 1995<br />

Bischöfl. Hilfswerk Misereor (Hrsg.), Arbeitshefte<br />

zum Hungertuch. Das MISEREOR-Hungertuch<br />

„Barmherzigkeit und Gerechtigkeit“, Aachen<br />

1998<br />

Jacques Gaillot, Alice Gombault, Pierre de Locht,<br />

Ein Katechismus der Freiheit atmet, Küsnacht<br />

2004<br />

Hubertus Halbfas, Die Bibel, Düsseldorf 2001<br />

22. Sonntag im Jahreskreis / 12. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

Klaus Scheunig, Mandelbachtal<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

ev. Reihe I: Mk 7, 31-37 kath. 1. L.: Dtn 4, 1-2.6-8 kath. 2. L.: Jak 1, 17-18.21b-22.27 kath. Evang.: Mk 7, 1-8.14-15.21-23<br />

Der Verfasser betrachtet die ev. Predigtperikope der Reihe I und die<br />

Bibelstelle zur kath. 2. Lesung. Stichworte zur Nachhaltigkeit: sich gegen<br />

die Erderwärmung einsetzen und damit heilen / die Ausbreitung von<br />

Krankheiten verhindern (Mk 7); im Menschen als der Erstlingsfrucht der<br />

Schöfung liegt die Pflicht und die Möglichkeit begründet, diese zu bewahren<br />

und zu gestalten, unter Beachtung der ihr mitgegebenen und für ihn<br />

durch das göttliche „und es war gut“ deutlich erkennbaren Grenzen (1 Jak 1)


Mk 7, 31-37<br />

Klimawandel und Ausbreiten von die Gehörlosigkeit<br />

verursachenden Krankheiten<br />

Der Bericht ähnelt den Berichten hellenistischer<br />

Heiler, die oft auch mit Speichel<br />

arbeiteten. Dabei wird bei Jesus die Heilung<br />

mehr an sein Wort gebunden als bei diesen<br />

Heilern.<br />

Heute wird das Wort „Taubstumm“ weniger<br />

gebraucht, da es auf die Betroffenen diskriminierend<br />

wirkt. Man spricht lieber von<br />

Gehörlosigkeit, das berücksichtigt, dass ein<br />

so genannter „Taubstummer“ durch entsprechende<br />

Schulung sprechen lernen kann. Das<br />

Wort gehörlos entstand erst nach der<br />

Einführung der allgemeinen Schulbildung<br />

tauber Kinder im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts<br />

als Begriff für einen Taubstummen,<br />

der durch eine unermüdliche Sprech erziehung<br />

entstummt worden ist. Daher hat<br />

das Wort die Bedeutung von „taub, aber<br />

sprechend“ erlangt, und taube Kinder,<br />

Schulentlassene und Erwachsene werden als<br />

„Gehörlose“ bezeichnet. Weltweit soll es etwa<br />

70 Millionen gehörlose Menschen geben. Es<br />

gibt erworbene Gehörlosigkeit als Folge von<br />

z. B. Meningitis, Enzephalitis, Scharlach,<br />

Masern, Tuberkulose, Mittelohr-Erkrankungen<br />

und anderen Krankheiten. Angeborene<br />

Gehörlosigkeit kann entweder vorgeburtlich<br />

erworben sein, durch Röteln und<br />

andere Erkrankungen, oder erblich.<br />

Krankheiten werden sich ausbreiten, so ist<br />

die Prognose von Wissenschaftlern. Vom weltweiten<br />

Klimawandel können vor allem<br />

Krankheitserreger und ihre Überträger profitieren.<br />

In Zukunft drohen Menschen, Tieren<br />

und Pflanzen häufige Epidemien, so liest<br />

man in einer US-Studie. Um sich besser<br />

gegen Krankheitsausbrüche wehren zu können,<br />

muss der Einfluss der Klimaänderung<br />

stärker beachtet und erforscht werden: „Wir<br />

müssen die globale Klimaveränderung sehr<br />

ernst nehmen“, so die Schlussfolgerung von<br />

Andrew Dobson. „In der Zukunft wird die<br />

Welt nicht nur wärmer, sondern auch kränker<br />

sein.“ Diese Erwärmung begünstigt Epidemien<br />

bei Tieren, Pflanzen und auch beim<br />

Menschen, berichtet ein US-Forscherteam<br />

um Drew Harvell, Cornell University, und<br />

Andrew Dobson, Princeton University. 1<br />

Die Heilung von Kranken war ein wichti-<br />

ger Teil der Reich-Gottes-Predigt Jesu.<br />

„Blinde sehen wieder, Lahme gehen, Aussätzige<br />

werden rein, Tote stehen auf, und Armen<br />

wird das Evangelium verkündet (Mt <strong>11</strong>, 5).<br />

Im Reich Gottes soll es dieses Elend nicht<br />

mehr geben. Wir glauben an das endgültige<br />

Kommen des Reiches Gottes, deshalb setzen<br />

wir uns für sein Kommen mit unseren oft so<br />

begrenzten menschlichen Kräften ein. Wer<br />

sich gegen die Erderwärmung durch sein<br />

Handeln einsetzt, verhindert Krankheiten<br />

und steht damit in der heilenden Tradition<br />

Jesu. Hinzu kommt, den betroffenen<br />

Menschen nach Möglichkeit zu helfen.<br />

Erstlingsfrucht der Schöpfung, Lesung 1<br />

Jak 1, 17-18.21b-22.27<br />

30.08.09<br />

Mk 7, 31-37<br />

Jak 1, 17-18.21b-22.27<br />

Im Jakobusbrief wird der Mensch die<br />

Erstlingsfrucht der Schöpfung genannt. Dieser<br />

Begriff kommt aus der biblischen Opfersprache<br />

Israels. Die erste Frucht war Gottes<br />

Eigentum, es war die erste Opfergabe. Nun<br />

fragt sich, welcher Schöpfung? Ist es die erste<br />

Schöpfung oder die Neuschöpfung in Christus?<br />

Die erste Schöpfung wurde durch den Menschen<br />

verdorben. Die Neuschöpfung in Christus,<br />

an der wir durch die Taufe Anteil haben, Wer sich gegen die<br />

ist die Neuschöpfung. Mit Christus und uns<br />

im Gefolge fängt die neue Schöpfung an. Erderwärmung durch sein<br />

Wir leben aber noch in der ersten Schöpfung.<br />

Benedikt XVI. führt dazu aus: „Indem Handeln einsetzt, verhindert<br />

der Schöpfergeist das neue und ewige Leben<br />

in den bestatteten Leib Jesu von Nazaret ein- Krankheiten und steht<br />

goss, brachte er das Werk der Schöpfung zur<br />

Erfüllung und schuf eine »Erstlingsfrucht«: damit in der heilenden<br />

die Erstlingsfrucht einer neuen Menschheit,<br />

die gleichzeitig Erstlingsfrucht einer neuen Tradition Jesu.<br />

Welt und eines neuen Zeitalters ist. Diese<br />

Erneuerung der Welt lässt sich in einem<br />

Wort zusammenfassen, in demselben, das der<br />

auferstandene Jesus als Gruß, aber mehr noch<br />

als Botschaft seines Sieges zu seinen Jüngern<br />

sprach: »Friede sei mit euch!« (Lk 24, 36;<br />

Joh 29, 19.21.26). Der Friede ist das Geschenk,<br />

das Christus seinen Freunden als<br />

Segen hinterlassen hat (vgl. Joh 14, 27), der<br />

für alle Menschen und alle Völker bestimmt<br />

ist.“<br />

Dieser uns hinterlassene Friede bestimmt<br />

auch unser Verhältnis zur Schöpfung. Wir<br />

dürfen sie durch unser Ausbeuten nicht<br />

bekämpfen. Nach dem 1. Schöpfungsbericht<br />

Genesis 1-2, 4, ist der Mensch der krönende 123


124<br />

30.08.09<br />

Der Mensch darf vom<br />

Paradies ernten, er darf es<br />

bebauen, er muss aber um<br />

seiner selbst willen die von<br />

Gott gesetzten Grenzen<br />

achten.<br />

06.09.09<br />

Abschluss des Schöpfungswerkes Gottes.<br />

Hier wird aus dem Erstling der Schöpfung,<br />

was ja schon eine herausgehobene Stellung<br />

bezeichnet, das Abbild Gottes, der über die<br />

Schöpfung herrschen soll, der sie gebrauchen,<br />

aber nicht verbrauchen darf. Er herrscht über<br />

sie im Auftrag Gottes. Dieser will die Schöpfung<br />

vom „Chaos zum Kosmos“ führen, vom<br />

„wüst und leer“ (toho wabohu) in Vers 1 zur<br />

Vollendung in Vers 31: „Gott sah alles an,<br />

was er gemacht hatte: Es war sehr gut. Es<br />

wurde Abend und es wurde Morgen: der<br />

sechste Tag.“ Dies ist auch die Zielrichtung<br />

der Arbeit in dieser Welt für den Erstling<br />

und gleichzeitig die Krone der Schöpfung.<br />

Alles andere wäre ein neuer Sündenfall der<br />

Menschheit. Damit bekennt der Mensch seinen<br />

Glauben an die Neuschöpfung, die das<br />

verkehrte Handeln der Menschen endgültig<br />

ausräumt.<br />

Im 2. Schöpfungsbericht Genesis 2, 5 - 3, 24,<br />

wird die Schöpfung als ein Paradiesesgarten<br />

dargestellt, und das Menschenpaar ist wahrlich<br />

der Erstling in dieser Schöpfung. Sie<br />

wird ihm übertragen, aber nicht, um willkürlich<br />

darin zu herrschen, sondern um sie im<br />

Sinne Gottes zu bebauen und zu behüten.<br />

Seine Grenzen werden ihm deutlich aufgezeigt,<br />

und da der Mensch diese überschreitet,<br />

verliert er das Paradies und muss sterben. Der<br />

Mensch darf vom Paradies ernten, er darf es<br />

bebauen, er muss aber um seiner selbst willen<br />

die von Gott gesetzten Grenzen achten, sonst<br />

entzieht er sich selbst die Lebensgrundlage.<br />

Das ist in der Welt der Auftrag des Erstlings<br />

der Schöpfung. Er ist die Erstlings-<br />

frucht dieser Schöpfung, das heißt, wenn er<br />

sie zerstört, zerstört er sich selbst mit. Er<br />

muss mehr und mehr sich bemühen, im<br />

Sinne Gottes mit ihr umzugehen. Gerade in<br />

diesen Sommertagen (2008) erleben wir wieder<br />

die Herrlichkeit der Schöpfung, wenn wir<br />

durch die Wälder gehen, wir können aber bei<br />

genauem Hinsehen auch z. B. in den Fichten<br />

die durch Menschen verursachten Schäden<br />

wahrnehmen. Wir setzten uns ein für die<br />

Schöpfung, weil wir glauben, dass auch sie<br />

auf dem Weg zur Vollendung ist. So steht es<br />

für uns und die Schöpfung im 2. Petrusbrief<br />

13: „Dann erwarten wir, seiner Verheißung<br />

gemäß, einen neuen Himmel und eine neue<br />

Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt“,<br />

damit wir auch weiter voller Überzeugung<br />

das Lied von Georg Thurmair (GL 852) singen<br />

können:<br />

Mein Gott, wie schön ist Deine Welt:<br />

Der Wald ist grün, die Wiesen blühn,<br />

die großen Ströme ziehn dahin,<br />

vom Sonnenglanz erhellt,<br />

die Wolken und die Winde fliehn,<br />

das Leben rauscht und braust dahin.<br />

Mein Gott, wie schön ist Deine Welt!<br />

Dr. Ernst Leuninger, Limburg<br />

1 C. Drew Harvell et al.: Climate Warming and<br />

Disease Risks for Terrestrial and Marine Biota, in<br />

Science 296 / 2002: S. 2158 ff.<br />

23. Sonntag im Jahreskreis / 13. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

ev. Reihe I: Lk 10, 25-37 kath. 1. L.: Jes 35, 4-7a kath. 2. L.: Jak 2, 1-5 kath. Evang.: Mk 7, 31-37<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

Der Verfasser betrachtet den ev. Predigttext, den. 1. Lesungstext sowie<br />

den Evangeliumstext der kath. Leseordnung. Stichworte zur Nachhaltigkeit:<br />

Zerstörung der lokalen Wirtschaft in Afrika, der Wirtschaft unseres<br />

„fernen Nächsten“, steigende Nahrungspreise vs. Agrotreibstoffe bzw.<br />

deren Nachfrage (Lk 10); notwendige Veränderungen von Strukturen werden<br />

ängstlich institutionell verzögert, auch durch die Kirche, Aufruf zur aktiven<br />

Gestalung im Sinne des ersten Gebots (Jes 35); Heilen – Menschen und Natur,<br />

individuell und als Gemeinschaft – was sind heutige „Krankheiten“? (Mk 7)


Lukas 10, 25-37 (Ev. Reihe I)<br />

Die Geschichte von dem Menschen, der<br />

zwischen Jerusalem und Jericho unter die<br />

Räuber fiel, ist als klassischer Text der Diakonie<br />

angesehen worden. Darauf weist auch<br />

die Wirkungsgeschichte hin. Es geht um<br />

Barmherzigkeit, es geht um die Beantwortung<br />

der Frage: Wer ist denn mein<br />

Nächster (Vers 29). Lange Zeit wurde das<br />

karitative Element dieser Geschichte hervorgehoben:<br />

Der primär nicht zum jüdischen<br />

Volk gehört, hilft dem unter die Räuber<br />

Gefallenen, während der Priester und der<br />

Levit vorher achtlos an ihm vorüber gegangen<br />

sind. Daneben bleibt natürlich die Frage,<br />

was es bedeutet, dass der Samariter als nicht<br />

zum jüdischen Volk gehörend die Barmherzigkeit<br />

übt, während Priester und Levit<br />

eben nicht ihrem Auftrag der Sorge für die<br />

Juden – die Menschen – nachkommen. Der<br />

Samariter ist nicht nur barmherzig, sondern<br />

er sorgt auch aktiv dafür, dass der Kranke<br />

genesen kann. Spätestens nach der ÖRK-<br />

Vollversammlung in Uppsala 1967 und der<br />

dortigen Bibelarbeit von Helmut Gollwitzer<br />

wird dieser Text auch anders und erweitert<br />

gelesen: Die Frage nach dem Nächsten<br />

bezieht sich nicht nur auf den oder die<br />

Menschen, die „um die Ecke wohnen”, sondern<br />

sie bezieht sich auch auf den „fernen<br />

Nächsten”, also auf Menschen im Südteil der<br />

Erde, die weit weg sind von uns und unseren<br />

Problemen, und dort besonders auf die, die<br />

arm sind und arm gehalten werden. In einer<br />

Zeit, in der der Skandal der Armut in der sog.<br />

3. Welt in Europa wirklich bewusst wurde,<br />

begann man, die weitere Auslegung dieses<br />

Textes auch auf die gesamte Menschheit zu<br />

beziehen. Der Nächste ist eben nicht nur der<br />

Arme in unserer eigenen Gesellschaft, sondern<br />

auch der ferne Nächste, der in „Unterentwicklung<br />

und Armut lebt” und die<br />

Brotreste erhält, die von „der Reichen Tische<br />

fallen”. Im Text aber stecken weitere Dimensionen:<br />

„Liebe deinen Nächsten” bedeutet:<br />

Akzeptiere ihn, nimm ihn an, so wie er<br />

ist, der Andere, der Nächste. Dies ist uns<br />

geläufig und in den Kirchen tausendfach<br />

gepredigt.<br />

Der aber im Gebot bzw. Zitat auch enthaltene<br />

Aspekt der Eigenliebe ist in der<br />

Christenheit oft unter den Tisch gefallen; das<br />

Zitat Jesu aus Levitikus bzw. Deutero-<br />

nomium bezieht sich ausdrücklich auf „die<br />

Liebe zum Nächsten wie auf dich selbst”.<br />

Ohne Liebe zu mir selber, ohne mich selber<br />

zu akzeptieren wie ich bin, bin ich nicht frei,<br />

auch meinen Nächsten zu akzeptieren, wie er<br />

ist. Ohne, dass ich selber weiß, wer ich bin,<br />

ist es mir nicht möglich, auf den anderen vorurteilsfrei<br />

zuzugehen und mit ihm/ihr in eine<br />

dichtere und engere Kommunikation zu treten.<br />

Denn sonst bin ich letztlich immer doch<br />

wieder mit mir beschäftigt, nicht wirklich<br />

mit dem Anderen, der meine Zuwendung<br />

braucht. Eigenliebe darf nicht mit Gier nach<br />

materiellen Dingen verwechselt werden.<br />

Akzeptieren meiner selbst und an mir arbeiten<br />

zur Verbesserung und Veränderung meiner<br />

Kommunikation und Aktion mit der<br />

Schöpfung und mit anderen Menschen bedeutet<br />

Annehmen meiner eigenen Position in<br />

der Schöpfung; Gier nach Materiellem (z. B.<br />

Geld) ist Egoismus.<br />

06.09.09<br />

Lk 10, 25-37<br />

Die nächste Dimension – der ferne Nächste<br />

– ist schon erwähnt. Die Sicht auf die Welt<br />

erfordert die Beschreibung der Wirklichkeit:<br />

Der Zusammenhang zwischen unserem<br />

Reichtum und der Armut in der sog. 3. Welt<br />

ist vielfach beschrieben und inzwischen auch<br />

unumstritten. Wir essen die Hähnchenbrust,<br />

die Füße, Flügel und die anderen Reste, die<br />

wir als Abfall sehen, bekommen die Westafrikaner<br />

– dort wird die Aufzucht von<br />

Hühnern und der Verkauf auf den lokalen<br />

Märkten zu teuer, weil unsere Produkte subventioniert<br />

werden und – trotz Transport –<br />

billiger sind als dortigen; die lokale<br />

Wirtschaft in Afrika wird zerstört, die<br />

Menschen, die bisher davon gelebt haben, in<br />

Armut gebracht. Armut wird gemacht!<br />

Das Ansteigen der Lebensmittelpreise in<br />

bis dahin ungeahnte Höhen, die viele<br />

Menschen vor die Alternative stellen „essen<br />

oder Wohnung”, ist zu etwa dreiviertel auf<br />

den Hunger der Industrienationen nach<br />

Benzin für ihre Autos zurückzuführen: aus<br />

Nahrungsmitteln wird im wirklich großen<br />

Stil Agrotreibstoff gemacht, damit Lastwagen<br />

und PKW weiterhin uneingeschränkt<br />

fahren können. Was es bedeutet, wenn eine<br />

Familie sonst gerade mit Wohnung und<br />

Essen über die Runden kommt und nun weit<br />

mehr als den doppelten Preis für den Reis<br />

oder andere Grundnahrungsmittel bezahlen<br />

muss, kann man sich ohne Schwierigkeiten 125


126<br />

Jes 35, 4-7a<br />

06.09.09<br />

Es wird Zeit für uns, die<br />

Rolle zu wechseln: vom<br />

Räuber zum Samariter.<br />

ausmalen: statt am Tag dreimal Reis (in der<br />

aufkeimenden Mittelschicht in Indien z. B.)<br />

nur noch zweimal oder weniger. In vielen<br />

Familien war es bisher knapp einmal Reis am<br />

Tag; nun ist es weniger als die Hälfte davon<br />

oder nur jeden 2. Tag etwas. Mit sinkender<br />

Tendenz. Diese Zusammenhänge zeigen<br />

deutlich: Die bisherige Verteilung von<br />

Armut und Reichtum auf der Welt, das bisherige<br />

Wirtschaftssystem, kann so nicht weiter<br />

funktionieren – abgesehen von allen ökologischen<br />

Fragen. Es ist wahrhaftig nicht<br />

<strong>nachhaltig</strong>, dauerhaft oder zukuftsweisend.<br />

Ein letzter Aspekt:<br />

Der Mensch ist Teil der Schöpfung, Teil<br />

des Systems Erde. Besonders auch des Ökosystems<br />

– was wir sehr oft vergessen. Ist also die<br />

Schöpfung (Belebtes und Unbelebtes) nicht<br />

auch „der Nächste”, besser: „das Nächste”?<br />

Genauso wie bisher über „den Nächsten” als<br />

Menschen in der direkten Umgebung und<br />

„den fernen Nächsten” als Menschen irgendwo<br />

auf der Welt gesprochen wurde, kann<br />

man die ganze Schöpfung als „das Nächste”<br />

bezeichnen. Menschen leben nicht nur von<br />

der Natur, sondern sie sind Teil der Natur,<br />

Teil der Schöpfung auf unserer Erde. Daher<br />

müsste auch dem Teil der Schöpfung, der<br />

nicht Mensch ist, die gleiche Aufmerksamkeit<br />

und Hochachtung entgegengebracht<br />

werden, wie den Menschen. Tun wir das?<br />

Nutzen wir die Erde nicht rücksichtslos aus?<br />

Fischen die Meere leer, erwärmen das Klima,<br />

degradieren Flüsse zu Abwasserkanälen, holzen<br />

Wälder im wirklich großen Stil ab und<br />

verarbeiten die Bäume zu Essstäbchen oder<br />

einmal verwendetem Bauholz, um auf den<br />

freien Flächen nicht Nahrungsmittel anzubauen,<br />

sondern Treibstoff für die Transportindustrie?<br />

„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst”<br />

bezieht sich auf<br />

– mich selber<br />

– meine Nächsten<br />

– die fernen Nächsten<br />

– die ganze Schöpfung (Ökologie).<br />

Es wird Zeit für uns, die Rolle zu wechseln:<br />

vom Räuber zum Samariter. Das Problem ist<br />

dabei nur, dass sich die grundsätzliche<br />

Situation nicht ändert, die Räuber sind nach<br />

wie vor unterwegs. Es reicht also nicht, die<br />

Rollen zu wechseln; wir brauchen die Änderung<br />

der Situation, die Änderung der politischen<br />

und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.<br />

Und: die Änderung unserer eigenen<br />

Lebensführung. Ohne das werden sich die<br />

Räuber nicht verdrücken, werden sie nicht<br />

aufhören, der Befriedigung ihrer Gier nach<br />

Geld nachzugehen. Wer sind die Räuber?<br />

Sind wir nicht beides – Räuber und Samariter<br />

zugleich? Entscheiden wir uns also: Nicht<br />

ohne Grund also schickt Jesus die Fragenden<br />

weg mit dem Hinweis: „also macht es wie der<br />

Samariter ...”<br />

Jesaja 35, 4-7a<br />

Kommentatoren sprechen von einem „leuchtendem<br />

Zukunftsbild von der Verwandlung<br />

der Wüste in reich bewässertes, baumbestandenes<br />

Land” oder einem „lieblichen und ergreifenden<br />

Zeugnis der Hoffnung Israels”.<br />

Die genannten Pflanzen weisen darauf hin,<br />

dass sich der Verfasser die umgewandelte<br />

Wüste so vorgestellt hat, wie er das Nil-<br />

Delta vielleicht erlebt hat. Im wahrscheinlich<br />

letzten Kapitel des 1. Jesaja-Buches wird die<br />

Vision von der zukünftigen Lebenswirklichkeit<br />

nach Erlösung und Befreiung aus selbstverschuldeter<br />

Knechtsschaft und Unterdrückung<br />

entfaltet; in zweiter Linie findet<br />

der Rückweg des Diaspora-Judentums nach<br />

Jerusalem, also in das Zentrum der jüdischen<br />

Geschichte und des jüdischen Kultus, seine<br />

darstellende Beschreibung. Mit all diesem<br />

war die Hoffnung offensichtlich verbunden,<br />

in den Mittelpunkt der Geschichte zurückzukehren,<br />

aus der Bedeutungslosigkeit zu<br />

einem eigenständigen Königsreich zu kommen,<br />

das in der Weltgeschichte (der Region)<br />

wieder eine Rolle spielt.<br />

Man muss sich vor Augen führen, dass die<br />

prophetische Figur Jesaja eng an Amos und<br />

Hosea anknüpft, obwohl er im anderen Teil<br />

des jüdischen Landes, also im anderen Reich,<br />

wirkte. Immer wieder taucht der Zusammenhang<br />

zwischen nicht gottgefälligem<br />

Leben und Untergang bzw. Unheil auf. In der<br />

Vision von der veränderten Welt für die<br />

Juden und das Judentum wird Jahwes<br />

Antwort auf die Umkehr und Veränderung<br />

der Menschen in ihrem Leben beschrieben.<br />

Stichworte hierzu sind Recht und Gerechtigkeit<br />

für Arme, Schwache, Witwen und<br />

Waisen. Das Volk als Ganzes ist schuldig, als


Ganzes geht es dem Gericht entgegen. Einzelne<br />

mögen sich davon unterscheiden, aber<br />

wohl auch nicht wesentlich. Individualität ist<br />

zu dem Zeitpunkt nicht im Vordergrund<br />

oder wesentlich; spricht hier die noch lebendige<br />

Erfahrung der Wüstengruppen, die ja<br />

als Ganzes ziehen oder bleiben, wandern oder<br />

lagern? Kollektivschuld? Wir werden erinnert<br />

an die Debatte im Nachkriegsdeutschland,<br />

als es um die Aufarbeitung der Schuldfrage<br />

im Zusammenhang mit dem Holocaust,<br />

der Shoa, ging. Beurteilungskriterien sind<br />

die Einhaltung oder Durchsetzung der<br />

Inhalte der oben genannten Stichworte Recht<br />

und Gerechtigkeit. Grundlage dieser Argumentation<br />

seitens der Propheten – und damit<br />

auch der des Jesaja – ist die ausschließliche<br />

Gültigkeit des ersten Gebots, die durch „das<br />

Volk” ständig missachtet wird. Dazu kommt<br />

in der historischen Situation dann noch die<br />

tatsächliche militärische Bedrohung durch<br />

das größer werdende Assyrien und untaugliche<br />

Versuche der Politik beider Reiche, sich<br />

wirkungsvoll dem Zugriff der Assyrer zu entziehen.<br />

Den Untergang vor Augen warnen<br />

die Propheten, interpretieren das politisch –<br />

militärische Ende als Folge der Verhaltensweisen<br />

des Volkes – besser: der politischen,<br />

ökonomischen und religiösen Oberschicht.<br />

Wie so oft – so auch hier: Die Masse der<br />

Menschen wird zum Spielball, die Geschicke<br />

wirklich bestimmen wenige.<br />

Wie stark diese Vision und vor allem diese<br />

Hoffnung waren, zeigt der Entwurf des<br />

Bildes vom Wasser in der Wüste. Es rekrutiert<br />

auf das Aufbrechen der Urfluten beim<br />

Schöpfungsakt, so dass man bei dem vorliegenden<br />

Text davon ausgehen kann, dass ein<br />

neuer Schöpfungsakt, ein neuer Zeitabschnitt<br />

nach dem Gericht, dem das Volk unterworfen<br />

werden wird, gemeint ist. All das, was heute<br />

fehlt, soll zukünftig sein, soll der „Zukunftsherrscher”<br />

bringen: Einsicht, Gerechtigkeit,<br />

Fürsorge für die Armen und Beendigung des<br />

Krieges unter den Völkern sowie wichtig:<br />

Aufrichtung des Rechtes in der Begegnung<br />

mit dem erhabenen Gott. Dieser Neuanfang<br />

ist nicht auf die nationale Größe und<br />

Herrschaft Israels ausgerichtet, sondern in<br />

der politischen Gestalt unbestimmt. Die Einleitung<br />

der Heilszusage mit ihrer Aufforderung,<br />

mutig zu sein und sich nicht vor der<br />

Zukunft zu fürchten, könnte ein Satz für die<br />

Predigt sein. Veränderungen, die nötig sind,<br />

werden durch Angst vor den Unwägbarkeiten<br />

und Unberechenbarkeiten verzögert<br />

oder verhindert. Diesen Mechanismus finden<br />

wir in unserer Gesellschaft, in unserer Politik,<br />

in unserer Kirche nur allzu oft wieder.<br />

„Gott kommt und wird euch helfen“ (Vers 4)<br />

– und hinzuzufügen wäre: Wenn ihr denn<br />

endlich beginnen würdet, wirklich beginnen<br />

würdet. Die Zerstörung der Schöpfung, des<br />

Ökosystems Erde, von dem der Mensch ein<br />

Teil ist, schreitet unglaublich schnell voran.<br />

Alles Leben ist bedroht – wie seinerzeit Israel<br />

durch Assyrien. Was bedeutet in dieser<br />

Situation heute die Ausschließlichkeit der<br />

Geltung des ersten Gebotes für Christen?<br />

Wir gestalten die Welt egoistisch mit Geld,<br />

Technik, rücksichtslosem Fortschrittsglauben.<br />

Wir gestalten die Welt für uns Menschen<br />

und nicht für die ganze Schöpfung. Wir beuten<br />

die Erde rücksichtslos aus, wir gestalten<br />

sie rücksichtslos nach unseren Maßstäben<br />

und unseren Ideen, allein für unser egoistisches<br />

Wohlergehen. Die ökologische Vielfalt<br />

schrumpft, die Vielfalt der Nahrungsmittel<br />

auch für Menschen schrumpft, wir machen<br />

die Erde zur grauen Monotonie; zur Wüste,<br />

in der Leben nur noch schwer oder überhaupt<br />

nicht möglich ist.<br />

Wasser, blühen, neues Leben wird nur<br />

kommen, wenn wir umdenken, uns auf das<br />

erste Gebot besinnen, nicht uns selbst in den<br />

Mittelpunkt allen Lebens stellen, sondern<br />

diesen Platz Jahwe überlassen.<br />

Markus 7, 31-37<br />

06.09.09<br />

Veränderungen, die nötig<br />

sind, werden durch Angst<br />

vor den Unwägbarkeiten<br />

und Unberechenbarkeiten<br />

verzögert oder verhindert.<br />

Mk 7, 31-37<br />

Der Mensch, von allen guten Geistern verlassen.<br />

Jesus tritt ihm entgegen, Jesus öffnet<br />

Zukunft. Er handelt aus der Gemeinschaft<br />

mit Gott (mit dem Vater) heraus und ist so in<br />

der Lage, heilende, schöpferische Worte zu<br />

sprechen – und zu agieren. Er agiert nicht<br />

alleine, sondern in Gemeinschaft und vor<br />

einer Menge von Zeugen, die auf subtile<br />

Weise in Gang gesetzt werden, von dem<br />

Erfahrenen zu berichten. Heilung in Gemeinschaft<br />

– Heilung durch Gemeinschaft? Im<br />

Johannesevangelium wird berichtet, dass<br />

Jesus seinen Speichel (Speichel = Symbol für<br />

Segen) mit Erde mischt und damit den<br />

Kranken heilt. Jesus hat sich intensiv unter<br />

vier Augen um den Kranken gekümmert. 127


128<br />

Lk 17, <strong>11</strong>-19<br />

06.09.09<br />

13.09.09<br />

Leid teilen ist wichtig, mit-leiden notwendig.<br />

Das tut die Gemeinschaft. Dies ersetzt<br />

aber in vielen Fällen nicht die direkte, persönliche<br />

Zuwendung.<br />

Weitere Stichworte:<br />

Woran kranken wir? Einsamkeit? Kommunikationslosigkeit<br />

trotz – oder wegen? –<br />

Fernsehen, Telefon und Internet? Mit einfachen<br />

Mitteln heilen, bewusst Ökologie und<br />

Natur dazu einsetzen, ohne „Chemiekeule“,<br />

die Energie in uns aktivieren für Heilungsprozesse,<br />

Lebensstil verändern.<br />

24. Sonntag im Jahreskreis / 14. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

ev. Reihe I: Lk 17, <strong>11</strong>-19 kath. 1. L.: Jes 50, 5-9a kath. 2. L.: Jak 2, 14-18 kath. Evang.: Mk 8, 27-35<br />

Jesus berührt einen<br />

Aussätzigen und<br />

heilt ihn.<br />

Wolfram Walbrach, Düsseldorf<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

Der Verfasser betrachtet den ev. Predigttext und den Text zur 1. kath.<br />

Lesung. Stichworte zur Nachhaltigkeit: sich wie Jesus an der Heilung der<br />

Kranken dieser Welt beteiligen, die Brücke zu den Ausgegrenzten<br />

(„Aussätzigen“) schlagen, aktiv am Reich des Lebens mitbauen (Lk 17);<br />

auf die Propheten hören, die Dinge an sich heranlassen, sorgfältig bedenken<br />

und nicht automatisch vorverurteilen (Jes 50)<br />

Thema: Nicht ausgrenzen, Hände reichen!<br />

Lk 17, <strong>11</strong>-19<br />

Wie viele Menschen leiden heute noch an<br />

Lepra? Etwa 2,5 Millionen Menschen sind<br />

heute davon betroffen. Weltweit werden<br />

stündlich 60 neue Leprakranke entdeckt. Im<br />

Schnitt leiden von diesen 60 Menschen schon<br />

fünf unter schweren Behinderungen, elf von<br />

ihnen sind Kinder unter 14 Jahren. Die Zahl<br />

der Neuinfektionen – ca. 660.000 pro Jahr –<br />

bleibt seit Jahren konstant. Jesus berührt<br />

einen Aussätzigen (so hießen sie lange<br />

Jahrhunderte, weil sie aus ihrer Umwelt ausgesetzt<br />

wurden) und heilt ihn. Ist er durch<br />

diese Berührung unrein? Wird er nun selbst<br />

ausgegrenzt?<br />

Heilung grenzt nicht aus. In den 2<strong>90</strong><br />

Projekten der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe<br />

z. B. werden in 45 Ländern der<br />

Erde über 126.000 Menschen mit der Medikamentenkombination<br />

gegen Lepra behan-<br />

delt. Auch die Kirchen engagieren sich hier<br />

durch die Hilfe ihrer Mitglieder. Über<br />

60.000 Kranke kamen im vergangenen Jahr<br />

neu in die Behandlung. Hier ist durch uns<br />

Jesus am Werk.<br />

– Jesu lebensspendende Hand<br />

– unsere lebensspendenden Hände<br />

Mit ihnen wollen wir helfen, ein Reich der<br />

Gerechtigkeit, des Friedens und des Lebens<br />

für alle zu errichten, indem wir helfen, die<br />

durch Krankheit Ausgesetzten zu reintegrieren.<br />

Aussätzige gab es bei uns bis ins die letzten<br />

Jahrhunderte, sie wurden ausgegrenzt,<br />

mussten mit einer Rassel vor Begegnung<br />

warnen, wie schon in biblischen Zeiten, wo<br />

sie „unrein“ rufen mussten.<br />

Als Auferstandener zeigt Jesus seine durchbohrten<br />

Hände, mit denen er das Reich der<br />

Auferstehung und des Lebens, der Gerechtig-


keit und des Friedens aufrichten wird, in dem<br />

es keine Krankheiten mehr gibt. Er hat die<br />

größte Macht, die Macht des Todes überwunden.<br />

Jährlich sterben drei Millionen durch<br />

Tuberkulose. Auch hier engagieren sich die<br />

Hilfswerke. Wenn wir mitsorgen, dass die<br />

Mittel für Heilung zur Verfügung gestellt<br />

werden, dann helfen wir mit an der Heilung<br />

der Welt, das ist auch unserer Hände Werk.<br />

Wir können und dürfen die Kranken nicht<br />

ausgrenzen, sondern wir müssen für sie zu<br />

heilenden Händen werden. So werden wir zu<br />

Zeugen für unseren Glauben an die alles heilenden<br />

Hände des Auferstandenen, der ein<br />

Reich ohne Not, ohne Ausgrenzung, ein<br />

Reich des Lebens, der Gerechtigkeit und des<br />

Friedens errichten will. Wir bauen mit an<br />

einer solch zukünftigen Menschheitsfamilie,<br />

da wir in Jesus alle Schwestern und Brüder<br />

sind.<br />

Thema: Nicht durch Spott ausgrenzen,<br />

sondern zuhören Jesaja 50, 5-9a<br />

Wir kennen die Situation. Da redet jemand<br />

anders als der Mainstream der Gesellschaft.<br />

Nicht, dass er gleich körperlich bedroht<br />

würde, aber in der Regel muss er mit Spott<br />

rechnen. Das geschieht auch hier dem<br />

Propheten Jesaja. Er, der immer die Heilsvision<br />

seines Volkes predigt, macht auch in<br />

der Situation des Unheils deutlich, dass dieses<br />

Unheil, in welchem sich das Volk befindet,<br />

eine Folge ihrer bösen Taten sei. Dies<br />

mögen die Menschen nicht hören, deshalb<br />

verfolgen und verprügeln sie ihn, reißen ihm<br />

den Bart aus und bespucken ihn. Aber er<br />

weiß sich in seinem Auftrag von Gott her<br />

gesandt und geht von dieser Sendung nicht<br />

ab.<br />

Mit welchem Spott wurden die ersten<br />

umweltorientiert Denkenden auch in unserem<br />

Land überhäuft. Sie wurden als Spinner<br />

und Gegner des Fortschritts hingestellt, als<br />

Unheilspropheten, ohne Anspruch auf Wahrheit<br />

ihrer Aussage. Heute ist es schon so, dass<br />

eine eher konservative Partei mit diesem<br />

Thema ihr Stimmentief bei den Wählern<br />

überwinden will. Was ist passiert? Die Vorhersage<br />

einer drohenden Umweltkatastrophe<br />

hat sich leider bewahrheitet. Der Klimawandel<br />

wird allerorten spürbar und hat gerade<br />

für die armen Länder verheerende Folgen.<br />

Mühsam errungene, keineswegs von allen<br />

Staaten geteilte, Grenzen der Umweltzerstörung,<br />

greifen nur wenig und oft auch<br />

zu spät. Hätte man früher den Unheilspropheten<br />

zugehört und sie nicht durch Spott<br />

ausgegrenzt, hätte manches rechtzeitig verhindert<br />

werden können. Umweltpropheten<br />

wurde vorgeworfen, dass sie die Industrie und<br />

damit den Standort Deutschland als Wirtschaftsnation<br />

bekämpften, heute wissen wir,<br />

dass Umwelttechnologie unsere größte Wachstumschance<br />

ist.<br />

Die kirchlichen Hilfswerke Diakonie<br />

Katastrophenhilfe und Caritas international<br />

verstärken ihre Zusammenarbeit bei der<br />

Vorsorge gegen die Folgen des Klimawandels.<br />

Dürren und Fluten, so sagen sie,<br />

nähmen weltweit zu, der Klimawandel liegt<br />

nicht in ferner Zukunft. Viele Menschen sind<br />

jetzt schon bedroht. Wer drohendes Unheil<br />

verhindern will, der sollte zuhören können,<br />

auch wenn das, was gesagt wird unbequem<br />

ist, auch wenn wir herausgefordert werden,<br />

wie die Menschen zur Zeit des Propheten<br />

Jesaja, unseren Lebensstil zu ändern. Der<br />

Mensch darf diese Botschaft nicht verdrängen,<br />

indem er die Boten durch Spott ausgrenzt.<br />

Er muss zuhören und in einem ernsthaften<br />

Denkprozess über das Für und Wider<br />

eintreten. Das gilt auch für andere Bereiche,<br />

so z. B. für die Gentechnik und Atomenergie.<br />

Dr. Ernst Leuninger, Limburg<br />

13.09.09<br />

129


130<br />

Weisheit ist Klugheit,<br />

die von Gott kommt,<br />

und die zum Beispiel<br />

Sanftmut und gute Werke<br />

kennt und gern tut.<br />

20.09.09 25. Sonntag im Jahreskreis / 15. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

ev. Reihe I: Mt 6, 25-34 kath. 1. L.: Weish 2, 1a.12.17-20 kath. 2. L.: Jak 3, 16 - 4, 3 kath. Evang.: Mk 9, 30-37<br />

Mt 6, 25-34<br />

Der Autor betrachtet im Wesentlichen den ev. Predigttext mit einigen<br />

Brücken zu anderen Texten dieses Sonntags. Stichworte zur Nachhaltigkeit:<br />

übertriebene materielle Absicherung ist unchristlich, verblendet,<br />

sofern es um den individuellen Komfortbereich und nicht um das<br />

existentiell Notwendige geht, soziale Gerechtigkeit; was für das Heute<br />

wirklich wichtig ist, lässt uns Gott erkennen, wir müssen nur die Augen<br />

und Ohren (bzw. Herzen) öffnen (Mt 6)<br />

Die Texte dieses Sonntages<br />

Mt 6, 25-34<br />

„... Sorget nicht …“ meint wohl, sorgt euch<br />

nicht um materielle Dinge, die ihr zwar auch<br />

notwendig braucht, die ihr aber in genügendem<br />

Maß von Gott geschenkt bekommt. Gott<br />

sorgt für seine ganze Schöpfung; also sorgt<br />

ihr euch nicht kleingläubig, griesgrämig um<br />

die Dinge, die ihr ja doch nicht machen<br />

könnt, weil sie eh in Gottes Hand liegen.<br />

„Trachtet …“, d.i. mit viel Cleverness, Mut,<br />

Zielstrebigkeit und Freude nach dem Reich<br />

Gottes streben, d.i. die eigentliche Erfüllung<br />

unseres Lebens durch Frieden, Freude,<br />

Zufriedenheit, Ehrfurcht, Achtung, Güte …<br />

und auf dem Weg dorthin übt Gerechtigkeit.<br />

Weish 2, 1a.12.17-20<br />

Hier wird das Vertrauen in Gott und seine<br />

Vorsorge und Sorge für die Gerechten hervorgehoben,<br />

gegen das Infragestellen, die Zweifel<br />

und Übeltaten der Gottlosen und Frevler.<br />

Jak 3, 16 - 4, 3<br />

Weisheit ist Klugheit, die von Gott kommt,<br />

und die zum Beispiel Sanftmut und gute<br />

Werke kennt und gern tut. Neid und Streit<br />

sind gegen Gott, teuflisch und böse. Bei der<br />

Weisheit, die von Gott kommt, geht es lauter,<br />

friedfertig und gütig zu, es werden Nachsicht<br />

und Barmherzigkeit geübt, und so zum<br />

Frieden beigetragen. Neid, Gelüste und<br />

Streit dagegen machen das alles kaputt.<br />

Mk 9, 30-37<br />

Jesus redet von Leid, Tod, Auferstehung<br />

und der Erfüllung seiner heilsbringenden Bot-<br />

schaft. Die Jünger hängen an typisch menschlichen<br />

Belangen: Macht, Karriere, Ehrgeiz.<br />

Sie wollen zwar nachfolgen, aber vom Dienen<br />

nichts wissen. Jesus sagt ihnen klar und deutlich:<br />

Wer unter euch der Erste sein will, der<br />

soll euer Diener sein.<br />

Zur Liturgie<br />

Folgende Lieder fallen mir ein: Die güldene<br />

Sonne (EG 449); Ich singe dir mit Herz und<br />

Mund (EG 324); Du meine Seele singe (EG<br />

302); Gottes Liebe ist wie die Sonne (EG 654);<br />

Vergiß nicht zu danken (EG 618); Herr, wir<br />

bitten, komm und segne uns (EG 610); Schenk<br />

uns Weisheit, schenk uns Mut (EG 653).<br />

Im Kalenderjahr gesehen:<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

Es ist Nachsommer. Der größte Teil der<br />

Ernte ist schon eingefahren (Heu, Futtersilo,<br />

Getreide, Obst), ein weiterer Teil (Kartoffeln,<br />

Rüben, Äpfel und noch viele Garten- und<br />

Feldfrüchte) wartet darauf, noch geerntet zu<br />

werden – umsonst; denn viele Früchte werden<br />

nicht geerntet und vergammeln. In der<br />

Wirtschaft und im Handel ist der Aufschwung<br />

etwas schwächer geworden, aber<br />

insgesamt floriert die Wirtschaft noch gut.<br />

Die Öffentlichen Haushalte profitieren davon;<br />

für den Bürger sind die Energiekosten enorm<br />

gestiegen, die Preise für viele Alltagslebensmittel<br />

ebenfalls.<br />

Überlegungen und Gedanken zu Mt 6,<br />

25-34<br />

Im Wesentlichen beschränke ich mich auf<br />

den Predigttext nach der evangelischen Perikopenordnung<br />

für diesen Sonntag: („Sorget<br />

euch nicht!“) Er ist par exellence geeignet<br />

zum „<strong>nachhaltig</strong> Predigen“.


Die evangelische Perikopenordnung versucht,<br />

den Sonntagen der festlosen <strong>Trinitatis</strong>zeit ein<br />

Thema zuzuordnen und ihnen so auch ein<br />

besonderes Profil zu geben. Mt 6 (Vom<br />

Sorgen) ist eine Mahnung vor übertrieben<br />

ehrgeizigem und sich aufreibendem Sorgen<br />

um den Lebensunterhalt, Lebensstandard,<br />

materielle Zukunftssicherung. Dieser Text<br />

wirbt für mehr Gottvertrauen. Er enthält<br />

Worte gegen die Ängstlichkeit und gegen<br />

das bürgerliche Alles-versichern-und-absichern-wollen.<br />

Er wirbt für mehr zuversichtliches<br />

Gottvertrauen. Hier wird das „immer<br />

mehr haben wollen“ gegen einen einfacheren<br />

Lebensstil eingetauscht. Ohne von vornherein<br />

einen Zweifel aufkommen zu lassen: Das<br />

betrifft natürlich in erster Linie die, die schon<br />

in üppiger Weise gesorgt haben und immer<br />

noch emsig am „Aussorgen“ sind, und weniger<br />

die, die eh alle Mühe haben, ihren<br />

bescheidenen Lebensunterhalt zu bestreiten.<br />

An den anderen 15. Sonntagen (Reihen II-<br />

VI) stehen: (II) 1 Petr 5, 5c-<strong>11</strong>, „Alle eure<br />

Sorgen werft auf ihn!“; (III) Lk 18, 28-30<br />

„Lohn der Nachfolge“; (IV) Gal 5, 25.26 - 6,<br />

1-3.7-10 „Die Erfüllung des Gesetzes“; (V)<br />

Lk 17, 5.6 „Die Kraft des Glaubens“ und (VI)<br />

1 Mose 2, 4b-9.(10-14).15 „Bebauen und Bewahren“.<br />

Alle Texte weisen auf die Gaben<br />

Gottes für unser Leben hin, die Erfüllung<br />

unseres Lebens und die Erhaltung der göttlichen,<br />

natürlichen Ressourcen.<br />

Der Wochenspruch („Alle eure Sorgen<br />

werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ 1 Petr<br />

5, 7) und das Biblische Eingangswort „Habe<br />

deine Lust am Herr; der wird dir geben, was<br />

dein Herz wünscht. Befiehl dem Herrn deine<br />

Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl<br />

machen.“ (Ps 37, 4.5) unterstreichen die<br />

Themata dieses Sonntages.<br />

Zu Mt 6, 25-34 „… Sorget nicht …“<br />

Die Mahnung vor übertriebenem Sorgen<br />

steht im Mt-Evangelium gleich nach einem<br />

Kapitel vom Fasten und dem Vaterunser.<br />

Während im Vaterunser die Bitten um das<br />

Notwendigste („Gib uns unser täglich Brot“)<br />

und um den sozialen Frieden („Vergib uns<br />

unsere Schuld, wie auch wir …“) formuliert<br />

sind, weisen die zwei unmittelbar voranstehenden<br />

Abschnitte auf Ehrlichkeit vor Gott<br />

(und uns selbst) hin und auf einen einfachen<br />

Lebensstil. Auch in der Lk-Parallele „Sorget<br />

nicht“ steht unser Abschnitt nach dem reichen<br />

Kornbauern (Erntedank; Mahnung) und<br />

mahnt, unser Leben als ein Geschenk Gottes<br />

zu sehen und als eine Antwort auf Gottes<br />

vielseitige Gaben.<br />

Zur Predigt:<br />

20.09.09<br />

Was bedeutet mir mein Leben? Und was<br />

möchte ich für mein Leben haben? Alle meinen:<br />

Etwas Glück und etwas Glücklichsein!<br />

(Hier lassen sich viele Beispiele finden. Schon<br />

die Konfirmanden sagen, gut bürgerlich,<br />

einen lieben Partner, Verständnis, Liebe, einen<br />

guten Beruf, ein schönes Zuhause.)<br />

Was tun wir aber? Wir sorgen vor, wir sorgen<br />

uns, wir sorgen für … und vor lauter „Wir wollen durch Sorge<br />

Sorgen sorgen wir am Leben vorbei. (Bestimmt<br />

die Hälfte meiner Versicherugen, die sorglos werden und<br />

der Vorsorge und der Vorsicht dienen sind<br />

doppelt oder unnötig und kosten mich viel vermehren durch unser<br />

Geld, das ich zum „Eigentlich leben“ ganz<br />

gut noch gebrauchen könnte. Ich werde Sorgen nur die Sorgen!“<br />

meine vielen Verträge mal durchforsten).<br />

„Wir wollen durch Sorge sorglos werden (Dietrich Bonhoeffer)<br />

und vermehren durch unser Sorgen nur die<br />

Sorgen!“ (Dietrich Bonhoeffer) Aber Jesus<br />

spricht in der Bergpredigt gegen das übertriebene<br />

Sorgen und Vorsorgen, das uns so<br />

sehr in Beschlag nimmt, dass uns keine Zeit<br />

und Muße oder keine Mittel mehr bleiben,<br />

um miteinander zu leben, zu feiern, zu freuen<br />

und auch, um füreinander dazusein.<br />

Martin Luther schreibt in der Auslegung zu<br />

seinem großen Kathechismus: „Woran du<br />

mit deinem Herz hängst, das ist eigentlich<br />

dein Gott!“ Daraus folgt: Wenn wir uns zu<br />

viele Gedanken und Sorgen machen um unsere<br />

Gesundheit, von einem Arzt zum andern<br />

rennen, massenhaft Arznei schlucken, dann<br />

trauen wir Gott zu wenig zu, dass er für uns<br />

sorgt – wie jener saudische Prinz, der seinen Mt 6, 25-34<br />

Privatjet mit einer Herzintensivstation ausstattete,<br />

um bei einem Herzinfarkt ja schnell<br />

genug versorgt werden zu können. Oder wir<br />

rennen von Bank zu Bank, um uns ja den<br />

höchsten Zinssatz für unser bißchen Erspartes<br />

zu sichern. Und wenn es auch nur ein Viertelprozent<br />

ausmacht. Oder wir eifern in Beruf<br />

und Karriere um die besten Aufstiegschancen<br />

und höchsten Renditen.<br />

Leider ist das Streben in unseren westli- 131


132<br />

20.09.09<br />

Jesus will uns den sturen<br />

Blick weglenken vom<br />

alleinigen Sorgen, vom<br />

übereifrigen Arbeiten, vom<br />

Ehrgeiz, immer mehr<br />

verdienen zu wollen.<br />

chen Gesellschaften nach immer mehr Gewinn,<br />

dem besseren Preis oder dem billigeren<br />

Angebot oberstes Prinzip und allgemein<br />

anerkannter Wert. Ich meine damit: Ein<br />

Kleinanleger (oder erst recht die größeren<br />

Anleger) verhandeln mit den Banken in ihrer<br />

Kleinstadt um ein paar zehntel Prozent und<br />

spielen die Sparkassen gegeneinander aus.<br />

Die versuchen über ihre Fondsmanager auch,<br />

die besten Renditen zu erzielen, die versuchen,<br />

das zu verwaltende Geld möglichst gut<br />

„am Markt anzubringen“; die großen Firmen<br />

wiederum wollen und müssen für ihre Geldgeber<br />

(Aktionäre und Fondsmanager) gute<br />

Renditen und möglichst hohe Gewinne zum<br />

Investieren erwirtschaften und intensivieren<br />

die Produktion und üben so schließlich und<br />

endlich auf den Arbeitnehmer einen enormen,<br />

manchmal unmenschlichen Druck aus.<br />

Dazu fällt mir eine Geschichte von Heinrich<br />

Böll ein, die gut zu unserem Thema passt<br />

und uns zum Nachdenken anregt (vgl.<br />

Platow):<br />

In einem kleinen Hafen irgendwo an einer<br />

Küste Europas liegt ein älterer Mann in<br />

Arbeitskleidung auf einem Haufen Netze<br />

neben seinem Fischerboot in der Sonne und<br />

döst vor sich hin. Ein schick angezogener<br />

Herr, vielleicht ein Manager im Urlaub, will<br />

ihn motivieren, ein zweites oder drittes Mal<br />

hinauszufahren zum Fischen. Aber der Fischer<br />

will nicht. Darauf der Fremde: „Aber stellen<br />

Sie sich doch vor, sie würden mehr fischen<br />

und sich vielleicht in einem Jahr schon ein<br />

zweites Boot kaufen können oder einen kleinen<br />

Kutter, und bald ein eigenes Kühlhaus<br />

und einen LKW mit Kühlung, und sie könnten<br />

ihren Fang selbst vermarkten und bessere<br />

Preise erzielen und noch mehr verdienen.“<br />

„Und dann?“, fragt der Fischer. „Dann könnten<br />

Sie sich Leute einstellen, die für Sie arbeiten!<br />

„Und dann?“, fragt der Fischer. „Dann<br />

könnten Sie beruhigt im Hafen sitzen, in der<br />

Sonne dösen und aufs Meer schauen …!“ Da<br />

setzt sich der Fischer auf, schiebt sich die<br />

Mütze in den Nacken und sagt: „Na und, das<br />

tue ich ja jetzt auch schon! – Ich sitze beruhigt<br />

im Hafen, döse in der Sonne und schaue<br />

aufs Meer. Nur Sie stören mich mit ihrem<br />

Geschwätz.“<br />

Die Geschichte zeigt, welchen Stellenwert<br />

die materiellen Dinge, der Erfolg, die Karriere<br />

im Leben von Menschen haben. Jesus<br />

will uns den sturen Blick weglenken vom<br />

alleinigen Sorgen, vom übereifrigen Arbeiten,<br />

vom Ehrgeiz, immer mehr verdienen<br />

zu wollen, hin zum Zeit haben für sich und<br />

andere, zum glücklich Sein – und zum<br />

Vertrauen auf Gott, der uns ja schenken will,<br />

was wir zum Leben brauchen.<br />

Literatur:<br />

Predigtstudien V, Kreuzverlag Stuttgart 1982<br />

Bieritz, Karl-Heinrich, Das Kirchenjahr. Feste,<br />

Gedenk- und Feiertage in Geschichte und Gegenwart,<br />

München 1998<br />

Platow, M.,Predigt: Das Glück des Glaubens,<br />

2007 (Mt 6, 25-34)<br />

Waldemar Müller, Niederkirchen


<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

26. Sonntag im Jahreskreis / 16. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

Die Autorin betrachtet die Bibelstelle der kath. 1. Lesung. Mangelnde<br />

Ausdauer und Geduld, fehlendes Vertrauen in den richtigen Weg, einzelne<br />

Menschen entwickeln Visionen und Zukunftsstrategien, Gier und<br />

Egozentrik blockieren den schon sichtbaren Weg ins Gelobte Land,<br />

Verantwortung und Aufgaben adäquat verteilen, intelligente Selbstbeschränkung,<br />

Gier schaufelt Gräber – auch für andere.<br />

Nachhaltig <strong>predigen</strong> – Num <strong>11</strong>, 25-29<br />

Das Buch Numeri steht im Kontext der<br />

bedeutenden Erzählung der Befreiung und<br />

des Auszugs der Israeliten aus der Sklaverei<br />

in Ägypten. Am Berg Sinai erhält Mose die<br />

Gesetzestafeln mit den 10 Geboten, und es<br />

erfolgt der Bundesschluss zwischen Gott und<br />

dem Volk Israel. Schon hier, nach dem<br />

schnellen Erfolg des Aufbruchs aus Ägypten<br />

und der gelungenen Flucht durch das<br />

Schilfmeer, zeigt das Volk wenig Ausdauer<br />

und läuft Gefahr, wieder von fremden Göttern<br />

und alten Machthabern in den Bann gezogen<br />

zu werden. Moses energisches Handeln<br />

und ein hoher persönlicher Preis verhindern<br />

dies. Im Buch Numeri richtet sich nun der<br />

Blick vom Sinai hin zum Jordan in das<br />

„Gelobte Land“, in die Zukunft. Dies geschieht<br />

im Vertrauen darauf, dass Gott, der die<br />

Israeliten aus Ägypten befreit und durch die<br />

Wüste geführt hat, sein Volk auch weiter<br />

durch die Geschichte führen wird. Angesichts<br />

dieses Vertrauens auf Gott werden auch<br />

in schwierigen oder gar ausweglos erscheinenden<br />

Situationen Strategien entwickelt.<br />

Einzelne Menschen, die in besonderer Weise<br />

vom Geist Gottes berührt sind, ergreifen die<br />

Initiative und entwickeln Zukunftsstrategien.<br />

Sie überlassen sich nicht einfach dem<br />

Schicksal oder Zufall. Sie entwickeln Visionen,<br />

sind vorausschauend und fordern zu freiem<br />

und selbstbestimmten Handeln auf.<br />

Bevor das Volk vom Sinai aufbrechen kann,<br />

erfolgt eine Ordnung des Volkes sowohl im<br />

Lager als auf dem Marsch, wenig spektakulär<br />

und zeitraubend. Noch bevor es zum Aufbruch<br />

kommt, zeigt sich erneut die Ungeduld,<br />

Unzufriedenheit und Gier des Volkes.<br />

Vergessen sind die negativen Folgen der<br />

Sklaverei: „… und auch die Israeliten begannen<br />

wieder zu weinen und sagten: Wenn uns<br />

doch jemand Fleisch zu essen gäbe! Wir denken<br />

an die Fische, die wir in Ägypten<br />

umsonst zu essen bekamen, an die Gurken<br />

und Melonen, an den Lauch, an die Zwiebeln<br />

und an den Knoblauch. Doch jetzt vertrocknet<br />

uns die Kehle, nichts bekommen wir zu<br />

sehen als immer nur Manna“ (Num <strong>11</strong>, 4-6).<br />

Aufgrund dieses Geschreis „… entbrannte der<br />

Zorn des Herrn“ und „… Mose aber war verstimmt“.<br />

Er saß mal wieder zwischen allen<br />

Stühlen, der Herr zornig und das Volk unwillig.<br />

Man muss sich ernsthaft fragen, hatte<br />

Mose das, was wir heute unter einem Burnout-<br />

Syndrom verstehen, wenn er sagt: „Ich kann<br />

dieses ganze Volk nicht allein tragen, es ist<br />

mir zu schwer. Wenn du mich so behandelst,<br />

dann bring mich lieber gleich um, wenn ich<br />

überhaupt deine Gnade gefunden habe. Ich<br />

will mein Elend nicht mehr ansehen.“ Er war<br />

erschöpft, ausgebrannt. In dieser Situation<br />

wäre er am liebsten gestorben.<br />

Die Unzufriedenheit und Gier der Menschen<br />

bedroht das Leben jedes Einzelnen.<br />

27.09.09<br />

ev. Reihe I: Joh <strong>11</strong>, 1(2)3.17-27.41-45 kath. 1. L.: Num <strong>11</strong>, 25-29 kath. 2. L.: Jak 5, 1-6<br />

kath. Evang.: Mk 9, 38-43.45.47-48<br />

Num <strong>11</strong>, 25-29<br />

Mangelnde Ausdauer, der Wunsch nach<br />

schnellem Erfolg, die mangelnde Bereitschaft<br />

sich selbst etwas zu erarbeiten, auf Kosten<br />

anderer Dinge zu erhalten, das Anspruchsdenken<br />

„Mir stehen aber Fleisch und Melonen<br />

zu“, der Entfall der Frage nach dem<br />

Nächsten: „Wie geht es Dir?“ … Diese und<br />

andere Faktoren gefährden die Zukunft des<br />

Einzelnen wie der Gesellschaft als Ganzer.<br />

Nur solidarisches, <strong>nachhaltig</strong>es Handeln<br />

ermöglicht Leben auch in Zukunft. Gier,<br />

immer mehr, immer weiter, immer höher, nie<br />

genug, … vielleicht wäre ja doch nur für<br />

mich allein ein bisschen mehr drin? verhindert<br />

den Blick in die Zukunft, verhindert den<br />

Aufbruch ins Gelobte Land. Gier macht den<br />

Traum von einer besseren Welt zunichte. 133


134<br />

27.09.09<br />

Ohne Verzicht, ohne<br />

sinnvolle Selbstbegrenzung<br />

ist <strong>nachhaltig</strong>e Entwicklung<br />

nicht möglich.<br />

Welche Strategie bietet Gott in diesem<br />

Text an, um sowohl Mose als auch dem Volk<br />

wieder neue Kraft, neuen Mut und neuen<br />

Weitblick zu geben? Eigentlich ganz einfach:<br />

Die Last des Mose wird auf mehrere Schultern<br />

verteilt. 70 Älteste werden vor dem Offenbarungszelt<br />

zusammengerufen und Gott<br />

spricht: „Ich nehme etwas von dem Geist, der<br />

auf dir ruht, und lege ihn auf sie. So können<br />

sie mit dir zusammen die Last des Volkes tragen,<br />

und du musst sie nicht mehr allein tragen.“<br />

Geistsendung und Verantwortung werden<br />

geteilt. Mose wird entlastet, aber er muss<br />

auch von der Geistkraft Gottes abgeben. So<br />

ist eine Struktur der Leitung des Volkes<br />

geschaffen, die auch in Zukunft verantwortliches<br />

Handeln ermöglicht. Sie ist sozusagen<br />

nicht an eine bestimmte Person gebunden.<br />

Das ganze Unternehmen Aufbruch zum<br />

Jordan ist nun nicht mehr einzig und allein<br />

an die Person des Mose gebunden. Der<br />

Marsch ins gelobte Land kann erfolgen, auch<br />

wenn Mose etwas zustößt. Die Ältesten, die<br />

die verschiedenen Stämmen und Gruppen<br />

repräsentieren, können nun direkter und<br />

schneller handeln und sowohl Fürsprecher<br />

des Volkes als auch Orientierungspersönlichkeiten<br />

sein.<br />

Dies ist eine langfristige, auf Zukunft hin<br />

orientierte Entwicklung, die man durchaus<br />

als <strong>nachhaltig</strong> bezeichnen kann. Selbst Eldad<br />

und Medad werden von dieser Entwicklung<br />

nicht ausgeschlossen. Sie kommen zwar nicht<br />

zum Offenbarungszelt, doch Gott will, dass<br />

jeder Verantwortung übernimmt und Mose antwortet:<br />

„Wenn nur das ganze Volk des Herrn<br />

zu Propheten würde, wenn nur der Herr seinen<br />

Geist auf sie alle legte!“ (Num <strong>11</strong>, 29)<br />

Ab Vers 33 wird die Rahmenerzählung<br />

wieder aufgenommen. Es wird berichtet, wie<br />

Gott Wachteln in großer Zahl schickt, wie<br />

die Menschen sie gierig aufsammeln und<br />

essen, dass Gott aus Zorn das Volk danach<br />

sofort mit einer Plage schlägt. „Daher nannte<br />

man den Ort Kibrot-Taawa (Giergräber), da<br />

man dort die Leute begrub, die von der Gier<br />

gepackt worden waren.“ Einige waren wohl<br />

von der Gier nach Fleisch so gepackt worden,<br />

dass ihr Körper diese Gier nicht verkraftete.<br />

Ihre eigene Gier hat sie umgebracht. Hier<br />

wird uns in drastischer Weise das Gegenmodell<br />

zu <strong>nachhaltig</strong>em Handeln vor Augen<br />

gestellt. Unersättliche Gier, die ausschließlich<br />

auf schnelle exzessive Befriedigung unse-<br />

rer Triebe ausgerichtet ist, vernichtet Lebensmöglichkeiten.<br />

Ohne Verzicht, ohne sinnvolle<br />

Selbstbegrenzung ist <strong>nachhaltig</strong>e Entwicklung<br />

nicht möglich. Auch ist hier nicht langfristig<br />

dafür gesorgt, dass der Hunger in<br />

Zukunft sinnvoll gestillt werden kann. Die<br />

Gier gräbt sich ihr eigenes Grab in Kibrot –<br />

Taawa (Giergräber).<br />

Diese Tatsache trifft heute noch zu. Mit der<br />

Gier der Menschen werden viele Gräber<br />

geschaufelt. Aber heute schaufeln wir meist<br />

nicht gierig unsere eigenen Gräber, sondern<br />

Gräber für andere Menschen, Menschen die<br />

wir nicht einmal kennen. Vielleicht weil sie<br />

in anderen gesellschaftlichen Schichten,<br />

anderen Länder leben oder weil sie noch gar<br />

nicht geboren sind. Vielleicht sind wir selbst<br />

auch als Opfer diesem Mechanismus der Gier<br />

unterworfen. Andere nehmen sich ja nur was<br />

ihnen zusteht, und wir gehen leer aus. Unsere<br />

Umwelt und Mitgeschöpfe sind wehrlos der<br />

Gier des Menschen ausgeliefert. Hier ist<br />

Handeln auf der Basis der Prinzipien der<br />

Katholischen Soziallehre gefordert. Die<br />

Würde und Freiheit einer jeden Person, weitgehendes<br />

eigenverantwortliches Handeln,<br />

Solidarität mit allen Menschen und der ganzen<br />

Schöpfung, das Wohl der ganzen Gemeinschaft<br />

und die <strong>nachhaltig</strong>e Sorge für das<br />

Leben auf unserer Erde sollten Orientierungsmaßstäbe<br />

unseres Handelns werden.<br />

Wir sollten nicht auf den bequemen Weg der<br />

Wachteln, die uns im Halse stecken bleiben<br />

könnten, hoffen, sondern Strategien entwikkeln,<br />

die langfristig Lebensperspektiven eröffnen.<br />

Im Vertrauen auf Gott, der die Israeliten<br />

aus dem Sklavenhaus Ägypten herausführte<br />

und der uns als sein Abbild, als Mann und<br />

Frau geschaffen hat, der uns den Auftrag<br />

gegeben hat, Leben weiterzugeben, die Erde<br />

zu bevölkern und uns um sie zu sorgen und<br />

sie nutzbar zu machen. (vgl. Gen 1, 27-28)<br />

Brechen wir auf in das Gelobte Land und<br />

gehen wir etappenweise. Brechen wir auf wie<br />

das Volk Israel aus Kibrot-Taawa, aus dem<br />

Land der Giergräber nach Hazerot und schauen<br />

wir, was uns dort erwartet auf dem Weg<br />

ins Gelobte Land.<br />

Christine Schardt, Mainz


<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

27. Sonntag im Jahreskreis / 17. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong> / Erntedank<br />

04.10.09<br />

ev. Reihe I: Mt 15, 21-28 / Lk 12, (13-14) 15-21 oder Mt 6, 25-34 kath. 1. L.: Gen 2, 18-24<br />

kath. 2. L.: Hebr 2, 9-<strong>11</strong> kath. Evang.: Mk 10, 2-16 oder kurz Mk 10, 2-12<br />

Die Autorin gibt Impulse zur Auslegung der Warnung vor Habgier und<br />

dem reichen Kornbauern (Lk 12) sowie zur Perikope vom Schätzesammeln<br />

(Mt 6). Sie weist auf den Familiencharakter des Erntedankgottesdienstes<br />

hin und darauf, das Anliegen der Gemeinde, danken zu<br />

wollen, nicht mit globalisierungskritischen Analysen zu verstopfen.<br />

Gleichwohl gilt es, keine Romantisierung moderner Lebensmittelproduktionen<br />

vorzunehmen oder unkritisch mit dem Dank als Ausdruck<br />

von Selbstbestätigung umzugehen.<br />

Erntedank: ein Balanceakt zwischen<br />

Seelsorge und Politik im Kontext eines<br />

Familiengottesdienstes<br />

Erntedankgottesdienst sind Festgottesdienste,<br />

für die bereits in vielen Gemeinden eigene<br />

wunderbar lebendige Traditionen bestehen.<br />

Mancherorts gehört das selbstgebackene Brot,<br />

das nachher gemeinsam verzehrt oder mitgegeben<br />

wird, dazu. Ganz überwiegend werden<br />

die Altäre mit vielen Früchten aus der<br />

Region dekoriert. „Wir pflügen und wir<br />

streuen“ von Matthias Claudius ist einer der<br />

kirchenmusikalischen Schlager des Erntedankgottesdienstes;<br />

ich möchte vorschlagen,<br />

dass er – wie etwa „O du fröhliche“ am Heiligen<br />

Abend – einfach zum festen Bestand<br />

des alljährlichen Erntedankgottesdienstes<br />

zählt. Oft sind viele Kinder bzw. Familien an<br />

diesem Tag im Gottesdienst; dies ist auch für<br />

das <strong>nachhaltig</strong>e Predigen von großer Bedeutung.<br />

Deshalb schlage ich vor, die Kinder ins<br />

Dekorieren des Altars einzubinden, indem sie<br />

etwa am Eingang Früchte erhalten, die sie auf<br />

dem Altar ablegen können oder die sie im<br />

Gottesdienst verzehren können. Ein kleines<br />

Äpfelchen oder ein Apfelstück reicht da<br />

schon aus. Mit dieser Geste werden die Sinne<br />

aufgeschlossen, ein herzliches Willkommen<br />

an die Kleinen und vielleicht auch an die<br />

Großen.<br />

An diesem Festsonntag wird ein Fest des<br />

Dankes gefeiert. Theologisch geht es darum,<br />

sich daran zu erinnern, dass wir uns unser<br />

Leben nicht selbst geben können. Es ist ein<br />

Geschenk, eine gute Gabe. Viele Menschen,<br />

die an diesem Tag in die Kirche kommen,<br />

wollen aber auch einen Blick auf das werfen,<br />

was ihnen gelungen ist, wofür sie dankbar<br />

sind, worauf sie stolz sein können. Erntedank<br />

ist so gesehen ein Fest, an dem Menschen sich<br />

in der Kirche mit ihren Leistungen anerkannt<br />

gefühlt wissen möchten. Die Feldfrüchte stehen<br />

stellvertretend für das Werk, das sie vorzuweisen<br />

haben, von dem sie aber wissen: Es<br />

geht durch unsere Hände, kommt aber her<br />

von Gott. Der Balanceakt liegt darin, Menschen<br />

diese Anerkennung zu geben, aber<br />

zugleich das Verständnis von „Haben“ und<br />

„Loslassen können“ zu vertiefen.<br />

Wo der Lebenszusammenhang es nahe legt,<br />

ist Erntedank auch eine Gelegenheit, einen<br />

Gottesdienst mit interkonfessioneller oder<br />

auch interreligiöser Beteiligung zu gestalten,<br />

z. B. wenn Grundschulklassen in die Gestaltung<br />

miteinbezogen werden. Allerdings:<br />

Es gibt auch Menschen, denen es nicht möglich<br />

ist, dankbar zu sein. Das kann vielfältige<br />

Gründe haben, die ernst zu nehmen sind:<br />

wenn man krank ist oder es einem in anderer<br />

Hinsicht zu schlecht geht; weil man sich<br />

sagt, wem sollte ich danken, ich habe mir<br />

doch alles selbst erarbeitet; schließlich weil<br />

man das Gefühl hat, in seinem Leben eigentlich<br />

immer zu kurz gekommen zu sein. Möglicherweise<br />

sind Empfindungen dieser Art<br />

auch denen vertraut, die den Erntedankgottesdienst<br />

besuchen. Aus mehreren Gründen<br />

halte ich den Erntedankgottesdienst nun für<br />

eine große Herausforderung:<br />

Erwachsene und Kinder sollen Gelegenheit<br />

erhalten, zusammen und doch je für sich in<br />

angemessener Weise diesen Gottesdienst zu<br />

feiern. Erntedank kann mit dem Altar voller<br />

Früchte des Feldes wie zu einer romantischen<br />

Verklärung einer früheren Agrargesellschaft<br />

Erntedank ist ein Fest, an<br />

dem Menschen sich<br />

in der Kirche mit ihren<br />

Leistungen anerkannt<br />

gefühlt wissen möchten.<br />

135


136<br />

04.10.09<br />

Nicht Gott hat den<br />

Kornbauern zum Tode<br />

verurteilt, sondern er<br />

stirbt an seiner Angst, ohne<br />

die vollen Scheunen<br />

nichts zu sein.<br />

Lk 12, (13-14) 15-21<br />

Mt 6, 25-34<br />

werden. Deshalb sind manche bereits schon<br />

so weit gegangen, einen Computer auf den<br />

Altar zu stellen oder Sushi oder ein in der<br />

Region hergestelltes Industrieprodukt etc.,<br />

was provokant wirkt oder wirken soll.<br />

Heutige Lebensmittelherstellungsmethoden<br />

wirken zerstörerisch auf die Schöpfung:<br />

Massentierhaltung, Gentechnologie und Export<br />

von Nahrungsmitteln sind nur Schlagworte,<br />

um die Problematik anzudeuten. Aus<br />

diesen Gründen kann es dazu kommen, dass<br />

der Erntedankgottesdienst aus gut gemeinten<br />

Gründen mit Globalisierungsthemen<br />

moralisch aufgeladen wird. Damit werden<br />

aber die dankbaren Herzen, die gekommen<br />

sind, genau dies auszudrücken, verstopft.<br />

Erntedank: ein Balanceakt zwischen Seelsorge<br />

und Politik im Kontext eines Familiengottesdienstes.<br />

Impulse zur Predigtvorbereitung<br />

Lk 12, 13-21 Warnung vor Habgier und der<br />

reiche Kornbauer<br />

Gerade in der Lebensphase, in der viele<br />

Menschen von den Eltern langsam Abschied<br />

nehmen müssen, also in den Jahren um fünfzig<br />

herum, wird das Thema Erbschaft in vielen<br />

Familien bedeutsam. In der von Luther<br />

überschriebenen Perikope „Warnung vor<br />

Habgier“ weist Jesus es ab, als Erbschlichter<br />

beansprucht zu werden. In der folgenden<br />

Perikope vom reichen Kornbauern erhält dieser<br />

von Gott ein überaus hartes Urteil. Obwohl<br />

er ja nicht weiter maßlos ernten wollte,<br />

sondern nur diese eine große Ernte gut einfahren<br />

wollte und sich um ihre sichere<br />

Verwahrung sorgte, wird er von Gott hierfür<br />

mit dem Tode bestraft. Der Umgang mit<br />

einer Erbschaft, der Umgang mit einer großen<br />

Ernte steht hier zur Diskussion. Es ist<br />

nicht genug, ein Erbe gut zu verwalten und<br />

für eine Ernte dankbar zu sein. Dankbar sein,<br />

das heißt der Perikope vom reichen Kornbauern<br />

zufolge offensichtlich zu haben als<br />

hätte man nicht.<br />

Eine Verbindung von Habgier und der – in<br />

der katholischen Theologie interpretierten –<br />

Todsünde Geiz führt in eine Aktualisierung<br />

des biblischen Textes, für den viele populäre<br />

Illustrationen zur Verfügung stehen (siehe<br />

Birgit Schönberger, Geiz und die hier genannten).<br />

„Geiz ist von der Todsünde zur<br />

Tugend avanciert“, so Schönberger und dies<br />

mit durchaus ökologisch <strong>nachhaltig</strong>en Gründen.<br />

Neben einer ganzen Kultur des Geizes<br />

und ihrer Internetseiten, Handbücher etc.<br />

stellt sich heraus, dass Geiz eine vorausschauende<br />

Lebensplanung beinhaltet, die wenig<br />

Raum für Spontanes oder Überraschungen<br />

lässt, die z. B. eine Einladung lieber ausschlägt,<br />

weil ihr von dieser Begegnung ja<br />

auch eine Gegeneinladung erwartet werden<br />

könnte. Bereits an diesem Beispiel wird deutlich,<br />

dass man mit Geld, Zeit, Vertrauen und<br />

Zuwendung oder – noch intimer – mit Liebe<br />

geizen kann. Etwas zu haben, bedeutet auch,<br />

etwas zu sein, oder noch prinzipieller: Haben<br />

= Sein. Nichts zu haben bedeutet nichts zu<br />

sein. So lautet in psychologischer Perspektive<br />

die Antwort auf die Frage, was Geiz auslöst,<br />

die Angst, sich selbst zu verlieren. Wenn ich<br />

dieses oder jenes oder diese Zeit für mich<br />

nicht habe, dann bin ich selbst überhaupt<br />

nicht mehr richtig vorhanden. „Geiz als verkleidete<br />

Angst vor dem Tod oder vor dem<br />

Nichts. Paradoxerweise beschleunigt Geiz<br />

den Tod […] Übertriebener Geiz dämpft die<br />

Lebenslust und tötet die Sinnlichkeit. Er vergiftet<br />

Liebesbeziehungen und gefährdet<br />

Freundschaften und die harmonische Zusammenarbeit<br />

mit Kollegen.“ (Schönberger) Geiz<br />

ist ein Ausdruck von Habgier und: Sie zeigt,<br />

wie sehr ich mich an das klammere, was ich<br />

habe, aus Angst mich selbst zu verlieren.<br />

Klar ist jetzt aber auch: Nicht Gott hat den<br />

Kornbauern zum Tode verurteilt, sondern er<br />

stirbt an seiner Angst, ohne die vollen Scheunen<br />

nichts zu sein. Nachhaltig <strong>predigen</strong><br />

heißt, sich zu vergegenwärtigen, wie sehr<br />

unser Leben gefördert wird, wenn wir uns<br />

von dem Leitbild der überfließenden Gnade<br />

Gottes bestimmen lassen.<br />

Mt 6, 25-34 Vom Schätze sammeln<br />

Es wäre falsch, aus diesen Zeilen allein ein<br />

Lob der Faulheit herauszulesen. Aber dennoch<br />

möchte Jesus mit diesen Worten<br />

Menschen befreien von der Sorge um ihr tägliches<br />

Brot, ihr Auskommen. Das Wort ist an<br />

arme Menschen gerichtet. Sie sollen den<br />

Reichen den Rücken zukehren, statt weiterhin<br />

nur auf deren Leben zu sehen und sich an<br />

ihnen zu messen. Sie sollen ihr Leben zentral<br />

auf Gott ausrichten. Allerdings dürfte seine<br />

Rede ziemlichen Widerspruch provoziert


haben. Gerade armen Menschen mitzuteilen,<br />

sie sollten sich nicht sorgen, kann leicht<br />

überheblich klingen. Jesus geht es darum,<br />

dass auch sie einen weiten Horizont zur<br />

Deutung ihres Lebens erhalten. Was hat ein<br />

Mensch vom Leben, wenn er sich nur noch<br />

abrackert und von Sorgen verzehren lässt? Es<br />

geht in diesem „Wort an die Armen“ um den<br />

Vorrang des Religiösen im Leben. Es hilft,<br />

das Leben als Ganzes zu stabilisieren.<br />

Gottvertrauen schafft einen Freiraum, dass<br />

Sorgen nicht wie Fluten über Köpfen zusammenschlagen.<br />

In einem Kinderfilm zur Bergpredigt wird<br />

zu diesem Stück folgende Geschichte erzählt:<br />

Ein Mädchen gehört in der Schule zu einer<br />

Clique von finanziell gut gestellten Jugendlichen<br />

bzw. sie möchte gern zu ihnen gehören,<br />

hat aber eben zu wenig Geld zur Verfügung.<br />

Sie versucht mit gespartem Geld<br />

mitzuhalten, wenn es abends ums Ausgehen<br />

geht, oder sie kauft sich ein Markenhandy,<br />

muss dafür aber ständig arbeiten. Manchmal<br />

wird sie total wütend auf ihre Mutter, die<br />

alleinerziehend ist und ihr nicht so viel Taschengeld<br />

geben kann. Sie erzählt ihren Schulkameraden<br />

Lügen über die Berufstätigkeit<br />

ihrer Mutter, erfindet einen erfolgreichen<br />

Vater ... Ihr Wunsch, auch gerne mehr Geld<br />

zu haben, wird sehr gut verständlich. Aber es<br />

ist auch eine Befreiung für sie, als das selbstgebaute<br />

Kartenhaus aus Lügen zusammenfällt.<br />

In diesem Zusammenbruch kann sie<br />

sehen, was an ihrem Leben unverwechselbar<br />

gut und schön ist, wer zu ihr hält und worauf<br />

sie vertrauen kann. Die Sorge um ein glückliches<br />

Leben wird durch den Blick auf das,<br />

was sie glücklich macht im eigenen Leben,<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

durchbrochen. Diese Auslegung des „Sorget<br />

nicht“ ist tiefgründig, denn sie zeigt, wie verständlich<br />

es ist, dass Menschen sich mit Geld<br />

die Option auf viele Lebensmöglichkeiten<br />

erwirtschaften wollen, und wie diese Sorge<br />

doch auch Lebensmöglichkeiten nimmt. Es<br />

gilt, die Macht der Sorge im eigenen Leben<br />

zu durchbrechen, damit wir wieder zu Gott<br />

finden können.<br />

Nachhaltig <strong>predigen</strong> heißt, Durchblicke<br />

durch die menschlichen Systeme des Sorgens<br />

zu verschaffen. Falsches Sorgen baut auf der<br />

Annahme auf, man könnte – wenn man<br />

erfolgreich genug sorgt – eine andere Realität<br />

schaffen, sei es nun ein höheres persönliches<br />

Wohlbefinden oder sei es eine ökologischer<br />

gestaltete Umwelt. Richtiges Sorgen setzt<br />

sich voll für beides Genannte ein. Doch dies<br />

gelingt kaum ohne den Cantus firmus christlich<br />

verstandener Nachhaltigkeit: „Es geht<br />

durch unsere Hände, kommt aber her von<br />

Gott.“ Und mehr: geht aber zu auf Gott.<br />

Nachhaltiges Sorgen heißt loslassen lernen.<br />

Literatur:<br />

Manfred Köhnlein, Die Bergpredigt. Stuttgart 2005<br />

Birgit Schönberger, Der Geiz. In: Klaus Hofmeister /<br />

Lothar Bauerochse, Geil & Geizig. Die Todsünden<br />

als Gebote der Stunde. Würzburg 2004, S. 26-38<br />

Wilfried Engemann, Aneignung der Freiheit.<br />

Essays zur christlichen Lebenskunst. Stuttgart 2007<br />

Dr. Ilona Nord, Frankfurt am Main<br />

28. Sonntag im Jahreskreis / 18. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

Der Verfasser betrachtet alle Bibelstellen des Tages. Stichworte zur Nachhaltigkeit:<br />

Weinen, Warten, zu wissen Meinen – Gestalten mit Klugheit und<br />

Weisheit (Weish 7, Hebr 4); Verhältnis zu Armen und Armut, unspektakuläre,<br />

tragfähige Utopien entwickeln (Weish 7, Mk 12); Welt als Gütergemeinschaft<br />

sehen und in Gerechtigkeit leben und verwirklichen (Mk 10)<br />

04.10.09<br />

<strong>11</strong>.10.09<br />

ev. Reihe I: Mk 12, 28-34 kath. 1. L.: Weish 7, 7-<strong>11</strong> kath. 2. L.: Hebr 4, 12-13 kath. Evang.: Mk 10, 17-30<br />

oder Mk 10, 17-27<br />

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138<br />

<strong>11</strong>.10.09<br />

Weish 7, 7-<strong>11</strong><br />

Hebr 4, 12-13<br />

Mk 10, 17-30<br />

Mk 12, 28-34<br />

Um seiner Verantwortung<br />

gerecht zu werden, benötigt<br />

der Mensch Klugheit und<br />

Weisheit, die er sich nicht<br />

selbst geben, sondern nur<br />

von Gott erbitten<br />

und erhalten kann.<br />

Exegetische Anmerkungen<br />

Weish 7, 7-<strong>11</strong>: In 6, 22-25 tritt Salomo<br />

gegenüber den Königen der Welt als<br />

Verkündiger auf und spricht sie in seiner<br />

Existenz als König vor Gott an. Mit derselben<br />

Haltung versucht er in 7, 1-14, die<br />

Adressaten zu einem Existenzwandel zu<br />

bewegen. Denn der König stammt nicht –<br />

wie in der Vorstellung anderer antiker Kulturen<br />

– von Gott ab, sondern ist wie alle anderen<br />

sterblichen Menschen aus der Erde erschaffen.<br />

Indem Weish so die Gleichheit aller<br />

Menschen vor Gott betont, dem sie Leben<br />

und Glück verdanken, unterstreicht sie das<br />

menschliche Angewiesensein auf die göttliche<br />

Hilfe. Dies konzentriert sich in Salomos<br />

Bitte um Weisheit und Klugheit, die an das<br />

Wortpaar „Weisheit und Wissen” (2 Chr 1, 10)<br />

erinnert.<br />

Hebr 4, 12-13: Die beiden Verse beschließen<br />

den Abschnitt Hebr 3, 7-4,<strong>11</strong>, der das<br />

„lebendige Wort Gottes” thematisiert.<br />

Diesem gegenüber hatte sich das Volk einst<br />

in der Wüste und hat es sich heute zu verantworten.<br />

Um die Ernsthaftigkeit der Verantwortung<br />

zu betonen, hebt Hebr die kritische<br />

Schärfe des Gottes Wortes hervor und unterstreicht<br />

die Notwendigkeit menschlicher<br />

Aufmerksamkeit.<br />

Mk 10, 17-30: In einer Lehrszene schildert<br />

Mk Jesu Haltung zu den Themen Berufung<br />

und Besitz und teilt seine Darstellung in drei<br />

Abschnitte: die fehlgeschlagene Berufung eines<br />

Reichen in die Nachfolge, Jesu daran<br />

anschließende Jüngerbelehrung über den<br />

Reichtum als Hindernis für den Zugang zum<br />

Reich Gottes und – nach einer Anfrage des<br />

Petrus – die Verheißung des Ausgleichs für<br />

das Verhalten der Jünger im Horizont der<br />

göttlichen Heilsplans.<br />

Mk 12, 28-34: Nach verschiedenen Gruppen<br />

(<strong>11</strong>, 27 - 12, 27) wendet sich hier ein einzelner<br />

Schriftgelehrter an Jesu. Er begegnet<br />

Jesus wegen seiner den Kontrahenten erteilten<br />

Antwort mit Wohlwollen, so dass es zum offenen<br />

Gedankenaustausch kommt. Mk schließt<br />

mit einer Notiz (V. 34), die darauf vorbereitet,<br />

dass Jesus nach der Befassung mit Fragen<br />

von Repräsentanten jüdischer Gruppen nun<br />

seinerseits lehrend aktiv wird (12, 35-40).<br />

Predigtskizze<br />

Hebr betont die entlarvende Wirkung von<br />

Gottes Wort. Es macht alle geschaffene Realität<br />

transparent, lässt ihr Wesen ans Tageslicht<br />

treten. Damit wird auch die gegenseitige<br />

Verwobenheit von Mensch und Schöpfung<br />

offenbar und erinnert den Menschen an seine<br />

Verantwortung im Kontext der geschaffenenen<br />

Wirklichkeit. Wir sind nicht nur eben<br />

ein Teil des Ganzen und Mitgeschöpf, sondern<br />

vor allem dazu beauftragt, Gottes<br />

Schöpfung, belebte und unbelebte Natur zu<br />

erhalten und zu gestalten. Somit stellt uns<br />

Gottes Wort mit aller Schärfe und allem<br />

Nachdruck in einen im wahrsten Sinn des<br />

Wortes globalen Horizont.<br />

Um seiner Verantwortung gerecht zu werden,<br />

benötigt der Mensch Klugheit und<br />

Weisheit – ratio und sapientia –, die er sich<br />

nicht selbst geben, sondern nur von Gott<br />

erbitten und erhalten kann. Dies zeigt Weish<br />

am Beispiel des Königs Salomo, der bei Gott<br />

um Hilfe für seine Aufgabe nachsucht. Denn<br />

er ist sich bewusst, dass nur diese von Gott<br />

geschenkten Fähigkeiten ihm die notwendige<br />

Einsicht in Strukturen und Zusammenhänge<br />

der vorhandenen Welt geben können.<br />

Sie eröffnen ihm zugleich den Blick für mögliche<br />

Entwicklungen, ob sie nun Verheißung<br />

oder Bedrohung bereithalten. Diese Sicht in<br />

mögliche Zukunft erweitert menschliches<br />

Wissen, ermöglicht Weisheit und befähigt<br />

zur guten Regierung, d. h. der Verwaltung,<br />

Erhaltung und Gestaltung der Welt, in die<br />

hinein er verwoben ist und die Gott ihm<br />

anvertraut hat.<br />

(Mk) Inmitten dieses globalen Horizontes<br />

der Interdependenz von Mensch und<br />

Schöpfung schenkt Gott der Menschheit eine<br />

ganz besondere Perspektive, die sich in der<br />

Antwort Jesu auf die Frage des Petrus zeigt:<br />

Gottes Heilsplan zielt ab auf eine Familie,<br />

die alle Menschen umfasst, die sich ganz von<br />

dem einen Vater her definiert und in der<br />

Gütergemeinschaft verwirklicht ist. Damit<br />

wendet sich Gott nachdrücklich gegen ein<br />

Denken und Handeln, das um das eigene Ego<br />

und den eigenen materiellen Besitz kreist<br />

und dem Menschen nur schadet. Gott stellt<br />

sich – und den, der ihm nachfolgt, – pointiert<br />

auf die Seite der Armen und Benachteiligten,<br />

fordert und fördert Engagement,<br />

das auf eine immer gerechtere


Verteilung der Güter drängt. Im Kern geht<br />

es um die Utopie – dies verdeutlicht die provozierende,<br />

ja schockierende Aufforderung<br />

Jesu an den reichen Mann –, eigenen Besitz<br />

vollkommen auf- und abzugeben.<br />

Mit Blick auf die gegenwärtige Situation<br />

mag Gottes Utopie, die Jesus präsentiert, als<br />

Illusion erscheinen. Aber der Schöpfer, der<br />

allem von ihm Geschaffenen auf den Grund<br />

sehen kann, für den alles transparent und<br />

möglich ist, hält an seinem Ziel fest. Gott<br />

will seine Vision realisieren und uns dazu in<br />

Anspruch nehmen, damit – allen Zweifeln<br />

und Zweiflern zum Trotz – sein Traum Wirklichkeit<br />

wird.<br />

Bezüge zur Nachhaltigkeit, Beispiele zur<br />

Umsetzung und weitere Kontexte<br />

1. Verwobenheit des Menschen in die Schöpfung,<br />

die er klug und weise gestalten muss und kann<br />

(Weish, Hebr)<br />

Hügel sind immer schöner als Häuser aus<br />

Stein. In der großen Stadt wird das Leben zu<br />

einem künstlichen Dasein. Viele Menschen<br />

spüren kaum noch richtige Erde unter den<br />

Füßen, sie sehen kaum noch Pflanzen wachsen,<br />

außer in Blumentöpfen, und lassen nur<br />

selten die Lichter der Straßen hinter sich, um<br />

den Zauber eines sternenübersäten Nachthimmels<br />

auf sich wirken zu lassen. Wenn<br />

Menschen so weit weg von all dem leben, was<br />

der Große Geist geschaffen hat, dann vergessen<br />

sie leicht seine Gesetze.<br />

Tatanga Mani/Walking Buffalo (1871-1967,<br />

Häuptling der Stoney-Indianer in Kanada; zit.<br />

nach www.walderlebnisraum.de)<br />

Kinder weinen<br />

Narren warten<br />

Dumme wissen<br />

Kleine meinen<br />

Weise gehen in den Garten<br />

Joachim Ringelnatz (Aus: Ders.: Sämtliche<br />

Gedichte, 1994)<br />

2. Hinwendung zu Gott drängt zur Solidarität<br />

mit dem Armen und Benachteiligten (Weish, Mk 12)<br />

Sola gratia<br />

einen Engel<br />

wünsche ich allen<br />

die ohne grund<br />

lächeln: aus<br />

gottes grazie<br />

allein<br />

Kurt Marti (Aus: Ders.: Namenszug mit Mond.<br />

Gedichte, 1996)<br />

3. Gerechte Verteilung der Güter (Mk 10)<br />

„Mit Zorn und Zärtlichkeit an der Seite der<br />

Armen“ – mit diesem Motto beging das<br />

Bischöfliche Hilfswerk Misereor 2008 sein<br />

50-jähriges Bestehen. Die beiden Gegensätze<br />

„Zorn“ und „Zärtlichkeit“ beschreiben das<br />

Spannungsfeld, in dem sich die Arbeit eines<br />

Entwicklungswerkes bewegt: Auf der einen<br />

Seite steht der „heilige“ Zorn über ungerechte<br />

Verhältnisse, der zum Handeln antreibt,<br />

auf der anderen Seite das Mitgefühl mit dem<br />

Nächsten: Denn Arme, Kranke und Ausgegrenzte<br />

sind keine anonymen Empfänger<br />

wohltätiger Hilfe, sondern verdienen Respekt.<br />

Das ist das Anliegen von Misereor wie<br />

seiner Partner in aller Welt. Einer dieser<br />

Partner ist Luís Cappio, Bischof von Barra in<br />

Brasilien, der in einem Grußwort sehr eindringlich<br />

begründete, warum es zu diesem<br />

Engagement keine Alternative gibt: „Für<br />

Christen ist es ein Gebot, sich an die Seite der<br />

Armen zu stellen. Es ist die Bedingung für<br />

die Authentizität und Wahrheit des Glaubens,<br />

eine Forderung der Treue zum Evangelium.<br />

Die Nachfolge Jesu findet an der<br />

Seite der Armen statt oder gar nicht“<br />

(www.misereor.de).<br />

4. Gottes Vision: Menschheit als eine Familie<br />

mit Gütergemeinschaft (Mk 10)<br />

<strong>11</strong>.10.09<br />

Mk 10<br />

Weish 7, 7-<strong>11</strong><br />

Hebr 4, 12-13<br />

Arme, Kranke und<br />

Ausgegrenzte sind keine<br />

anonymen Empfänger<br />

wohltätiger Hilfe, sondern<br />

verdienen Respekt.<br />

Mk 10<br />

„Weltweit wichteln” eine Mitmachaktion<br />

– nicht nur für Kinder. Es handelt sich um<br />

eine Adventsaktion, die dem Brauch des<br />

Wichtelns neben der Freude am Schenken<br />

einen tieferen Sinn gibt: Kinder in Deutschland<br />

beschenken sich untereinander mit fair<br />

gehandelten Produkten und machen Kindern<br />

in aller Welt mit einer selbst gestalteten<br />

Wichtelpuppe eine freudige Überraschung – Weish 7, 7-<strong>11</strong><br />

worldwide surprise. Der faire Handel sichert Mk 12, 28-34<br />

den Menschen in armen Ländern einen<br />

gerechten Lohn für ihre Arbeit, und mit der<br />

Wichtelpuppe können sich Kinder über<br />

Kontinente hinweg kennen lernen. So fördert<br />

die Aktion „Weltweit wichteln” interkultu- 139


140<br />

<strong>11</strong>.10.09<br />

18.10.09<br />

Heute gibt es viele<br />

Möglichkeiten, Gelähmten<br />

zu helfen, mit Roboterarmen,<br />

Implantaten und anderen<br />

Möglichkeiten.<br />

relles Lernen und entwicklungspolitisches<br />

Engagement – und das alles mit Spaß<br />

(www.weltweit-wichteln.de)<br />

Es gibt dich<br />

Dein Ort ist<br />

wo Augen dich ansehn.<br />

Wo sich die Augen treffen<br />

entstehst du.<br />

Von einem Ruf gehalten,<br />

immer die gleiche Stimme,<br />

es scheint nur eine zu geben<br />

mit der alle rufen.<br />

Du fielest,<br />

aber du fällst nicht.<br />

Augen fangen dich auf.<br />

Es gibt dich<br />

weil Augen dich wollen,<br />

dich ansehn und sagen<br />

dass es dich gibt.<br />

Hilde Domin (Aus: Dies.: Es gibt dich, 1987)<br />

29. Sonntag im Jahreskreis / 19. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

Literatur:<br />

Eckey, Wilfried: Das Markusevangelium: Orientierung<br />

am Weg Jesu. Ein Kommentar, 1998<br />

Engel, Helmut: Das Buch der Weisheit = Neuer<br />

Stuttgarter Kommentar Altes Testament 16 , 1998<br />

Gräßer, Erich: An die Hebräer (Hebr 1-6) = Evangelisch-Katholischer<br />

Kommentar XVII/1, 19<strong>90</strong><br />

Hecking, Detlef u. a.: Sehnsucht nach Gerechtigkeit.<br />

Denken und Handeln nach dem Buch der<br />

Weisheit = WerkstattBibel 3, 2002<br />

Joachim Feldes, Berlin<br />

ev. Reihe I: Mk 2, 1-12 kath. 1. L.: Jes 53, 10-<strong>11</strong> kath. 2. L.: Hebr 4, 14-16 kath. Evang.: Mk 10, 35-45 oder kurz Mk 10, 42-45<br />

Mk 2, 1-12<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

Der Verfasser betrachtet die ev. Predigtperikope und den kath. Evangeliumstext.<br />

Stichworte zur Nachhaltigkeit: dem Lahmen die Träger sein<br />

– für eine heilere Welt für alle (Mk 2); Facetten des Gemeinwohls, christliche<br />

Forderungen und Grenzen des Individuums, Bedingungen eines<br />

globalen Gemeinwohls (Mk 10)<br />

Ausarbeitung: Lahme heilen (ev. Reihe<br />

I Mk 2, 1-12)<br />

Jesus heilt den Gelähmten auf sein Wort<br />

hin. Der Lahme im Evangelium nimmt auf<br />

das Wort Jesus sein Bett und geht weg, zuvor<br />

hatte Jesus Anstoß erregt, weil er dem Lahmen<br />

die Sünden vergeben hatte. Er hatte aber<br />

den Glauben der Träger gesehen, die den<br />

Kranken durch das Dach zu ihm herabgelassen<br />

hatten. Zur Verkündigung der Botschaft<br />

vom messianischen Reich gehört es auch wie<br />

bei Jesaja 35 steht: „6 Dann springt der<br />

Lahme wie ein Hirsch, / die Zunge des<br />

Stummen jauchzt auf. In der Wüste brechen<br />

Quellen hervor / und Bäche fließen in der<br />

Steppe.“<br />

Heute gibt es viele Möglichkeiten, Gelähmten<br />

zu helfen, mit Roboterarmen, Implantaten<br />

und anderen Möglichkeiten. Adulte<br />

Stammzellen werden nach dem Stand der<br />

Wissenschaften erst in 10-15 Jahren zu<br />

Einsatz kommen können. Gelähmte sind<br />

durchaus leistungsfähig. Mit dem gelähmten<br />

Hermann von Reichenau wurde vor 995<br />

Jahren ein Gelehrter geboren, dessen Lebenswerk<br />

großartig ist: Er verfasste eine Weltchronik<br />

des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung,<br />

er machte auch das Astrolabium<br />

bekannt, mit dem Seefahrer lange Zeit ihre


genaue Position auf dem Ozean bestimmten.<br />

Der englische Astrophysiker Stephen Hawkings<br />

ist seit mehr als vier Jahrzehnten gelähmt<br />

und kann nur mit einigen Gesichtsmuskeln<br />

über einen Computer kommunizieren. Mit<br />

32 Jahren wurde er als Mitglied in die „Royal<br />

Society“ der britischen Wissenschaften berufen.<br />

Mit 37 Jahren erhielt er in Cambridge<br />

den herausragenden Lucasischen Lehrstuhl<br />

für Mathematik, auf dem schon Sir Isaac<br />

Newton lehrte.<br />

Wenn wir an das Kommen des Reiches<br />

Gottes glauben, in dem es eine heile Welt<br />

gibt, und die Botschaft Jesu ernst nehmen,<br />

sind uns die Gelähmten in besonderer Weise<br />

anvertraut. Wir gehören in gewisser Weise zu<br />

den vier Trägern, die den Gelähmten Zugang<br />

zu Heilungswegen schaffen. Es geht dabei<br />

um einen Beitrag zur Schaffung einer heileren<br />

Welt für alle.<br />

Thema: Dem Gemeinwohl dienen<br />

(Evangelium Mk 10, 42-45)<br />

In der letzten Zeit ist viel von Machtmissbrauch<br />

zu hören. Da haben leitende<br />

Persönlichkeiten eines großen Konzerns in<br />

Deutschland ungeheure Bestechungsgelder<br />

eingesetzt, Korruption gehört neben der<br />

Armut zu den größten Problemen für die<br />

Entwicklung in ärmeren Ländern. Es ist aber<br />

auch an Machthaber vor allem in Afrika zu<br />

denken, die ihre Länder brutal terrorisieren<br />

und ausbeuten. Auch die Kirchen haben mit<br />

Machtmissbrauch in der Geschichte vor<br />

allem ihre Erfahrungen.<br />

Im Evangelium prangert Jesus die Mächtigen<br />

an, die ihre Macht über die Menschen<br />

missbrauchen. Große im Reich Gottes sollen<br />

nach Jesus Diener sein, ja sogar Sklaven aller,<br />

er geht für sich ja soweit, dass er sein Leben<br />

für viele als Lösegeld hingibt.<br />

Es geht im Staat nicht darum, dass die<br />

Mächtigen ihren Profit machen, sondern um<br />

das Gemeinwohl für alle. Dabei sind auch<br />

kommende Generationen und die Bewahrung<br />

der Schöpfung für diese mit einbezogen.<br />

Was ist Gemeinwohl?<br />

Das Konzilsdokument „Gaudium et spes“<br />

(1965) sagt dazu: „75. ... Unmenschlich ist<br />

es, wenn eine Regierung auf totalitäre oder<br />

diktatorische Formen verfällt, die die Rechte<br />

der Person und der gesellschaftlichen<br />

Gruppen verletzen.“ Christen sollen durch<br />

ihr pflichtbewusstes Handeln für das<br />

Gemeinwohl beispielgebend sein. Die politischen<br />

Parteien dürfen ihre Sonderinteressen<br />

nicht über das Gemeinwohl stellen. Die politische<br />

Gemeinschaft und die Kirche sind je<br />

auf ihrem Gebiet autonom, im Dienst am<br />

gleichen Menschen können sie Besseres leisten,<br />

wenn sie zusammenwirken.“<br />

Gemeinwohl bezieht sich auch auf die<br />

Wirtschaft. Die US-amerikanischen Bischöfe<br />

sagten dazu 1996: „Während die Enzyklika<br />

Demokratie und Marktwirtschaft (Centesimus<br />

annus 1996) anerkannte, bestand sie darauf,<br />

dass diese sich an dem Gemeinwohl und an<br />

dem Dienst für die Menschenwürde und<br />

Menschenrechte orientieren müssen. ... Der<br />

Katechismus der katholischen Kirche bestätigt<br />

die katholische Lehre, dass die Wirtschaft<br />

den Menschen dienen muss und den<br />

Grenzen der moralischen Ordnung und den<br />

Forderungen sozialer Gerechtigkeit unterworfen<br />

ist.“ Hier sind durchaus die Einkommensdifferenzen<br />

in der Wirtschaft zu hinterfragen,<br />

ob sie wirklich gegenüber dem<br />

Gemeinwohl zu verantworten sind. Machen<br />

sich die Diener der Wirtschaft nicht selbst zu<br />

ausbeutenden Herren?<br />

Auch der Bodenbesitz hat dem Gemeinwohl<br />

zu dienen und nicht nur dem Interesse<br />

von z. B. Großgrundbesitzern. „Das Gemeinwohl<br />

verlangt deshalb manchmal eine Enteignung<br />

von Grundbesitz, wenn dieser wegen<br />

seiner Größe, seiner geringen oder überhaupt<br />

nicht erfolgten Nutzung, wegen des Elends,<br />

das die Bevölkerung durch ihn erfährt, wegen<br />

eines beträchtlichen Schadens, den die Interessen<br />

des Landes erleiden, dem Gemeinwohl<br />

hemmend im Wege steht. Das Konzil hat das<br />

ganz klar gesagt“ (Paul VI Enzyklika Populorum<br />

Progressio (1967).<br />

Zur Realisierung des Gemeinwohls ist<br />

Solidarität notwendig. „Die Solidarität ist nicht<br />

ein Gefühl vagen Mitleids oder oberflächlicher<br />

Rührung wegen der Leiden so vieler<br />

Menschen nah oder fern. Im Gegenteil, sie ist<br />

die feste und beständige Entschlossenheit,<br />

sich für das „Gemeinwohl“ einzusetzen, das<br />

heißt, für das Wohl aller und eines jeden,<br />

weil wir alle für alle verantwortlich sind“<br />

(SCR Johannes Paul II. 1987).<br />

Im 1. Korintherbrief beschreibt Paulus in<br />

der Aussage über die Kirche als den einen<br />

Leib, in dem alle Glieder für das Ganze verantwortlich<br />

sind, sonst geht es ihnen selbst<br />

18.10.09<br />

Mk 10, 42-45<br />

141


142<br />

18.10.09<br />

In diesen<br />

Gemeinwohlgedanken sind<br />

alle Völker mit einzubezie-<br />

hen, desgleichen auch die<br />

kommenden Generationen<br />

und die Bewahrung der<br />

Schöpfung.<br />

25.10.09<br />

alles andere als gut. „20 So aber gibt es viele<br />

Glieder und doch nur einen Leib. 21 Das<br />

Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich bin<br />

nicht auf dich angewiesen. Der Kopf kann<br />

nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch<br />

nicht. 22 Im Gegenteil, gerade die schwächer<br />

scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich.“<br />

Das eigentliche Gemeinwohl ist für Höffner<br />

das Gemeinwohl des Staates. Er definiert das<br />

wie folgt:“... Es ist das Gesamt der Einrichtungen<br />

und Zustände, die es dem einzelnen<br />

Menschen und den kleineren Lebenskreisen<br />

ermöglichen, im geordneten Zusammenwirken<br />

ihrer gottgewollten Sinnerfüllung<br />

(der Entfaltung der Persönlichkeit und dem<br />

Aufbau der Kulturbereiche) anzustreben“<br />

(Höffner, Christliche Gesellschaftslehre Seite 52).<br />

Insofern das Gemeinwohl allen dient, hat<br />

sich das Einzelwohl unterzuordnen. Auf der<br />

anderen Seite darf aber das Gemeinwohl die<br />

Person und ihre Freiheit und Würde nicht<br />

missbrauchen. Es ist dazu da, dass alle<br />

Personen zu ihrer bestmöglichen Entfaltung<br />

kommen. Auch das Gemeinwohl darf den<br />

Menschen nicht völlig beschlagnahmen, so<br />

darf ein Betrieb den Menschen nur als<br />

Belegschaftsmitglied sehen, aber es darf nicht<br />

den „totalen“ Betrieb geben. Im Staat ist der<br />

Mensch Staatsbürger und kann nicht vom<br />

Staat völlig vereinnahmt werden. Das wäre<br />

dann der „totale Staat“. Ziel von Sozialität ist<br />

die volle Entfaltung der Personalität.<br />

Das Gemeinwohl bedarf zu seiner Realisierung<br />

einer Autorität. Diese muss sich<br />

aber auf der verbindlichen Anerkennung der<br />

Menschenwürde aufbauen. Wenn dies nicht<br />

anerkannt wird, dann triumphiert die Macht.<br />

30. Sonntag im Jahreskreis / 20. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

Eine Demokratie, die die Menschenwürde<br />

nicht anerkennt, verwandelt sich sehr schnell,<br />

wie die Geschichte es lehrt, in einen hinterhältigen<br />

Totalitarismus. In einer echten<br />

Demokratie wird deutlich, dass die Mächtigen<br />

die Diener des Staates sind.<br />

Die Autorität in einem Staat ist durch das<br />

Gemeinwohl begründet und dient dem<br />

Gemeinwohl. Diese Autorität ist aber nicht<br />

von Irrtum frei. Deshalb bedarf sie der<br />

Kontrolle und der Kritik durch die Parlamente,<br />

die Gerichte und die öffentliche<br />

Meinung. Dazu gehört auch ganz wesentlich<br />

das Wahlrecht der Bürger. Am besten ist das<br />

Gemeinwohl in einer Demokratie aufgehoben.<br />

Die Autorität hat einzig und allein dem<br />

Gemeinwohl zu dienen, sonst wird sie zur<br />

Diktatur, die wir unserem Land ja nicht vor<br />

all zu langer Zeit erschreckend hatten. Die<br />

Autorität ist nicht der Souverän, das ist der<br />

Bürger, die Autorität ist Diener aller Bürger.<br />

In diesen Gemeinwohlgedanken sind alle<br />

Völker mit einzubeziehen, desgleichen auch<br />

die kommenden Generationen und die Bewahrung<br />

der Schöpfung, denn auch diese leistet<br />

ihren Beitrag für das Gemeinwohl und<br />

hat deshalb auch beim Gemeinwohl berücksichtigt<br />

zu werden.<br />

„Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr<br />

wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre<br />

Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre<br />

Macht über die Menschen missbrauchen. Bei<br />

euch aber soll es nicht so sein, sondern wer<br />

bei euch groß sein will, der soll euer Diener<br />

sein.“<br />

ev. Reihe I: Mk 10, 2-9 (10-16) kath. 1. L.: Jer 31, 7-9 kath. 2. L.: Hebr 5, 1-6 kath. Evang.: Mk 10, 46-52<br />

Dr. Ernst Leuninger, Limburg<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

Der Verfasser betrachtet die Predigtperikope der ev. Reihe I. Stichworte<br />

zur Nachhaltigkeit: sozialer Aspekt der Nachhaltigkeit, die christlichen<br />

Grundlagen eines fördernden, für alle Beteiligten gedeihlichen<br />

Zusammenlebens, Scheinheiligkeit unter Bezug auf das, was Gott wirklich<br />

sagt, entlarven, Nachhaltigkeit in der Ehe – eine Schöpfungsgrundlage


Mk 10, 2-9<br />

Wenn die Exegese ihren Fokus auf die Nachhaltigkeit<br />

legt, dann kann es hier nicht um<br />

die ökologische Nachhaltigkeit gehen, sondern<br />

um die soziale Nachhaltigkeit. Mit<br />

sozialer Nachhaltigkeit ist die Verantwortung<br />

für ein intaktes und das (Zusammen)-Leben<br />

förderndes Verhalten gemeint.<br />

So wie in ökologischer Hinsicht unser Verhalten<br />

sich darauf ausrichten muss, dass die<br />

Schöpfung bewahrt wird und wir unsere<br />

Lebensgrundlage nicht zerstören, so legt die<br />

soziale Nachhaltigkeit ihr Augenmerk auf<br />

die Verhaltensweisen der Menschen untereinander,<br />

so dass Gerechtigkeit und Frieden<br />

unter den Menschen gefördert wird. Nur so<br />

kann sich Leben entfalten. Auf diesem<br />

Hintergrund versteht sich auch die folgende<br />

Auslegung.<br />

Nach einer ungenauen und von wenig<br />

Ortskenntnis zeugenden Einleitung in Vers 1<br />

beginnt die Perikope, die Markus so vorgefunden<br />

hat. Der hier auszulegende Teil ist der<br />

erste Abschnitt einer zusammengehörenden<br />

zweiteiligen Überlieferung, die sich in eine<br />

Belehrung an das „viele Volk“ (v 2-9) und<br />

eine Belehrung an die Jünger aufteilt (v 10-12).<br />

Die Frage der Pharisäer wird sofort als<br />

scheinheilig beschrieben, denn die Scheidungspraxis<br />

war durch Dtn 24, 1-4 geregelt.<br />

Umstritten war nur, was als Scheidungsgrund<br />

gelten durfte. So wie dieses Streitgespräch<br />

formuliert ist, darf man davon ausgehen,<br />

dass sich hier die Debatte einer judenchristlichen<br />

Gemeinde wiederspiegelt. Es fällt<br />

auf, dass die Pharisäer immer von einer Erlaubnis<br />

reden, während Jesus von einem<br />

Gebot redet. Die Pharisäer haben ganz offensichtlich<br />

nicht Belange der sozialen Nachhaltigkeit<br />

im Blick, sondern eher das, was sie<br />

für sich innerhalb des Erlaubten herausschlagen<br />

können. Jesus dagegen fragt nach Gottes<br />

Willen. Für ihn ist die Ehe schon zerstört,<br />

wenn jeder nur für sich das Maximum aus der<br />

Gemeinschaft herausholen will. Daher kommt<br />

Jesus seinem Gegner auch nicht entgegen,<br />

wenn er auf die Scheidungsurkunde eingeht,<br />

sondern unterstreicht sie als widergöttliche<br />

Menschensatzung. Sie ist Zeugnis für die<br />

Verstockung der jüdischen Gesetzesausleger<br />

und bleibt somit eine ständige Anklage.<br />

Jesus hebt hervor, dass Mann und Frau<br />

25.10.09<br />

gegenseitig Verantwortung füreinander über- Mk 10, 2-9 (10-16)<br />

nommen haben – und das nicht nur für eine<br />

bestimmte Zeit. Eine Ehe ist für ihn ein<br />

geschützter Raum, in dem sich Leben entfalten<br />

kann; in dem Leben gefördert wird.<br />

Dieser geschützte Raum darf nicht zerstört<br />

werden. Von Anfang an hat Gott sich das in<br />

keiner anderen Weise gedacht, als dass Mann<br />

und Frau in ihrer Zweigeschlechtlichkeit füreinander<br />

da sind. Sie sind nicht zeitlich<br />

begrenzt füreinander da – vielleicht nur so<br />

lange, wie beide einen Nutzen davon haben,<br />

sondern die Ehe soll <strong>nachhaltig</strong> sein. Nach- Nachhaltigkeit in einer Ehe<br />

haltigkeit in einer Ehe umfasst z. B. das gegenseitige<br />

Bereichern der Partner, Schwierig- umfasst z. B. das gegenseitige<br />

keiten gemeinsam zu meistern und das Leben<br />

zu fördern. Es geht darum, gemeinsam zu Bereichern der Partner,<br />

wachsen; das Füreinander-geschaffen-Sein zu<br />

gestalten – und das alles nicht mit der Schwierigkeiten gemeinsam<br />

Einstellung, dass man das tut, solange es gut<br />

geht oder man selbst einen Vorteil davon hat. zu meistern und das Leben<br />

Jesus geht es vielmehr darum, dass das<br />

Füreinander-geschaffen-Sein eine der Grund- zu fördern.<br />

lagen in der Schöpfung ist, das genauso wenig<br />

aufgegeben werden darf wie die Achtsamkeit<br />

für den Lebensraum, in den Gott uns<br />

Menschen gestellt hat. Nachhaltigkeit ist<br />

damit niemals nur ökologisch, sondern auch<br />

immer sozial zu verstehen, weil sonst ein Teil<br />

der Schöpfungsgrundlagen aufgegeben wird.<br />

Die enge schöpfungsgemäße Verbindung<br />

zweier Menschen wird sogar dadurch noch<br />

unterstrichen, dass der Mann Vater und Mutter<br />

verlassen wird, um mit seiner Frau zu leben.<br />

Das griechische Wort meint in diesem<br />

Zusammenhang mehr als nur „an seiner Frau<br />

hängen“, sondern „seiner Frau treu ergeben<br />

sein“. So, wie es eine weitreichende Entscheidung<br />

ist, die eigene Familie (Sippe) zu<br />

verlassen, so unterstreicht das griechische Wort<br />

für „zusammengefügt“ (v 9) die Nachhaltigkeit<br />

der angestrebten gemeinsamen Lebensbewältigung.<br />

Gott wird ausdrücklich als das<br />

Verbindende herausgestellt.<br />

Wie bei der ökologischen Nachhaltigkeit<br />

ist es auch bei der sozialen Nachhaltigkeit<br />

höchst problematisch, wenn Gott nicht in die<br />

eigenen Überlegungen und Handlungen eingebunden<br />

wird. Das Verbot der Ehescheidung<br />

wird von dem Willen des frei verfügenden<br />

Gottes abgeleitet und bezieht daher seine<br />

Relevanz. Da Gott kein Gott der Beliebigkeit<br />

ist, ist auch das Zusammenleben von<br />

Menschen auf Nachhaltigkeit ausgelegt. 143


144<br />

25.10.09<br />

31.10.09<br />

Freiheit – das ist für die<br />

meisten Menschen ihre<br />

eigene Freiheit.<br />

Literatur:<br />

Schweitzer, E., Das Evangelium nach Lukas. NTD<br />

1. Göttingen 1983 6<br />

Gnilka, J., Das Evangelium nach Markus. EKK<br />

Reformationstag<br />

II/2. Zürich, Düsseldorf 1994 4<br />

ev. Reihe I: Mt 5, 2-10 (<strong>11</strong>-12) kath. 1. L.: Röm <strong>11</strong>, 1-2a.<strong>11</strong>-12.25-29 kath. Evang.: Lk 14, 1.7-<strong>11</strong><br />

Mt 5, 2-10 (<strong>11</strong>-12)<br />

Die Autorin betrachtet den Predigttext der ev. Perikopenordnung u. a.<br />

unter Bezug auf die Olympischen Spiele, die zum Zeitpunkt der Texterstellung<br />

gerade in Peking stattfanden. Stichworte zur Nachhaltigkeit:<br />

Freiheit – wie sie mir und Anderen erscheint, und was sie für mich und<br />

andere wirklich ist oder sein könnte (Mt 5)<br />

Die Seligpreisungen als Wegweiser zur<br />

Freiheit der Kinder Gottes und der Stellenwert<br />

der Freiheit in der Welt<br />

Rechtzeitig zu den olympischen Spielen in<br />

Peking 2008 hatte man aufgeräumt – nicht<br />

nur den Müll, nicht nur schmutzige Abgase,<br />

auch die Zeitungen, das Internet, die Bevölkerung,<br />

die Menschen hat man aufgeräumt.<br />

Kein schlechtes Bild, kein schlechter Geruch,<br />

keine schlechte Nachricht, keine schlechte<br />

Kritik sollte das schöne Gesamtkunstwerk<br />

Olympia stören. Deshalb waren in Peking die<br />

Menschen noch ein bisschen unfreier als sonst.<br />

Und das IOC spielte mit. Auch die Athleten<br />

gaben auf Anweisung des IOC ihre Freiheit<br />

am Flughafen in Peking ab. Protest gegen<br />

Menschenrechtsverletzungen – auch stiller –<br />

verboten; Protest gegen Tierquälerei (z. B.<br />

Pelztiere) verboten; Protest gegen Umweltzerstörung<br />

– unerwünscht. Wer es trotzdem<br />

tat, riskierte, von den Spielen ausgeschlossen<br />

zu werden. Ein englischer Journalist wurde<br />

von Polizisten übel zugerichtet, als er versuchte,<br />

über eine unerwünschte Veranstaltung<br />

zu berichten – eine kleine Meldung in<br />

der Zeitung – von einem Protest irgendeiner<br />

Regierung oder des IOC ist mir nichts bekannt.<br />

– Die Freiheit hatte keinen hohen<br />

Stellenwert in den Tagen von Olympia –<br />

einen noch geringeren als sonst – und die<br />

meisten waren zufrieden damit. Sie wollten<br />

ungestört eintauchen in die Wettkämpfe,<br />

Hans-Jörg Ott, Birnbach<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

wollten baden in den Emotionen der<br />

Athleten, sich mitreißen lassen von den<br />

Kommentaren der Sportjournalisten. – Freiheit<br />

– was ist das überhaupt? Freiheit – ein<br />

dehnbarer Begriff, unter dem vieles verstanden<br />

wird; und meistens ist der Blickwinkel<br />

auf die Freiheit nicht sehr weit und frei, sondern<br />

eng ausgerichtet auf die eigenen<br />

Interessen, die eigenen Bedürfnisse. Freiheit<br />

– das ist für die meisten Menschen ihre eigene<br />

Freiheit.<br />

Wir haben 2008 im Kirchenbezirk Germersheim<br />

ein historisches Spiel aus der Zeit der<br />

Reformation aufgeführt, in dem es eben<br />

darum geht. Da sind die aufständischen<br />

Bauern. Freiheit heißt für sie, ihr Land zu<br />

besitzen, nicht von Steuern und Abgaben<br />

erdrückt zu werden, genug zum Leben zu<br />

haben – die Freiheit der anderen haben sie<br />

nicht im Blick. Gerne folgen sie üblichen<br />

Feindbildern. Ohne mit der Wimper zu zucken,<br />

schreiben sie in Forderungskataloge hinein,<br />

man solle die Kriegskassen mit Geld füllen,<br />

das man den Juden abnehme. Da ist der<br />

Reichsritter Franz von Sickingen. Freiheit heißt<br />

für ihn, weiterhin frei seinen Geschäften –<br />

auch seinen kriegerischen Geschäften – nachgehen<br />

zu können. Freiheit ist für ihn relativ<br />

und sie ist für ihn käuflich. Er möchte im<br />

Machtpoker zwischen Kaiser, Papst und Territorialfürsten<br />

möglichst gut wegkommen;<br />

und so unterstützt er den, der am besten<br />

bezahlt, ihn am wenigsten einengt, ihm die


meisten Vorteile zu bringen scheint. Da ist<br />

der Universitätsgelehrte Paul Fagius aus dem<br />

pfälzischen Rheinzabern – begabter Hebraist,<br />

Schüler und Freund Bucers und Capitos –<br />

nicht reich, aber doch privilegiert. Freiheit<br />

ist für ihn die Freiheit des Denkens, die Freiheit<br />

des Forschens, die Freiheit der Bildung.<br />

Aber auch sein Blick auf die Freiheit war<br />

begrenzt. Dass nicht jeder Zugang zu Bildung<br />

hatte, dass Frauen von Schul-, geschweige<br />

denn Universitätsbildung völlig ausgeschlossen<br />

waren, das war für ihn überhaupt<br />

kein Problem, überhaupt keine Frage.<br />

Ich habe das Drehbuch für das Stück<br />

geschrieben und hierfür zunächst über die<br />

Zeit, über die Personen, über die Personengruppen<br />

recherchiert. Dabei ging mir auf,<br />

dass uns die Personen aus einer fernen Zeit so<br />

fern gar nicht sind: In jedem von uns ist ein<br />

Stück Bauernführer, der nur seine eigene<br />

Wut, seine eigene Misere, seine eigene Not<br />

sieht; in jedem von uns ist ein Stück Ritter<br />

Franz von Sickingen, der sich sein Stück von<br />

der Freiheit kauft, in jedem von uns ist ein<br />

Stück Paul Fagius, der sich keine Gedanken<br />

über ungleiche Bildungschancen macht.<br />

Welche Freiheit meinen WIR?<br />

– Die Freiheit, unbegrenzt mobil zu sein,<br />

jederzeit jeden fernen Winkel dieser Welt<br />

erreichen zu können und in jedem Winkel<br />

der Welt erreichbar zu sein; die Freiheit,<br />

beruflich und privat, global vernetzt zu sein,<br />

global zu leben.<br />

– Die Freiheit, kaufen zu können, was uns<br />

gefällt, ohne zu fragen, unter welchen<br />

Bedingungen und Begleitumständen es produziert<br />

wurde. Ein Beispiel: Immer noch<br />

kaufen wir von Möbeln bis zu Toilettenpapier<br />

Produkte, die die Wälder dieser Erde und<br />

somit Lebensräume unzähliger Lebewesen<br />

zerstören. Nicht überall, wo FSC draufsteht<br />

ist FSC drin! In Indonesien wird der Lebensraum<br />

der Orang-Utans weiterhin so gnadenlos<br />

zerstört, dass diese majestätischen<br />

Menschenaffen vom Aussterben bedroht sind.<br />

Und dabei kommt es am Rande der großen<br />

Verbrechen zu unglaublichen Vorfällen, bei<br />

denen Opfer zu Gewalttätern werden. In<br />

Urwaldcamps vergewaltigen Holzfäller für<br />

umgerechnet 50 Cent ganzkörperrasierte, angekettete<br />

Orang-Weibchen, weil sie sich<br />

menschliche Prostituierte nicht leisten kön-<br />

nen. Unsere Freiheit, billiges Toilettenpapier<br />

und schicke Gartenmöbel kaufen zu können,<br />

die Freiheit der Konzerne, Lebensräume zu<br />

zerstören, um Milliarden zu verdienen, die<br />

Freiheit der kleinen Arbeiter auf billigen Sex<br />

mit Menschen- oder Affenfrauen – für die<br />

ganz weit unten bleibt von der Freiheit<br />

nichts mehr übrig, weil die weiter oben sich<br />

alles genommen haben.<br />

– Wir meinen unsere Freiheit, Kindergärten<br />

und Schulen, Universitäten, Fachschulen,<br />

Ausbildungsbetriebe zu besuchen, eine Freiheit,<br />

die wir für selbstverständlich halten,<br />

eine Freiheit, die vielen Jugendlichen eine<br />

lästige Pflicht ist; eine Freiheit der Bildung,<br />

die manchem in der Wirtschaft zu weit geht.<br />

Die Jugendlichen sollen lernen, was die<br />

Wirtschaft braucht; Allgemeinbildung – einfach<br />

so – halten sie für unrentabel. Deshalb<br />

haben Geisteswissenschaften an den Universitäten<br />

im Moment einen schweren Stand;<br />

deshalb führt man das Abitur nach acht<br />

Jahren ein, deshalb hat man Diplom- durch<br />

Bachelor-Master-Studiengänge ersetzt, hat<br />

man den Handwerksmeister entwertet.<br />

Freiheit – so die vielerorts verfolgte Devise –<br />

Freiheit ist das, was MIR nützt, ist MEINE<br />

Freiheit und somit für jeden etwas anderes.<br />

Der Predigttext spricht von einer anderen<br />

Freiheit:<br />

31.10.09<br />

– Selig sind, die da geistig arm sind: Das ist<br />

die Freiheit, sich Gott völlig zu öffnen, seinen<br />

Willen zu meinem Willen werden zu lassen,<br />

seine Liebe zu meiner Liebe.<br />

– Selig sind, die da Leid tragen: Das ist die<br />

Freiheit, nicht wegzuschauen, wo andere leiden.<br />

– Selig sind, die Sanftmütigen: Das ist die<br />

Freiheit, nicht Ellenbogen und Fäuste, keine<br />

scharfen Waffen, keine bösen Blicke, keine<br />

verletzenden Worte zu benutzen.<br />

– Selig sind, die da hungert und dürstet nach<br />

der Gerechtigkeit: das ist die Freiheit, sich<br />

den Geschmack der Gerechtigkeit nicht<br />

abgewöhnen zu lassen, sich nicht abspeisen<br />

zu lassen mit ideologischem Fastfood und<br />

künstlichen Geschmacksverstärkern – Werbung<br />

z. B., die dem chinesischen Bauern und<br />

uns allen vorspiegelt, Gerechtigkeit sei, wenn<br />

wir auf einem noch größeren Flachbildschirm<br />

die Olympiade noch größer sehen können.<br />

– Selig sind die Barmherzigen: das ist die 145


146<br />

31.10.09<br />

Dies ist die Freiheit, von<br />

der Jesus spricht, eine<br />

gewaltige Freiheit, die den<br />

Mächtigen Angst macht.<br />

01.<strong>11</strong>.09<br />

Freiheit, andere mit den Augen der Liebe<br />

anstatt mit den Augen einer Castingkommission<br />

anzusehen, nicht nach kalten Erwartungen<br />

und Leistungen den ganzen Menschen<br />

zu beurteilen und zu verurteilen (zu<br />

alt, zu jung, zu unerfahren, zu hässlich, zu<br />

dick, zu dumm, zu unsportlich ...).<br />

– Selig sind, die reinen Herzens sind: Das ist<br />

die Freiheit, ein offener ehrlicher Mensch zu<br />

sein, die Freiheit, Masken und Verkleidungen<br />

abzulegen, die Freiheit ICH zu sein<br />

und nicht die, als die andere mich sehen<br />

möchten.<br />

– Selig sind, die Frieden stiften: Das ist<br />

Freiheit, anderen den Frieden zu erklären,<br />

ohne zu fragen, ob er ihn verdient hat, die<br />

Freiheit, sich zu versöhnen, ohne zu fragen,<br />

ob es nützlich ist.<br />

Dies ist die Freiheit, von der Jesus spricht,<br />

eine gewaltige Freiheit, die den Mächtigen<br />

Angst macht, eine Freiheit, die vielen unrealistisch,<br />

unerreichbar erscheint. Dennoch, es<br />

Allerheiligen / 21. Sonntag nach <strong>Trinitatis</strong><br />

ist die Freiheit, die er uns anbietet, die<br />

Freiheit, zu der er uns einlädt. Es wäre schön,<br />

wenn wir sie annehmen könnten, wenn wir<br />

sie spüren könnten, wenn wir sie leben könnten.<br />

Eine Lebensaufgabe.<br />

ev. Reihe I: Mt 5, 38-48 kath. 1. L.: Offb 7, 2-4.9-14 kath. 2. L.: 1 Joh 3, 1-3 kath. Evang.: Mt 5, 1-12a<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

Der Autor betrachtet die Bibeltexte der kath. Leseordnung. Stichworte<br />

zur Nachhaltigkeit: biblische Gerechtigkeit hängt zunehmend mit Ökologie<br />

zusammen, Allerheiligen – Schrei nach Gerechtigkeit – was dient dem<br />

Leben, nicht: der Effizienz<br />

Begegnung und Konflikt zweier Welten<br />

In dem Fest Allerheiligen begegnen sich<br />

zwei „Welten“: die Welt des Himmels und<br />

die Welt der Erde. Sie sind nicht nur harmonisch<br />

durch die Hoffnung auf Vollendung,<br />

sondern auch konfliktreich durch den Gedanken<br />

des Gerichts, der einen Widerspruch<br />

zur Erde markiert, miteinander verbunden.<br />

Der Himmel steht für die Welt Gottes. Sie<br />

wird sichtbar in den Bildern eines „neuen<br />

Himmels und einer neuen Erde“ (Offb 21,1 ff.).<br />

Diese Bilder flüchten nicht in eine vermeintlich<br />

„rein geistige“ Welt, sondern bleiben der<br />

Erde treu. Sie erzählen nicht einfach vom<br />

Heike Krebs, Bellheim<br />

Hinweis:<br />

Wer Interesse an einer Aufführung unseres<br />

Historienspiels über die Freiheit „Tempora reformanda“<br />

hat, kann sich direkt an mich wenden<br />

(Hintere Str. 4, 76756 Bellheim oder Gemeindepädagogischer<br />

Dienst, z. Hd. Herrn Schaaf, Hauptstraße<br />

1, 76726 Germersheim).<br />

FSC: Forest Stewardship Council (Zertifikat für<br />

Holz aus <strong>nachhaltig</strong>er Forstbewirtschaftung)<br />

Himmel, sondern von einem neuen Himmel,<br />

der sich mit einer neuen Erde verbindet. So<br />

ist es kein Zufall, dass „das Wasser des<br />

Lebens“ (Offb 22, 1), heilende „Bäume des<br />

Lebens“ (Offb 22, 2) ebenso wie das „Licht“<br />

(Offb 22, 5) in den Bildern vom „neuen Himmel<br />

und der neuen Erde“ eine zentrale Bedeutung<br />

haben. Die Hoffnung auf den“neuen Himmel<br />

und die neue Erde“ ist die visionäre Antwort<br />

auf den Schrei derer, die unter der Ungerechtigkeit<br />

des römischen Imperiums und<br />

der Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen leiden.<br />

Sie werden Wirklichkeit, wenn Gott<br />

durch sein Gericht über Rom der zerstörenden<br />

Macht des Imperiums das Ende setzt.


Dies im Hintergrund mitzuhören, hilft, die<br />

Erste Lesung des Festes Offb 7, 2-4.9-14 besser<br />

zu verstehen. Die geschilderte Vision setzt<br />

den Gedanken des Gerichts als Untergang<br />

des Imperiums voraus. Vor diesem Hintergrund<br />

fragt der Text: Wer kann das überleben?<br />

Wer kann gerettet werden?<br />

Unser Text nennt diejenigen „Knechte<br />

unseres Gottes“, die das „Siegel auf der Stirn“<br />

(7, 3) tragen. Das Siegel bezeichnet die<br />

Zugehörigkeit zu Gott und dem Lamm. Die<br />

zu ihnen gehören, stehen um Gottes Thron<br />

und bekennen: „Die Rettung kommt von<br />

unserem Gott...“ (7, 10). Die Quelle von<br />

Rettung und Wohlergehen war nach der<br />

Ideologie des römischen Imperiums der<br />

Kaiser. Er war der Repräsentant einer Weltordnung,<br />

die vor allem die Armen und<br />

Kleinen als zerstörende Macht ihres Lebens<br />

und ihrer Lebensgrundlagen erlebten. Sie bekennen<br />

sich zu Gott und dem Lamm, dem<br />

von der römischen „Ordnung“ hingerichteten<br />

Messias. In Treue zu Gott und dem Lamm<br />

wird eine neue Welt möglich. Der Himmel<br />

steht in Konflikt mit der Erde. Dieser Konflikt<br />

stellt eine Bekenntnisfrage: Wo gehören<br />

wir hin? Zu wem bekennen wir uns?<br />

Auch der Text der zweiten Lesung, 1 Joh 3,<br />

1-3, markiert den Konflikt zwischen zwei<br />

Welten. Die Welt erkennt „die Kinder<br />

Gottes“ (3, 1) nicht, weil sie die Liebe Gottes,<br />

wie sie sich in Jesus gezeigt hat, nicht erkannt<br />

hat. Die Aussagen werden deutlicher,<br />

wenn wir „Welt“ (griechisch: kosmos) mit<br />

„Weltordnung“ übersetzen und „Liebe“ (griechisch:<br />

agaph) mit „Solidarität“. Eine „Weltordnung“,<br />

die auf Über- und Unterordnung<br />

setzt und ihre Macht durch die Zerstörung<br />

von Lebensgrundlagen sichert, steht in<br />

Konflikt mit der Welt Gottes, die in Gottes<br />

Solidarität mit allen Menschengeschwistern<br />

gründet und in der Solidarität unter Gleichen<br />

Gestalt gewinnt. Solidarität verbindet sich<br />

mit dem Tun der Gerechtigkeit. Ihre Grundlage<br />

ist das Recht aller Menschen auf Leben<br />

im Rahmen einer Schöpfung, die Leben und<br />

Lebensraum zugleich ist. Gerechtigkeit und<br />

Bewahrung der Schöpfung werden als zwei<br />

Seiten derselben Medaille sichtbar. Heiligkeit<br />

heißt dann: Jesus ähnlich werden, „sehen,<br />

wie er ist“ (1, 2). Wer Jesus ähnlich ist, dem<br />

ist das heilig, was ihm heilig war: das Leben<br />

der Menschen in Gottes Schöpfung. Als<br />

Gemeinde der „Heiligen“, die ihr ‚Heil’ auf<br />

den Weg der Solidarität setzt, wird die<br />

Christengemeinde „durchsichtig“ für Gottes<br />

neue Schöpfung.<br />

Die Seligpreisungen des Evangelium Mt 5,<br />

1-12a verbinden Verheißungen und Verhaltensweisen,<br />

die denen gelten, denen das<br />

Himmelreich gehört (5, 1). Sie sind eine<br />

Ermutigung für diejenigen, die in der gegenwärtigen<br />

Welt unter Armut und Unrecht leiden,<br />

die traurig und niedergedrückt sind, weil<br />

sie keine Perspektiven, sprich Alternativen<br />

mehr sehen. Zugleich eröffnen sie befreiende<br />

Horizonte, in denen Wege des Reiches<br />

Gottes und seiner Gerechtigkeit (Mt 6, 35)<br />

gegangen werden können. Aber auch dazu<br />

gehört wieder die Erfahrung des Konflikts in<br />

Gestalt von Beschimpfung, Verleumdung<br />

und Verfolgung.<br />

„Nachhaltige“ Zuspitzungen<br />

01.<strong>11</strong>.09<br />

Mt 5, 1-12a<br />

Die Seligpreisungen sind<br />

eine Ermutigung für<br />

diejenigen, die in der<br />

gegenwärtigen Welt unter<br />

Armut und Unrecht leiden.<br />

Es wird immer sichtbarer, wie sehr die<br />

Frage nach Gerechtigkeit, die in den biblischen<br />

Texten im Vordergrund steht, mit ökologischen<br />

Fragen zusammenhängt. Bis zum<br />

Jahr 2025 werden zwei Drittel der afrikanischen<br />

Agrarfläche verschwunden und weitere 1 Joh 3, 1-3<br />

135 Millionen Menschen auf der Flucht sein.<br />

Die knapper werdenden Ressourcen für<br />

Energie sollen dadurch erweitert werden,<br />

dass Energie aus Nahrungsmitteln gewonnen<br />

wird. Die erhöhte Nachfrage führt zu ihrer<br />

Verteuerung und damit zu Hunger und<br />

Verelendung. Die Armen sind die ersten<br />

Opfer ökologischer Zerstörungen, z. B. weil<br />

ihre Wohngebiete als erstes vernichtet werden,<br />

wenn die Meeresspiegel steigen. In den<br />

biblischen Texten zu Allerheiligen begegnet<br />

uns der Schrei nach Gerechtigkeit und in ihm<br />

die Hoffnung auf Gottes neue Welt. Zugleich<br />

ermutigen sie dazu, diese neue Welt jetzt<br />

schon lebendig werden zu lassen und der Auseinandersetzung<br />

mit Strukturen von Unrecht<br />

und Gewalt nicht aus dem Weg zu gehen.<br />

In der Begegnung der Welten von „Himmel“<br />

und „Erde“ wird eine unterschiedliche<br />

Logik, ein unterschiedlicher Geist deutlich.<br />

Unrecht und ökologische Zerstörungen sind<br />

Ausdruck eines Denkens, das auf Nützlichkeit<br />

und Effektivität ausgerichtet ist. Nützlichkeit<br />

ist wirtschaftliche Nützlichkeit. Als<br />

nützlich erscheint das Wachstum der Wirt- 147


148<br />

01.<strong>11</strong>.09<br />

„Ich darf sein, weil der<br />

andere und mit ihm die<br />

Schöpfung als Lebensraum<br />

sein darf.“<br />

Mk 12, 38-44<br />

08.<strong>11</strong>.09<br />

schaft. Sie erscheint heute vielen als Quelle<br />

der Rettung und des Wohlergehens. Effektiv<br />

ist das, was wirtschaftliche Interessen möglichst<br />

schnell verwirklichen hilft. In dieser<br />

Logik ist die Schöpfung den Gesetzen wirtschaftlichen<br />

Denkens unterworfen. Je schneller<br />

und effektiver, je zweckrationaler dies<br />

geschieht, umso deutlicher wird diese Logik<br />

als Logik des Todes und der Zerstörung sichtbar.<br />

Der Blick in Gottes neue Welt macht eine<br />

andere Logik, einen anderen Geist sichtbar.<br />

Vor aller Nützlichkeit und Effektivität steht<br />

die Frage, was dem Leben dient. In der<br />

Sprache des Festes Allerheiligen: Vor aller<br />

Nützlichkeit und Effektivität steht die Frage<br />

nach der Heiligkeit allen Lebens. Sie hat nur<br />

dann eine Chance, wenn unser Denken und<br />

Handeln statt auf private Aneignung und<br />

Unterwerfung auf die Anerkennung des<br />

anderen in seinem Recht auf Leben ausgerichtet<br />

ist. Dann tritt an die Stelle der<br />

Privatisierung des Lebens und der Lebensgrundlagen<br />

ein Bewusstsein der Zusammengehörigkeit<br />

aller Menschengeschwister.<br />

Menschwerden ist solidarisches Menschwerden.<br />

Statt „Ich denke (und unterwerfe),<br />

also bin ich“ gilt dann: „Ich darf sein, weil<br />

der andere und mit ihm die Schöpfung als<br />

Lebensraum sein darf.“<br />

Herbert Böttcher, Koblenz<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

32. Sonntag im Jahreskreis / drittletzter Sonntag im Kirchenjahr<br />

ev. Reihe I: Lk 17, 20-24 (25-30) kath. 1. L.: 1 Kön 17, 10-16 kath. 2. L.: Hebr 9, 24-28 kath. Evang.: Mk 12, 38-44<br />

Der Verfasser betrachtet alle Predigtperikopen und legt seinen Schwerpunkt<br />

auf den Markustext. Stichworte zur Nachhaltigkeit: im Hier und<br />

Jetzt global Zustände schaffen, die dem Lebenswillen Gottes entsprechen<br />

(Lk 17); mehr teilen in dieser Welt, wer teilt, dem gibt Gott genug, darauf<br />

vertrauen (1 Kön 17); sich gegen die alltäglichen Zwangsopferungen stellen<br />

– wir sind bereits erlöst (Hebr 9); Spenden für Schwache in Nah und<br />

Fern, (Selbst-)Gerechtigkeit und Liebesgebot, Glaubhaftigkeit (Mk 12)<br />

Stellung im Kirchenjahr:<br />

Die Texte sind für den drittletzten Sonntag<br />

im Kirchenjahr vorgeschlagen. Leitbild dieses<br />

Sonntags im evangelischen Bereich ist<br />

„Der Tag des Heils“.<br />

Überlegungen zu Markus 12, 38-44<br />

Exegetische Überlegungen:<br />

Aufgrund des Themas dieser Reihe habe<br />

ich mich, statt für den im evangelischen Bereich<br />

eigentlich vorgesehenen Predigttext Lk 17,<br />

20 ff., für den Evangeliumstext Mk 12, 38-44<br />

entschieden. Nach Berger (Bibelkunde des<br />

NT, S. 274 f.) steht dieser Abschnitt im größeren<br />

Zusammenhang der beiden Kapitel <strong>11</strong><br />

und 12. Jesus zieht nach Jerusalem ein und<br />

eckt alsbald (Tempelreinigung) beim religiö-<br />

sen Establishment an. Dies führt zur Frage<br />

nach seiner Vollmacht, aus der heraus er handelt<br />

und spricht. Jesus rechnet mit seiner<br />

Ablehnung, sieht er sich doch in der Tradition<br />

derer, die vor ihm gekommen waren:<br />

die Propheten und Johannes der Täufer. Wenig<br />

schmeichelhaft für seine Gegner fällt das<br />

Gleichnis von den bösen Weingärtnern aus.<br />

Eben diese Gegner werden zu Beginn unseres<br />

Predigttextes heftig kritisiert. Jesus wirft<br />

ihnen das Auseinanderfallen von religiösem<br />

Anspruch und praktischem Handeln vor.<br />

Äußerlich betont Korrektem („sie verrichten<br />

zum Schein lange Gebete“) steht die Ausbeutung<br />

der Schwächsten der Gesellschaft<br />

(Witwen) gegenüber. Dies wird zu Konsequenzen<br />

führen (Mk 12, 40). Ihnen wird als<br />

Positivbeispiel die arme Witwe (also eben<br />

eine von diesen Randgestalten der damaligen


Gesellschaft) gegenübergestellt. Ihr Verhalten<br />

kann m. E. geradezu als die Erfüllung des<br />

Doppelgebots der Liebe (Mk 12, 29 ff.) angesehen<br />

werden. Liebe ist mehr als Opfer,<br />

zumal dann, wenn diese nur zum Schein dargebracht<br />

werden oder keine wirklichen Opfer<br />

sind (vgl. Vers 44). Wer Gott liebt, der muss<br />

auch seinen Nächsten lieben und das mit aller<br />

Konsequenz. So könnte man das Resümee<br />

unseres Predigttextes wohl formulieren.<br />

Das Handeln der armen Witwe ist in den<br />

Augen Jesu Beispiel für ein gelungenes<br />

Miteinander von Gottes- und Nächstenliebe.<br />

Nicht thematisiert wird die Frage, wie die<br />

Witwe nach ihrem Opfer weiter lebt, bzw.<br />

weiter leben kann. Nimmt man die Aussagen<br />

Jesu ernst, hat sie alles gegeben, was sie zum<br />

Leben hatte. Es ist wohl aber auch eher der<br />

krasse Gegensatz zum Handeln der Reichen<br />

und Frommen, der hier zum Ausdruck kommen<br />

soll und weniger die Frage, ob<br />

Nachfolge im Sinne Jesu tatsächlich völligen<br />

Verzicht auf persönliche Habe beinhaltet.<br />

Allerdings wird das Ausmaß der Opferbereitschaft<br />

der jeweils Handelnden sehr ernst<br />

in den Blick genommen und damit durchaus<br />

auch heutige Spendenpraxis hinterfragt.<br />

Zur Predigt:<br />

Spenden ist immer noch „in“ in Deutschland.<br />

Überall im Fernsehen, in den verschiedenen<br />

Hörfunkprogrammen, in der anstehenden<br />

Adventszeit auch wieder in den Kirchen,<br />

wird um Spenden gebeten. Wie gesagt, immer<br />

noch mit großem Erfolg. Wie in unserem<br />

Textabschnitt wird ganz sicher auch heute<br />

durchaus in unterschiedlichem Maß – gemessen<br />

am absoluten Reichtum der einzelnen<br />

Spender – gespendet. Die kleine Spende eines<br />

Einzelnen kann diesen auch heute weit mehr<br />

belasten als die Millionenspende einen Superreichen.<br />

Von hier aus könnte die Haltung, die<br />

Motivation, aus der heraus gespendet wird,<br />

kritisch herausgearbeitet werden. Dient eine<br />

Spende der Beruhigung des eigenen religiösen<br />

und sozialen Gewissens (siehe die Gegner<br />

Jesu), ist aber kein wirklicher Ausdruck wahrer<br />

Gottes- und Nächstenliebe? Oder kann am<br />

Maß der Spende und des sonstigen Verhaltens<br />

gegenüber dem Mitmenschen in Nah und<br />

Fern – auch in der Zukunft – ein wirkliches<br />

Verantwortungsbewusstsein erkannt werden?<br />

Es ist unmöglich, solche Entscheidungen<br />

08.<strong>11</strong>.09<br />

von der Kanzel herab zu treffen. Und das sollte<br />

auch nicht geschehen. Wer kann schon in<br />

das Herz, den Kopf oder den Geldbeutel<br />

eines Menschen hineinschauen. Dennoch<br />

würde ich das Verhältnis zwischen Anspruch<br />

und Wirklichkeit unseres Verhaltens gegenüber<br />

den Schwachen in Nah und Fern in den<br />

Zusammenhang des Doppelgebots der Liebe<br />

hineinstellen. Wer Gott liebt, der muss auch<br />

seinen Nächsten lieben – und zwar erkennbar.<br />

Dem Ernst dieses Anspruchs Jesu ist<br />

nichts zu nehmen. Ausgeführt werden könnte<br />

dies an Beispielen aus verschiedenen Bereichen<br />

der Probleme, die sich uns heute stellen:<br />

– Ist unsere Spende für „Brot für die Welt“<br />

oder „Misereor“ glaubhaft, wenn wir gleichzeitig<br />

die Verhältnisse, die zu Armut,<br />

Hunger und eigenem Wohlstand führen,<br />

einfach weiter bestehen lassen?<br />

– Ist unsere Spende für die Umweltorganisation,<br />

ist unser Bekenntnis zur Bewahrung<br />

der Schöpfung glaubhaft, wenn wir<br />

gleichzeitig unser persönliches Verhalten<br />

nicht ändern?<br />

– Ist die vielbeschworene Verantwortung für<br />

künftige Generationen glaubwürdig, wenn<br />

wir bei der ersten Schwierigkeit sofort wieder<br />

unseren eigenen kleinen Vorteil im Blick<br />

haben?<br />

– Ist es mit einer Spende für soziale Zwecke<br />

eines großen Unternehmens getan, wenn<br />

die Gewinne, aus denen die Spende finanziert<br />

wird, selbst aufgrund von ungerechten<br />

oder unsozialen Verhältnissen erzielt wurden?<br />

Dies sind nur einige Beispiele, an denen<br />

wir (auch der Verfasser) uns schmerzlich<br />

berührt, ertappt fühlen könnten, uns an der<br />

Seite derer sehen, die Jesus so heftig kritisiert.<br />

Allein: Diesen Schmerz müssen wir<br />

wohl aushalten, um die Ernsthaftigkeit unseres<br />

Textes nicht unerlaubt abzuschwächen.<br />

Verzicht könnte ein Stichwort sein, das im<br />

Verlauf der Predigt zu entfalten wäre. Auch,<br />

dass weniger manchmal durchaus mehr sein<br />

kann. Denn dass Reichtum alleine nicht<br />

glücklich macht, zeigen doch die Fälle so vieler<br />

ganz offensichtlich unglücklicher Menschen<br />

in den reichen Ländern unserer Erde. Worauf<br />

es wirklich ankommt ist, eine positive<br />

Haltung zum bekannten (und überwiegend<br />

doch auch gewollten) Glauben und zu den<br />

daraus sich ergebenden Konsequenzen zu gewinnen.<br />

Dazu sollte der Gemeinde aller Mut<br />

gemacht werden, auch unter dem Aspekt, 149


150<br />

Lk 17, 20-24 (25-30)<br />

08.<strong>11</strong>.09<br />

Wir Reiche sollen lernen,<br />

wie die Witwe zu vertrauen<br />

und erfahren, dass Gott<br />

genug gibt für alle.<br />

Genug – nicht zu viel.<br />

1 Kön 17, 10-16<br />

Hebr 9, 24-28<br />

dass sich nötige Veränderungen in einer<br />

Gemeinschaft, die das miteinander und sich<br />

gegenseitig trägt, leichter und einfacher erreichen<br />

lassen als alleine.<br />

Heil für die Welt und Heil für den einzelnen<br />

Menschen, das ist das Ziel dessen, was<br />

wir das Reich Gottes nennen. Dies wird wohl<br />

erst am Ende der Zeiten vollständig erreicht<br />

werden. Zugleich ist es aber überall dort schon<br />

mitten unter uns präsent, wo wir aufrichtig<br />

nach dem Doppelgebot der Liebe handeln.<br />

Die arme Witwe ist ein Beispiel dafür. Und<br />

zugleich ein Stachel in unserem Fleisch, die<br />

eigene Glaubens- und Lebenspraxis auf ihre<br />

Glaubwürdigkeit hin zu überprüfen.<br />

Zur Liturgie:<br />

Als Psalmlesung schlage ich Psalm 51 (EG<br />

Baden/Pfalz 733) vor, als Lieder zur Predigt<br />

„Ein wahrer Glaube …“, EG 413, und „Selig<br />

seid ihr …“, EG 667 (Regionalteil Baden/Pfalz).<br />

Zu den weiteren Texten:<br />

1. Könige 17, 10-16:<br />

„Teilen macht alle satt“, so möchte ich diese<br />

Perikope zusammenfassen. Gegen alle Vernunft,<br />

oder was wir heute darunter verstehen, geht<br />

die Witwe hin (trotz durchaus vorhandener<br />

Zweifel) und tut, was Elia sie heißt. Sie stellt<br />

ihre Zweifel hinter das Vertrauen zurück, das<br />

sie in Gott und seine Verheißungen – hier<br />

vermittelt durch den Propheten – hat. Und<br />

sie wird nicht enttäuscht.<br />

Vertrauen auf Gott, das ist ein wichtiges<br />

Thema unserer Tage. Lieber kontrollieren wir<br />

uns und unser Leben als auf Vertrauen zu<br />

bauen. Und in manchen Bereichen des<br />

Lebens ist das ja auch sinnvoll und lebenswichtig.<br />

Aber es ist eben nicht alles. Ja, die<br />

wichtigsten Dinge im Leben kann man nicht<br />

unter Kontrolle bringen: den Glauben, die<br />

Liebe, Gefühle. Hier ist Vertrauen die unerlässliche<br />

Grundlage, damit Leben gelingen<br />

kann, und zwar für alle. Gott schafft das<br />

Leben und er will Leben in Würde für alle.<br />

Für uns Reiche bedeutet dieser Text (s. oben),<br />

dass wir lernen sollen, wie diese Witwe zu<br />

vertrauen und erfahren, dass Gott genug gibt<br />

für alle. Genug – nicht viel zu viel.<br />

Wer auf Gott vertraut und gibt, wird erfahren,<br />

dass er auch weiter von ihm getragen<br />

und erhalten wird und das Leben einen neuen,<br />

tiefen Sinn erhält. Vor dem Hintergrund von<br />

wachsender Weltbevölkerung, wieder steigender<br />

Armut, Verknappung von Lebensraum<br />

und Ressourcen ein lohnender Text, bei dem<br />

es wichtig ist, die Schöpfung als Ganzes nicht<br />

aus dem Blick zu verlieren.<br />

Lukas 17, 20-24 (25-30):<br />

Ein endzeitlicher Text am Sonntag, der den<br />

„Tag des Heils“ zum Thema hat. Angesichts<br />

der Weltsituation auch heute wieder Zeiten<br />

für Unheilspropheten (vgl. Vers 30), die das<br />

Ende nahen sehen und Menschen nicht nur<br />

ängstigen, sondern – was noch schlimmer ist<br />

– teilweise zu einer Haltung ermutigen, die<br />

man mit den Worten „Nach uns die Sintflut“<br />

zusammenfassen könnte. Doch Ziel des<br />

Reiches Gottes ist ja nun nicht Zerstörung<br />

um der Zerstörung willen, sondern die Aufrichtung<br />

von Zuständen, die dem Lebenswillen<br />

Gottes entsprechen. Die wiederum ist<br />

nicht ausschließlich ein zukünftiger, sondern<br />

zutiefst gegenwärtiger Prozess! „Denn siehe,<br />

das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Menschen,<br />

die in der Nachfolge Jesu leben wollen,<br />

sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

Gottes am Bau dieses Reiches. Und das nicht<br />

aus Angst vor Strafe oder in Erwartung von<br />

künftigen Belohnungen, sondern aus dem<br />

Wunsch heraus, der Liebe Gottes, die sie<br />

selbst erfahren haben, eine liebende Antwort<br />

zu geben. Die letzten Dinge – dazu zählt<br />

auch das endgültige Kommen des Reiches<br />

Gottes – sollten wir auch Gott selbst überlassen,<br />

im Vertrauen darauf, dass wir bis dahin<br />

mit Freude und Liebe dem Leben auf dieser<br />

Erde dienen dürfen und sollen und dabei<br />

immer wieder einen handfesten Vorgeschmack<br />

von dem bekommen, auf das wir als Christen<br />

immer noch hoffen. Was es heißt, dass das<br />

Reich Gottes immer wieder unter uns ist, dort<br />

wo wir es schaffen, im Sinne Jesu eine Stimme<br />

zu verleihen, zu ihrem Recht zu verhelfen, die<br />

Würde des Lebens zu wahren, das lässt sich<br />

für jede/jeden sicher mit vielen Beispielen<br />

auch aus dem eigenen Umfeld belegen.<br />

Hebräer 9, 24-28:<br />

Mit diesem Text könnte die gegenwärtige<br />

„Opferpraxis“ unserer modernen Gesellschaft<br />

problematisiert werden. Opfer gibt es unzählige:<br />

Opfer von Naturkatastrophen, die unserem<br />

Umgang mit der Natur (Klima!) geschuldet<br />

sind. Verkehrsopfer, die wir auf dem<br />

Altar gedankenloser Mobilität opfern. Opfer


von Hunger und Armut, die unter ungerechten<br />

Verhältnissen bezüglich der Verteilung von<br />

Gütern auf dieser Welt sind. Die Schöpfung<br />

selbst, die nach wie vor kurzfristigen Profitund<br />

Wohlstandsinteressen geopfert wird.<br />

Opfer gibt es täglich und unzählige.<br />

Allerdings sind dies keine Opfer zu Gunsten<br />

Gottes. Solche sind mit und seit Jesus Christus<br />

auch gar nicht mehr notwendig. Opfer haben<br />

sich aus der Sicht Gottes ein für alle Mal erledigt.<br />

Vielmehr gilt es anzunehmen, was Jesus<br />

bewirkt hat: Erlösung. Wer sich aber erlöst<br />

weiß, kann Abstand nehmen von den angeblichen<br />

äußeren Zwängen und Notwendigkeiten,<br />

welche die oben genannten Opfer erst<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

33. Sonntag im Jahreskreis / vorletzter Sonntag im Kirchenjahr<br />

15.<strong>11</strong>.09<br />

ev. Reihe I: Mt 25, 31-46 kath. 1. L.: Dan 12, 1-3 kath. 2. L.: Hebr 10, <strong>11</strong>-14.18 kath. Evang.: Mk 13, 24-32<br />

Der Autor betrachtet keine spezielle Bibelstelle aus den Lese- bzw.<br />

Perikopenordnungen dieses Sonntags, sondern gibt Anregungen aus dem<br />

Zusammenwirken der biblischen Impulse des Tages: Stichworte: das<br />

Reich Gottes bei der Entfaltung unterstützen, Geduld und Leidenschaft,<br />

ausreichende und soziale Energieversorgung, unhintergehbare Gesetze<br />

des Reichs Gottes: Einsetzen für Frieden und Gerechtigkeit<br />

1. Zugang – Situationsbeschreibung<br />

„Es gibt so viele Orte des Todes.<br />

Von Golgotha bis Auschwitz, von Tschernobyl<br />

Bis zum Platz des Himmlischen Friedens.<br />

Nicht nur im Geschichtsbuch,<br />

auch auf der Landkarte meines Herzens<br />

Zellen der Einsamkeit, Folterkammern<br />

Friedhöfe einer gestorbenen Hoffnung.<br />

Da suche ich nach Orten des Lebens,<br />

baue kleine Biotope der Hoffnung.<br />

Als Gegengewicht gegen all das Bedrohliche,<br />

Giftige, Tödliche in mir und um mich.“<br />

(Hermann Josef Coenenn)<br />

Die Verkündigungssprache in den<br />

Gottesdiensten unserer Kirche wird gegen<br />

Ende des Kirchenjahres düsterer und bedrohlicher.<br />

Die Schriftlesungen führen hinweg aus<br />

einem positiven Zukunftsdenken, das eigentlich<br />

nur von Erfolg wissen will, hin zu einer<br />

hervorbringen. Diese sind somit als Ausdruck<br />

einer Welt zu verstehen, die die Erlösung durch<br />

Gott noch nicht angenommen hat und immer<br />

noch versucht, selbst Heil zu schaffen. Dies<br />

aber kommt allein durch Jesus Christus bei<br />

dessen Wiederkunft für die, die auf ihn warten<br />

(Vers 28). Hinzufügen könnten man: Die<br />

wissen, dass sie das von ihm erwarten dürfen.<br />

Dieser Text will ermutigen, als Menschen<br />

zu leben, die wissen, dass sie erlöst sind. Und<br />

das führt dazu, die Umstände, die die Opfer<br />

unserer Tage provozieren, nicht mehr länger<br />

einfach hinzunehmen.<br />

Andreas Gutting, Albersweiler<br />

krassen und schroffen Betrachtung und<br />

Deutung der Weltzusammenhänge. Manchmal<br />

so, dass einem angst und bange wird. Zu<br />

allen Zeiten gibt es Menschen und Gruppen<br />

von Christenmenschen, die das, was wir aus<br />

der Gemeinde des Evangelisten Markus<br />

hören, sehr wörtlich nehmen und buchstabengetreu<br />

deuten, um für sich Verhaltensmaßregeln<br />

zu entwerfen. Sie machen sich und<br />

ihre Anhänger und Anhängerinnen zu<br />

Opfern ihrer Interpretation und setzen sich<br />

über Menschenrechte – um Gottes willen –<br />

brutal hinweg.<br />

Aber selbst bei nüchternern Betrachtung<br />

der Botschaft gerät man als kritischer Mensch<br />

doch leicht ins Grübeln, betrachtet man die<br />

Ereignisse und Entwicklungen unserer Umwelt.<br />

In vielen Bereichen des Zusammenlebens der<br />

Menschen mit ihrer Welt stoßen wir an<br />

Grenzen, nicht nur des Wachstums, sondern<br />

auch der Regelung der nächsten Dinge. Öko-<br />

08.<strong>11</strong>.09<br />

In vielen Bereichen des<br />

Zusammenlebens der<br />

Menschen mit ihrer Welt<br />

stoßen wir an Grenzen.<br />

151


152<br />

15.<strong>11</strong>.09<br />

Und welchen Preis sind wir<br />

bereit zu zahlen, um all das<br />

zu sichern, was wir zum<br />

Leben brauchen?<br />

nomie und Ökologie geraten immer mehr auf<br />

einen Kollisionskurs, betrachtet man z. B. lokale<br />

und globale Probleme der ausreichenden<br />

und sozial erschwinglichen Energieversorgung.<br />

Diese wird zu einem empfindlichen Katalysator<br />

oder Bremshebel für die Konjunktur,<br />

vorausgesetzt Menschen finden nicht in<br />

rascher Zeit zu einer außergewöhnlichen<br />

Lösung.<br />

Und welchen Preis sind wir, ist die zivilisierte<br />

Menschheit bereit zu zahlen, um all das<br />

zu sichern, was wir zum Leben brauchen? Die<br />

Energieressourcen dieser Welt, vor allem Öl<br />

und Gas, befinden sich mehrheitlich in den<br />

Ländern mit überkommenen Herrschaftsund<br />

Gerechtigkeitsstrukturen, in Ländern, in<br />

denen Armut und Reichtum sich krass voneinander<br />

abheben, die über die Hautfarbe<br />

und die Rassenzugehörigkeit moderne Sklaven<br />

einerseits und über alles erhabene<br />

Herrschaften andererseits schafft.<br />

Wir werden uns konfrontieren lassen müssen<br />

mit solch unangenehmen Fragen in unserem<br />

Fortschrittsdenken, das auch hier an<br />

seine Grenzen stößt. Tschernobyl als Ereignis<br />

auch unbeherrschbarer Technik mit fast apokalyptischen<br />

Ausmaßen und Plätze des Himmlischen<br />

Friedens an allen Ecken dieser Welt<br />

als Synonyme für den Preis ungebremstes<br />

Wachstums des Wohlstandes und des Fortschritts<br />

wegen bleiben Wegmarken dieser<br />

Welt.<br />

2. Irritationen<br />

Welche Dünnhäutigkeiten sich bei uns<br />

Menschen trotz unseres ungebremsten Fortschrittswahns<br />

entwickelt haben, zeigt sich<br />

markant, wenn Astronomen und andere wissenschaftlicher<br />

Forscher Near-Misses von<br />

Sternen und anderen Planeten mit unserer<br />

Erde ankündigen, oder wenn Berichte mögliche<br />

bevorstehende Kometeneinschläge voraussagen.<br />

Besorgnis über das Ende stellt sich<br />

ein. Und in einer Art Untergangshumor<br />

ergehen sich Menschen freizügig in Untergangspartys.<br />

Menschen suchen nach Orten<br />

des Lebens, bauen kleine Biotope der<br />

Hoffnung als Gegengewicht gegen all das<br />

Bedrohliche, Giftige, Tödliche.<br />

Das sind gute und verständliche Schritte,<br />

die Menschen in ihrer Verzweiflung machen,<br />

um den drohenden Untergang noch ein wenig<br />

hinauszuschieben oder gar abzuwenden.<br />

Wie groß war nicht die Hoffnung und<br />

Erleichterung, als man nach der Explosion<br />

des Kernreaktors mutige Männer und Frauen<br />

und eine wirksame Technik gefunden zu<br />

haben schien, um durch dicke Betonmauern<br />

das Moloch der offenen Kernstrahlung in die<br />

Umgebung und in die weite Welt zu besiegen<br />

und zu beherrschen. Es kann weitergehen.<br />

Wir haben gesiegt! Wie groß aber die<br />

Ernüchterung, dass das atomare Feuer dennoch<br />

weiter frisst und sich wieder einen Weg<br />

nach außen suchen wird, wenn nicht noch<br />

dickere Mauern errichtet werden! Und so<br />

wird sich dieser Wettlauf fortsetzen. Die kleinen<br />

Biotope können auch zu einer Selbsttäuschung<br />

geraten, inmitten des Chaos Inseln<br />

der Ruhe schaffen zu können.<br />

3. Annäherung<br />

Jesus spricht sehr deutlich und markant<br />

vom Ende dieser Welt. Seine Worte könnten<br />

Angst machen. Er lässt keinen Zweifel daran,<br />

dass noch irgendetwas nach dem Ende dieser<br />

Welt beim Alten bleiben könnte. Alles<br />

Gewohnte fällt in sich zusammen. Da mögen<br />

wir Menschen uns in den Jahrtausenden noch<br />

so angestrengt haben, uns diese Welt nach<br />

und nach zu erobern und unterwürfig zu<br />

machen, damit wir sie bewohnen können.<br />

Alles Gewohnte wird in sich zusammenfallen.<br />

Aus? Vorbei?<br />

Genießen wir deswegen alle Lust und alles<br />

Vergnügen, das wir hier und heute erreichen<br />

können, auf wessen Kosten auch immer!<br />

Aber Gott lässt nicht zu, dass alles vorbei<br />

ist. Er sendet seine Engel aus, um die einzusammeln,<br />

die ihn, Jesus, als den Sohn Gottes<br />

und den Menschensohn erkannt haben. Am<br />

Ende der Zeiten wird offenbar werden, dass<br />

Jesus, der von den Mächtigen der damaligen<br />

Religion Geschmähte, Gottes Sohn, ja Gott<br />

selber ist.<br />

Das konnten die Mächtigen nicht begreifen,<br />

dass Gott nicht von vornherein auf ihrer<br />

Seite steht, sondern als begnadeter Prediger<br />

in einer Schärfe und Radikalität von Gott<br />

spricht, von seinem Reich der Gerechtigkeit<br />

und des Friedens, das hier unter den Menschen<br />

angebrochen ist und nicht erst irgendwann<br />

beginnen wird. Die Mächtigen im<br />

Tempel jedoch beharrten auf ihren Posi-


tionen, dass Gott, den sie im Tempel wähnten<br />

und zu dem sie nur kontrolliert Zugang<br />

gewährten, so groß sei, dass er es gar nicht<br />

nötig habe, ganz und gar Mensch zu werden<br />

oder gar mit den Menschen durch ihr Leben<br />

unterwegs zu sein. Unverständlich und gefährlich<br />

war dieser Mann Gottes für sie, der<br />

als Gottes Sohn ankündigte, dass selbst der<br />

Tempel in Jerusalem keinen Bestand haben<br />

werde, wenn Gott als Messias zurückkehre,<br />

um endgültig das Reich Gottes zu vollenden.<br />

Sie aber glaubten, dass der Messias mit einem<br />

„Paukenschlag“ mächtig und majestätisch<br />

daherkomme und unter großen Donnerhall<br />

mit einem Schlag das Reich Gottes aufbaue.<br />

Das haben sie nicht verstanden, diese Männer<br />

und Frauen, die sich die religiöse Macht<br />

zugeschrieben haben, aber blind geworden<br />

sind, den Sohn Gottes und Gott selber zu<br />

begreifen. Dieses Reich Gottes entfaltet sich<br />

unter den Menschen, es wächst unter den<br />

Menschen, wie ein Kind wächst. Da gibt es<br />

Gesetze, die nicht von uns Menschen gemacht<br />

sind. Wer das erkennt, wie gerade die<br />

Armen, wie die Entrechteten, wie die Ausgestoßenen,<br />

wie die Kranken, wie die Kinder<br />

auf die Botschaft vom Reiche Gottes, die<br />

Jesus verkündet, hören, wird zum exponierten<br />

Mitarbeiter und zur Mitarbeiterin am<br />

Aufbau dieses Reiches, das letztlich durch<br />

Gott allein, durch seine Gnade wächst und<br />

auf höchste menschliche Anstrengungen<br />

baut.<br />

Gewiss, Gott hat uns Menschen Fähigkeiten<br />

und Fertigkeiten geschenkt, zu denen<br />

er uns einlädt, sie tief und mit Liebe für die<br />

Menschen und für die Lebenswelt der Menschen<br />

und der Kreatur und für vom Herzen<br />

her und mit ganzer Akribie zu entfalten.<br />

Jedoch müssen wir nicht jeden Erfolg dabei<br />

erzielen; denn das Reich Gottes ist nicht<br />

einem ungebremsten Wirtschaftswachstum<br />

unterworfen oder einer gierigen und ausreichenden<br />

Sicherung der Energiequellen für<br />

diejenigen, die eine globale Herrschaft anstreben<br />

und sichern wollen; das Wachsen des<br />

Reiches Gottes bedarf nicht des vermeintlichen<br />

Schutzes durch strategische Raketen-<br />

Abwehrsysteme und andere Waffen. Dieses<br />

Reich Gottes wächst von einer anderen Seite<br />

in unsere Welt hinein, auf die wir Menschen,<br />

mögen wir uns auch noch so anstrengen wollen,<br />

keinen Einfluss haben. Wir Menschen<br />

müssen für das Reich Gottes keinen materiel-<br />

len Reichtum einsetzen und stehen nicht<br />

unter einem Erfolgszwang, alles und jenes<br />

sichern und leisten zu müssen. Wir können<br />

nicht einmal unser Leben sichern und brauchen<br />

es auch nicht. Aber wir sind eingeladen,<br />

uns einzusetzen für das, was Zukunft hat,<br />

nämlich Frieden und Gerechtigkeit, so wie<br />

die Botschaft Gottes sie immer wieder<br />

umschreibt, oder, wie es in der Würzburger<br />

Synode heißt: „das Reich Gottes ist nicht<br />

indifferent gegenüber den Welthandelspreisen“.<br />

4. Verstärkung<br />

„Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen<br />

anbricht, dann wollen wir gerne die Arbeit<br />

für eine bessere Zukunft aus der Hand legen,<br />

vorher aber nicht.“ So formulierte es Dietrich<br />

Bonhoeffer im Angesicht seines bevorstehenden<br />

gewaltsamen Todes 1945.<br />

Wir wissen nicht, wann die bisherigen so<br />

vielen Orte des Todes und der Ungerechtigkeit<br />

in der Welt, die von Menschen in<br />

ihrem Herrschafts- und Anspruchswahn<br />

errichtet worden sind, sich so ausbreiten, dass<br />

uns die Luft und der Raum zum Atmen und<br />

Leben genommen wird. Wir wissen nicht,<br />

wann und ob die Szenarien von Pandemien<br />

und Verkettungen von Gewalt und Herrschaft<br />

sich zum Unheil der Menschen durchsetzen<br />

werden. Wenn wir nur darauf warten<br />

und darauf stieren würden, wir würden die<br />

Möglichkeiten nicht nutzen, mit Ruhe, in<br />

Besonnenheit und Klugheit und im Gottvertrauen<br />

Hand anzulegen für eine bessere<br />

Zukunft, die den Weg weist zum Reich<br />

Gottes und zu dessen Wachsen unter den<br />

Bedingungen unserer Zeit und Welt.<br />

Ferdinand Kerstiens, Pfarrer und Geistlicher<br />

Beistand in der Friedensbewegung Pax<br />

Christi, nennt in diesem Zusammenhang<br />

zwei Qualitäten, in denen wir uns üben und<br />

beweisen können, da uns am Geschick der<br />

Welt und des Reiches Gottes liegen: die<br />

wachsame Geduld und die gelassene Leidenschaft.<br />

Wie wäre es, wenn wir uns diese<br />

Qualitäten zu Eigen machen könnten?<br />

Josef Kolbeck, Gau-Algesheim<br />

15.<strong>11</strong>.09<br />

153


154<br />

22.<strong>11</strong>.09<br />

Christkönigssonntag / letzter Sonntag im Kirchenjahr<br />

ev. Reihe I: Mt 25, 1-13 kath. 1. L.: Dan 7, 2a.13b-14 kath. 2. L.: Offb 1, 5b-8 kath. Evang.: Joh 18, 33b-37<br />

Mt 25, 1-13<br />

Die Art, wie wir leben und<br />

mit Energie umgehen, trägt<br />

dazu bei, dass die<br />

Lebenslichter ganzer<br />

Gattungen auf der Erde<br />

auf immer verlöschen.<br />

Der Verfasser betrachtet die Predigtperikope der ev. Reihe I. Stichworte<br />

zur Nachhaltigkeit: Interpretation der verlöschenden Lampen als<br />

verlöschendes Lebenslicht, kluger und vorausschauender Umgang mit<br />

Ressourcen, Auslöschen von Arten durch den törichten Umgang mit der<br />

Schöpfung (Natur- und Pflanzenwelt), sowie unter Punkt 3 kurz die<br />

Bibelstelle zur kath. 1. Lesung<br />

Mt 25, 1-13<br />

Menschen nehmen am Gottesdienst teil,<br />

die die Endlichkeit irdischen Lebens in den<br />

letzten Monaten schmerzlich erfahren haben.<br />

So wie die Lampen der fünf törichten Jungfrauen<br />

verlöschen, mussten Angehörige das<br />

Verlöschen eines Lebens erleben. Die Frage<br />

stellt sich daher, ob Tod und Abschied nur im<br />

individuellen subjektiven Horizont zu thematisieren<br />

und auszulegen sind oder darüber<br />

hinaus auch davon gesprochen werden kann,<br />

wie der Tod auf diesem Planeten insgesamt<br />

zurzeit umgeht. Das Bild der brennenden<br />

bzw. verlöschenden Lampen kann in der<br />

Predigt auf vielfache Weise entfaltet werden.<br />

Einige Assoziationen und Anregungen dazu:<br />

1. Welche Lebenslichter sind in der letzten<br />

Zeit in meinem Umkreis verloschen? Was<br />

hat die Person, um die ich trauere, in diese<br />

Welt gebracht und ausgestrahlt? Welche<br />

Spuren hat sie in meinem Leben und in der<br />

Welt im Allgemeinen hinterlassen? Spuren<br />

des Lichts – oder eher dunkle Schatten?<br />

2. Den törichten Jungfrauen geht unterwegs<br />

das Öl aus. Ein für unsere Zeit sehr<br />

sinnfälliges Bild: Öl, das aufgebraucht ist<br />

und versiegt. Der biblische Text unterscheidet<br />

deutlich zwischen den fünf törichten und<br />

den fünf klugen Jungfrauen. Die Auslegung<br />

von Eduard Schweizer in seinem Kommentar<br />

zum Matthäus-Evangelium vor mehr als 30 Jahren<br />

liest sich wie eine aktuelle Schilderung<br />

einer Welt, die den Höhepunkt der verfügbaren<br />

Ölvorräte überschritten hat. „Die Klugen<br />

sind die, die die Augen offen haben für das,<br />

was kommt, und nicht einfach in den Tag<br />

hineinleben. Sie ... denken nicht nur an die<br />

unmittelbare Gegenwart.“ Die Klugen wissen,<br />

dass „die Ölvorräte nicht für alle reichen“<br />

(305). Ins Allgemeine gewendet: Wie<br />

gehen wir mit der Begrenztheit der<br />

<strong>nachhaltig</strong> <strong>predigen</strong><br />

Ressourcen und mit der Endlichkeit des<br />

Lebens um? Ich sehe einen Zusammenhang<br />

zwischen der mangelnden Einsicht, dass das<br />

Ende von Öl und Kohle absehbar ist und der<br />

Tendenz, den Tod verdrängen zu wollen. Was<br />

heißt heute intelligent Vorsorge zu treffen –<br />

im Hinblick auf begrenzte Ressourcen als<br />

auch im Hinblick auf begrenzte Lebenszeit?<br />

Inzwischen ist schon die Rede davon, dass<br />

warmes Wasser und eine beheizte Wohnung<br />

für manch einen in Deutschland nicht mehr<br />

bezahlbar sein wird. Schon die Verknappung<br />

des Öls wird dramatische Folgen haben und<br />

das Versiegen der Ölquellen erst recht – falls<br />

wir nicht intelligent vorsorgen, rechtzeitig<br />

und ganz massiv in regenerative Energien<br />

investieren. Ansonsten werden wir schon<br />

bald eine Reihe von Kältetoten zu beklagen<br />

haben.<br />

3. Das Verlöschen der Lampen ist auch ein<br />

Sinnbild für Leben, das für immer ausgelöscht<br />

wird. Am Totensonntag könnte der<br />

Blick über den individuellen Tod hinaus auch<br />

auf das geweitet werden, was in der Tier- und<br />

Pflanzenwelt z. Zt. geschieht. Die Art, wie<br />

wir leben und mit Energie umgehen, trägt<br />

dazu bei, dass die Lebenslichter ganzer<br />

Gattungen auf der Erde auf immer verlöschen.<br />

Nach Aussage von Wissenschaftlern<br />

übersteigt die aktuelle Rate des Artensterbens<br />

die natürliche Aussterberate um das<br />

100- bis 1000-fache. „Wachet“, heißt es am<br />

Ende des biblischen Textes, gebt acht, und<br />

handelt klug und umsichtig.<br />

In dem in der katholischen Kirche an diesem<br />

Sonntag vorgesehenen Lesetext heißt es<br />

in Offenbarung 1 in Vers 6: Jesus Christus<br />

hat „uns zu Königen und Priestern gemacht“.<br />

So wie ein König für sein Land zu sorgen hat,<br />

so haben wir Verantwortung für die Erde zu<br />

übernehmen. Gerade an einem Tag wie Totensonntag<br />

müssen wir uns unserer<br />

Verantwortung für das Leben bewusst wer-


den. Wir dürfen nicht zulassen, dass immer<br />

mehr Lebensarten auf immer von diesem<br />

Planeten verschwinden. In den vergangenen<br />

25 Jahren ist nach Angaben der Umweltorganisation<br />

WWF die biologische Vielfalt<br />

um 25 Prozent zurückgegangen. Im Bild des<br />

biblischen Textes sind das 2,5 von insgesamt<br />

zehn Fackeln, die durch die Menschheit in<br />

einer Generation zum Verlöschen gebracht<br />

wurden. Vogelarten, die auf immer verstummen,<br />

werden mit ihrem Gesang keinen<br />

Trauernden mehr wieder Vertrauen in das<br />

Leben schöpfen lassen, ausgestorbene Pflanzenarten<br />

können späteren Generationen z. B.<br />

nicht mehr als Heilmittel dienen.<br />

4. Das Motiv der zehn Jungfrauen findet sich<br />

vielfach in der Kunst. Das Brautportal der ev.<br />

Marienkirche in Osnabrück z. B. zeigt auf der<br />

linken Seite fünf Jungfrauen mit brennenden<br />

Ölgefäßen, auf der rechten Seite sind fünf<br />

Jungfrauen zu sehen, deren Ölgefäße ausgebrannt<br />

und zum Boden gekehrt sind und<br />

denen die Enttäuschung ins Gesicht<br />

geschrieben steht. Das Motiv am Eingangsportal<br />

einer Kirche ist tiefsinnig: Welche<br />

Türen öffnen sich mir im Leben, wo stehe ich<br />

vor verschlossenen Türen, bzw. welche haben<br />

sich mir durch Abschied und Tod für immer<br />

geschlossen? Die fünf törichten Jungfrauen<br />

haben sich selber den Zutritt verbaut bzw.<br />

durch ihre Lebensweise evt. auch anderen die<br />

Tür verschlossen. Wir sollten überlegen:<br />

Schließen wir durch die Art, wie wir heute<br />

mit der Erde umgehen, schon heute für viele<br />

Menschen auf der Südhalbkugel die Tür zum<br />

Leben und die Tür zur Zukunft für kommende<br />

Generationen auf diesem Planeten insgesamt?<br />

Die fünf Jungfrauen vor der verschlossenen<br />

Tür sollten uns eine Mahnung sein: Es<br />

gibt ein „zu spät“ – auch beim Klimawandel!<br />

5. Von den zehn Lampen brennt laut biblischer<br />

Erzählung schließlich nur noch jede<br />

zweite, fünf verlöschen unterwegs. Wir können<br />

dies auch auf den Glauben beziehen. Bei<br />

manch einem ist das Licht der Hoffnung und<br />

des Glaubens, das innere Licht schon lange<br />

erloschen. Der Betreffende existiert zwar<br />

noch, aber ohne Lebensperspektive, ohne<br />

Hoffnung. Vielleicht ist das auch einer der<br />

Gründe für die Art, wie mit diesem Planeten<br />

zurzeit umgegangen wird. Zeitgleich mit<br />

dem Glauben schwindet auch die Arten-<br />

vielfalt. Das eine hängt m. E. mit dem anderen<br />

zusammen, ja das erstere bedingt das<br />

andere. Das stimmt nachdenklich. Es mangelt<br />

am Respekt und der Achtung für das<br />

Leben, und vor allem fehlt es oft am Glauben<br />

an eine Begegnung mit dem Bräutigam, der<br />

uns als Auferstandener erwartet. Vielleicht<br />

wird er eines Tages mit uns gemeinsam die<br />

Spur betrachten, die wir auf diesem Planeten<br />

hinterlassen haben. Was werden wir dann<br />

wahrnehmen: Spuren des Lichts – oder eine<br />

Schneise der Verwüstung?<br />

6. Die Metapher des Bräutigams ist in der<br />

Mystik Sinnbild für die enge, ja die intime<br />

Verbindung der menschlichen Seele mit Gott<br />

und für die Freude, die daraus erwächst. Man<br />

kann an einem Tag wie dem Ewigkeitssonntag<br />

zu entfalten suchen, wie die<br />

Erfahrung der Nähe Gottes Menschen Kraft<br />

gibt und sie befähigt, mit der Endlichkeit<br />

des Lebens, ja selbst mit dem Tod besser fertig<br />

zu werden. Der Glaube an eine Begegnung<br />

mit dem Bräutigam, der gemäß<br />

Johannes 1, <strong>11</strong> Eigentümer der Welt ist, wird<br />

uns auch in die Lage versetzen, mit der Erde<br />

angemessener umzugehen. Dreh- und Angelpunkt<br />

ist dabei m. E. ein erneuertes Verständnis<br />

unseres Glaubens. Strahlt das Licht<br />

des Glaubens in uns auf, dann werden auch<br />

die Lebenslichter vieler Arten auf der Erde<br />

weiter leuchten. Daran werden schließlich<br />

auch jene, die uns vorausgegangen und im<br />

Himmel mit dem Bräutigam vereint sind,<br />

ihre helle Freude haben: an einer Erde, die<br />

nicht abgefackelt wird, sondern gesegneter<br />

Lebensraum für zahllose Geschöpfe ist –<br />

Vorzimmer der Ewigkeit. Darum: Wachet,<br />

dass die Fackel des Glaubens nicht verlöscht.<br />

Literatur:<br />

Eduard Schweizer: Das Evangelium nach Matthäus,<br />

in der Reihe Das Neue Testamant, Göttingen 1976,<br />

14. Auflage, Seite 304 f.<br />

Andreas Krone, Waldems-Esch<br />

22.<strong>11</strong>.09<br />

Was werden wir dann<br />

wahrnehmen: Spuren des<br />

Lichts – oder eine Schneise<br />

der Verwüstung?<br />

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