Gyr, Martin - Einsiedler Volksbräuche, Einsiedeln 1935
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Der Bezirk Einsiedeln, vierter im Kanton, setzt sich als Einwohner-Gemeinde
aus der Waldstatt und sieben Vierteln zusammen. Die Bürger des Dorfes
mit denen der Binzen (Ober- und Unterbinzen) und die jedes andern Viertels
sind überdies in Genoßsamen vereinigt. Die Pastoration der Waldstatt und
der Binzen erfolgt in der Stiftskirche. Die andern Viertel bilden selbständige
Kirchgemeinden. Das Stift obliegt da wie dort der Seelsorge. Hier die 8
Wappen, 1934 zum Teil nach eigenen Vorschlägen geschaffen, zum Teil revidiert.
(Legende Seite 172).
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INHAL T
Seite
Seite
1. Neujahransingen 6 40. Kirchenschweizer und Stifts-
2. Greiflet 10 kutscher 86
3. Dorffe, Hochsigmaehe, Bröege, 41. Prozessionsgrenadier und
jüchsle, luchse 11 Prozessionsmusikant 90
4. Agathabrot holen 29 42. Altar- und Häuserschmuck an
5. Agatbakerzlein abbrennen 29 der Fronleichnamsprozession 93
6. St. Agathafeier der Feuerwehr 29 43. Wie die Dörflig an der Engel-
7. Fastnachteinläuten 30
weihe beleuchten 94
8. Siilmdilaufen 31
44. Die sogen. Standeskerze des
9. Brotauswerfen
Bezirkes Einsiedeln 95
35
45. Ausrufer 95
10. Begraben des Pagats 41
46. Pilger bräuehe 96
11. Palmen- und Wydlitragen 44
47.
12. Osterfeuer
Bitt- und Kreuzgänge der
44
Pfarrei Einsiedeln 100
13. Ostereier suchen 45
48. Der Turbenzehnte an die
14. Den Osterochs herumführen 45 Kapuziner von Rapperswil 101
15. Hochzeitsfeier 47 49. Hausinschriften, Haussegen
16. Taufete 48 und Wettersegen 102
17. Katzenmusik machen 49 50. Klausenlaufen und Infeln-
18. Ständli bringen 50 tragen 104
:l
19. Botenbrödle 51 51. Dem Weihnachtseselein Heu
20. Ansehießet 51 legen 105
21. PfingstensehelIen u. Pfingsten- 52. Culinarische Bräuche 106
gugger 52 53. Beileidsbezeugung und Be- ,
22. Maiengemeinde 54 erdigung 113
23. Alpaufzug 57 54. Feckerbräuche 118
24. Alpsegen (Betruf) 58 55. Kartenspiele 118
~. Valete unserer Studenten 60 56. Nachtwächterruf 119
26. Armbrustschießen 61 57: Stubenfuchs und Sylvester 120
zr. Tanzschänk, Gäuerle. Stägröfmusig
. 62 Anhang:
28. Kundentanz 73 1. Vorschläge 122
29. Kegeln, Muttelen, Würfeleu 73 2. Originalitäten aus dem Er-
.30. Sennengesellschaft, Sennen- werbsleben 123
fähnrich und Sennenbuben, 3. Ortsgewohnheiten 135
Viehausstellung 74 4. Zeitvertreib unserer Schul-
.31. Chrähhahne 77 jugend 146
32, Trunk nach dem, Kanzleien 77 5. Ueberliefertes der Genoß-
.33. Feier des 1. Augusts 77 samen 149
.34. Rekrutenaushebung 78 6. Von den Kleidern 152
35. Schulinstitutionen 78 7. Erklärung mundartlicher Aus-
36. Zunftbräuche 79 drücke 160
.37. Gratulationen des Bezirksrates 8. Originalitäten in der Namenbeim
Fürstabt 82 gebung 169
J8. Schießen mit Mörsern bei 9. Kommentar zum Waldstatt-
Feierlichkeiten 83 und den Viertelswappen 172
.39. Teilnahme des Bezirksrates Kleine Nachträge 174
und -Gerichtes an den Prozessionen
84 Bilderbogen
i
, EINSIEDLER VOLKSBRÄUCHE.
Die Schweiz ist ein günstiger Tummelplatz für weltliche Feste
aller Art, denen sich der Schweizer sowohl als Veranstalter, wie
auch als Bummler willig hingibt. Nicht alle Feste werden ausschließlich
von durchaus idealen Erwägungen beherrscht. Sie
stehen häufig im Dienste der allgemeinen und örtlichen Verkehrsförderung,
vor deren Geboten die Originalität oft genug den
Kürzern zieht. Wo die Verkehrsförderung maßgebend ist, spielt
das Unterhaltungsprogramm immer eine große Rolle. Mit der
Unterhaltung will man die Finanzlage lösen. 'Um so leichter kann
die Gefahr drohen, daß dann die Pflege der kulturellen Bedeutung
unserer Feste vernachlässigt wird.
Findige Köpfe werden beauftragt, Ideen zu suchen, um zügige Programmnummern
vorzubereiten. Das verursacht manchmal Kopfzerbrechen;
denn man möchte vermeiden, Gesehenes und GIr
hörtes zu wiederholen. In der Verlegenheit greift man oft zu fragwürdigen
Schöpfungen und Kopien. Es gibt aber auch Darbietungen,
die von der Volksmeinung als gelungen bezeichnet werden,
trotzdem sie es nicht sind.
Die Forschung nach ausgestorbenen örtlichen Volksbräuchen und
ein Blick auf die bestehenden sollte mancherorts ermöglichen,
Festprogramme zu bereichern, indem man solche Bräuche in guter
Form aufleben läßt. Noch mehr zu empfehlen ist die Pflege alter
Volksbräuche zu gegebener Zeit. Man hört häufig die Originalität
des Volkslebens dieser oder jener Gegend loben. Warum also
nicht folgern und lebendige Originalität ausbauen und verblichene
nach erfolgter Forschung in guter Form auferstehen lassen?
In diesem Sinne haben wir den Volksbräuchen der Waldstatt
Einsiedeln nachgespürt, um sie hier zu beschreiben lind in Rekonstruktionen,
Skizzen und photographischen Aufnahmen bildlich
zu zeigen. Die Bilderschau erfaßt unser Volksleben noch
allgemeiner. Sie wird durch kurze Hinweise und Betrachtungen
über wichtige Ereignisse erläutert. Der Anhang beleuchtet folgende
Fragen: I. Volksbräuche, die wieder eingeführt und solche,
die besser ausgestaltet werden können, 2. Erloschene Originalitäten
aus dem Erwerbsleben, von denen noch wenig oder nichts
geschrieben ist, 3. Besondere Ortsgewohnheiten, 4. Arten des
Zeitvertreibs unserer Schuljugend, 5. Ueberliefertes der Genoßsamen,
6. Ländliche Kleidungsart, 7. Mundartliche Ausdrücke,
die in dieser Broschüre vorkommen, 8. Kommentar zum Waldstatt-
und zu den Viertelswappen.
5
I. Das Neu j a h r s si n gen. Im Bezirksratsprotokoll vom .rahre
160J wird das Gesuch des Schulmeisters, in der Neujahrsnacht mit -
den Schulkindern in feierlicher Prozession, an der Spitze ein
"Fendlin", vor die Häuser zu ziehen und das Neujahrslied zu
singen, folgendermaßen vermerkt: "Es hat der schuolmeister vor
Rath bet, man wolle Ihm Erlauben, mit den Chnaben uff zuochünftig
wienacht (oder nüjohr) zuo singen. Ist Ihm Erlaubt Nach
altem Bruch". Gelegentlich wurde nicht nur gesungen, sondern
auch Theater gespielt. So lesen wir im Ratsprotokoll vom Christmonat
1677: "Heinrich Wismann bitet namens des Schuolmeißters,
daß man ihm das Nüwjor Lied zuo singen bewillige und Ein
Comedi zuo halten". Die Comedien wurden auf dem Rathaus ab:
gehalten. Da das Neujahrsingen bisweilen als Bettel ausartete,
wurde es vorübergehend verboten. Im Jahre 1705 fragte einer im
Rat, "üb man wolle die nüwen Jahrs Lieder abstellen oder nit,
es seyen auch die schulmeister auf den Vierteln gekommen und
begehren auch mit ihren Kindern ·zu singen". In einer Betrachtung
machte unser Waldstattdichter Meinrad Lienert( Einsiedler
Anzeiger 1895) folgende Bemerkung: "Das Neujahrssingen war
übrigens ein schöner Brauch, denn es mag das Singen der unschuldigen
Kinderschar den hohen Festtagen eine eigenartige-
Weihe gegeben haben. Zugleich machte das Singen dem Schulmeister
und den armen Kindern wieder einmal einen vollen Magen,
denn im Vergleich zu heute waren die meisten Leute damals
blutarm. Das ist ersichtlich aus dem immerwährenden Anhalten
bei der Session oder beim Waldstattrat". Das Neujahrslied, das in
der Heilignacht auch vom Nachtwächter gesungen wurde, lautet:
"Loset, was wil i säge:
Ich wüsche ~.alle e gueti Nacht,
Und dazue glückhaftigs fründlichs Nüjohr
Durch Jesus und Maria.
Stöhnd uf im Name Herr Jesus Christ,
Der heilig Tag wiederumb vorhanden ist.
Jetzt und zue alle Zite,
Der Stärn muess reise witers.
Jetzt wüschi das dr Husvater mit siner Frau Liebsti
Und alle im ganze Hus,
Viel Freude möget erläbe,
Das weIl ihne Gott vorleihe,
Das weIl ihne Gott verleihe,
In der Morgeröthi steht es auf 1
Die hälle Stärne schiesse, -
Das neugeborni Himmelsbrot,
Das heut uns wird beschnitte,
Das göttlich Chind!
.Das suechet wir z'erbitte!"
6
r
I.
Man kennt noch andere Ueberlieferungen des Neujahrsliedleins.
aber leider nur in Bruchstücken. Hier drei Beispiele: "Wir wünschen
Euch ein glückhaftiges neues Jahr, jesus, Maria und Josef,
machet den Kindlein ein gutes Müslein", ferner "D'Muotter Gottes
chocht es Muos, dr Sankt Josef hebt d'Pfanne", ferner: "Mir
höred .d'Frau Muotter i dä Schlüßle rigle und glaubed sie wärd
üs öppis bringe". Die letzten erwachsenen Neujahrssänger waren
der sogen. Barabas, der Schwöbli Marti und der Schleser Meired.
Das Neujahrslied wurde von ihnen um 1880 zum letztenmal in
Fürers Haus an der Taubengasse gesungen. Auf den Vierteln hielt
sich der Brauch vereinzelt bis um 1895.
Mit der Dauerhaftigkeit war z. B. in Euthal eine Nebenerscheinung
verknüpft, die so recht deutlich die ärmlichen Verhältnisse
vergangener Zeit kennzeichnet. Wenn die Hausbewohner den Neujahrssängern
Geld oder Gaben hinabwerfen wollten, erklärten diese
häufig, sie verzichten gern darauf, wenn sie im Frühling nur
"etwas Gummel" (ein kleines Quantum Kartoffeln) bekämen. Tatsächlich
erschienen dann im Frühling, so der Kartoffelvorrat über
den langen Winter verzehrt worden war, die Neujahrssänger aus
dem Dorf, erinnerten an den Verzicht auf die Gabe beim Singen
und baten um die Gummel, da sie Not daran hätten. .
Ueber das Feiern um Neujahr herum äußert sich unser Geschi.chtsschreiber
Martin Ochsner im "Einsiedler Anzeiger" vom 20. Dez.
1899 folgendermaßen:
"Seit grauer Zeit wurden hier die "zwölf Tage", die "Zwölften"
oder "Jahrestage" an den Festen Weihnachten, Neujahr und Dreikönigen
gefeiert.
Schon das Jahr 1590 kennt den "Zwölften Tag". Was die "Jahrstage",
heißt es im Ratschlagbüchlein zum 13. Dezember 1626,
anbelangt, sollen dieselben, wie von altem her im Brauch ,gefeiert
werden. Worin dieser Brauch bestand, sagt uns ein Ratschluß
vom Jahre 1643, der dahin lautet: Erstlieh ist ein Anzug geschehen
wegen den Jahrstagen, ob man sie halten wolle. Ist erkennt,
daß man sie halten wolle, und solle der Galli Kälin gemahnt
werden, daß er einen Zentner Anken solle auf das Rathaus
thun den Waldleuten auf künftigen Freitag. Was dann die
Weiber anbelangt, steht es den Weibern anheim "sy mögedt uff
das Rothuß khomen auch zu denen Manen und den win vom Seekel
Meister auch nemmen, so vill als sy von nöthen." Am 2 I. Dez.
'1647 befiehlt der Rat: "und sölle der Seckelmeister sich mit einem
guoten hürigen Wollerauer verfaßt machen". Später wurde neben
dem Wein und Brot auch Käse "in fründligkeit" genossen. Diese
Wirtschaft auf dem Rathause wurde an den obgenannten Tagen
von der Waldstatt in Regie betrieben. Dabei hatte der Seckelmeister
"den win nit thürer dorzethuon dan die Cöstung seyen".
Zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Bedienung waren
7
1
~
zwei Stubenknechte bezeichnet, von denen jeder täglich zehn
Schilling Lohn bezog. Hin und wieder wird aber wohl ein ehrsamer
Waldmann bei vorgerückter Stunde die Begleichung der
Zeche vergessen haben. Es wurde daher am 19. Dezember 1850
verordnet, daß ein jeder, der sich dabei (am Jahrstag) befindet,
seine Uerte bar erlege. Der anders thäte, solle I Pfund zu Buß
verfallen sein, und der es nit gutwillig erlege, solle mit andern 'MitteIn
gehorsamt werden. Die hochobrigkeitliche Drohung scheint
jedoch nicht bei allen eingeschlagen zu haben, denn im folgenden
Jahre traf man die Verfügung, daß die beiden Stubenknechte und
der Bettelvogt verordnet sein sollen, bei den Thüren auf dem
Rathause zu wehren, daß Keiner eingelassen werde, der nicht in
der Uerte sitzen wolle. Die Mitglieder des Rates wurden gastfrei
gehalten.
Im Jahre 1628 grassierte ein großer Sterbet, der die Menschen "in
solcher Zahl hinwegraffte, daß in Einsiedeln 4 Totengräber angestellt
werden mußten. Die Jahrstage fanden gleichwohl statt. Um
sich aber vor Ansteckung zu bewahren, wurde beschlossen, daß
man denen, "so die schüchliche sucht by in geregiert" eine sonderbare
Stube auf dem Rathause erwärme.
Es kam wohl auch vor, daß die Feier eingestellt wurde, so 1655
wegen den Wirren, die dem Villrnerger-Kriegevoran gingen und
im Jahre 1689 "weillen ein so stränge und deure Zeit ob handen
und ein jeder Haußhaltung gennog mit ihrer not zu haußen
habe."
Das erste Fest, das in die "zwölf Tage" fiel, war Weihnachten.
Weit über die deutschen Lande hinaus bekannt war das Weihnachtsspiel,
ein Lied, das so frisch und unverfälscht aus der
Volksseele herausklang .
"Vom Himmel hoch, da komm ich her,
Ich bring Euch eine gute Mähr,
Der guten Mähr bring ich so viel,
Davon ich singen und sagen will."
Frühzeitig stoßen wir in der Waldstatt auf das Weihnachtsspiel.
So erteilte der Rat unterm 29. November 1625 dem Schulmeister
Ziegler die Erlaubnis, auf zukünftige Weihnachten mit den Kna-
'ben nach altem Brauche zu singen. Am 21. Dezember 1647 erhielt
der Schulmeister samt den Schülerknaben die Vergünstigung,
nach altem Brauch in dem Gotteshause, auf dem Rathause und
sonsten zu singen. .und am 14. Dezember 1648 haltet der Schulmeister
an, daß man ihm wolle zulassen, und vergünstigen, "nach
altem bruch mit sinen Jungen Schuol Kindren gen Singen und daß
Spill oder Exercitium welches er allbereit unter Handen."
Eine weitverbreitete Gewohnheit bestund darin, das Neujahr vom
Turme herab "anzublasen". Darüber, daß dies auch in Einsiedeln
8
gepflogen worden, fehlen Nachrichten. Dagegen herrschte. ein
anderer Brauch. Sobald es "Zwölf" geschlagen, zog m~n vor die
Häuser, um das Neujahr "anzusingen".
Das Fest der Erscheinung des Herrn oder Drei-Königen wurde in
Einsiedeln im Volksmunde gemeinhin "der zwölfte Tag" (nach
Weihnachten) genannt. Im Mittelalter war es üblich, daß in den
Kirchen ein förmliches Dreikönigsspiel aufgeführt wurde, wobei
neben den 3 Weisen, Herodes mit seinem Hofstaate, die Engel und
Schriftgelehrten nicht fehlen durften. Als dann aber die Handlung
auszuarten begann, wurde sie auf die Straße verwiesen. Hier bildete
sich nun das "Sternsingen" aus. Junges Volk, Burschen und
Mädels, legten sich einen möglichst königlichen Anzug zurecht,
setzten sich die Krone aufs Haupt und zogen mit einem goldpapiernen
Stern auf einer Stange durch die Gassen, um sich durch
ihren Gesang, der also anhub:
Wir, Kaspar, Melk und Balz genannt,
Wir sind die heiligen drei König aus Morgenland"
eine Gabe zu erbitten.
Das "Singen" an genannten Festtagen, mit dem Selbstzwecke, an
die Mildtätigkeit der Nebenmenschen zu appellieren, war als aus-
·schließliches Privilegium der studierenden Jugend der Waldstatt
eingeräumt. Allein schon 1560 regten sich Konkurrenz und Brotneid,
und es mußte ein bezügliches Verbot erlassen werden. Dasselbe
wurde von Zeit zu Zeit erneuert. So heißt es zum 22. Christmonat
1625: "Singen halb des nüen Johr Lieds ist verbothen, wie
auch der heiligen dri Küngen by der alten buoß." Am 26. Nov.
1645 wird den "Schuoleren" das Singen gestattet "aber Uebrigen
.abgeschlagen undt verboten by 1 Kronen buoß, daß Niemants
weder tags noch Nachts umb die heuser umbeher singe". Man ging
noch weiter und wurde auf den 19. Dezember schlüssig: "Soll das
Neujohrlied und H. dry Königen singen im und außerts landt auch
den Frömbden so etwan komen mochten verbotten sein bey 4 Pfd.
buoß". Allein, wie so mancher polizeilichen Verordnung erging es
auch dieser -- sie wurde nicht gehalten. Am 2. Februar 167I wurden
4 Söhne und 2 Töchter vor Rat citiert und zur Rede gestellt
"daß sy der verschinen zit des heiligen 3 Künig liedt in der
Frömdte gesungen, und so buoben und Meitli mit einandern geloffen
und so große gugelfuog getrieben haben. Isterkennth daß
.sey Jedes 1 Pfdt. zu buoß gäben sollend." Schlimmer erging es
einem Kaspar Lacher, der entgegen dem Verbote der Obrigkeit
Weihnachtslieder vor den Häusern vorgetragen. Vor Rat citiert,
verantwortete er sich am 28. Dezember 1701 dahin: er habe nur
geistliche Lieder zu Ehren des Christkindleins gesungen. Sein
frommer Sinn wurde aber so übel verdeutet, daß er im "Thurm"
(Gefängnis) über die Macht seiner Melodien nachsinnen konnte.
Fassen wir das Gesagte in folgende Rahmen:
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•••
--- (
Um die Zeit der .Wintersonnwende, an Neujahr-und dem zwölften
Tage (Drei Königen). versammelten sich die Waldleute zur feierlichen
Regelung des von ihren Voreltern christianisierten heidnischen
Julfestes. Bei Einbruch der Nacht zogen Weiber und Männer
in ihrem besten Sonntagsstate auf das Rathaus. Brenzlich riechende
Talgkerzen ließen im Halbdunkel das Getäfer und die mit Bildern
und Wappen gezierten Glasscheiben erkennen.' Zuvorderst,
saßen die gestrengen Herren von Rat und Gericht hinter den von
Neubürgern gestifteten silbernen Pokalen; auf den Bänken längs
den Wänden und um die Tische in der Mitte lagerte sich bei
einem Becher Weines das frohmütige Völklein der Waldstatt.
Nach kurzem Besuche im Stifte und in den Häusern vermöglicher
Bürger erschien der Schulmeister mit. seiner Sängerschar, .um
durch ein eigens zu diesem Zwecke gedichtetes und komponiertes
Stück sich und seine Zöglinge zu empfehlen. Die Aufführung
dieses Spieles ~ auch Exerzitien oder Komödie genannt - in dem
Gesang, Musik und Deklamationen abwechselnd zum Vortrage gelangten,
wurde mit einem Trunke belohnt. "Den schuollerknaben.
nach gehaltener Comedie (am neuven Jahrestag) für 7 Mos Wein
3 brodt auch brodt bey dem Ochsner 8 Pfd." Daß die Vorstellungen
mit etwelchen Auslagen verbunden waren, beweist eine Notiz:
vom 16. März 1792, wonach Herr Pater Statthalter dem Herrn
Präzeptor im Dorf (Hochw. Herrn Nikolaus Heinrich Eberhard
Wyß) wegen gehabten Unkosten mit einem Studenten für die
Komödie 2 Louisdor gab.
Allein so ganz in Minne verliefen die Jahrestage nicht immer. Das.
"Friede den Menschen" blieb gesungen und verklungen. Nur zu
oft wurde die Feier des' Tages, nachdem die Köpfe vom Weine erhitzt,
wüst entweiht. Wortgezänk und Schlaghände1 stellten sich
ein, Dies wird mitgewirkt haben, daß die Jahrestage auf zwei,
dann auf einen Tag eingeschränkt wurden, um endlich der Vergessenheit
anheimzufallen."
Ein für den Empfänger angenehmer Neujahrsbrauch, der hier
nicht erwähnt ist, behauptet sich heute noch: Das Göttigeschenk.
Es ist üblich, daß Pate und Patin dem Göttikind am Neujahr ein
kleines Geschenk machen, in der Regel einen Eierzupf oder dann
einen Fünfliber in den Sparhafen. Das Göttigeschenk verpflichtet
ordnungsgemäß bis zum Jahr, da der Götti die erste hl. Kommunion
empfängt. Es gibt ausdauernde Paten und Patinnen, die
ihren Götti bis zu seinem vollendeten 20. Altersjahre beschenken,
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2. G r e i fl e t. In unserm Hochtale (914 m) wächst kein Korn und
wenig Obst. Da und dort an windgeschützten Hängen stehen
einige Kirschbäume. Die Sorge um den Obstwachs ist deshalb
nicht so groß wie in fruchtbaren Gegenden. Deshalb dachten an.
Dreikönigen von jeher nur wenige Bauern daran, die umgehenden
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·,1
,
bösen Geister zu vertreiben, die' das Wachstum der Obstbäume
stören. Im ViertelEuthal hat man diesem Brauch, genannt Greiflet,
bis Ende der Soer Jahre hinein Aufmerksamkeit geschenkt. Junge
Männer versammelten sich nachts im Dörflein, mit Trychlen,
Schellen, Kloben und Peitschen versehen, und zogen dann auf die
Felder, wo Obstbäume standen, umkreisten dieselben, indem sie
mit ihren Requisiten einen höllischen Lärm veranstalteten, um die
bösen Geister zu verscheuchen, die dem "Wachs" (Wachstum)
schaden könnten. Die Peitsche war das wirksamste Scheuchrnittel.
Wirbelnd säuberte der Bauer den Luftraum vor sich hin und verriegelte
ihn im Rücken der fliehenden Geister mit drei kräftigen
concentrischen Schlußschlägen. Das Wirbeln ist nicht zu verwechseln
mit dem sog. Kreuzschlag über dem Kopf, den die
Bauern der Ostschweiz mit der langen Schafgeißel ausführen, Als
Entgelt bot man den jungen Leuten Rosoli (selbstgemachtes Nußwasser)
an. Das Greiflen wurde schon im I7. Jahrhundert und
neuerdings im Jahre 1738 bei IO Pfund Buße verboten. Im Jahrbuch
1934 für schweiz. Theaterkultur hat Meinrad Inglin von
. Schwyz einen Greiflerspruch veröffentlicht. Der Brauch ist somit
für die Zukunft wenigstens literarisch verankert.
Der Wirbelschlag mit der Peitsche ist vom Greiflet auf das
Alltagsleben übergegangen. Bauern und Fuhrmänner handhaben
die Peitsche auch zum Zeitvertreib. Trotzdem sie die gedrehte
Kuhgeißel, -die die Form einer langen, schlanken Renaissancewachskerze
hat, nicht ceremoniel tragen und nicht pflegen, wie
z. B. der alte Herrschaftskutscher, der Postillon und der Mühlenkarrer
ihre elegante Peitsche pflegten, so sorgen sie doch für
einen zum Knallen geeigneten Zwick. Zur Zeit, als die Seidenhandweberei
blühte, (bis um I900) wurde der Zwick mit farbigen Ausschußfäden
gedreht. Ob der Fuhrmann auf der Turbenbänne oder
auf dem Trämelschlittten sitzt oder breitspurig hinter der Fuhre
hertrampt, "wirbelt" er von Zeit zu Zeit mit der Geißel. Der
Wirbelschlag wir erzeugt, wenn man die Schlinge mit wagrecht
vor sich hingehaltenem Geißelstecken sehr rasch aufeinanderfolgend
wechselweise nach rechts und nach links kläpft, sodaß
der Schlag dem Trommelwirbel gleicht.
3· Dorffe (z'Liecht goh oder Chilte) Hochsigmache,
B r ö e g e, J ü c h s 1e, J u eh se.
Ueber das "Dorffe" kennt man hierorts nur einige wenige Formalitäten,
die als Ortsbräuche registriert werden können. Ernste
Bekanntschaften sind ein stilles persönliches Anliegen zweier junger
Menschen und ihrer Eltern, sodaß keine Originalitäten von
Haus zu Haus vermittelt und auf diesem Wege als allgemeine
Regeln eingebürgert wurden. Man weiß nur, daß es ursprünglich
üblich war, am Donnerstag und Sonntag dorffen zu gehen.
II
,
1
Es hieß, daß am Montag nur die "Nötigen", am Freitag nur die
"Rüdigen", am Samstag nur die "Gewöhnlichen" (man nannte sie
Schuhputzer) gingen. Am Mittwoch wurde unter Bauern kein
Handel abgeschlossen. In diesem Zusammenhang läßt sich erklären,
warum der Mittwoch für das Dorffen außer Betracht fiel.
Inbetreff der Zurückhaltung am Freitag ist es angängig, in erster
Linie an religiöse Rücksichten zu denken. Der Freitag erinnert an
Jen Leidenstag des Herrn. Man darf aber auch an leibliche Erwägungen
denken. Es ist Brauch, daß die gefreite Tochter dem
Freier beim Dorffen etwas "auffstellt", z.B. Selbstgedörrtes und
nachher Birnenweggen und Züpfen. Da aber am Freitag unabwendbar
Fasttag ist, müßte auf den fettesten Brocken verzichtet
werden, auf jeden Fan dann, wenn Mutter und .Tochter entscheiden.
Nebenbei bemerkt, ist das gedörrte Schwynis ein Produkt der
bäuerlichen Hausschlachtung. Der Bauer bestellt in der Regel im
Spätherbst den Metzger im Lohn und kauft das Gewürz im Spe-
.rereiladen. Er hängt das Fleisch in die Rauchkammer und verzehrt
es über den Winter. Zu erwähnen ist ferner, daß der Freier
früher mit dem "Alten" einen Rosenkranz ausjassen mußte, bevor
er sich dem Gspüsli nähern durfte. Das ist so zu verstehen,
daß gespielt wurde, wer den Rosenkranz beten mußte, der Alte
oder der Freier, d. h. der Verspielende. Es entspricht ganz der
Denkweise alter, schalkhafter Bauern, dem zukünftigen Schwiegersohne
beizubringen, daß der Alte.Geber und der Jüngling Nehmer
ist und daß die Gabe aus Vaters Entschluß für den Empfangenden
viel bedeutet. Der Alte denkt an die finanzielle Tragweite der
Handlung, hauptsächlich wenn er wohlhabend ist, z.B. wenn er
einige vürnehme Haupt Vieh besitzt, wovon er gern zu sprechen
. pflegt, während des Freiers Vater vielleicht nur ein paar "Schwänze"
im Stall hat. Er will zu merken geben, daß er ein Opfer bringt,
wenn er die Tochter vergibt. Es ist in Form eines Sprüchleins ein
Bittgesuch bekannt, das die Tochter an die Mutter richtet, tun sie
zu veranlassen den "Gültigen" freundlich zu empfangen und ihm -
mit etwas Gutem aufzuwarten. Dieses Sprüchlein heißt:
Mueter, lueg dou
s'ischt ä Buob dou.
Wend en ine la,
s'isch ä schöne Ma.
Mueter, gend äm Chuoche,
so chunt'r nöcher zuoche,
Mueter, gend äm Ziger,
So chunt'r more widr.
Mueter gend äm äs Branz
's isch dr Chäle Franz,
Mueter gend äm au äs Weggli,
's isch der Schwyzerseppli.
1:2 -,
j
Wenn es zur Heirat kommt, versilbert weder der Vater des Bräutigams,
noch derjenige der Braut eine Kuh, um den Eheleuten
Bargeld aushändigen zu können. Es bleibt in der Regel bei einer
einfachen Mitgift an Kleidern und Lingen und Geräten. Bei
Teilungen und Nachlassen war es vor dem Inkrafttreten des neuen
Zivilgesetzbuches von jeher Brauch, daß der älteste Sohn den
sogen. Mannsförderling erhielt, d. h. das Anrecht auf die Uebernahme
des väterlichen "Hostet" zum bestmöglichen Preis. Jüngere
Brüder und die Schwestern bekamen gleichsätzige Ausrichtbriefe,
die man, im Range den zinspflichtigen Schuldbriefen
folgend, errichten ließ.
Ueber die ablehnende Haltung der Mutter ist folgender Spruch
bekannt:
Marieli bis gschyder,
gang mit keim Schnyder,
gang mit keim Burebueb,
Döirfflig git's gnueg.
Hier kommt der mütterliche Rat an die Tochter zum Ausdruck,
eine soziale Besserstellung anzustreben. Gewiß kann es die Mutter
gut meinen, aber sie unterschätzt den sozialen Rang des Handwerks
und des Bauernstandes.
Im Zusammenhang mit den wenigen Ortsbräuchen beim Kiltgang
und Hochsigmaehe kann man das Romfahren gewisser "gesperrter"
Hochzeitspaare erwähnen. Es ereignete sich noch in den
Soer Jahren, daß die sogen. "Herren", so wurden die zuständigen
Amtspersonen auf dem Rathaus genannt, einem ungetrauten Paare
mit einem unehelichen Kinde die Ziviltrauung versagten, wenn
der Mann mittellos war, d. h. wenn man ihm nachweisen konnte,
daß er nicht in der Lage wäre, für den Unterhalt der Familie zu
sorgen. In den meisten Fällen traf dies bei den zahlreichen
Feckern zu, die hier noch mehr als anderswo ein nomadenhaftes
Leben führen können. Die "Herren" wollten mit diesem gesetzlich
nicht verankerten Vorbehalt in gefährlichen Fällen den Weg zu
Familiengründungen verlegen. Er war ein untaugliches Glied im
Fragenkomplex über Feckerhilfe, die gerade hierorts heute so
akut ist, wie je zuvor. Es kam dann vor, daß Paare, denen die
Zivilehe gesperrt war, das Kind in das Tragkissen legten, sich mit
Pfanne und Geschirr ausrüsteten und die Fußreise in den römischen
Kirchenstaat antraten, um sich dort trauen zu lassen. Die
letzte derartige nachgewiesene Romfahrt war die des Keßlers
Jörg.
Das Schießen bei Hochzeiten und Taufen war nur erlaubt, wenn
der Bräutigam bezw. der Vater einen Krontaler in die Armenkasse
entrichtete. Falls ohne Erlaubnis geschossen wurde, mußten
13
r,
I
die Veranstalter 2 Neutaler Buße zahlen. Jetzt ist das Schießen
bei Hochzeiten nicht mehr üblich.
Von größerer Originalität sind die Begleiterscheinungen des Dorffens,
nämlich das Spiel der Nachtbuben, das sich mit mehr oder'
weniger Ernst ebenfalls um ein Gspüsli bewegt. Hievon wollen wir
nun ausgiebig sprechen, indem wir zuerst den Hergang und nachher
einzelne Handlungen schildern.
Mit _wilder Abenteuerlust, die von der nahenden Fastnacht angeregt
wird, ziehen die Bauernburschen in den Winternächten nach
Dreikönigen in nahe und entfernte Gehöfte, d. h. dorthin, wo eine
hübsche Jungfer zu 'Hause ist. Die Töne des Muulblettlis (Mundharmonika)
und ein kögeindes Jäuchzeln (3-4 gebundene rasch
aufeinander folgende Jauchzer in hoher Tonlage) verraten, .daß sie
um' jeden Preis darauf ausgehen, in der warmen Kammer einer
Schönen zu landen. Sie halten vor der Behausung an, die sie als
schatzhaltig kennen, schwirren um die Hausfesti herum, locken
die Jungfer mit Zurufen in entstellter Fistelstimme ans Fenster,
indem sie, wenigstens früher, den sogen. "Heirats brief" bezw.
"Hausratbrief", seit ungefähr 1870 "Hausgrümpel" genannt, aufsagten,
heischen ihr Rosoli (selbstgemachtes Nußwasser), einen
Bissen Eierzupf oder Birnenweggen. Zeigt sich die Angerufene
am Fenster, erbettelt man schließlich den Einlaß, der gewährt
wird, wenn nicht schon ein Günstling drinnen auf der Ofenbank
sitzt. Hat die Jungfer kein Gehör, lassen die Burschen dennoch
nicht nach, sie steigen auf Scheiterbeigen und Chlebdächer und
poltern an die Fälläden. Manchmal sagt der Alte,der in der Nebenkammer
schläft und vom Lärm geweckt wird, auch sein Gsätzlein
dazu. Wenn der bräugende Bursche nicht nur der Tochter, sondern
auch dem Vater sympathisch ist, wendet der Alte gegen den
Einlaß nichts ein.' Sitzt schon ein Günstling in der Stube, und
merken das die Burschen vor dem 'Hause, wird er entweder
herausgefordert oder sie warten, bis er am Morgen heimlich den
Heimweg antreten will. Sobald er sich blicken läßt, werden sie
handgriffig, und es heißt dann "ghaue alders gstoche, rübis alders
stübis". Es ist schon vorgekommen, daß der Günstling der
Jungfer aus Eifersucht blau geschlagen oder in das Güllenloch
getüncht und dann heimgeschickt wurde.
Beim z'Liecht goh (Dorffe) verändern die Burschen bis zum
Einlaß ins Haus die natürliche Stimme, das heißt sie brauchen
.die Kehlkopfstimme in heisern und verhaltenen Tonarten, damit
man sie nicht sofort erkenne. Das nennt man hierzulande
"broege", gleichbedeutend wie "vürsibroege", im Ybrig "räble"
genannt, eine besondere Sprachmode der Fastnacht. Im nahen
Ybrig und im AlpthaI ist auch das sogenannte "Hindersibroege"
üblich. Man bedient sich einer "verrenkten" Kehlkopf technik
und spricht mit foppendem Galgenhumor zu den Jungfern. Auch
:14
••
im Gespräch mit den nichtmaskierten Wirtshausbesuchern bedient
man sich dieser anstrengenden Sprachtechnik. ,
Beim nächtlichen Auszug kann es zutreffen, daß die' Nachtbuben
den Weg mit denjenigen eines andern Viertels oder mit Dörfligen
kreuzen. Die einen wie die andern wittern die Gegnerschaft und
illre Stimmung fast aus der Luft, also noch ehe sie sich erkennen.
Beim gegenseitigen Nahen bücken sie sich, strecken den Oberkörper
seitwärts vor, halten entweder den Arm vor das Gesicht
oder recken die Hände bodenwärts und klatschen herausfordernd
in die Handballen und rufen sich zu: "Harus, häre cho, häggle!"
Diese Herausforderung zum Messen der Kräfte wird mit verständlicher
Deutlichkeit wiederholt, entweder angriffslustig oder
verteidigend, je nachdem man die Balghaftigkeit der abseitigen
Jungmannschaft einschätzt. Wenn nicht eine der Parteien .rechtzeitig
den Finkenstrich nimmt, kann es zu einern Handgemenge
kommen, bei dem ab und. zu auch Schwirren und Haglatten
kreisen.
Als Zeichen, daß die Schlägerei beidseitig auf der Stelle erwünscht
ist, gelten auf Entfernung das Pfeifen durch die Finger
und beim Nahen das Fingerknallen. Beim Knallen mit den Fingern
drückt man die Spitze des rechten Daumens krampfhaft gegen'
die des Mittelfingers und läßt diesen plötzlich gegen die Handballe
hin abgleiten, worauf ein Knall entsteht. Geübte bringen es
fertig, daß das Fingerknallen gehört werden kann, auch wenn sich
die Parteien noch entfernt gegenüberstehen. Die Herausforderung
.rnit dem Händeklatschen, Pfeifen und Fingerknallen läßt der
Nachtbube nicht über sich ergehen. Diese akustischen Zeichen
sind ihm klarer, als die Sprache, intonieren sie doch gleich die
wechselnden Schläge mit der Faust, die bevorstehen. Sobald sichdie
Parteien genähert haben, verstärken sie den Sinn des Fingerknallens
mit einer Begleitbewegung des rechten Arms, die alsogleich
in den Schwung zum Schlag hinübergleitet. Im Streit der
Nachtbuben geht keine Erwägung der rechtlichen Folgen für den;
der zuerst schlägt (Angreifer) voraus. Sie denken nur an den
'taktischen Erfolg. Weil sie wissen, daß der Angreifer den taktischen
Erfolg ziemlich sicher für sich hat, versucht jeder, dem
<Gegner eins' zu "putzen", daß "er das Feuer im Elsaß sieht",
'bevor er getroffen wird. Beim Auszug aufs Land bedienten sich
die Nachtbuben in den' ooer Jahren nicht nur des "Muulblettlis",
'Sondern auch des Brummeisens, "Trümpi" genannt, als Marschmusik.
Das "Trümpi" besteht aus einem kleinen Metallring und
einer an einem Ende darauf genieteten dünnen Stahlfeder. ,Man
legt das Instrument an die Zähne, haucht kräftig darauf und bewegt
die Feder am freien Ende mit der Fingerspitze, worauf ver-
-schiedene Töne entstehen, die frei nach dem Gehör zu einer
:primitiven Marschmelodie gereimt werden. Im alten Lande Schwyz
15
wurde das "Trümpi" bei der diskreten Tanzmusik in Privathäusern
als Begleitinstrument benutzt. Nur darf man nicht an
das kleine Taschenformat der Einsiedler Nachtbuben denken.
Noch ist etwas über die örtliche Ausdehnung des "Dorffens" zu
sagen. Man darf nicht etwa glauben, der Brauch sei der Landbevölkerung
vorbehalten. Die Burschen und Mädchen im Dorf
wissen auch etwas -davon, wo sonderheitlieh die Langrüti zeitweise
ein beliebter Tummelplatz der Nachtbuben war. Immerhin
wurde die Umgebung der bis 1910 mit Petrollaternen beleuchteten
Dorfstraßen gemieden. Sicher ist auch, daß ein nächtlicher Gang
über das in Dunkel gehüllte Land verlockender war, weil er sich
umständlicher und darum abenteuerlicher gestaltete. v.,renn der
Dörflig aufs Land ging, mußte er sich des verschärften Wettbewerbes
vonseite der Viertelsburschen zum voraus bewußt sein.
Nun folgen einige Detailbesprechungen : Mit dem Heiratsbrief
auch "Hausratbrief" und "Inventari" genannt, hat es folgende
Bewandtnis: Er besteht aus einer umständlichen Liebeserklärung
in unbeholfenen Gelegenheitsversen. Er .beginnt in der Regel mit
einem Gruß an die Hausbewohner, sonderheitlieh an die Jungfer.
Hierauf gibt er den Grund bekannt, warum der Freier vor dem
Haus erscheint. Dann eröffnet er eine Litanei über den Wert der
"Hastet" (Hofstatt-Liegenschaft) über Zahl und Beschaffenheit der
Feld- und Hausgeräte, d. h. alles dessen, was der Freier in die Ehe
bringen könnte. Anschließend gewährt er einen Blick in die persönlichen
Eigenschaften des Freiers. -Zu guterletzt frägt er verstohlen
nach den Vermögensverhältnissen der Jungfer und preist
ihre Eignung als zukünftige Frau und stellt sie gleich vor die
Wahl, kurz und bündig "ja" oder "nein" zu sagen. Der Heiratsbrief
zeichnet sich aber durch die Eigentümlichkeit aus, daß er
etliche Male eine günstige Darstellung, die die aufmerksame
Hörerin ernst auffaßen kann, im Handumdrehen mit spaßhaften
Wendungen lockert und sogar widerruft. -Der Schlußsatz sagt am
klarsten, was die Kundgebung in den meisten Fällen zu bedeuten
hat; nämlich:
"Auf der Gaß,
ist's halt Gspaß".
. Entweder verfolgten die Nachtbuben gemeinsam zu zweit oder zu
dritt das gleiche Ziel, oder dann machten sie sich einzeln heftig
Konkurrenz. Sie sagten. den "Heiratsbrief" von abends I 1 Uhr
an, fließend, mit verstellter und fieberhaft modulierter Fistelstimme
bald gegen dieses, bald gegen jenes Fenster hinauf, d. h.
allwo sie vermuteten, daß die angerufene Jungfer erscheinen
könnte. In der Lebhaftigkeit des Vortrages .Iag die Originalität
dieses alten Brauches. Die schlafenden Hausbewohner mußten
unwillkürlich aufwachen und die Ohren spitzen. Aus der Entfernung
hörte sich die lückenlose Litanei über die in Dunkelheit
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gehüllten Hänge fast geisterhaft an. Wenn die Jungfer an der
nächtlichen Kundgebung Gefallen fand, machte sie sich bald aus
den Federn, öffnete ein Fensterflügeli und fragte: "Was häsch
gseit?" Diese trockene Frage leitete die Beziehungen ein. Sie
verriet, daß das Interesse der Jungfer gebannt war. Als Antwort
rezitierte der Freier die Urkunde mit gesteigerter Geschwätzigkeit.
Er fühlte daß es für den Entschluß zum baldigen Einlaß nur mehr
auf seine Ueberredungskunst ankommen werde.
Sei den 80er Jahren hat der "Heiratsbrief" mehrere freie Parodien
erhalten, die im ganzen Tale herum unter -dem Namen
.,.Ha griimpel" bekannt sind. Der "Hausgrümpel" unterscheidet
ich vom ,Heiratsbrief" hauptsächlich dadurch, daß er verhältnismäßig
kurz gefaßt ist und daß er keine Liebeserklärung enthält,
sondern dem Wunsche, hereingelassen zu werden, unmittelbar
Ausdruck gibt. Ein "Hausgrümpel" existiert hier auch in Form
einer öffentlichen Gantanzeige verbunden mit der Einladung zur
Teilnahme. Alle neuen Fassungen zeigen den Gang der Verflachung
des Brauches. Die Verflachung hat zwei hauptsächliche
Ursachen: Das moderne gesellschaftliche Leben bietet hinreichende
Gelegenheit, daß sich Burschen und Mädchen kennen
lernen können, weshalb das "Bröegen" zur Anbahnurig des Hausbesuches
überflüssig ist. Ferner: Die Formen des Brauches wurden
von Generation zu Generation mangelhaft überliefert. Es trifft
zweifellos zu, daß ursprünglich mancher Nachtbube beim Aufsagen
des "Heiratsbriefes" tatsächlich von ernsten Heiratsgedanken
beseelt war. In den meisten Fällen und das wird im jüngern
"Hausgrümpel" bestätigt, drängte sie die Begierde, rasch an ein
pusperes "Ersteli" zu gelangen, um in seiner Kammer ein mehr
oder weniger harmloses Abenteuer zu erleben, das bis zum Morgengrauen
dauerte und das erneuert werden durfte, sobald die
Jungfer sich für den "Gültigen" entschlossen hatte. Der Kurs
zeigte sich aber erst klar, wenn die jungen Leute etwa am nächsten
Verenamarkt Hand in Hand miteinander zum Tanz gingen. Das
Gehen "Hand in Hand" bedeutet nämlich auf unsern Vierteln ungefähr
gleichviel, wie wenn heiratslustige Paare der Dorfbevölkerung
bei Tageshelle Arm in Arm des Weges kommen.
Hier folgen einige Abschnitte des "Hausratbriefes" der Viertelsbewohner:
Warum ich hieher gekommen bin,
das kommt dir vielleicht schon in den Sinn,
ich will dir nüd lang druf tüten,
ich will grad säge vor alle Lüten,
ich han im Sinn, hinächt hier zu weiben,
so kann ich ein andermal daheim bleiben,
deßwegen will ich zu dir sitzen,
wird sich zeigen was es tut nützen.
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Du bist mir weiß Gott: lieb! wärms-ich
so glaubi du gäbist gwiß my Frau.
dir au,
So wollen wir jetzt einander erzählen,
wie's wir miteinander wollen anstellen,
sag du mir zuerst, du bist dann frys,
wieviel hast du jährlich Zys,
ich hab zwei SchiIIling oder das noch nit,
wiest wie viel Kapital das gibt,
ich hab eigen Haus und Hastet,
ich will dir sagen wieviel dasselbe kostet,
zwölfhundert Gulden Kapital,
doch ist sie kurz und schmal,
richtig isch wer weiben will,
glaub mir nur ich will dich nit betrügen,
ich han eine schöne Trettwiege,
ein Schemeli und ein Ständli,
Kindslöffel und ein Pfändli,
zu Kinderzüg, Strümpf und Schuoh
han ich Tuch und Leder gnug dazu,
Blei, Pulver, Patron taschen,
Gläser, Kanne und Weinflasche,
Gunt-Aext, Schlegel und Zinn und Aer
dieses hab ich daheim beides schwer.
Haufrätschen, Werchhächlen und mehr andere Sachen,
ein Haspel und zwei Seiten und Gaiß
auch viel andere Sachen, die ich nit weiß,
und nüd davon erzählen mag,
denn ich hätte einen ganzen Tag,
absonderlich wenn ich erzählen wett,
wie beschaffen ist mein Hochzeitsbett
daß Flum u. Materazen ich könnt dem größte Bettler tarzen,
neben dem Bett stad die Wiege leer,
jetzt merkst wie alles bereit wer,
wenn du willst kannst ja ganz allein,
den Augenschein selbst nehmen ein,
Zu dem bin ich schier leinigs kind,
will dir au grad säge, wie viel das üser sind,
der Peter, Baschi, der Lorenz,
der Rudi, der Joggi und der Klemenz,
es ist der Meinrad, der Stoffel und der Augustin,
18
, .
der Marti, der Flori und der Vallentin,
der Michel, Heiri und das Madle,
der Toni, der Wendel und das Hele,
der Joseph, der Christian und das Grethi,
der Balz und der Lunzi und das Bethli,
dann bin ich, der Klaus mit Namen
und bin der hübste von allen sammen,
ich bin auch wohl stark von Natur,
und fürcht schier Herr no Bur,
bin aber doch gar nit unbändig,
und mit dem Wiebervolch wohlverständig,
denn ich weiß ihre Fehler und Mängel schon,
sie haben insgemein eine zarte Komplexion,
da muß man wüssen vor- und nachzugeben,
sonst gibt es ein verdrießliches Leben.
Eines wird dir nüd gfalle,
ich geh nicht gern i d'Chilä,
viel lieber zum Tanz und Spielen,
sonst wär alles gut's in mir beisammen,
jetzt machs wie d' witt in Gottes Namen.
Heiratswegen bin ich einmal hier
wend aber sagst geh sofort, so wil i flieh,
wend aber sagst komm, setz dich zu mir nieder,
so kehr ich um und komm grad wieder.
ich hab gar vonnöthen, ein munteres Weib,
ich könnt es brauchen auf viele Weg,
es ist nit eben, daß bi mir leg,
grad jetzt hätti nu viel zu trösche,
auch sollte ich höchstnöthig wäsche,
auch im Kauf und Markten könntest walte,
gewiß könntest du das wohl uushalte
du wärest dich dessen schon wohl bericht,
wie man das von dir hört und sieht.
Hier folgt ein "Hausgrümpel"
aus Studen:
Ae Värs vom Samstigznacht
Guote n'Abig yer alli im Huus,
Aber d'Huusjunpfere zuom voruus,
Aes hed mier erst chürzli traumt,
I heig au seho bi dr Huusjunpfere gaumt.
Aber äs isch ä läre Traum,
Aseviel wie ä verhaglete Baum.
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I chume diräkt vo Tugge
Und tät nu gäre ä chli ine gugge,
Und nu lieber hätt'i im Sinn,
Mit dr Huusjunpfere ä chli z'wybe,
So daß! i; äs anders mal cha dr heime bliebe,
Und nächstens gan'i uf Lache,
Nu wett'i nu wüsse, Huusjunpfere,
Wieh mers au wetid mache.
I chönt Dir au säge vo Hellebarde und Däge,
Au vo mine Huusgrätschafte will dr verzelle,
I ha nu anderhalbi Chelle,
I ha scho längst eini mache welle,
Au Chindschübel und Stande,
Sind meh des gnuog vorhande.
Und het nu zwe Paar Hose, keis isch ganz,
Das ei hät ä Loch, das ander ä Schranz.
Au Sägässe, Räche und TangeI,
A söliger Rustig hani kei Mangel.
Jetzt nimmt'mi grad eine bim Bei,
Das ist äs Zeiche i söt mit'm Chlause-Verein hei,
bi ja nid ä lei,
Ich wil dr grad säge, wieviel daß üsäre sind:
Dr Meiri, dr Stoffel, dr Augustin,
dr Marti, dr Flori, dr Valänti,
dr Michel, dr Heiri, und's Gretli,
dr Balz, dr Lunzi und's Betli,
Und i bi dr Chlaus mit ame,
dr feinst und dr schönst und hübschist vo alle zäme.
Hier folgt ein Beschrieb des Bröegens in Versform von Otto
Hellrnut Lienert:
Dorffe
(lbergerisch)
Im Döürfli Stude het ä Ma
Am Samstigznacht äs Rüschli gha.
Aen alte Wittlig us um Euthel,
Chund wider einist '5 Dorfe a,
Aer mag nid hei, blybt allpot stah
Und wott nu zuerri'ne Maitel.
Heja, sä fallt's em äntli i,
I chöt birn. Bläsifranz verby,
Im Agethli gah braige.
Det stahd er jetz ä schöüni Wyl,
Doch nützt em '5 Rede da nid vil,
Kä jumpf're .wott si zeige.
20
Das Maitli ist de gwüß äs Schlimms,
As äs nid vüre mag a ds Gsims,
's wird ejä, eine binem ha,
Und wär's au bloß ä Chriesima,
Was warm gid, ist frygfraite.
1\11 mag's, mein'] chuum erbeite.
Hußjangs, sä dänkt r, Mued und Waz,
Rüöft erber lut: "Stand uf, du Schatz]
Musjiimpferli, chum vüre!
Wän du mich gsehst, bist sauft verstunt]
Glych braig dr nid, bis z'maugle chund,
Bim Husli vor dr Türe.
Bin öppe gar kei alte Chnab,
Jä näy, 's gahd nu nid bärgab.
I ha nu Gleich und .Hitze.
Gah mach und stoß dr Rigel zrugg,
Hüd einist la dr de nid lugg,
Bis ich bi diär cha sitze.
Säg jaha, Gspusli, und mach Liecht.
Bim erste Schmutz scho, wo dr miecht,
Sä köürtist d' Aengel singe.
Du wurdist mer vor luter Gfel
Aes Dächis hole uf dr Stell]
Am Aend ä Nydle schwynge.
Wie gleitig chämtist us em Bett]
Wän d' wüßtist, wer di hinecht wett!
Dr Husgrümpel
My Aeti ist ä Zainefliker!
Verloge isch, ha d' Lumpery,
Dr Vater ist ä Buremändel,
Hed mid em ganze Viertel Händel]
Ist gytig wien ä Zyslipiker!
Ae söles Züg saidär ä Schutz.
Uf einist chund ä Rägesprutz
Und trybt ene i ds Husli.
Frächs über d' Schyter gahd dr Bur,
Wott obsi bis i d' Cuggehur,
Zuem Agethli, zum Gspusli.
21
Bim Chläbdach aber blybt er stah.
Aes chund e wien ä Schwechi a,
Und 's ist em halbe gschwunde.
Dr Luft, sä hed em d'Chappe gnu.
Jetz, ejä, Seebel, heb di du,
Sust hest de ds Bei verbunde!
Uhua, Agethli, tschebrüü!
Sä gspäßig schlad's em's nu i d" Chnüü,
Aes wien im Pfarrer 's Faste.
Und äbe riglid's wie nid gschyd,
's ist, meini, eine appeghyt,
Aer lyd im Güllechaste.
Jähr Dunndersburschte, ziehnd drus d' Lehr:
Aes mögigs Maitli hed nur Ghöür,
Sälang er jung wend wybe.
Syg eine Wittlig, alte Chnab,
Mid beede gahd's halt doch raiab,
Chönd's hinder d' Ohre schrybe.
Otto Hellmut Lienert,
Das Gesagte zeigt, daß das "broege" einen positiven Zweckhat. Die
Burschen wollen um jeden Preis zur Jungfer hinein. Die negative
Form heißt "uusebroege". Sie hezweckt die Herausforderung des
oder der Burschen, die bei der Jungfer "gaumen". Diese Burschen
können nur mit schalkhaften Zurufen, Neckereien und Schmähworten
herausgelockt werden. Freiwillig tritt keiner seinen Platz
auf der warmen Ofenbank ab. Das wissen diejenigen, die im Freien
stehen aus Erfahrung. Sie wägen deshalb die Mittel nicht ab, am
wenigsten, wenn ein Fremder bei der Jungfer sitzt. Es ist darum
zu fragen zulässig, ob nicht auch die "Gantanzeige" ein solches
Mittel gewesen sei? Sie kann an niemand anders als an die
Jungfer und ihren Günstling gerichtet sein, die die Anrufe von
außen auf sich beziehen müssen, umsomehr, da es Uebung war,
die Namen derjenigen, die man in der Kammer vermutete, beim
"Broegen " in den Spruch einzuflechten. Die "Gantanzeige" beginnt
mit folgender Einleitung:
22
Gantanzeige
Auf Dicke und Dünne, Große und Kleine
Macht euch schnellstens auf die Beine!
Es wird euch hiemit bekannt gegeben,
Daß im Numero I I, drei Türen daneben
Bei Herrn Rosenlaub, Weinpanscher und Wirt
Eine große Gant abgehalten wird!
Nur prima Waren, ganz auserlesen,
Alles ist früher einmal neu gewesen.
Punkt um 7 Uhr geht's an,
Den Tag zeigen wir später an. usw.
Nach dieser Einleitung werden die Gegenstände aufgezählt, die
vergantet werden sollen, unter anderm: gefärbter und getaufter
Wein, die Ehrlichkeit, "vor Brauchen verheiht", der Verlobungsring
samt Treue, die Keuschheit Salomos, bereute Küsse, der
Geldsäckel ohne Inhalt, ein falscher Eid, Liebesgram. die 7 Todsünden
usw. An und für sich sind die Reime ein kindisches Produkt.
Sie zeigen aber doch, was ein eifersüchtiger Schalk ersinnt,
um den Gegner zu verspotten und zu foppen, um Mißtrauen zu
säen und ein Verhältnis zu lockern. Wenn der oder die Angerufenen
antworten und auf die Gasse kommen, sind gefährliche
Schlägereien unvermeidlich.
In Meinrad Lienert's "Nachtbuobeliedli" ist die Sachlage gekennzeichnet.
Es heißt dort:
Und hüt bini g'gräched
hüt isch mer um 's schlo,
und wer mi will b' herre,
där söll mer verko!
Jahuhuhui!
Haarus, über alli Dächer usl
Der Brauch mit dem "Heirats brief" bezw. "Hausgrümpel" hat bei
uns ein ansehnliches Alter. Diesbezügliche Schlüsse lassen sich
aus einzelnen Stellen des ersten Manuskriptes ziehen, das schon
vor ungefähr 50 Jahren von einem ältern Manuskripte abgeschrieben
wurde. I. Kapitalbesitz und Zins werden mit Gulden und
Schilling angegeben. Das ist die Geldeinheit, die für die alten
Gülten maßgebend war. 25 alte Gulden Kapital wurden mit 37
neuen Gulden und 20 SChilling oder Fr. 43.95 Rp. Kapital mit
Fr. 65.92 Rp. bar ausgelöst. Die Guldiwährung dauerte bis zur
Einführung des eidg. Münzfußes am 17. Juli 1851. 2. Es ist von
Degen und Hellebarde die Rede. Der Degen war im 18. Jahrhundert
ein Bestandteil der Mannsausrüstung, z.B. auch der
hiesigen Sennengesellschaft. Unter Hellebarde ist hier die Schlagwaffe
zu verstehen, mit der bis 1798 der Landsturm ausgerüstet
war. Indem der Freier diese Waffen nennt, will er sagen, er besitze
die landesübliche· Mannswehr. 3. Bei den ausgewiesenen
Hausgeräten befinden sich Trettwiege und Dreifuß. Der Dreifuß
ist eine Eisenpfanne mit 3 angeschweißten schmiedeisernen Füßen.
Diese beiden Haushaltgegenstände gehören der Vergangenheit an.
4. Ferner werden genannt: Werchhächeln, Gaiß, Hanfrätschen
usw. Das sind hausgewerbliche Geräte, die sich auf die Leinenweberei
beziehen. Sie ist schon in den 70 er Jahren erloschen.
5. Der mundartliche Ausdruck "Hastet" für "Hofstatt" ist sehr
alt. In der Amts- und Umgangssprache des 18. Jahrhunderts bedeutete
"Hofstatt" gleichviel wie Liegenschaft. 6. Auch die Eigen-
23
namen Baschi, Lunzi, Wändl, Balz und Hele sind alt. 7. "Sauft"
ist ein früher viel gebrauchter Provinzialismus und bedeutet "wenigstens".
"Sauft ä so viel" heißt also "w~nigstens soviel". 8. Die
Fremdwörter "Kamisol" und "Komplexion" erinnern an die Zeit
der französischen Invasion um 1798. Die nachfolgende Helvetik
hat viele aus der. französischen Sprache abgeleitete Wörter in die
einsiedlische Amts- und Umgangssprache eingebürgert.
Das "Jüchsle", umschrieben das .Jcögelnde jäuchzeln", von dem
vorstehend die Rede ist, lautet jijijiii. Man denke an zwei mit
ho her Fistelstimme, viermal im Wechsel schleifend gesungene
Töne, die wie das Wiehern eines jungen Hengstes klingen. Diese
aufdringlich neckischen und schalkhaften Laute gelten als Herausforderung
an gegnerische Burschen (Rivalen), die zwar noch
nicht gesichtet sind, die man aber hinter irgend einer entfernten
Gadenfesti wittert. Diese erwidern von dort her den Ruf. 'Nenn
Weibervolk bei jungen Männern sitzt, als nächste Folge der beim
"Dorffe" gemachten Bekanntschaften, z. B. auf der ländlichen
Tanzdiele wird der Jauchzer "jijijiii" ganz spontan bisweilen auch
von jungen Frauen und Mädchen ausgestoßen. Das Jüchsle hat
also keine Bewandtnis mit dem landläufigen Jauchsen des Sennen
auf der Alp oder des Melkers im Stall oder gar mit dem des
Fuhrmanns, der die friedliche Melodie mit lässigem .Peitschenkläpfen
vermischt. Das Jauchsen verrät etwas Insichgekehrtes, das
keine Hörer voraussetzt, während das "Jüchsle" immer in der
Richtung eines andern Tisches erfolgt, von wo man den gleichartigen
oder sogar einen übersetzten Widerhall erwartet. Der
ortskundige Tanzschenker kennt in der Regel diese Läufe. Er
versteht es, nötigenfalls die heikle Stimmung zu dämmen, indem
er rasch entschlossen in die Hände klatscht und der Ländlermusik
auf der Geigenbank zuruft: "Gend ene nu eine!" Normalerweise erfolgt
dieser Zuruf aber nicht dann, wenn der Tanzschenker die
heikle Stimmung unterbrechen, sondern wenn er die fröhliche
Stimmung heben will. In bei den Fällen greifen die Spielleute sofort
zu den Instrumenten. Schon nach den ersten Takten wendet sich
der Tanzschenker neuerdings an sie und ruft: "Zoge, Zoge!"
Dann eilen die Männer auf die Mädchen zu, nehmen sie bei der
Hand, greifen ihnen mit Kammgriff unter den Armen durch,
halten sie mit den flachen Händen beidseitig auf Schulterhöhe
fest. und "stübed eine zuo". Aus der Mitte der Tischgenossen
lassen sich die primitiven Laute "uh tä tä", auch "gie tä tä"
(im Ybrig "jangs" oder "janx", "ßo, ßo" (eben so!) vernehmen,
als Deut an dieses oder jenes heißbrünstige Paar auf der Tanzdiele,
daß man die Entwicklung und das reifen der Beziehungen
beobachtet. Die Zurufe deuten unzweifelhaft auf .Jäcke" oder
"schmützle", d. h. "zärtlich und zugriffig sein" hin und bezwecken, ,
dem Paar zuzustimmen und es noch zu animieren.
24
Wenn sich die Tanzlokale gegen den Morgen hin lichten, was man
"uusplampe" nennt und der Wirt sich anschickt, Feierabend zu
'machen, hört man häufig' ein einstimmiges Jauchzen, mit dem
einige Bauern ebenfalls spontan anheben, die am gleichen Tische
beieinander sitzen und noch nicht gewillt sind heimzugehen. Dieser
Jauchzer wird von den Dörflern wegen seiner unübertrefflichen
Primitivität spöttisch "Chüedräckler" genannt. Wenn die Bauern
beim Morgengrauen, (sie sagen "äs maugled") in kleinen Gruppen
heimwärts ziehen, jauchsen sie den "Horgebärgler" (Horgenberg
und Birchli bilden Oberbinzen). Er ist ebenfalls primitiver Art.
Man kann von ihm sagen, er sei der Kuhreihen unserer Viertelsbauern.
Diese bei den Jauchzer werden Name und Melodie noch
lange behaupten, da niemand eine Kultivierung anstrebt, auch
keine gefehlte. Die Kultivierung würde nämlich die Eigenart zerstören
und eine Mischung des Herkömmlichen mit Erkünsteltem
erzeugen, die sich z. B. in neuen Jodelliedern bemerkbar macht.
Ich hörte neulich eine begabte Jodlerin ein Jodellied mit dem
stilisierten Auftakt tra-le-la, tra-le-la, tra-le-la singen. Etwas Gesuchteres
kann man sich kaum vorstellen. Das ist nur ein Beispiel
von denen, die sich etwa auf Programmen der Wirtschaftspodien
hervortun. Für Musiker wäre es eine dankbare Aufgabe,
fremde Namen, Texte und Melodien, die unter dem Begriff
"Schweizerjodler" umgehen, sprachlich und musikalisch zu beleuchten
und in klare Grenzen zurückzuversetzen.
Emil Lienert und Meinrad Ochsner haben sowohl den "Chüedräckler"
als auch den "Horgebärgler" abgelauscht.
Chüedräckler. (Im Wirtshaus gegen Feierabend).
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De dele deIe de-le de-la de de-la de de-le de-Ia de de-la de
I@~r JJ iJ 1J J)1J ~
de de-le de-le de-Ie de-la de de-la de
Nach
Mrd. Ochsner.
de-la de-la de-la de.
Nach Emil Lienert.
Bei den Bauern und Bäuerinnen, die jauchzen können, ist es
Brauch, den kleinen Finger einer Hand in den Ohrkanal zu stecken,
um sich besser zu kontrollieren, ob sie die Töne rein und zusammenklingend
geben. Im Grunde schätzen unsere Bauern das
Jauchzen, aber sie pflegen es selten. Daß sie es als bäuerliche
25
i=
Spezialität betrachten, beweist unter anderm folgende Uebung ..
Wenn z.B. an der Chilbi ein fremder Gast im bäuerlichen Wirtshaus
sitzt und sich mit den Bauern einläßt, kommt es häufig vor;
daß etwa ein alter oder junger Bauer oder ein risthaariges.
Mädchen animiert wird, dem Fremden eins vorzujauchzen. Zollt
er Beifall, was schicklicherweise von ihm erwartet wird, hat er
Horgebärgler
l&l,n-
De-le de· i - e de· i - e de- i - e de, de-le de- i - e· de -le-de
I@'_
de - i - e le,. de-le de -i - e de -i - e de -i - e de, de-le
-de -i - e de -le-de - ie De - i de-le de de - i de - le
de de le-i-e de-Te-ie de v
de-Ie de, de - i -de-le
de, de
de-le
de, de de-li - e de-le-de - ie.
Nach Meinrad Ochsner.
allsogleich Gelegenheit, die Uebung wiederholt, aber immer in der
gleichen primitiven Modulation zu hören. Das gute Einvernehmen
des Gastes mit den Bauern kann im Ibrig noch andere Beziehungen
zeitigen, z.B. indem er zum Häggle (Fingerziehen) aufgefordert
wird. Man bietet ihm, um die vermutete Ueberlegenheit der
Bauern zum voraus zu bekunden, den Zeigfinger oder entgegenkommend
sogar den kleinen Finger gegen seinen Mittelfinger, in
dem die größte Kraft steckt. Unterliegt der Gast, dann werden
die bäuerlichen Gesichter verklärt. Man macht einige schalkhafte
Bemerkungen über die verweichlichten Dörflig und Städter, deren
Niederlage als Selbstverständlichkeit betrachtet wird. Siegt der
26
Gast, dann hat er zu gewärtigen, die Uebung mit andern Zugriffigen
wiedetholen zu müssen. Das Erlebnis, an einen Stärkeren
geraten zu sein, macht den Bauer übelgelaunt und es ist dann ev.
klug, wenn der Gast die Gastfreundschaft mit einem Budel (Deziliter)
Schnaps oder einem Liter Wein über den Tisch besiegelt.
Die größte Fertigkeit im Häggle ist übrigens nicht den Bauern,
die sich am häufigsten darauf berufen, vorbehalten. Am schwei-
Horgebärgler.
(Auf der Benne beim Torfführen).
~JJ~JJ
De li de li de li de je
]lJ jJJ J
de li de le i de
jJ
I&;# J ~ r ~ J J b0 J j@
li de le de li de 1i de li de je - - de
li de le
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de lL-. Hol-di-re li de
[@#J Jb#ÄL~J. ,lJ
li - e li- de li - e li de li - e li hol - di - re
li - de li je li de li - e li i de li__ .
Nach Emil Lienert.
zerischen Trachtenfest 1929 in Einsiedeln hat sich bei den Wettübungen
an der Aelplerchilbi erwiesen, daß die Schuhmacher
gute Häggler sind, weil ihr Beruf die Finger stark ausbildet.
Im geselligen Leben der Aelpler fehlt es auch nicht an originellen
Ausdrucksmitteln friedlicher Stimmung. Das beweist das "Chäszänne"
(Fratzen schneiden), das noch segen das Ende des letzten
Jahrhunderts gäng und gäb war. Die Alpler tun Heiligtags oder,
wie sie zu sagen pflegen, "hundsweise" gelegentlich Werktags
entweder "äs Fänzmuos" (Mus mit Nidle) oder "ä Stunggewerni"
(Muus mit Anke) über, sitzen auf den Melkstühlen um die "WäIIgruob"
und löffeln, bis ihnen die Fäissi" (Fett) aus den Mund-
27
winkeln tropft, .Jürgged äs Dächis" (Schnapskaffee) dazu und
nebeln Rollentabak. Dann fühlen sie sich mählich zum Chäszänne
"prättig" (pret-bereit-reif). Sie verziehen die Gesichtszüge zu häßlichen
Fratzen und versuchen, sich darin gegenseitig zu überbieten.
Die geschickten Chäszänner sind heute so selten, wie die
nichtrauchenden Bauern. Da Häggle und Chäszänne keine in Einsiedeln
heimische Uebungen sind, betrachten wir sie nicht näher.
Aber das "Baknäble" ist ein unzerstörlicher Zeitvertreib auch unserer
Bauern. Unsere Bauern rauchen in der Regel den groben Rollentabak,
die sog. "Schweizerrollen", die sie mit dem "Hegi" auf
dem Tisch schnetzeln. Sie stopfen damit das Schwyzerpfyffli, am
liebsten das gebogene, das im Gegensatz zu der Pfeife mit dem
geraden Stiel, sogar bei der Arbeit bequem im Mundwinkel sitzt.
Man trägt es mit dem Pfeifenkopf nach unten gerichtet. Die
Schwyzerpfyffli sind mit Silberornamenten beschlagen. Der cyselierte
Deckel hängt an einem Ketteli. Der alte "Baksack" aus
Weißleder, den man selten mehr sieht, war aus 3 Taschen zusammengesetzt.
Eine Tasche nahm den Tabak, die andere den
Feuerstein und Zündschläger, die dritte den Zundel auf. Diese
Zündart widersteht bekanntlich dem Wind. Aus dem gleichen
Grunde kann bei unsern Bauern neben dem Schwefelhölzli kein
modernes Feuerzeug aufkommen. Man schätzt das SchwefelhölzIi
aber auch darum, weil man es an Schuhsohle und Hosenhinter
entzünden kann.
Bis um 1890 herum war auch das "Bakschnupfe" im Volke stark
verbreitet. Nicht umsonst behauptet hier das Nastuch immer noch
seinen bodenständigen Namen. Es heißt nämlich "Schnupftuoch".
Die alten Bauern und Bäuerinnen schnupften den schwarzen
Schwyzertabak, den sie in einer rechteckigen Horndose genannt
"Bakbuote" (von boite-Schachtel) auf sich trugen. Der Bauer
der unterwegs ein Gespräch anknüpfte, nahm zuerst die Tabakdose
aus der Hosentasche heraus und hielt sie mit den Worten her
"Nend ä Priese: ... nend eini!". Der andere durfte diese heimelige
Geste nicht abweisen. Er griff zu, indem er in den Bart hineinbrummte:
"Mir wend dänk au eini stämme" (hinaufschieben).
Die alten Leute behaupteten, das Schnupfen erhalte die Sehkraft.
Schön. Nun haben wir einen kurzen Blick in das gesellschaftliche
Leben unserer Bauern getan. Beim Jassen und Trinken, beim
Chilten und Tanzen, beim Häggle und Chäszänne wird also
sonderheitlieh fleißig genebelt. Man stützt die Ellbogen hemdärmlig
auf den Tisch und behält bis zum Gehen den schwarzen
Filzhut auf dem Kopf. Man schneuzt, hustet und speiht ohne \
Vorbehalt. Ist das manierlich? Nein, das ist ungeziert. Diese Art
sich umzutun, muß als Mitläufer des sprichwörtlich bekannten
Bauernstolzes betrachtet werden, dem alleinigen achtbaren Stolze,
der mit Berufsstolz fast identisch ist.
28
Wir folgen nun dem Kalender, den die ältesten Leute "Pratig"
nennen, und nähern uns der feierlichen Zeit des Agathabrotes
und den zahlreichen Bräuchen, die sich um das Osterfest scharen,
wie Palmen- und Wydlitragen, Ostertauf holen, Ostereier suchen
usw. Will man diese Bräuche recht verstehen, müssen sie in erster
Linie nach ihrer religiösen Bedeutung beleuchtet werden. Ein
Berufener wird dies später in Verbindung mit vielen andern religiösen
Bräuchen tun.
Wir streifen hier das Volkstümliche nur allgemein.
4. Aga t hab rot hol e n. Am Feste der hl. Agatha wird zu ihren
Ehren Brot gesegnet. Das Agathabrot ist im Volksmunde gegen
Feuersbrünste gut. Die Bäckermeister tragen am Morgen des Festtages
einige Körbe voll Paarmütschli und Schilte zum Meinradsaltar.
Der Priester segnet dort das Brot. In der Regel verkauft man
es nachher gleich vor der Kirchentüre. Was bleibt, wird in den
Bäckerladen zurückgebracht und zur Verfügung derjenigen Kunden
gehalten, die es bestellt hatten. Die Frage nach Agathabrot ist
jetzt noch stark verankert.
5. Agathakerzli abbrennen. Gleichzeitig mit dem Agathabrot
segnet die kath. Kirche am Agathatagdie sog. Agathakerzli.
Es sind gelbbraune Wachskerzeherr in der Größe eines Bleistiftes,
unten mit einem Muttergottesstempel bedruckt. Man kauft sie unter
diesem Namen bei den Wachswarenfabrikanten. Am Abend versammeln
sich alle Familienangehörigen um einen Tisch. Die
Mutter steckt für jedes ein Kerzchen auf ein Brett und zündet sie
gleichzeitig an. Dann beginnt man den Rosenkranz zu beten.
Normalerweise brennt ein Kerzchen bis zum Schlusse des Rosenkranzes
ab. An. der Reihenfolge des Erlösehens wird dann im
Kindermund die Reihenfolge des Sterbens der Familienangehörigen
vorausgesagt. Der Brauch wird nicht mehr so häufig gepflegt,
wie früher, da er in leichtgläubigen Kinderherzen Wehmut und
Angst erzeugt.
Wenn eine Feuersbrunst ausgebrochen oder ein schweres Gewitter
im Anzug ist, ist es Brauch, in der Stube eine am Agathatag
geweihte Kerze anzuzünden und Weihwasser zum Fenster
hinaus zu streuen, um Unheil abzuwenden. (Die Bedeutung des
Wetterläutens wird später bei der Behandlung der "Segnungen
und' kirchlichen Bräuche" erklärt.) .
6. Die S t. Aga t ha f eie r der Fe u e r weh r. Früher ehrte
die freiwillige Feuerwehr am 5. Hornung ihre Schutzpatronin,
die hl. Agatha, indem sie sich am Morgen in geputzter Ausrüstung
vor dem Spritzenhaus versammelte, die Marschordnung
'nach Föhnenwachen bildete, Offiziere an der Spitze, Unteroffiziere
29
am rechten Flügel ihrer Gruppen, in die Kirche zog und dort einer
hl. Messe beiwohnte. Um 1895 herum kam dieser Brauch außer
Uebung. Man glaubte, der Schutzpatronin auf eine andere gefälligere
Art die Ehre antun zu können, indem man eine weltliche
Abendfeier veranstaltete. Die Feuerwehrleute versammelten
sich in einem Wirtshaus, machten sich hinter Rippli und Sauerkraut
und ein Faß Bier. Der Kommandant hielt eingangs eine
kurze Ansprache, in der er die feuerwehrmännischen Eigenschaften
pries. Dem Lobspruch und dem Schmaus folgte die Gemütlichkeit.
Dieser Brauch hat sich nicht ausgelebt. Er wird vollzogen,
wenn die Feuerwehrkasse imstande ist, einen Teil der
Kosten zu decken. Nein, die Feier wurde bisweilen auch abgehalten,
trotzdem die Kasse leer war. In diesem Falle mußte jeder
Teilnehmer eine oder mehrere Föhnenwachen soldfrei machen.
(Unter Föhnenwachen versteht man vier nächtliche stündige feuerpolizeiliche
Patrouillen durch die Dorfgassen und Winkel bei
starkem Föhn im Winter). Es kam vor, daß wenn der Föhn
häufig blies, sodaß öfters Wachen organisiert werden mußten,
das Soldtreffnis pro Mann und Nacht nur noch 50 Rappen betrug.
Saurer hätte man den alten Brauch um das fette Rippli nicht abverdienen
können. Und nun die Frage: Religiöse oder weltliche
Feier? Hier gilt der Spruch "Das eine tun und das andere nicht
lassen". Ich kann aus Erfahrung sagen, daß beide Bräuche den
Korpsgeist der Feuerwehrleute anregen und die Vorzüge des freiwilligen
Dienstes ergänzen.
In diesem Zusammenhang möchte ich an den Jörgenumgang erinnern,
der mit den Reliquien von Einsiedeln gehalten wird und
durchs Dorf zieht. Er wurde infolge des großen Brandes 1577
als Bitt- und Bußübung eingeführt. An dieser Prozession sollten
alle Abteilungen der Feuerwehr des Dorfkreises in der alten
Zugsordnung teilnehmen. Abgesehen davon, daß die Erhabenheit
des Feuerwehrdienstes bei allen vernünftigen Menschen unbestritten
ist, würde sich die Feuerwehr mit der Teilnahme an der
St. Georgsprozession, was 1934 geschah, noch mehr Respekt verschaffen.
7. Fa s t n ach t ei nlä u t e n. Während Frauen und Kinder in
Scharen am Tage vor Dreikönigen mit Kesseli und Flaschen in
der Klosterkirche gesegnetes Weihwasser holen und heimtragen,
ertönt in der Dreikönigennacht nach dem Ausklang der zwölf
Glockenschläge auf uns ern Vierteln wildes Senntentrychlen- und
Schellen geläute, Hornblasen, Geißelkläpfen und Schießen. Die
Schläfer drehen sich um, murren oder lachen und sagen dann
halbleise: "Aha, sie läuten die Fastnacht ein". Das laute Treiben
der jungen Burschen dauert in der Regel bis zum Morgengrauen.
Der Brauch wird am Fastnachtsonntag nach Mitternacht auch im
3°
h
.Dorf ausgeübt. Bis um 1890 stellte sich hiefür fast immer ein
'Organisator als Führer. Führen heißt in diesem Falle vorsorgen,
-daß bei der Sammlung alle Größen Senntentrychlen, Kuhschellen,
Rinder- und Geißkloben usw. vertreten sind, daß die Teilnehmer
.zusammen anschlagen, die Runde mit kurzem Halten durch alle
.Straßen machen und die Uebung nicht zum Ueberdruß der
Schläfer ausdehnen .
.8. S ü ud i lau f e n. Der schmutzige Donnerstag, d. h. der
Donnerstag vor der Herrenfastnacht, ist hierorts der erste Fastnachts
tag, an dem das öffentliche Maskengehen erlaubt ist. Ein
Freudentag der Jugend! Buben und Mädchen legen entweder ein
.altes Gwändli oder ein Phantasiekleidehen an und, da Schulpflichtige
keine Larven tragen dürfen, verköhlen oder bemalen sie
.das Gesicht oder vermummen sich mit einem Schleier oder Tuch.
Sie haben es hauptsächlich auf das Verulken leiblicher Uebel-
-feilheiten abgesehen, z. B. den .Hogr', die .Bränznase', das ,Zahndgschwär',
den ,Schmärbuch', das .Hülpibei' usw. In der Dar-
-stellung beliebt ihnen am häufigsten die Hochzeit, nicht selten
gleich in Verbindung mit der Taufe und der Beerdigung. Von den
-Gebrauchsgerätschaften müssen am meisten das alte "Paritach"
(Parapluie und Parasol zugleich), das in allen Formen gezeigt wird,
.die Kindschaise, Strohhüte, das schwarze Kapothütlein der 70er
Jahre, der rotbeigefarbig gemusterte Parisershawl, Rücken- und
Armkörbe, Fuhrmannsblusen und alte Militäreffekten herhalten .
.Sie ziehen so von Haus zu Haus, hauptsächlich in die Läden, wo
-sie ein kurzes Sprüchlein aufsagen, das folgendermaßen lautet:
I bin ä chlyne Fastnachtsstumpe
und ha so churzi Bei.
Gemmer au es Füferli,
so chan li wiedr hei.
.Auf das hin bekommen die Kinder einige rappige Schafböcke
(Gebäck) oder kleine Guoteli. Das Herumziehen dauert bis zum
.Betglockenläuten.
Der schmutzige Donnerstag bietet aber auch den halbgewachse-
'nen Burschen die ersehnte Gelegenheit, sich im fastnächtlichen
Uebermut, der seit der Entlassung aus der Volksschule zügel-
-freier ist, zu ergehen. Sie holen von der Winde herab alten
Kleiderplunder, je bunter und je garstiger desto lieber, kleiden
sich damit ein, ziehen eine aus Papier selbstverfertigte fratzen-
.haft modellierte Larve an, rüsten sich mit Trychlen, Schellen,
Kloben und Lärminstrumenten aller Art aus, die eine wilde Vieltönigkeit
erzeugen, und ziehen nach Schluß der Neunuhrmesse,
.aus der die Schulkinder neugierig ins Dorf hinunterfluten, scharenweise
auf die Straße. Man nennt diese fastnächtlichen Gestalten,
.ihrem Tun und Aussehen entsprechend, Sühudi. An ihrer Spitze
31
läuft ein von einem Fuhrmann an der Kette geführter, langgehörnter,
großer Teufel, der die Kinderscharen durch hastige
Kreuz- und Quersprünge erschreckt und mit einer vorgehaltenen
Mistgabel auseinandertreibt. Andere traditionelle Figuren sind:
I. Der (in der Mundart das) Domino, ein weites und langes
zeremonielles Kapuzenkleid aus billiger geblumter oder gestreifter
Persiane, das man noch in den ooer Jahren in der Maskengarderobe
je nach Ausstattung für 10 bis 15 Batzen pachten konnte.
Man trägt dazu eine schwarze Halblarve in Samt, an der ein
schwarzes Tüchli hängt, das Mund und Kinn deckt. Seither haben
wachsende Ansprüche dem Domino mit buntem Samt- und Seidenbesatz
Eirigang verschafft. Das Domino ist offenbar venezianischen
Ursprungs. Seine Rolle ist einfach zu spielen: Bedächtig einherschreiten,
die Hände auf den Rücken legen und im Vorbeigehen
bei diesem und jenem Zuschauer intrigieren. 2. Der Buur mit der
bemalten Drahtlarve vor dem Gesicht, einem "Ipspfyffli" im
Mundwinkel, einer Kuhschelle am Rücken, mit einem goldenen
Ringlein am Ohr und mit dem Roßfisel in der Hand. Er trägt ein
aus den I820er Jahren mangelhaft überliefertes ländliches Festtagskleid,
nämlich schwarze Kniehose aus Samt statt Tüchli,
weiße gestrickte Strümpfe mit quadratischem Muster, rotes Lacet
als Strumpfband, gestärktes weißes Hemd mit Umlegkragen,
bunt geknüpfte Krawatte, Stramingurt und -hosenträger, schwarze
Züttelkappe aus Seide. Die Drahtlarve wird aus feinem Drahtgeflecht
gestanzt und nachher bemalt. Die Maske hat einen
jugendlichen Ausdruck. Sie ist mit einem gepflegten Schnurrbart,
dessen Spitzen aufwärts gerichtet sind und mit einem kleinen
Kinnbart ä la mousquetaire, 18. Jahrhundert, "Mücke" genannt,
versehen. Die Drahtlarve wurde einst hauptsächlich aus Sparsamkeitsgründen
den Papier- und Wachslarven vorgezogen, da sie
Jahr und Tag aushält. Noch gegen das Ende des letzten Jahrhunderts
waren die Buren mit der Drahtlarve auf allen Tanzdielen
der Dorffastnacht zahlreich vertreten. Jetzt fühlen sie sich
von den modemen weiblichen Masken zu wenig beachtet, sowenig
wie die Dominogestalten, die mit auf dem Rücken gekreuzten Händen
schwerfällig im Saal einherschreiten. Im Hintertale haben sie
noch Geltung. Mit dem Verschwinden der traditionellen Masken
verarmt die figürliche Originalität der Fastnacht. 3. Die alte
bucklige und sonstwie übelfeile Hexe in abgetragenen Kleidern der
I870er Alltagsmode. Sie ist eine ausgesprochene Spottmaske,
deren Ursprung in die Zeit der Hexenprozesse zurückführen kann.
Der Spott auf Alter und Uebelfeilheit spielt an unserer Fastnacht
eine beliebte Rolle. 4. Der betrunkene Fuhrmann mit großem
Filzhut in eine Spitze gedrückt, nach der Art der Fecker oder
Altrnatter Fuhrleute, hellblauer Bluse und kurzen Rohrstiefeln.
5. Der Hörelibajaß in weißer Haube, Jacke und Hosen mit Drei-
3 2
eckspitzen, an denen kleine Messingrölleli hängen. An der Haube
.wackeln drei plumpe Höreli aus rotem Stoff, an denen ebenfalls
Rölleli hängen. Er trägt eine weiße Narrenlarve und schwingt
'eine Schweinsblase an einem Stecken oder schlägt mit einer
Pritsche auf die flache Hand. Domino und Bajaß sind die ältesten
Zeugen der Herrenfastnacht. Im Fastenmandat "der 3 Herren"
vom Jahre 1794 wird der Bajaß mit dem Provinzialismus "Harligaing"
bedacht. Er muß sich durch neckische Bocksprünge hervortun.
6. Der Näpeler, ein ausgedient er Soldat aus neapolitanischen
Diensten oder aus der französischen Legion in nachlässig
getragener alter Montur. 7. Der Altvater, eine harmlose Bühnenfigur,
Fasson Rokoko, mit einer langen Tabakpfeife im Mund.
Er knüpft da und dort mit Bekannten ein ratspendendes Gespräch
an und drückt sich dann geräuschlos. 8. Der Ritter, Fasson 17.
Jahrhundert, der aus städtischen Verhältnissen, d. h. aus dem
Züribiet heraufgekommen sein kann. 9. Das Kalb, eine Maske,
die der Vergangenheit angehört. Möglicherweise steht der volkstümliche
Ausdruck "s'Chalb mache" im Zusammenhang. Ueber
diese Maske schreibt M. Ochsner im "Einsiedler Anzeiger" No. II
des Jahres 1899 folgendes: "Am 9. Juli 1696 beklagten sich Ratsherren
auf dem Lande, daß, als an der Auffahrt die Zuger mit
Kreuz kamen, auf dem Rathaus ein Mann mit der Kalbsmaske
auf dem Kopfe einen Narrentanz auf den "Trummen" aufgeführt
habe. Das unschickliche Ereignis habe den Pilgern großes Aergernis
gegeben." Man habe es mit jener .Larve in Kalbsgestalt zu
tun, gegen die schon das trullianische Konzil von 692 einschritt,
die auch in den gallikanischen Beichtbüchern erwähnt sei und
die bis weit in das letzte Jahrhundert hinein auch in England
beliebt gewesen sei." Das Rathaus war Zeughaus und Tanzdiele.
Möglicherweise wurden dort auch gewisse Fastnachtsrequi.siten
aufbewahrt. Anders könnte man sich das Auftreten einer Maske
an der Auffahrt gar nicht erklären. Ein toller Brauch, der aber in
den 70er Jahren aus einleuchtenden Gründen verboten wurde,
war, sich an der Fastnacht in braunen Kapuziner- und schwarzen
Waldbruderkutten zu belustigen. An der Herrenfastnacht erscheinen
die Sühudi von neuern.
Den Sühudi gelingt es mei.stens, die ihrer Rolle entsprechenden
Gebärden zu finden. Diejenigen, die Trychlen, Schellen, Kloben
oder Gerölle tragen, machen starke, fast ausgelassene Bewegungen
mit den Hüften, diejenigen, die mit Schweinsblase oder Besen
ausgerüstet sind, tun sich durch lebhafte Bein- und Armbewegungen
hervor, maskierte Bauern vom Land geben häufig blöckende
Tierlaute von sich usw. So bilden sich bestimmte, immer wiederkehrende
Formen heraus. Es muß auffallen, daß die Gangarten
der Sühudi bei der Jugend, die die Gebärden der Alten genau
beobachtet, in der Nachahmung demonstrativer sagen wir mit
33
Bewegungen ausfallen. (Was die Gangart anbelangt, kann man
eine besondere Angewöhnung auch an folgenden Alltagsfiguren
beobachten: beim Bauer, der die Milch in die Hütte trägt, beim
Fischer, der mit seinem konischen Wassertansli den Bach entlang
läuft, beim Arbeiter, der die Schweinstränke in den Häusern holt
und beim Aelpler, der einen Sommer lang auf ,den Holzböden
geht.)
In den Morgenstunden weichen die kleinen und großen Kinder,
namentlich aber die Mädchen, die von den Sühudi mit Vorliebe
verfolgt werden, ihnen ängstlich aus. Gegen den Abend hin
werden sie mutiger, laufen ihnen sogar nach, werfen ihnen
Schneeballen an und beginnen, sie sogar zu necken, indem sie
ihnen zurufen "hei hei uszieh l". Dabei ist es gar nicht die Absicht
der Mädchen, die Hudi zu vertreiben, sondern sie wollen von .
diesem und jenem bekannten Burschen beachtet sein. Ein ähnlicher
Vorgang spielt sich am letzten Fastnachtstag (Dienstag)
beim Zunachten ab. Wenn sich als Sennen maskierte Bauern auf
den Straßen herumtummeln, rufen ihnen die Dörflig zu ),hei mit
de Bure!" Dieser Zuruf ist in der Regel nicht scherzhaft gemeint
und wird auch nicht scherzhaft aufgenommen. Er kann der
Anfang zu Handgreiflichkeiten sein. Es kommt hin und wieder
vor, daß arme Bauern an der Fastnacht etwas verdienen wollen.
Sie richten irgend ein Stellwerk mit Figuren her, das sie in eine
Kiste verschrauben, nehmen diese an Riemen oder Schnüren auf
den Rücken, gehen in die Privathäuser im Dorf und lassen das
Stellwerk laufen, indem sie dazu handorgeln, insofern nicht schon
der Inhalt der Kiste irgend ein Musikautomat ist. Den Dörfligen
erscheint die Darbietung nicht so interessant, wie die Bauern annehmen.
Dennoch geben sie ihnen einige Batzen. Dann bedanken
sich die Produzenten mit verstellter Stimme und ziehen ins nächste
Haus ab. -
Ein Fremder, der unsere Fastnacht zum ersten Male betrachtet,
wird fragen, ob das Sühudilaufen der Schuljugend nicht gute
Sitten verderbe. Das ist normalerweise nicht zu befürchten. Man
weiß, daß dem Austoben in der Regel eine große Ernüchterung
folgt. Unter dem bunten Plätzlikleid und der räudigen Larve
kann sich ein gutes Menschenkind unverderblich behaupten, wenn
es will. Als Beispiel diene: Ein Drittkläßler verkleidete sich als
Teufel, sprang in den Straßen kreuz und quer, hielt jedem, ob
Groß oder Klein, drohend die Gabel vor und stieß lang ausgedehnte
tierische Laute aus, als wollte er 'versuchen, den dämonischen
Heißhunger nach menschlichen Seelen zum Ausdruck zu
bringen. Da kam der Ortspfarrer des Wegs. Der kleine Teufel
sah ihn, stutzte einen Augenblick, sprang auf ihn zU z gab ihm
die Hand und sagte.... "Globt sei jeskrist". Gute Alltagsgewohnheiten
halten die Ausgelassenheit ordentlich im Zaun.
34
'9. B rot aus w e rf e n. Die originellste :Maskengruppe, Johee,
Mummerie und Hörelibajaß, die sich am Fastnachtdienstag durch
die Dorfstraßen bewegt, läßt sich in Verbindung mit der Sitte
des Brotauswerfens bis ins 17. Jahrhundert zurück verfolgen.
Der Johee stellt einen breitschultrigen Sentenbauern in der Festtagstracht
der Jahre um 1820 dar. Die bartlose Holzlarve mit
schwarzer Tüchliperücke zeigt einen wehmütigen Gesichtsausdruck.
Am breiten Leibgurt des Johees hängt eine schwere, große
Sententrychle. In der rechten Hand trägt er an einem schwarzrot
bemalten Stock den Tannenreisbesen. Der Mummerie stellt einen
schlanken Fuhrmann dar. Die Holzlarve, die mit einem gepflegten
Schnurrbart und einem kraushaarigen Backenbart versehen ist,
verrät einen übermütigen Gesichtsausdruck. Ueber die rechte
Schulter des Mummeries hängt ein breites Pferdegeröll. Mit der
rechten Hand schwingt er einen Roßschwanz über dem Kopf.
Der Mummerie trägt ein rot-gelb-schwarz gewürfeltes (jetzt meist
gestreiftes) Tüchlikleid, um den Hals eine Mühlsteinkrause des
Barocks, einen Filzhut mit Feder und 3-farbigem Band. Die künstlerisch
geschnitzten Larven stammen v. Modelleur Fuchs (um 1800).
Im Volksmund wird die Bedeutung der beiden Fastnachtsfiguren
folgendermaßen erklärt: Da der Senntenbauer auf den Welschlandfahrten,
die das eine Mal Gewinn, das andere Mal Verluste
brachten, Hab und Gut verlor, d. h. verlumpte, so daß er weder
Vieh noch Stall besitzt, gürtet er die Trychle der Leitkuh selber
um, kehrt mit dem Besen das Heimwesen aus und zieht mit betrübter
Miene außer Land. Der Mummerie hingegen ist im Volksmund
ein ausgepfändeter Roßhändler, der sein Vermögen ebenfalls
entweder beim Welschlandfahren verlor oder zu Hause
leichtfertig verbrauchte. Da er keine Pferde mehr besitzt, hängt
er das Pferdegeröll selber um, preßt den Roßschwanz als letzten
Zeugen seines ländlichen Marstalls in die Faust und zieht mit
liederlicher Gleichgültigkeit in die Fremde.
Die Rollen des Johees und des Mummeries müssen rassig gegeben
werden, ansonst sie sich der .geschickt konstruierten und volkstümlich
gemachten Auslegung entfremden. Der Aufzug gestaltet
sich folgendermaßen. Drei Joheen laufen geschlossen nebeneinander.
Sie wippen auf den Fußspitzen den plumpen Körper schwerfällig
auf und ab, als ob es gälte, das Hin und Her des Jawortes
im Kuhhandel anzudeuten. Im kurzen Schlag der Trychle ist
alsdann das bedächtige Gehen der Leitkuh erkennbar. Die leichtfüßigen
schlanken Mummerien hingegen, in der Regel vier an der
Zahl, schlagen die vielen runden Schellen des Pferdegeröllgurtes
-durch kurztaktiges Aufjucken und durch lebhaftes Tänzeln um
sich selbst an, so daß der fröhliche Trab und das bisweilige übermütige
Steigen des Chaisengauls nachgeahmt ist. Zwei Mummerien
müssen vor, zwei hinter den Joheen laufen. Vor der Gruppe hin
35
hüpfen in lustigen Sprüngen einige Hörelibajassen als Wegmacher.
Einige schließen die Gruppe, um die nachlaufende Volksmenge
zurückzuhalten. Die Hörelibajassen schlagen mit einer an
einem Stecken befestigten Schweinsblase kräftig um sich und auf
den Boden. Hinterher gehen die mit Brotsäcken beladenen Buben,
die den Dienst um ein Mütschli tun. Die Alten übten die Gang- .
arten der Joheen und Mummerien vor der Fastnacht. In der Wahl
guter Figuren waren sie sehr anspruchsvoll. Die Gruppe zeigt
sich also am Fastnachtsdienstag mehrere Male in den Hauptstraßen
des Dorfes, steigt dann an drei geräumigen Plätzen auf
eine Bretterbühne und wirft dort Mütschli aus. Um die Bretterbühne
sammeln sich einige Hundert Männer, Frauen und Kinder,
strecken die Hände empor und rufen laut und noch ehe ein Brotsack
geöffnet ist: "Mir eis, mir eis". Dann fliegen die Mütschli
in kleinen und großen Bogen in die Menge hinaus. Es gelingt
aber bei weitem nicht jedermann, ein Mütschli aufzufangen, da
Dutzende von Händen nach dem gleichen Stück ausgestreckt
werden. Arme Männer und Frauen, die immer noch mit leeren
Händen dastehen, brechen sich durch die Menge Bahn, drängen
gegen die Bühne hin und rufen dann einem Johee oder Mummerie
mit hoher Stimme zu: "He! mir eis" und verstärken die Bitte
. durch "und im Chind eis", Sobald die Brotsäcke leer sind,
schlagen die Auswerfer Trychlen und Gerölle an, als Zeichen,
daß sie auf eine andere Bühne ziehen. Dann verstummen die
Rufe wie das Ausklingen eines Chorals. Der Grundgedanke des.
Brotauswerfens ist das Wohltun gegenüber den Armen. Im I7.
und 18. Jahrhundert, das reich an Zeitläufen der Armut war,
mußte man dem Brauch des Brotauswerfens besondere Anerkennung
zollen. Garderobe, Larven und Requisiten waren Eigentum
des alten Pfauenwirts Martin Gyr, bezw. seiner Nachfolger
Karl Gyr-Tanner und Karl Gyr-Kälin, deren Familien den Unterhalt
besorgten. Ein Kreis befreundeter Herren, unter denen sich
Mitglieder der Behörde und Offiziere befanden, veranstaltete
jeweilen am Fastnachtsmontag eine Volksvorstellung auf öffentlichen
Plätzen, sammelte in wohltätigen Familien Geld und kaufte
am Dienstag das Brot zum Auswerfen. Pfauen wirt Karl Gyr-
Kälin schenkte um 1905 herum Garderobe und einige alte Larven
dem Turnverein, der die Verpflichtung einging, den Brauch des
Brotauswerfens fortzuführen, was regelmäßig geschieht.
Die Bedeutung der drei soeben beschriebenen Fastnachtsfiguren
und des Brauches, die eine starke Bindung in der Richtung March,
Sarganserland und Oesterreich zeigen, ist übrigens mythologisch.
Sie entzieht sich der Kenntnis des Volkes. Geben wir hierüber
Herrn Dr. Linus Birchler das Wort:
"Der kulturelle und rassenmäßige Gegensatz zwischen den Einsiedlern
und den Leuten jenseits der Mythen, den ich im Schluß-
r
kapitel meines zweiten Bandes der "Kunstdenkmäler des. Kantons
Schwyz" im Gebiete der Kunst aufzeige, tritt besonders deutlich
im Gegensatz der Schwyzer und der Einsiedler Fastnacht in Erscheinung.
Die Schwyzer Fastnacht wird eröffnet durch die prachtvoll
disziplinierte; nächtliche "Greiflete" auf dem Schwyzer Hauptplatz
am Dreikönigsabend; der uralte heidnische Frühlingszauber
lebt hier feierlich weiter. Man lese die eindringliche Schilderung
Meinrad Inglins in Brockmann- Jeroschs "Schweizer Volksleben "I
An den Fastnachtstagen selber bringt nur das "Nüßlen", der
Narrentanz zur Trommelbegleitung, etwas Leben in die Schwyzer
Residenz, Sonst ist die Schwyzer Fastnacht ein sehr bescheidenes
Festlein; der Schwyzer besitzt das Temperament zum Fastnächtlen
nur in beschränktem Maß. Während einigen Jahrzehnten brachte
die von einem Einsiedler ins Leben gerufene Schwyzer Japanesengesellschaft
fastnächtlichen Geist, aber ihre Schwungkraft ist
längst erlahmt und zudem handelt es sich bei den Schwyzer
Japanesen nicht um etwas Altes und Gewachsenes, so daß .sie
füglieh aus dieser Betrachtung ausscheiden.
Die Einsiedlerfastnacht ist bodenerdenlustig. Meinrad Lienert hat
sie oft besungen und geschildert. Sie ist ein wahres Volksfest, das
.alle Schichten der Einsiedler erfaßt und an dem reich und arm
einträchtig mitfesten. In ihrer Struktur lassen sich deutlich drei
Schichten unterscheiden, die des uralten Naturmythos, die barocke
und die moderne. - Die Einsiedler Fastnacht beginnt mit dem
Fastnachtseinläuten frühmorgens, an Dreikönigen, am Schmutzi-·
gen Donnerstag und am Fastnachtmontag. Der Vormittag der
drei Haupttage (Schmutziger Donnerstag, Fastnachtmontagund
-dienstag) ist die Zeit der Teufel und der "Sühudi", deren Treiben
sich auch noch in den Nachmittag und in den Abend hineinzieht.
Der Nachmittag von Montag und Dienstag gehört den Umzügen,
der Dienstag Nachmittag vor alllem dem Brotauswerfen der
Mummerien und Joheen 'Und vom späten Nachmittag bis in den
Morgen regieren an den drei Tagen die vor allem weiblichen
Masken. Es gibt keine geschlossene Bälle, sondern man besucht
die Tanzlokale nach Belieben und Gefallen.
Das Fastnachtseinläuten entspricht dem schwyzerischenGreiflen,
ist aber etwas viel Wilderes und Undisziplinierteres. An den drei
genannten Tagen begann ehemals genau nach dem Metteläuten
im Kloster (fast wie als dämonische Antwort darauf) ein wildes
Schellen, Rasseln, Hornen, Brüllen, Toben, durch das Dorf und
die Weiler gaßauf und gaßab, bis in den grauenden Morgen hinein.
Heute setzt der Höllenlärm leider schon kurz nach Mitternacht
ein. Es ist die wahre wilde Jagd Wotans, die man zu hören
glaubt, wenn die Rotte um die Häuser zieht, mit umgebundenen
Trichlen und Schellen, mit Trompeten, Hörnern, Geißeln, Trommeln.
Der mythische Sinn des Einläutens in der Dreikönigsnacht
37.
(die die altgermanischen "Heiligen Nächte" beschließt) braucht
dem Volkskundler nicht ausführlich auseinandergesetzt zu werden.
Zum Frühlings- und Fruchtbarkeitszauber gehören auch die SÜhudi
und Teufel. Die erstem sind groteske Gestalten, in denen sich
der Volkshumor derb und drastisch austobt, oft von übermütiger
Komik, oft groteske Schreckfiguren wie aus Callots Zwergenkabinett.
Die Kostüme und vielfach auch die Masken werden
von den Trägern hergestellt. Eine Hauptfigur ist stets der Teufel"
mit riesigen Hörnern, eine Mistgabel über die Schultern, ein
Schurzfell umgebunden; der Teufeltreiber mit der Peitsche hält
ihn an einer schweren Kette, von der er sich zeitweilig losreißen
kann, so daß das "Der Teufel ist los" sehr drastisch zur Darstellung
gelangt, besonders wenn eine derartige Gruppe vormittags
um 10 in die vom Kloster herabströmenden Kirchgänger
hineinfährt. - Natürlich sind auch die Teufelsmasken Eigenfabrikat.
Die zweite besondere Eigenart der Sühudi (die einzeln
oder in Rudeln auftreten) sind die sogen. "rüüdigen Larven",
schauerliche Gesichtsmasken, die den Gesichtern von Aussätzigen
gleichen, mit Beulen, Geschwüren, riesigen Kinn- und Nasenbildungen,
wie aus Bettlergruppen Brueghels entsprungen. Diese
Masken werden aus dem Seidenpapier hergestellt, das beim Herstellen
der Goldschnitte in den Buchbindereien als Rest der Goldblattbücher
übrigbleibt. Es gibt noch heute eine Reihe von
Leuten, die derartige Masken herstellen; sie stehen jenen aus.
Flums an grotesker Wirkung und unbewußter Stilisierung in
nichts nach. Wenn diese "rüüdige Larve" auch nur bis ins letzte
Jahrhundert nachweisbar sind, so können sie in der Idee doch
mittelalterlich sein, Pest- und Aussatzmasken. mit denen man diese
Krankheiten mimisch zu verscheuchen suchte. Die Sühudi erinnern
stark an die Flumser "Butzi". - Das Fastnachtseinläuten
und die Sühudi sind eine Angelegenheit der Burschen und auch
reiferer Männer. Sie kennen sich nicht alle untereinander, sondern
finden sich maskiert zusammen an gewissen wechselnden
Orten.
Die zweite charakteristische Gruppe der Einsiedler Fastnacht sind
die Mummerien und Joheen, die am Dienstagnachmittag Brot
auswerfen. Der Name "Joheen" ist sprachlich wohl als Onomatopoie
aufzufaßen, als Wiedergabe eines Klanges. Interessanter ist
die Bezeichnung "Mummerie" (mit dem Akzent auf dem i). Das
Wort ist-identisch mit Mummerei, sich vermummen. Aber es
kommt zu uns aus dem Französischen: "momerie", das bei
Rabelais undandern Schriftstellern des 16. Jahrhundert häufig
vorkommt; hinter dem Wort verbirgt sich der spätantike griechische
Gott Momos, der besonders in Marseille verehrte Gott der
Verstellung. (Daß man an die französische Ableitung des Wortes
denken darf, wird sich am analogen Falle der "Maschge" weiter
..
unten ergeben.) Fremden Ursprunges ist auch das Kostüm der
Mummerien. Es ist (oder war) ziemlich genau das der Figuren
der italienischen Commedia dell'arte, des Arlechino und Pulcinella
in die klassischen Stegreifkomödie des 16. und 17. Jahrhunderts.
In degenerierter Form kommt das Kostüm auch bei Figuren der
Schwyzer "Rott" vor, ebenso in der March (Blätzlinarren). Die
Joheen sind Sennen im Empirestil. Die holzgeschnitzten Masken
der Mummerien und Joheen sind künstlerisch als charakteristische
Arbeiten der Empirezeit zu erkennen, von lokalen Holzbildhauern
geschaffen. Die Requisite der Mummerien und Joheen sind die des
Frühlingszaubers : umgebundene Trichlen, umgehängte Pferdegerölle,
Tannenbäumchen und Roßschweife. Die Gruppe bewegt
sich in genau festgelegter Ordnung in einer Art Tanzschritt, der
zugleich die Trichlen und Schellen zum Klingen bringt (damit
zu vergleichen wäre der Narrentanz des Schwyzer "Nüßlen·').
"Hörelibajasse" (s. oben, wohl städtischen Ursprungs, da das
Thema der Satyrn zu ferne liegt) mit an Peitschen gebundenen
Schweinsblasen umschwärmen Mummerien und Joheen. Die ursprüngliche
(mythische) Bedeutung des Umzuges ist längst vergessen.
Heute wird die Gruppe so erklärt, wie der Verfasser dieser
Broschüre es oben schildert.
Auf drei Plätzen des Dorfes wird von den Mummerien und Joheen
am Fastnachtsdienstag Brot ausgeworfen, große, fast noch warme
Mütschli, in sehr beträchtlichen Quantitäten. Sie fliegen weit und
hoch durch die Luft, werden zur Abwechslung ganz in die Nähe
in die Kinderrudel geworfen; gelegentlich klirrt eine Fensterscheibe,
raufen sich Burschen um ein zur Erde gefallenes
Mütschli; betäubend lärmen die Kinder: "Mir eis, mir eis".
Auch das Auswerfen von Gaben gehört zum Frühlingszauber ; es
findet sich in zahlreichen Fastnachtsbräuchen der Alpenländer
(am schönsten in Imst). - Beim Einsiedler Brotauswerfen (und
ebenso beim Auswerfen von Orangen, heißen Würsten und dergleichen)
fällt, trotz der Wildheit des Vorganges, für jeden, der
sich bemüht, etwas ab. Vor allem die Kinder kommen nicht zu
kurz, am wenigsten die ganz Kleinen. Eine Verteilung wie etwa
in Schwyz (wo die Kinder klassenweise unter Begleitung der
Lehrer auf den abgesperrten Hauptplatz ziehen zur Entgegennahme
der Spende der Japanesengesellschaft) wäre in der Waldstatt
undenkbar. Es muß wild und lustig zugehen beim Verteilen.
Das nachstehend geschilderte "Begraben der Fastnacht" kann
ähnlich wie der Zürcher Bögg gedeutet werden als altheidnische
Frühlingszeremonie. Es könnte aber auch mit der großartigen
venezianischen Szene des "Il carnevale e andato" in Verbindung
gebracht werden. Hier wie bei den Mummerien wären Söldner die
Vermittler. Beachtlich ist der Name "Pagat". Das ist die Bezeichnung
für die höchste Figur im Tarock, das im Prag Karls IV.
39
aufkam und kabbalistische Bedeutung hat, die bei uns jedoch
völlig unbekannt ist.
Der Spätnachmittag und die Nacht gehört den Masken. Auch
hier muß man beim Namen Halt machen. Der Einsiedler sagt
"e Maschg". Jenseits der Mythen, in Unterwalden und Uri, sagen
man "e Maschgerad" und bezeichnet damit nicht eine "Mas~
kerade", sondern konkret eine Maske. Innerschwyzund die beiden
andern Urkantone bezogen das Wort und die Sache von jenseits
des Gotthard und ihr "Maschgerad" kommt vom italienischen "un
mascherato", ein Maskierter, während das Einsiedler Wort vom
französischen "un masque" kommt. - Für die Maskenkostüme
scheut die Einsiedlerin den Aufwand nicht. Mit Garderobekostümen
und den abgedroschenen Typen (Zigeunerin, Tyroler, den in
der Zürcher Landschaft grassierenden "Rittern") begnügt man
sich nicht. Schon im Spätherbst denken viele Mädchen an die
künftigen Fastnachtskostüme. Nicht der Prunk, sondern der gute
und mit farbigem Geschmack verwirklichte Einfall wird bewundert.
Die drei Schichten der Einsiedler Fastnacht, Heidnisches (das den
Heutigen völlig unbekannt und unbewußt ist), Barockes und Modernes,
bestehen sauber voneinander getrennt. Der eigentliche
Schauplatz ist die Straße. In den letzten Jahren haben sich zwei
Fastnachtsgeselllschaften gebildet, deren Umzüge gewöhnlich den
Vor- und Nachmittag des Fastnachtmontag beleben. - Die Einsiedler
Fastnacht ist durchaus ein Volksfest aller Kreise. Aristokratische
Absonderung kleiner Zirkel wäre undenkbar. Auch für
den Aermsten, der kein Tanzlokal besuchen kann, fällt ein
Mütschli, eine Wurst, eine Orange ab, und das Maskentreiben
auf der Straße befriedigt die Schaulust aller jener, die nicht aktiv
mitmachen.
Die eigentliche Grundlage der übermütigen Einsiedler Fastnacht
ist der Volkscharakter, in dem sich gewiß Reste der elsäßischen
Urväter erhalten haben, die anno 934 eingewandert sind. Ein
Einsiedler Mädchen (aus sehr "strengem" Haus stammend) hat
mir einmal auf die Frage, was das Schönste im Jahre sei, ohne
Besinnen geantwortet: "Die Fastnacht und die Karwoche". Das
sind die Spannungspole des barocken Menschen: Sinnenfreude
und Gottbezogenheit."
Daßsich mancher Fastnachtsulk nahe um das Weibervolk cumuliert,
hat das "Maitlirellen" bewiesen. Diese Zauberübung ist um
1890 herum aufgegeben worden. "Relle" heißt rollen bezw. die
Spreu vom Weizen säubern. Man errichtete aus Latten und Jute
eine große buntgeschmückte Bude, stellte eine Leiter an, ließ
spottend einige als alte Jungfern verkleidete Personen aufsteigen,
zog sie kopfüber in die Bude hinunter, ließ nach außen eine
heimliche zauberhafte Verwandlungsszeneüber sie ergehen und
zog die Jungfern unteri durch eine Oeffnung als blutjunge Mäd-
-chen wieder ans Licht und ließ sie laufen. Die Ulkhaftigkeit dieses
vergessenen Brauches übertrifft die vielen neuzeitlichen Belusti-
,gungsversuche.
Der Gebrauch der Spritze als auffälligstes Requisit fastnächt-
.licher Tollheit ist hier nicht mehr nachzuweisen. (In Imst im
Tirol wird sie von einer offiziellen Figur, dem sogen. "Engel-
.spritzer" gehandhabt, dessen Rolle klar ist.) Indes behauptete
-der Besen in der Waldstatt noch im letzten Jahrhundert seinen
wahren Zweck, der mit demjenigen der Spritze übereinstimmt. Die
.Masken tünchten die Tannen- oder Birkenreisigbesen an den
Dorfbrunnen ins Wasser und bespritzten die jungen Mädchen, die
-des Weges kamen. Diese Uebung brachte einen störenden Unfug:
man beschmutzte saubere Gesichtlein und schöne Gwändlein,
weshalb heute der Besen nur pro memoria getragen wird. Roß-
'und Munifisel, Sübloutere, Trychle und Rölleli haben eine sinn-
'verwandte Bedeutung, über die man nicht stark im Zweifel sein
'kann.
.Es ließe sich Wesentliches über die im Laufe der Zeit erfolgten,
willkürlichen Abänderungen an den Kleidungsstücken des Johees,
Mummeries und Hörelibajaß sagen. Wir beschränken uns darauf,
.sie hier kurz anzudeuten. I. Johee: Tuchplätzliperücke statt gekrauste
Haarperücke, Fransenhalstuch statt geknüpfte Krawatte,
-dekorativer Kartongurt statt metallbeschlagener Ledergurt, weite
Kniehose aus Samt statt anliegende Kniehose aus Tüchli, Lacet
'statt ledernes Strumpfband, flache Strümpfe statt gemusterte
.Strümpfe. 2. Mummerie: Gewöhnlicher Filzhut statt breitrandiger
.Schlapphut oder konischer Stilhut mit Straußenfeder des 17. Jahrhunderts,
grüner Tuchstreifen im Kleid statt roter oder blauer,
flacher Oberärmel statt Pumpärmel (sogen. Speckärmel), Gehhose
.statt Pumphose des 17. Jahrhunderts. 3. Bajaß: Geschlossene
Blusenärmel statt offene geschlitzte.
10. Beg r a ben des Pa g ä t s. Am Fastnachtsdienstag bei ein-
'brechender Nacht, unmittelbar vor dem Betglockenläuten, also
.zur Zeit, da das öffentliche Maskentreiben auf den Straßen lang-
.sam ein Ende nehm-en sollte, besammelten sich ausdauernde
Masken auf dem Spitalplatz im Unterdorf und bildeten einen Zug.
An der Spitze marschierten zwei Tambouren, dann folgte ein Mann
-mit einer alten Zunftlaterne, hernach einige Männer mit Pickeln,
dann zwei Träger mit dem Pagat auf der Bahre. Hinter ihnen
liefen einige Männer mit Schaufeln. Den Schluß bildeten Masken
.aller Art. Unter dem Klange eines doppeltönigen dumpfen Trommelsclilages
(Trauermarsch) zog die Schar durch die Hauptstraße
.anf den Platz vor dem "weißen Wind" (heute St. Johann's Platz),
..indem sie murmelnd nach der Art eines Kanons sang:
4 1
(Eigene Rekonstruktion).
I~
Do -mi -no, Ba -jass, Hä - xe und Tü - fl, S'ist eis - wägs
Bät-glog-ge - zyt, Chö -med ! Mir wend ü - se -re'n alt
~ J J J
ü - se
-re'n alt Pa - gilt bi - gra-be, bi - gra-be, bi - gra -be.
Diese Noten gelten auch für
Noten von Meinrad Ochsner.
den Trommelschlag.
Dort angekommen, brachen die Pickler mit trüber Miene ein Loch
im Schnee auf, worauf die Pagatträger aus den Reihen traten und
mit wichtiger Geste den Pagat sorgfältig hineinlegten. Hierauf
deckten die Schaufler das Grab zu und die Menge löste sich auf,
da nach dem Betglockenläuten die Masken nicht mehr geduldet
waren. Der Brauch ist seit zirka 1870 erloschen. In den letzten
Jahren des Brauches schlug der alte Barabas die Trommel.
Pagat ist im Tarock der Unter, die stärkste Figur, identisch mit
dem Schellenunter, genannt Chöpferölli", des deutsch-schweizerischen
Kartenspiels. Ursprünglich, d. h. bevor der Brauch verflachte,
wurde er als Puppe dargestellt, die den Schellenunter
verkörperte. (Ich erinnere diesbezüglich an die Beerdigung des
Gidio Hosenstoß in Herisau, von Kunstmaler Paul Tanner bildlich
dargestellt, die Verbrennung des Böggs in Zürich und ähnliche
Bräuche in Schmerikon, Berschis, Vilters und Ragaz, die im
Grunde das Gleiche bedeuten: Ein heidnisches Symbol des Winterendes.)
.
Der Fastnachtsbetrieb .auf den Straßen ist für jedermann immer
noch offen, darum kann er sich ungehindert entwickeln. Für
den Zutritt in die Tanzlokale hingegen mußten früher die Masken
einen "Schillinger", genannt "Geigenschillinger", entrichten. Diese
Einrichtung ist alt, es wechselte nur die Taxe. Ein Anschlag aus
dem Jahre 1840 sagt folgendes: "Jede nächtliche Maske ist
höflichst ersucht, für jeden Eintritt ins Haus den Eintrittspreis
von 2 guten Batzen zu bezahlen." Der Zeitpunkt der Demaskierung
wird vom Bezirksamt festgesetzt. Auf die Minute erscheinen 2
Landjäger im Lokal und fordern auf, entweder die Larven abzu-
42
ziehen oder heimzugehen. Masken, die sich weigern, werden nötigenfalls
entlarvt. Dieser Eingriff war früher öfters notwendig, da
nachts mehr männliche Masken zum Tanz gingen. Diejenigen, die
sich sträubten, die Larven zur Zeit abzuziehen, hatten es in der
Regel darauf abgesehen, die Polizei zu .fuxen". Ueber die Reibereien
zwischen Polizei und Wächtern einerseits und Masken
anderseits ist noch etwas zu sagen. Bis um 1890 war das Maskengehen
zu verbotener Zeit ein gesuchtes Abenteuer. Dabei richteten
es übermütige Männer extra ein, mit der hl. Hermandad
zu kreuzen. Sie kannten die Diensteifrigsten und just diesen
wollten sie zu schaffen geben, vielmal aus Rache für einen im
Verlaufe des Jahres wegen Uebertretung der Polizeistunde erhaltenen
Strafzettels. Es· entstand dann eine regelrechte Treibjagd
bis in die späte Mitternacht hinaus und es kam vor, daß verfolgte
Masken plötzlich kehrt machten und einen diensteifrigen Landjäger
kopfüber in einen Schneehaufen stellten und sich dann
unerkannt "zäpften". Die Maske wurde dann und wann auch
angezogen, um irgend einen persönlichen Gegner im Wirtshaus
aufzusuchen und ihn intrigierend zu belästigen. Solche, die das
nicht ertrugen, weil sie die Absicht witterten, machten sich
hinter den Unbekannten und rissen ihm die Larve vom Gesicht.
So kam es hin und wieder zu bösen Schlägereien. Die Fertigkeit
im Intrigieren, sei es harmlos witzig! sei es herausfordernd, ist
hier viel stärker entwickelt, als z. B. im nahen Züribiet. Man
bemitleidet diesbezüglich die Masken des Flachlandes, die sich
mit dem stereotypen "Salü du, gäll kännst mi nüd" als Folge
mangelnden Fastnachtsulkes behelfen.
Aus den Ratsprotokollen des Bezirkes Einsiedeln ist ersichtlich,
daß die Einsiedler schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts an
der Fastnacht auch öffentliche Aufführungen weltlichen Charakters
durchführten, die sie "Aventiuren" nannten. Es ist anzunehmen,
daß damals einzelne Vereine, vermutlich die musikalischen,
die Initiative ergriffen hatten. Der Inseratenteil des "Eins.
Anz." der öoer Jahre erinnert uns an die Aufführungen lebender
Bilder auf öffentlichen Plätzen. Die Gesellschaft nannte sich
"Honolulu-Guckkasten". Als Nachfolger dürfen wir die vor ein
paar Jahren gegründeten Fastnachtsgesellschaften "Goldmäuder"
(gelbhaariger Kater) und "Bürgerwehr" betrachten. Es sollte ihnen
hauptsächlich an der Pflege der alten Fastnachtsbräuche gelegen
sein, um diese nach Möglichkeit originell zu vervollständigen, was
mit Hilfe der vorliegenden Schilderungen aus dem frühem Fastnachtsbetriebe
leicht geschehen könnte. Nicht überall bietet die
Geschichte so viel Anhaltspunkte, wie 'hier. Die Gesellschaften
haben mit ihrer Fastnachtszeitung "dr Abäck" ein Mittel bei der
Hand, Vergessenes in Wort und Bild aufzufrischen. Wenn sie in
diesem Sinne die Fastnacht bereichern, wird man sie schätzen.
43
Der gepflegte Fastnachtsbetrieb bietet übrigens noch die Gewähr,
daß der zur Einkehr mahnende Aschermittwoch eher zu seinem
Rechte kommt, In den Soer Jahren hat man es diesbezüglich nicht
sehr genau genommen. Am 28. Februar 1886 beschwerte sich der
damalige Oberpfarrer P. Schindler schriftlich beim Bezirksrat von
Einsiedeln, er möchte in Zukunft dafür sorgen, "daß die Nachklänge
der Fastnacht sich nicht mehr so laut auf den Aschermittwoch
ausdehnen". Er finde, die Polizeiorgane. sollten morgens
5 Uhr in den Wirtshäusern Schluß bieten. Ferner möchte der
Bezirksrat "die Chefs der 5 großen Firmen ersuchen, daß sie
am Aschermittwoch arbeiten lassen", ferner sei auch notwendig,
"daß am Mittwoch Schule gehalten werde". Der Bezirksrat gab
dem Herrn Pfarrer gleich anfangs März beruhigende Zusicherungen
ab.
Als "alte Fastnacht", im Gegensatz zur "Herrenfastnacht" auch
Bauern- oder Knechtefastnacht genannt, wird der Montag nach
dem Aschermittwoch. bezeichnet. Was würde man jetzt sagen,
wenn an diesem Tage der Tanzbetrieb nochmals einsetzte? Das
war bis ums Jahr 1880 der Fall. Wirtsleute in Willerzell erklärten,
die alte Fastnacht sei jeweilen ihr bester Tag im Jahr gewesen.
Im nachwirkenden Uebermut hätten die Männer wacker "getüchelt"
(viel trinken) und bis in den frühen Morgen hinein das
Tanzbein geschwungen.
11. Palmen- und Wydlitragen. Die Palmen weihe ist ein
Teil der Palmsonntagsliturgie. Sie erinnert an den feierlichen Einzug
Jesu in Jerusalem. Das Palmentragen dient in diesem Sinne
der Verherrlichung Gottes. Buben tragen die Palmen, Mädchen
die Wydli. Aepfel werden an grüne, abgeastete Weidenzweige
gesteckt, diese oben zusammengebunden, mit einem Büschel Buchs
geschmückt, darum herum farbige Seidenbänder geschlungen und
an den Arm gehängt. Das sind die sog. Wydli. Stechpalmen
werden oben an einen langen weiß-rot oder schwarz-rot farbigen
Stock, darüber kreuzweise zwei Weidenzweige mit Aepfeln gebogen
und mit farbigen Bändern umschlungen. Das ist die
sogenannte Palme. Die Jugend trägt diese Requisiten in die
Kirche, wo sie der Priester segnet. Nach der Rückkehr ins
elterliche Haus teilen sich Groß und Klein in die gesegneten
Aepfel. Zweige der Stechpalmen und des Buchses werden entweder
hinter das Kruzifix gesteckt oder auf einen Sparren der
Dachwinde gelegt. Die gesegneten Zweige wenden im Volksmund
Schadenfeuer ab.
12. 0 s te rf e u e r am Charsamstag wird in Einsiedeln "Judasverbrennen"
genannt. Es hat seine christliche Erklärung durch
die Kirchengebete bei der Segnung des neuen Feuers. erhalten ..
Ursprünglich ist es ein vorchristlicher Brauch, der den Charakter
44
eines Frühlingsfeuers zur Feier des Sieges über den Winter trägt,
ähnlich wie das Verbrennen des Böggs am Sechseläuten zu Zürich
den Sieg des Frühlings darstellt, weiterhin den Sieg des Guten
über das Böse, das man im Judas verkörpert sieht. Vor der
Kirchentüre werden Buchenscheiter aufgeschichtet und angezündet.
Die Jugend versammelt sich um das Feuer und nimmt kleine
Kohlenstücke mit nach Hause. Die Gläubigen sagen, daß sich die
Kohlenstücke zur Abwendung von Uebeln gut bewähren. Landweibel
Jakob Ochsner erzählte hierüber Folgendes: "Kohlen vom
Osterfeuer bewähren sich gut zur Abhaltung von Unheil, wenn
Iman sie im Hause aufbewahrt, sonderheitlieh wo Hexen, Zaubereien
und anderer Spuck in Katzen-, Hunds- und anderen Gestalten
sich zeigen." Ferner "Ladet man Kohlen vom Osterfeuer
in ein Gewehr, so wird man treffen". Die Kohlen werden ab und zu
auch in Stall und Feld gebraucht, damit Vieh und Saat gedeihen.
13. Ostereier suchen. Das Ei ist das Symbol des neuerwachenden
geheimnisvollen Lebens der Natur. Im Kinderglaube
legt der Osterhase das Ei. Ursprünglich wurden hier die Ostereier
mit Zwiebelblättern gefärbt. Man legte die Blätter um das Ei
und kochte es im heissen Wasser. Jetzt haben die rot, die blau
und die buntscheckig gefärbten Eier den Vorzug. Am wenigsten
begehrt sind die grünen und die gelben. Die dreifarbigen Eier
sind neuesten Datums. Sie sehen. kitschig aus. Die Kinder machen
dem Osterhas ein Nest aus Heu.. Er legt die Eier aber nicht in
das Nest, sondern die Mutter verbirgt sie beim Morgengrauen in
Zimmerecken, hinter Möbeln usw. Nach dem Aufstehen machen
.sich die Kinder auf die Suche, eilen dann zur Mutter und erzählen
ihr freudig, wo und wieviele Ostereier sie gefunden haben. Leider
müssen immer weniger Kinder Ostereier suchen. Moderne Beschenkungsmetheden
verdrängen alte, man tischt den Kindern
am Ostersonntag gleich fränkige Hasen aus Schokolade und
Biscuit .auf, mit Seidenbändern geschmückt und verdirbt damit
die klare Symbolik des Ostereis.
Die Vorliebe für rot und blau macht sich auch beim Verkauf der
sogen. Chilbiballons geltend.
14. Den Osterochs herumführen. Die alten Leute kannten
nur etwa am Taufen-, Schützen- oder Totenmöhli und beim
Hochsigmaehen zwei Gänge am Mittagstisch. Sonst taten sie sich
an einem fetten Ofenturli, geschwellten Salzgummeln oder eines
böllengespickten Käsdünne gütlich. ("Ofenturli" ist ein auf einer
Blechform gebackener Kartoffelfladen, wörtlich ein im 'Ofen gedörrter
Kartoffelfladen.) Schmal ging es besonders in der Karoche
zu. Um der Bevölkerung anzukünden, daß mit dem Ostereste
die Rückkehr zu den Fleischtagen beginne, ließen die
et:zgermeister am Karsamstag einen bekränzten, aufgemästeten
45
I
ij
I
'I I,
Osterochsen durch die Dorfstraßen führen. Am Ostersonntag
lautete in den Haushaltungen alsdann die Parole "Legt einen
Liengs Fleisch in den Suppenhafen". Die Osterochsen wurden in
der Regel am Mailändermarkt gekauft.
Der Osterochse erinnert an die Engelweiheochsen, die das Kloster
im 17. und 18. Jahrhundert jeweilen auf die große Engelweihe
kaufte. Es kam vor, daß im Kloster an der sogenannten großen
Engelweihe. die stattfindet, wenn das Fest auf einen Sonntag
fällt, um die 2000 Personen Quartier bezogen und daß in den
Stallungen um die 50 Reit- und Saumpferde standen. Auf diesen
Andrang hin kaufte das Kloster für Verpflegungszwecke jeweilen
zwei schwere Engelweiheochsen und mästete sie noch auf.
P. Odilo Ringholz schreibt in seiner Geschichte der Rindviehzucht
im Stifte Einsiedeln : "Die sogenannten Engelweihochsen
wurden mit Blumen und Bändern geschmückt, dann öffentlich
gewogen, wobei das eine oder andere Mal das Mißgeschick
passierte, daß der "Wagbaum" unter dem Fleischkoloß gebrochen
ist. Meist wohnten der Abt und die Anwesenden Prälaten diesem
Schauspiele bei. Kleine Knaben führten sodann an schwarz-gelben
Seidenbändern (Abtei -Farben), begleitet von Trommlern und
Pfeifern, die Ochsen auf dem Platz vor dem Kloster herum. Auf
dem größern Tiere saß ebenfalls ein kleiner Knabe, der auf einem
Hörnlein blies. Der Engelweihochse von 1.659 wog 22S0 (alte)
Pfund; 1681 der eine 23°5, der andere 2283 Pfund; I687 der
eine 1964, der andere 2229, der dritte 2271; 1749 2874; 1755
2500; 1788 3000 Pfund. Nach diesem Umzuge wurden die Ochsen
geschlachtet oder verkauft. Unserm Stalle entstammte der Ochse,
der 1743 in Prag bei Gelegenheit der Krönung der Kaiserin Maria
Theresia mit der böhmischen Königskrone gezeigt und geschlachtet
wurde. Er war 4 Ellen hoch, 5 lang und wog 28 Zentner.
Leonhard Fuchs in Einsiedeln hatte ihn von Statthalter P. Michael
Schlageter gekauft und nach Prag geführt. In Ulm starb 1748
Martin Schönbächler, genannt Käs-Martin, von Einsiedeln, der
mit einem großen, um lOO fI. erkauften Klosterochsen lange in der
Welt umherzog und ihn um Geld sehen ließ. Im Jahre 1749 drängten
sich die Besucher von Einsiedeln schon im Mai in den Ochsenstall,
um Engelweihochsen zu sehen, so daß der Statthalter die
"Besuchszeit" auf zwei bestimmte Stunden im Tage einschränken
mußte. Einige Male hatten diese Ochsen die Ehre, in Kupfer gestochen
zu werden, so z. B. 1755, 1777 und 1788. Von letzterem
Stiche geben wir hier eine Reproduktion. Im Jahre 1783 kaufte
der eben anwesende Herzog Karl Eugen von Württemberg beide
Ochsen im Gewichte von je 26 und 24 Zentnern und noch zwei
andere dazu um den Gesamtpreis von 68 Louisdor. Er ließ sie
nach Stuttgart bringen und verkaufte sie wieder an einige Bauern,
die sie in halb Deutschland um Geld sehen ließen."
15. Hoc h ze i t s f eie r. Die volkstümliche Bezeichnung für die
Hochzeitsfeier heißt "Hochsigmache". Vor etwa 50 Jahren wurde
dem Hochsig am Tage der Trauung mit Mörsern geschossen. Seither
ist diese Aufmerksamkeit erledigt. Die Gäste besammeln sich
am Morgen in der Regel im Gasthause, wo das Mittagessen stattfinden
soll. Im Mittelpunkt des Interesses steht da die Braut. Die
Mütter visitieren sie und ziehen ihr den Schleier, überhaupt alles
was man plätten und streicheln kann, zurecht. Zylinder und Stilkleider
sind selten geworden. Der Bräutigam steckt ein Sträußchen
Myrthen ins Knopfloch; die Braut trägt ein Kränzlein oder
Sträußchen, ebenfalls aus Myrthen, im Haarschopf. Dann ziehen
sie zur Kirche. In der Zugsordnung hin und her geht das Brautpaar
an der Spitze. Ihm folgen Brautführer und Brautführerin, die
hier Nebenhochzeiter bezw. Nebenhochzeiterin genannt werden,
dann die Eltern des Bräutigams und die der Braut und schließlich
Verwandte und Gäste gepaart. Wenn kleine Buben und Mädchen
mitkommen können, tragen sie der Braut auf dem Hin- und
Herwege zur Kirche die Schleierschleppe. Nach dem Hochzeitsmahl,
das immer gut und reichlich ist, tanzt das Brautpaar den
ersten Walzer. Bevor es die Hochzeitsreise antritt, was in der
Regel am frühen Abend geschieht, widmet ihm der Brautführer im
Namen der Gäste einige Glückwünsche. Dann wechseln Eltern,
Schwestern und Braut die Abschiedsküsse; denn die Tochter ist
.in der Regel dasjenige Geschöpf, das man normalerweise ungern
für immer im Elternhause vermißt. Der Bräutigam schmunzelt.
Nach dem Wegzuge des Brautpaares sind Nebenhochzeiter und
Nebenhochzeiterin die Gefeierten des Abends. Der Nebenhochzeiter
leitet die Unterhaltung.
Noch ist auf das Spannen der Jugend hinzuweisen.
Wenn' ein Pärchen feierlich zur Trauung in die Kirche zieht,
springen plötzlich aus einer Seitengasse einige Buben herbei,
breiten vor dem Paar ein Seil aus und versperren ihm damit
den Weg. Das nennt man Spannen. Der überraschte Bräutigam
greift in den Geldsäcke! und ladet einige Batzen ab. Daraufhin
ziehen die Buben das Seil zurück, springen einige Häuser weit vor
und spannen von neuern. Sie wiederholen den Brauch anläßlich
der Rückkehr aus der Kirche. Bäuerliche Paare gehen beim
"Hochsigmache" nicht Arm in Arm, sondern Hand in Hand.
Sie tragen einfache schwarze Kleider und heften sich ein Sträußchen
künstlicher Myrthen auf die Brust. Bisweilen trägt die Braut
einen langen weißen Gaseschleier vom Kopf über den Rücken
hinunter. Bei den Alten war es eine Selbstverständlichkeit, daß
der Hochzeitsgehrock das ganze Mannesalter durchhalten mußte.
Auch hörte man oft Frauen im hohen Alter sagen "das ist my
Hochsigrock" .
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16. Tau fe t e. Bis um 1860 verursachte die Taufete eines legalen
Kindes rundum in der Verwandschaft der Eltern einen festfreudigen
Auflauf. Jetzt erlaßt das schöne Ereignis nur die paar
Leutchen des engem Familienkreises. Damals war das "z'Ehre'
stoh" Brauch. Am Tauftage während dem Vesperläuten begaben
sich Hebamme, Pate und Patin, hier Götti und Gotte genannt, ins.
Haus der Mutter, einigten sich über den Namen des Täuflings.
wobei in erster Linie die Wünsche des Göttis, wenn der Täufling;
ein Knabe war, und die der Gotte, wenn der Täufling ein Mädchen
war, gehört werden mußten. Es kam bisweilen vor, daß der
Pflichteintrag beim Zivilstandsamt nachträglich abgeändert werden
mußte, weil entweder der Götti oder die Gotte ein Veto gegen die
ergangene Namengebung einlegte. Zugleich erschienen im Haus,
des Täuflings auch die Verwandten. Alle Beteiligten trugen
schwarze Kleider. Nach dem Ausklang des Vesperläutens bildete
sich der Taufzug. Voran lief rechts der Götti, in der Mitte die
Gotte, links die Hebamme mit dem Kind im Tragkissen, über
das ein Spitzenflor hing. (Bestickte Prunktaufkleidchen, wie sie
um die Mitte des letzten Jahrhunderts und auch noch später
üblich waren, existieren nur als Museeumsstücke.) Hinten schlossen
sich zu Paaren die Verwandten an. Die Beteiligung der Verwandten
im Taufzuge nannte man "z'Ehre-stoh". Es kam vor,
daß auch Ungeladene erschienen oder daß Geladene fern blieben..
Ungeladen erschienen jene, die gern an einem Möhli (Mahl)
teilnehmen wollten. Das Möhli schloß sich unmittelbar der Taufe
an. Nicht erschienen jene, denen der Taufaufzug zu umständlich
war. Sie konnten der Handlung nichts Poetisches abgewinnen.
Diese Zufälligkeiten und die Kostbilligkeit eines gutbesuchten
Taufenmöhlis sind die Gründe, warum das "z'Ehre stoh" allmählich
abgeschafft wurde. An der Gemeinde in Einsiedeln vom
16. November 1676 beklagte sich der Pfarrer wie oftmal bei Kindstaufen
"ohnnötige Hoffarten und Ohnkosten vorbeigehen, in denen
zu Zeiten in die 5, 6 und mehr Personen dem Göttin oder Gotten
zue Ehren trätten" und erklärt, er werde so lange nicht taufen,
bis nur eine Ehrenperson auf der Seite stehe. Gleich nach dem
Vollzug der Taufe durch den Priester geben Götti und Gotte dem
Kind ein Angebinde. Die Hebamme hält hiefür ein besonderes
Tüchli bereit, das sie Nothäubchen nennt. Es hat die Form eines
Kinderhäubchens. Am Saum rechts und links ist je ein kleines
Täschchen aufgenäht. In das eine legt der Götti, in das andere
die Gotte das Angebinde. Im Zug aus der Kirche war die Ordnung
an der Spitze umgekehrt: Die Hebamme lief mit dem getauften
Kind auf der rechten Seite, die Gotte in der Mitte, der Götti links.
Die Zugsordnung beim Kirchgange verweist auf die Nichtigkeit
eines ungetauften Kindes im Vergleich zu getauften Geschöpfen,
die Zugsordnung aus der Kirche auf die Erhabenheit der Unschuld
l
•
im Taufgewand. Die heutige Unachtsamkeit hie~auf entspricht
dem nüchternen Zeitgeist, der schon manches würdige und originelle
Tun und' Lassen lahmgelegt hat. Die Taufgesellschaft begibt
sich hierauf in ein Wirtshaus, wo zum Taufmöhli gedeckt
ist. Die Hebamme legt das Kind auf eine Bank. Das Festen
dauert oft bis in die späte Nacht hinein. Es ist im kleinen Kreise
heute noch Brauch. Nach Schluß begleitet der Götti die Gotte
heim und wenn diese artig und jung ist, weiß das der Götti zu
schätzen und bleibt noch ein Weilchen bei ihr.
Zwillinge, z. B. ein Bub und ein Maitli, nennt man bei uns eine
"Tanzete". Die Tanzete, überhaupt Zwillinge, sind nicht jedem
Familienvater willkommen. Als der Herrgott einmal einer armen
Familie, die schon eine Stube voll Gofen hatte, eine Tanzete
schenkte, erblickte der Vater am Morgen auf dem Pleger
(Kanapee) einige Puppen. Er gab seiner Stimmung damit Ausdruck,
indem er wehleidig rief: "Rüered die Lümpige zum Feister
us, sust wärdet's au nu läbig ".
Bei den kleinen Geschwistern erweckt die Taufete in der Regel
Freude. Sie werden von der Mutter oder von einer großen
Schwester auf das Nahen des Täuflings sorgfältig vorbereitet. Man
sagt ihnen, der Vater habe im Frauenkloster "Au" ein Kind
bestellt.
Noch im letzten Jahrhundert war es in dieser und jener Familie
Brauch, der Wöchnerin ein Häubchen anzuziehen. Das Häubchen
ist jetzt noch unter dem Namen Einsiedler Käpplein bekannt. Es
war entweder aus Seide oder Leinwand verfertigt, vierteilig, auf
jedem Teil mit einem religiösen Bilde bedruckt. Man erhoffte einen
gesunden Verlauf der Geburt. Die gleichen Käpplein wurden hin
und wieder auch als Sterbehäubchen benutzt. Bis in die Soer
Jahre trug die Hebamme beim Taufgang ein weißes Tuchhäubchen
mit geröhrleten Spitzen um den Rand. Die jüngern Hebammen
wollten das Häubchen nicht mehr tragen, worauf es bald vergessen
ging.
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I7. Katzenmusik machen. Ein derber Brauch. Wenn ein
Ehepaar uneins ist, so daß die Frau dem Manne davonläuft und
nach Wochen oder Monaten freiwillig zurückkehrt oder vom
Mann freiwillig geholt wird, entgeht das den schaulustigen Nachbarn
nicht. Schon am gleichen Abend sammeln sich junge Burschen
mit den ausgesuchtestenLärminstrumenten in einem Gäßehen
an, ziehen unter das Fenster der Wohnung des betreffenden
Ehepaars und machen mit Pfannendeckeln, Hörnern, Trompeten,
Schellen und Pistolenknallen einen Höllenspektakel. Er gilt der
Frau, insofern sie freiwillig zurückgekehrt ist, und dem Manne,
insofern er die Frau geholt hat.
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18. S t ä n d li b ring e n. Der hohe Rat von .Schwyz erkannte am
27. November 1658, "daß Niemand mehr nächtlicher Wylen uff
der Gassen mit Saitenspielen, besonders aber -mit unehrbarem
Schreien und Grählen sich erfinden lassen solle und welcher das
überseche, der solle jedesmal Gld. 5 unerläßliche Buoß erlegen
oder solche mit Gefangeschafft oder mit der Trüllen abbüßen".
Im Jahre 1680 wurde dieses Verbot erneuert. Nach Martin Styger
ist das Saitenspielen identisch mit dem Brauch des "Ständlibringens",
der von Söldnern aus spanischen und italienischen
Diensten importiert worden war. Damit wäre nachgewiesen, daß
der Brauch "Ständli zu bringen" im alten Lande Schwyz wenigstens
ins 17. Jahrhundert zurückgreifen kann. Die Untertanenländer
March und Einsiedeln waren schon zur Zeit der Mailänderkriege
pflichtig, Knechte (Söldner) zu stellen, weshalb anzunehmen
ist, daß der Brauch des nächtlichen Saitenspiels bezw. der
"Ständli" auch in Einsiedeln bekannt gewesen sein wird. Die
Verbote richteten sich offenbar nicht gegen das nächtliche Aufspielen,
sondern gegen "das unordentliche Wesen nächtlicher
Wylen in Dörffern uff den Gassen", da schon 160-+ ein Ratsbeschluß
anordnete, "daß jeder z'Nacht umb die nündte Stundt
sich ab der Gassen machen solle by 20 Gld. Buoß". Berüchtigt
waren also die Begleiterscheinungen des Saitenspiels.
Das Saitenspiel bezw. das "Ständlibringen" des 17. Jahrhunderts
hat heute einen nur leisen Nachklang. Wenn sich z. B. das Mitglied
eines musikalischen Vereines verlobt, oder wenn es von
der Hochzeitsreise heimkommt, oder wenn es das silberne, goldene
oder diamantene Hochzeitsjubiläum feiert oder wenn es ein außergewöhnlich
hohes Alter erreicht versammelt sich der betreffende
Verein abends vor der Wohnung des Jubilaren und singt dort
einige Lieder oder musiziert. Es kommt bisweilen auch vor, daß
musikalische Vereine einem hohen Geistlichen zum Namenstag
ein Ständlein bringen.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß hier die Namenstage
gern gefeiert werden. Bei der ersten Begegnung am Morgen
wird der Feiernde von seinen Familienangehörigen beglückwünscht.
Dann rüstet die Hausfrau etwas Gutes auf den Mittagstisch.
In den ooer Jahren war eine Rosindli- oder Mandeltorte bevorzugt.
Wenn ein Wirt oder eine Wirtin Namenstag feiert,
merken sich die Stammgäste den Tag und gehen gratulieren. Der
.Gang ins Wirtshaus an jenem Tage hat auch einen geschäftlichen
Zweck. Der Wirt ist in der Regel Kunde des Stammgasts.
Um zu zeigen, daß es mit dem Namenstagsglückwunsch ernst gemeint
war, wurde er früher mit einem kräftigen Handgriff verstärkt.
Der Gratulant trat Rücklings an die feiernde Person heran,
faßte sie mit beiden Händen im Nacken und, drückte sie. M.,an
nannte diese Uebung "zum Namenstag würgen". Sie ist ganz
vereinzelt heute noch Brauch. Das Würgen war bis um 1880
herum auch am ' Neujahrsmorgen üblich.
19. Bot e n b r öd Ie. "Botenbrödle" bedeutet zu einem erhaltenen
Amte Glück wünschen. Im Jahre 1737 wurde das Botenbrodle
untersagt, da es als Bettelei ausartete. In Einsiedeln besteht der
Brauch, daß nach der Wahl des Bezirksammanns, des Bezirksstatthalters
und des Bezirkssäckelmeisters durch die Maiengemeinde
(jetzt Urnenwahl) die Bezirksmusik vor die Wohnhäuser
der drei Gewählten zieht und dort je 2 bis 3 Stücke spielt. Der
Gewählte kommt nachher zum Musikdirigent herunter, dankt ihm
und drückt ihm für einen Imbiß der Musikanten ein Banknötli
in die Hand.
Die Gewählten sitzen nachher mit den Ratsherren in einem Wirtshaus
zusammen und trinken eins. Bis vor wenigen Jahren war es
Brauch, daß der neubestellte Bezirksrat nach der ersten Sitzung
eine Blustfahrt in die Höfe machte. Dieser Brauch ist so erbaulich,
daß er nachgemacht werden sollte. Zu den geselligen
Veranstaltungen des Rates gehört auch das sogen. Bußenessen.
Vor Schluß der Amtsperiode wird das Erträgnis der Bußengelder
gezählt und für einen gemeinsamen Imbiß verwendet.
20. An s chi e ß e t. Während im Züribiet und anderswo der
Ansehießet der Schützenvereine sang- und klanglos verläuft, da
sich die Schützen einzeln auf dem Rad, im Auto oder zu Fuß in
den Schießstand begeben, versammeln sich hier an der alten Fastnacht
die Vereinsmitglieder im Schützenhaus zur Schützenordnung,
in der Vorstand, Schützenmeister und Zeiger gewählt werden.
Nach der Schneeschmelze, ordentlicherweise am Ostermontag, versammeln
sich die Schützen wiederum in ihren Vereinslokalen, um
zum Ansehießet auszuziehen. Vor dem Vereinslokal erscheint die
Blechmusik. Der Schützenmeister ruft alsdann die Schützen zur
Sammlung in Linie auf den Platz hinunter, die Zeiger in der roten
Bluse und Mütze am rechten Flügel und befiehlt "Achtung!"
Dann erscheint der Fähnrich mit der Fahnenwache. Er schreitet
unter dem "Klange des Fahnenmarsches die Front ab, hält auf der
Mitte an, schwingt vor der Schützenlinie die Fahne und schwenkt
dann in die Marschordnung ein, worauf der Zug mit klingendem
Spiel durch den Flecken in den Schießstand zieht.
Nebst dem obligatorischen und fakultativen Programm veranstalten
unsere Schießvereine jährlich einen gemeinsamen Grümpelschießet
und ein Bezirkswettschießen. Die alte Dorfschützengesellschaft
führt nebstdem einen Chässchießet durch, an dem
die traditionelle Chässuppe verabreicht wird. Die Chässuppe wurde
nach altem Ortsbrauch folgendermaßen zubereitet: Dunkelbraun
51
gebackenes Brot in Brosmen schneiden, eine Lage davon in die
Schüssel streuen, darüber eine Lage geriebenen alten Schwyzerkäse,
dann wieder eine Lage Brosmen und das wechselweise
wiederholen, bis die Schüssel voll ist. Salz und Pfeffer darauf
streuen, einen Guß heißes Wasser über die Maße gießen, stehen
lassen, bis alles durchweicht ist. -Die Schüssel über das Feuer
stellen, gleichzeitig alles zu einem Brei umrühren, heisse süße
Butter aufgießen, geschnetzelten Böllen hineinstreuen und das
Gericht auftischen.
Für die verstorbenen Mitglieder findet jeweilen ein von der Gesellschaft
gestiftetes Seelenamt statt.
Schützenordnung, Wettschießen und Gabensammeln haben in
Einsiedeln ein hohes Alter. Hiefür einige Protokollzeugen : Ratsbeschluß
vom 29. April 1555: "Denen us der March, Küßnacht,
Höff und Einsiedlen abermahlen jedem ij Kronen zu verschießen
wie von altersher" . Ratsprotokoll 1560 für Sonntag Laetare: "Den
Schützen anzeigen, daß sie Stuhllegger um das Pulver zahlen,
dieweil sich ein jeder mit Speise auch versehen müsse und
dann meine Herren und Waldleute ihnen jährlich zu verschießen
geben". Ratsprotokoll 159J: "Den Schützen ist erlaubt ihre alte
Gabe wie von altem her". (Mitteilungen des historischen Vereins
des Kantons Schwyz 1901 M. Ochsner und 1906 M. Styger.)
Der Ansehießet war von jeher wie Chilbi und Fastnacht und die
"brave ehrliche Hochzeit" dem Tanzen geöffnet. Ein diesbezüglicher
Beschluß erging schon an der Landsgemeinde des Jahres
1792.
Der Leser betrachtet den vorstehend geschilderten Brauch ohne
Zweifel nicht mit großen Augen. Der eine und andere wird
sogar sagen, es lohne sich kaum, ihn zu erwähnen. Wir sind
anderer Meinung. Dieser Brauch ist insoweit zu schätzen, als er
das käfertrockene Schießen um Geldpreise und Rangstolz (das
obligatorische Programm in Ehren!) mit einwenig Poesie umrahmt,
die an den traditionellen schweizer. Wettkämpfen wie
Schwingen, Schießen, Turnen, Singen usw. je und je abhanden
gekommen ist. (Siehe diesbezüglich meine Aufsätze "Gegen die
. Verarmung der schweizer. Schwing- und Aelplerfeste", "Neue
Zürcher Zeitung" 1921).
z r, Pf in g s t e n s c h e ll e n und -gugger. Am Langriitiboden
im Unterdorf stehen nebeneinander unter gleichmäßigen Satteldächern
drei alte gemauerte Wohnhäuschen anmutiger Art. Da
dort einst die Hafner auf Drehscheiben von Hand Küchen- und
Eßgeschirr formten und dasselbe in primitiven Oefen mit Holzfeuerung
brannten, wird jene Häusergruppe heute noch das
Hafnerquartier und die Häuschen "Braunstein", Brennofen" und
S2
"Glasur" genannt. Das Geschirr zeichnete sich durch eine OrIgInelle,
bauchige Form aus. Der braune Grundton war entweder
mit hellbraunen oder mit dunkelbraunen Ringen und. sogenannten
Mannsschilden gemustert. Jedes Geschirr wurde als einfacher
Schmuck ländlicher Küchen und Stuben geschätzt. Auf Pfingsten
stellten sich die Hafner in den Dienst überlieferter Kinderfreuden,
indem sie das tägliche Eßgeschirr in Miniaturformen brannten
und zugleich Pfingstenschellen und Pfingstengugger herstellten,
die, im Gegensatz zum Geschirr, nicht glasiert wurden. Am Pfingstsonntagmorgen
stellten sie vor dem Rathaus einen Stand auf und
hielten dort ihre Produkte für einen Batzen das Stück der Jugend
feil. Gegen Mittag ließen sich überall im Dorf herum Gugger und
Schellen hören. Die Gugger erzeugten zwei Töne, die mit dem
natürlichen Rufe des befiederten Frühlingsboten genau übereinstimmten.
Man mußte in eine schmale Ritze blasen und mit
einer Handballe das Luftloch wechselweise öffnen und schließen.
Die Schellen ergaben beim Anschlagen des kleinen gebrannten
Kahlens einen hellen Klang, fast jede in einer andern Tonlage.
Beide Instrumente erinnerten das Volk an den Einzug des Frühlings.
Der Töpfer, der im Jahre I893 die letzten Gugger und Schellen
drehte und brannte, ist Laurenz Merz. Ein Brand warf für ungefähr
200 Fr. Töpferware verschiedener Art ab. Das Lehmwaschen,
Modellieren und Aufsetzen beschäftigte 3 Personen ungefähr
I4 Tage lang. Gugger und Schellen wurden im direkten
Feuer, das durch runde Löcher in das Gewölbe drang, gebrannt.
In einem kleinen Raum, der sich hinter dem Gewölbe befand
und der die Hitze indirekt erhielt, wurden die aus kleinen Modellen
abgedrückten sog. "Muttergöttesli" (Einsiedler-Muttergottesfigürchen)
gebrannt. Frauen zahlten für ein mit diesen Figürchen gefülltes
Kistchen einen Franken, bemalten und vergoldeten sie als
Heimarbeit und verkauften diesen begehrten Wallfahrtsartikel
zu Hunderten in die Stände. Seit ungefähr 30 Jahren ist dieser
. billigste Wallfahrtsartikel verschwunden und durch gepflegtere,
größere Wachsfiguren ersetzt. Die alten Modelle liegen im Kloster
aufbewahrt.
In den 70er Jahren lebte hier eine vielköpfige Familie Müller,
die sich mit dem Abdrucken und Bemalen der "Muottergöttesli"
befaßte. Sofort nach Schulschluß mußten auch die Kinder bis
in die Nacht hinaus mithelfen. Diese Familie dürfte den interessantesten
Beweis für die Kargheit des Heimverdienstes geliefert
haben. Müller verkaufte in den schlechtesten Jahren bis zu
tausend Figürchen, in den besten Jahren 200 Figürchen für einen
Franken (abdrücken und bemalen). Wenn man sich vorstellt,
was rustikane Hafner und Maler als geplagte Familienväter bei
den ungezählten Handgriffen hie und da denken mochten, kann
man sich den Ursprung eines verwerflichen, aber landläufigen
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Beinamens jener Statuetchen erklären. Er hieß "Laichaibli", recte
Chaibli aus Lehm.
Unter "Stand" versteht man folgende Verkaufseinrichtung: Ein
breiter Tisch aus zusammengefügten Tannenbrettern, hinten und
beidseitig ein verschaltes Gerüst aus Dachlatten, darüber ein
Dach aus geschuppten Brettern, hinten nieder, vorn hoch wie
ein Pultdach mit breiter Vorladung, damit bei Regen auch der
Käufer geschützt ist. Diese Stände, die man noch an den Jahrmärkten
sieht, sind baulich ein Abbild der ursprünglichen, 1869
abgebrochenen Devotionalienstände am Adlerraindli und vor dem
Gasthof zur "Sonne". Die jetzigen Stände am Adlerraindli, vor
der "Sonne" und am St. johann-Mattli und beim ehemaligen
Brueltor verunzieren infolge ihrer schlechten Bauformen den
schönen Hauptplatz und brechen seine Linien. Nur 2 Beispiele:
Wenn man vor dem Rathause steht, schalten die Pfauenstände
die angenehme Abschlußwirkung gegen Norden, die das alte
Schulhaus haben könnte, vollständig aus. Kommt man von der
Hauptstraße her, dringen die Sonnenstände wie ein Sporren in
die Fläche hinaus. Stände nach der ursprünglichen Bauart könnten
die gute Wirkung des Hauptplatzes nur wenig beeinträchtigen,
da sie den Eindruck machen würden, sie seien als kurzfristige
Markteinrichtung da.
22. Mai eng e m ein d e. Die Maiengemeinde, die alle 2 Jahre
stattfindet, ist den Wahlgeschäften gewidmet, über die bekanntlilieh
die gesetzlichen Bestimmungen maßgebend sind. Bis um 1905
herum wurden die Wahlgeschäfte an der offenen Bezirkslandsgemeinde,
genannt "Maiengemeinde", abgewickelt. Seither gilt
die Urnenwahl. Man darf hier die Maiengemeinde als würdigen
alten Brauch kennzeichnen, den die kommenden Generationen
wahrscheinlich vermissen werden.
Sie wickelte sich am ersten Maiensonntag nachmittags halb 2 Uhr
vor dem alten Schulhause ab. Dort war, an den östlichen Flügel
gelehnt, eine Holzbühne aufgerichtet. In den letzten Jahrzehnten
des Bestandes sah die Bühne kahl aus. Früher wurde sie mit
farbigen Tüchern und Tannreisigen geschmückt. Um 1 Uhr
besammelte sich der Bezirksrat auf dem Rathaus. Kurz vor halb
2 Uhr zog er, an der Spitze das Ratsbureau, Bezirksammann in
der "Mitte, rechts der Statthalter, links der Säckelmeister, dann
die Ratsherren und am Schlusse Landschreiber und Ratsläufer.
dieser in den Farben, auf den Schulhausplatz und bestieg dort die
Bühne. Der Bezirksammann nahm vorn in der Mitte stehend
Platz, neben ihm der Läufer; die andern Ratsmitglieder setzten
sich in der Reihenfolge nach Dienstjahren rechts und links auf
2 Bänke. In der Mitte saß an einem Tischehen der Landschreiber.
Die hintere Bank wurde von den 3 Stimmen zählern und vom
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Weibel belegt. Zu Beginn wurden 3 Vaterunser und der Glaube
gebetet. Dann begannen die Verhandlungen und das Handmehren.
Bei drohenden Streitigkeiten unter den Wählern gebot der Ammann
noch in den soer Jahren den Landesfrieden, indem er das
Schwert, mit dem Griff nach oben gerichtet, hochhielt. Nach
Schluß der Geschäfte bewegte sich der Zug in gleicher Ordnung
auf das Rathaus zurück. .
Aus einem Ratsprotokoll ist ersichtlich, daß noch um 18II "an
der Landsgemeinde Feldmusik und Militär paradierten". Die damalige
Instrumentierung der Feldmusik ist nicht bekannt. Hingegen
kennen wir die vom Jahre 1798 aus einem Briefe des
Landschreibers Augustin Gyr an seinen Bruder P. Basilius im
Kloster Rheinau. Sie bestand aus 2 Fagotten, 2 Cornu, 2 13
Clarinetten, 2 Dis Clarinetten, 1 Serpang, 2 Pfeifchen, I Trompete,
der großen Trommel und den Platten. Somit hat innert IOO Tahren
das Feierliche der Landsgemeinde so stark gelitten, daß nicht
mehr viel aufgegeben werden muß, um vollends beim Unfeierliehen
anzulangen.
Ergötzen wir uns deshalb an einer Betrachtung Meinrad Lienerts
über die alte Landsgemeinde :
"Die Kantons-Landsgemeinde der "Innern" und "Aeußern" ist
mit dem Horen- und Klauenstreit verschwunden. Früher tagte das
Schwyzervolk im Mittelpunkt des Landes, in Rothenthurm, auf
einem Platze, so wie ihn die alten Römer für ein Amphitheater
nicht passender hätten ausfinden können. Aber als an der zweitletzten
schwyzerischen Landsgemeinde der frischgeschälte Reitel
der Muotethaler, statt dem offenen Handmehr Brauch zu werden
schien, verzichtete man auf die Landsgemeinde in .Rothenthurm
und zog es vor, diese Gemeinden in "den einzelnen Talschaften
abzuhalten. So haben wir denn seit jenen stürmischen Zeiten
unsere eigenen Landsgemeinden. Als wichtigste erscheint unserm
Volke die Maiengemeinde. Sie ist schon alt. Freilich hatte sie
früher einen andern Charakter, als die Bürger der Waldstatt noch
unter der dreizerteilten Hoheit standen. Da heißt es z. B. "Maven·
gemeind zu Einsidlen, gehalten den 6. Mai 1792, in Anwesenheit
der hochgeachteten H. H. Ehrengesandten, als besonders ist:
hochgeacht. wohlweisen Herrn Landessekelmeister Schuoler, wie
auch hochgeacht. Herrn Sibner Leonhard Abegg, -- von Seiten
des fürstl. Gotteshauses Ihro hochwürdigen Statthalter Bettschart,
Kanzler Jüz, ehrenfeste H. Ammann Aug. Benedikt Gyr, - von
Seiten der Waldstatt : Geehrten Herrn Amtsvogt Plazidus Kälin
u. s. w.". Also Schwyz, Kloster und unsere Väter teilten sich in
die Herrschaft. Vor die Maiengemeinde abgehalten werden durfte,
mußte ein Mitglied des Waldstattrats hiefür als Gesandter "nacher
Schweitz an die Landsgemeind zu Ibach an der Brugg" geschickt
werden, um die alten "Fryheiten" zu erbitten.
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Heute ist das anders, jetzt wählen wir unsere "gnädigen Herren
und Obern" selber und wollen alles tun, um dies unser heiliges
Recht der Selbstregierung nie mehr zu verlieren. Schon hat die
Bezirksmusik tapfer eingeübt, um die neuen Regenten mit Trompetenschall
zu feiern. Schon bürstet die greise "Läufri" den
"Nebelspalter" ihres würdigen Herrn Gemahls und rüstet sein
blutrotes Standeskleid. Nun spizt die Kielfeder gar wohl der Herr
Waldstattschreiber. denn es gilt, den Willen des souveränen
Einsiedlervolkes zu buchen.
Landwaibel, slag din Trommelfell
Diu Lantzgemein zuo künden l
Diu alten gnädigen Herrn gönd,
Mi wirt wo nüwe finden.
Von Euwthal u. von Wyler Zell,
Ab Trachsloub u. Bennawe,
Von Gross ilt, unde Eggenzell
Zuo "user lieben Frawe."
Ihr Herren us dem obren Dorf,
Auch ab der langen Rute,
Ihr stand der Lantzgemein wolan
Der altgefrit Waldiute.
Nit minder diu vom Sagenplatz
Jetweder komm zuom Mehren,
Nimbt einer mit sin bluotjung Schaz
Daz wollen wir nit wehren.
Un griff zuom Schwert, Herr Landammann
Daz Globtniss zuo ernüwen,
Diu alten Bruch, die lass und stän
Diu festen wir in Trüwen."
Ueber den Zwang, den zeremoniellen Amtsmantel zu tragen, ist
zu sagen, daß die schwyzerische Landsgemeinde vom 7. Mai 1764
die uralte Verordnung erneuerte, daß wer ohne Degen und Mantel
an der Landsgemeinde erscheine, kein Recht habe, an derselben
Anträge zu stellen. Immerhin dürfte der schwarze offene Mantel
in der heutigen Gestalt doch nur ein Ersatzrequisit für das ehemals
zuständige Amtskleid sein. Er hat sich so zähe überliefert, um
unoffizielle, ev. unwürdige oder wenigstens unschickliche Kleider
zwangsweise zu umhüllen. Das dürfte auch für die Deutung des
Läufer- und Weibelmantels gelten, da die ursprünglichen Amtskleider
entweder kostenhalber oder aus Mangel an Verständnis
oder der Mode weichend, nach und nach eingingen. Das sollte
man allerdings denjenigen, die. über die Amtskleidung des eidg.
und der 25 Standesweibel zu entscheiden haben, nicht nachsagen
müssen.
23. Alp a uf z.ug. Der Alpaufzug, der sich in der Regel während
der Nacht vollzieht, ist im bäuerlichen Volksleben immer eine'
frohmütige Szene. Er entwickelt sich nach einer bestimmten Ordnung,
die hier kurz beschrieben sein soll: An der Spitze läuft der
Meistersenn ,Domintsch' mit der bekränzten Senntenkuh "Aueli".
Die Senntenkuh trägt die große Senntentrychle an einem mit
Metall beschlagenen Halsband. Dann folgt der Knecht ,Chäpp'
mit der Läcktasche ausgerüstet" der die Kühe fröhlich jauchzend
nachlockt. Ssä .. ssä .. Lobe .. ssä.. Die Kühe "BüseI", "Prästii",
"Laubi", Struß" und wie sie alle heißen, laufen frei, insofern· alle,
Tiere aus dem gleichen Stalle stammen. Tiere aus verschiedenen
Ställen werden geführt. Die Kühe tragen Schellen. Hinterher
gehen einige Treiber. Ihnen folgen die Rinder "Fähnli", "Mütsch·
li", "Jumpfer", "Tschupp" usw. Rinder tragen Kloben. Hinter
ihnen treiben zwei Knechte mit dem Schäferhund "Bläß". Dann
kommt der Muni "Divico", der von einem starken Sennen, dem
,Baschi', geführt wird. Ihm folgen die Gaißen und Schafe, ein
Bub mit dem Gaißhorn voran und Maitli, die treiben, hinterher.
Die Gaißen tragen kleine Klobentrychlen. Sie hören auf den Ruf
"Gaiß ... Gaiß ... ", die Schafe werden mit "Tschuf ... Tschuf ... "
getrieben. Der behäbigste Mann im Alpaufzug ist der Senntenbauer
,Lieni' aus der Syti, der im Rücken seines lieben Senntens
mit Senntenbäuerin, Söhnen und Töchtern und Buben und Maitli
auf die Alp zieht. Eine seiner verheirateten Töchtern trägt ein
kleines Mädchen auf der Maisse. Dem Senntenbauer folgen Viehhüter
und Mägde mit Alpgerätschaften (Sennchessi, Tansen,
Eimer, Räf, Chraten, Wildiheuseile usw.) In der festlichen Darstellung
des Alpaufzuges ist die Zahl der Treiber, Mägde usw.
aus erklärlichen Gründen größer als in Wirklichkeit.
Die Alpabfahrt vollzieht sich in gleicher Zugsordnung. Da sich
das Vieh infolge des langen Aufenthaltes auf der Alp gegenseitig
gut verträgt, folgt es ruhig in schöner Reihenfolge der Senntenkuh.
Alpaufzug und -Abfahrt haben von ihrer ursprünglichen Biederkeit
und Anmut viel eingebüßt. Es erübrigt sich, den fröhlichen
Senntenzug bei einer Kirche vorbei während des Gottesdienstes
amtlich zu verbieten, wie das noch in den 70er Jahren für notwendig
befunden wurde.
Für die ursprüngliche Gliederung des Alpaufzuges und der Alp·
abfahrt besteht wenig Verständnis mehr. Das ist in erster Linie
der allgemeinen Verarmung der Ideen zuzuschreiben, aber auch
folgenden Umständen: Die Bauern fahren mit dem Alpvieh in
kleinen Beständen auf und ab; die Züribieter, die ihr Vieh auf
unsern Alpen sömmern, führen es selbst hieher, sie haben die
Bräuche nie gekannt. Die Aelplerchilbi ist überhaupt vergessen.
m die Bilder des Aelplerlehens wieder aufzufrischen, wurden am
ersten schweizerischen Trachtenfest in Einsiedeln (im Sommer
57
1929) Alpaufzug und Aelplerchilbi, verbunden mit der größten,
schweizerischen Werktagstrachtenschau in guten Formen dernonstrando
durchgeführt. Trotzdem wird man sich der Schönheit der
Bräuche erst wieder bewußt sein, wenn der Senntenbauer Lieni.
die Bauernsame einst zur zweiten großen Aelplerchilbi einladet.
Im Sommer dieses Jahres haben Züribieter Großbauern dem Alpaufzug
eine ganz moderne Form verliehen. Sie richteten einen
Lastwagen und Anhänger mit je 4 hohen Bretterwänden auf, verluden
darin 12 Stück Großvieh in Reih und Glied .und fuhren so
bis an die untere Alpgrenze. Diese neueste Art zur Alp zu fahren,
genießt den Vorteil des Zeitgewinns, auch schließt sie Strapazen
aus, aber sie ist jeder Originalität bar.
Die Genoßsame Dorf-Binzeri hält folgende Auf- und Abfahrtstage.
Auffahrt: je nach Witterung Ende Mai oder Anfang Juni für die.
Weiden Sulzei, Bollern und Rickental, acht Tage später für die
Weiden Tritt, Amsel und Kuhboden. Abfahrt: Mitte September.
24. Alp s e gen (Betruf). Es ist eine schöne Sitte der Aelpler,
allabendlich, wenn im Tale die Betglocke ausgeklungen hat, ein
gebet von Alp zu Alp zu rufen. Auf den Alpen im Hinterland Einsiedelns,
d. h. im Alp- und Sihltal, hat dieser Brauch allerdings
keine lange Vergangenheit. Vor einem Jahrzehnt machte der-
Oberpfarrer von Schwyz den Versuch, den Betruf einzubürgern.
Es gelang dies auf den Alpen am Fuße des Drusbergs. Der Aelpler
auf Hessisbohl ruft auf, diejenigen auf Käsern, Hinterofen und.
Obere Weid antworten. Dieser Betruf, .der im Wortlaut folgt, ist
nicht schwyzerisch. Er dürfte aus Engelberg stammen.
Alp-Segen
(Abend -Gebetsruf)
Ave. Ave Maria l
Es ~alte Gott und Maria!
Der Name des Herrn sei gebenedeit,
Von nun an bis in Ewigkeit.
Vieh und Alpen, Leut' und Land,
Schütze und segne seine Hand.
Ave Maria, sei gegrüßt,
Die du voll der Gnade bist.
Unter den Weibern bist du benedeit,
Und dein Kind Jesus in Ewigkeit.
Heilige Maria, Mutter' Gottes,
Bitte für uns arme Sünder, jetzt
und in der Stunde unseres
Absterbens. Amen.
Ave, Ave Maria!
Es walte Gott und Maria l
Sankt Josef, Antoni und Wendelin,
Sankt Philipp, Jakob und Isidor,
Sankt Lukas, Matthäus und Markus,
Und Sankt Johannes der Evangelist,
Der beim Kreuz des Herrn gestanden ist.
Und die Engel und Heiligen all,
Sie sollen uns gnädig bewahren,
Vor Uebel, Unglück und Gefahren,
An Leib und Seele, an Hab und Gut,
Das liebe Vieh auch halten in treuer Hut,
Und was sonst zur Alp gehören tut.
Vor Hagel, Blitz und Wetterstrahl,
Und vor den bösen Geistern all,
Schütz' uns Gott jetzt und alle Zeit.
Ave, Ave Maria!
Das walte Gott und Maria!
Gelobt sei Jesus Christus in Ewigkeit!
'In alle Ewigkeit. Amen,
Hierauf beten die Aelpler im stillen für die armen Seelen im
Fegfeuer ein Vaterunser und Ave Maria.
Ich lasse anschließend einen Alpsegen schwyzerischer Eigenart
folgen, der von Otto Hellmut Lienert verlaßt ist. Er ruft den
Landespatron St. Martin und die Ortsheiligen von Oberiberg,
Unteriberg und Studen an, und zwar in guter Einsiedler Mundart.
Es soll der Versuch gemacht werden, die Aelpler für diesen
schwyzerischen Betruf zu begeistern.
Alpsäge
Sä losed jetz, ihr guete Lüt,
's ist wider Bätelütezyt I
Wend bäte und dr Herrged lobe.
Hoch globt syg Jeseß Christ do obel
Aer sägni üsers Almedland,
Au dich und mich, allmitenand;
Und d'Muettergottes sägnis au.
No üs're allerliebste Frau,
Sä sägnis dä die Alpewält
Dr Vater Sant Joseb nu, gält.
Sant Marti, helge Landesvater,
Verrigle i dr Hell dr Gatter I
Für jedre Bättler häst äs Härz,
Drum lueg dur d'Stärne ärdewärts,
Wo i de Ruse dGspeister stönd,
As s' üs die Nacht nüüd aha chönd.
Und's Veh vor Süchi, d'Lüt vor Händel,
Biwahris üs're heilig Wändel.
59
Doch luegt is nüd zue Liecht und Füür
D'Sant Agäthe, isch glych nüd ghüür.
Dr Sant Johan, dr Liebesjünger,
Aer netz' i Ostertauff sy Finger,
As's Tau statt Ryffe git die Nacht
Und morernorged d'Sunne lacht. Ame.
Es war ursprünglich meine Absicht, den Alpsegen vertonen zu
lassen. Nach Ueberlegung sah ich ein, daß es unnütz wäre, dem
Aclpler zuzumuten, den. Alpsegen nach Noten zu singen. Die
Noten sind aus folgendem Grunde überhaupt gegenstandslos:
Jene Aelpler, die den Alpsegen in den Sommermonaten allabendlich
rufen, und das wird in den meisten Fällen zutreffen, eignen
sich beim Hersagen oder Ablesen nach und nach eine Melodie
an, die sich bei jedem Aelpler nach persönlicher Neigung entwickelt.
Sie färben die Vokale a, e, 0, ü des schriftsprachlichen
Alpsegens in die landläufigen Vokale ihrer Mundart um, verschlingen
gewisse Silben, lassen fast alle Endkonsonanten der
Tätigkeitswörter fallen und modulieren die Laute als weinerlicher
Sington. Daher rühren auch die verschiedenen Begriffsbezeichnungen,
wie den Alpsegen beten, den Aelpsegen sprechen,
den Alpsegen rufen und den Alpsegen singen. Die Melodie besteht
in Tonsteigerung und Tonfall, die mit der Wortsilbe zusammentreffen,
im Gegensatz zu den an Jodlerfesten häufig vorgetragenen
stilisierten Jodlerweisen, mit denen man unsern Aelplern
etwas andichtet, das ihrer Natur widerspricht. Hiezu gehören
die schon im Abschnitt "z'Dorf' goh" erwähnten Triller
und Refrains wie tra-le-la, sum-sum-sum, wau-wau-wau und andere
mehr. Sprach technisch erinnert die Art, wie der Aelpler den
Alpsegen ruft, an das sogen. "Bundesdeutsch" (Jargon vieler
Redner und Referenten, die ihre Mundart verbastern) und an
manche gemeinsam geleierte Gebetsübung der Schuljugend.
25. Valete unserer Studenten. Die Stiftsschule schließt
das Schuljahr gegen Ende Juli. Nach den Maturitätsprüfungen
gibt der hochw. P. Rektor im Namen der kantonalen Prüfungskommission
die erzielten Noten bekannt und richtet an die
Maturanden ein Abschiedswort. Gegen halb 7 Uhr abends versammeln
sich alle Studenten mit der Blechmusik der Internen und
derjenigen der Externen im Abteihof und bieten den Professoren,
die sich an den Fenstern des Fürstensaales zeigen, ein kurzes
Konzert. Nachher' bilden die Internen und Externen getrennt die
Marschordnung. Die erstern ziehen mit der Musik an der Spitze
auf die St. Benediktshöhe, spielen und singen dort. Die Externen
marschieren über den Klosterplatz hinunter in die Dorfstraßen,
indem sie'rias Lied "Valete-salvete" singen. Ihre Musik begleitet
den Refrain jeder Strophe. Dann begeben sie sich in ein Wirts-
60.
haus und feiern Abschied. Der schöne Brauch, mit dem sich
die Studenten von Stift, Schule und Waldstatt, sei es vorübergehend,
sei es für immer, verabschieden, reicht in die Jahre um
1840 zurück. Von dort bis um 191o sangen sie die ulkige Vakanzhymne
a, a, a, valete studia, omnia jam taedia, vertuntur in gaudia
usw. Seither singen sie das von hochw. P. Josef Staub gedichtete
und vertonte Lied "Valete-salvete". Der erste Vers lautet:
Es gibt kein ander irdisch Lied,
das also wohl erklingt,
als wenn die muntre Musenschar
aus frohem Herzen singt:
Valete, valete, valete scholae studia,
salvete, salvete 0 vitae gaudia,
valete scholae studia, valete studia,
salve te vitae gaudia, salvete gaudia.
Beide Liedertexte und Noten sind dem "Musikalischen Quodlibet
für höhere Schulen", österreichische Ausgabe, Einsiedeln I9I2,
einverleibt.
26. Arm b ru s t s chi e ß e n. Am Kirchweihsonntag (letzter Sonntag
im August) wurden früher im Dorf und nachträglich auch auf
den Vierteln Armbrustschießen für die Buben der obern Schulklassen
durchgeführt, im Dorf in einem Schießstand, auf den
Vierteln im Feld. Um 1915 wurde das Armbrustschießen im Dorf
aus schießtechnischen Gründen leider aufgegeben und durch das
Flobertschießen ersetzt. Man bediente sich der Bollinger-Armbrust
und schwerer Stecher, die man von einheimischen Armbrustmachern
bezog. Die Armbrüste wurden vor dem Anschlagen mit
.Yenböge" gespannt. In der Woche vor der Kirchweih durften die
Buben. sogenannten Grümpel (Naturalgaben) betteln. Sie erschie-
-nen zu zweien, einer mit der Armbrust, der andere mit dem
Bügel auf der Schulter, hemdärmlig, einen Blumenstrauß auf
dem Filzhut und sagten Schützensprüchlein folgenden Inhalts
auf: "I bin en arme Schützechnab und bitte um ne Ehregab",
oder: "Wir möchten den Herrn und die Frau angesprochen
haben, daß sie uns armen Bürgerschützenknaben etwas zum
Verschießen gaben" oder die verbindlichste Form: "Wir möchten
Sie redlich angesprochen haben, daß Sie uns Schützenknaben
etwas zum Verschießen gaben." Bis zum Ende des 18. jahrhunderts
erschienen die Armbrustschützenbuben zum Einsammeln
des Grümpels mit Tambour und Fahne. Ein Verbot machte dieser
ansprechenden Aufmachung ein Ende.
Am Kirchweihsonntagnachmittag besammelten sich über ein Hundert
Armbrustschützenbuben auf dem Bahnhofplatz und zogen
mit Musik und Fahne, die Armbrust, im Volksmund "Horebrust"
. oder "Horebräsch" genannt, geschultert, durch die Hauptstraße
61
.auf den Brüel. Sie schossen dort um die Wette auf Scheiben.
Hinter einem Zeigerwall zog der junge Zeiger die vom Pfeil
getroffene Scheibe herunter, drehte den Pfeil aus, ließ die Scheibe
wieder emporschnellen und meldete den Treffer mit einer Kelle.
Die Pfeile wurden auf beiden Seiten des Scheibenstandes an einem
Seilkabel in den Schießstand zurückgekurbelt. Gegen 5 Uhr
abends hatte das Schießkomitee die Ergebnisse ermittelt. Auf
einer Bühne vor dem alten Schulhaus wurde alsdann der Schützenkönig
ausgerufen. Anschließend folgte die allgemeine Preisverteilung.
Um 1860 stiftete Adelrich Ochsner einen Betrag von rund Fr. 70.-
zur Gründung eines Fonds, aus dem die Unkosten für den Unterhalt
des Scheibenstandes, der Scheiben, Armbruste, Pfeile usw.
bestritten werden sollten. Der Fond wurde aus Schützenkreisen
gespiesen, sodaß er vor der Einführung des Flobertschießens
.samt Zins ungefähr Fr. 2000.- betrug. Schützen- und Scheiben-
.stand für das Flobertschießen erforderten ebenfalls Geld, das
zum Teil dem Armbrustschützenfond enthoben wurde. Am 31.
Dezember 1932 war der Fond in der Bezirksrechnung mit
Fr. 1424.90 ausgewiesen. Er liegt bei der Fondsverwaltung.
27. Tanzschänk, Gäuerle, Stägröfmusig. An der Kirchweih
spielte auf der Tanzdiele der Gasthäuser (früher auf dem
Rathaus) bis in die Soer Jahre der Tanzschänker eine besondere
Rolle, die jetzt fast nur mehr repräsentativer Art ist. "Tanzschänker"
ist buchstäblich zu deuten. Er ist der Mann "der
den Tanz schenkt", d. h. denselben für die Allgemeinheit organi-
.siert, Im alten Lande Schwyz hieß er infolge seiner amtlichen
Stellung noch im 18. Jahrhundert "Hirschvogt". Diese Bezeichnung
ist von den Hirschgeweihen abzuleiten, mit denen man im
alten Lande die öffentlichen Tanzdielen und Lauben schmückte.
Seine Obliegenheiten waren folgende: Er mußte tüchtige Tanzmusikanten
suchen, um eine Ländlerstreichmusik zu bilden, sie
aus seinem Sack entlöhnen, die Geigenbank besorgen, 2-3 tanzkundige
Maitli zum Aufwarten dingen, beim Anrücken der Gäste
befreundete Personen zusammensetzen und die Tanzordnung leiten.
Das nannte man kurzerhand "d'Stube ha". Normalerweise kostete
die Ländlermusik (Baß, Klarinette, Geige und Handorgel) um
die zweihundert Franken, zuzüglich einen Franken pro Mann
als Vergütung an den Wirt für die Verpflegung. Der Wirt ver-
.abfolgte den Musikanten den Liter Wein vorzugsweise zu einem
Franken. Das Tanzschänkermaitli erhielt fünf Franken Taglohn
und einen Franken für die Verpflegung. Die Aufgabe der Tanzschänkermaitli
ist nicht zu verwechseln mit derjenigen der Aufwartmaitli.
Die ersten wurden vom Tanzschänker gedungen,
damit sie sich von den Gästen zum Tanzen einladen lassen,
-die letztem hingegen waren zum "uufbeite" bezw. "uufwarte",
<las heißt zum Bedienen der Gäste vom Wirt angestellt. Die
Tanzschänkermaitli mußten hauptsächlich im Gäuerle gewandt
sein. Das Bereitstehen an den Wänden der Gaststube nannte man
"vertäfäle". Noch in den 70er Jahren bot das Vertäfäle ein
-ebenso urchiges als auch farbiges Bild; denn die gesunden Tanz-
.schänkerrnaitli trugen entweder rot oder blau gestreifte selbstgewobene
Gstältliröcke mit hoher Taille, helle rot und blau
gestreifte lange Bändelschürzen und kurzärmlige Leinenhemden.
Die Haarzöpfe hatten sie um den Kopf geschlungen.
Die Tanzordnung war folgende: Ländler, Schottisch, Polka, Ma-
-zurka. Als Ländler unterscheidete man den runden und den 'gstobenen
(ä runde oder ä g'stobne). Ausnahmsweise verlangte der
Tanzschenk einen Galopp, besonders als Kehraus od. Schlungguus.
.Er eröffnete den Tanz selbst, indem er den Musikanten zurief:
"Zoge! zoge!" Sofort nachdem die Spielleute die ersten paar
Takte gespielt hatten, tanzte der Tanzschenk einige Runden vor,
indem er dazu jauchzte, bödelte, in die Hände klatschte. Hin
und wieder nahm er ein Tanzschänkermaitli zuhanden, wiederholte
die vorherigen Tanzbewegungen, ging auf die Knie, schlug
-die Handballen taktmäßig und wechselweise auf Schenkel und
Parkett, erhob sich wieder, drehte sich um sich selbst, faßte
das Maitli an der Taille, schwang es rundum, hob es empor,
.ließ es unter einem gehobenen Arm durchtanzen und schlug
beim Emporschnellen mit dem Handrücken an die Holzdecke.
Diese Tanzart nannte man "gäuerle", von Gautanz abgeleitet.
Beliebt war besonders der "Alemander". Der Gäuerler als solcher
ist sehr alt. Er kann deutschen Ursprungs sein. Der Name
"Alemander" greift meines Erachtens auf die Zeit der Invasion
französischer Truppen um 1798 zurück. Die französischen Soldaten
sahen, wie die Deutschschweizer tanzten und sagten zuein-
.ander : "Hs dansent ä l'allemande". Darauf bekam eine Abart des
Gäuerlers seinen Namen (man vergleiche quelle heure est-il? und
Gelleretli (Uhr), point d'honneur und Puntenöri, aller se coucher
und ins Guschi gehen usw.). Uebrigens deckten sich die Hauptmerkmale
aller Gäuerlertänze mehr oder weniger. Man legte ihnen,
je nach der Landesgegend einen Ortsnamen zu. So nannte man
ihn im Muotatal den Hüritaler. Um den Tanz zu beleben, nahm
der Tanzschänk gelegentlich auch ein Tanzschänkermaitli, das
.am Täfer lehnte, an der Hand und führte es einem tanzlustigen
Burschen zu, der ohne Mädchenbegleitung auf der Tanzdiele erschienen
war. Diese Uebung ist im Ybrig und im Alptal jetzt
.noch gebräuchlich. Ihr verdankt manch junger Bursche, daß er
tanzen gelernt hat. Sie kann an die Knabenschaften erinnern.
.Männer, die den Tanzplatz allein besuchen oder deren Frauen
.nicht tanzen können, zeigen sich ungehalten, wenn der Tanz-
schänker versagt und ihnen kein Maitli zuführt. Ein untätiger
Tanzschänker wird gern vom Tisch aus bespöttelt.
Für seine Leistungen mußte der Tanzschenk auch bezahlt sein.
Wie machte er das? Wenn alles so recht festfreudig auf und ab
wogte, so daß das Gebälk ächzte und die Tanzdiele unterstübert
werden mußte, warf er eine Double auf die Tanzdiele, um die
Gäste herauszufordern. Uebermütige unter den Gästen machten es
ihm bisweilen nach. Es ist schon vorgekommen, daß so ein Fastnachtsnarr,
und deren gab es unter den Mannern früher mehr als
jetzt, auf die Fastnacht hin extra einen Kloben Scheiter verkaufte,
um auf der Tanzdiele mit einer Doublone den Eindruck erwecken
zu können, er sei gar gut bei Geld. Uebung war jedoch, daß der
bessere Gast etwa einen Fünfliber hinaus warf. Der Tanzschänk
ließ das Geld eine Zeitlang auf dem Parkett liegen, bis niemand
mehr Miene machte, den Geldsäckel hervorzunehmen, tanzte aber
zugleich besorgt um die Silberlinge herum, um zu verhüten, daß
kein Umsitzender unberechtigterweise in das Ries hinein lange.
Dann ramassierte er das Geld zusammen. Wer nichts auf die
Tanzdiele werfen wollte, gab dem Tanzschänk beim Verlassen
des Lokals oder nach Feierabend etwa einen bis zwei Franken,
wie es heute noch gebräuchlich ist. Der Tanzschänk war folgendermaßen
ausgerüstet: Mit Blumen besticktes, rundes Samt- oder
Tüchlikäppli, ein Züttel daran, hemdärmlig, wagrecht oder senkrecht,
in der Regel rot-weiß oder rot-schwarz oder rot-beige gestreifte
Weste aus Leinen oder Seide, später geblumte dunkle
Samtweste, grobe Halbschuhe, handgestrickte weiße Strümpfe.
Auch trug er eine möglichst auffallende silberne oder nicklige
Uhrenkette.
Im alten Lande Schwyz war der Tanzschänker bis um die Jahrhundert
wende mit einem rot-schwarz bemalten, mit Handgriff
versehenen Meerrohrstock ausgerüstet, den man "Tanzschänkerstöckli"
oder "Tanzschänkerstab" nannte. Diesen Stab bog er
beim Gäuerle bald über den Kopf, bald über die Schultern, bald
streckte er ihn gegen einen tanzsäumigen Bauern aus, um ihn
aufzufordern, mit der tanzlustigen Nachbarin zu tanzen. Neuankommenden
zeigte er mit dem Stöckli leere Plätze. Das Tanzschänkerstöckli
hatte also zeremonielle Bedeutung, dies namentlich
bei der Ordnung des Rästlitanzes. Unter "Rästlitanz" versteht
man 6 nacheinander ausgeführte Tänze, ohne daß die
.Paare ihre Sitzplätze beziehen. Als dritter Tanz im "Rästli" wurde
immer der Polka gespielt. Am Schlusse dieses Tanzes gab der
Tanzschänker ein Vorzeichen, daß er nun mit dem Einzug der
Tanztaxe beginne. Er schlug mit dem Stöckli an die Decke und
ließ den Rand des Zinntellers mehrere Male an den Westenknöpfen
heruntergleiten, sodaß ein rasselndes Geräusch entstand.
Gegen den Morgen hin bot der Tanzschänker Feierabend, d. h.
Schluß des Tanzes. In der Regel überredeten ihn die Gäste, er
möchte noch eine Runde spielen lassen. Er ging darauf ein und
bewilligte die sog. "Küchenrast". Unter "Küchenrast" versteht
man das Spiel der 6 Tänze im Rästli in einem Zug während
ungefähr einer Viertelstunde. Das Meerrohrstöckli muß im alten
Land einen eleganteren Vorläufer gehabt haben, etwa in der
Gestalt eines gedrehten Stabes mit Knopf (Renaissance). Bei uns
kannte man nur das Meerrohrstöckli, das auf dem Pulte des alten
Lehrers lag und das er brauchte, wenn er ein vaterländisches Lied
z. B. "Laßt hören aus alter Zeit" dirigierte oder wenn er .den
Schülern Tatzen austeilte.
Die fachtechnischen Ausdrücke für die Tanzfiguren beim Gäuerlen
sind meines Wissens in der Literatur nirgends aufgezeichnet.
Im Volksmund haben sich jedoch einige Bezeichnungen erhalten,
von denen man annehmen darf, daß sie sich mehr oder weniger
mit den ursprünglichen decken. Es sind folgende: "Chnüpfe"
für das Kreuzen der Arme des Tanzpaares, wenn es sich gegenseitig
festhält, um ein paarmal rasch um die Achse der einander
zugekehrten Fußspitzen zu kreisen. Der Begriff "chnüpfe" (man
denke an den Fischerknoten) bezeichnet die Griffe besser als
"kreuzen", ferner "schlüffe" für das Drehen der Frau im Kreis
unter dem gehobenen Arme des Mannes hindurch, ferner "bödäle"
für das kräftige, taktmäßige Schlagen der Schuhsohlen des Mannes
auf die Tanzdiele, ferner "tätsche" für das wechselweise Klatschen
des Mannes mit· den Handflächen auf die Oberschenkel und
unter denselben hindurch, vor der Brust und am Rücken und
auf das Parkett, ferner "stäche" für das wechselweise schnellende
Vorstoßen des rechten und des linken Beines des Tänzers in
hockender Stellung, ferner "trülle" für das Umsiehselbstdrehen
des Mannes, der bei dieser Figur immer die Hände auf den
Rücken legt und "hopse" für das federnde Jucken. Die neuere
Bezeichnung "doppeliere" (irrtümlich auch ."toppeliere" genannt)
gilt ebenfalls einer Tanzfigur. "Doppeliere" bedeutet das wechselweise
Aufschlagen (Doppelschlag) der Absätze und Fuß ballen auf
das Parkett. Der Ausdruck ist vom französischen "redoubler"
abgeleitet. Die ursprüngliche Fertigkeit im geschmeidigen Zusammenspielen
dieser hauptsächlichsten Figuren und im bündigen
Uebergleiten von den offenen Figuren zum geschlossenen Ländler
mit gegenseitigen Kammgriffen, kann nicht mehr gut erreicht
werden, da die wenigen Gäuerler kaum das Ueberlieferte üben.
Man tut besser, das Gäuerle zu unterlassen, wenn man es nicht
so beherrscht, daß es dabei "stübt". Der Ausdruck "G'stobne"
verdankt denn auch der Virtuosität des Tänzerpaares seinen Ursprung.
Sie sollte wenigstens im Tanzschänker verkörpert bleiben.
Zum Besuche des zweiten schweizerischen Trachtenfestes in Genf
1931 unterrichtete Coiffeur Steiner, Vater, der in der Schule
65
,
der Morschacher Stump gelernt hatte, einige Trachtenpaare der
"Waldlüt vo Einsiedle" mit Zuzug des temperamentvollen Metzgers
Trinkler von Schindellegi im Gäuerle. Aber gleich nachher bekamen
die Trachtenleute die "Märzelähmi". Es ist eine naheliegende
Aufgabe der "Waldlüt", das Gäuerle so zu üben, daß
man sagen dürfte, die Einsiedler seien den Schwyzern gewachsen,
was bis anhin noch nie der Fall gewesen ist. Eine erneute Uebung
unter Steiners Leitung erfolgte diesen Sommer als Programmnummer
für den Unterhaltungsabend am internationalen Aerztekongreß
in Zürich.
"D'Gygebank", auf der die Musikanten Platz nehmen, ist einfach
ausgestattet: Ein niederes Bretterpodium, darauf eine Sitzbank,
vom am Podium bis auf Brusthöhe eine Lehne. Das Podium ist
mit rot-weißen Tüchern oder Tannenreisigen geschmückt. Es
steht immer entweder in einer Fensternische oder in einer Ecke
der Tanzdiele.
Wenn man vom ländlichen Tanzbetrieb spricht, muß man auch
die Stegreifmusik miteinbeziehen, aus der sich die heutige Ländlermusik
entwickelte. Nach Tschatlan's Chronik setzte sich die Stegreifmusik
im 14. Jahrhundert aus Schwegel und Trommel zusammen.
(Siehe Tafel 73, Kriegertanz). Nach Schilling's Chronik
im 15. Jahrhundert aus Schwegel und Hackbrett. Im Kommentar
wird der Schwegel als Klarinette bezeichnet. Ob das nicht ein
Irrtum ist? Die Tanzmusikanten trugen einen faltenreichen Wams,
enge Beinkleider und das weiche Beret in den Landesfarben.
Auf der linken Seite der Brust hing ein Schild mit dem Kantonswappen.
Als Geigenbank wurde ein niederer Schragentisch benutzt.
(Siehe Tafel 322, Schwyzer Fastnacht). Der Pfeifer spielte
die Melodie, Trommler und Hackbrettspieler schlugen die ßegleitung.
Das "Schwäbelpfyffli", das man auch in unserem Hochtale
vereinzelt und für den häuslichen Spielgebrauch bis um
1870 kannte, erinnert an jene primitiven Tanzmusikinstrumente.
Es war aus Buchsholz geschnitten, mit 6 Löchern und einer
Klappe versehen und umfing 2 Oktaven. Meinrad Lienert hat die
Rolle des "Schwäbelpfyffers" folgendermaßen geschildert:
Bin ä Schwäbelpfyffer,
bin ä Liedlibringer,
bin ä Schuelverschlüffer,
und ä Landusspringer,
Weder Tänz nu Liedli
helsi jo.
Gstabed mached s'gümpisch,
Trurig froh.
Noch im Anfang des letzten Jahrhunderts setzte sich eine S~egreifmusik
aus einer Prima -Geige, einer Sekunda -Geige, emer
66
großen Oboe und. einem BassettIi zusammen. Gegen die Mitte des
letzten Jahrhunderts wurden Prima-Geige, Oboe und Bassettli
aufgegeben und durch die B- oder A-Klarinette (die Klarinette
ist aus der Schalmei hervorgegangen), die Baßgeige und die
Schv.... yzer-Handorgel ersetzt. Der Klarinettist spielte die Melodie,
Baßgeiger und Handorgler begleiteten. Die alte Schwyzer Handorgel
ist nicht chromatisch. Ueber das Musikalische schreibt
uns ein Fachmann:
"Die alten Tanzmusiken spielten "nach dem Gehör", ohne Noten,
aus dem Stegreif. Bei allen alten Tänzen war nur die Grundmelodie
festgelegt. Ueber die Wiederholungen und die Verwendungen der
einzelnen Themen entschied (resp. entscheidet noch jetzt) in
vielen ländlichen Musiken entweder das führende Instrument
(Klarinette, Geige etc.) oder der Begleiter, der Handorgler oder
sogar der Kontrabassist. Wie bei allen Volksmusiken erfolgt die
Verständigung über das, was bolgen soll, intuitiv, durch eine
von den Mitspielenden allein sofort verstandene kleine harmonische
oder melodische Wendung. Das "Stegreifspielen" setzt
also einen Grundstock von Tanzmelodien voraus, die alle Spieler
"in sich haben"; ihre Aufeinanderfolge und Verwendung samt
den Ueberleitungen wird improvisiert. Das zweite Element der
Stegreifkapellen sind die Zierfiguren des' führenden Instrumentes
(meist der Klarinette). Je nach der Laune oder dem technischen
Können des Klarinettisten wird die einfache Melodie durch Passagen
und Zierfiguren erweitert. Diese Variationen und Melismen
sind ein urtümliches Element aller Volksmusik, verwandt mit den
Jodeln sowie mit den Melismen des gregorianischen Kirchengesanges
und mit den Koloraturen des barocken Kunstgesanges.
Dieses zierliche Umzieren der Grundmelodie setzt Geschmack
und technische Fähigkeit voraus; es soll wirklich improvisiert
wirken und soll die einfache Melodie nicht zudecken."
In einem Aufsatz von Dr. K. W. (Unterhaltungsblatt des "Vaterlands")
betitelt "Einfachheit in der Musik" wird diese Auffassung
bestätigt. Es heißt dort: "Den besten Beweis für die
Gültigkeit des Gesetzes der tiefem Wirkung des Einfachen gegenüber
dem Verwickelten findet man zweifellos auf dem Gebiete
der Musik".
Aus den Stegreifmusiken wurde aus den 1880er und 1890er
Jahren die Tanzkapelle mit Noten. Man nannte sie Ländlermusik.
Wahrscheinlich gaben ihr die Städter diesen Namen, um damit
die Tanzkapelle zu bezeichnen, die in den "Ländern" Urkantonen)
bevorzugt ist. Die Ländlermusik im alten Lande Schwyz verharrte
im Gegensatz zu derjenigen des Hochtales von Einsiedeln
auf der Besetzung mit Geige und Handorgel. Das geschah, um
dem sog. Restlitanz (Räschtlitanz) gewachsen zu sein. Für Bläser
wäre es zu beschwerlich, den Rästlitanz ohne Ablösung zu spielen.
Er besteht aus 6 aufeinander folgenden Tänzen, die durchgespielt
werden, ohne daß die Tänzerpaare die Tanzdiele verlassen. In
unserer Gegend kennt man den Rästlitanz nicht, weshalb die
hiesige Ländlermusik die Besetzung mit A- oder B-Klarinette,
Klavier und Baßgeige und ev. A- oder B-Trompete bevorzugt.
Die Trompete dient entweder zur Ablösung im zweiten Teil oder
zur Verstärkung der Tonfülle. Nach unserer Auffassung verletzen
die schrillen Trompetenstöße den Wohlklang der Ländlermusik.
Auch das Klavier, mit dem das Hackbrett ersetzt wird, ist der
Eigenart der alten Ländlermusik mehr oder weniger fremd.
Im Hochtal von Einsiedeln waren um die Jahrhundertwende die
Ländlerkapellen Späni-Studen, Feusi-Euthal, Reichmuth-Stöcken
und Fuchs-Einsiedeln geschätzt. Seit 1926 ist die Kapelle Beeler
unsere bekannteste Ländlermusik. Die Kapelle Fuchs, von der
2-3 Jahrzehnte lang am meisten die Rede war, kannte man hier
und im Züribiet unter dem Namen "Hudelimusig". (Da der
Ausdruck "Hudeli", wenn er mit Musizieren in Beziehung gebracht
wird, leicht falsch verstanden werden kann, sei dessen Ursprung
erklärt: "Hudeli" war in den öoer Jahren ein allgemeiner Lockruf
für Geflügel. Seither ist er einer von den mehr als 400
Uebernamen der Waldstatt, mit dem eine Frau Fuchs bedacht
worden war, weil sie ihre Enten mit dem Ruf "Hudeli, Hudeli"
anlockte. Dieser Uebername verblieb allen Fuchs jener Linie.
Gründer der "Hudelimusig" war Hanessebeli Fuchs (um 1865).
Seiner Kapelle gehörte anfänglich ein Schwyzer, namens Martin
Inderbitzi, "Ländlerkönig" genannt, als Klarinettist an; dieser
Inderbitzi schätzte und beherrschte die einfachen Tanzweisen
der Stägröfmusigen des alten Landes. Nach seinem Wegzuge
versuchten Hanessebs Sohn und- Großsohn (Konrad und Johann)
das Niveau der Ländlermusik zu heben. Sie spielten deshalb
stark melodiöse Tänze, die Johann extra komponiert hatte. Es
war ein Fehler, daß Johann Fuchs bei seinen Uebertragungen alter
Tänze und bei seinen eigenen Tanzkompositionen den Zierfiguren
zu viel Bedeutung zumaß und dadurch für nicht gewandte Spieler
das melodische Gerüst der Tänze zudeckte. Die Zierfiguren, die
Sechszehntelpassagen, die Triller und Schleifer sollten von tüchtigen
Spielern improvisiert, nicht schematisch nach den Noten
abgelesen werden, da die prägnanten Melodien auch im Interesse
eines guten Stiles sowohl für den "getretenen" als auch für den
"gesprungenen" Tanz nicht verwischt werden dürfen. Merkwürdigerweise
gefielen die neuen Kompositionen mit den Trillernunserm
Volke. Es bezeichnet· sie als .Jüpfig". (Nebenbei bemerkt
sind wir auf dem Tanzboden nahezu beim Kitsch angelangt Die
Fertigkeit in den alten Tänzen nimmt ab und die modernen werden
nicht recht gelernt. Die Trennung der Tanzkapellen ist unvermeidlich:
hie Ländlermusik. hie ]azzkapelle.)
·68
Wir zeigen nachfolgend die Stufen von der pnrmtiven zur
melodiösen Walzer weise, die sich aus dem Ländler entwickelte;
mit 3 Sätzen der B- oder A-Klarinette.
Um 1870'----75. Stegreif von Martin Inderbitzi und Großvater
Hannesseb Fuchs:
Walzer
Clarinette in B
Noten von Martin Beeler
Die Bekleidung der in Schilling's Chronik abgebildeten Tanzrnusikanten.
zeigt, daß die Musikanten offiziellen Charakter hatten.
Tatsächlich bezahlte in Einsiedeln im 18. Jahrhundert der Bezirks-
:säckel die Kosten für Belöhnung und Unterhalt der Musikanten.
Der Tanz 'auf der Tanzdiele des Rathauses (es gab eine obere und
eine untere Tanzdiele) wurde als festlicher Anlaß betrachtet, zu
·dem jeder Ehrenmann in Degen und Mantel erscheinen mußte.
Das geht aus einem Amtserlaß des Jahres 1591 hervor. Man
frägt sich, ob in Einsiedeln in früheren Jahrhunderten nicht auch
der Tanz im Freien Brauch war, wie das z. B. im Waadtland
noch heute der Fall ist. Das trifft zu. Auf den Vierteln, wo
früher. keine Tanzlokale vorhanden waren, da es keine Wirtshäuser
gab, wurde mit obrigkeitlicher Erlaubnis im Freien getanzt.
Wenn wir in Zukunft an einer Aelplerchilbi im Freien
Tanzdiele und Geigenbank aufstellen, pflegen wir ein Stück
gute Ueberlieferung.
69
Um 1900 einfacher Notensatz von Vater Konrad Fuchs:
Walzer, neuere Zeit Clarinette in Bader A
Die Konzentration des gesellschaftlichen Lebens auf die ordentlichen
Tanztage wird durch folgende Zählung am Martinimarkt
des Jahres 1859 beleuchtet: 12 Tanzlokale, 70 Musikanten, 24
Tanzschänker, 36 Tanzschänkermaitli, 95 Aufwärter und Aufwärterinnen,
30. Personen in den Küchen. Der Berichterstatter
(Postmeired incognito) vergleicht das ~ahlenverhältnis mit dem
eines eidg. Schießens. .
Das Leben und Treiben auf der Tanzdiele hat sich gegenüber
früher verflacht, da die derbe Volksstimmung nicht mehr für
die Tanztage "akkumuliert", sondern von neuen Vergnügen Zug
um Zug verbraucht wird.
7°
Um I900 Ländler:
Cäuerler-Walzer
Noten von Martin Beeler
~
71
Um 19IO komplizierter Notensatz von den Enkeln Johann tm
Alois Fuchs:
Walzer
Clarinette in B
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:28. Ku n den ta n z. Ein Tanzabend hat seine besondere geschäftliche
Seite. Männer, die Läden haben, halten darauf, beim
Tanz ihre Kunden zu engagieren. Gegen den Morgen hin überlegen
sie sich, ob sie die Frau oder die Tochter irgend eines
guten Kunden vergessen haben. Es ist auch Uebung, daß die
Väter am Morgen ihre Söhne fragen, ob sie mit der und jener
Frau oder der und jener Tochter getanzt haben. Sie wollen
-sich Rechenschaft geben, ob die Söhne in der 'Gesellschaft auf
-das achten, was der Inhaber eines Ladens sorgfältig beachten
muß. Man darf aber mit Genugtuung erwähnen, daß die Aufmerksamkeit
im Tanzengagement die Pflege freundschaftlicher
.Beziehungen bestätigt.
Jo, jo, jot
Aeben äso!
Tanze, tanze, tanze
Jung und gfryt und lustig sy
Wybervolch und guete Wy.
(Mrd. Lienert).
29. K e gel n, M u tt el e n, W ü e l e n. Kegelschieben und
Muttelen waren immer, aber hauptsächlich an der Kirchweih, eine
"beliebte Unterhaltung der Männer. Im "Einsiedler Anzeiger"
wurde jede Gelegenheit mit der Ueberschrift "Preis- und Frei-
Kegeln" angekündigt und dazu eingeladen. In jenen Inseraten
heißt es z. B. "Es wird um 2 Schafe und etwas Geld gekegelt".
Der Geldbetrag wurde nicht genannt. Auf keinen Fan war er
.groß, da man in den 70er Jahren, als die öffentlichen Kegelplätze
ein Ende nahmen, keine Ansprüche machte. Man kegelte
.auf deutschen 'Bahnen und zwar im Freien, im Dorf auf der
.."Furren", vor dem Goldenen Rad, vor den "Chüngen", wo nebeneinander
in der Richtung von Osten nach Westen auf die Kirchweih
mehrere Bahnen hergerichtet wurden. Im übrigen gab es
.auch private Kegelbahnen, sowohl im Dorf, als auch auf den
Vierteln. Die öffentlichen Kegelplätze auf der "Furren" wurden
von der Genossame für die Dauer der Kirchweih an einen oder
mehrere Unternehmer, in der Regel an den Bettelvogt, verpachtet.
Laut einem Tagebuch des Bezirksamtes aus der Mitte
des letzten Jahrhunderts mußte die Erlaubnis zum Betrieb einer
Kegelbahn zuerst eingeholt werden. Neben jeder Bahn war eine
Gelte mit Wasser aufgestellt, in der man die Kugeln tünchte.
_-ach dem Kegelschieben huldigte man, ebenfalls mit amtlicher
.Bewilligung, einem Freitanz nach folgendem alten Spruch:
Es ist keis Spiel so heilig,
Es ghört es Tänzli druuf,
Das ist im ganze Schwyzerland
Und überei der Bruuch.
73
Die Kegel erhalten gelegentlich die mannigfachsten Uebernamen.
Wir erwähnen nur diejenigen, die seit Jahrzehnten bekannt sind.
Der Eckkegel rechts heißt "Saffauer". Man sagt ihm nach, daß
er nicht fallen wolle. Rechter Hand der Kegelbahn wohnte ein
sehr alter Mann, der nicht sterben konnte und der unter dem
Uebernamen "Saffauer" bekannt war. Der hinterste Eckkegel
wird "Geist", der vordere Eckkegel gemeinsam mit den 2 nintern
im rechten Winkel "Güllenbock" genannt. Die kleine Kugel heißt
man "Ringeli ".
Neben den Kegelbahnen waren die großen Muttentische aufgestellt.
Mutte ist Gegenstand, muttelen die Tätigkeit. Es handelt
sich um ein ablanges Spielbrett, an dessen unterem Ende rechts
mit einem Federbolzen eine Kugel angetrieben wird, die dann
von oben her durch Führungen gegen 9 Kegel hinuntergleitet,
die im untern Teil des Brettes aufgestellt sind. Man spielte gegen
einen kleinen Einsatz. Das Aufstellen eines Muttentisches bedurfte
der amtlichen Erlaubnis.·
Für die Jugend waren an der Kirchweih Würfelitische da. Alte
Frauen konnten mit der Einrichtung etwas verdienen. Für den
Betrieb brauchte es nur 4 Requisiten: ein Tischlein, einen Teller,
einen Würfel und 6 kleine quadratische Holzstücke, auf denen
die römischen Zahlen von I bis 6 eingebrannt waren. Die
Nummer kostete bis 19I4 einen Rappen, jetzt kostet sie 2 Rappen.
"Es sind noch 2 Nummern da, wer setzt?" ruft die alte Frau
in die Kindergruppen hinaus. Sobald die 6 Nummern vergeben
sind, schüttelt die Frau den Würfel und läßt ihn auf den Teller
fallen. Die Nummer die obenaufkommt gewinnt eine Bärentatze
oder einen Mandelbogen. So heissen die 2 begehrtesten traditionellen
Gueteli. Dieser Brauch hat sich erhalten.
30. Sen n eng es e 11s c ha f t, Sen n e n f ä h n r ich, Sen n e n-
b u b e n und Viehausstellung. Unsere Bauernsame widmet
der Braunviehzucht die größte Sorgfalt. Zärtlichere Kosenamen
als wie Aelbeli, Lobeli, Büzeli usw. offenbaren sich kaum in einem
Haushalt der Eidgenossenschaft. Das Wort Aelbeli wird ungefähr
zwei Takte lang nasal gedehnt, hingebend diphtongiert und gesummt
wie ein Strich über das Cello. Im familiären Verkehr hingegen
kann der Bauer kurz angebunden, ja sogar derb und
formalitätenlos sein. Ich erinnere an die Vermännlichung einiger
Mädchennamen, z. B. dr Kathrintsch, dr Regie, dr Phylomenl
und an das Namensspiel 's Seeb-Seebeli's-Seffis-Wysl usw. So
bleibt es über den Tod hinaus .. Wenn dem Bauer ein kleines
Mädchen stirbt, sagt er zum Nachbar: I ha dr Antsch nüd gäre
gä, er ist ä nuevere Maitl gsi. Aus seinem Wörterbuch stammt
sogar das knappste Wort des deutschen Sprachgebietes, mit
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dem die Charakteristik des Kurzangebundenseins und der Laune
originell beleuchtet ist. Dieses Wort ist nichts anderes als ein
Zischlaut, der durch starkes Andrücken der Zungenspitze an die
vordere Gaumenfläche und plötzliches Loslassen bewirkt wird.
Er bedeutet "ja", d. h. einverstanden. Gleichzeitig wird mit dem
Kopf eine bestätigende kurze Seitwärtsbewegung (staccato) gemacht.
Bäuerlicher Berufsstolz, Rangeifer und Uebermut erreichen in
öffentlicher Schau jährlich einmal ihren Höhepunkt und zwar
an der Sennenchilbi. Diese Institution ist alt. Unter der Ueberschrift
"Sennenkilbi in Einsiedeln" schrieb der aus Rapperswil
stammende Stiftskonventual P. Josef Dietrich im Jahre 1682
(nach Martin Ochsner in "Feierstunden"):
"Am 6. September, Sonntag nach Verena, hielten die Einsiedler
Sennen ihre jährliche Kilbi. Etwa 1/4 vor 5 Uhr ließen sie bei
der dritten Messe in der Gnadenkapelle ein figuriertes Amt
singen und gaben dazu einen Louistaler. Ein Mann, den sie
Kerzenvogt getauft, muß ihnen ihre große Wachskerze in die
Gnadenkapelle machen lassen. Beim Amte haben sich alle Sennen
einzufinden. Nachher erwählen sie einen Ober- und Unterfähnrich.
Der Fähnrich sorgt für Bänder und Blumen, womit man sich
bestens auszustaffieren pflegt. Nach dem Vormittags-Hochamt
versammelt man sich beim Brüeltor. Der Trommler beginnt die
Trommel zu rühren und man schreitet Paar um Paar, wobei die
Dignität (Reihenfolge nach der Würde) wohl gewahrt wird, zum
Tor hinaus, voraus Trommler und Pfeifer, Fähnrich und Unterfähnrich
mit fliegender Fahne, die sie selber machen lassen,
aufbehalten und zu keiner andern Feier hergeben. So marschieren
sie ganz gemach 'und gravitätisch in einem Umschweif (Umweg)
zu ihrem Gasthaus und lassen sich aufstellen, was nur die Küche
vermag und wollen den besten Wein haben, wofür Fähnrich und
Kerzenvogt auch ordentlich bezahlen müssen.
"Um 4 Uhr wird die Trommel wieder munter geschlagen, der
Fähnrich nimmt die Fahne, weIche zum Fenster hinausgehängt
war und nun formieren sie einen langen, ansehnlichen Umzug
über die Furren gegen das Brüelgitter, hinunter ins Dorf zu
ihrem Wirtshaus. Da lassen sie ihre Sprünge, besonders jene, die
etwa zuviel Wein getrunken, sehr klar sehen. Die ältern aber
wollen sich sehr gravitätisch halten, ziehen in Mantel und Degen
einher, als wenn sie weiß nit was wären und es darf keiner ohne
Seitenwehr erscheinen bei Strafe und Ungnade der Herren Sennen.
Die Fähnriche schwingen abwechselnd die Fahne. Es kann dabei
wohl geschehen, daß die Fahne in Gefahr der Löcher und
Schränze kommt, besonders wenn die Schwinger gar zuviel mit
Wein angefeuchtet sind. Dann kehren sie wieder dem Wirtshaus
zu und es mag da wieder jeder auf seine Rechnung trinken und
75
-es bekommen da oft auch jene emen Rausch, die bis dato noch
ziemlich nüchtern gewesen.
Um halb 6 Uhr müssen sich wieder die Trommler und Pfeifer
hören lassen. Mit fliegender Fahne spazieren sie über den Brüel
mit wunderlich bäuerischer Grandez (Grandezza, Würde) bis nach
.St. Benedikt (Friedhof), Da muß der Fähnrich seine Kunst im
Fahnenschwingen erst recht zeigen. Er stellt sich dort auf die
Anhöhe und schwingt die Fahne sehr ernstlich etliche Vaterunser
"lang mit allerhand schönen, kunstreichen Schwung und Wurf
'und fantastischen Posturen, wie ein jeder gedenken kann.
"Und hiermit hat die Sennenkilbi ihr Ende, deren Beschreibung
mir der günstige Lehrer (Leser) nüt für ungut deuten möge. Die
Hirten pflegen auch hernach noch ihren Spaß zu halten, sie'
.schreien und frohlocken noch bis in die eitle Nacht, mithin
.auch bis morgens."
Am 1. September I793 wurde auf Anhalten von Pfarrer Marianus
Herzog das Fahnenschwingen, wie auch die Begleitung durch
Pfeifer und Tambour beim Kirchgang abgestellt.
Die Sennenchilbi lebt in nüchterner Form an der Viehausstellung
jeden Jahres fort. Das Vieh wird in der amtlichen Vorschau im
Stall nach Punkten auf Stammblättern in die 'Rangordnung ge-
-stellt, Im Stall hingegen kennt der Bauer keine Einordnung des
Viehs nach andern als praktischen Gesichtspunkten. Er stellt die
.Milchkühe im ein- oder doppelbährigen Gaden voran zusammen,
weil er sie besser füttern muß, als die Rinder, Meißen und Jährlinge,
die er summarisch "Gustiwar" nennt. Diese stellt er im
Anschluß an die Kühe ebenfalls zusammen. Die Kälblein werden
in der Regel im Rücken des Großviehs in die hintere Stallecke
getan. Die Schönheit des Viehs wird in der Platzanweisung im
Stall nur einigermaßen berücksichtigt. In den alten Ställen näm-
.lich, die von zwei kleinen Fenstern auf der Türseite nur spärlich
beleuchtet sind, werden die zwei bis drei schönsten Haupte
vorangestellt. In den neuen Ställen mit durchgehender Beleuchtung
wird hierauf keine Rücksicht mehr genommen. Die ver-
·bindliehe Rangordnung wird erst an der öffentlichen Ausstellung
im September mit Prämiierung durchgeführt. Abgeordnete des
Bezirksrates, der Landschreiber und Preisrichter aus andern Gemeinden
ziehen mit der Musik an der Spitze vom Rathaus auf
-den Brüel. Voraus läuft ein stämmiger Senn in farbiger Festtagstracht,
mit der Fahne der Gesellschaft in der Rechten, von drei
.Sennenbuben begleitet, die an Geräten wie kleine Maibäume,
·Garnsäcklein mit den Geldpreisen tragen. Die Ausstellung findet
·auf dem Brüel statt. Dort wird die Rangordnung, eingeleitet mit
einer Ansprache des Vorstehers im schwyzerischen Volkswirt-
-schaftsdeparternent, von einer Bühne herab verkündet. Den prämiierten
Tieren werden farbige Prämienschilde mit Rangzahlen
auf die Stirne gebunden. Seit einigen Jahren erhalten der erste'
Stier, die erste Kuh und das erste Rind in jeder Klasse einen
Blumenkranz um die Hörner. Dann bewegt sich der Zug durchs.
Dorf hinunter. Ihm schließen sich die Bauern mit den prämiierten
Stieren, Kühen, Rindern, Schafen und Ziegen an. Knechte und.
~Kinder führen die Tiere heimwärts und nageln die Prämienschilde
über der Stalltüre auf. Die Amtspersonen, Preisrichter und
Bauern begeben sich nachher zum Sennenmöhli ins Wirtshaus.
(Die "Sennengesellschaft Schwyz" führt heute noch die traditionellen
Chargen, z.B. Sennenprobst) (der Ortspfarrer, Sennenvater,
Sennengroßvater, Fähnrich, Nebenfähnrich. Kerzenvogt, Kerzenvogtwartner,
Säckelmeister, Schreiber usw.)
I
31. C h r ä h h ahn e. Sobald bei Neubauten die letzten Dachsparren
verzäpft sind, setzt der Zimmermeister eine Grotze auf
den vordersten Teil des Grats, hängt farbige Nastücher daran,
die für die Gesellen bestimmt sind. Nachher ladet der Bauherr
zu einem bescheidenen Trunk und Imbiß ein. Das nennt man
den "Chrähhahne fyre". Herrscht gegenseitige Befriedigung, verläuft
der Chrähhahne gemütlich. Er ist ein lobenswerter Brauch
und schafft Beziehungen zwischen Bauherrn, Meister und Gesellen,
namentlich wenn es der Bauherr oder der Meister versteht,
einige lehrreiche Worte an die Gesellen zu richten. Dassollte
der Originalität zu liebe, vom Grat des Neubaues aus geschehen:
Im Wirtshaus kann bekanntlich jeder reden.
32. T run k na c h dem K an z1eie n. Nach der kanzleiischen
Fertigung eines Kaufs gehen bisweilen Verkäufer und Käufer
in ein Wirtshaus und nehmen einen Trunk (Wein) zu sich, abund
zu auch einen kalten Imbiß (Aufschnitt oder Käse). Bald
übernimmt der Käufer, bald der Verkäufer die Kosten, je nachdem
über die ev. Vorteile der einen Vertragspartei gegenüber der
andern mehr oder weniger Uebereinstimmung herrscht. In der
Regel halten sich die Meinungen das Gleichgewicht, indem der
Verkäufer zum Käufer sagt "Du häscht d'Sach wohlfeil" und
der Käufer zum Verkäufer "Bis Du froh, daß d' häscht chönne
verchaufe". Es kann auch zutreffen, daß die Bezahlung des
Trunks zum Voraus ausbedungen ist. Eine zeitlang war es Brauch,
auch den Notar zur Teilnahme am Trunk einzuladen.
33. Fe i erd e SI. Au g u s t s (Schweizerische Nationalfeier).
Die, schweizerische Nationalfeier hat sich auch in der Waldstatt
als steter Brauch eingebürgert. Es ist überflüssig, die Art, wie
sie hier durchgeführt wird, zu schildern, da sie im Großen Ganzen
mit derjenigen anderer Orte' übereinstimmt. Neu ist, daß seit
ungefähr einem Jahrzehnt der Bezirksammann oder eine andere
77
35. Schulinstitutionen. Es gibt gewisse Einrichtungen,
die man nicht ohne Weiteres zu den Volksbräuchen zählen kann,
z. B. Jugendfeste, Trommlerkorps und Schülerreisen. In Einsiedeln
zeichnen sich diese Einrichtungen jedoch mehr als an
andern Orten durch Beständigkeit, teils durch Originalität aus,
sodaß sie hier nicht übersehen werden dürfen.
Für die jugendfeste. die seit 1861 volkstümlich sind, hat der
Ortsschulrat um 1910 herum den Grundsatz aufgestellt, daß' sie
in Abständen von 7 Jahren durchgeführt werden sollen, damit
jedes schulpflichtige Kind normalerweise -ein Jugendfest erlebe.
Die Jugendfeste werden schulamtlich organisiert. Im Mittelpunkte
steht entweder ein Umzug (Heimatbilder) oder eine Freilichtj
Amtsperson eme vaterländische Ansprache hält. Mit dem verpönten
Schießen und Feuerwerken unserer mutwilligen Jugend
berührt die Feier des I. Augusts vermutlich die älteste volkstümliche
Ausdrucksweise der Freudenstimmung. Sie entspricht
folgenden alten Uebungen: Beim Nahen des Frühlings um Mitte
Fasten herum im Freien "Fürtüfel" (Knallfrösche) abzulassen und
Chäpsli (linsenförmige, mit Pulver gefüllte farbige Papierchen)
aufzutütschen, dem Chlepferziehen (Papierhölsen mit Pulver) unter
dem Christbaum und dem Schießen bei Hochzeiten. Wenn man
das Feuerwerken der Jugend am I. August als volkstümliche
Kundgebung der Freude auslegt, sollte die amtliche Warnung
eigentlich nur den Gefährdungen (Personen- und Sachschaden)
gelten. Es ist nicht ausgeschlossen, daß das "Fürtiifelablouh",
das unsere Jugend zur Zeit der Schneeschmelze ausführt, ein
Nachläufer der Höhenfeuer, des Feuerradwerfens und des Feuerfackelschwingens
ist. Diese Bräuche werden in einigen katholischen
Gegenden um Mitte Fasten herum gepflegt, z. B. in Schwyz
das Fackelschwingen und in Rothenthurm das Radwerfen. Bei
uns sind sie auf 70 Jahre zurück soviel wie unbekannt. Jugend,
Zeitpunkt und unbefristete Dauer des Ablassens der "Fürtüfel"
sprechen für die Richtigkeit dieser Annahme.
34. Re k r u t e n aus heb u n g. Am Morgen der militärischen
Aushebung versammeln sich die angehenden Rekruten am Bahnhof
und ziehen mit Fahne und Tambour, bisweilen mit einer
kleinen Blechmusik an der Spitze durch die Hauptstraße zum
alten Schulhause, wo die Aushebung stattfindet. Im Zuge werden
abnormal Kleine oder Große lakonisch gezeigt. Die Tauglichen
setzen nach der Aushebung Blumensträuße auf den Hut und
ziehen gemeinsam mit den Untauglichen im Dorf herum, von
Wirtshaus zu Wirtshaus. Bei diesem Anlasse wird abends getanzt.
Man mißt sich gelegentlich auch im Häggle. Nach und
nach wird die Kameradschaftlichkeit durch tolles Tun abgelöst.
Das Zunftwesen ist in der Waldstatt zweigeteilt. Hier die Berufsvereine
mit begründeten wirtschaftlichen Standeszielen, dort ein,
Ueberrest der alten Zünfte mit ansprechenden religiösen Anliegen.
Diese Anliegen sind in den Satzungen verankert. Sie heissen in
kurzen Zügen: "Es sollen jährlich 5 Lobämter gehalten werden,
so am Ablaßsonntag, am Sonntag nach der Oktav von Corpus
Christi, am Sonntag nach Maria Himmelfahrt, am Feste des.
hl. Mauritius, am Feste des hl. Michael oder am darauffolgenden
Sonntag. Am Dienstag nach jeder Fronfasten wird für alle verstorbenen
Mitmeister ein Seelamt gehalten. In den Satzungen des.
Jahres I858 bis I865 war festgesetzt, "Daß der Jungmeister oder
Bothweibel die Schuldigkeit hat, in den 4 Fronfastenämtern am
hl. Namen Jesu Sonntag in der Kirche die Aufsicht zu halten, um
die fehlenden Meister zu verzeichnen." In der Bußenordnung der
gleichen Periode sind folgende Strafen ersichtlich: Nichterscheinen
im Namen Jesu Lobamt 60 Rp., Nichterscheinen in 'den Fron--
fasten Lobämtern IO Rp., Weigerung Leichen zu tragen 60 Rp.,
Nichterscheinen am Bot 20 Rp., einem Andern in die Rede fallen
oder sich ohne Erlaubnis entfernen IO Rp., Betragen bei offener
Lad mit gebührender Manier, sonst Strafe nach Belieben. Die vier
Zünfte: I. Metzger und Bäcker, der die Metzger-, Bäcker-, Müller-,
Ziegler-, Küfer-, Zimmer-, Gerber- und Kaminfegermeister angehören,
2. Geschenkte, 3. Schneider und Weber, 4. Schuster, bilden.
zusammen das Generalbot, das sich immer am letzten Sonntag
des Kirchenjahres in der Zunftstube zum St. Johann versammelt.
Der Vorstand besteht aus Vogt, Mitvogt, Pfleger und Zunft--
schreiber. Sie haben die Ehre, an den sieben Betsonntagen, am
Fronleichnamssonntag und am Rosenkranzfest in der 'Prozession
den Himmel zu tragen. Die Zünfte haben überdies Ehre und
das Recht, an den feierlichen Pontifikalprozessionen neben den
Himmel vier Laternenträger zu stellen. Zu diesem Ehrendienst
sind Obmann und Mitobmann verpflichtet. Für diese Dienstverrichtungen
erhalten die Funktionäre nach der Rosenkranzprozession
am ersten Sonntag des Oktobers einen einfachen
Imbiß und einen halben Liter Wein. Die Zünfte besorgen und
bezahlen auch das Aufrichten der Altäre am Fronleichnamsfeste
und das Schießen mit Mörsern, das Aufrichten und Beleuchten
des Kreuzes im Klosterwalde an der Engelweihe. Durch ein
spezielles-Abkommen mit dem löbl. Pfarramt ist nur den Zünften
das Recht eingeräumt, bei Beerdigungen den Vorbeter, den
Fahnenträger und die Friedhofknaben zu stellen. Das Vorrecht
haben Söhne vom 3. bis zum 7. Schuljahre von Mitmeistern aller
Zünfte. Die Friedhofknaben tragen die Weihrauchgefäße und
die Bruderschaftsfähnlein. Sie sind mit roten Röcken und weißen
Chorhemden und einem steifen runden Filzhut bekleidet. An den
Zunftsitzungen werden die Zunftzeichen aufgehängt. Es handelt
80
sich um 4 aus Eisenblech geschnittene Berufsembleme, bunt
bemalt und mit einem broncierten Laubkranz eingefaßt. Beim
Oeffnen der Zunftlade mußten früher 3 Zunftmeister anwesend
sein, mit dem schwarzen Mantel bekleidet, wie ihn Vogt, Mitvogt
und Pfleger als Laternenträger an den Prozessionen tragen.
In der Lade werden die Wertschriften mit Siegel, der große
Zunftbecher, 2 interessante Kupferstichplatten (Gesellenzeugnis)
und alte Protokolle aufbewahrt. Der ZUnftbecher ist ein Werk
Oswald Effingers. Am Fuße steht die Inschrift: "Diser Becher
gehört einer lobeliehen Zunft eines ehrsamen Handtwercks in
Einsidlen anno 1703." Die Platten wurden 1791 von D. Oechslin
gestochen. Die Zunfttafel enthält die Namen der damaligen
Meister nach Rangordnung. Für die Wahlen galt folgende
Uebung: "Der Schreiber hat sich vor offener Versammlung für
die Schreibers teIle anzumelden, sowie ein jeweiliger Pfleger, wenn
seine Amtsdauer ausgelaufen, sich um die Pflegerstelle neu zu
bewerben hat. Botweibel und Fahnenträger haben alle Jahre für
ihre Stelle anzuhalten". Man sieht daraus, daß die Lust nach,
bezahlten Posten nicht ohne Formen gestillt werden konnte. Das
Auf- und Abdingen war folgenden Bestimmungen unterworfen:
Vergebung des Meistertitels Fr. 20.- bezw. 25.-, Aufnahme
eines Meistersohnes, wenn durch seinen Vater vorgestellt Fr. 6.·-,
wenn nicht vorgestellt Fr. 8.-. Am Schlusse der Verhandlungen
wird für die verstorbenen "ehrsamen Mitmeister" ein Gebet verrichtet.
Wenn ein Zunftmitglied mit den hl. Sterbsakramenten
versehen werden mußte, wurde der Priester mit dem hochwürdigsten
Gut unter einem zweistängligen Himmel, zur Seite
2 Kirchhoflaternen, bis vor das Haus des Kranken und zurück
begleitet.
Aus den Statuten der Metzger und Bäckerzunft ist noch folgendes
zu erwähnen: Am dritten Sonntag im Januar hält diese Zunft
das Namen Jesu Lobamt. Jeder Meister ist bei Buße verpflichtet,
demselben, sowie allen auf Veranlassung des Generalbotes abgehaltenen
Aemtern beizuwohnen. Mitglieder, die das 70. Altersjahr
überschritten haben, sind vom Besuche enthoben. Aemrer,
welche auf einen Werktag fallen, sind bußenfrei. Zur Ehrung
verstorbener Meister stiftet die Zunftkasse eine geistliche Blumenspende
mit drei h1. Messen und einen Trauerkranz. Die Meister
sind verpflichtet, der Beerdigung eines Zunftgenossen beizuwohnen.
Vier nächstaltrige Mitmeister des Verstorbenen gehen
neben dem Leichenwagen. Der Zunftfond ist unveräußerlich. Mit
dem Zins werden die Kosten des Namen Jesu Lobamtes bestritten.
Die Zunft bezeichnet eine Zunftstube. Die andern Zünfte
haben ähnliche Satzungen. Wir nehmen davon Umgang, sie
ebenfalls zu erwähnen, da der Charakter der Zünfte mit dem
Gesagten klar genug bezeichnet ist.
81
Es ist vorgesehen, die 4 alten Zunftzeichen in Kupferplatten von
50 auf 50 cm zu schneiden, sie zu bemalen, mit einer rot-schwarzen
Rahme einzufassen, die Tafel an einen rot-schwarz bemalten
Stock zu schrauben und diese neuen Embleme in Zukunft am
Jörgenumgang und an der Rosenkranzprozession an der Spitze
der betr. Zunft tragen zu lassen. Die Teilnahme an diesen beiden
Prozessionen ist in erster Linie in Aussicht genommen, weil
ihr Ursprung auf weltliche Ereignisse zurückführen.
Die ersten Statutenartikel, die in einem "aufgesetzten" Briefe
enthalten sind, greifen in das Jahr 1520 zurück. Statutenrevisionen
wurden 1753, 1818, 1855, 1881 und 1920 vorgenommen.
Um einer der vier Zünfte anzugehören, wird die Ausübung
des betreffenden Berufes nicht verlangt. Auch damit ist das
vorwiegend religiöse Ziel der Zünfte bestätigt.
37. G rat u 1a t ion end e s Be z i r k sr a te s bei m Für s tab t.
Am Silvester und am Namenstag des Abtes, jeweilen nach dem
Salve Regina, begeben sich Bezirksammann, Statthalter und
Säckelmeister, gefolgt vom Landschreiber und Bezirksläufer, ins
Stift, um dem hochwürdigsten Herrn Abt und dem löblichen
Stift im Namen des Bezirksrates und der Waldleute zum neuen
Jahr bezw. zum Namenstag zu gratulieren. Die drei Amtspersonen
und der Landschreiber ziehen Gehrock und Zilinder an, der
Bezirksläufer die rote Amtstracht. Sie gehen durch die Hofpforte,
wo sie von den hochwürdigen Herren Patres Statthalter
und Küchenmeister empfangen werden, in die Abtei und stellen
sich im Empfangszimmer auf der Seite des Einganges folgendermaßen
auf: Bezirksammann, Statthalter, Säckelmeister, Landschreiber,
Läufer in einem Glied. Alsdann erscheint -der Herr
Abt im Mönchskleid mit der goldenen Kette um den Hals, hinter
ihm stellen sich die Herren Patres Statthalter und Küchenmeister
auf. Der Bezirksammann geht dem Abte entgegen, drückt ihm
die Hand und hält eine kleine Ansprache als Gratulation. Der
Abt erwidert die Gratulation mit Dankesworten. Hierauf verlassen
. alle das Empfangszimmer und begeben sich in den untern Stock
in ein kleines Speisezimmer, wo ihnen nach Weisung des Paters
Küchenmeister einige Flaschen Leutschen aufgestellt werden.
Nach einer Weile freundschaftlicher Unterhaltung verabschieden
sich die Vertreter des Bezirksrates und verlassen, wieder durch
die Hofpforte, die Abtei.
Das Bezirksratsbureau begibt sich auch offiziell ins Kloster, wenn
ein Abt stirbt behufs Kondolation und Teilnahme an dem Begräbnis,
ferner bei der Abtwahl zur Beglückwünschung .und bei
der Abtweihe.
82
38. Schießen mit Mörsern bei Feierlichkeiten. Man
darf das Böller- bezw. Mörserschießen unter die Volksbräuche
einreihen, weil das Schießen nicht eigentlich als Bestandteil
kirchlicher Feierlichkeiten angesehen werden kann. Es dient schon
seit dem 17. Jahrhundert dazu, eine Feierlichkeit anzukünden
und das Zeremonielle derselben zu verstärken. Das Schießen verdankt
ohne Zweifel den Bruderschaften und Zünften den Ursprung
und darf als Kundgebung betrachtet werden. Dies geht aus zwei
Publikationen im "Einsiedler Anzeiger" vom Ir. und 18. Dez.
1869 hervor. Jn der ersten Publikation wird mitgeteilt, daß das
Schießen "künftighin ohne besondere Erlaubnis der kompetenten
Amtsstelle bei Strafe untersagt sei und daß dem Zeugwart und
Feuerwerker, die jüngst ohne Erlaubnis Gebrauch von den Mörsern
gemacht haben, ein strenger Verweis erteilt werde". In der
zweiten Publikation macht ein Einsender den löbl. Bezirksrat aufmerksam,
"daß der Bezirk niemals im Besitze dieser Geschütze
gewesen sei", ferner "daß sie Eigentum der Bruderschaft und
der löbl. Zunft seien".
In Einsiedeln wird am Fronleichnamsfest, Ablaßsonntag, Ablaßausgang
(Donnerstag), Heiligkreuztag und Rosenkranzfest auf der
Kreuzhöhe mit Mörsern geschossen. Das Fronleichnamsfest. der
Heiligkreuztag und der Rosenkranzsonntag werden am Vorabend
um 7 Uhr mit je 15 Schüssen angekündigt. Am Festmorgen um
5 bezw. um 3 Uhr werden wieder IO bis 15 Schüsse abgefeuert,
Bei jedem Segen werden rasch nacheinander 3 Schüsse abgefeuert.
Am Fronleichnamsfest bietet das Bezirksamt auf und
zahlt die Kosten (Fr. 80.-), am Ablaßsonntag und Ablaßausgang
tun es die Zünfte (Fr. 48.- und 90.-), am Heiligkreuztag das
Stift (Fr. 50.-), am Rosenkranzfest die Bruderschaft (Fr. 9°.-).
Es sind noch 10 (früher waren es 1Z) geschmiedete Mörser vorhanden.
Sie tragen am Mörserhals ein Einsiedlerwäpplein. Sie
können mehr als zoo Jahre alt sein. Die Ladung braucht 1Z5
Gramm Pulver. Der mit dem Schießen beauftragte Feuerwerker
ist gehalten, das Pulver selbst zu kaufen. Er entzündet es mit
einer Stange, deren Spitze er auf Kohlen glühend macht, indem
er die Lunte berührt. Die Mörser werden auf der Kreuzhöhe in
einem Koffer aufbewahrt.
Die übrigen Ereignisse, an denen geschossen wird, bilden Ausnahmen.
Das trifft z. B. bei einer Abtwahl, beim offiziellen Besuch
des Nuntius usw. zu.
•
Bei einer der letzten Abtwahlen wurde mit einer alten Vorderladerkanone
geschossen, die jetzt zerlegt und magaziniert ist.
Ums Jahr rSzo scheint die Unsitte geherrscht zu haben, nach
Prozessionen noch mutwilligerweise zu schießen, um das vorhandene
Pulver vollends zu verkläpfen. Gegen diese Unsitte
mußte die Behörde einschreiten.
39. Teilnahme des Bezirksrates und -Gerichtes an
den Pro z e s s i-on e n. Der Bezirksrat nimmt an den sakramentalen
Prozessionen offiziell teil. Damit dürfte der Ehrendienst
als Zweck der Teilnahme nachgewiesen sein. Vom Bezirksgericht
nehmen offiziell an der Karfreitagsprozession und am Fronleichnamsoktavschluß
je 4 Richter als Himmelträger teil. Seit ungefähr
1890 beteiligen sich die Richter inoffiziell auch an sakramentalen
Prozessionen, die ins Freie gehen. Sie ersetzen verhinderte Ratsmitglieder.
Für die Teilnahme der Bezirksbehörden an den Prozessionen gilt
folgende Ehrendienstordnung :
Sammlung: auf dem Rathaus.
Bekleidung: Schwarzer, steifer Hut, schwarzer Anzug, langer,
schwarzer Amtsmantel und schwarze Handschuhe.
Bis ums Jahr 1905 wurden vorwiegend Gehrock, Zylinder und
Amtsmantel getragen. Von ungefähr 1840 rückwärts mußte jede
Amtsperson auch mit dem Degen ausgerüstet sein.
Himmeltragen: 4 Ratsherren bezw. 4 Richter bezw. 4 Zunftmitglieder.
Stangenlaternentragen : Neben jedem Himmelträger geht ein
Zunftmitglied mit der Laterne.
Kerzen: Alle Teilnehmer mit Ausnahme der Himmelträger erscheinen
mit der Kerze. Die Reihe rechts trägt die Kerze in der
rechten, die Reihe links in der linken Hand. Die Teilnehmer, mit
Ausnahme derjenigen Mitglieder des Rates bezw. Gerichtes bezw.
der Zünfte, die den Himmel tragen, gehen in 2 offenen Einerkolonnen
hinter dem Himmel her, an der Spitze rechts der Be·
zirksammann, hinter ihm der Statthalter, hinter diesem der Säckelmeister,
dann die Ratsherren; an der Spitze links der Gerichtspräsident,
hinter ihm sein Stellvertreter, anschließend die Richter
und dann die Substituten. Wenn das Gericht an der Prozession
nicht teilnimmt, geht an der Spitze links der Statthalter. Ratsläufer
rechts und Gerichtsweibel links im roten Amtsmantel,
schließen die Zugsordnung.
Auflösung: Auf dem Rathaus.
Seit einem starken Jahrzehnt besammelt sich der Rat nicht mehr
auf dem Rathaus und löst sich auch nicht mehr dort auf. Die
Herren kommen und gehen in die Kirche, den Mantel am Arm,
wie man etwa zur Bahn zu gehen pflegt. Als vor einigen Jahren
Viertelsratsherren in weichen Hüten erschienen, überzeugte man
sich bündig, daß das nicht schön sei. Um den Uebelstand zu
beseitigen, verzichtete man auch auf den Stilhut. Man geht jetzt
barhaupt in die Prozession und läßt den Hut rechts vorn in der
Kirche an Hacken hängen. Hier zeigt sich der Lauf demokratischer
Entschlüsse. Wenn gelegentlich ein Ratsherr in Bergschuhen oder
Sandalen erschiene, müßte der Rat logischerweise barfuß gehen,
um der Stilfrage auszuweichen.
Es finden folgende sakramentale Prozessionen statt:
I. Am St. Agatha-Betsonntag (Rat mit Kerze, Zünfte stellen
4 Himmelträger).
2.-5. An den 4 Fastensonntagen (Rat mit Kerze, Zünfte steUen
4 Himmelträger).
6. Am hohen Donnerstag zum Oelbergaltar. (Der Rat stellt
nur 4 Himmelträger).
AI11 Karfreitag zum hl. Grabaltar. (Das Gericht stellt 4
Träger).
7. Am Karsamstag zur Auferstehungsfeier. (Rat mit Kerze.
Bis um 1920 stellte der Rat nur 4 Himmelträger).
8. Fronleichnamsfest. (Rat mit Kerze).
9. Am Oktavsonntag. (Rat mit Kerze, Zünfte stellen 4 Himmelträger).
10. Am Oktavschluß (Donnerstag). (Rat mit Kerze, Gericht stellt
4 Himmelträger).
11. Kreuzerhöhung. (Rat mit Kerze).
12. Eidgenössischer Bettag. (Rat mit Kerze, Zünfte stellen 4
Himmelträger).
13. Rosenkranzfest. (Rat mit Kerze, Zünfte stellen 4 Himmelträger).
14. Sonntag nach Adelheid (Dankfest). (Rat mit Kerze, Zünfte
stellen 4 Himmelträger).
Außerordentlicherweise tragen 4 Ratsherren den Baldachin bis
zum Frauenbrunnen, z. B. wenn der Diözesanbischof zur Firmung
abgeholt wird. Bei diesem Anlasse wird der Bischof vom Bezirksratsbureau
und vom Bezirksläufer, dieser in Gala, in Pfäffikon
abgeholt oder wenn sich der Bischof schon auf der Firmreise
befindet am vorangehenden Firmort, z. B. in Wollerau, Rothenthurm,
Schindellegi usw. Bezirk und Dekanat stellen je einen
Zweispänner.
Hinter den Behörden gehen die "Siebner", an ihrer Spitze drei
Träger mit dem verzierten Bruderschaftsstab. Die Siebner tragen
einfache Wachskerzen in der rechten Hand. Bis um 1860 herum
war es üblich, daß die Siebner, in der Kirche angekommen,
nicht der Prozession folgten, sondern zum Dreifaltigkeitsaltar ab.
schwenkten. Da es sich meistens um alte Männer handelte, ruhten
sie an der Marmorbank vor dem Altar aus. Noch in den ocer
Jahren konnte man an jener Bank entlang auch zur Zeit des
Pfarrgottesdienstes vorherrschend ältere Männer sehen.
Im Zusammenhang mit der Prozessionstracht ist zusagen, daß
bis um 1840 die Richter den Degen auch zum Gang in rd~n Gerichtssaal
(Bezirkskanzlei) trugen. An diese Formalität erinnert
das in einer Ecke des Gerichtssaales stehende Anderthalbhänder-
Schwert des: Gerichtsweibels. Bekanntlich war das Schwert auch
dasjenige Instrument, mit dem der Landammann an der Landsgemeinde
zur Wahrung des Landesfriedens aufforderte. Er faßte
für diese Handlung das Schwert mit der rechten Hand an der
Klinge und hielt es, den Griff nach oben gekehrt, in die Höhe.
Im 17. und 18. Jahrhundert waren die großen Prozessionen viel
reicher ausgestattet als heute. Die Teilnahme der Bürgerschaft
hatte ein offizielleres Gepräge. Man dürfte sich darauf besinnen,
daß z. B. am Jörgenumgang die Feuerwehr in Tenue nach der
Zugsordnung der Föhnenwachen und an der Rosenkranzprozession
die Zünfte bezw. Berufsvereine mit farbigen Zunftzeichen und die
übrigen Vereine mit ihren Fahnen vertreten sein sollten, in
Würdigung, daß diese beiden Prozessionen einen eigenen geschichtlichen
Hintergrund haben. Was das Choreographische bei
den 3 Fronleichnamsprozessionen und der Rosenkranzprozession
anbelangt, ist die Sammlung zum Segen vor den Altären mangelhaft.
Die Durchführung eines wirksameren Sammelplanes in
Kolonnen neben und in' Linien nach dem Konvent würde die
Versetzung des Hauptaltares vor dem "Pfauen" auf die Mitte
"Pfauen"-"Hirschen" zur Folge haben. Es gäbe noch andere
zweckmäßige Vorkehren zur farbigen Ausschmückung des Bildes.
In früheren Jahrhunderten wurden mit der Meinrads- und Rosenkranzprozession
geistliche Komödien verbunden, die beim Volke
großen Eindruck machten.
Die St. Georgsprozession, vom Volke "Jörgenumgang" genannt,
die am Sonntag nach St. Georg mit den Reliquien durchs Dorf
stattfindet, ist eine Bittprozession zur Erinnerung an den großen
Brand im Jahre 1577, der Dorf und Kloster mit Ausnahme der
Gnadenkapelle einäscherte. Die Rosenkranzprozession, die am
ersten Sonntag im Oktober auf den Brüel hinaus stattfindet, ist
eine Dankprozession zur Erinnerung der Siege der Christen über
die Türken (Verteidigung Wiens, Seeschlacht bei Lepanto usw.).
Man beachte, daß der Feldaltar, der für die Rosenkranzprozession
auf dem Mittelstück des Brüels aufgerichtet wird, zum Zeichen
der- Freude im Gegensatz zu allen andern Altären mit kleinen
farbigen Flaggen geschmückt ist. Diese und die übrigen Prozessionen
wurden in einer besondern Publikation "Kirchliche
Bräuche" volkstümlich geschildert.
40. Kirchenschweizer und Stiftskutscher. In Domen
und Kathedralen großer Städte, z. B. in Paris, waltet der sogen.
Kirchenschweizer seines Amtes. Er versieht den Ordnungsdienst
86
bei den Eingängen, in den Bänken und nötigenfalls auch vor den
Portalen zur Zeit des Gottesdienstes, hauptsächlich aber bei feierlichen
Hochämtern, wenn der Zudrang der Gläubigen besonders
groß ist. Er erteilt auch Auskünfte über die Gottesdienstordnung.
Er kündet die hl. Wandlung an, indem er mit dem Stab lauf den
Boden klopft. Seine Weisungen, die er mit freundlichen Gesten
erteilt, werden von den Kirchenbesuchern gut aufgenommen und
befolgt. Es kommt also in Domen und Kathedralen nicht vor, daß
sich z. B. junge Leute bei den Eingängen ansammeln und den
Verkehr hindern.
Der Kirchenschweizer (in Domen sind deren zwei tätig) ist immer
eine hochgewachsene, breitschultrige Gestalt, die man sich am
besten vorstellt, wenn man an einen höfischen Diener denkt. Er
ist glattrasiert und trägt in der Regel nur einen kurzgeschnittenen,
gepflegten Backenbart (sog. Cotelette). Seine Uniform ist mit
dem Begriff Livree zutreffend gekennzeichnet.
Ich kann augenblicklich nicht nachweisen, ob in der Stiftskirche
zu Einsiedeln in vergangenen Jahrhunderten ein Kirchenschweizer
tätig war. Hingegen trifft es zu, daß um I920 herum eine [Zeitlang
ein Kirchendiener in Veston mit Tressen und einem Stab in der
Hand einige Funktionen besorgte, die mit denjenigen des Kirchenschweizers
übereinstimmten. Sein Auftreten verriet sogleich, daß
er entweder zu wenig genau instruiert war oder daß er erhaltene
Instruktionen nicht durchzuführen wagte.
Der zukünftige Kirchenschweizer sollte folgendermaßen gekleidet
sein: Zweispitz aus feinem schwarzen Filz oder Tüchli mit der
Kokarde des Stiftes (zwei rechtsfliegende schwarze Raben auf
gelb), engsitzender Frack aus schwarzem Tüchli mit einer Doppelreihe
breiten, enggeschlossenen Goldtressen flach auf der Brust,
eine Reihe vergoldete Metallknöpfe, sogenannte Wienerärmel, mit
zwei vergoldeten Knöpfen vorn und einer Goldtresse dem Schlitz
entlang, Stehkragen aus gelbem Tüchli nach französischem Schnitt
(ä la cour des rois de France) darunter die schwarze Halsbinde,
anliegende Kniehose aus schwarzem Tüchli, unter dem Knie geschlossen,
breite gelbe Galons, weiße handgestrickte Strümpfe
mit Strickmuster, schwarze Halbschuhe mit Messingschnalle. weiße
Handschuhe, in der Hand einen langen weißen oder holzbraunen
Stab mit Messingknopf und Kordeln.
Der Ordnungs dienst vor unserer Kirche wird seit wenigen Jahrzehnten
auf Anordnung des Bezirksamtes durch einen Polizisten
besorgt. Es ist das keine erbauliche Verfügung. Der Polizist ist
nicht volkstümlich. Sein Erscheinen vor der Kirche an Sonnund
Festtagen erweckt eher Unwillen, als vernünftige Einsicht
für das, was vor der Kirche schicklich ist. Auch fragen sich
Fremde, ob der Ortseinwohner unbedingt polizeilicher Weisungen
bedürfe.
Die Notwendigkeit eines Kirchenschweizers in der Stiftskirche
muß nach unserer Auffassung nicht erst geprüft werden. Diese
Frage dürfte angesichts des großen Zudranges bei Festlichkeiten
schon klar sein. Das Stift hat denn auch auf meinen Vorschlag
hin den Entschluß gefaßt, diese Institution endgültig einzurichten.
In der Person des bisherigen Sigristen ist ein Mann gefunden
worden, der über gewandtes Auftreten und eine stattliche Figur
verfügt. Als Amtskleid hat das Stift das einfachere meiner
Uniformmodelle (Zweispitz, Gehrock und Gehhose) angenommen.
Der Kirchenschweizer hat seinen Dienst am 9. Juni 1934 beim
Einzuge des päpstlichen Nuntius angetreten.
Instruktion für den Kirchenschweizer der Stiftskirche.
Kleidung: Livree mit Stab.
Dienstzeit: Ordentlicherweise an Sonn- und Festtagen von 8 Uhr
bis 11.30 Uhr und von 3 Uhr bis nach der Prozession. .
Standort: Vor der Säule rechts beim Hauptportal. Stab bei Fuß.
Ordnungsdienst : Gegen die Seiteneingänge und zu den Bänken
patrouillieren. Personen, die unter den Eingängen stehen,
aufmerksam machen, daß vorn noch Sitz- und Stehplätze frei
sind. Beim Patrouillieren Stab an die rechte Schulter legen.
Polizeidienst : Touristen usw., die in unschicklichen Kleidern erscheinen,
höflich ersuchen, die Kirche zu verlassen. Solche,
die mit Rucksäcken ausgerüstet sind, ersuchen, dieselben an
der Wand bei den Eingängen abzulegen. Personen, die zur
Zeit des Gottesdienstes in der Kirche herumspazieren aufmerksam
machen, sie möchten irgendwo einen festen Platz
beziehen und die Kirche nach Schluß des Gottesdienstes betrachten.
Wenn vor der Kirche laut gesprochen wird oder
sonstwie Unruhe herrscht, die betreffenden Personen ersuchen,
in einige Entfernung zu gehen.
Ehrenbezeugungen : Bei sakramentalen Prozessionen vor dem
Allerheiligsten den Stab senkrecht vor die Brust halten. Das
Gleiche vor hohen Geistlichen tun.
Daß die Sorgen um den Ordnungsdienst sogar in ländlichen
Kirchen weit zurückgreifen, beweist folgender Beschluß des Gemeinderates
von Galgenen vom 7. Februar 1819:
I. In den zwei vordersten Stühlen sollen nur je 9 Mann Platz
nehmen; wer einen zehnten hineinläßt, soll samt diesem in je
I Pfund Wachs Buße verfallen sein.
2. Alles Schwatzen und Lachen soll in den zwei ersten. Stühlen,
sowohl auch in den"hintern Stühlen, bei gleicher Strafe verboten
sein.
3. Es wird ein Aufseher bestellt, dessen Name geheim gehalten
werden soll, der die Fehlbaren dem Siebner Hegner zu verzeigen
hat.
88
4. An Sonn- und Feiertagen wird ein Ratsherr hinten in der
Kirche Platz nehmen, der die im Gange Stehenden in die Bänke
weisen oder wenigstens zur Ruh ermahnen soll.
(Bote der Urschweiz.)
Literatur über den Kirchenschweizer, den man auch Kirchenordner
oder Kirchendiener nennen kann, ist, genauere Forschungen
vorbehalten, in Rom, Paris, München, Einsiedeln und in
der Zentralbibliothek in Zürich, wo man sie zu finden hoffte, nicht
zu haben. Der Ursprung des Namens läßt sich dennoch erklären.
Infolge ihrer sprichwörtlichen Treue und zähen Waffenfiihrung
und ihrer naiven Gutgläubigkeit gegenüber fremden Kronen, als
ob diese immer für gottgefällige Pläne wirkten, wurden die
Schweizer Söldner in römischen und französischen Diensten, übrigens
auch an andern Höfen, nicht nur im Feld, sondern mit
Vorliebe auch für die zeremoniellen Dienstzweige, wie Paradeund
Wachtdienst verwendet. Die Gardekompagnien, die hauptsächlich
aus Schweizern rekrutiert wurden, verdanken dieser Verwendung
ihre bevorzugte Dauerstellung im Friedensdienst (garder
= hüten bezw. bewachen). Die Bezeichnung "le Suisse" hat sich
deshalb für die Palast- und Kasernenwachen und schließlich
auch im Kirchendienst, für den in der Regel pensionierte Söldner
angestelllt wurden, in der Umgangssprache des Volkes als präziser
Begriff eingebürgert. Diese Erscheinung ist nicht vereinzelt. Der
Schweizer in romanischen Solddiensten hat im bürgerlichen Lehen
Deutschlands schon lange eine Parallele gefunden, da hier die
Umgangssprache den Melker mit dem nationalen Begriff "Schweizer"
identifiziert. Vor einem Jahrzehnt wurde schweizerischerseits
gegen diese im Norden Deutschlands landläufige Bezeichnung
protestiert und zwar darum, weil Nationalitäts- und Berufsausweis
in einem Wort in weiten Volkskreisen als Kultursignalement angesehen
werden könnte. Diejenigen, die protestierten, 'daß der
"Schweizer" mit Melker identifiziert werde, dachten vielleicht an
den Kuhplapart des Schwabenkrieges. Nach unserer Auffassung
ist wesentlich, daß wir uns nicht zu schämen brauchen, denn ob
Pörtler in Frankreich oder Melker in Deutschland... hier wie
dort ist Qualitätsleistung, wenn nicht garantiert, so doch gemeint.
Erwägen wir in diesem Zusammenhange folgendes: Es frägt
sich, ob z. B. die italienische Regierung reklamieren würde, wenn
wir in der· Schweiz den Italiener in der beruflichen Umgangssprache
mit Maurer identifizierten? Vielleicht wäre der Italiener
stolz darauf, weiß er doch, daß ein Schweizer noch manches
Paarmütschli essen muß, bis er den Italiener als Maurer ersetzen
kann.
Neulich stimmte das Stift auch der Beschaffung meines Uniformmodells
für den Stiftskutscher zu. Bekanntlich sind Postillone,
Kutscher, Landauer und gut geschirrte Pferde heute selten und
die wenigen, die noch zu sehen sind, verfallen dem schlechten
Stil und der Farblosigkeit. Mit dem zukünftigen Stiftskutscher.
dem Marstaller, soll ein gutes Beispiel zur äußerlichen Regeneration
eines vernachläßigten zeremoniellen Dienstzweiges gezeigt
werden. Der Kutscher erhält einen halbhohen, leicht evasiven
Filzzylinder, d. h. einen modernisierten Thurn und Taxis Postillonhut
mit 3 Goldtressen, einer gelbschwarzen Kokarde, und einem
gelbschwarzen Pompon verziert, einen langen Gehrock aus schwarzem
Tüchli mit zweimal gelb eingefaßten Aufschlägen über die
Brustteile und an den Unterärmeln, mit einer dreifachen Reihe
gelben Knöpfen, mit gelbem Stehkragen und schwarzer Kravatte,
eine Gehhose mit zweifachen gelben Passepoils.
Der Stiftskutscher wirft sich in diese Uniform, wenn er hohe
Prälaten am Zug abholen und zum Zug führen muß.
41. Prozessionsgrenadier u. ProzessionsmusikanL
Der Prozessionsgrenadier obliegt bei Prozessionen dem Ehrendienst
auf beiden Seiten des Himmels, unter dem das Hochwürdigste
Gut getragen wird. Die Wache besteht aus einern Unteroffizier
und 6 bis 8 Mann. Als Prozessionsgrenadiere kommen nur
stattliche Männer in Betracht. Am letzten Eucharistischen Kongreß
in Einsiedeln wurden Uniformen von Gardeschweizern in französischen,
Diensten (de Castella und von Ernst) getragen, weil
schwyzerische Uniformen der Ordonnanzen um 1800, die bevorzugt
werden müßten, nicht vorhanden sind. Ein anschließender
Versuch zur Gründung eines Vereins zur Besorgung des Ehren- .
dienstes scheiterte, da die Mittel zur Anfertigung eigener Uniformen
und zum Kauf alter Gewehre nicht beschafft werden konnten.
Für den Fall, daß eine Vereinsgründung früher oder später
doch noch erfolgt, empfehle ich die Wahl der Uniform des
schwyzerischen Grenadiers, Ordonnanz 1804 nach Escher. Sie
besteht aus Kolbak (Bärenmütze) mit Schwyzerschild in Messing,
marineblauem Frack mit dunkelrotem Kragen und Aerrnelaufschlägen,
dunkelblauer Hose, hohen schwarzen Tuchgarnaschen,
kurzem Krummsäbel in weißem .Schultergurt. (Siehe meine nachfolgende
Skizze.) Für die Funktionen des Prozessionsgrenadiers ist
ein kurzes Reglement aufzustellen.
Das Mitwirken der Prozessionsgrenadiere verstärkt das Zeremonielle.
Sie vertreten die Bürgerschaft, für die sie den Ehrendienst
übernehmen. Sie erinnern an die Aufgabe der Schirmer, die im
17· und 18. Jahrhundert bei großen kirchlichen Festlichkeiten
nicht nur den Sicherheits- (gegen die Beutelschneider) sondern
auch den Ehrendienst besorgten. Die Schirmer wurden amtlich,
aufgeboten, je nach Bedürfnissen in der Stärke von IOO und
mehr Mann. Sie trugen das Wehrkleid der entsprechenden Zeitperiode,
im 17. Jahrhundert Helm und Harnisch und waren mit
der Wachthellebarde ausgerüstet. Der Ordnungsdienst müßte,
wie das seit vielen Jahrzehnten der Fall ist, den modernen gewehrtragenden
Truppen vorbehalten werden. Die Truppen werden
gegenwärtig zum Ordnungsdienst in und außer der Kirche gegen
ein kleines Soldgeld amtlich aufgeboten. Sie besammeln sich nach
dem Sammlungsruf der Tambouren im Diensttenue, am Heiligkreuztag
abends 6 Uhr und am Rosenkranzfest nachmittags 3 .Uhr
auf dem Bahnhofplatz in der Stärke von 100- I 50 Mann. Sie
ziehen dann, geführt von einem Hauptmann und 2 Zugführern,
mit der Musik an der Spitze, durch die Hauptstraße vor den
nördlichen Flügel des Klosters. Am Heiligkreuztage bilden sie
Spaliere vom Chorgitter der Kirche bis zum Altar vor dem Rathaus,
am Rosenkranzfest vom Chorgitter bis zum Altar auf dem
Mittelstück des Brüels. Beim Segen wird mit Trommelschlag der
Befehl "Achtung!" gegeben. Vor 1910 erfolgte der Kommandoruf.
Nach Schluß der Feier besammeln sich die Truppen vor dem
Kloster und ziehen in Marschkolonne über den Hauptplatz und
durch die Hauptstraße auf den Bahnhofplatz zur Entlassung. Am
Abend des Heiligkreuztages spielt die Musik den Zapfenstreich.
Der Eindruck der feldgrauen Ordnungstruppen ist im Vergleich
zum feierlichen Eindruck der gepanzerten Schirmer und der in
Farben leuchtenden Grenadieren relativ nüchtern. Sowohl beim
Ehren-, als auch beim Ordnungsdienst kommt es aber wesentlich
auf psychologische Einwirkungen an. Man denke an den Aufmarsch
der alten Oberwalliser-Grenadiere mit den Fahnen im
Lötschental an der Fronleichnamsprozession. Auch der straffe
Prozessionsschritt (schleifender Taktschritt), der militärischen
Spitzen- und Schluß gruppe an der Fronleichnamsprozession in
Appenzell ist der Verstärkung des Eindruckes auf das Volk
dienlich.
Der Name "Prozessionsmusikant" läßt sich mit dem Nachweis
einer weit zurückgreifenden kirchlichen Dienstverrichtung begründen,
die in Einsiedeln als beachtenswerter Brauch ausgestaltet ist.
Wie verhält es sich? Die Bläser der nach der Mitte des 18. Jahrhunderts
entstandenen schwyzerischen Militärkapellen wirkten gelegentlich
auch bei kirchlichen Feierlichkeiten mit. Ueber die
Instrumentierung eines Bataillonsspieles vom Jahre 1798 gibt
der Abschnitt "Landsgemeinde" Aufschluß. Von ihrer Teilnahme
an den Prozessionen ist im Ratsprotokoll vom 7. Sept. I8II die
Rede. "Der Rat nimmt Kenntnis, daß das Militär-Musikkorps sich
weigere, an den bevorstehenden Prozessionen, an Kreuzerhöhung
und am Rosenkranzsonntag, die gewöhnlichen militärischen Funktionen
zu verrichten. Es wird erkennt, es solle allen denen, welche
sowohl vom diesjährigen, als auch vom Reserve-Pikett sind, bekannt
gemacht werden, daß jeder auf die. bevorstehende feierlicheund
übrigen Prozessionen, wo das hochwürdigste Gut außert
9 1
der Kirche getragen wird, die gewöhnlichen militärischen Funktionen
zu verrichten und die Befehle der Herren Chefs und Herren
Offiziere zu befolgen habe, genau und zwar bei hoher Strafe und
unnachläßlicher Buße. Nicht weniger soll sich das Musikkorps
bei nämlicher Ungnade und Strafe jedesmal dabei einfinden."
(Ochsner, Geschichte der Konkordia 1806-1931). Da es dem
Rat nicht gelang, die Spielleute auf die Dauer für außermilitärische
Verrichtungen zu verpflichten, ging die musikalische Mitwirkung
bei kirchlichen Feierlichkeiten an die vermutlich im
Jahr 1806 gegründete Musikgesellschaft über. Die Musikgesellschaft
löste sich jedoch mehrmals auf. Bei den Neugründungen
wurde immer wieder auch von der Teilnahme an den Prozessionen
und von der hiefürigen Barentschädigung durch die Bezirkskasse
gesprochen. In der Regel waren es Sold- und Ausbildungsmängel
gewesen, welche Dienstverweigerungen verursacht hatten. Der
Sold betrug zeitweise 2 Louis d'or, gelegentlich auch weniger,
pro Mann und Jahr für Kirchen- und Prozessionsmusik zusammen.
Unter Kirchenmusik war das Mitwirken im Frühamt verstanden.
Bis tief in die80er Jahre hinein spielte die Musikgesellschaft
"Konkordia" an hohen Festen vor dem Pontifikalamt auch einen
Parademarsch mit Orgelbegleitung. Es war nicht möglich, alle
Mitglieder weiterhin zu verpflichten. P. Josef Staub schrieb darum
ein Arrangement für Orgel, 2 Trompeten und 3 Posaunen. Seit
ungefähr 2 Jahrzehnten wird dieses Praeludium nur mehr mit
der Orgel gespielt. Die Wiedereinführung· des liturgischen Kirchengesanges
vor ungefähr 2 Jahren machte schließlich alle Bläser
entbehrlich.
So verbleibt nur die Beteiligung der "Konkordia" an den Prozessionen.
Sie hat sich mit der organisatorischen Entwicklung der
Gesellschaft befestigt. Heute zählt die Musikgesellschaft "Konkordia"
58 Mitglieder, von denen bis zu 24 Metallbläsern zur
Teilnahme an den Prozessionen aufgeboten werden. Die Entschädigung
für Mitwirkung ist im derzeitigen Jahresbeitrag des
Bezirkes an die Gesellschaft im Betrage von Fr. 2000. - inbegriffen.
Die Prozessionsmusikanten blasen mit folgender Instrumentierung.
Melodie: Trompete in B 1 und 2, vier Waldhörner,
Tenorhorn in B 1 und 2, Begleitung: Bügel in B 1 und 2, Althom
in Es 1 und 2, Bariton in B, Baß in Es und B. Sie begleiten an
den 3 Fronleichnamsprozessionen die Gradualpsalmen und an den
Altären die vier Sakramentsmotetten, an der Engelweihe die
Namen-Jesu-Litanei und am Altar das Sariktus Angelicum, am
Rosenkranzfest wieder die Namen -Jesu - Litanei, am Altar die
Motette Omni die und auf dem Rückweg das Canticum Moysis.
Alle Singnoten sind im Cantarium Einsidlense, gesammelt von
Abt Columban Brugger sel., enthalten, Motetten und Bläsemoten
für die Begleitung der Psalmen und Litaneien sind Kompositionen
9 2
von P. Basilius Breitenbach seI. Die Besetzungsarrangements wurden
jeweilen von den Direktoren der Musikgesellschaft durchgeführt.
Die Prozessionsmusikanten gehen in Einerkolonnen rechts
und links neben den Konventsängern (Patres und Studenten), an
der Spitze rechts der Dirigent. Sie tragen die modernisierte
Uniform der schwyzerischen Füsiliere von 1804, nämlich steife
Mütze und einreihigen Waffenrock in königsblau, Hose in hellblau,
Kragen, Trompeterschnur und Passepoils in dunkelrot. (heraldischrot).
Die Anschaffung des Prozessionshutes aus schwarzem
Filz mit Ledergarnitur, Waldstattkokarde und Birnpompon in
dunkelroter Wolle, der diese elegante Uniform stilgerecht ergänzen
würde, ist noch in der Schwebe.
Man legt mit Recht Wert darauf, kirchliche Feierlichkeiten über
das Liturgische hinaus nach einem strengern Maßstab auszugestalten.
Das Ohr verlangt ein gepflegtes Spiel, das Auge vornehme
Formen und Farben. Wo das eine oder andere fehlt, empfindet
man die Lücke. Außerordentliche Maßregeln gereichen der Waldstatt
zur Ehre; denn es ist besser, sie werde berechtigten Ansprüchen
mit Schöpfungen zum voraus gerecht, als daß sie mit
Kopien nachhinkt.
42. Altar· und Häuserschmuck an der Fronleichna
111 s pro z e s s ion. Für die Fronleichnamsprozession werden
im Freien 4 Altäre aus bemalten Holztafeln aufgerichtet: einer
neben der Hofpforte vor dem südlichen Eckgebäude, einer neben
der Studentenpforte vor dem nördlichen Eckgebäude der Kloster
front, einer vor dem "Pfauen" und einer vor dem Mittelbau des
alten Schulhauses. Die zwei Altäre vor der Klosterfront werden
vom Kloster besorgt, der vor dem "Pfauen" vom Eigentümer des
Hotels, der vor dem alten Schulhaus vom Bezirk. Der Blumenschmuck
wird von der Jungfrauenkongregation gesammelt und
hergerichtet. Der Häuserschmuck ist viel einfacher als z. B. im
Appenzellischen. Es werden von den Privaten weder kleine Altärchen
aufgestellt, noch Teppiche gelegt, noch Inschriften über die
Türen gehängt. Man bedient sich hier des frischen Laubschmuckes,
den man in Vasen vor die Fenster stellt. Früher steckte man
die Laubzweige in braune und gelbe Krüglein. Ins Laub steckt
man weiße und rote Papierrosen. Der Buchenlaubschmuck vor
den Häuserfenstern am Hauptplatz macht infolge seiner einheitlichen
Farbenwirkung einen würdigen Eindruck. Er wird noch
erhöht durch die Laubbäumchen, die man an den Seiten der
Altäre aufpflanzt. Nach der Prozession nehmen die Buben und
Mädchen die gesegneten Zweige nach Hause, wo sie auf der
Winde als Schutz gegen Feuer bis zum nächsten Fronleichnamsfest
aufgehängt werden.
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Infolge der Millenariumsfeierlichkeiten wurde der Prozessionsweg
heuer zum I. Male durch die Haupt-, Sehrniedenen- und Kronenstraße
ausgedehnt. Der Altar vor dem alten Schulhause wurde
durch einen auf dem Sternenplatz ersetzt. Die Ausdehnung des
Prozessionsweges hatte zur Folge, daß man die Häuser an den
begangenen Straßen reichlich mit Laub schmückte.
43. Wie die Dörflig an der Engelweihe beleuchten.
Die letzte, sogenannte "Große Engelweihe", die 14 Tage lang
dauerte, wenn der 14. September auf einen Sonntag fiel, fand
im Jahre 1856 statt. Von da an wurde die Dauer der Engelweihe
auf 8 Tage herabgesetzt. Aus Dankbarkeit für den guten Verlauf
des jetzigen Stiftbaues führte Abt Thomas im Jahre 1729 die
sogen. "Kleine Engelweihe" ein, die am 14. September jeden
-jabres gefeiert wird. Der genaue Beschrieb, dieser gediegenen
kirchlichen Feier, die im Pilgerverkehr immer als sogen. Stoßtag
gilt, ist in der Wallfahrtsgeschichte von Dr. P. Odilo Ringholz
ersichtlich. Hier handelt es sich nur darum, einen Blick auf die
nächtliche Beleuchtung des Dorfes zu werfen.
Wenn gegen 8 Uhr abends die Glocken von den Türmen läuten,
die Klosterleute die Ampeln an der Klosterfront und am Altar
auf dem' Hauptplatze anzünden und in der Kirche Konvent und
Volk sich zur Lichterprozession besammeln, die sich in frühern
Jahrhunderten vom Kirchenportal zwischen 2 Reihen Fakeln am
Frauenbrunnen vorbei zum Altar vor dem Rathaus bewegte, beleuchten
die Häuserbesitzer alle Bauten, die den Hauptplatz umgeben.
Bis um 1900 herum benutzte man runde Gläser, die mit
Brennöl gefüllt und mit einem Docht versehen waren. An der
Großen Engelweihe" beleuchten die Häuserbesitzer an der Hauptstraße
auch ihre Bauten. Ursprünglich, d. h. bis um 1870 bediente
man sich kleiner cubischer Lehmklötzchen, in die man
eine kleine Wachskerze steckte. Von da an brannten die Hafner
kleine Kerzenstöcklein mit einer Tropfrinne. Man benutzte Kerzehen
aus Stearin oder Composition, für den einmaligen. Brand die
4oer, für den zweimaligen Brand die 24er. Seit ungefähr 1900
sind die rundlichen Glasampeln gebräuchlich, die mit einem
Paraffinpflock versehen werden. Die 4 bis 5 übereinanderliegenden
Lichterreihen. die mit der gerundeten Linie des Hauptplatzes und
der elegant ansteigenden Linie' der Hauptstraße übereinstimmen,
machen in der Dunkelheit einen überwältigenden Eindruck. Die
vornehmste Wirkung wird erzielt, wenn man senkrechte Linien
und farbige Lichteffekte vermeidet, Straßen-, Wirtschafts- und
Schaufensterlaternen ausschaltet. Während der Dauer des Millenariums
wurde die Beleuchtung des Hauptplatzes und der Hauptstraße
nicht nur an der Engelweihe, sondern auch an einigen
andern kirchlichen Festen durchgeführt.
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44. Die sogen. Standeskerze des Bezirkes Einsie-
DeI n. Die Stiftsarchivaren Dr. P. Odilo Ringholz und P. Rudolf
Henggeler haben die Geschichte der sogen. Standeskerzen, jener
in der "Wallfahrtsgeschichte" und dieser in den "Mariengrüßen oC
niedergeschrieben. Dort ist auch das Wesentliche über die Standeskerze
des Bezirkes Einsiedeln zu lesen. Auf das Millenarium des
Stiftes und der Waldstatt Einsiedeln 934-1934 haben Bezirksrat
und Volk von Einsiedeln dem hiesigen Heiligtum nach einem
Unterbruche von ungezählten Jahrzehnten wieder einmal eine
Standeskerze gestiftet. Sie wurde vom Bezirksrat feierlich übergeben.
Der Bezirksläufer trug sie an der Spitze des Rates. Die
Standeskerze ist mit dem Waldstattwappen in spätgotischer Ausführung
geziert. Am Schlußfeste des Millenariums vom 14. Okt.
1934 trug sie, wiederum der Bezirksläufer, gefolgt vom Bezirksrat
an der Spitze der andern Standeskerzen, in feierlicher Prozession
von der Kirche über den Hauptplatz und durch die Hauptstraße
bis zur St. Meinradsstatue am Bahnhof und zurück in die Stiftskirche.
Am Millenarium hat die Zahl der gestifteten Standeskerzen 26
erreicht: Sie übertrifft alle vorherigen Stiftungen. Die Standesund
Ortswappen, die die Kerzen zieren, wurden vor der Uebergabe
auf ihre heraldische Richtigkeit geprüft und da wo nötig
befunden, revidiert. Sie wurden vor dem Gitter des Dreifaltigkeitsaltars
in zwangloser Reihenfolge aufgestellt. Hier die Stifter:
Bezirksrat und· Volk von Einsiedeln, Regierung und Volk von
Schwyz, Regierung und Volk von Uri, Regierung und Volk von
Nidwalden, Regierung und Volk von Obwalden, Kath. Volk von
Zürich, Regierung und Volk von Luzern, Regierung und Volk
von Zug, Regierung und Volk des kath. Glarus, Regierung und
Volk von Freiburg (deutscher Teil), Regierung und Volk von
Freiburg (französischer Teil), Kath. Volk von Basel, Kath. Volk
von Appenzell I.-Rh., Kath -,Yolk des Aargaus, Kath. Volk des
Thurgaus, Regierung und Volk des Wallis, Kath. Volk von
Solothurn, Stand St. Gallen, Stand Tessin, Stadtrat und Volk
von Rapperswil, Kath. Volk von Baden (Aargau), Volk von
Menzingen, die schweiz. Terziaren, die päpstlichen Schweizer-
.gardisten von Rom, Regierung und Volk des Vorarlberges und
St. gallischen Rheintals, Regierung und Volk von Liechtenstein.
Die Mehrzahl- der Standeskerzen stammen von Wachsmodelleur
Emil Schnyder in Einsiedeln, einige von Wachsmodelleur Hermann
Lienert in Einsiedeln und eine von Wachsmodelleur Herzog in
Sursee.
45. Aus ruf e r. Der Ausrufer ist hier in einer Person auch Dienstmann.
Er wird häufig "Expreß" genannt. Seine Stelle wird amtlich
.zum Bewerb ausgeschrieben. Der kleine Ueberrest an Originalität
. 95
liegt in seinen Verrichtungen. Solche Verrichtungen sind das
Ausrufen von Kaufgelegenheiten, z. B. Gemüse und Obst im
Sommer, in der Fastnachtszeit Blut- und Leberwürste, in der
Fastenzeit Meerfische, an den sog. Stoßtagen (Tage großen Pilgerandranges)
die Aufforderung zum Anmelden leerer Hotel- und
Privatbetten, bei andauernder Hitze oder Kälte Abstellen des
Trinkwassers der Bezirkswasserversorgung, die Anzeige verlorener
Wertsachen usw. Bis um 1855 mußte der Bezirksweibel amtliche
Erlasse ausrufen. Das geschah in der Regel am Sonntagmorgen
nach der Pfarrmesse. Ein Trommler begleitete ihn. Zuletzt war
es ein Dorffaktotum, genannt "Barabas", der die Trommel schlug.
Noch um jene Zeit präsentierte sich der Ausrufer als eine heimelige
Figur. Er trug eine farbige Mütze, genannt Dächlichappe,
eine lange Bluse und einen Riemen um den Leib. In der Hand
hielt er eine Schelle. Heute folgt er dem Weg der faden neuzeitlichen
Uniformierungsmanier, genau wie die Briefträger, der
Musikant, der Postillon, der Landjäger, der Wächter usw. bis
sich, wovon uns Gott bewahre, alle des Alltagskleides bemächtigen
und ihre Bestimmung noch etwa mit einem Metallschildchen oder
Zeichen am Hut verraten lassen. Diese Sache ist dekadent und
das besonders, weil ausgerechnet unser Staat der Originalität kein
Auge weiht. Man behafte mich dafür. Keinem dieser Faktoten
kann nachgesagt werden, er müsse sich den Anforderungen der
Feldmäßigkeit unterziehen, wie z. B. dem Soldaten. Ihre Auffälligkeit
hat sogar praktische Vorteile.
Vom Ausrufen des Kabis ist folgende Melodie überliefert. Um die
Wirkung zu verstärken, hielt der Ausrufer die Hände trichterförmig
an den Mund.
, J J J J J J J .~
JJ-
"Ver das schö-ne Cha - bis wel chau- fe där söl zuo's
~
3 :s j J j J J it J J J e§BJ
Pi - e - ssä Li - se-beth ab - ä la.u- fe, s'Häut-li zwei Ba - tze
Noten von Alois Weidmann
Das Ausrufen von Waren auf den Dorfstraßen ist seit einigen
Jahren amtlich verboten. Die Verkäufer dürfen ihre Anwesenheit
nur mit einern Glockenzeichen ankünden.
46. Pi 1ger b r ä u c h e. Viele Pilger, jung und alt, trinken in der
Runde aus jeder der 14 Röhren des Liebfrauenbrunnens einen
Schluck Wasser. Da, wo sie beginnen, hängen sie einen Rosenkranz
oder ein Taschentuch um die Röhre. P. Odilo sagt in seiner
Wallfahrtsgeschichte, "Er habe nicht erfahren können, worauf
sich diese Uebung gründe, wahrscheinlich aber sei, daß die
Pilger trinken, weil sie dem Wasser Heilkraft zuschreiben und
irrtümlich glauben, es sei gesegnet". Es gibt auch Pilger, die
annehmen, dort habe der Brunnen des h1. Meinrads .gestanden.
Radegg hat der Heilkraft des Frauenbrunnens ein Gedicht gewidmet
(Geschichtsfreund X, Seite 185). Die Rapperswiler, deren
Kreuzgang nach Einsiedeln seit dem 17. Jahrhundert besteht,
nennen den "Frauenbrunnen" "KindIibrunnen", weil junge Frauen
sich von seinem Wasser Erfolg für die Mutterschaft versprechen.
Gegenstand der Verehrung war in früheren Jahrhunderten das
angebliche Handzeichen des Heilandes. Im Stein oberhalb der
Eingangstüre der frühem Gnadenkapelle waren 5 tiefe Löcher,
die aussahen wie Fingereindrücke. Die Pilger glaubten,. der Heiland
habe dieses Handzeichen eingedrückt und sie legten deshalb ihre
Finger in die Oeffnungen.
Beachtenswert sind die Bußübungen vieler Pilger. In frühem
Jahrhunderten steckten sie Erbsen oder Steinehen in die Schuhe,
um das Pilgern schmerzlich zu gestalten. Andere Pilger legten die
letzte Wegstrecke, z. B. vom Etzel oder vom Katzenstrick bis zur
Kirche auf den Knien zurück. Es geschieht heute noch, daß
Pilger nüchtern wallfahren.
Bis ums Jahr 1850 war es Gewohnheit der Pilger, in die Ritzen
der Feldkreuze und Bildstöcklein kleine Kreuzlein zu stecken.
Sie formten diese Kreuzlein von aufgelesenen Holzstücken. Das
letzte Holzkreuz, in dessen Fugen noch Dutzende von Kreuzlein
steckten, war das auf dem Schnabelsberg. Seit zirka 1860 steht
dort ein Eisenkreuz.
Als frommer Brauch der Pilger muß auch ihre Gewohnheit angesehen
werden, Rosenkränze, genannt "Dreißiger", Krücken,
Fesseln, in frühem Jahrhunderten sogar Kanonenkugeln usw.
an der Rückwand des Kirchenschiffes aufzuhängen. Die Pilger
dankten der Muttergottes für ihren Beistand.
Weiteres über die Wallfahrtsbräuche vernehmen wir von Dr. Linus
Birchler in "Schweizer Volksleben" (Prof. J. Brockmann, Rentschverlag,
Erlenbach).
"Neben den eßbaren Schäfli werden in .Einsiedeln auch Agnus
Dei aus Wachs oder Metall hergestellt. Doch leider treten heute
billige Reiseandenken aller Art in recht geschmackloser Aufmachung
weitaus in den Vordergrund. Zu den früheren Wallfahrtsandenken,
die P. Odilo Ringholz, O. S. B., beschrieben hat, gehörten
vor allen Erkennungsmarken, die sichtbar auf die Kleider
oder Hüte aufgenäht und zu Hause sorgfältig aufbewahrt wurden.
Schon im 14. Jahrhundert wurde eine Marke, den Märtyrertod des
heiligen Meinrad darstellend, in Blei gegossen und den Pilgern
überlassen. Mehrere Denkmünzen und Medaillen ließ das Stift
97
selber schlagen und verkaufen oder schenkte sie an hervorragende
Pilger. Manche Einsiedler Medaillen sind aus Flüssen, so zum
Beispiel aus der Seine, ausgebaggert worden, warfen doch die
Gläubigen bei Hochwasser geweihte Medaillen in Bäche und
Flüsse.
Ein heute vergessenes Wallfahrtsandenken sind die kleinen silbernen
Wetterglöcklein, die geweiht und mit dem Gnadenbilde in Be-.
rührung gebracht worden waren. Sie waren recht klein, besaßen
nur drei Zentimeter Länge und dreieinhalb Zentimeter Breite,
Mit solchen Glocken läuteten die Gläubigen bei Wettergefahr.
Noch heute haben in Einsiedeln geweihte Glocken einen Ruf:
Aus Schwaben einreisende Pilger suchen sich solche zu erwerben,
Da sie keine finden, nehmen sie schließlich mit einer gewöhnlichen
Schelle vorlieb und lassen diese weihen. Das Wetterläuten
der Kirchenglocken kommt heute auch in kath. Gegenden außer
Uebung und es wird dann durch das Läuten mit kleinen Schellen
ersetzt. Massenhaft werden noch jetzt Nachbildungen des Gnadenbildes
Unserer Lb. Frau von Einsiedeln verkauft, leicht kenntlich
an dem barocken weißen Kleide, das die Kleidung am österreichischen
Hofe um 1800 zum Vorbild hatte. Das Kloster hat
die Herstellung solcher Nachbildungen um 1798 den Waldleuten
überlassen und besonders die Schwaben nehmen sie gerne als
"Kindie' 'mit. Auch um dieses Wallfahrtsandenken werden sie
von Kindern angebettelt. Selbst protestantische Kinder von Zürich
suchten von den wandernden Pilgern solche zu erhalten und
nannten sie "Schwabengötzli". (Näheres auch im Abschnitt
"Pfingstbräuche").
Die Pilger nehmen nicht nur diese und viele andere volkstümliche
Andenken mit nach Hause, sondern sie erwerben auch, bevor sie
die Kirche betreten, Kerzen und Wachsfiguren, die Kinder, Köpfe;
Herzen, Hände, Füße, Rinder, Pferde und ähnliches darstellen,
um ihren Anliegen und Gebeten einen bestimmten Ausdruck zu
geben. Nach dem Gottesdienst werden die Wachsfiguren an den
Altargittern aufgehängt. Sie erinnern uns an die Tausende vori
Votivgaben und -tafeln, die an den seitlichen Kircheneingängen
aufgehängt sind und uns so recht in die Volksseele hineinsehen
lassen.
Oft genug versuchten die Pilger, Oel aus der Lampe, die vor
dem Muttergottesbildbrennt, zu erhalten. Das Kloster, später
das Pfarramt Einsiedeln, gaben solches Oel in versiegelten Fläschchen
ab. Es wurde zum Einreiben bei Krankheiten, viel seltener
zum Brennen verwendet. Ist dieser Brauch verschwunden. so lebt
im Volke noch die Idee weiter, daß dem Wasser des Brunnens,
von dem der heilige Meinrad getrunken haben soll, eine besondere
Heilkraft zukomme, eine Meinung, die auch der heutige
Pilger noch hegt. Von dem Frauenbrunnen vor dem Kloster
trinkt er dreimal aus jeder der vierzehn Röhren oder sammelt
das Wasser in einer Flasche, die er schüttelt, ehe er davon genießt.
Häufig wird auch dies Wasser mit nach Hause genommen."
Kranken Pilgern werden. die Josefsringe angeboten, die Krampf
und Gicht beseitigen sollen. Gelungene alte Wallfahrtsandenken
waren die gestochenen oder in Holz geschnittenen Einsiedler-
Helglein, die Schnecken mit den Klosterfrauenfigürchen aus'
Wachs darin, die zierlichen Muttergottesfigürchen aus Wachs
unter kleinen Glasglocken, die vielfarbig bossierten Wachsrodel
und Wachskerzen (früher aus Unschlitt) und die "Stecken" (Pilgere'
stäbe). Wer sich kostenhalber etwas Apartes leisten konnte, ließ
gelegentlich ein Miniaturwachsportrait durch die Künstlerfamilien
Birchler oder Kuriger anfertigen.
Von allen Wallfahrt san denken stehen die Gebetbücher und Rosenkränze
und Medaillen im Vordergrund des Interesses. Die über
30 Gebetbücher des P. Cölestin Muff verzeichnen allein eine
Auflage von gegen 500,000 Exemplaren. Rosenkränze werden in
über 100 verschiedenen Mustern angeboten. Die "Bätlin-Trayer"
(Betlifaßer) waren im 17. Jahrhundert so zahlreich, daß sich
1688 die Meister verpflichteten, IO Jahre lang keinen Jungen das,
"Bätlintrayen" zu lehren. Die Medaillenpräger, "Zeichelinmacher",
genannt, hatten immer Arbeit. In frühern Jahrzehnten galten die
"Zeichelin" als Beglaubigung für ([ie gemachte Wallfahrt nach
Maria- Einsiedeln.
Leider hält es schwer, gediegene Wallfahrtsandenken reibungslos
zu verkaufen, da die Billigkeit in der Regel eine größere Rolle
spielt, als Originalität und Kunstwert. Man hat schon verschiedene
Male versucht, den Geschmack der Pilger anzuregen, indem man
.auf Kongresse hin und neuestens für die Tausendjahrfeier künstlerisch
hochstehende Wallfahrtegegenstände auf den Markt
brachte. Ich erinnere an folgende: Das Hausaltärchen in Terra-,
cotta der Bildhauerin Severina Lienert, ein Kongreßmedaillon mit
der gotischen Madonna und dem Stiftsfigill von der gleichen
Künstlerin, die Kruzifixe, Weihwasserkesseli, Statuen usw. in.
Keramik der Lukasgesellschaft, die gotische Madonna der Kunstkeramik
in Luzern, die Muttergottes-Plakette in Gips mit dem
neuen Ausstellungskleid und eine gleichartige Muttergottes-Statue,
beide in Aachen gegossen, das Medaillon von Prof. Zutt für die.
Tausendjahrfeier, das Gnadenbild in rotem Wachs, goldverziert,
Talerform und der hl. Meinrad mit dem Gnadenbild auf einer
övalen farbigen Wachs plakette, beide von Bildhauer Röhrig-
Lienert, das Medaillon für die Tausendjahrfeier des Kunstmalers,
Eduard Rickenbach, die Muttergottes-Statue aus dem Atelier,
Bernhard Schädler's nach einem alten Modell Peter Ochsners,
rechteckige gebrannte Plaketten mit dem Muttergottesbild, runde
Plaketten in Silber-, Messing-, Kupferimitation, ebenfalls mit dem
Muttergottesbild.
99
Die Wallfahrtsandenken werden in zahlreichen Läden am Hauptplatz,
an der Haupt- und Schwanenstraße, in den sog. Kramgassen
vor der Kirche, in den Sonnen-, Ilgen-, Pfauen- und Briielständen,
in den Hausläden zahlreicher Gasthöfe und in den
Ständen am Pilgerweg zum Frauenkloster "in der Au" verkauft.
Von den letzteren, die diesen Pilgerweg heimelig machten, sind
leider infolge des Pilgerrückganges die meisten aufgegeben worden.
Wenn keine Pilger des Weges kommen, sitzen die Verkäuferinnen
vor ihre Stände, biegen mit der Zange den geschmeidigen
Draht und stecken Ringeli, Perlen und Zeichen daran.
Das nennt man "Betlifassen".
47. Bi t t- un d Kre uzg änge de r Pfarrei Ei nsi edel n.
Das Volk von Einsiedeln macht jährlich drei Gemeinde-Bittgänge,
einen in die Kapelle auf der Etzel-Paßhöhe, einen in die Kapelle
von Biberegg und einen in die Filialkirche von Euthal. Früher
pilgerten die Gemeinden Lachen, Freienbach und Einsiedeln am
St. Johannstag gemeinsam, auf den Etzel. Dem Bittgang nach
Biberegg ist derjenige nach Steinen, dem nach Euthal derjenige
nach Oberiberg vorausgegangen. Im 17. und 18. Jahrhundert
wallfahrteten die teilnehmenden Geistlichen und Ratsherren zu
Pferd. Es ist das aus Kirchenrechnungen ersichtlich. Heute wallfahren
alle Teilnehmer zu Fuß. Die Zugsordnung ist folgende:
An der Spitze in der Mitte der beiden Einerkolonnen geht ein
Bub mit der Sammlungsglocke in der Band, an der Spitze
der rechten Einerkolonne der Kreuzträger, an der Spitze der
linken Einerkolonne der Fahnenträger. Hierauf folgt die männliche,
dann die weibliche Jugend, zwischen den Einerkolonnen
Lehrer und Lehrschwestern. Dann schließen sich die Männer
an, an ihrer Spitze die Mitglieder des Bezirksrates. Den Schluß
des Bittganges bilden die Frauen. Der Ortspfarrer geht in der
Mitte der beiden Einerkolonnen der Männer. Die Feier besteht
aus einer hl. Messe mit Predigt. Es wird ein Kirchenopfer aufgenommen.
Nach der kirchlichen Feier verpflegen sich die Wallfahrer
in umliegenden Wirtshäusern und kramen Eierröhrli,
Krapfen und Bohnen heim. Im Jahre 1776 erließ der Rat ein
Verbot an hausierende Frauen, den betenden Wallfahrern in
geschlossener Kolonne Lebkuchen und Krapfen nachzutragen und
anzubieten. Der Handel hatte in Zudringlichkeit ausgeartet. An
seinen alten Brauch erinnert noch heute die Gepflogenheit, sich
auf dem Rückweg von Biberegg auf dem Katzenstrick und auf
dem Rückweg vom Etzel in den dortigen Wirtschaften mit Eierröhrli,
Krapfen und Bohnen zu versorgen, um sie heimzukramen.
Für den Heimweg werden Kreuz und Fahnentuch von den Trägern
in eine Holzschachtel bezw. in ein Blechrohr verpackt und an
Riemen auf dem Rücken getragen. Die Stangen werden geschul-
100
tert. Die Zugsordnung bleibt die gleiche, wie bei der Ankunft.
Die Wallfahrt der Viertels-Kirchgemeinden in die Stiftskirche
findet jedes Jahr 14 Tage nach Pfingsten, in der Regel am
Dienstagmorgen statt.
Das Volk nennt den Bittgang, bezw. Kreuzgang "äs Chrüüz",
Das geschichtliche Material über die Einsiedler Kreuzgänge ist
in folgenden Werken verwertet: .
"Mitteilungen des historischen Vereins des Kt. Schwyz", 21. Heft
(1910), Ringholz, "Beiträge zur Ortskunde der Höfe Wollerau und
Pfäffikon im Kt. Schwyz" und "Kirchliches aus Einsiedeln" Seite
33 "Die Bitt- und Kreuzgänge der Pfarrei Einsiedeln" Seite 137.
Faßbind's Manuskript "Religionsgeschichte" 4. Band, Seite 270
usw. Dettling "Die Bittgänge von und nach Jberg und das
Kirchenopfer" bei M. Theiler Wollerau 1930.
48. Der T u r ben zeh n t e an die Kap u zi n e r von ~ a p p e rsw
i 1. Es handelt sich nicht um eine verschriebene, sondern um
eine freiwillige Zehnte, also um ein Almosen. Die Patres Kapuziner
lassen gleich nach Neujahr durch einen ihrer Obern die
Familien von Einsiedeln besuchen und nehmen von ihnen einen
kleinen Barbetrag entgegen. Früher erhielt das Kloster seine
Almosen in Naturalien. Bauern vom Horgenberg und Birchli tragen
je einen oder zwei Körbe Turben zusammen. Einer unter ihnen
organisiert das Aufgebot einiger Bauern, die Zugtiere besitzen. Die
Turben werden am vereinbarten Tag in Bännen verladen und
dann bewegt sich die Turbenfuhr mit 3 bis 4 Gespannen über
Schindellegi nach Rapperswi1. Einige andere Bauern begleiten die
Fuhren und helfen, in Rapperswil angelangt, abladen und eintragen.
Der Brauch greift ins 17. Jahrhundert zurück. Das' älteste
Wohltäterverzeichnis des Kapuzinerklosters nennt um das Ende
des 17. Jahrhunderts folgende Geber: Den Abt, das Stift, ]ütz zum
"Weis sen Wind", Kantzler Heinrich Latzarus, Vogt Gyr und dessen
Sohn Säckelmeister Gyr zum "Ochsen". Der alte Brauch, den
Kapuzinern im Frühling Frösche und Schnecken zu bringen, besteht
heute noch.
Wenn der P. Kapuziner im Auftrage seines Klosters die hiesigen
Familien besucht, frägt er freundlich nach den Kindern und
schenkt ihnen ein sog. "Amedeli" . Das Amedeli kennt man anderwärts
unter dem Namen "Teufel~jägerli'\ Es ist ein farbiges Stoffsäckli
in der Form eines Herzchens, das mit Sagmehl gefüllt, oben
mit einer Oese und unten mit einem Seidenzütteli versehen ist.
Man sagt, der Name erinnere an den h1. Amadeus. Nach einer
andern Auslegung scheint das nicht zuzutreffen. .Arnadeli" sei
vielmehr eine mundartliche Bezeichnung für "Amulett". Es gibt
viele heidnische Amuletts. Um diesen entgegenzutreten, läßt die
katholische Kirche, hauptsächlich durch die Patres Kapuziner, die
101
den Kitsch abergläubischer Bauern zu bekämpfen Gelegenheit
haben, Medaillen; Agnus Dei, und Kräutersäckli segnen. Die
Kinder hängen die "Amedeli" an die Halsketteli. Die Erwachsenen
legen sie kranken Angehörigen unter das Kopfpolster der Betten.
Das Volk glaubt zuversichtlich, die gesegneten "Amedeli" die an
den Beistand Gottes erinnern; 'bringen Heilung und Gesundheit.
Die Patres Kapuziner teilen den Kindern seit Alters her auch sog:
"Huchhelgli" aus. Sie sind aus farbigem Cellulosepapier verfertigt
und mit einem Heiligenbild bedruckt. Wenn man das Helglein
behaucht, rollt es sich auf. Hieher rührt der Name "Huch·
<helgli". '
:49. Ha u si n s c hr if t e n, Haussegen und Wettersegen
Die bekannten Hausinschriften in der Bündt, im Berner Oberland
und im Oberwallis bestätigen den Glauben des Volkes an Gott
und die Liebe zur heimatlichen Scholle. Sie werden in der Regel
über den Haus- und Stalltüren in die Balken eingekerbt oder in
'die Mauer eingemeißelt, Hierzulande sind solche Hausinschriften
eine Seltenheit. Das große Siedlungswerk im Sulzel, auf dem
Altenberg und um den Waldweg, das unter der bewährten Leitung
des Professors Bernhard und mit Beihilfe der Siedlungskommission
des Bezirkes Einsiedeln erstanden ist, hat gewisse kulturelle Fortschritte
gebracht und unter anderm auch das Interesse des Volkes
für idealere Heimverhältnisse angeregt. Jüngst haben sich, ganz
unerwartet, Käufer von Siedlungen mit dem Gesuch gemeldet,
man möchte ihnen den Text für eine gute Hausinschrift verschaffen.
Otto Hellrnut Lienert hat sofort einige Texte aus dem
Aermel geschüttelt und sie zur freien Wahl gestellt. Sie lauten:
Sy eigi Grund und Bode,
Im schöine Schwyzerland,
'Wer wett si do nüd rohde,
Für d'Fryheit und sy Stand!
D'Sunne im Schybli,
Gro Wulche und Glanz,
Die wächsled im Läbe,
Wie d'Päärli bim Tanz.
I hange amym Hüsli,
Aes wien ä Schnägg am Chüüs,
Aes wien ä Burst, am Gspüsli
Und d'Herelüüt am Zys.
Wänn's dusse wohl will
Und dinne guet goht,
Sä weißt me, as's Hus
'Am rächte Platz stoht,
·102
Nu alemol um d'Lanzigzyt,
Sä stellt me d'Maieuse
Und dorffed im 'ne Schwyzerhus,
Dr Gspüslig mit dr Gspuse.
Was Sunneschy fürs Aerdeland,
Ist für ne's Hus dr Fride,
Drum sägnis's Ueserherrged's Hand,
Biwahr's vor Chrüüz und Lyde.
Der neue Brauch, an' Häusern und Ställen fromme oder fröhliche
Inschriften anzubringen, ist lobenswert und darum wird er hier
auch vorgemerkt.
.'
Die alten Haussegen und Wettersegen vergilben, die früher in
vielen Bauernhäusern entweder an der Stubentüre oder an einer
Schlafzimmerwand aufgehängt und bisweilen vor der versarnrnelten
Familie als Abendgebet gelesen wurden. Wenn man nach;
ihnen frägt, heißt es, man wolle nachsehen, ob irgendwo noch
einer herumhänge. Daraus kann man schließen, daß man sich
angewöhnt hat, ohne sie schlecht und recht auszukommen. Der
gegenwärtige harte Kampf um das wirtschaftliche Bestehen des
Einzelnen ruft der Einsicht, daß es schon viel bedeutet, Dach und
Fach als Eigentum zu .besitzen, wenn auch in keinem Falle
schuldenfrei. So sagen wir denn, "Die Weisheit des Haussegens
krönt das Realistische des Kaufbriefes".
Ein Haussegen und ein Wettersegen, die hier noch einigermaßen
bekannt sind, sollen kurz beschrieben sein:
Der Haussegen ist dem 111.Apostel Jakobus gewidmet. Er ist mit
7 Kupferstichbildern geschmückt, die Gottvater, Sohn und Heiliggeist,
Jesus, St. Joseph, Sta. Maria, einen Erzengel, Iesus den
Gekreuzigten und die Heiligen Kaspar, Melchior und Balthasar
darstellen. Im Text werden Christus und die genannten Heiligen
um Barmherzigkeit für das Hausvolk und Segnung von Speise.
und Trank, Vieh und Früchten und Schutz vor Pest, Fieber, Wasser,
Feuer, Ungewitter und Uebel gefleht. Das Schlußgebet lautet:
Unter Deinem Schutz steht dieses Haus,
Jesus, Maria, Joseph!
Glücklich, die oft sprechen aus:
Jesus, Maria, Joseph!
Behüt dies Haus vor Pest und Brunst,'
jesus, .Maria, Joseph!
Vor Zauberei, Unheil und Mißgunst,
Jesus, Maria, Joseph I
Gebt über uns den Segen allezeit,
Jesus, Maria, Joseph!
Nach diesem Leben die ewige Freud,
Jesus, Maria, Joseph!
1°3
Dieser Haussegen stammt aus dem Jahre 1867. Er wurde bei
Joseph Eberle in Einsiedeln gedruckt.
Der Wettersegen ist als "Bericht des Ursprungs und Kraft dieses
Wettersegens" überschrieben. Dann folgt der Beschrieb des Ursprungs
in einern Kloster bei Lissabon im Königreich Portugal.
Anschließend folget das Gebet oder Segen wider das Hochgewitter".
Am Fuße ist ein Bild des Gekreuzigten mit den beiden
Schächern und Maria Magdalena und Marta abgedruckt. Der
Wettersegen stammt aus dem Jahre 1858. Er wurde in Einsiedeln
gedruckt.
50. Klausenlaufen und Infelntragen. Es beginnt in der
Zeit um das Fest des hl. Nikolaus. Der Samichlaus im langen,
weißen Faltengewand mit der großen kerzenbeleuchteten Jnfula
auf dem Kopfe ist die Hauptperson. Um ihn reihen sich zwei oder
drei wildbärtige Waldbrüder, die von einer schwarzen Kutte mit
Kapuze umhüllt sind und eine Birkenrute in der Hand tragen.
Beim Zunachten besucht der Samichlaus die Wohnung derjenigen
Kinder, denen er etwas schenken will. Voll Ehrfurcht erwarten ihn
die Kleinen auf den Knien, indern sie beten oder weinen. Er befragt
die Eltern nach dem Betragen, während die Waldbrüder murrend
und polternd den Kleinen Furcht einflößen. Bald öffnet sich
dann der Quell kindlicher Freude, weil der Samichlaus zumeist
befriedigende Auskunft erhält. Er beschwichtigt die. Waldbrüder
und teilt den Kindern Nüsse, Lebkuchen, Schafböcke, Birnenweggli
und Züpflli aus. Nachher verzieht er sich feierlich und mit
Geräusch.
Es ist schon vorgekommen, daß der Samichlaus die milde Würde
seiner Rolle einen Augenblick vergaß und sich zu menschlich
umtat, indern er den Waldbrüdern, die trotz Geheiß zu wenig
lebhaft murrten und stampften, erbost zurief: "Murred ä chli,
ihr Chaibe".
Der Samichlaus besucht jeweilen auch unsere Kleinkinderschule.
Die Kleinen empfangen ihn mit einern Gedichtlein, das folgendermaßen
lautet:
Wer lauft det mit so schwäre Schueh
Und schlot so schreckli Türe zue?
Mis Härzli chlopft so viel es mag,
Hüt ischt halt Samichlausetag.
Der Chlaus chunt usern finstre Wald
Er ischt scho mängs Johrhundert alt.
Im Summer bacht är gueti Chueche,
Im Winter ehunt är üs cho bsueche ..
Au je, hüt got's nu Mängem schlächt,
Wo nüd hät chönne folge rächt.
I04
Mir ischt äs bitzli Angst derbi,
Bi nüd allewil ordli gsi.
o liebe Samichlaus, ich bitt"
Nimm mi dasmol nu nüd mit,
Gib mir vo dine guete Sache
Und 's nächst Jahr will is besser mache.
(Verlaßt von Schwester Lena, Lehrerin).
Zur Klauszeit trugen die Buben bis 1900 bei einbrechender Nacht
rote, blaue oder grüne Infeln, die von einer Kerze beleuchtet
waren, an langen Stecken in den dunkeln 'Seitengassen herum, um
-die kleinen Kinder an das Nahen der Klauszeit zu erinnern. Diese
Infelnträger wurden aber von andern Buben, die es auf das
Zertrümmern der Papierhüllen abgesehen hatten, verfolgt. Ein
Amtsverbot machte diesem Brauch ein jähes Ende. Das Infelntragen
ist ein Nachklang des Klausjagens.
5 I. Dem W ei h n ach t ses e l e i n Heu leg e n. In mancher
Haushaltung war es bis um 1900 herum üblich, daß die Kinder
einige Abende vor der Weihnachtsbescherung dem Eselein, auf
dem die Mutter Gottes mit dem Christkindlein geritten kommt, ein
Häuflein Heu legen mußten. Die Kinder fragten in der Regel aus
eigenem Antrieb, ob sie Heu holen dürfen. Sie bettelten dann bei
-einem Viehhalter in der Nachbarschaft um eine Hampfle (wört-
Iich eine Hand voll) Heu und legten sie im Erdgeschoß sorgfältig
hinter die Türe. Damit das Heu dem Eselein munde, streuten sie
einwenig Salz darüber. Mit diesem Brauch war da und dort ein Ulk
verbunden, nämlich der Muttergottes einige Weggli und dem
Vater Josef ein Glas Wein bereit zu stellen. Jn der letzten Nacht
vor der Bescherung entfernte die Mutter das Heu, weshalb die
Kinder glaubten, das Christkindlein sei eingekehrt und das Eselein
'habe das Heu gefressen. Wein und Weggli mundeten irgendeinem
dienstbaren Geist im Haus. In diesem Zusammenhang ist folgendes
Sprüchlein aus dem Ende des 19. Jahrhunderts bekannt:
, Härzigs Aengeli,
Rosestängeli,
Wär i bi dir inne!
I han äs Weggli,
Im Hosetäschli,
I ha dr's welle bringe.
Ueber die Weihnachtsstimmung in unserem Hochtal äußert sich
Meinrad Lienert in einer Zeitungsplauderei folgendermaßen:
"Ueber die Weihnachtszeit überströmt die Leute eine Friedensstimmung.
Der Hausvater schlüpft in einen warmen "Günsch" und
brummt behaglich auf der Ofenbank, wie ein Bär, der Honig wittert.
Und die Hausmutter hegt das pfändli und rüstet auf den
N. Tag einen "Liengs Schwynigs", an dem sich ein Tisch voll
lebender Wesen einmal gehörig "vernüeyere" kann. Das Maitli
aber mischt ein Rosoli, so rot wie eine brennende Liebe, für die
Nachtbuben. Die Buben im Dorf grächen dem Eseli Heu und die
Göflein begucken den roten Abendhimmel und rufen: "Muetter,
lueget, s'Chrischchindli tuet bache!" Um die Häuser weht's wie
stiller Friede und behagliche Ruhe und der peremptorische Rechtsstillstandbreitet
schonend seine Fittige aus über alle Händel und
Zahlungsbefehle" .
52. Culinarische Bräuche. Die Alten erzählten in den 60er
Jahren: "Albigs sammelten wir im Spätherbst dürres Buchenlaub,
trockneten es auf der Winde und stopften damit 'Säcke aus Jute
oder Kölsch oder selbstgewobenen Leinen und schliefen darauf
im breiten Auszugbett, oben wir Alten, unten in der Schublade
die Gofen. Wir steckten im Lanzig einen Plätz Gummel, gruben
sie im Herbstmonat nach Feierabend aus, kellerten sie in einer
Chrüze und taten uns .im Winter am Häbl (gekocht) gütlich.
Wenn sie vorzeitig aufgebraucht wurden, kauften wir aus dem
Schulstubenhärdöpfelspeicher auf dem Rathaus ein Viertel Ueberjährige."
Der gepflegte Kartoffelbau, der sich bis um I890 im Bezirk
Einsiedeln auf ungefähr 800 Genossenteile erstreckte, erinnert
stark an das Diktat der Selbstversorgung in den Hungerjahren
um I8I7 und an die einfache Lebensweise der Waldleute im verflossenen
Jahrhundert überhaupt. Rufen wir einige Zeugen an:
Zu Großvaters Haushalt wurden die Gofen allabendlich an den
runden KÜchentisch gerufen, wo sie geschwellte Gummel (gesottene
Salzkartoffeln) schälen mußten. Wenn sie dann hin und
wieder verstohlen einen Brocken in den Mund schoben, was der
Großmutter selten entging, sagte sie über den Tisch hin: "So,
issed nur druf los, ihr hend dä more die brötlete g'ha". Die
Tochter eines Handwerkers flüsterte dem Vater beim Mittagessen
zu: "Du Vatr, dr Gsell haut scho widr Brout ab". Ein
Bauer warnte die Magd am Küchentisch: "Iß nüd so viel Chäs
wie Härdöpfl l" Nicht umsonst wurde die Bedeutung der Kartoffelkost
hierorts lange mit dem Volksspruch : "Rächt Liit, rächt
Härdöpfl" zutreffend gekennzeichnet. Die Alten als "rechte Leute"
zu ehren, ist umsomehr begründet, als sie sogar die einfachste
Mahlzeit mit dem Gebet: "Gott sei Lob und Dank für Spys und
Trank" beendigten,
Was sich die Alten am Tisch selten gönnten, kann als zeitlich
gebundene "culinarische Bräuche" registriert Werden. Ihre Geltung
erstreckt sich auf Dreikönigen, Meinradstag, Fastnacht, Chilbi,
Chlaustag und Weihnachten.
Lassen wir uns die ortsüblichen Leckerbissen im Geiste auftischen.
I06
Schulkinder, die regelmäßig entweder geschwellte Gummel· oder
Rösti oder Stunggiszu essen bekamen, fragten die Mutter mit
bittender Miene, "Wän gits wiedr emoIl Ofeturli?". (Wörtlich ein
im Ofen gedörrter Fladen.) Die Antwort lautete "A Dry Könige
odr am Meiredstag". Das Ofeturlibesteht aus folgenden Substanzen:
21/2 Pfund geriebene Kartoffeln, 1/2 Pfund Weizenmehl,
1/4, Pfund Butter, etwas geriebenen Käse und Salz gemischt, geknetet,
ausgerollt, auf einem Blech gebacken und in kleine rechteckige
Stücke ausgestochen.
Das Ofenturli hat einen geschätzten Rivalen: die Chnöpfli mit
Suurchruut. Ihre Bedeutung kommt in folgendem Spruch zum
Ausdruck:
Gott Lob und Dank,
bi nümme chrank,
mag wieder äs Bitzeli ässe.
Ha us'me Viertl Chnöpfli gmacht
. und aIli suubr gässe.
(Viertel ist der vierte Teil eines Mütts Mehl.)
Begehrlichere Kinder erinnerten die Mutter an die letztjährige
Niedel mit den Worten "Muetter, tuest is am Meiredstag au wiedr
ä Niedle schwinge?" Die pünktliche Erinnerung an die letztjährige
zeigt, wie hoch sie geschätzt wurde. Je nach der Zahl der
'Familienangehörigen wurde beim Senn entweder eine "halbe"
oder eine "ganze" Niedei bestellt, geschwungen, mit feinem Zucker
bestreut und in Suppentellern aufgetischt. Wenn es hieß, "hüt
Obed gits ä Niedle" erschienen Kind und Kegel pünktlich am
Tisch. Zur Niedle wurden gern Hüppen (Waffeln) gegessen.
Die Hüppen sind ein altbekanntes Hausgebäck. Wir kennen
Hüppeneisen mit den Jahrzahlen 1564, 1740, 1751 usw. Sie sind
mit Familienwappen, z. B. demjenigen des Abtes Reimann, der
Gyr usw. oder mit feinen Ornamenten ciseliert. Ein altes Rezept
für Rosenhüppen lautet folgendermaßen: Zwen Eywiß zuo Schnee,
.2 Loth Zucker, 6 Loth Kernenmehl mit Rosenwasser verdünnt,
.schnell gebacken und um das Hölzlin gedreht. Der Vorgang ist
folgender: Weicher Teig aus Weizenmehl mit Zucker und Vanillepulver
in einer Schüssel anrühren, glühende Holzkohlen auf
einen Rost legen, die Glut mit dem Blasbalg unterhalten, Hüppeneisen
darauf legen, öffnen, einen Löffel voll Teig darauf gießen,
zudrücken, rasch öffnen, umkehren, flacher Teig mit dünnem
Rundholz wellen und kühlen lassen, Die Hüppen wurden um diese
Zeit von alten Frauen regelmäßig auch als Handelsware her-
.gestellt und hausiert.
Wenn es heißt "jetzt chunt d'Chuechlizyt" so weiß jedes Kind,
·daß entweder die Fastnacht oder die Chilbi gemeint ist. An
beiden Volksfesten herrschen Eieröhrli, im Volksmund "Eier-
1°7
ä
röhrli" genannt und Chuechli, Chrapfe und Bohne. Die stark gebutterten
Teige werden am Vorabend auf einem Brett gerollt,
bezw. geschnitten, bezw. geglieft (gliefen ist der fachtechnische
Ausdruck für Rundrnachen in der halbgeschlossenen Handballe)
und im Ofenrohr bei kleiner Hitze gebacken. Ein ganzes Eieröhrli
auf einmal zu bekommen, war für Kinder ein Ereignis. Hier das
Rezept für die Chilbichuechli: 1 Tasse Rahm, 3' Tassen Milch,
2 Eier, eine Handvoll Salz, alles mit ungefähr 21/2 bis 3 Pfund
Weiß mehl vermengt, bis ein weicher Teig entsteht.
Aus feuerpolizeilichen Gründen wurde 1736 das Kräpflimachen
sommerszeit nachmittags, bei Nacht aber das ganze Jahr verboten.
Nachdem die aus lauter Holzbauten bestehende Waldstatt
fünfmal ganz oder teilweise abbrannte und in 4- Fällen Unvorsichtigkeit
die Brandursache war, kann man die vielseitigen
amtlichen Vorschriften über das Heizen, Kochen, Sechten und
Waschen verstehen.
Die Hausfrauen obliegen dem Chuechlimachen mit großer Sorgfalt,
fast mit Aufregung und lassen sich wie beim Waschen und
Putzen nicht gern stören. Unser Haushalt jargon hat gleich eine
entsprechende Ausdrucksweise gefunden. Wenn jemand die Geduld
anderer unmäßig beansprucht, indem er sich lange "aufwarten"
(bedienen) läßt, sagt man zu ihm wehleidig: "prässier
chli, i -chuechle Dir nümme lang uf". An das Chuechle knüpft
sich auch der Spruch:
Domino,
wärist frouh,
hättist Chuechli überchouh.
Nach der Schneeschmelze, d. h. gegen Ostern ruckt die Zeit
der Frösche und Schnecken heran. Wenn man an regnerischen
Abenden den Wassergräben entlang und um die Tümpel der
Torfmoore Lichter aufleuchten sieht, weiß man, daß die Fröschner
.an der Arbeit sind. Die Froschschenkel werden in Privathäuser
und Wirtschaften verkauft. Man ißt sie gekocht oder gebacken.
Im Volksmunde nennt man die Gebackenen "Frösche i de Hose".
Zu Froschschenkeln werden gedämpfte Kartoffelmöckli aufgetischt.
Die Schnecken werden in der Regel in die Städte .zeliefert,
weil man sie dort _gut bezahlt. Die umständliche Zubereitung hält
manche Hausfrau ab, sie im eigenen Haushalt zu verwenden. Vierzehn
Tage vor Ostern gehen die Gitzihändler in die Haushaltungen
und bieten junge Gitzi zum Kaufe an. Dem Gitzibraten
setzte man früher viel Knoblauch zu.
An Namenstagsfeiern, die hierorts noch Geltung haben, werden
drei Festgebäcke bevorzugt, ja fast privilegiert, nämlich der
Gugelhopf, die Rosindli- und die Mandeltorte. Ein drei bis vierfränkiger
Gugelhopf ergötzt die ganze Tischrunde. So wie unser
108
'Einsiedler "Schilt", den wir später beschreiben werden, das geeignetste
Berufszeichen des Brotbäckers sein könnte, sollte der
Gugelhopf, dieses prächtige Stilgebäck, das allgemeine Berufszeichen
des Pastetenbäckers sein.
Der Gugelhopf war vor 1900 auch der willkommene Leckerbissen
der Erstkommunikanten und der Firmlinge.
Für gute Schulleistungen, fleißige Botendienste und sorgfältiges
Umgehen mit den Kleidern erhielten früher die Kinder als Belohnung
abends nach der Suppe einen "Anke brut ". Das ist "ä
Mocke Huusbrout" mit Butter bestrichen und feinem Zucker
bestreut. Ich kann mir noch lebhaft vorstellen, wie verdrießlich
es war, auf den "Anke brut" verzichten zu müssen oder gar ohne
Suppe ins Bett gewiesen zu werden. Diese Strafe war damals gäng
und gäb. Die Eltern bedienten sich nämlich mit Vorliebe retrograder
Strafmittel, indem sie für gutes Betragen nichts Ungewöhnliches
in Aussicht stellten, sondern für schlechtes Betragen
etwas Gewöhntes entzogen. Wenn vom "Ankebrut" die Rede war,
spielte auch das "Uufgsetzt Brot", in der Schriftsprache "Kopfbrot"
genannt, eine Rolle, Aus dem "uufgsetzte Brout" konnte
man "die gröschte Möcke schnyde". Das Kopfbrot ist unsere
älteste Hausbrotform. Vor dem Einschießen faßt der Bäcker den
zu 3 oder 5 pfündigen Langbrotlaiben gewirkten Teig mit beiden
Händen im obern Drittel an, indem er die Daumenspitzen gegen
die gestreckten Zeigfinger drückt, läßt die Teigmasse einen
Augenblick hängen, damit sie sich zieht, schwingt sie aber rasch
auf den Schüssel und legt den eingedrückten Drittel auf den
mittlern Drittel um. Das Kopfbrot hat die gleiche Eigenschaft wie
das Rundbrot, es bleibt länger frisch als das Langbrot.
Der Samichlaus schenkte uns jeweilen einen großen Teller voll
kleine Lebchueli, Baum- und Haselnüsse. Der Hergang ist (lern
verehrten Leser aus der einschlägigen Schilderung bekannt. Die
Läbchueli werden auch "Tirgel" oder "Tirggeli" genannt. Der
Name Tirgel ist wahrscheinlich von den gemächlichen Handgriffen
abgeleitet. Man sagt zu einer Person, die einen Gegenstand langsam,
fast ängstlich durch die Finger gleiten läßt und ihn drückt
und dreht "tirggle nüd ä so lang", was gleichbedeutend ist wie
"döckle" (schwyzerisch) oder "g'fätterle" (zürcherisch). Beim Läbchuelimachen
wird nämlich der aus Mehl und amerikanischem
Bienenhonig bestehende Teig mit dem Wällholz ausgerollt, mit
den Fingerspitzen auf eingeschnitzte Holzmodelle gedrückt und
dann auf ein Blech umgelegt.
Die religiösen Motive, wie St. Nikolaus, Geburt Christi, Maria
Verkündigung, Erzengel, Pelikan als Symbol der Eucharistie,
Jesulein usw., rechtfertigen die Annahme, daß die Läbchueli
schon im 15, oder sogar im 14. Jahrhundert bekannt waren.
Vielleicht wurden sie anfänglich in Klöstern gemacht. Die Modelle
verraten viel Kunstverständnis. Es gibt neue Modelle, die jenen
alten mehr oder weniger gut nachgemacht sind. Später wurden
auch Tiere, Blumen, Früchte, Spielkarten, Trachten, Krieger,
Wappen, Buchstaben und Zahlen (ausschließlich Antiqua und
altdeutsche Fraktur) auf die Modelle geschnitzt. Sie werden aus
Birn- oder Apfelbaumholz verfertigt. Am begehrtesten sind die
kleinen viereckigen und runden Läbchueli, weil die Mütter für
wenig Geld viele Stücke erhalten und so das Interesse der Kinder
vielseitiger. wecken.
Im Geschenkemachen überbietet das "Christchindäli" den Sami
chlaus" um das Mehrfache. Vor allem müssen die braunen und
weißen gefüllten Lebkuchen, im Volksmund "Läbchuoschybe"
genannt, gepriesen werden. Nach Dr. Linus Birchler werden sie
1550 zum ersten Mal erwähnt. Die Masse der braunen Scheiben
besteht aus Weiß mehl, Honig, Zucker und Gewürz als Hauptbestandteile,
die der weißen aus Weißmehl, Zucker und Eiern.
Die Füllung setzt sich aus Bienenhonig, geriebenen Mandeln, Zucker
und Gewürz zusammen. Das älteste Rezept dürfte das von Regierungsrat
Stefan Steinauer-Benziger "ztlO den drey Hertzen'
sein, dessen Rezeptbuch aus den 1850er Jahren stammt. Es
stützt sich auf alte Ueberlieferungen. Die Lebkuchen werden auf
Holzmodellen hergerichtet. 1894 schenkte mein Vater dem Landesmuseum
16 teils hölzerne, teils aus Ton gebrannte Modelle, die aus
dem 17. Jahrhundert stammen. Die ältesten zeigen religiöse Motive
wie Maria Verkündigung und die Flucht nach Aegypten. Nicht
viel jünger sind die Modelle mit Tier- und Blumenbildern, unter
andern ein sehr schön' gestochener Leu. Heute wird hauptsächlich
das Bild der Klosterfassade verwendet. Die Umrahmung zeigt
Tiere und Blumen.
Beachtenswert sind ferner die braunen und weißen gefüllten
Schlangen. Die flache Masse stellt eine rundgeformte Schlange
dar, die sich in den Schwanz beißt. (Ein uraltes Symbol der
Unsterblichkeit, sagt Dr. Birchler).
Auf Weihnachten machen die Bäcker "Birewegge", Eierzüpf" und
,.,Eierchränz", diese mit einer Rosette auf dem Schluß. Der geflochtene
Eierkranz wird bei uns vom Götti dem Göttikind zum
Gutjahr geschenkt. Das Göttikind weiß also, warum es nicht vergißt,
dem Götti rechtzeitig das "Gutjahr" zu wünschen. Die besten
Birnenweggen werden aus Blätterteig gemacht, der ins Gebäck
hinein gewickelt (Gegensatz umwickelt) wird.
Die soeben geschilderten culinarischen Bräuche finden in der
Herstellung des Wallfahrtsgebäcks eine lukrative Auswirkung.
Typisch sind vor allem die Schafböcke und die braunen und
weißen gefüllten Chräpfli.
Der Schafbock hat die Form eines runden Scheibchens, das einen
Rasenplatz darstellt, auf dessen Mitte ein Schaf ruht, Der billige
110
Teig ist aus Mehl und Chile- oder Havannahonig hergestellt. Die
Schafböcke werden weich gebacken, sodaß nur die Köpfe knusperig
sind. Die Schafbockbäcker verfertigen Stücke von .3 bis 15
cm. Durchmesser. Auf den großen Stücken ruhen zwei Mutterschafe
und zwei Junge übers Kreuz. Die besten Abnehmer sind
die Unterwaldner, die die Schafböcke "Holebänze" nennen (hole"
heilig, Bänze-Schaf), die Ltizerner und Zuger, die sie "Häliböck"
nennen, die Innerschwyzer und Zürcher. Die Schafböcke sind ohne
Zweifel das älteste Wallfahrtsgebäck, dessen Ursprung ins Mittelalter
zurückgreifen kann.
Ueber die religiöse Bedeutung des Schafbockes, die augenfällig
ist, äußert sich Dr. Linus Birchler folgendermaßen."Mit der
Darstellung ist das Agnus Dei gemeint, das Lamm Gottes. Sie
können mit dem römischen Agnus Dei zusammenhängen, aus
dem Wachs der gebrauchten Osterkerzen hergestellte medaillenförmige
Scheiben, die der Papst seit dem neunten Jahrhundert
im ersten und im siebenten folgenden Regierungsjahr weiht. Als
Nachahmung dieses römischen Wallfahrtsbrauches können die
Schafböcke entstanden sein. Sie können aber auch mit dem Osterlamm
zusammenhängen, ähnlich wie man jetzt noch in vielen
Ländern auf Ostern Biscuitschäflein, in Oberitalien Täubchen,
herstellt. "
Altertümliche Wallfahrtsgebäcke sind auch die braunen und
weißen gefüllten Chräpfli, je 6 aneinander, die aus der gleichen
Teigmasse wie die Scheiben hergestellt werden. Der Teig wird
mit den Fingerspitzen in ein stangenförmiges Holz- oder Gipsmodell
gedrückt, auf dem stilisierte Blumen eingeschnitzt sind.
An der Engelweihe des Jahres 1681 wurde der Chräpflihandel sogar
Gegenstand eines hoheitlichen Zwiegesprächs. Eine arme Frau
hatte unten an der Kirchenstiege den Pilgern Chräpfli angeboten.
Weibel Birchler nahm sie ihr weg und trug sie in das Kloster
hinauf, das kraft alter Uebung befugt war, Handelsbewilligungen
zu erteilen und zu entziehen. Der h. Rat von Schwyz verlangte
über die Rechte des Abtes Auskunft und veranlaßte den Weibel,
der armen Frau die Chräpflizu vergüten. Er stützte sich auf seine
Hoheitsrechte, die er auf diesem Gebiete schon 163I praktisch
ausübte, indem er den "Lebkuchenbächlern" erlaubte, an der
Engelweihe Lebkuchen zu backen und feil zu halten. (Nach
einem Manuskript von Kanzleidirektor M. Styger, Schwyz.)
Die Pilger kaufen die Chräpfli. unter dem Namen "Frauechlosterchräpfli",
weil viele glauben, das Nonnenkloster "in der Au"
liefere sie den Pasteten bäckern zum Verkauf. Diese Bezeichnung
wird gern als Aechtheitsbeweis gebraucht. Wenn am Pfingstmontag
die traditionellen Kreuzgänge der Schwyzer und Zürcher
hier weilen, sind gegen den Abend hin die Schafböcke und
Chräpfli in den Läden ausverkauft.
III
Budl
Es eIitspricht einer alten SItte der Zürcher, daß sie ihren
gehörigen dazu einen Strauß "Einsiedlertrollen" (TrolIius Europaeus)
heimkramen, die auf sumpfigen Matten massenhaft gedeihen.
Eigentümlich ist, daß die Schafböcke von den Einsiedlern nicht
gegessen werden. Man findet sie unter keinem Christbaum. Aber
es hat eine Zeit gegeben, da die Einsiedler Kinder, wenn sie
Sonntags einen "Fünfer" bekamen, mit strahlenden Augen in
die Schafbockläden sprangen und sagten "i hett gäre für'ne
Füfr rappig Schoufböck oder rappigi Läbchüeli, aber ä chli viel."
Das Heimelige liegt darin, daß die Kinder bei diesen billigen
Kleinkäufen noch extra betonten "aber ä chli viel", weil sie
wußten, daß der Bäcker bereitwillig ein Stück "drüber ine" geben
werde. Die rappigen Schafböcke und die rappigen Läbchueli
waren infolge ihrer Billigkeit und Eignung zum "bäzge" (andauernd
gierig beißen und kauen) eine gute Leistung unserer
Schafbock bäcker, die dauernd der Vergangenheit angehören wird.
Von unsern Brotsorten schätzen die Pilger den sog. "Schilt",
von den Zürchern "Stern" genannt, sozusagen als Einsiedler
Spezialität. Er besteht aus vier oval geglieften Stücken, die so
zusammengesetzt sind, daß eine Kreuz- bezw. Schildform entsteht.
Er ist aus Weißmehl, früher "Simmel" oder "Semmel" genannt,
hergestellt. Der Schilt darf füglich als typisches Verkehrs brot
bezeichnet werden. Seine Qualität entspricht dem Zug nach ganz.
weißem Brot, er ist praktisch zum teilen und besitzt eine originelle
Form.
Wir haben im Abschnitt 4 über den von den Nachtbuben begehrten
"Rosoli" geschrieben. Rosoli ist indes über Weihnachten,
Neujahr und ,,3 Königen" ein eigentlicher Haustrunk. Es ist
riicht das gleiche, ob eine Jungfer im Laden auch nur "äs Budeli-
Schnaps" oder sogar "ä ganzi Guttere Rosoli" kauft. Wenn sie
Schnaps kauft, bringt sie ihren Wunsch kleinlaut, fast schamhaft
vor, indem sie unter Weglassung des Prädikates zum Krämer
sagt "I hätt gäre ä Budl vom billige (oder ä vom bessere)".
Der Verkäufer ist Psychologe. Er weiß, was die Jungfer meint.
Kauft sie aber Rosoli, dann sagt sie es munter heraus und bemerkt
dazu "mir wend hinicht ä chly ufsy". Der Rosoli enthält folgende
Substanzen: Obstbranntwein, darin entweder aufgelösten schwarzen
Candis oder aufgelösten gebrannten Sackzucker, den Saft
gedörrter schwarzer Kirschen, Zimmtstengel getränkt und event.
einen Gutsch (Guß) Nußwasseressenz. Man behauptet, Rosoli sei
akurat diejenige Mixtur, die dem mit festtäglichen Leckerbissen
beladenen Magen wohltue und eine angenehme Bettschwere erzeuge.
Der mederne Bruder des Rosolis heißt "Meginrat", ein feiner
Likör, der das herrschaftliche Buffet ziert und die festtägliche
II2
1
:
Mahlzeit krönt. Unterlassen wir schließlich nicht, den trinkhaften
Einsiedler-Balsam zu erwähnen, der als pharmazeutisches Präparat
gegen allerlei Schmerzen und Malästen empfohlen und in
verschiedenen Marken lebhaft gehandelt wird. Sein Name greift
als "Einsiedler Tropfen" in die Sechzigerjahre zurück. Damals
erwarb ein hiesiger Bürger ein um 1850 aus Freiburg hieher gebrachtes.
Rezept zu Eigentum ..
. 53. Beileidsbezeug'\1ng und Beerdigung. Wenn jemand
stirbt; zeigt es die Grabbeterin von Haus zu Haus an. Sie teilt
zugleich mit, an welchem Morgen die Todesangstchristimesse
und die Beerdigung stattfindet und an wie manchem Sonntag
Nachmittag gebetet wird. Man nennt das "Umsagen". Zum Beten
besammelt man sich nachmittags I Uhr beim "Großen Herrgott"
und geht langsam auf den Kirchhof. Der oder die Verstorbene
wird in einem Zimmer des Wohnhauses entweder im Bett oder
im Sarg mit auf der Brust gefalteten Händen aufgebahrt. Dem
Toten wird ein Sterbkreuzlein auf die Brust in den Sarg mitgegeben.
Ueber Leiche und Sarg legt man einen großen, weißen
Gaceschleier.Vier Wochen lang läßt man das Nachtlichtlein zum
Heil seiner Seele brennen, in der Regel in seinem Sterbzimmer.
Den Sarg stellt man zwischen Kränze und Blumen, die von Verwandten
und Bekannten gewidmet werden. Statt Blumen werden
jetzt häufig sogenannte geistige Blumenspenden (Gutscheine für
heilige Messen oder Wohltätigkeitszwecke) überbracht. Auf einem
Tischehen steht das Kruzifix oder eine Marienstatue, davor das
Weihwassergefäß, darin ein Zephir- oder Weidenzweig. Die Verwandten
gehen in der Regel am Tage nach Erhalt der Anzeige
ins Haus und kondolieren. Sie verrichten ein kurzes Gebet vor
der Bahre und trösten die Hinterlassenen. Auch die Vereine,
denen der Verstorbene angehörte, lassen durch Präsident und
Kassier im Hause kondolieren. Die Kondolierenden kleiden sich
schwarz. Die Vereine übeneichen einen Kranz, wenn sich der
Verstorbene um den Verein große Verdienste erworben hatte. Am
Vorabend der Beerdigung wird der Tote eingebaumt. Wenn
jemand außerhalb der Wohnung stirbt, sei es im Krankenhaus, sei
es auf der Reise und wenn die, Leiche alsdann zum Aufbahren ins
Wohnhaus zurückgebracht wird, gehen die Nachbarn ins Haus
und beten am Sarg fünf .Vaterunser.
Der Sarg für Kinder ist weiß gestrichen, der für Erwachsene
schwarz oder braun. Auf dem Sargdeckel ist ein Kreuz gemalt.
Das Kreuzlein, das von einem Buben dem Leichenzug vorangetragen
wird, ist für Erwachsene schwarz, für Ledige und Kinder
,weiß. Die Crepeschleife ist nur für Kinder und junge Jungfrauen
und junge Jünglinge 'weiß, für alle andern Personen schwarz.
Eine halbe Stunde vor der Beerdigung wird der Sarg vor das
L
113
Sterbehaus verbracht, damit die· Teilnehmer das Weihwasser
sprengen können. Im Leichenzug werden kleine Kinder von einem
Manne mit dem Sarg getragen. Erwachsene nimmt der Leichenwagen
auf. Der Zug bewegt sich in strenger Ordnung. Einmal
wird der sogenannte Kirchenweg benutzt, der nach dem Grundsatze
gewählt ist, daß mit einer Leiche nie in rückwärtiger
Richtung, d. h. gegen das Sterbehaus gefahren wird. Damit ist
der Verzicht auf alles Gewesene angedeutet. Hinter dem Leichenwagen
gehen der Vorbeter und ein Fahnenträger, neben dem
Leichenwagen zwei Laternenträger. Vorbeter und Fahnenträger
sind in lange schwarze offene Mäntel gehüllt. Die Laternenträger
bekleiden sich mit dem schwarzen Kragenmantel, der weiß eingefaßt
ist. Nachher kommt ein Bube mit dem Herz-Jesu-Fähnlein.
An der Spitze der Männer gehen drei Erwachsene mit den sog.
Stäben des Marianischen Rates, insofern der Verstorbene dieser
Bruderschaft angehörte. Die Stäbe bestehen aus weißen Wachskerzen
mit einer Bildfassung (Marienbild). Die Stabträger werden
von der Bruderschaftsversammlung, die jeweilen um Ostern herum
stattfindet, für ein Jahr gewählt. Ihre Stellvertreter lösen sie
nach Jahresfrist ab. An der Spitze der Frauen, die sich den
Männern anschließen, gehen 3 Frauen mit Marienstatuen in den gekreuzten
Händen. War der od. die Verstorbene ledig, werden die
Statuen von Jungfrauen getragen. Falls der od. die Verstorbene
noch andern Bruderschaften angehörte, werden die entsprechenden
Fähnlein im Zuge ebenfalls mitgetragen, eines vorn zwischen
der offenen Einerkolonne der Männer, eines .vorn zwischen der
offenen Einerkolonne , der Frauen und eines gegen den Schluß
des Leichenzuges hin. Vor dem Friedhof angekommen, schließen
alle Fahnenträger an die Spitze auf. Die Buben, die Bruderschaftsfähnlein
tragen, sind mit schwarzen Kragenkutten und weißen
Chorhemden bekleidet.
Ueber die Zugsordnung ist noch Folgendes zu sagen: Die Grabbeterin
bestellt beim Wachsfabrikanten rechtzeitig 4 große, in einen
Handgriff zusammengestellte, weiße Wachskerzen, ebenfalls Stäbe
genannt, die extra angefertigt werden und übergibt sie vor dem
Leichenhause der Kerzenträgerin, Als Kerzenträgerin kommt nur
eine Frau bezw. Jungfrau in Betracht, die rechts, d. h. Richtung
Kirche vom Sterbehaus gesehen, wohnt. Ist dies jedoch nicht
möglich, soll auf keinen Fall eine Frau angegangen werden, die
in rückwärtiger Richtung wohnt. Die Kerzenträgerin läuft an der
Spitze der rechten Einerkolonne der Frauen. An der Spitze der
rechten Männerkolonne geht der Taufpate, an der Spitze der
linken Männerkolonne der Firmpate des Verstorbenen. Das gleiche
gilt für die Tauf- und Firmpatinnen in den beiden Kolonnen der
Frauen. Wenn zwei Leichen am gleichen Morgen beerdigt werden,
sollen die Verwandten der erstgestorbenen Person in der rechten
114
Kolonne gehen, die der andern Leiche in der linken Kolonne.
Bevor diese Zugsordnung aufkam, mußten sich die Verwandten
der zweitgestorbenen Person als eigene Zugsordnung hinter der
Zugsordnung der erstgestorbenen bilden. Hinter den Verwandten
schwenken die andern Teilnehmer von rechts und von links
zwanglos ein. Die meisten erwarten den Leichenzug vor ihren
Häusern am Kirchenweg. Sobald die Spitze des Leichenzuges
vom nördlichen. Kirchturm aus auf dem Hauptplatze gesichtet
wird, läutet der Sigrist mit 2 mittelgroßen Glocken, die den Toten
begleiten, bis der Leichenwagen in die Bruelstraße eingemündet
ist. Dann begrüßen 2 schrille Glöcklein den Toten vom Kirchhoftürmchen
her. Ein aufmerksamer Sänger, der schon lange im
Grabe liegt, hat ihre Töne zutreffend in die heimatliche Mundart
umgesetzt "Gält chunst au, gält chunst au, gält chunst an .... "
Auf der Höhe der Kirche erscheint der Ortspfarrer in Stola,
Barett und Chorhemd, ihm zur Seite zwei Buben mit Weihrauchgefäßen.
Der Ortspfarrer segnet die Leiche ein und begibt sich
hinter dem Fahnenträger in die Zugsordnung. Vom Sterbehaus
bis zur Einsegnung wird von den Teilnehmern das Ave Maria
gebetet. Während der Gebetseinlage "Der Dich in den Himmel
.aufgenommen hat" entblößen die Männer das Haupt. Nach dem
Einsegnen wird bis zum Kirchhof das Vaterunser gebetet.
An der Beerdigung nehmen auch die Mitglieder desjenigen Vereins
mit der Fahne teil, dem der Verstorbene angehörte Alle
Vereine marschieren an der Spitze des Zuges vor dem Totenwagen.
Auf dem Friedhofe schwenkt und senkt der Fähnrich
nach dem allgemeinen Gebet die Fahne über das Grab. Ansprachen,
d. h. Rückrufe werden nur in außerordentlichen Fällen
gehalten, z. B. beim Begraben eines Offiziers von hohem Rang,
d. h. da wo offizielle militärische Funktionen angeordnet sind.
Nach der Beerdigung gehen die Teilnehmer in die Kirche, wo
die Begräbnismesse gelesen wird. Nach der Kommunion begehen
sich die Kirchgänger in Einerkolonne zum Opferstock, Männer
und Frauen getrennt, und legen an zwei Stellen eine Kupfer- oder
Nickelmünze in einen Teller und kehren dann an ihren Platz
zurück. Wenn das kleine Opfer mit einer guten Meinung verbunden
ist, muß man die Uebung schätzen. Sie hat aber bisweilen
formellen Charakter. Man will den Verwandten, die vorn
stehen, zeigen, daß man auch da ist. Es sind vermutlich kleine
geschäftliche Erwägungen damit verbunden. Es konnte deshalb
vorkommen, daß, wenn zufällig Kleingeld im Geldsäckel fehlte,
man nur "tüpfen" ging. Ordentlicherweise opferte man einen
Räppler oder Zweiräppler. Wenn an ein und demselben Sonntag
eine Begräbnismesse (Totenmesse), der Siebente, der Dreißigste
und eine Jahrzeit stattfinden, gehen beim Opfern immer die Leidleute
der letztverstorbenen Person voran.
Wohlhabende Familien laden die auswärts ersohienen Bekannten
zu einem Totenmahl ein, an dem in der Regel ein Verwandter des
Verstorbenen für die Beileidsbezeugungen dankt. Die Danksagung
wird regelmäßig in einem Inserat der Ortsblätter abgestattet. Im
Inserat werden alle Personen, Instanzen und Vereine, der Ortsgeistliche
an der Spitze, namentlich erwähnt. 'Fast jedem Verstorbenen
wird in der Ortspresse ein Nachruf gewidmet.
Bis um 1860 war es Brauch, die Mitglieder der "Liebfrauenbruderschaft"
durch Ausrufen zur Teilnahme an der Beerdigung
eines Mitgliedes einzuladen. Dieser Ausruf wurde um 1875 auf
besendem Wunsch einer Frau Steiner-Benziger nochmals wiederholt.
Seither ist er erloschen. Der letzte Ausrufer war des sog_
Chappemachers Bub, Lehrer Schönbächler (in Schwyz gestorben).
Der Ausruf lautete folgendermaßen:
~ J J J J J l JJ@t?==E9R=
Sö-Täd mo - re mor-ged z'Chi-le.eho, für d'Jumpfer Cha-ri-
I~ ~ J. J J J J§I
do -se Bireh - ler sä - Hg, Sö - läd d'Cher-ze mit näh,
I~ J J J JgJ
Weras
i ü - se - re Lieb-frau-e-Bruederschaftim Rout iseht.
Noten von Alois Weidmann
Auf das hin erschienen am Morgen die Mitglieder der "Liebfrallenbruderschaft"
vor dem Trauerhause mit einer brennenden Kerze
in der Hand, um an der Beerdigung teilzunehmen. Die Abschaffung
erfolgte aus praktischen Erwägungen: Das Kerzenlicht
löschte im Winde aus, die Trägerinnen verunreinigten die
Kleider mit Kerzentropfen, Trauerflore entzündeten sich usw.
Vermutlich wurde alsdann der dreifache Bruderschaftsstab als
Ersatz für das allgemeine Kerzentragen eingeführt.
Für die verstorbene Person werden in der Regel der Siebente,
der Dreißigste und das Jahrzeitamt gehalten. Zeit und Ort sagt
die Umsagerin an. Auf Allerheiligen und Allerseelen werden die
Gräber mit grünen Kränzen und Blumen geschmückt. Man verwendet
bisweilen auch Kränze aus Draht- und Perlengeflecht.
Man stellt ein Weihwasserbecken aufs Grab und legt einen
Buchszweig darein. In den Morgen- und Nachmittagsstunden be-
116
I, _
suchen die nächsten Familienangehörigen, schwarz gekleidet, die
Gräber und beten dort einige Vaterunser und Ave Maria.
Mit der Pflege des Friedhofs befaßt sich ein Verein, der auch
die Begräbnisordnung überwacht. Die Grablegung erfolgt in der
Reihe des Sterbtages. Die Erwachsenen werden in die großen,
die Kinder in die kleinen Rabatten (Felder) gelegt, Nach Ablauf
der Grabesruhe der Leichen dürfen die Grabsteine an die Umfassungsmauer
gestellt werden. Wenn dies 3 Monate nach Ablauf
nicht geschehen ist, sind die Grabsteine Eigentum des Vereins,
Familiengräber außer der Reihenfolge des Sterbtages gibt es
nicht, Hingegen sind 5 Familiengedenksteine vorhanden (Bodenmüller
und Oechslin, Kälin, Gyr, Birchler, Steinauer), die in die
westliche Mauer des ältesten Friedhof teiles überhöht eingebaut
sind, Die der Bodenmüller., Gyr und Birchler stammen von Bildhauer
Bodenmüller (I795-I836), von dem wahrscheinlich die
Anregung ausgegangen war, Sie tragen die Namen verstorbener
Vertreter einer Linie des betreffenden Stammes. Da diese Gedenksteine
der Friedhofordnung nicht widersprechen, den Friedhof
aber zieren und dem einheimischen Kunstgewerbe Schaffens-
-gelegenheit geben, darf die Anlage neuer Gedenksteine an den
neuern Umfassungsmauern durch Stiftung im Sinne der bestehenden
nur begrüßt werden, Jedermann kann ein bezügliches Gesuch
stellen. Somit hat die Anlage nie den Charakter eines Privilegs
für einzelne Familien gehabt.
Im Laufe der Zeit sind einige Bräuche teils erloschen, teils abgeändert
worden. Beispiele: 1868 fand die Beerdigung nach der
Vesper statt. Vielseitige Unterbrüche der Arbeitszeit am Werktag
veranlaßten die Verlegung auf den frühen Morgen. Bis um 1870
mußten die Männer der nächsten Verwandtschaft des Verstorbenen
im schwarzen Mantel, die Frauen im schwarzen Shawl erscheinen.
Nach dem Beten in der Schulhauskapelle hielt immer ein Mitglied
.aus der Familie des Verstorbenen eine Ansprache, indem er für
das Gebet dankte und den Toten der Erinnerung der Lebenden
empfahl. Dieser Brauch zeigte Unzukömmlichkeiten, da nicht
immer jede Familie über ein männliches Mitglied verfügte, das
zum Sprechen aufgelegt oder geeignet war. Die letzte Ansprache
wurde anläßlich der Beerdigung des alten Frank Kälin gehalten.
Am Grabe widmete der Ortspfarrer dem Toten einen Nachruf.
Dieser Brauch ist seit 1893 erloschen, weil der Ortspfarrer aus
erklärlichen Gründen nicht immer nur das Rühmlichste erwähnen
konnte, sodaß die Hinterlassenen nicht jedes Mal befriedigt waren.
Während der Totengräber in Gegenwart des Pfarrers das Grab
zudeckte, den Grabhügel erstellte und das Kreuz aufpflanzte,
beteten die Leidleute in der St. Benediktskapelle und begaben sich
erst nachher zum Grab, um es mit Weihwasser zu besprengen.
Die Handhabung der Friedhofordnung oblag bis ungefähr 1870
117
dem Bettelvogt. An Allerheiligen wurde bis 1865 für die Verschönerung
des Friedhofs an der Kirchhof türe ein Opfer aufgenommen,
das manchmal einen guten Erfolg hatte.
Als man um 1859 die Abtragung und Verlegung der alten' Beinhauskirche
auf der Nordseite des Klosters vollzog, wurden die
Rechtsamen und Pflichten auf das neue Beinhaus auf der Ostseite
der St. Benediktkapelle auf dem Friedhof übertragen. Die
Aufbewahrung der ausgegrabenen Totenschädel erfolgte von nun
an daselbst. An beiden Wänden neben dem Altärchen waren Gestelle
mit' Fächern angebracht. Jedes Fach enthielt einen Schädel
mit Familien- und Vorname, Geburts- und Sterbejahr des Toten.
In den Fächern lagen noch Totenschädel aus den Jahren vor
1800. Beim Altärchen lag eine Schublade, in die Besucher des
Beinhauses einen Zettel legten, als Ausweis, daß sie für die
Toten 3 Vater Unser gebetet haben. Um 1895 öffnete der Totengräber
auftragsgemäß vor dem Beinhaus ein Grab, legte alle
Schädel in guter Ordnung hinein, worauf der Ortspfarrer das Grab
einsegnete. Später sollen auch an der südwestlichen Ecke des
neuen, leicht ansteigenden Friedhof teiles nochmals Schädel vergraben
worden sein.
(Literatur über den Friedhof in Odilo's "Stiftsgeschichte", "Wallfahrtsgeschichte"
und in "Die Begräbnisstätten", in Dr. Birchler's
_,Kunstdenkmäler" in Gyr's Beilage der N. E. Z.)
54. Fe c k erb r ä u c h e. Die Feckerbräuche hier zu schildern,
wäre insoweit angezeigt, als zahlreiche Fecker, hauptsächlich
Männer, anläßlich der kantonalen Zuteilung im Jahre 1841 in
der Gemeinde Einsiedeln eingebürgert wurden und noch insoweit,
.als in unserer Gegend einige Familien, wie kaum anderswo,
nomadenhaft leben. Allerdings ist es nicht leicht, originelle
Bräuche zu ermitteln, weil die älteren Männer, die Bräucrie
pflegen, gegen Wißbegierige anderer Stände verschlossen sind.
Man müßte es begrüßen, wenn gelegentlich ein junger Akademiker
die Feckerfrage im allgemeinen zum Gegenstand einer
Dissertation wählen würde. Besonders wichtig ist die sozial-wirrschaftliehe
Seite. Warum? Die Zahl der Familien ist im Wachsen
begriffen; die verursachten Waisen- und Armenlasten nehmen
jährlich zu usw. Zur Illustration des Feckerbewußtseins über ihr
Stärkeverhältnis sei hier an ein Zitat erinnert: Ein alter Vertreter
dieses Standes sagte vor etwa 2 Jahrzehnten zum Bezirksammann
und Armenverwalter Konrad Oechslin: "Warrted nurr,
bis mirr üchs drr Landamme stelled!"
55· Kar t e n s pie I e. Bis gegen Ende des letzten Jahrhunderts
erfreuten sich wechselweise zahlreiche originelle 'Kartenspiele
großer Beliebtheit. Wir zählen sie hier auf, ohne die Spielregeln
zu besprechen.
II8
Kaisern, Bandure, Träntne, Flüßle, Mariarsche, Betne, Bänkle,
Tschiriginggäle, Bettler uusm Land jage, Scharjaß, Chöpferölli,
Ramse, Bölliramse, Fischentaler, Hopse, Schmaus, Gspa, sowie
die verschiedeneri Jaß arten als Handjaß, Kreuzjaß, Schieber,
Hindersijaß, Differenz, Schlunguus, Räuber, Bolschewiki, Schaffhauser,
Zuger, Büter, Aucho. Viele werden jetzt noch regelmäßig
gespielt. .
Früher ging es in der Regel um eine Niedel oder um 2 Schilling.
Jetzt spielt man um den schwarzen Kaffee oder um Wein oder
um 50 Rp. pro Tour. Das Spielen um größere Beträge ist verboten.
Diese Verbote greifen weit zurück. Am 5. Oktober 1586
ließ der Rat von Einsiedeln in der Kirche durch einen Ruf verkünden,
daß niemand weder tags noch nachts spielen dürfe.
Finde man aber einen ungehorsam, werde man ihn strafen, "das
er wellte, das ers erspart hette."
Sonntag vor Lichtmeß 1588 erkennt der Rat neuerdings auf einen
Ruf in der Kirche, daß Spielen bei 5 Gulderi Buße verboten sei.
Ebenfalls Sonntag vor Lichtmeß des folgenden Jahres wird erkennt:
Die um einen Batzen oder fünf Schillinge gespielt, werden
mit einer Krone, die um einen Angster gespielt, werden mit einem
Gulden und die um Niedel gespielt, mit fünf Batzen gebüßt.
Am 2. Mai 1779 verordnete die Landsgemeinde, daß vom Aschermittwoch
bis zum hl. Kreuzestag im Herbstmonat alles Tanzen
und Kartenspielen im ganzen Lande verboten sein solle.
Hier werden immer noch fast ausschließlich die einfachen deutschen
Jaßkarten gebraucht. Seit einigen Jahren haben sich auch
die Karten mit den doppelten Figuren Eingang verschafft. Von
den zeichnerischen Neuschöpfungen will man nichts wissen. Bis
um I890 herum war das Spielgebot "Hier gilt Stöck, Wys, Stich"
in den Wirtschaften angeschlagen, als Hinweis und Warnung an'
Fremde, sich den örtlichen Spielregeln zu unterziehen.
Die eingefleischten Liebhaber des Kartenspiels sehnen sich nach
dem Preisjasset, der ordentlicherweise um ,,3 Königen" in einem
Wirtshause stattfindet. Der Gastwirt beschafft und bezahlt die
Rangpreise. Er bezieht dafür die Eintrittstaxe und den Konsumationsgewinn.
Man spielt nach der Wettbewerbsordnung, die
den Teilnehmern vorausgehend verlesen wird. Als Jaßart wird der
Kreuzjaß gewählt, doch gelten nicht alle Weisungen. Der Matsch
.wird nur mit 157 Punkten angerechnet. Jedem Teilnehmer werden
die von seiner Partei erzielten Punkte gutgeschrieben. Nach dem
ersten Spiel wechseln die Teilnehmer. Die Höchstpunktzahl aus
allen Parteien berechtigt zum Bezug des ersten Preises.
56. Na c h t w ä c h te r ruf. Es gibt wenig alte Bräuche, mit denen
die "gute alte Zeit" häufiger so heimelig wachgerufen wird, als
mit der Erinnerung an den Stundenruf des Nachtwächters. Das
II9
mag hauptsächlich daherrühren, daß der Nachtwächter keine
lokale, sondern eine allgemein bekannte Amtsperson war. In Einsiedeln
ist der Nachtwächterruf in den 1870er Jahren, ausgeklungen.
Der primitive Vers lautete folgendermaßen:
~!J ħJ!B!J JJ~
Lo-sed was wil sä -ge: D'Glogge hät zwöl-fi g'schlage,
I@JJ J ~~~! Jg~~~~~'~!
Zwöl- fi g'schlage. Lo-sed was wil sä -ge: D'Glogge
hät Zwölf Uhr g'schlage, Zwölf Uhr ge -schIa -go - go.
Unser Waldstattdichter Meinrad Lienert, der alles sah und hörte,
was das Volkstum birgt, hat uns den Sang überliefert.
Der Nachtwächter lebt hier fort. Er obliegt dem nächtlichen
Ordnungs-, Feuer- und Einbruch-Sicherheitsdienst nach Reglement.
Ein gewisses Maß von Originalität bleibt mit ihm verknüpft, aber
er hat, namentlich bei den Nachtbuben, Sympathien verloren,
eben weil er polizeiliche Maßregeln treffen muß, trotzdem die
Hellebarde seines Amtsvorgängers längst im' Schmollwinkel steht.
Bis um ca. 1915 mußten die 4 Nachtwächter auf ihren Patrouillengängen
eine Anzahl Kontrolluhren aufziehen, die in den engen
Gäßchen an Häuser- oder Stallwänden angebracht waren.
57. Stubenfuchs und Silvester. Am Silvestermorgen
macht sich in vielen Familien, namentlich im Kreise der Jugend,
eine zwangsweise verhaltene Hast bemerkbar, deren Ursache nicht
jedermann sofort erkennt. Am Vorabend nämlich, wenn die Betglocke
die Kinder gemahnt, die Gasse zu verlassen und nach
Hause zugehen, flüstern sie sich gegenseitig in die Ohren, sie
wollen am Morgen sehen, wer Stubenfuchs und wer Silvester sein
werde. Es solle ja keines weder den Vater, noch die Mutter aufmerksam
machen. Sie erinnern sich genau, wer es im Vorjahr
gewesen, der Vater oder die Mutter oder der älteste Bub, der
Tönel oder die Kleinste, der Antsch (Anna). Stubenfuchs wird genannt,
wer am Silvestermorgen am frühesten aufsteht und Silvester,
wer am längsten in den Federn liegt. Der Stubenfuchs gilt dann
120
tagsüber als der Zuverlässige, Ueberlegene. Die Kleinen schauen
zu ihm herauf, fast wie zu einem Helden, der alle Streiche des
langen Jahres soeben mit einem gelungenen Schlag kompensiert
hat. Der Silvester hingegen wird mit Wohlbehagen launig geneckt.
Besonders wenn der Vater beim Morgengruß als Silvester
angeredet werden kann, öffnet sich die Schleuse kindlicher Schadenfreude.
Der Vater, auf dessen Schulter das Schicksal der
Familie normalerweise in erster Linie ruht, läßt in diesem Bewußtsein
den Schabernack willig über sich ergehen. Er weiß, da
er das Gesicht des Jahres überblickt, daß, wer ihm den Silvester
vorhält, ihn sicher auch liebt. Darum lacht er auf den Stockzähnen
und sagt: "Spottet nur, ich kann mir den Silvester leisten,
ihr unerfahrenen Geschöpfe". Wohl dem "Silvester", der am
abgelaufenen Jahre die Rolle 'des Haushaltungsvorstandes gut
gespielt hat! .
* * *
Die Originalität vieler Volksbräuche ist unbestritten. In 50 und
mehr Jahren wird man das erst recht bestätigen. Aus diesem
Grunde habe ich bei Zeiten geschildert, so man noch vieles mit
eigenen Augen sieht und mit eigenen Ohren hört. Zuverlässige
Rekonstruktionen wären später nicht mehr leicht zu machen.
Einzelne Bräuche haben im Kanton Schwyz bisweilen Unfug als
Begleiterscheinung mitgebracht, weshalb der Kantonsrat gelegentlich
mit Verordnungen dazwischenkam, so in den Jahren 18;1,
1867 und 1884. In der "Verordnung über das Tanzen, Maskengehen
und ähnliche Belustigungen vom 9. Januar 1884" heißt
es im § 14: "Das sogenannte Klausjagen, das Reifeln, das Treichlen
und Hornen, das Fastnachtvergraben und ähnliche Lustbarkeiten
am Aschermittwoch, das sittenlose nächtliche Lärmen,
Charivari und ähnliche ruhestörende Unfuge sind verboten", und
im § 15: "Das Herumziehen von Spielleuten oder Tambouren
und das Aufspielen vor den Häusern an den Kirchweihsonntagen
und am Neujahrstag ist untersagt".
Man versteht und schätzt es, daß die Behörden Unfug verhindern,
wenn sie im Amtseifer nur nicht alles schwarz sehen und infolgedessen
das Kind gleich mit dem Bad ausschütten .:Also, ganz all-
.gemein gesprochen, nicht zu oft das Böse verneinen, sondern öfter
das Gute bejahen. Ich wollte, es hieße bald, das sei unser typische
Ratsherrenbrauch des 20. Jahrhunderts.
121
ANHANG
I, Vorschläge.
FolgendeVolksbräuche können wiedereingeführt
werden:
Neujahrssingen z. B. durch die Trachtengruppe.
Pagatbegraben durch die Fastnachtgesellschaft "Goldmäuder".
Betruf (Alpsegen) durch den Bauernverein.
Herumführen des Osterochsen durch die Metzgermeister.
Armbrustschießen durch die Schützenvereine.
Pfingstenschellen und -Cugger durch die Hafnermeister.
Prozessionsgrenadiere durch den Bezirksrat.
Agathafeier der Feuerwehr durch die Feuerwehrkommission.
Hausinschriften und Haussegen durch das Pfarramt.
F 0 1gen d e V 0 1k s b r ä u ehe k ö n n e n 0 r i gin elle r CI.u s g e-
staltet werden:
Süühudilaufen durch die Fastnachtsgesellschaft.
Brotauswerfen durch die Fastnachtsgesellschaft.
Tanzschenker durch die Wirte.
Gäuerle durch die Trachtengruppe.
Klausenlaufen durch die Schulbehörde.
Palmentragen durch die Schulbehörde.
Aufzug der Sennengesellschaft durch den Bauernverein.
Zunftbräuche durch das Generalbot.
Taufete durch das Pfarramt.
Chrähhahne durch die Zimmermeister.
Ausrufer durch den Bezirksrat.
Häuserschmuck
zirksrat.
an der Fronleichnamsprozession durch den Be-
Rekrutenaushebung durch die militärischen Vereine.
Man wolle sich merken, daß diese und jene behördliche, vaterländische
und gesellschaftliche Instanz in der Lage wäre, im
Sinne der soeben gemachten Vorschläge die ideale Seite ihrer
Tätigkeit zu bereichern. Sie würde einerseits ihrem Ansehen
nützen, anderseits die pure Rang- und Preisjägerei der sportlichen
Veranstaltungen, die bedenklich wuchert, vor der öffentlichen
Meinung ein wenig abkühlen.
122
2. Origtnalitäten aus dem Erwerbsleben.
Senntenbauer und Welschlandfahrer, Dolmetsch y
Re ist e r, F 1ö ß er, Loh n k u t·sc her und Pos ti 110 n.
Obwohl man nicht behaupten kann, die in der Ueberschrift bezeichneten
Erwerbszweige hätten sich je durch interessante Merkmale
ausgezeichnet, die anderorts nicht auch heimisch gewesen
sind, soll dennoch die einstige ortsübliche Dienstordnung (Usanz)
der Nachwelt überliefert werden. Ihre Kenntnis ginge sonst nach
und nach verloren.
1. Senntenbauer und Welschlandfahrer.
Die großen Bestände an Wies-, Weid- und Streueland verraten,
daß unsere Bauern hauptsächlich' vom Ertrag der Viehzucht
(Schwyzer Braunvieh) leben. Sie ziehen sowohl Nutz- als auch
Rassenvieh auf. Die Schönheitszucht beschäftigt jeden, der es
einigermaßen vermag, Stiere und Kühe aus guten Stämmen zu
kaufen und den Nachwuchs zu veredeln. Der Vorsprung einer
Gemeinde gegenüber der andern hängt immer davon ab, ob im
betreffenden Umkreis ein reicher Senntenbauer wohnt, der das
Vermögen für sein Ideal' einsetzt. Das ist allerdings schon manchem
zum Verhängnis geworden. Die Führung durch ein oder
mehrere Vermögliche, die zugleich Sachverständige sind, kann
vom Standpunkte der öffentlichen Interessen nicht genug geschätzt
werden. Bis um die Mitte des letzten Jahrhunderts war
das Sihltal Sitz mehrerer Sennten bauern. Die Heimat des Senntenbauers
ist allerdings das alte Land Schwyz. Im Herbst verstärken
die Senntenbauern ihre eigenen Sennten durch Zukäufe im Tal
herum und auf den Alpen, um sie alsdann in 6-7 Tagestouren
über den Gotthard nach Italien an den Handel zu führen. In Italien
war hauptsächlich das Nutzvieh begehrt. Kamen die italienischen
Händler und Dolmetscher von der Südseite des Gotthards her
den Senntenbauern entgegen, dann wußten diese, daß ein guter
Stern über der Welschlandfahrt leuchtete. Es war das Zeichen,
daß im Süden Nachfrage herrschte. Die Käufe kamen schon
unterwegs zustande. Mit dem unverkauften Vieh fuhren die
Senntenbauern weiter südlich bis auf den Großmarkt von Giubiasco,
wo das für den Süden bestimmte Vieh aus den Kantonen
Schwyz, Glarus und Graubünden vereinigt wurde. Es waren dort
manchmal um die 3000 Stück beisammen. Was auf dem Markt
nicht verkauft werden konnte, wurde an die italienische Grenze
geführt und mit der Bahn nach Cassarate und Mortorabei Mailand
verladen. Dort sonderten die Senntenbauern ihre Bestände in
Qualitätsgruppen ab und schätzten sie. Dann trafen die italienischen
Grcßgrundbesitzer zur Viehschau ein. War es schon an
12]
und für sich ein schlimmes Zeichen, das Vieh nicht auf der
Gotthardstraße oder wenigstens in Giubiasco verkaufen zu können,
so noch mehr, das Vieh nach Cassarate bis Mailand führen zu
müssen. Dort waren die Senntenbauern vollständig der Kaufunlust
der Großgrundbesitzer ausgeliefert. Sie mußten das Vieh manchmal
wochenlang stallen und hirten, um es schließlich um jeden
Preis abzusetzen. Es ist Tatsache, daß das Welschlandfahren viel
Geld ins Land brachte. Mancher Senntenbauer kam mit gefülltem
Geldranzen aus dem Süden heim. Andere verloren aber ihr ganzes
Vermögen und verlumpten. Die Poesie des Senntenbauertums
gehört, wenigstens im Sihltal, der Vergangenheit an. Uebrigens
waren schon früher die Mehrzahl der Heimwesen kleinbäuerliche
Betriebe mit 3-5 Kuhesset. Größere Heimwesen liegen fast ausschließlich
in der Randzone des Seegebietes. Die Sihltalbauern
müssen heute das Vieh nicht mehr über den Gotthard führen. Sie
befahren die großen Einsiedler Märkte (Verena-, Gallus-, Martinsund
Chlausenmarkt). Die italienischen Großgrundbesitzer kommen
ihnen mit der Bahn bis dahin entgegen. Auf den Einsiedler
Märkten geben sich auch die Landwirte aus den Kantonen Zürich,
Zug, Luzern und St. Galllen Stelldichein. Der Handel mit Nutzvieh
läßt sich dort meistens gut an. Das Rassenvieh wird im Herbst
auf die Viehausstellung gebracht. Die Viehausstellung ist der
Gradmesser des Glückes unserer Bauern.
Im letzten Jahrhundert bildete die Ausfuhr von Pferden nach dem
Süden ebenfalls eine ansehnliche Einnahmequelle. Vorbild der
einheimischen Pferdezucht war das Gestüt des Stiftes. Allerdings
ging es manchem Pferdehändler beim Welschlandfahren gleich
wie dem Senntenbauer. Er kam bettelarm nach Hause. Heute ist
die Pferdezucht im Sihltal bedeutungslos. Es sind nur mehr Fuhrrößlein
da. Eine bedeutendere Rolle spielt die Kleinviehzucht,
die ihr Mutterland im nahen Ibrig hat. Der Volksmund nennt
das Heimwesen des Kleinbauers "Hostetli". Die Viehhaltung ist da
nur mit Hilfe des gepachteten Allmendbodens möglich. Auf dem
"Hostetli" wird mit großer Sorgfalt Kleinvieh aufgezogen.
Ueber das Welschlandfahren hat uns Dolmetsch Daniel Market
folgende Einzelheiten erzählt: Die rührigsten Senntenbauern um
die Mitte des letzten Jahrhunderts bis zum Bau der Wädenswil-
Einsiedeln-Bahn in den 70er Jahren waren Meinrad Schönbächler,
Klemenz Gyr und Stefan Schönbächler in WillerzeIl und Baptist
Kälin im Groß, der das Haus im "Dick" baute, wo später die
Gebrüder Karl und Nikolaus Benziger eine Fabrikfiliale einrichteten.
Die Senntenbauern besaßen meistens einen Stall voll eigenes
Vieh, ergänzten den Bestand mit 20, 30 ja 50 Haupt und fuhren
in der Regel im August oder September mit dem ganzen Bestande
auf einmal über den Gotthard. Milchvieh war am begehrtesten.
Sie schickten Knechte voraus, die die Stallungen bereit machen
124
mußten. Der erste Reisetag führte nach Brunnen, der zweite nach
Schattdorf oder Amsteg, der dritte nach Göschenen oder Hospental,
der vierte nach Airels (Airolo), der fünfte nach Rodifiesso oder
Biasca, der sechste nach Giubiask, wo an einer langen Mauer
mit I IOO Viehringen der Markt stattfand. Am siebenten T,,!-s" erreichten
sie den Monte Cenere, im Volksmund Mont Chängl genannt,
am achten Dürrmühl (Torre Molino). Hier war der Zoll
zu erlegen. Er betrug für eine Kuh 10 Franken, für einen Stier
8 Franken. Der neunte Tag führte nach Mede, der zehnte nach
Chiasso, von wo das Vieh nach Casarate zum Stallen, (im
Vollksmund "stallazen") verladen wurde. Wenn eine Kuh, die
als trächtig verkauft wurde, nicht trächtig war, mußte der Senntenbauer
100 Franken Entschädigung zahlen. Die Milch wurde mit
den Kühen getränkt oder verkauft oder verschenkt. Der rühr};.ßste
Roß händler in den 70er Jahren war ebenfalls ein Schönbächler.
Er geriet einmal oberhalb Airolo mit I8 Pferden in eine Lawine.
Der Zoll fü-r ein 2- bis 3-jähriges Zugpferd betrug 10 Franken.
Den Knechten zahlte man den T~glohn, insofern sie nicht eigene
waren. Kleider und Proviant legte man in einen Sack, den' man
dein Vieh mit einem Riemen auf den Rücken band.
2. Dolmetsch.
Der Dolmetsch muß infolge seiner Beziehungen zu den Bauern
im Tal wittern, wo Vieh feil ist. Er besucht die in Frage kornmenden
Ställe, beschaut und betastet und schätzt Stiere, Kühe
und Rinder. Er redet mit dem Eigentümer um den Preis herum,
stellt ihm ev. eine Kaparre (Garantiegeld) in Aussicht. Er rechnet
in Napoleons d'or, im Volksmund "Näppl" oder "Buble" genannt.
Sobald er findet, dieses oder jenes geratene Haupt sei
preiswert, meldet er es eilig einem bekannten Genossenschaftspräsidenten
oder Großgrundbaue rn oder Händler. Hier treffen
italienische, deutsche, spanische und französische Händler em.
Die Dolmetsche sind in der Regel Viehkenner aus unserer Gegend.
An großen Märkten erscheinen hin und wieder in Begleitung der
Händler auch auswärtige. Der Dolmetsch muß vor allem die
italienische Sprache kennen, da die italienischen Händler immer
vorherrschen. Er spricht einen ungefähren Dialekt, aber diesen
keck, mit Modulation der Laute, die er den temperamentvollen
Welschen nachspricht. Ein Zuhörer ist nie im Zweifel, daß der
Dolmetsch etwas von seiner Rolle hält. Uebrigens kommt es ja
sehr auf sein Tudichum an, wie der Handel ausgeht. Er macht am
Markt inmitten der auf Käufer wartenden, beruflich absolut konzentrierten
Bauern gern Aufsehen von sich, indem er geschäftig
herumläuft, sich häufig in eine Pose aufdreht, wieder auf den an
die Huft gelehnten Handstock zurücksitzt, fast gleichzeitig zum
Bäuerlein und zum Händler schwatzt. Er nimmt beim Handel
12 5
"
I
gelegentlich beide am Arm und zieht ihre rechte Hand zudringlich
zum Einschlagen gegeneinander. Das Bäuerlein sträubt sich
.anfänglich, wendet sich mit abschlägiger Gebärde enttäuscht
um und geht mit seiner Kuh weg. Dann schreiten Dolmetsch und
Händler langsam und heimlich sprächelnd hinter dem Haupt her.
Der Dolmetsch bringt das Bäuerlein durch Zurufe zum Stehen,
macht ihm ein neues Angebot, zieht den Hutrand in die Stirn,
weist an der Kuh einen Fehler im Rücken nach, ränkt sich aber
rasch halbwegs zum Händler um, drückt den Hutrand wieder
hinauf und lobt an der Kuh das sichere nahe Kalbern. Er überredet
die beiden in jedem Falle, wo Angebot und Gegenangebot
nahe liegen, ziemlich sicher zum Einschlagen. Da sich Bauern
und Dolmetsch gestützt auf die Erfahrung gegenseitig gewisse
Gewohnheiten und Eigenheiten nachreden können, wittert jeder
·schon fast eingangs Handel wie das Geschäft verläuft. Sie lassen
es hä.ufig am Morgen des Marktes auf dem Brüel sogar darauf
ankommen, ob sie sich am Nachmittag auf dem sog. Nachmarkt
.im Unterdorf nochmals begegnen, wo dann leicht ein halber
Liter Wein die Stimmung anregen kann. Der Dolmetscherlohn
beträgt in der Regel IO Fr. für einen 'Stier und 8 Fr. für eine
Kuh. Wenn Verkäufer und Käufer nicht handelseinig werden,
zahlt der Händler die Spesen. Zu sagen ist noch, daß der Dolmetsch
den Kalberhandel dem Kalberhändler überläßt, der ein
Fachmann für sich ist. Der Grund ist einfach. Der Kalberhandel
bewegt sich in kleinen Beträgen, weshalb es sich nicht lohnt,
einen Dolmetscher zu bestellen. Bei der Interpretation des Begriffes
"Dolmetsch" muß man, gestützt auf das Gesagte, weniger
.an den Uebersetzer, als an den Vermittler und' Animierer denken.
Beim Handel auf dem Markt, gleichgültig ob ein Dolmetsch
mitwirkt oder nicht, gilt folgender Brauch: Solange ein Händler
an Ort und Stelle mit dem Eigentümer des Tieres über den
Preis unterhandelt, darf kein anderer Interessent mit einem Ueberangebot
dreinreden. Erst wenn der Erstkommende deutlich erklärt,
daß er den verlangten Preis nicht zahle und den Standort
verläßt, kann ein Zweiter ungestört zu handeln beginnen. Beim
Einschlagen zahlt der Händler in der Regel eine Kaparre von
Fr. 20.-. Die Auszahlung der Kaufsumme erfolgt bei der Abgabe
des Tieres am Verladeort.
_3.Re ist e r.
Bis um r890 waren in unsern Tälern nur einige wenige Waldwege
vorhanden. Genossamen und Private ließen deshalb die gefällten
Tannen im Winter durch einen Kennel vom Berg ins Tal reisten,
so am Bolzberg, im Duli, an der Tierfedern usw. Der Kennel war
eine Gleitvorrichtung. Man legte dünne Trämel kennelförmig
.nebeneinander und verguntnete sie miteinander. Der Kennel, auch
."Reistgang" genannt, reichte von der obern Waldgrenze bis an
die Talsohle. Man riß die geschundenen Trämel oben mit dem
Zapi in den Kennel hinein und ließ sie ins Tal sausen. Unten
.kollerten sie über einen ebenen Rasenplatz hinaus, wo sie gehäufnet
wurden. Einrichtung und Vorgang decken sich im Allgemeinen
mit denjenigen in anderen Gegenden. Beachtenswert
.sind aber die gegenseitigen Zurufe des Reistmeisters und der
Reister zum Zwecke, Handlungen und Handgriffe reibungslos zu
leiten. Sobald nämlich ein Trämel am Kopf des Kennels gleit-
'bereit war, rief der Reistmeister laut "use, use I". Dieser Ruf
wurde von den Reistern, die sich dem Kennel entlang wie Stafetten
.aufstellten, nach unten weitergegeben. Wenn ein sehr großer
Baum in den Kennel gelegt wurde, ertönte von oben her der
Ruf "ä böse!" zur Verstärkung des erstmaligen Warnrufes, Es
.konnte vorkommen, daß gelegentlich ein Trämel im abnormalen
Schuß auf der Strecke stockte. Dann ertönte von der betreffenden
.Stelle aus nach oben der Ruf "heb uf l". Somit wußte der Reist-
'meister, daß vorläufig kein zweiter Trämel eingelegt werden
-durfte. Zum Zeichen, daß man oben verständigt sei, rief man
hinab "zuoche!", als Aufforderung an den dem Hindernis am
nächsten stehenden Reister, den Trämel zu lösen. 'Nenn ein
Trämel außerordentlich schnell ins Tal sauste, erklang der Ruf
-der Reister "übüh" ins Tal hinaus. "Uebüh" ist ein Ausdruck
freudiger Stimmung. Beim Haufnen der Trämel im Tal mit dem
Zapi hieß es "Holz her!", um die Reißkraft der Holzer auf
einen Zug zu konzentrieren, Beim Reisten wurden oft schöne
Stämme beschädigt für die die Käufer wenig zahlten. Daraus
lassen sich die Aufwände für Waldwege in 'erster Linie erklären.
4- Flö ß e r.
Vor dem Ausbau der Alpstraße Richtung Biberbrücke in elen
öoer Jahren und vor dem Bau, der Wädenswil-Einsiedeln-Bahn
im Anfang der 70er Jahre war die Sihl ein willkommener Transportweg
für Trämel und' namentlich für Scheiter. Damals betrachtete
man diese primitive Verfrachtung als etwas Alltägliches
und nachdem bequemere Transportwege geschaffen waren, als
etwas Erledigtes. Das ist denn auch der Grund, warum uns die
Ueberlieferung der hier gebräuchlichen Technik des Flößens
fast gänzlich fehlt. Die Arbeit konnte mit Rücksicht auf den
Wasserfall in den Schlagen und das mit großen Findlingen besetzte
Sihlbett von dort bis Finstersee nicht einfach sein, Wir
.haben diesbezüglich folgende Angaben ausfindig machen können:
Trämel und Scheiter, diese 3 Fuß zu 30 cm lang, wurden im
Winter an die Lagerplätze in Studen, Euthal, Willerzell und Egg
geschlittelt und gehaufnet. Sobald das letzte Sihlwaldfloß, nor-
.malerweise im Juli, ausgezogen war, wovon der hiesige Unter-
127
nehmer vom Sihlamt in Zürich benachrichtigt wurde, wartete man
Hochwasser ab. Dann erschienen die Flößer und warfen unter
der Leitung des Flößermeisters Trämel und Scheiter ins Sihlbezw.
Eubachbett. Sie verfolgten auf beiden Ufern den Lauf des
Holzes. Wenn es sich an Steinblöcken oder Böschungen verrammelte,
griffen die Flößer zu den langen Flößerhacken und
stießen das Holz in die Flut zurück. Diese Arbeit war manchmal
gefährlich, da die Männer dann und wann ins reißende Wasser
hinaus waten mußten. Es kam häufig vor, daß das Hochwasser
nachließ, bevor das Holz in Zürich angelangt War. Nachts kam viel
Holz abhanden. Der Unternehmer war deshalb großen Verlusten
ausgesetzt, das Sihlamt bezahlte nämlich nur das ausgezogene Holz.
Am Lagerplatz in Zürich wurde das Holz in Rechen aufgehalten.
Die größten Holztransporte waren für die Stadt Zürich bestimmt.
Unsere Holzhändler machten Verträge mit dem Sihlamt dieser
Stadt. Die Verträge unterlagen der Genehmigung des Stadtrates.
Das Flößen auf der Sihl setzte die Bezahlung einer Gebühr an die
Genoßsamen, soweit sie Anstößer waren und an private Anstößer
voraus. Es stehen uns drei derartige Verträge zur Verfügung, einer
zwischen der Genoßsame Euthal einerseits und Gebr. Martin und
Gerold Gyr anderseits vom 9. Hornung 1857, zwei zwischen dem
Sihlamt in Zürich einerseits und Martin Gyr zum "Pfauen" anderseits
vom 12. April 1859 bezw. 23. April 1861. Sie beziehen .sich
auf Trämel- und Scheiterlieferungen auf Floßen. Im Vertrag von
1861 handelt es sich um 1200 Klafter Scheiter. Die Genoßsame
Euthal empfing für das Flößen auf der Sihl und im Eubach
(hier nur Scheiter) 70 Fr. Jahresentschädigung. Für den Fall, daß
es den Holzhändlern nicht möglich war, das geschlagene Holz im
Vertragsjahr zu flößen, war ihnen der Transport im folgenden
Jahre gebührenfrei erlaubt. Aus den Verträgen mit dem Sihlamt
sind folgende Abmachungen zu erwähnen: Die Tannenscheiter
mußten franko aufgesetzt an die Holzplätze 'des Sihlamtes beim
Sihlkanal geliefert werden, Die Beigen mußten 9 Fuß hoch mit
2 Zoll Uebermaß geschichtet sein. Alles runde und angesteckte
Holz, sowie auch solches, das die vorgeschriebene Länge von 3
Fuß nicht hatte, wurde ausgeschlossen. Das Einwerfen des Brennholzes
wurde erlaubt, sobald der letzte zürcherische Sihlwaldfloß
ausgezogen war. Die Publikation für Menzingen und Neuheim, daß
ein Brennholzfloß den Kanton Zug passieren werde, wurde vom
Zürcher Stadtrat erlassen. Das Sihlamt vergütete für die ersten
600 Klafter Tannenscheiter 26 Fr. pro Klafter, für die übrigen
400 Klafter 28 Fr. pro Klafter. Für den Ausschuß mußte der Preis
so gestellt werden, daß dem Sihlamt für Benutzung der städtischen
Floßanstalt wenigstens eine Vergütung von 2.- Fr. pro Klafter
zukam. Nichtbeachten dieser Bestimmungen hatte die Entrichtung
einer Konventionalstrafe von 20.- bis 200.- Fr. zur Folge.
128
Unter dem Namen "Floß" darf man im vorliegenden Falle nicht
ein Flußfloß verstehen, das normalerweise aus zusammen gegunteten
Rundhölzern besteht, auf denen die Fracht 'verladen wird
und das auf der Fahrt bemannt ist. Hier bedeutet das Floß soviel
wie ein einmaliger Einwurf von losen Trämeln oder Scheitern.
5. Lohnku tscher.
Während man den geschniegelten Herrschaftskutscher mit dem
Cylinder auf dem Kopf kaum anders kennt, als wie er mit aufrechtem
Oberkörper fest in der Mitte des Bockes sitzt. die Beine
parallel auf das Trittbrett spreizt, die elegante Peitsche senkrecht
zur Rechten stellt und die Zügel des gehaberten und' drängenden
Pferdes straff angezogen hält, sieht das Bild des einfachen Lohnkutschers
der Jahre um 1890 folgendermaßen aus: Er trägt eine
braune Lodenkleidung, einen großrandigen, im Kupf dreifach ein-'
gedrückten schwarzen Filzhut, wie er jetzt noch bei den Altmättlern
und Rothenthurmern beliebt ist. Er sitzt lässig in der
rechten Ecke der Bocklehne, läßt die Zügel des abgeschafften, mit
, genug Krüsch und wenig Hafer gefütterten Rößleins über dessen
Rücken fallen und den Geißelstecken auf seinen Hüften ruhen,
insofern er ihn nicht gerade fleißig zum Knallen und Antreiben
braucht. Er fährt eine einfache Zweiplätzerchaise mit Kofferhalter,
denn er ist eines der Faktoren unserer Alpenpäße. Wenn er nicht
auf eigene Rechnung kutschert, was sehen vorkam, wär er von
irgend einern Hotelier in Brunnen gedungen. Wenn er gedungen
war, erhielt er in den ooer Jahren 25 Fr. Monatslohn bei freier
Station. Er lebte also vorn Trinkgeld, das 10 Prozent der Fahrtaxe
betrug. 11) Brunnen stellten die Kutscher ihre Chaisen bei der alten
Sust in Reih und Glied und warteten auf Engagements. Man fuhr
ein- bis fünfpferdig. Es gab Rothenthurmer Unternehmer, die
6 bis 7 Pferde und eine entsprechende Anzahl Kutscher stellten.
Da für das Befahren der Alpenpässe der Kanton Uri durchreist
werden mußte, war für die Ausübung des Kutschergewerbes ein
Kutscherbuch erforderlich, das Signalement des Kutschers und
der Kutsche, Routentarif und eine Verordnung enthielt, die 31
Paragraphen umfaßte. Die Gültigkeitsdauer betrug ein Jahr. Auf
der Furkaroute machten unsere Kutscher folgende Etappen: I.
Tag Furka oder Gletsch, 2. Tag Meiringen oder Brig, 3. und 4.
Tag mit den gleichen Etappen zurück nach Brunnen. Es karn
manchmal vor, daß der Kutscher 8 bis 14 Tage unterwegs war,
ohne seinen Arbeitgeber auch nur zu sehen; da bisweilen die
Rückfahrt vorn anfänglichen Reiseziel über einen andern Paß
führte. Diesfalls sandte der Kutscher das Taxengeld ä conto heim,
insofern es der Hotelier verlangte oder er rechnete nach der Rückkehr
mit ihm ab. Die Pferde wurden meistens in den Stallungen
der großen Hotels untergebracht. Im Jahre 1906 kostete die Fahrt
129
von Flüelen nach Göschenen mit dem Einspänner in einfacher
Fahrt Fr. 25.-, 'für den Vierspanner Fr: 80:-, von Göschenen
nach Meiringen Fr. 70.- bezw. Fr. 220.- mit Einschluß der
Rückfahrten Fr. 35.-- bezw. Fr. 110.- und Fr. 105.- bezw.
Fr. 260.-. Eine Reise im Einspänner von Cöschenen nach
Meiringen und zurück kam also auf Fr. 14°.-, im Vierspänner auf
Fr. 370.-- zu stehen. Die meisten Lohnkutscher waren wetterund
trinkfeste Männer, gewandt im Fluchen und geschliffen im
Einschätzen der Fremden, denen sie sich breitspurig näherten und
vor ihnen die verlockenden Reisetouren hersagten. Was die
Kutscherrosse anbelangen, überliefern sie mit ihrer harten Arbeit
unserer hastigen Generation Sinn und Geist der seltener sichtbaren
sogen. "Roßgeduld ".
6. Pos ti110 n.
Zuverlässige und gewandte Lohnkutscher hatten Aussichten, als
Postillone angestellt zu werden. In Einsiedeln war die Schwyzerpost
bis zur Betriebseröffnung der Südostbahn im Jahre 1891 ein
die Biedermeierzeit wachrufendes Idyll, das wir heute vermissen.
Sie wurde 3- und 4-spännig gefahren, im Sommer als 6plätziges,
im Winter als 3plätziges Coupee. Die Beiwagen gewährten 4
bezw. 6 Personen Platz. Die Posten stammten aus einer Luzerner
Carosserie. An den Stationen Biberbrücke und Sattel, wo sich
große Stallungen befanden, wurden die Pferde gewechselt. Auch
in Einsiedeln befanden sich ehemals Pferdestallungen, bis zirka
1860 im Gewölbe des alten "Ochsens" (unterer Hirschen) gegen
die Hauptstraße hin und später in der "Pfauenfeder" . Als Buben
machte es uns immer Freude, mit Erlaubnis des freundlichen
Postillons Schuler von Sattel, die müden Postpferde ausspannen
und in den Stall führen zu dürfen. Der Postwagenbetrieb wurde an
einen Pferdehalter vergeben. Die bekanntesten waren Reichmuth
in Schwyz und Styger in Rothenthurm. Sie stellten die Postillone
an und gaben ihnen durchschnittlich Fr. 120.- Monatslohn, ohne
Kost und Logis. Sie waren mit folgenden Kleidungsstücken ausgerüstet:
Rundlicher niederer und steifer Ordonnanzhut aus Leder,
mit Sturmband, Silberkupfband und Posthörnchen, einreihiger,
dunkelblauer Veston, hellblaue Gehhose, Kaput mit Pelerine und
Kaputze. Der Postkondukteur, ein eidg. Beamter, der neben dem
Postillon auf dem Bock saß, trug eine steife Mütze, einen einreihigen
blauen Gehrock mit Metallknöpfen und rotweißem Kräglein
und Gehhose. Ein silberner. Postschild schmückte die linke
Seite seiner Brust. Im Winter war die Fahrt häufig mit Schwierigkeiten
verbunden, besonders, wenn in der sog. "Höhli" zwischen
Biberbrücke und der äußern Altmatt die Postpferde im tiefen
Schnee einsanken und ausgeschöpft werden mußten und wenn
der Postschlitten über den Straßenrand geführt werden sollte.
13°
Wachsrodel
Cherz;
Daß selbst ein wahrhaft heimeliges und glaubhaft beständiges
Idyll den Tücken der Findigkeit ausgesetzt und darum vergänglich
ist, beweist das Schicksal eines unserer alten gelben Post-
<:oupees. Es dient seither als schwarzer Leichenwagen der Gemeinde
Rothenthurm. Da, wo jenes Coupee ehemals unter dem
fröhlichen Signal des Posthorns lebensmuntere Fahrgäste zum
Tor am roten Turm ein- und ausführte, rollt es jetzt unter den
trüben Klängen des Totenglöckleins, mit kalten Leichen befrachtet,
zum Friedhof.
Der nächtliche Wachsrodelstand.
Fast jedes Gasthaus führt in irgend einem Zimmer einen eigenen
Hausladen für Wallfahrtsartikel. Außerdem gibt es im Oberdorf
eine Reihe gut ausgestatteter einschlägiger Geschäfte. Wallfahrtsartikel
kann man auch in den beiden Kramgassen und in den vier
Ständen kaufen, die sich um den Hauptplatz reihen. Vor 1914,
als die Wallfahrt noch blühte, besuchten die Pilger scharenweise
die erste hl. Messe, in die es um 4 Uhr morgens läutete. Um
nun den Pilgern Gelegenheit zu geben, sich auch nachts die Bedarfsartikel
zu verschaffen, z. B. Wachsrodel und Kerzen, errichtete
jeweilen ein altes Fraueli mit einem Garnhäubchen auf
dem Kopf und mit einem langen Dreieck-Shawl umhüllt, beim
Frauenbrunnen am Hauptplatz einen Wachsrodelstand. Sobald
ein Kirchgänger des Weges kam, rief sie ihm zu: "Chömed
chaufed ä oder äs Cherzli l". Wenn der Kirchgänger
nicht gleich einlenkte, lief sie ihm nach und versuchte es mit
folgender Aufmunterung: "Chaufed doch ä ihr hend sichr
öppe n' äs Alige; tüönds ürem Ma z'lieb".
Die Pilger stellen den Wachsrodel in der halbdunkeln Kirthe
auf die Banklehne und zünden ihn an, damit sie im Gebetbuch
lesen können. Die Wachskerzen werden beim Weihwasserkessel
in die Nägel eines Leuchters gesteckt. Der nächtliche Wachsrodelstand
war eine von den vielen Maßnahmen, die beweisen, daß der
Einsiedler fast Tag und Nacht für den Wallfahrtsbetrieb lebte.
Laut einer Urkunde von 1451 waren die Kerzenbänke (Kerzenstände)
Monopol des Stiftes, desgleichen der Wechselstand und
das Zeichenamt (Medaillenstand). Das Stift verzichtete um 1798
auf das Monopol der Fabrikation und des Verkaufs.
-Das Rufen, Singen und Schreien, mit dem einzelne Ständlikrämerinnen,
daher "Ständligure" genannt, die Käufer anlockten,
wurde 1471 durch einen Erlaß verboten. Im Jahre 1748 kam es
zu einer Kundgebung der Krämerinnen. Sie zogen mit Trommeln,
Fahnen und Pistolen auf den Klosterplatz. (Siehe Odilo Wallfahrtsgeschichte,
Seite 283).
131
Die nächtlichen Schuhwichser.
Bei großem Pilgerandrang konnten die Gäste nicht wohl verlan
daß ihre Schuhe schon vor 4 Uhr morgens im Gasthaus gep
werden. Von altersher machten sich deshalb Waldleute. die
Pilgern gefällig sein und zudem ein paar Batzen verdienen woll
mit kleinen, schwarzgestrichenen Putzzeugkistchen morgens 4 L~
auf die Socken und stellten sich entweder auf dem Hauptplatz -
eine Reihe oder einzeln vor die größern Gasthäuser und empfingen
da die Pilger mit dem Anruf "Schueh butze gfällig?". Sie verharrten
auf dem Posten bis zum Morgengrauen. Wer auf öffenzlichem
Platze den Fremden die Schuhe putzen will, muß :6
heute noch auf dem Amt anmelden. Manchmal waltete au
da der kleine Futterneid, indem jeder den bessern Standort einnehmen
wollte.
* * *
Wir geben ferner einen kurzen Ueberblick heimischer und origineller
Arbeitszweige, die zum Teil immer noch von wirtschaftlicher
Bedeutung sind, so das G u m 1e, Tu r b n e, S t r e u ne,
Hol ze, S y dis wä b e und eh 0 r b f 1ä c h t e.
Die begehrtesten Kartoffeln, "Gummel" genannt, gedeihen in der
schwarzen Erde im Übergroß. Der Kartoffelbau. der größtenteils
auf dem Pflanzland der Genoßsamen betrieben wird, dient 'der
Eigenversorgung und dem Bedarf der Waldstatt mit ihrem Pilgerverkehr.
Noch in den 90er Jahren ging auch fast jeder Industriearbeiter
und Kleinhandwerker nach Feierabend in die Länder, um
Kartoffeln für den eigenen Haushalt zu pflanzen.
Große Bedeutung haben die Torfmoore. Die Sihltalbauern stechen
im Vorsommer den Torf von Hand, legen ihn zum Trocknen
über.einander, dann an die Böcke und schließlich um den Stecken.
Dü~ Turben müssen diese drei Trocknungsstufen durchmachen.
Im Herbst stellt der Turbner den Rückenkorb auf das Dreibein,.
genannt Turbenlali, und trägt die dürre Ware in die Hütte ab.
Es bestehen nur zwei Betriebe, der ältere klösterliche und seit
1915 ein privater, die den Torf mit Maschinen ausbeuten. Der
private Betrieb sammelt besonders den Fasertorf des Hochmoors,
verarbeitet ihn in einem 'Werk an der Alp zu Torfmull und
verkauft ihn den Großbauern des Flachlandes. Nach der Anlage
des Sihlsees werden sowohl Brenntorf als Fasertorf seltener sein.
Die Torfausbeute hat in guten Sommern schon über 200 Arbeiter
beschäftigt. Holzhandel und Torfausbeute nährten bislang auch
die Fuhrleute. Gar-mancher Familienvater fand beim Fuhrwerken
sein Auskommen. Nun ist es das Auto, das' die Fuhrrößlein rücksichtslos
verdrängt. Das Fuhrwerken hat folglich seine ehemalige
Bedeutung verloren.
132
Das Sihltal und das Bibertalproduzieren viel überschüssige Streue.
Sie wird im Spätherbst in Tristen zusammengelegt und im Winter
ins Züribiet geschlittelt.
Die Sihltalbauern fällen in den benachbarten Genossenwäldern
die Tannen im Akkord, zersägen sie zu Trämeln und schleifen
oder schlitteln sie im Winter an den Fuhrweg. Die Fuhrleute
verladen sie mit dem Zappi in der Hand auf den Vorderschlitten,
binden sie mit Reitel und Bundkette fest und führen sie auf die
Sägereien, deren es im Land herum um die 20 gibt. Die
Sihltalbauem rüsten im Winter auch Papierrugel und Meter-
.scheiter. Das Abgangholzder Wälder scheiten sie zu Burdenen
und versorgen die Bäckereien oder sie liefern die Scheitli in die
Haushaltungen des Dorfes.
Neben den soeben genannten Verdienstquellen bringt auch die
Hausindustrie etwas ein. Die Heimarbeit ist die ideale Betätigung
-der Frauen. Im Anfang des letzten Jahrhunderts waren Leinenweberei
und Handseidenweberei in der Blüte. Es liefen in den
Bauernhäusern' des Sihl- und Alptales gegen die soo Webstühle.
Am Mittwoch und Samstag zogen die Frauen und Jungfern mit
-den fertigen Wüppern auf der Meiße (Traggabel) ins Dorf, um
.sie den Ferggereien abzuliefern und den Ferglohn in Empfang
zu nehmen. Der Ferglohn richtete sich nach der Größe des
Wuppes. Er machte ungefähr 2 Franken auf den Tag aus. Das
Seidenweben ging dazumal noch beim kargen Lichte der Oel-
.ampel von morgeris früh bis in die' Nacht hinein vor sich. Um
die Mitte des letzten Jahrhunderts verschwand die Leinenweberei
und damit auch die Selbstversorgung der Bauern. Das gestreifte
-oder gespiegelte Gstältlikleid der Frauen und die braune Männerhose
waren ehemals Produkte des Eigenbetriebs. Ein Versuch,
die Leinenweberei um 1910 herum wieder einzuführen, scheiterte.
Indessen hielt die Handseidenweberei bis um die Jahrhundertwende
stand. Nachher fing auch- sie an, rasch abzuflauen. Sie
wurde von der maschinellen Weberei des Flachlandes verdrängt.
Die um 1912 eingeführte Kettenstichstickerei fiel der ostschweizeri-
.schen Stickereikrise zum Opfer. Dagegen gelang es um J920,
die Korbflechterei mit veredelten, importierten Weiden einzuführen.
Sie hat sich inzwischen stark entwickelt. Heute wird sie
.als Hausindustrie im Sihltal außerordentlich geschätzt. Die Fertigkeit
hat Fortschritte gemacht, sodaß auch Rohrsessel und dergl.
geflochten werden können. Das Flechten der einfachsten Körbe
aus hiesigen Weiden bleibt eine Art Monopol der Feckerfamilien.
Schließlich stellen wir einige erloschene Kleinindustriezweige auf:
Tabakstampfe, Schleifschmiede, Löffelschleife, Gerberei Seifensiederei,
Pferdehaarflechterei, Strohweberei, Schindelnschachtelei
(Schienendrucken), Zündhölzchenfabrikation, Wattenfabrikli und
133
Larvenmacherei. (Näheres über Heimarbeit und Kleinindustriesiehe
in der jubiläumsnummer des "Einsiedler Anzeigers" 1<)09
und in der Verkehrsbroschüre "Einsiedeln ", Benziger &. Cie,
1917).
Der rote Räppler.
In einer Tageszeitung wurde jüngst behauptet, der rote Räppler
sei verschwunden. Das trifft nicht zu. In Einsiedeln läuft er
immer noch. In den Geldschubladen der Krämerladen behauptet
der' rote Freund das alte Fach, eines der Räppler, das andere der
Zweiräppler. Weit mehr als die Hälfte der Lebensmittel werden
zu ungraden Preisen verkauft, d. h. ohne Aufrundung auf Nickelwerte.
Es gibt einzelne Ladengeschäfte, in denen monatlich für
nahezu Fr. 50-- Räppler und Zweiräppler ausgegeben werden,
die beim Einkauf zum Teil in die Ladenkasse zurückreisen und
als sogen. Umgeld von dort wieder abwandern. Das macht
monatlich um die 2 5oobezw. 5000 rote Freunde.· Bei uns kann
man also nicht vom Aussterben des Rappens reden. Wie würde
sich wohl nur der Verkauf des Brotes ohne Räppler und Zweiräppler
abwickeln, haben wir es doch gegenwärtig mit einem
Brotpreise von 35 Rp. per Zweipfünder und 68 Rp. per Vierpfünder
zu tun. Aus einer Statistik geht hervor, daß von 1885
bis' 193I in 5I Fällen von Preisänderungen 45 Preise ungrad
waren.
Einsiedeln darf als Verkehrsstätte des Kupfergeldes noch weitläufiger
genannt werden. Als die Deutschen den Pfennig und die
Oesterreicher den Heller prägten, jene roten Freunde unseres
Rappens, liefen auch sie willig durch die Kassen der Einsiedler
Wirte und Krämer, wurden da Ende Monats in Rollen gelegt und
als Zahlgeld den Lieferanten ausgehändigt oder sie wurden in
sogen. "groupes" verpackt und mit Wertangabe den ausländischen
Geschäftshäusern durch die Post ä conto geschickt. Auch der
französische rote sou und der italienische rote soldo zählten zu
unsern Gästen. Man sagte den französischen Pilgern den Waren-
. preis nicht in centimes, sondern in sous, z. B. "quatre sous,
francais et deux centimes suisses" = 22 Rp. Wohin wandern
die Hunderte roter Räppler und Zweiräppler, die in der Kirche
bei Begräbnismessen und Gedächtnissen geopfert werden? Auch
in den Kleinverkehr zurück. Das ordentliche Kirchenopfer überliefert
uns diesbezüglich ein typisches Beispiel der Sparsamkeit.
So konkret kommt die Sparsamkeit heute kaum in einer andern
menschlichen Manipulation zum Ausdruck. Beim Handwerksburschen
allerdings, wenn er fechten geht, hat der Räppler endgültig
seinen guten Namen verloren. Es lohnt sich nicht mehr,
um Rappen teure Schuhsohlen abzuschleifen. Lange, lange vor
dem Kriege, da war es der Landjäger, jener originelle Staats- .
134
diener mit der schwarzen Brille auf dem Nasenbein, der "fechtende"
Handwerksburschen abfing, sie auf den Posten begleitete"
ihnen in die Taschen griff und die roten Räppler 'herausfischte,
da das "Fechten" verboten war. Beim Würfelen an der Kirchweih
hieß es einst, "Es sind noch 3 Nummern da, wer setzt noch
drei Rappen?". Der Zuckerbäcker verkaufte der Würfelifrau 12
Bärentatzen oder Mandelbogen für 50 Rappen. und diese ließ das
Stück für 6 Nummern bezw. 6 Rp. auswürfeln. Heute hört man
"Es sind noch 3 Nummern da, wer setzt noch sechs Rappen?".
Also gilt immerhin noch rot. Bei den Markthändlern hat das
Kupfergeld eine glückverheißende Bedeutung. Sie sagen, wer im
Warenverkehr einen Räppler oder einen Zweiräppler erhalte, solle
ihn beim Empfang küssen, zum Zeichen, daß er ihn schätze,
denn er bringe ihm Glück. Aus allem dem geht hervor, daß
unser rote Freund weiter lebt, wenn er auch seinen guten Klang
da und dort eingebüßt hat. Hoffen wir, daß sich trotzdem das
alte Sprichwort weiterhin behaupte: "Wer den Rappen nicht ehrt..
ist des Frankens nicht wert".
3. Orts gewohnheiten.
Die "Schweizer. Gesellschaft für Volkskunde" führt seit 1932
eine volkskundliche Erhebung durch und richtet an ihre Vertrauensleute
ein Heft mit 1585 verschiedenen Fragen, die aus
allen Kantonen beantwortet werden sollen. Im Jahre I934 war
aus dem Kanton Schwyz noch keine Frage beantwortet. Nachdem
meine vorstehende Arbeit, die das Wesentliche unserer Volksbräuche
enthalten dürfte, geschrieben war, entschloß ich mich,
auf Ansuchen, von den Fragen der "Schweizer. Gesellschaft für
Volkskunde" wenigstens jene zu beantworten, die bei der Behandlung
unserer Volksbräuche nicht berücksichtigt sind und die
sich unter dem Titel "Ortsgewohnheiten" vereinigen lassen. Es
sind deren gegen IOO. Die Antworten folgen hier ohne Gliederung
nach Material, sondern der Reihe nach, wie sie aus den 1585
Fragen hervorgehen. Damit sind die gewählten Fragen natürlich
nicht annähernd ausgebeutet.
Grußformen: Unsere Grüße wie "guten Tag", "guten Abend",
"gute Nacht", "a Dieu" usw, sind infolge der allgemeinen Beifügung
"wohl" als Verstärkung des Wunsches erwähnenswert.
Wir sagen bei der Begegnung "guot Tag wohl" oder sehr häufig
nur "Tag wohl", beim Abschied "adie wohl" oder "läbed wohl".
Auf .Jäbed wohl" wird manchmal geantwortet: "Wohl Iäbe
chostet Gält". Der Gruß "Guoten Obed" ist infolge dieser und
jener Bedeutung, die er in bestimmten Fällen hat, besonders zu
beachten. Die ungewöhnliche Bedeutung kommt allein in der
Aussprache zum Ausdruck. Der Akzent liegt mit gesuchter Be-
135
tonung ausschließlich auf dem zusammengesetzten Vokale "
des Eigenschaftswortes "guot"," während die folgenden Vokale
kurz und mit so gedämpfter Stimme ausgesprochen werden, daß
man sie kaum hört. Sogar das t in "guot" Wird als d gesprochen.
Man denke an eine fallende Quart. Dieser Ortsgruß ist in folgenden
Fällen gebräuchlich: Wenn ein Bauer zu einer Drittperson
sagt, er müsse bei dunkler Nacht und trotz Blitz und Donner noch
in eine Alp hinauf gehen, ferner, wenn ein Spengler in der Gesellschaft
erzählt, morgen werde er am Helm des Kirchturms
arbeiten, d. h. in allen Fällen, wo von einer beschwerlichen
oder kitzligen Verrichtung die Rede ist, dann sagt irgend ein Zuhörer
unvermittelt "guoden Obed". Das bedeutet soviel, als ich
wünsche Glück, gib acht, daß Du den andern Tag erlebst. Der
Gruß wird ferner, aber ironisch, gebraucht z. B. wenn einer auf
dem Glatteis fällt, wenn jemand eine Scheibe eindrückt, wenn
einer beim Jassen verloren hat usw. Der Sinn des Grußes ist an
folgenden Beispielen noch deutlicher zu erkennen: Wenn der
Wind einem den Hut fortträgt und man greift vergeblich darnach,
wenn einer im Streit dem andern einen Hieb versetzen will und
dieser weicht geschickt aus, wenn einer trotz Beteuerung der Unschuld
vom Landjäger abgeholt wird, wenn einem die Forelle
aus der gezogenen Angel entweicht, wenn einer trotz atemlosem
Rennen den letzten Zug verspätet usw. In diesen und ähnlichen
Fällen liegt dem Gruß etwas Schalkhaftes, Spöttisches, sozusagen
etwas Schadenfrohes zu Grunde. Er bedeutet das, was mit
"heb' di am Gras" gemeint ist und unterscheidet sich darum dem
Sinne nach vom alltäglichen Gruß absolut. Er stammt wahrscheinlich
aus dem Wörterbuch des Feckerjargons. Beachtenswert ist
noch eine andere Grußform, nämlich "guot Nacht am Sächsiv.:
Sie wird beim Abschlagen einer Zumutung gebraucht, z. B. wenn
ein Gast den Wirt ersucht, auf dem Amt um Verlängerung der
Polizeistunde nachzufragen, wenn einer den andern einladet, die
Zeche zu zahlen usw. Der Sinn deckt sich.ungefähr mit der Anrede
"gschwind chum sä" oder "chast mi gärn ha" oder "häst grad
äs Möihli" oder ganz bodenständig gesagt "läck mr am A ... "
Eine selten gebrauchte Gruß form heißt "guots Tägeli". Leute,
die heiter gelaunt sind, verwenden sie gern. Beim Abschied von
zwei oder mehreren Personen sagt man zu ihnen "adie mitenand".
Wenn A über B etwas Beleidigendes erzählt und B vernimmt das
durch eine Drittperson, erklärt er entrüstet, "ich wil im A 's Zyt
scho awüsche". Wörtlich "heißt ,,'s Zyt awüsche" einem "guten
Tag" sagen, wie man auch sagt ,,'s Zyt abnäh", d. h. den Gruß
erwidern. B beabsichtigt aber, dem" A bei der erstbesten Begegnung
zu sagen "wie spät es ist" oder "wo Bartli den Most holt",
d. h. er will ihm "wüest säge", was gleichbedeutend ist, wie die
Meinung sagen.
Zurufe, 'Lockrure, _Scheuchrufe, Mahnrufe usw.:
Beim Essen: Gott gsägnis, Beim Eintritt in den Stall: Glück im
Stall. Beim Mähen: hauts-es? Beim Erdäpfel austun : Gits wohlus?
.Schmeichelnamen für die verschiedenen Haustiere: Kuh: Chueli;
Kalb: Chälbeli; Huhn: Bibi; junges Huhn: Bibili; Pferd: RößIi;
Füllen: Füli; Lamm: Schöufli; Ziege: Geißli; Kaninchen: Chüngel;
Katze: Zybüsi usw.
Lock- und Scheuchrufe: Pferd Locken: hol Scheuchen: hüh l
Rindvieh Locken: oh, ssä, Lobäli, Aelbeli (nasal, gedehnt), Scheuchen:
hüh. Schwein Locken: hoß, hoß, haß. Ziege Locken: Giz,
Giz, oh 's Geißeli mäle. Schafe Locken: Oh, le, le, le. Scheuchen:
tschuff, tschuff. Hund Locken: DedelScheuchen: guschl Katze
Locken: Zizi Büsäli. Scheuchen: Kutzabä I Huhn Locken: Bi, Bi,
Bi, - Gusäli, Gusäli. Scheuchen: gsch I Enten Locken: Hudeli,
Hudeli. Taube Locken: brü, brü. Krähe Locken: Rappeli, Rappeli.
.Scheuchen: gsch I Allgemeiner Lockruf für Tiere: Zischlaut, indem
man die Zunge an den obern Gaumen drückt und sie plötzlich
'loslöst und das mehrere' Male wiederholt.
Ruf für das Antreiben und Anhalten dur Zugtiere: Pferd und Kuh:
Antreiben: hü I Anhalten: üüf und üh. Rechts: hott: Links: hüscht!
Redensart, um Kinder vom Laufen in's Gras, vom Fallen in einen
Bach, vom Unfolgsam sein zu warnen: Bachhöuggl. Warnung
vor der Sihl: Sihlhöuggl (Höuggl = Hacken). D' Ohre loh stou,
's Brunnäräherrli, dr Chämifäger chunt.
Bau e r ~ d u t zen d: Es zählt i3 Stücke.
GI a u b e und Ab erg lau b e: Wenn eine Kuh krank ist, schiebt
ihr der Bauer drei rohe Kartoffeln im Zeichen der drei höchsten
Namen (Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliggeist) in den Mund.
Wenn man die Fingernägel am Freitag schneidet, ist man vom
Zahnweh gefeiht.
Wenn "jemand am frühen Morgen einen Knopf vom Boden aufbebt,
steht etwas Unglückliches bevor.
Wenn eine schwarze Katze den Weg kreuzt, ,steht ebenfalls ein
Unglück bevor. ' '
Das gleiche trifft zu, wenn eine alte Frau die erste ist, die einem
-das Neujahr anwünscht,
Schuhe auf dem Tisch bringen Verdruß.
Wenn Krähe das Haus umkreisen, stirbt bald jemand,
Wenn ein junges Mädchen zu gleicher Zeit einem Kaminfeger
und einem weißen Pferd begegnet, hat es Glück.
Wenn der Jäger einem alten Weib begegnet, soll er heimkehren,
.da er an jenem Tag kein Glück hat.
W a n n ni c h t säe n: Bei fallendem Mond nicht säen, sonst
wächst die Saat in den Boden hinein.
137
n
Vi erb I ä t t r ig es KI (.e: Man sagt, es bringe Glück.
L e h m gur gel n : Gegen Halsweh gurgelt man gelegen
Lehm-Wasser.
An k ü den der Tot e n: Wenn in einer Zimmerwand plötzlich
ein akuter Ton entsteht, oder wenn eine Tafel herunterfällt, oder
wenn man im Haus, hauptsächlich zur Nachtzeit, einen Schall vernimmt,
dessen Ursprung man sich nicht gleich erklären kann,
dann behaupten alte Leute, ein Toter habe sich "gekündet".
Uhr s t ehe n g e bl i eben: Wenn die Uhr plötzlich stehen bleibt,
dann. sagen gewisse Leute, es stehe ein Todesfall oder sonst ein
trauriges Ereignis bevor. ~
Brot in die Tasse gefallen: Wenn einem ein Schnitten
Brot in die Tasse fällt, gilt das als Ankündigung eines Briefes.
L ä u t e n i n den 0 h ren: Wem es in den Ohren läutet, von dem
wird irgendwo gesprochen. Rechts Ungünstiges, links Günstiges.
Zu c k e n in der N a s e: Es ist ein Brief unterwegs.
San k t A n ton i usa 1s Für bit t er: Wer etwas verloren hat,
betet inbrünstig zum hl. Antonius, damit er mit seiner Hilfe den
Gegenstand wiederfinde.
Ma r i e n c h ä f e r Ii: Wer eines sieht, spricht von kommendem
Glück.
W eiß e Z wie bel n: Es gibt Leute, die eine weiße Zwiebel in
der Tasche tragen. Sie soll gegen Schwindelanfälle gut sein.
Sie gell a c k: verschont vor Schnupfen.
Mit der li n k e n Ha n dei n sc he n k e n: Das gilt als Ausdruck
der Abschätzigkeit.
AmT i s c hall e sau fes sen: Wenn die Kinder am Tisch
alles aufessen, sagt die Mutter zu ihnen: "Jetzt bekommen wir
schönes Wetter."
Aus g e k ä m m t e Ha are: In vielen Fällen werden die .ausgekämmten
Haare aufbewahrt. Früher ließ man aus ihnen Perücken
für die Puppen machen. Nach dem Tode eines Familienmitgliedes
verfertigte man bisweilen Kränzchen,Blumengebilde, Blätter und
legte sie in Medaillons, die als Frauenschmuck getragen wurden.
Er s t e Ho se: Wenn ein Bub die ersten Hosen bekommt, schenkt
man ihm ein kleines Nickelgeldstück. Man nennt das den "Hosenrappen".
Sc h u h e gi r ren: Wessen Schuhe girren, hat sie noch nicht
bezahlt, sagt man.
Leere Schläge des Schmieds. Der Leerschlag des
Schmieds ist ein Teil der Technik. Der Meister bezeichnet mit
dem leichten Hammer die Stelle, die der Geselle mit dem schweren
Hammer schmieden muß. Während der Geselle schlägt, macht
der Meister einen oder mehrere Leerschläge und bezeichnet dann
wieder eine Stelle. Der Wechsel der Schläge ist rythmisch.
138
p
K n 0 h lau c h es s.e n: Das ist ein vielgebrauchtes Mittel zum
Cesundbleiben.
S c h r ö f e n im KaI ende r zei c he n: Der dritte Tag im
Neumond verspricht Erfolg.
Neu ja h r s g e sc he n k e: Als das Rabattsystem noch unbekannt
war, gaben Bäcker, Spezereihändler, Tuchhändler usw. den Kunden
ein Neujahrsgeschenk als Erkenntlichkeit für gute Kundschaft.
Der Bäcker schenkte einen 'halbbrödigen (2 Pfünder) Eierzupf
im Werte eines Frankens, guten Kunden, Anstalten usw. einen
brödigen oder zweibrödigen Eierkranz im Werte von 2 bis 4
Franken. .
Neujahrsgeschenke werden dann und wann auch dem Güselfuhrmann,
dem Briefträger, dem Zeitungsverträger, der Umsagerin,
dem Nachtwächter usw. gegeben. Sie bestehen in einem Trinkgeld
oder Naturalien.
Bur den e n t rag e n: Die Heuburdenen werden nur mehr auf
Heimwesen mit steilem Gelände getragen. Es gibt auch Holzburdenen
(Reiswellen), die von den Bäckern gekauft werden.
Be vor zug t e K äse a r t e n: Zum Most wird Räßkäse gegeßen.
Als Räß käse bezeichnet man alten, gutgesalzenen Handrnagerkäse
mit zirka 12 Prozent Fettgehalt Von den Fettkäsen ist der sog.
Schwyzerkäse weitaus der bevorzugteste, weil er saftig und rezent
ist. Der Ernmentaler-Fettkäse schmeckt unsern Leuten zu süßlich.
Man tischt ihn sozusagen nur in den Wirtschaften auf.
Zur Geschichte des Schwyzerkäses diene folgender Beitrag, der
sich auf Erhebungen stüzt.
Leider bekommt man den .Schwyzerkäse nur selten zu Gesicht
und dann erst noch unter einer falschen Namensbezeichnung.
Der Handel nennt ihn in der Regel "Spalenschnittkäse". Die Bezeichnung
"Spalen" hat aber mit, der Art der Zubereitung und
Pflege des Käses nichts zu tun. Unter "Spalen" wird das Holzgitter
verstanden, in dem die alten Unterwaldner- und Schwyzersennen
den ein- oder mehrjährigen Reibkäse über den Gotthard in
den Tessin und nach Italien verbringen ließen. (Tätigkeitswort:
"einspalen", Spalenberg: Berg mit Prügelweg, Spalentor: Tor
mit Holzgitter.) Den Spalen folgte das "Röhrli" (Fäßli). Heute
werden die Spalenreibkäse offen oder in Säcken verfrachtet. Die
Käseleibe, die unter dem Namen "Spalenschnittkäse" im Inland
gehandelt werden, kommen mit den Spalen gar nicht in Berührung.
Sie sind auch nicht identisch mit den geschlossenen und
festen, exportfähigen "Spalenreibkäsen", denn sie werden weicher,
offener und mäßiger heiß geführt als diese. Ihr Teig muß gleichmäßig
gelocht sein. Die Löcher dürfen nicht mehr als 5-10
Millimeter Durchmesser haben. Die Leibe wiegen um die 30 kg.
139
Sie sind 12-15 cm hoch und haben einen Durchmesser
gefähr 50-60 cm. Die Farbe des Teiges ist hellgelblich.. -
allem muß sich der wahre Schwyzerkäse durch einen Fett
von 45 Prozent und ein baumnußkernartiges, tiefes Aroma
zeichnen, das ihn von jeder andern Käsegattung unterscheide. Es
geziemt sich, den rechten Namen des Schwyzerkäses einmal festzustellen,
weil er unstreitig die seltenste Art unter den Schweizerkäsen
ist und weil jene Sennen, die ihn einwandfrei zu fuhren
verstehen, bedauerlicherweise auf, genug gesagt, ein halbes
Dutzend zusammengeschmolzen sind. Es ist 'nicht ausgeschlossen,
-daß die Kenner vor dem Schwyzerkäse, der an die Qualität der
Mulche und die Kunst der Sennen die größten Anforderungen
.stellt, bald ,die letzte Verbeugung machen werden. Die "letzte
Verbeugung" haben wir gesagt. Die Käseesser werden einwenden,
der Verfasser dieser Zeilen habe den Schwyzer Alpkäse vergessen,
der in tadelloser Qualität vorhanden sei. Freilich kennen wir den
Alpkäse und schätzen ihn auch. Allein, er kann mit dem Schwyzerkäse,
den wir im Auge haben, nicht identifiziert werden. Der Alp-
'käse kann seinen zudringlichen Alpenmilchbeigeschmack, der dem
Aroma des Schwyzerkäses nicht ebenbürtig ist, unmöglich verleugnen.
Er haftet ihm auch an, wenn er ansehnlich alt ist. Der
Schwyzerkäse mit den eingangs erwähnten, Eigenschaften (das
Aroma allen voraus), stammt aus den Mulchen des zwischen
Alpen und Ebene gelegenen Milchgebietes, nennen wir Schwyz,
Steinen, Steinerberg, Arth, zum Teil auch Küßnacht, March, Ein-
-siedeln und das benachbarte Aegerital. '
Man nennt folgende Umstände, die die Qualität des Schwyzerkäses
beeinträchtigen. Die Hast der Käsebereitung während des
Krieges habe den Nachzug von sorgfältigen Käsen verhindert. Die
jungen Käser verstünden es nicht mehr, die Lab richtig zu führen.
Kraftfutter, Kunstdüngemittel usw. beeinträchtigen die Milchqualität
usw. Fachleute sollten sich diesen Fragen widmen, um
dem Schwyzerkäse wieder zum Recht zu verhelfen und ihm im
Handel und auf der Tafel neuerdings Eingang zu verschaffen.
Emmentaler- und Greyerzer-Käse behaupten ihre Namen auch.
Der erste ist sogar der eigentliche Repräsentant des Schweizer-
.käses im In- und Ausland. Der Schwyzerkäse wird sich in der
Parallele mit diesem sogar zu einem höhern Preis behaupten,
wenn seine Charakteristika gewahrt und landläufig bekannt sein
werden. Welche Käsesorten zieren die Tafel des Hotel und Restaurants
im In- und Ausland? Emmentaler, Greyerzer (dem Schwyzer
Alpkäse am nächsten), bel Paese, Camenbert, Roquefort, Tilsiter
und neuestens die verschiedenen Schachtelkäse mit und ohne Zutaten
(Trauben, Kümin, Kräuter, Yoghurt) usw. Der rassige, vollfette,
schnittreife Schwyzerkäse, dem wir den Namen Schwyzer,
Ratsherrenkäse gönnen möchten, fehlt fast überall. Ja, die Deut-
sehen kennen den Schwyzerkäse überhaupt nicht. Wenn man z.B•
.~inen Badenser, die bekanntlich den Käse als Gourmandise essen,
im Laden frägt, ob er Emmentaler- oder Schwyzerkäse wünsche,
antwortet er trocken: "Natürlich Schweizerkäse". Er denkt da
nur an .den Emmentaler. Soll das mit dem Schwyzerkäse so
bleiben?
Wohnungskündigung: Es gelten der 15. April und 15-
Oktober (Gallentag). Der Tag des Umzuges wird "Büntelitag"
genannt.
Wirtshausschilde: Auf meine vor ungefähr 10 Jahren erfolgte
Anregung wurden mehrere alte Wirtshausschilde mit hübschen
Eisenträgern, die auf den Winden versorgt waren, wieder
an die Hausfassaden gehängt. Schöne Wirtschaftsschilde befinden
sich an folgenden Gasthöfen: Dreikönigen, Pfauen, Goldener
Adler, Schweizerhof, Krone, St. Meinrad, St. Katharina, St. Josef,
St. Johann, Sonne, Rothut, Bären, Waage, St. Georg, Steinhock
und Weißkreuz, an folgenden Privathäusern: Anker, Goldener
Apfel, Dreiherzen. Einige Schilde von ehemaligen Gasthöfen und
Wirtshäusern, die jetzt Geschäfts- oder Privathäuser sind, stecken
vermutlich noch auf' den Winden der betreffenden Häuser, Z.13.
im Schlüssel, in der Ilge, im Adler.
S ta m m t i s c he: In einigen Restaurants besteht noch der Brauch,
Stammtische zu halten. Es sind dies gewöhnlich runde Tafeltische,
allerdings ohne beachtenswerten Stil. Sie werden in eine
heimelige Ecke gestellt. Besondere Aufsätze behufs Kennzeichnung
der Stammtische sind nur an zwei Orten bekannt. An die
Stammtische setzen sich in der Regel nur diejenigen Gäste, die
das betreffende Restaurant regelmäßig besuchen.
S ta 11aus se g n e n: Es erfolgt nach dem Erlöschen von Seuchen,
bisweilen auch nach Beendigung eines Neubaues.
All m end e n: Die Genoßsamen, deren es im Bezirk Einsiedeln
sieben gibt, besitzen Wald und Allmenden; Sie teilen den Genossen
nach Schluß der Jahresrechnung im Sinne der zuständigen
Genossenverordnungen jährlich das Treffnis aus der Holzrechnung
in Geld aus. Man nennt dies Treffnis den "Holzteil". Das gleiche
geschieht mit dem Streuetreffnis. Man nennt dies den "Streueteil".
Die Turbenteile werden an Grund und Boden verteilt. Man nennt
das den "Turbenteil". Die sog. Länderteile (Mattland), bisweilen
auch die Streueteile, werden entweder vergantet oder zugeteilt.
Genossen, die nicht Landwirtschaft treiben, verpachten den ihnen
zugeteilten Grund und Boden den in der Nachbarschaft wohnenden
Kleinbauern. Das Nähere ist aus Abschnitt "Ueberliefertes der
Genoßsamen" ersichtlich.
Z ins tag: Als Zinstag für Hypotheken aller Art (Schuldbriefe,
Ausrichtungsbriefe, Transfixe usw.) und in der Regel auch für
Darlehen, gilt der St. Martinstag, genannt "Martini".
l
h
Ra n gor d nun g amT i s c h: Der Familienvater sitzt in
Regel oben am Tisch, ihm zur Seite, entweder rechts oder .
seine Frau. Kleine Kinder sitzen neben der Mutter oder einer erwachsenen
Schwester. Eine weitergehende Rangordnung am TIsch.
ist nicht bekannt.
Fa s t e n s p eis e n: Als Fastenspeisen sind bekannt: Käsesuppe,
Käsekuchen (""Chäsdünne" genannt), Kartoffelfladen ("Ofenturli'
genannt), Chnöpfli und Suurchrut.
Hau s met zger: Beim Metzgen im Lohn macht der Hausmetzger
Blut- und Leberwürste. .
Kin der g e s c h e n k e im Lad e n: Der Metzger gibt den Kindern,
die den Eltern Botendienste besorgen ein Wursträderli, der
Spezereihändler einige Zuckerchügeli, der Zuckerbäcker einen
kleinen Schafbock.
K ö s c h übe r z ü g e: Farbiger Kölsch, in der Regel rotweiß
gespiegelter, wird sozusagen nur noch für Bettzeug verwendet,
z. B. für Kopfkissen und Flümli.
He i m a rb eit: Handseidenweberei und Leinenweberei. Ich verweise
diesbezüglich auf meine Abhandlungen in der Broschüre
"Einsiedeln " bei Benziger & Co., I9I7.
Korbflechten, um 1920 durch meine Vermittlung eingebürgert.
Handschuhnähen, Paramentensticken, Betlifaßen.
K r ä s c heu c h e: Sie wird mit alten Kleidungsstücken angefertigt,
die man über ein Holzkreuz hängt. Oben drauf setzt
man einen alten Hut. An die Kleider knüpft man rechteckige
Dachschindeli, die im Winde flattern und die Vögel verscheuchen.
Güll e f ü h ren: Die Güllenfuhr im Dorf ist nur an bestimmten
Wochentagen erlaubt. Das Bezirksamt erläßt hierüber jeweilen
ein Inserat in den Ortsblättern.
A s c he n sam m e l n : Den Aschensammler bezw. die Sammlerin
nennt man bei uns "Aschenpudel" bezw. "Aschenpudleni". Die
Aschensammler verdanken diesen Beinamen ihrem unordentlichen
Aussehen. Der Aschenpudel trägt in der Regel einen langen juteschurz,
der das pudelähnliche Aussehen noch verstärkt. Das
Sammeln der Asche hat einen doppelten Zweck: Befreiung der
Häuser VOll Unrat und Verwertung als Düngmittel. Bei Föhn
müssen die Wachen der Feuerwehr häuptsächlich in den Aschenröhrli
nachsehen, ob sie noch Glut bergen.
G ü s e l f uhr: Die Güselfuhr, die am Mittwoch und Samstag
'umgeht, kündet sich mit einer Schelle an, die am Hinterwagen
befestigt ist.
Sam m e I n a n der e r R ü c k s t ä n d e : Die Personen werden
genannt: Altysehudli, Fleischbeifrau, Liimpesamrnleri, Siitränkifrau.
R i n d v i e h zug: Ochsen, Stiere, Kühe und Rinder ziehen ausschließlich
am Joch.
Gel d ein h eitim Vi e h h a nd e 1: Im Viehhandel mit Kühen,
Mais- und Zeitrindern, Jährlingen und Stieren wird mit Napoleons,
genannt "Duble", gehandelt, Kälber, Schweine, Ziegen und
Schafe mit Franken.
Milch: Ungekochte saure Milch wird "Suffi", die Fettschicht auf
der ungekochten Milch "Niedei oder Ankemilch" , die auf der
gekochten Milch "Belz" genannt. Die Rückstände beim' Auslassen
der Butter nennt man .Anketruose". Erste Milch der Kuh
nach dem Kalbern .,Biemst".
Fe t t: Das ausgelassene Schweineschmalz wird "Schmär" genannt.
Maß und G e wich t: Von den alten Hohlmaßen gehört man
noch gelegentlich den Schoppen (4 dl), das Budeli (2 dl) und das
Quärtli (4 dl) nennen. Man sagt z.B. einen Schoppen Milch (dem
Kind den Schoppen geben), einen Budel Schnaps, ein Quärtli
Nachtlichtliöl. Von den alten Längenmaßen ist der Fuß gebräuchlich.
3 1/3 Fuß sind ein Meter. Man sagt z.B. der Karrweg muß
5 Fuß breit sein. Von den alten Flächenmaßen ist die Juchart
zu 1111 1 /9 Klafter 2 oder 4°,000 Fuß 2 oder 36 Aren heute noch
gäng und gäb. Mit den alten Körpermaßen handelt man selten,
sie heißen Turbenklafter = 72 Fuß 3i Holzklafter - 108 Fuß 3,
Heuklafter = 216 Fuß 3. Mit dem neuen Turbenklafter zu 74
Fuß 3, mit dem neuen Holzklafter zu 148 Fuß 3, demneuen Heuklafter
zu 296 Fuß 3 wird häufiger gehandelt. .
Fis c h art e nun d G r 0 p pe n: Die Bachforelle herrscht vor.
Sie wird von einigen Berufsfischern mit der Angelrute gefangen
und entweder in die hiesigen Gasthöfe verkauft oder nach Zürich
geschickt. Man sagt auch den Feckern nach, daß sie sich mit
dem Fischfang befaßen. Die Groppen werden von den Schulbuben
gefangen, entweder heimgebracht oder an Ort und Stelle
gebrätelt. Es besteht die Patentfischerei.
Fechten der Handwerksburschen: Diese Gewohnheit
besteht noch. Die Handwerksburschen fristen damit den Reiseunterhalt,
auf jeden Fall schaut das Schlafgeld für die Herberge
heraus. (Siehe Näheres im Abschnitt "Der rote Räppler").
Hau sie ren: Die ältesten Hausierartikel sind die Schwefelzündhölzli
in Rollen zu zwei Schächteli, die Wichsidrückli, ehemals
zu 10 und 20 Rappen und die SchuhnesteI. In neuer Zeit nehmen
die Hausierer allerlei mit auf den Weg. Um Weihnachten herum
hausieren Frauen mit Eierzöpfen.
Ge s und be te r: Wir verfügen über einen Gesundbeter, dem
viele Leute großes Zutrauen schenken. Kranke erklären, der
Gesundbeter behaupte, "er habe den Höchsten (Gott) in sich".
Der er s t e Zahn: Früher war es Brauch, den ersten ausgefallenen,
gebrochenen oder gezogenen Zahn entweder in .einem
143
Schächteli aufzubewahren oder ihn zu verbrennen. Es gab Leute•.
die glaubten, es geschehe ein Unglück, wenn man ihn wegwerfe
oder verliere.
Wall f a h r t sa n denk e n: Ich verweise auf den Abschnitt
"Wallfahrtsandenken" .
Ga nt e n: Wir kennen freiwillige und konkursamtliche Ganten
bezw. Steigerungen. Es handelt sich in der Regel um Mobilien
und Fahrhabe. Als Verganter wirkt eine offizielle Person, die
gewandt ist im Anpreisen. Gegenwärtig ist es in der Regel der
Gerichtsweibel. Die Gantware wird in einem Wirtshaus oder
vor dem Wohnhause des Eigentümers zur Besichtigung ausgelegt.
Man vergantet mit dem Ruf "Zum ersten, zum zweiten und
dritten Mal". Wer vor Abschluß des dritten Rufes am meisten
bietet, bekommt das Gantstück gegen Barzahlung.
W e t t er gl ö c k lei n: Ich verweise auf die Abhandlung "Segnungen
und kirchliche Bräuche", die 1934 als Beilagen der "Neuen
Einsiedler Zeitung" erschienen sind.
His tor i s c he Sc h i e ß e n: Als solche sind der Rütli- und,
der Morgartenschießet bekannt. In der Regel nimmt von hier eine
Sektion daran teil.
J e r ich 0 r 0 se: Die Jerichorose wird am Weihnacht· Heiligabend
in ein Glas Wasser gelegt. .
Ab end rot: Wenn vor Weihnachten das Abendrot aufleuchtet,
sagen die Mütter zu den kleinen Kindern ,,'s Christchindeli tuot
i de chlyne Chinde bache",
Freinacht am Neujahrstag: In der Neujahrsnacht wird
die Polizeistunde in der Regel bis um 2 Uhr verlängert.
Wetterregeln:
Hat der Mythen einen Hut,
bleibt das Wetter gut;
hat er aber einen Degen,
gibt es sicher Regen.
"Wänns am Morgä rägnet, hörts gly üf", gleichbedeutend WIe:
"ä früehe Bättler goht nüd lang". ,
Sc h n i t z e I ban k: Ueber lustige Ortsereignisse wird gelegentlich
an der Fastnacht eine Schnitzelbank veranstaltet. Bei Hochzeiten
kommt es auch hie und da vor, daß ein Bekannter des
Bräutigams oder der Braut Jugendereignisse des Brautpaares
in einer Schnitzelbank darstellt.
Re gen bog e n: Unsere Leute behaupten, der Regenbogen sei
das Vorzeichen schlechten Wetters. Je vollkommener derselbe
ist, umso ungünstiger lautet ihre Prognose.
Na m end e r Wo 1k e n: Kleine weiße Herden = Schöfli, weiße
hochstehende Ballen = Stützwoule (Wolle), langgezogene, Regen
bringende Schleichwolken = Fische.
144
r
Spinrie:
Spinne am Morgen,
Mühen und Sorgen.
Spinne am Mittag,
Freude am dritten Tag.
Spinne am Abend,
Erquickend und labend.
Pflanzen zu Teebereitung: Spitzgras, Frauenmänteli, Silbermänteli,
Lindenblätter, Vermouthblätter, Storchenschnabel,
Pfeffermünzblätter, Weißer Klee, Johanneskraut, Kamillen.
Na sen b lu t e n: Volkstümlich wird das Nasenbluten gestillt,
indem man dem Patient Wasser in den Nacken schüttet. Der
Schreck soll den Blutandrang unterbrechen.
Mit tel g e gen He i m weh: Gesegnetes Agathabrot in die
Fremde mitnehmen.
J iin g s t e r Tag: Bei der Schuljugend gehen von Zeit zu Zeit
Gerüchte um, an einem bestimmten Tage, der genau bezeichnet
wird, gehe die Welt unter.
Ohr r in ge der Mä n n er: Kleine, einfache Ohrringe werden in
der Regel von Feckern getragen. Es gibt aber auch Bauern, die
kleine Ohrringe tragen. Sie erklären, sie seien gut gegen die
Kurzsichtigkeit.
Kir c h g a n g s t r ach t: In der Prozession tragen die Jungfrauen
entweder ein weißes Kleid und ein weißes Kränzchen in den
Haaren oder ein farbiges-Festtagskleid und ein weißes Kränzchen.
Eine besondere Kirchgangstracht gibt es nicht.
Was die Bekleidung anbelangt, verweise ich auf meine Publikationen
"Die ländliche Kleidungsart", Heimatschutz Basel 1921 und
"Die Schwyzertracht", Beilage zur "Neuen Einsiedler Zeitung"
1933·
S chi 1d b ü ge r s t re ich e: Bei uns werden hauptsächlich die
Gersauerstückleia erzählt, deren eine große Zahl bekannt sind.
Er wer b, Sie d Iu n g USW.: Siehe meine Abhandlungen "Der
Stausee im Sihltal" , Heimatschutz I und II, Hefte 4 und 5, i93I,
ferner "Unsere Siedlungen", Beilage der "Neuen Einsiedler Zeitung",
1931.
Schwing- und Aelplerfeste: Siehe meine Abhandlung
"Gegen die Verarmung der schweiz. Schwing- und Aelplerfeste",
"Neue Zürcher Zeitung", 1923, ferner: "Mit 'm Lieni z' "Alp",
Beilage der "Neuen Einsiedler Zeitung", 1929.
Na me n k und e: Siehe meine Abhandlung "Zur Namenkunde in
Haus und Hof", in "Neue Zürcher Zeitung", 1924 In nächster
Zeit werden in den Beilagen der "Neuen Einsiedler Zeitung"
weitere Sammlungen folgen.
145
c
4. Zeitvertreib unserer Schuljugend.
Unsere Schuljugend unterhält sich ,ßou dr Schuol" auf manni
fache Art, nützlich und meisterlosig. Mit den Anschlagspiel
werden die Parteien gebildet. Die Mädchen unterhalten sich hanp -
sächlich mit Spielliedern, Reigen und drgl. Bei den 'Buben sind
besonders die Partei- bezw. Wettspiele beliebt. Die freien Unterhaltungen
zeichnen sich manchmal durch schöne Originalität
aus. Dienstfertigkeiten und häusliche Arbeitsleistungen bringen
leicht einige Batzen ein. Boshafte Bubenstreiche und üble Gewohnheiten
sind nichts weniger als selten.
Viele Uebungen gehören der Vergangenheit an, viele sind heute
noch im Gebrauch. Wir zählen sie hier zwanglos auf, ohne den
Beschrieb, die Spielregeln und die Interpretationen beizufügen.
I. Ans c h l a g s pr ü h e. Anschlagen, Aar Paar Guggus; SeIlerli
Sellerli Sieberli Ssa, Rippidi Rappidi KnolI; Paar oder
Unpaar? Chrälleli uuf Chrälleli ab, chauf mr au äs Bäseli ab;
ABC d' Chatz lauft übere See; Oepfl, Bire, Nuße, duße; Ich und
du und 's Müllers Suu und's Bäckers Stier, sind üsr vier;
Buoche, suoche ... , Tanne, fange ... ;Chügeli Chügeli roet, du
bist toet..
2. Spielsprüche und -Liedlein. Joggeli goht go Bire
schüttle, d' Bire wend nüd falle ... Chämifägr schwarze Ma ...
Annebabeli lupf di Fuoß, wän i' mit dr tanze muoß ... Ene dene
Tintefaß, goh i d' Schuol und lerne was ... Dou bohri äs Loch,
dou han'i eis, dou bruuch'i ä keis, Chrälleli uuf, Chrälleli ab,
chauf mr au äs Bäseli ab,.. Alts, alts Gröiseli, dörfed mir uuf
d' Gaß ... Ueseri Chatz hät Jungi gha ... Hüppe, hüppe Rösseli . ~.
Balle Balle sag mir doch... Chum mir gönd goh wandere ...
Ora pro nobis, Chrut ischt kei Chabis... I predige was i weiß
von äre alte Mutschigeiß . .. Det obe uuf 'm Bärgli, stoht än
alti Geiß... Es rägelet, es schnyelet, es goht ä chalte Wind ...
Uesri Chatz hät Jungi gha, siebni in're Zeine... Jsebahn, Jsebahn
Lokomotiv, wan i äs schöns Maiteli gseh ... Mülleri hät
si hät... Dr Lunzi chunt, dr Lunzi chunt... Meired heb's Bei
grad. .. Do äs Plätzli, det äs Plätzli, Härzigs Aengeli, Rosestängeli
. .. Adam hatte 7 Söhne... Es Beckeli Kafe und Zucker
dry, hinne uuf e Wage und furt mit dir... Es chunt eHer
mit eim Pantoffl ... Dreimal um den Kessel, weiß ich gar nicht
wo . .. Kommt ein Vogel geflogen... Zeigt mir eure Hände,
zeigt mir eure Schuh, .. Ueseri Bäsi Dorothe, mit lange Füeße ...
Hoorus, zuem Tor uus! Ryte, Ryte Rösseli, z' Bade stoht es
Schlösseli ... Chum mir gönd goh wandere, vo einer Stadt zuor
andere. .. Ruedi vertue di... Annemarieli, Zuckerbieli .... Dry
hölzig Halbbatze und ä glesigi Chueh ... Döcklbabeli dai dai dai,
hinicht chunt dr Dädi hei... Aengeli träge, niemertem säge ...
3 -.Par t e i- b e z w. W e t t s pie I e. Niggele, Kapulatuder, Stickle,
Süli hüete; Ballenschlagen, Eggballnen, König schickt Soldaten
aus, Bockgumpe. Marieehen saß auf einem Steiri,ScWeudern,
Jagis ha, Bergisha, Blindekuh, Seiligumpe, Ringel-Ringelreihen,
Plumsack goht urne, lueged nüd urne, Chügele, Rieseln, tütsche
oder im Kreis mit 'm Bölli noä tröle oder enand töde (butzig),
Seilziehen, Sackgumpen, Klettern, 2 Parteien mit Schneeballen,
Chöpferöllizieh, Schuob, Räuber und Perrücken, Himmel-Höll-
Fäckfür, Schinkechlopfe, Eggetusche, Adam hatte sieben Söhne
(ein Ringelspiel), Paarspringen, Es kommt ein Herr mit einem
Pantoffel ... (Mädchenspiel), Blauer blauer Fingerhut, steht dem
Mädchen gar so gut .., Willst du dein liebes Kind verkaufen?
Chum mer wend goh wandere, vo einer Stadt zur andere, rirarum,
und wänn dr Kaiser ... Farbenjagisäha, Fuchs aus dem Loch,
. Räuberlis mache, Soldatisäha, Buobeschlachte, Chnöpfle, Ringele,
Tützle, Chappetuusch, Muttele. Würfele, Häggle,Schärze bezw.
borzge, Chnödlistoße, Philippine mache, Himmel und Höll, Es
pöperled, es pöperled ... , Dure krüppled Wald, Farben angeben
und eines raten, Engel und Teufel, Vögel angeben und eines
raten, Hühner verkaufen, Kreis bilden und eines raten.
4. a U n t e r h a l tun gen. Rößlisäha, Müetterlisäha, Drach loe
styge, Vogelbeeriblasen (aus Engelwurz) (angelarchis), Maiepfyfe
schnyde, Waldhore mache, Stelzenlaufen, GeisIe chlepfe, Chlefäle,
Härdöpfl brötle, Groppne, Schnee burgen machen, Lusthüsli mache,
Kreisel, Sprungübungen auf Schlittschuhen, Geisgüge, Schienholz
suchen, Grasbrennen in den Turbenmooren (Steppenbrennen),
über die Turbenlöcher gumpen, Fürtüfel wärfe, Chäpsli abloh,
. Chlepfer zieh, Furzäre mache (Taraxacum officinale, Löwenzahn;
Ankenblume), Obladen betteln (beim Pförtner Klemenz), in den
Gunten der Alp chräsle, Marken sammeln, im "Schnee Gärten
ausschaufeln, Höhlen im Schnee machen, Gygerößlinäh, Blumen
pressen, goh schume (kühwarme Milch trinken), Laimandli mache
(Lehm), seidene Zwick betteln, Sübloutäre bättle, Häxemache
(mit Blumen), Schnee azünde, Barfuß laufen, Gunten (Tümpel)
mache, Im Schnee wattle, Wälle tröle, Schlyfene mache, Uf'm
Hosehindr aberyte, I d' Suurhampfere goh, trumme, Mit Garn
und Schnüren Figuren herstellen (Wiege), Ratsspiele (die gute
Magd), Mutschele, Ballspiel mit einem kleinen und großen
Examen, Seiligumpen, Seifenblasen, Hürlibuob (Knopf mit Zündhölzli),
Blächpfyffli House (dem Schwäfelpfyffli nachgemacht],
-ocarina spielen, i d' Schneeglöggli goh, i d' Häntscheblüemli goh,
.i d' Alperose goh, Rüetli haue, Gruppenweise vor' die Schaufenster
der Läden stehen und die Gegenstände im Geiste unter
einander verteilen. '
"Ghüüs abhole". Am letzten Sonntag im August beginnt die
Kirchweihe, die 3 Tage dauert. Während der vorangehenden
147
Woche bringt die Südostbahn auf offenen· Güterwagen die beräderten
Wohnungen der Schaubudenbesitzer -ins Hochtal. Die
Schulkinder nennen einen solchen Wagen "äs G'hüüs". Sobald
sie das "G'hüüs'" im Rabennest sichten, gehen sie scharenweise
an den Bahnhof. Früher wurden die Wagen mit 4 bis 6 Pferden
durch die Hauptstraße auf den Brüel gefahren. Jetzt zieht sie
der Traktor. Die kleinen Kinder laufen hintenher und rufen
"äs G'hüüs, äs G'hüüs". Da die Meinung über das Innere eines
Wohnungs wagens nicht die beste ist, fügen sie bisweilen folgende
spöttische Bemerkung bei: "äs G'hüüs mit siebe Lüüs". Nachdem
die Schießbuden an der Kirchweih 'den Platz geräumt haben,
durchsuchen die Buben den Erdboden nach Flobertkügeli.
4.b Alte Ger ä te und Ge gen s t ä n d e. Bär = alter Kinderreitschlitten
aus 2 harthölzernen Brettern als Kufen und einem
Brett als Sitz zusammengesetzt, vorn ein Rundeisen mit Ringen.
Geiß = typischer Einsiedler Reitschlitten. Rollehegl = länglicher
Griff aus Holz mit Klingenfeder und breiter Klinge. Titebabi
= Puppe im Tragkissen aus einem Scheitehen geschnitzt und
primitiv bemalt. Huchhelgli und Amedeli = Geschenke der
Kapuziner an Kinder. Pfingstegugger und Pfingsteschälle, Trümpi,.
hölzig Schlyffschueh, Stelze, Schulsäcke aus Jute mit Hirsch
bemalt.
5. Dienstfertigkeiten undBeschäftigungen. z'Märcht
goh (Bootendienste), d' Gatter uuftuo (die Gatter auf der Viehweide
öffnen), d' Göfferli träge, turbne, Turbe ablade, Roßmugele
und Chüedräck zämänäh und verchaufe, schyte, is Laub goh,
Streusand in der Sihl holen und verkaufen, is Holz goh, i d' Haselnuße
goh, i d' Beeri goh, Beeribützl sammle, is Chris goh,
i d' Tannzäpfe goh, im Schopf aufräumen, is Fahrechrut goh,.
i d' Stächpalme goh, i 'd' Wydligoh, d' Sütränki holä, goh hälfe
lüte, ministrieren, d' Fähndli träge, Weihrauchfäßer tragen, mit
'm Schneesclinützr wäge, 'Schnee in die Alp hinunter führen,
Zeitungen vertragen, Weg und Läden zeigen, Ziegl büte.
6. aBo s haft e Um tri e b e und ü b l e Ge W 0 h n h e i te n,
Vogelnästli usnäh, Chatzeschybli ischlo (mit Steinen oder mit
der Schleuder), Chrottte brittle, chlebrige Bolzen werfen, Meerröhrli
rauchen, Hummel und Hornußen fangen, mit Feckern
aufs Leim gehen (den Singvögeln Leimruten stellen), an den
Hausglocken läuten und davonspringen, Schneeballen auf die
Firmenschilde werfen, züsle, Katzen strecken, i Aprille schicke:
(für ne Füfer Ibidum, Märzefüli und Maietschupp und Aprillenarr),
kleine Kinder fürchten machen mit dem Zuruf "i loh dr d' Ohre
loh stoh", Händschli amäße, alt Jungfäre plouge, änand Sand
arüehre, uuszänne (mit der Zunge oder mit den vor die Nase
gehaltenen Fingern), auf dem Brüel Kühe melken, Internen necken
("Chräh, Chräh" rufen), Heustöffel fangen (Heuschrecken), d'
148
Spannig uftue, d' Spannchettäne ufschloh, einem andern rücklings
die Augen zudecken, 's Veh usloh (auf der Weide), i andäre
Schnüer spanne, daß s' stürchled, durch Brenngläser in die
Sonne schauen, d' Huusschlüssel abnäh, Schnecken sammeln
(Schnägge Schnägge Höreli, streck dini alli vier HöreJi, odr
i,mörd di odr i töd di odr i lou di lou doure bis übermoure),
Gäldseckel zieh, Meersüli halte, Faltern fangen und pressen,
schleudern, Fürli amache, in 's Obst gehen (in der Höfe Obst
betteln), Tanneharz uusbränne, Schraps.betteln (Konditoreiabfälle),
Baumrinde chafle, Räubergeschichten lesen, Turbegüsl rauke,
Niele rauke, Rüebli stähle, Holzöpfl äße, änand Roßmugele
arüere, die Folen auf der Weide herumjagen, Pulver abloh,
öppis g'schände, Süüschärlig und Milchlig stähle, änand im
und änand verschloh, änand aspeuze, dr Wyer uusloh, Bierfäßli
verbärge, Tafäre verstelle, änand Uebernäme gäh, anand im
Brunne tünkle, Latärne lösche, d' Schlüssellöcher verschoppe,
Dohle und Brünnä verschoppe, d' Ständligure blouge, den
Elsäßern in der Kirche die Haubenbänder an die Bank binden,
den Pilgern am Frauenbrunnen das Nastuch an eine andere Röhre
hängen, Necknamen in den Schnee schreiben, Wydechätzli haue,
Fraueschüehli hole, Ysäße.
6.b Alte Schulstrafen. Etwas 100 Mal abschreiben, nou
dr Schuol dobe hocke, usechnüe, usechnüe und d' Arme spanne,
usechnüe und 's Hindr spanne, Tatze anäha (auf die flache Hand
'oder auf die Fingerspitzen), nüd styge (nicht in eine obere Klasse
nachrücken) .
6. c Alt e War nun g s ruf e der L ehr e r. Ihr Tormänte, ihr
Ekerlänte, du Schönäli.
7. Fremde Ueberraschungen. Dudelsackbläser. Savoyarden
mit Kamelen, Bären und Affen, Deutsche Straßengeiger und
-Sänger, Italienischer Straßenmusikant mit der großen Trommel
auf dem Rücken, dem Glöcklispiel auf dem Kopf und mit der
Handorgel, Drehorgler, Seiltänzer (Seil vom Rathaus gegen den
"Hirschen" gespannt). '
.5. Ueberliefertes der Genoßsamen. (Flurgenossenschaften).
Die Genoßsame kann im allgemeinen als das betrachtet werden,
was in andern Kantonen die Bürgergemeinde ist. Im Bezirk Einsiedeln
bilden die Bürger des Dorfes und der beiden Binzen die
Genoßsame Dorf-Binzen. Jedes der sechs Viertel besitzt eine
eigene Genoßsame. Nach dem Teilungsinstrument des Jahres
1849 muß das Genossenvermögen ungeschmälert bleiben. Vermögensverschiebungen
sind in folgenden Fällen statthaft: zum
Verkauf von Grund und Boden, Gebäuden und Kapitalien, zum
149
Ankauf von Grund und Boden und zur Vornahme von Bodenverbesserungen.
Der Erlös von verkauftem Grund und Boden.
Gebäuden und Kapitalien ist im "Landverkauffond" als unveräußerlicher
Gegenwert zinstragend anzulegen. Das Eigentum der
Genoßsame umfaßt folgende Naturalien: Länderteile, Torfboden,
Streuerieter, Waldungen, Weidgang, Gebäude. Sie befaßt sich.
auch mit Lehengütern. Der Gebäudebesitz setzt sich aus Zweckund
Nutzbauten zusammen. Die Nutzbauten bestehen aus den.
Anrechten an den Pfauen-, Sonnen- und Ilgenständen am Hauptplatz.
Die Genoßsame besitzt auch Atzungsrechte und ein Recht
am Rathaus. Die Nutznießung besteht in den Barbeträgen der
Holzrechnung, der Streuerechnung, der Länderteilrechnung und
der Torfrechnung. Vor der relativen Güterzusammenlegung ergabsich
die Nutznießung je aus einer Naturalzuteilung nach Zivilstands-
und Altersklassen, die in der Genossenordnung genannt
sind. Die Einheit war das Klafter. Den Genossen, die nach fremden
Weltteilen auswandern, werden Auskaufsbeiträge verabfolgt.
Die oberste Rechtsinstanz ist die Genossengemeinde, Verwaltungsinstanz
der Genossenrat.
Im Rahmen dieser Schrift sind folgende überlieferte Einzelheiten
b-eachtenswert: Das den Genossen zugeteilte Land darf nicht
geäzt werden. Der Gegensatz zu Großvieh ist Schmalvieh. Zeitrinder
sind solche Rinder, welche im April zur Zeit des Anzeichnens
geschoben haben; Rinder, welche um diese Zeit noch
nicht geschoben und vor Jakobi ein Jahr alt werden, sind Maisrinder,
jüngere sind Kälber. Der Ertrag 'des Wies- und Weidlandes
wird nach Kuhesset berechnet. Holz und Streue werden
öffentlich vergantet.
Unter dem Begriff "offenes Land" ist der Teil für die Kartoffelpflanzung,
unter dem Begriff "ödes Land" ist der Teil gemeint;
der nach der Bepflanzung mit Kartoffeln in Wiesland übergeht.
Der Viehauftrieb auf dem Brüel (Allmend) uriterliegt im Frühling
einer Auflage, ein Franken pro Stück und Tag, im Herbst, in
der Regel von Jakobi bis Moritz, ist er unentgeltlich. Die Frühjahrsatzung
ist bedeutend wertvoller als die Herbstatzung. Die
Genossen dürfen Kühe, Karroße und Metzgschafe auftreiben.
Die Bevorzugung dieser Vieharten läßt sich folgendermaßen erklären:
Milchkühe sind am Nutzen, die müssen deshalb früh mit
Grünfutter gehirtet werden. Karroße haben bei den Trämelfuhren,
hauptsächlich zur Zeit der Schneeschmelze, die hartes te
Arbeit geleistet, sie müssen sich deshalb !ffi Frühling auf der
Weid ein wenig erholen können. Die Metzgschafe sollen auf
Ostern und Pfingsten gesundriechendes Fleisch liefern.
Bis in die 1860er Jahre haben sich bisweilen vor Jakobi um die
30 Genossen der Binzen und Viertel zusammengetan und dem
Stiftsstatthalter angeboten, den Brüe1 unentgeltlich zu mähen.
Auf diese Weise soll es vorgekommen sein; daß der Brüel in
einem, höchstens zwei Tagen abgemäht war. Die Uebung hat
zwei Vorteile gehabt. Einerseits konnten die Genossen im Herbst
bei Zeiten auftreiben. Anderseits ersparte sich die Stiftsstatthalterei
Arbeitslöhne. Das Atzungsrecht auf dem Brüel ist von
sozialer Bedeutung. Es nützt hauptsächlich den Genossen, die
nur eine oder zwei Kühe besitzen und dieselben 'im Sommer auf
keine Hochweid treiben können, weil sie die Milch im eigenen
Haushalt brauchen. Nach dieser Richtung ist auch die bekannte
Randbewohnerfrage des zukünftigen Sihlsees zu erklären. Der
Sihlsee verschlingt Genossenboden, von dem bis anhin Teile an
Kleinbauern billig verpachtet wurden. Außerdem hat das große
Siedlungswerk viel Grund und Boden der nahen und entfernten
Randzone beansprucht. Den Kleinbauern wird also in Zukunft
manche alte Pachtgelegenheit entgehen. Die Bedeutung der Brüelatzung
ist folglich aus diesem Grunde größer als je. Zwar besitzen
die Randbewohner,im weitern Sinne des Wortes die
Kleinbauern, gegenüber den Genossen anderer Erwerbsgruppen
und Erwerbsklassen kein Privileg auf die Pacht der Länderteile.
Ihre Vorrangstellung ist nur Gewohnheit, die sich einbürgerte,
weil die Pacht der Länderteile der Genoßsamen dem Kleinbetrieb
besonders gelegen kommt und weil die Kleinbauern diese günstige
Gelegenheit im eigenen Interesse nie verstreichen ließen. Insoweit
ist die Randbewohnerfrage ein wirtschaftlicher Ortsfaktor,
dem man anderswo nicht gleich begegnet. .
Ueber die Hilfe an Auswanderer weist sich der Genossenrat in
der Amerikaner Rechnung aus. Im Jahre 1905, also' vor 30
Jahren oder 30 Jahre nachdem die Auswanderung den Höhepunkt
erreicht hatte, zeigt die Rechnung Fr. 2130.- Auszahlungen an
18 Auswanderer, meistens im Alter von 22 Jahren. Damals waren
ungefähr 700 Genossen und Genossinnen nutznießberechtigt, die
Viertelsgenoßsamen nicht in Betracht gezogen. Mit Hilfe der
Genoßsamen hat sich hauptsächlich in den Vereinigten Staaten
von Nordamerika ein Stück Einsiedeln in neuer Form entwickelt.
Wer zählt die Tausende von Abkömmlingen ausgewanderter Einsiedler
? Vor genau 100 jahren reisten viele auf Segelbooten in
die neue Welt hinüber.
In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, als sich die Auswanderung
nach Amerika am lebhaftesten gestaltete, war es
Brauch, daß 20 bis 30 junge Leute beider Geschlechter die Reise
gemeinsam antraten. Die Gruppen wurden jeweilen von den
Familienangehörigen über den Schnabelsberg nach Schindellegi
und den alten Karrweg hinunter nach Richterswil begleitet. Viele
Auswanderer sind verschollen oder nachrichtenlos abwesend.
Nach Amerika bevorzugten die Auswanderer hauptsächlich Frankreich
und Australien. Wenn jeweilen ganz allgemein übet das
Schicksal der Einsiedler in Amerika gesprochen wurde, sagten
kundige Mitglieder unseres Waisenamtes : "Es ist schon mehr Geld
hineingeschickt, als herausgeschickt (zurückgeschickt) worden".
Diese Auslegung des Sachverhalts kann leicht ein falsches Bild
erzeugen. Man denke nur daran, daß der Erbgang, um diesen
handelt es sich, in der Regel viel häufiger vorwärts läuft, als
rückwärts. Da nun die meisten Nachkommen der ehemaligen Auswanderer
in Amerika bleiben und in den meisten Fällen sogar
das dortige Bürgerrecht erwerben, liegt es auf der Hand, daß
auch ihre Nachlassensehaften in der "neuen Welt" verteilt werden.
Man braucht im besondern nur an den Stamm der Benziger zu
denken, die in New-York, Cincinaty und Chicago die Firma
"Benziger brothers" gründeten und die nicht nur keine Subsidien
aus der Heimat beanspruchen, sondern die wohltätige Institutionen
der Waldstatt sogar lebhaft unterstützten. (Ueber die Einsiedler
in der Fremde gibt ein Aufsatz des Lehrers Meinrad Kälin in
der Jubiläumsnummer des "Einsiedler Anzeigers", 19°9, Aufschluß).
6. Von den Kleidern.
Wenn man die Wandlung der Kleider des Landvolkes verfolgt,
bemerkt man leicht, daß das Festtagsgewand unbarmherzig dem
Wechsel der Mode unterworfen war. Es mußte sich gelegentlich
willkürliche Kombinationen gefallen lassen. So zeigten sich bisweilen
in ein und demselben Stück Bestandteile der alten Landestracht
oder eines Stilkleides und Zeugen alter Zutaten in neuer
Aufmachung usw. Der Werktagsrust, im engem Sinne das Arbeitskleid,hingegen,
hat sich viel länger mehr oder weniger vollständig
behaupten können, wenn auch zutrifft, daß er seit 1890 praktisch
erledigt ist. Was wir an der Trachtenschau in Einsiedeln im
Sommer 1929 zeigten, fällt nur als eintägige Demonstration gegen'
über dem geschmacklosen Arbeitskleid der Gegenwart in Betracht.
Wenn man jene Vorbilder jetzt nur besser verstünde und Abbilder
nur nicht mehr priese. Ich las kürzlich unter dem Bild eines
Unterhaltungsblattes : "Schwyzer Büblein im blendend weißen
Hirtenjäckli". Diese Betrachtung ist weich wie Anken, aber unecht
wie eine Papierblume. Wir kennen gar kein "Hirtenjäckli", sondern
nur ein "Hirthemd". Anderswo wurde gefragt, warum die
Bauernjungfer ein Halstüchli trage, ob sie Halsweh habe? Das
gevierte und enggespiegelte, als Dreiecktuch zusammengefaltete
Halstüchli, das, beiläufig bemerkt, hierzulande einige Jahrhunderte
lang im Handwebstuhl gewoben wurde, galt als Schmuck des
Werktagskleides für den Gebrauch am Sonntag, so auch das
gestrickte Halskrägli, die gemusterten Wollstrümpfe, die Arm-
• I
'bändel und die Halbschuhe. Versagen wir uns weitere theoretische
Betrachtungen und gehen wir zum Beschrieb über:
Die Wer k tag s t ra c h t der Fra u e n.
Es gibt eine 'schwyzerische ländliche Werktagstracht, die praktisch,
widerstandsfähig und anmutig ist, nämlich die Werktags-.
tracht, wie sie in den öoer und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts
in unsern Bergtälern gäng und gäb war. Verdrängt
wurde sie dort nicht etwa von Kleidungsstücken,'die praktischer,
stärker und würdiger sind, sondern von falscher Scham und
Unwissenheit des Volkes. Das Volk von heute bestätigt diese
Tatsache eindeutig; denn es erklärt schnippisch: "Diesen alten
Hudel trage ich nicht!" Wenn das die Großmutter hörte, der
wir die ersten Lehren der Kinderstube verdanken! Achtung vor
jenen Leuten, die es verstehen, sich mit einem wirklich vornehmen
modernen Kleid zu schmücken. Allein, in den Bergtälern
versteht man das eben selten, weil man den vermeintlichen
"alten Hudel" manchmal wahllos gegen einen wirklichen "modernen
Hudel" eintauscht. Beispiele und Gegenbeispiele in Bildern
zu zeigen, wäre eine leichte Sache. Doch darum handelt es sich
hier nicht. Beschränken wir uns darauf, die ländliche Werktagstracht
für Frauen und Männer kurz zu beschreiben, und zwar
I. nach Stoffgattung, 2. nach Schnitt, 3. nach Muster und Farbe.
S t 0 f f g a t tun g. Im Sommer trugen die Frauen und Töchter
einst den sog. Ginggangrock aus handgewobenen Leinen. Wenn
die Frau im weiten Ginggangrock daherlief, machte die Schleppe
schwingende Bewegungen. Daher der Name des Rockes. Der
Leinenstoff ist bekanntlich sehr stark. Er behält die Farben
. dauerhaft gut. Die alten handgewobenen Leinenstoffe waren aber
nicht geschmeidig. Sie fielen in der Falte steif. Erst nach mehrmaligem
Waschen wurden sie einigermaßen weich. Die moderne
Leinenweberei hat alte Stoffe mit Geschick als Vorbilder gewählt.
Sie verwendet aber aJs Zettel einen soliden Baumwollzwirn
und als Eintrag gebuchtes Flachsgarn. Werden diese halbflächsigen
Gewebe vor dem Verkauf noch nach besonderm Verfahren
ausgewaschen, so sind sie von Anfang an geschmeidig. Die Halbleinenstoffe,
welche z. B. von der Handwebere Langnau i. E., von
der Handweberei Oberhasli in Meiringen und andern Geschäften
in großer Auswahl in den Handel gebracht werden, eignen sich
vorzüglich für die Anfertigung von Gstältliröcken und Bändelschürzen.
Für Frauenhemli wurden einst schwere Leinen verwendet.
Leichte Leinen tun den Dienst auch, sie sind angenehmer
zu tragen. Als Kopfbedeckung brauchte man den sog; Schlapphut
aus Stroh, mit einem Bändel um den Kupf. Fußbekleidung:
Riemenschuhe mit Socken oder mit Stutzen nach Schächeritaler
Art oder breite Halbschuhe mit hoher Zehenkappe und Strümpfe.
153
Im Winter trugen die Frauen Kleider aus selbstgewobener Schafwolle.
Diese Röcke aus Selbstgewobenem . sind unverwüstlich,
aber sehr schwer. Man begreift es, daß sie in der schwersten
Qualität nicht mehr gern getragen werden. Als wir im Sommer
1925 alte Wollröcke kauften, um die Gruppe "Waldlüt vo Einsiedle"
für die landwirtschaftliche Landesausstellung in Bern
auszurüsten, kam ein altes l\1üetterli mit einem noch älteren
Wollrock auf dem Arm zu uns und fragte: "Könnt Ihr diesen
Rock brauchen; er ist zwar nicht mehr heutig, ich habe ihn
gläublich 30 Sömmer zum Turbnen getragen". Wir ließen den
Rock chemisch waschen und rüsteten damit eine stattliche Dorfjungfer
aus, die an jenem feierlichen Sonntag in der Stadt Bern
herumzog. Ist das nicht währschaftes Zeug? Die moderne Weberei
hat es verstanden, den gefürchteten Nachteil des Gewichtes zu
beseitigen. Sie verfertigt Stoffe aus Schafwolle und Baumwolle,
die sie "Beiderwand" nennt. Sie bringt ihn in leichter und schwerer
Zusammensetzung, lose oder dicht geschlagen in den Handel.
Dieser Stoff gibt warm und ist dennoch verhältnismäßig leicht.
Verständigen Leuten muß er gefallen.
S c h n i t t. Gerade Linie und Bauernkleid passen wie die Faust
auf. das Auge. Als Bauernkleid gilt der sog. Gstältlirock (Gstältli
und Rock ein Stück). Das Gstältlikleid verlangt hohe, bezw. kurze
Taille, so daß der Stoff bequem anliegt. Das ärmellose Gstältli
hat einen runden, ziemlich hochgeschlossenen Halsausschnitt.
Vorn ist es mit einer engen Reihe (in der Regel IO) weißen
beinigen Knöpfen geschlossen. Der Rock soll hinten und auf
beiden Seiten angezogen sein. Man kann es sich ersparen, daß
er, wie der alte Bauernrock, mehr als zwei Meter Spannweite hat.
Es tut's an einem verhältnismäßig engern Faltenrock. Schlanke
Frauen wählen den sog. Tonnenschnitt, vollschlanke den Glockenschnitt,
aber weder diesen noch jenen in der Uebertreibung. Der
Saum reicht auf Fesselhöhe. Man glaube uns: Es gelingt, das
Bauernkleid elegant zu schneiden. Nur keine Schneiderin eigenmächtig
zuschneiden lassen, denn das typisch Schweizerische und
Persönliche ist unter der Schere einer Unkundigen rasch verwischt.
Die Aermel des sömmerlichen Leinenhemlis sollen kurz
sein, mit oder ohne Zug, diejenigen des Winterhemlis lang. Das
Umlegkrägli des Hemlis ist ungefähr 3 Zentimeter breit. Es schützt
Hals und Nacken gegen Reibungen und dient auch als Decor,
Umlegkrägli und Hemliärmel sind mit einem einfachen Festonspitz
geschmückt. Der Bändelschurz muß breit, geradlinig, angezogen
und ungefähr 10 Zentimeter kürzer als der Rock sein,
Das Bundband ist 3-4 Zentimeter breit.
Mus te run d Fa r b e. Für Frauenkleider wähle man unbedingt
nur kleingemusterte Stoffe. Sie sind praktischer und putziger und
154
\
wirken vornehmer als die großen Muster. Zudem entsprechen
sie der Tradition. Die alten Ginggangröcke weisen die schönsten
gespiegelten, die alten Wollröcke die schönsten gestreiften Muster
auf. Dunkelrot und dunkelblau im Wechsel mit schwarz herrschen
vor. Die Winterkleider dürfen dunkler sein als die Sommerkleider.
Helle Kleider lassen sich chemisch färben, wenn sie unansehnlich
geworden sind. Ein herrliches Muster erzielt man mit einem
kleinen gut abgestimmten' hellbraunen-dunkelbraunen Spiegel von
zirka 8 Millimeter im Durchmesser. Man darf sich auch für einen
Rock in uni entschließen. Diesfalls muß aber der Bändelschurz
lebhaft (z. B. rot) gemustert sein. Ueberhaupt soll die Regel
gelten: Auf einen dunkeln, fast uni wirkenden Rock, einen frohfarbigen
Bändelschurz oder umgekehrt. Man wähle aber nur
Schurzstoff mit engen Streifen. Die Farbe 'des 'Streifens soll der
Farbe des Rockstoffes entsprechen. Im Winter schlingen Frauen
ein kleines zusammengelegtes Halstüchli (kleines Muster von entsprechender
Farbe) um den Hals. Nur keine importierte geblumte
Fransenschultertücher. Sie stören die Einheit des Farbenspiels.
Was die gehäkelten Halskrägli anbelangt, die zwar traditionell
sind, sehen sie für den Alltag, d. h. bei der Arbeit, zu zierlich
aus. Zum Ausgang mag oder soll man sie tragen. - Am
schweizerischen Trachtenfest in Einsiedeln sind Bauernkleider in
mehr als 50 verschiedenen Mustern an 2-300 Frauen, Töchtern
und Mädchen gezeigt worden. Es war die größte Schau von Werktagskleidem,
die in der Schweiz je stattgefunden hat.
Die Fes t tag s t ra c h t der Fra u e n.
Beschaffenheit: Rock und Mieder sind ein Stück. Die Taille
sitzt ziemlich hoch; der Rock ist hinten gefältelt. Es handelt sich.
Um einen schmiegsamen Wollstoff mit Baumwolleinlage (sogen.
Beiderwand) von dunkelroter Farbe (bernerrct), mit feinem
schwarzem Streifen. Als Schnitt kann man entweder die Glockenoder
die Tonnenform wählen. Der Rock muß lang sein (ca. 20 cm
vom Boden). Der Schurz ist ein breiter, sogen. Bändelschurz aus
Leinen mit engen dunkelroten Streifen. Er reicht bis auf 10
Zentimeter an den Rocksaum. Vornehmer wäre allerdings der
gestreifte Schurz aus Seide. Es ist aber schwer, feingestreifte
Seidentücher zu erhalten, da gegenwärtig raye nicht Mode ist.
Zur Tracht gehören ferner ein weißes leinenes Hemd mit Spitzenvolant
und zwei goldgestickten zirka 3 Zentimeter breiten Armbändchen,
ein goldgestickter dreieckförmiger Vorstecker, der vorn
am Mieder: hängt, ein rotweiß kariertes seidenes Schultertuch,
dessen Ende unter den Vorstecker geschoben werden, das Goiffli
und die plissierte weiße Flügelhaube, weiße Strümpfe (Strickart
: 2 rechte und 2 linke), schwarze Halbschuhe mit Messing-
.schnalle. Alles Farbige ist auf Bernerrot und Gold abgestimmt.
155
Für festtägliche Ereignisse wie Kirchgang, Prozession, varerländische
Veranstaltungen usw. wird die volle Tracht getragen;
im Haus kann man sich des Goifflis mit der Spitzenhaube und
des Vorsteckers entledigen. Die geeignete Haartracht ist die
Scheitel. Die Haarstränge werden in das Goiffli geschoben, das
senkrecht über dem Scheitel sitzen muß. Als Schmuck trägt man
entweder eine einfache Kette oder ein Seidenbändchen um den
Hals, daran ein einfaches Kreuzlein. Es handelt sich hier um ein
Modell, das in jeder Beziehung dem Traditionellen entspricht. Die
Beschaffung der Zutaten war nicht leicht. Frau Dr. Panchaudde-Bottens
in Zürich, die die Modelltracht nach meiner Skizze
anfertigte, schreibt hierüber folgendes: "Die erste Frage war,
wer plissiert die weiße Flügelhaube genau so, wie das historische
Modell plissiert war? Wo ich hinkam, Achselzucken, Kopfschütteln.
Allein, ich mußte die Flügelhaube haben, wie ich sie
in meinem Kopfe hatte und schickte das alte Stücklein Plisse nach
Appenzell. Und richtig nach 8 Tagen kam die Flügelhaube genau
wie die alte gewesen ist, nur frisch und neu. Und das Blumenkränzlein?
Ich sagte mir, gute französische Blumen sind zu teuer,
die andern halten die Sonne nicht aus, und was ich vor allem
befürchtete, wenn die Richtlinien nicht genau eingehalten werden,
haben wir wieder Hauben mit ganzen Blumengärten drin. Also
ein feines Kränzlein mit Perlblümchen, wie sie auf dem uralten
Häubchen prangen, das mir als Muster vorgelegt wurde. Eine
Zürcher Firma nahm sich der Sache an, klopfte in Paris bei
nahezu 25 Fabriken an und kam mit dem Bescheid zurück,
solche altmodischen Sachen würden nicht angefertigt, es sei
denn, man bestelle wenigstens 100 Stück. Ich gab aber nicht
nach. Endlich fand ich bei einer andern Firma Anklang. Den
Stoff für den Gstältlirock, den Schurz und das Schultertuch
ließ ich in der Basler Webstube weben". Wenn man Echtheit und
Dauerhaftigkeit des Stoffes und Gediegenheit der Schmuckstücke
würdigt, sind die Gestehungskosten der Schwyzer Festtagstracht
nicht hoch. .
Die Wer k tagst r ach t der M ä n n er.
S t 0 f f g a t tun g. Für Männerhosen sind Berner Halblein und
Loden empfehlenswert, für die Hirthemden Leinen und Halbleinen.
In einigen Bauernfamilien des Ybrigs sind heute noch
mehr als 50jährige Hirthemden aus dreitrettigen Leinen in Gebrauch.
Im Vergleich ist der weiße Fahnenstoff, der sich im
letzten Jahrzehnt des Hirthemdes bemächtigte, vergängliches Zeug.
Als Fußbekleidung kommen Riemenschuhe mit starken Socken
in Betracht.
Männer tragen im Winter einen breiten Lismer aus Schafwolle,
den sie unten zuknöpfen. Ein wärmeres Kleidungsstück kann man
sich kaum denken. Nur hält- der Lismer den nassen Schnee fest.
Das ist sein Nachteil. Man schützt sich darum mit einem kurzen
Länder' aus Tuch oder mit einem Paraplü von vaterländischem
Ausmaß vor Nässe. Unter dem Lismer sind eine gestreifte Weste
und ein weißes Leinenhemli mit weichem Umlegkragen sichtbar.
Als Kopfbedeckung ist das Tätschhütli aus dunkelbraunem oder
schwarzem Filz zu empfehlen, als Fußbekleidung der genagelte
Bergschuh.
Sc h nit t. Die Bauernhose ist im Gesäß und in den Schenkeln
weit. Nach unten wird sie wesentlich enger als z. B. die Amerikaner-Hose
des Marchand-Tailleur. Die schwvzerische Trachtenhose
ist unten seitlich mit einigen weißen beinigen Knöpfen geschlossen.
Der Schnitt des Hirthemdes dürfte allgemein bekannt
sein. Die Heukappe des Hirthemdes ist auf Achselhöhe eingenäht.
Das gespiegelte Barchenthemd mit Umlegkragen ist für Männer
dem weißen Hemd mit Briesli vorzuziehen.
Mus t e run d Fa r b e. Die Männerhose ist uni, in der Regel
dunkelblau oder braun. Eine hellbraune Hose zum weißen oder
zum blauen Hirthemd sieht heillos malerisch aus. Ein naturfarbiger
Lederriemen mit Messingschnalle um das Hirthemd verleiht
Figur, wenn er auch nicht durchaus erforderlich ist. Der
Bauernlismer ist entweder blau oder grau. Es leuchtet ein, daß
der blaue kleidsamer macht als der graue. Die blaue, bis zum
Knie reichende' Blouse ist das Kleidungsstück der Viehhändler
und Dolmetsche.
Die Festtagstracht der Männer.
Zur Zeit als die Schwyzerfrauen die soeben beschriebene Festtagstracht
trugen, kleideten sich die Männer mit dem feinen Tüchlianzug,
bestehend aus der engsitzenden Kniehose mit Latz, der
gestreiften Weste aus Selbstgewobenem und dem bis zur Taille
reichenden geradlinig geschnittenen Veston mit gepolsterten Schultern,
schmalem liegenden Kragen und breiten Revers. Der mit
2 Knopfreihen versehene Veston wurde offen getragen, sodaß die
hochgeschlossene, farbiggemusterte Weste als Schmuckstück aus
dem blauschwarzen oder s~hwarzen Tüchli hervorleuchtete. Das
Muster der Weste war entweder senkrecht oder wagrecht eng
gestreift und zwar rot-schwarz, creme-rot usw. Die Aermel des
Vestons schmiegten sich dem Arm an, gegen das Handgelenk
hin waren sie etwas geweitet, nach der Art des sogen. Wienerärrnels.
Das Leinenhemd endigte in einem Umlegkrägli mit langen
Zipfeln, die über den Vestonkragen hinaushingen. Unter das
Umlegkrägli wurde- ein buntfarbiges Cravattenband gelegt, in der
Mitte dasselbe geknüpft und unten hinter einem Knopf der
Weste hindurchgezogen. Zur Mannskleidung gehörten weiße gestrickte
Wollstrümpfe, die je nach dem Zeitalter bald unter, bald
157
über die Kniehose gezogen wurden und schwarze Halbschuhe mi
Messingschnalle. Diese Tracht kann man als bürgerliche Mannstracht
bezeichnen, doch durfte der hohe gerade oder hohe
konische Tuchzylinder nicht fehlen. Unter dem Rand des Tuchzylinders
guckte bei den Bauern die schwarze Züttelkappe hervor.
Die Schwyzer Mannstracht war sicher schlicht und dennoch recht
kleidsam. Es sind nur mehr einige wenige Originale vorhanden,
so in Schwyz selbst. Nun einige Sonderfragen:
Weiße oder schwarze Scheitelhaube? In Heierli's famosem
Werk über die Schweizertrachten ist bei Behandlung der
Schwyzer Festtagstracht Näheres über die weiße und schwarze
Scheitelhaube und das Rosenhäubchen zu lesen. Warum wir auch
für Jungfrauen und nicht nur für Frauen· die weiße Haube
wählten, geschah aus Rücksicht zur Vereinheitlichung. Vor Iahrhundertfrist
trug die Frauenwelt die Tracht allgemein. Heute
handelt es sich nur mehr um kleine Gruppen, die die Tracht
.aus Ehrfurcht zur Tradition anschaffen. Da kann nur ein Modell
berücksichtigt werden, sowohl inbezug auf Farbe der Haube als
auch des Kleides, Schurzes und Halstuches. Sonst hätte man bald
ein buntes Durcheinander. Das Gleiche gilt für Schnitt und Stoffgattung.
Damit ist auch die Frage des Kostenpunktes besser
gelöst. Das Weben von verschiedenfarbigen Stoffen in ganz
kleinen Mengen käme zu teuer zu stehen. Auch würden dann
Farben und Muster eingeschleppt, die nicht historisch sind.
Uebrigens sind nach meiner Auffassung die weiße und die
schwarze Scheitelhaube keine Kennzeichen des Zivilstandes (Frau
oder Jungfrau), sondern Stimmungskennzeichen (Freude oder
Trauer). Es braucht Ueberwindung, mit andern zu glauben, die
Etikette der Jahre um 1800 hätte zugelassen, daß die Frauen
z. B. an einer Beerdigung in .der weißen Scheitelhaube teil".
nahmen.
Seide oder Wolle? Die Neigung für Seide ist groß. Es gibt
Frauen, die die seidene Umhüllung lieben. Die Wolle sieht ihnen
zu bäuerlich aus. Warum entschlossen wir uns für Wolle nach
eigenem Muster? Wir wählten aus den drei Standesstufen die
bürgerliche. Wir wollten die Seide der Aristokratie reservieren, die
wir hierorts als vergangen betrachten. Vorherrschend ist .der
Bürgerstand, der mit seiner Tracht das Merkmal der Zeit kenn-
.zeichnen soll. Anstelle der bäuerlichen Festtagstracht, als der
ehemaligen dritten Standesstufe, setzen wir aus praktischen Grün-
-den die Werktagstracht. Am Sorintag werden die Bäuerinnnen die
Bürgertracht tragen, denn eine Ausscheidung wäre unbegründet.
Uebrigens bestehen noch andere Gründe, warum wir auf Seide
.fiir das Kleid verzichten. Die Gefahr ist groß, daß untaugliche
Farben z. B. grüne, groß geblumte, groß carierte usw. verwendet
würden. Jede Frau gefiele sich nach eigener Idee. Ferne~droht~
_, ;,iJ~ !li&ij?~
, .
die Gefahr, daß die Trägerinnen zwischen Tracht und Kostüm
nicht mehr unterscheiden. Sie glaubten irrtümlich, ein Kostüm,
vereint mit Spitzenhaube und Fransenhalstuch sei eine Tracht im
Sinne unserer Bestrebungen. Und schließlich ist die Dauerhaftigkeit
der Wolle unbestritten. Möchte jemand eine Tracht kaufen,
um sie schon nach einigen Jahren zu erneuern?
H i r t h emd 0 der H i r te n h emd? Bei der Besprechung des
neuen Fünflibers tauchte für den Begriff "Hirthemd" eine neue
Bezeichnung, das "Hirtenhemd", auf. Da das Hirthemd als ein
origineller Bestandteil der mittelschweizerischen Männertracht angesehen
wird, dürfen wir uns gewiß auch entschließen, zu bestimmen,
wie er heißen soll, obschon die Frage an und für sich nicht
überaus wichtig ist. Der Urheber der Bezeichnung "Hirtenhemd"
.glaubt offenbar, den Namen unmittelbar vom Träger, dem Hirten,
ableiten zu müssen. Wer nachforscht, kommt zur Ansicht, man
'könne den Namen ebenso träf von der Zweckbestimmung ableiten.
Das Idiotikon spricht meines Wissens nirgends von "Hirtehemli"
-oder "Hirtehämpli" usw., sondern von einem "Hirthemli" oder
- "Hirthämpli" usw. Der Grund liegt wahrscheinlich darin, daß'
-der Name des bäuerlichen Kleidungsstückes unmittelbar auf das
Tätigkeitswort "hirte" oder "inähirte", d. h. füttern, zurückgreift,
-das mit "Hirt" und" hüten" nur mittelbar zusammenhängt. Wenn
der Aelpler ein Hirthemd anzieht (überflüssige Kleidungsstücke
sind ihm lästig), so geschieht es zur Verrichtung einer gewissen
Arbeit, bei der etwas Hinderliches, Unangenehmes oder Unreines
.abgewendet werden soll, z. B. zum Burdenen tragen, zum Einhirten,
zum Melken usw. Viele Aelpler bedienen sich an Stelle
-des Hirthemds nur eines Rückenteils mit zwei Bändeln und der
Heukappe, das den gleichen Zweck erfüllt. Damit ist ziemlich
überzeugend nachgewiesen, daß das Hirthemd ein Zweckstück
.ist, dessen ein Hirt gar nicht bedarf. Uebrigens läßt sich die
Wortbildung für die Begriffe "Mälchstuohl" statt Melkerstuhl,
"Chäschessi" statt Käserkessel, "Turpezaine~' statt Turbnerkorb
·usw.auf ähnliche Weise erklären.
Z ü t tel c h a pp e. Die schwarzseidene Züttelchappe der Schwyzer
.Aelpler ist nicht schwyzerischen Ursprungs. Man wird sie auf
.alten Stichen vergeblich suchen. Hierlandischen Ursprungs ist nur
die weiße gestrickte Zipfelmütze, die einer Schlafmütze gleicht.
.Die schwarze Züttelchappe hat ihre Heimat im Süden der Alpen.
Vor dem Bau der Gotthardbahn in den Soer Jahren trieben die-
.schwyzerischen Senntenbauern ihr Vieh über den Gotthard auf
den Großmarkt nach Giubiasco, wo alles Vieh der Kantone Uri,
-Glarus, Graubünden und Schwyz vereinigt wurde. Was dort nicht
verkauft werden konnte, mußte nach Mailand geführt werden, wo
sich die italienischen Großgrundbesitzer einfanden und mit den
.Dolmetschen zu unterhandeln begannen. War das Vieh begehrt,
159
kehrten die Sennten bauern mit gefüllten Geldranzen (lederne
Schläuche) heim. Der Geldbesitz regte sie an, in Mailand Andenken
an die Welschlandfahrt zu kaufen, z. B. seidene Züttelchappen,
Perlen als Schmuck für die Goiffli der Schwyzerinnen,
Stickereien usw. Um jene Zeit hatte sich bei den Schwyzern die
schwarze seidene Züttelchappe dermaßen eingebürgert, daß sie
später auch im Inland gewoben wurde. Eine gute Form hat nur
die Züttelchappe mit dem breiten schweren Fransenzüttel. Seit
1900 wird sie immer seltener getragen. Sie macht dem dunkeln
Filzhut Platz.
7. Erklärung mundartlicher Ausdrücke.
Die Einsiedler Mundart wird in Amts- und Festreden oft über's
Knie gebrochen, d. h. entweder mit schriftsprachlichen Wörtern
oder falsch gesprochenen Dialektwörtern oder Wörtern aus andern
Mundarten durchschossen. Diese Verunstaltung kommt noch häufiger
da vor, wo die Mundart geschrieben ist.
Es handelt sich hier nicht darum, Sprachfehler und Irrtümer
nachzuweisen, sondern diejenigen mundartlichen Ausdrücke, die
in diesem Buch vorkommen und andere dazu, kurz zu erklären.
Unter ihnen sind schon viele ausgestorben und andere werden
bald vergessen sein. Wir wollen sie, ihrer Originalität zuliebe,
so gut wie möglich überliefern. Hier die alphabetische Reihenfolge:
"Aelbeli" heißt Kälblein und ist ein Lockruf; Es klingt wie ein
wehmütig gesummter, nasal gedehnter Satz gedämpfter Vokale.
"Aeschepudl" = Aschensammlerin.
"Aescheröhrli" = Aschenfäßli aus Holz.
"albigs" = einst, früher.
"Aschierer" oder "Haschierer" oder "Hatschierer" hieß man im
letzten Jahrhundert den Landjäger. Heute hat dieser Name nur
mehr die Bedeutung eines Bei- bezw. eines Uebernamens der
Nachkommen eines Landjägers.
"alders" heißt oder. "Ghaue alders gstoche" heißt also gehauen
oder gestochen und bedeutet soviel wie die letzte grobe Anstrengung
um eine Keilerei zu gewinnen.
"Anne, Pfanne, Chesselbode, hür und färig Nülli zoge". Das ist
ein Neckspruch kleiner Kinder, der einem Mädchen namens
Anna gilt, das irgend eine Gefährtin geplagt oder herausgefordert
hat. Als Entgelt ruft das geneckte Mädchen dem andern
den Familien- oder persönlichen Uebernamen nach, deren es in
Einsiedeln um die 400 gibt. Es bestehen zwei Sammlungen
von Uebernamen, die noch ergänzungsbedürftig sind. Bei den
Neckereien der Jugend werden immer neue Uebernamen ge-
160
. prägt, die manchmal sehr' originell sind. (Siehe Sammlung des
Landschreibers Krd. Lienert). ,
"Bueberolli" = ein Mädchen, das den Männern nachspringt.
"borzge" = rangge = umherbalgen.
"Bär" = ein origineller alter Reitschlitten der Kinder. (Zwei geschweifte
aufgestellte Bretter als -Schlittkühe, darüber ein flaches
. Sitzbrett, vorn ein Rindeisen mit Ringen. Die ganz alten Modelle
tragen Kerbverzierungen.
"ä Bärme", "ä Turbebänne" = der lange, konisch aufgerichtete
Bretterverschlag, in dem man 'die Turben auf Räder- oder
Schlittengestell
heimführt.
"basfeil" = recht und billig.
Die Bruuch, nicht Bruch, wie man oft liest, = die Hose = Beinkleider
Kommt vom Tätigkeitswort brauchen, bezw. unentbehrlich
und streng brauchen. Das Wort ist wahrscheinlich altalemannisch.
Der Bruuchmacher = Hosenmacher.
"Burnus oder Bprnuß" ist ein schwerer Lismer aus Schafwolle, in
der Regel naturfarbig oder dunkelblau oder grau gefärbt. Er
hat eine doppelte Knopfreihe. Man schließt in der Regel nur
den untersten Knopf, sodaß die weiße gestärkte Hemdenbrust
zwischen den 'Brustteilen des Lismers breit hervorschaut und die
Schulterteile des Lismers über die Achseln hinausliegen. Die
beinernen Knöpfe sind, braun. Manchmal wird dem Lismer an
den Ellbogen ein ovaler Lederplätz aufgenäht zur Schonung des
Gewebes beim Aufstellen des Ellbogens am Tisch usw. Noch
in den Soer und ooer Jahren konnte man an den Lismern der
Schulbuben ausnahmslos solche Lederplätze beobachten. Die
Bedeutung des Lismers kann durch folgendes Beispiel erläutert
werden. Zwischen Ober- und Unterdorf der Waldstatt ist ein
Höhenunterschied von einigen Metern (meteorologische Station
9I4 m, Bahnhof 908m). Das Unterdorf wird klimatisch von der
Alp beeinflußt. Wenn- es recht kalt ist, sodaß das Barometer
auf 20 Grad unter Null und mehr herabsinkt, heißt es jeweilen,
"im Oberdorf ist es um einen Lismer wärmer".
"Gwättichopf" wird in der Zimmermannssprache das beim gewandeten
Haus vorstehende Ende der gekreuzten Balken genannt.
Die komplizierte ineinander gefugte Gwättikopfwandung
ging dem einfachern Zapfenstrick voraus. Um den Gwättikopf
vor den Einflüssen der Witterung zu schützen, wurde er bisweilen
verblendet, d. h. mit Brettern eingeschalt. Seltener sieht man
Wohnhäuser, an denen der Gwättikopf mit einer Fratze verziert
ist. Der Sinn des Wortes "Gwätti" kann mit dem häufig gebrauchten
topographischen Ausdruck "im 'ne Gwätti usse" erklärt
werden, was so viel heißt, als "etwas sichtbar Abgelegenes",
"etwas, das außerhalb dem in 'Betracht fallenden
Rahmen liegt".
"ä churzi Seel" = eine kurze Seele = eine hoch in die Taille
geschnittene Jacke (Gstältli)
"ä Chlobe" ist ein Kubikmaß und deckt sich mit dem Klafter
zu 3 Ster. Die Schyter (Scheiter), allgemeiner "Metrschyter
werden nach Chlobe bezw. Klafter gehandelt.
"Chuehnegle" = chludere = kludern.
"cheugg" = hässig.
"Charebängel" (lateinisch angelarchis), aus denen die Vogelbeeriblaser
gemacht werden, gedeihen in den Streurietern der Torfmoore.
"Chuute" in Einsiedeln (bezw. "D' Wysi" in der Gegend von
Steinen), ist eine Voranzeige, ein Aufruf, wörtlich Weisung
durch ein paar Glockenschläge, denen kurz darnach das Hauptläuten
folgt. Es mahnt die Kirchgänger, sich auf den Weg zu
begeben.
"Chappeschum" = capuchon = aus Wolle gestrickte rundliche
Kopfhaube der Frauen mit einem Bändel ums Kinn. Ursprung:
Wahrscheinlich 1871, als nach dem deutsch-französischen Krieg
mit der Bourbakiarmee auch Turkos interniert wurden. Diese
trugen Tuchkapuzen um den Kopf zum Schutze gegen die
Kälte, die sie capuchons = Kapuzen nannten. Im intensiven
Verkehr mit der Bevölkerung Einsiedelns haben die Unsrigen
viele französische Ausdrücke abgelauscht und verdeutscht. Ein
Beweis des geselligen Verkehrs bietet das gemeinsame Schlittenreiten
der Turkos mit unsern Schulbuben. Als unsere Buben
beobachteten, daß die Turkos, die noch keinen Schnee gesehen
hatten, die Handschlitten am steilen Hang nicht beherrschten,
sagten sie "die dumme Chaibe chönd nüd emol wyse", Sie
setzten sich zu ihnen vorn auf den Schlitten und übernahmen
dessen Führung. ,
"chläune" = ausnehmen, herausgrübeln, müden.
"Chohlermues", irrtümlicherweise auch "Kollermues" genannt, ist
ein Brei aus Milch und Mehl, den die Köhler auf den Kohlplätzen
kochten. Es ist identisch mit dem "Fenzmues" der
Aelpler, dessen Zubereitung hier beschrieben ist. Das Chohlermues
war eine Leibspeise der Köhler, wie z. B. die Polenta die
der italienischen Maurer ist. Der letzte offene Köhlerplatz befand
sich in der Großerruns. Die Belieferung auswärtiger Kunden
dauerte bis 1890. Die Schmiede brannten bis dahin Kohle für
den Eigenbedarf.
"doppeliere" heißt doppelseitig "böde1e" vom franz. doubler bezw.
redoubler abgeleitet, gemeint ist der rasch aufeinander folgende
Doppelschlag mit den Schuhsohlen und dem Absatz auf den
Boden im Takt der Ländlermusik.
;,äs Dächis" heißt in der Yberger Mundart Schnapskaffee. Man
hört bisweilen sagen, mehr Dächis als Kaffee, da der Branntwein
in der Regel mit dem Kaffee getrunken wird.
"eeä" ist in der Ybergermundart eine Präposition. "Eeä, mier
gand jetz'", d. h. ja nun, wir gehen jetzt.
"Färlisuu" = Mutterschwein, "Fülimäre = Stute",Chüetschichalb"
.-:.. Kuhkalb.
"Fänz" = dickes Muos mit Nidle.
"frönd Siebechätzer" = fremde Wichtigtuer, fremde Alleswisser,
Besserkönner.
"Firlifanz" = bunte Zutaten an einem Kleid.
"Einen Fuchs darüber lassen" "heißt, bei der Zubereitung des
Hafenkabis den Kabis im Saft braun werden lassen.
"gschiieti Bei" = steckige Beine.
"goht guot" = gleitet ,gut.
"Güdis"- oder "Güdelmontag" ist wahrscheinlich von vergeuden
abgeleitet.
"es gschwäneds Rindli" = ein schmales Rind.
"üseri Geiß" = unser Schlitten.
"g'nissäled" = geizig, sparsam.
"ä Gutsch" (Wy) = I Guß (Wein).
"Guggehürli" = Dachzimmer mit kleinem Fenster.
"äs Gursi" = Dächis = Schnapskaffee.
"Geißmutsch" = Mutterziege.
"graggere" = krautern = streng arbeiten.
"ghlerisch" = fatal, unangenehm.
/' "geischte" heißt Geisterspuck treiben. Es zeigen sich von Zeit
zu Zeit leidenschaftliche Abenteurer, die beim Einbrechen der
Nacht harmlose Kirchgänger oder Nachbarn erschrecken wollen.
Sie verstecken sich, mit einem langen weißen Hemd bekleidet,
hinter einem Schopf, einem Stall oder sogar in der Nähe des
Friedhofs und gehen dann um, sobald jemand des Wegs
kommt. Am andern Morgen ist der "Geist" .. wenn nicht Dorfgespräch,
so doch Gespräch der Jugend. Der Geist wiederholt
seine Untat, bis es dem Landjäger oder andern herzhaften
Männern gelingt, ihn zuhanden zu nehmen. Die Oeffentlichkeit
beruhigt sich erst, wenn die Realität des Geistes mit Name
und Geschlecht nachgewiesen ist. "Dr Geischt' hat sich sogar
als Uebername eingebürgert. Es ist nicht' unwahrscheinlich,
daß ein Ahne diesen Uebernamen sich und seinen Nachkommen
SIcherte, weil er sich ab und zu geistlosen Umtrieben hingab.
"uus Huot" = seid auf der Hut! Warnruf der Schlittler.
"Hüöhnerchrütze" = Stäcklikorb, in dem die Hühner auf den
Markt getragen wurden .
.,Holzböde" = Holz- bezw. Riemenschuhe. Sie werden als Heimarbeit
aus Bergahornholz geschnitten. Sie bestehen aus einem
ä
niedern Absatz und einer niedern Sohle, in die die Form .
normalen Fußes eingehöhltwird und aus einem Ledern
zum Einschlüpfen mit der Verse. Die Aelpler tragen die H
schuhe mit Vorliebe.
"Häbl" = gekochte Härdöpfl.
"huuse" = sparsam leben.
"ä Holihop" ist ein hoffärtiges junges Mädchen, das alles a ~
den Putz setzt, gern festet und ungern schafft.
"Je- oder Yeboge" ist der Armbrustbogen (Horebrust oder Horebräsch)
aus Eibenholz. Oberhalb der Großerruns gibt es einen
Abhang, an dem früher Eiben stunden und dort heißt es
"I de Je".
"Chlobe" sind Geißtrychle.
Der Begriff "Köchin" ist uns ohne weiteres klar. Von alten
Männern im Ybrig wird er aber für alle Dienstboten gebraucht.
Sie sprechen z. B. auch eine Verkäuferin, d. h. ein Ladenmädchen
als Köchin an. Der alte Ybriger frägt also ,,Ischt
Ueri Chöchi hier", d. b. ist Ihre Köchin da, ist Ihr Ladenmädchen
da?
"kanöndle" ist eine Etappe im Trocknungsverfahren der Turben.
Nachdem die Turben gestochen sind, werden sie nebeneinander
auf das Moos zum Trocknen gelegt. Sobald sie angetrocknet
sind, werden sie gekehrt, nachher je zwei kreuzweise übereinander
gelegt und zwar so, daß das obere Stück nur mit einem
Ende den Boden berührt, während das andere Ende aufwärts
gerichtet ist. Das nennt man "kanöndle". Im Verlaufe langer
Sonnentage werden die Turben in mannshohen quadratischen
Schichten "an die Stecken getan", d. h. um die senkrecht in
den Boden gesteckten Stangen gelegt.
"ä Lienx" oder "Liengs" heißt ein Stück, z. B. ä Lienx oder
Liengs Fleisch. Man kann den Begriff Liengs nicht auch für
Brot anwenden, denn einem Stück Brot sagt man "ä Schnäfl"
oder "ä Mocke", d. h. ein Schnitten.
"Lobeli", im Kindermund "Hohlobeli" gilt den Kühen und Rindern.
Hohlobeli ist zusammengesetzt aus hoh (Anruf) und
Lobeli (Lobe).
"Länder" heißt Aermelweste. Vorder- und Rückenteil des Länders
sind aus Tuch verfertigt, die Aermel aus Futter. Das Futter
erleichtert das Einschlüpfen in einen "Tschoppe" (Veston) oder
in einen Lismer. Der Länder hat gegenüber der Weste, deren
Rückenteil aus Futter verfertigt ist, den Vorteil, daß er bedeutend
wärmer gibt.
"ä Lärze" = I Stück, I Schnitten.
"Lampihüetli" nannte man den breitrandigen Schlapphut aus
Stroh, den unsere Frauen in den 70er Jahren trugen.
"Limpast" werden die Faserturben genannt. Aus Fasertorf wird
Mull bereitet. Er ist in den Ställen des Flachlandes, wo Streue
fehlt, begehrt. In höheren Lagen wird Mull nicht verwendet,
da er weniger warm gibt, als Streue. Im Baufach dient er als
Isolierungsmittel. In Einsiedeln besteht seit 1916 ein Torfwerk,
das den Limpast, d. h. die Faserturben, ausbeutet, sie maschinell
zerreißt und zu' Mull mahlt. Das Zerreissen der Faserturben
gelingt am besten, wenn dieselben im Herbst gestochen und
über den Winter dem Gefrieren ausgesetzt werden. Den hell
braunen, gestochenen Limpast, der zum Trocknen ausgelegt
wird, nennt man im Volksmund auch "GÜnsche". rür Brennzwecke
sind die "Günsche" nicht beliebt, weil sie zu wenig
Calorien geben. Sie werden nur gebraucht, wenn zu wenig
harter schwarzer Brenntorf vorhanden ist. Unter "Günsche"
versteht man auch sogenannte Endifinken, die aus Stoffenden,
von denen sie den Namen haben, gewirkt sind.
"Da sind mir g'Manned dra" = im Pech sitzen oder wie "Ochsen
am Berg stehn."
"maugle" bedeutet Morgengrauen.
,..Männe" heißt mit Pferde- oder Rindviehzug führen.
"Trämel an die Männe führen = an einen Lagerplatz führen.
"Möhli" heißt Mahl und bedeutet nach landläufigen Begriffen
eine reiche Mahlzeit.
"Maitlirolli" = ein junger Mann, der beständig den jungen
Maitli nachstrebt.
"Maiße" oder "Räf" = Traggabel.
",Mundur" = Uniform.
"es Männi", "es Männrind" = ein Fuhrrind.
"e Nigg" = krummes -eingebogenes Kuhhorn (fehlerhafte Hornform).
"obsteis" = oberhalb, oben, "nidsteis" = unterhalb, unten.
"öppis stuche" = sich etwas aneignen, ohne daß es der Eigentümer
merkt.
-"Nüd für unguet". Wenn alte Bauern oder Arbeitsleute zu einem
"Gebildeten" gehen, um über etwas Auskunft zu fragen, pflegen
sie nachher statt "i dank'i", zu sagen "nüd für unguet. Der
Befragte antwortet darauf entweder "ischt gäre g'scheh" oder
mit dem Reim "d' Chappe für e Wulhuet", Das letztere will
sagen, die "Sache ist unbedeutend" oder "es kommt' nicht
darauf an" oder "machet keine Umstände" oder "es ist ein
und dasselbe".
"Nichts verscheint" heißt nichts verpaßt, nichts versäumt, bezw.
es ist noch Zeit.
/:>,A:m Nülli" bezw. "Lülli zieh" heißt lullen oder lutschen. Der
Bauer gibt dem Kälblein die Finger zum Lullen, wenn er es
/
zum Gehen anlocken will. Bei den Müttern und bei den n.JJl!ut::;LJ.
wird der "Nuggi" "Lülli" oder "Nülli" genannt.
"ä Pumpertrußle" nannten die alten Aelpler auf der KäsernaJp
eine schwere, plumpe Frauensperson, die sich mühsam daherwälzt.
"pusper" = munter, frisch.
"Dr Pflegr". In den alten Zünften bekleidete der Pfleger das Amt
eines
Kassiers.
"prätig" = pret = bereit.
"d' Prattig" oder "d' Pratig" = Kalender (von Praxis abgeleitet).
"persianig" = billiger Baumwollstoff, genannt "Persiane".
"Pfannechnächt". Wenn die Familie des Aelplers Fänzmuos oder
Stunggewerni ißt, hebt die Frau die Pfanne ab dem Herdfeuer,
legt sie auf den Pfannenknecht und stellt diesen auf den Tisch,
worauf die ganze Familie aus der Pfanne löffelt. Der Pfannenknecht
besteht aus einem flachen Holzteller, an dem :2 Holzschienen
mit einer ungefähr zehnfach gezähnten Heblatte befestigt
sind, auf die der Pfannenstiel gelegt wird. Mit der Heblatte
kann der Teller auf der einen Seite immer höher gestellt
werden, sodaß beim Löffeln aus der Pfanne der letzte Fettropfen
erwischt wird. Der Pfannenknecht wir ci bald ausgestorben sein .
..•.Quätli" heißt ein altes, konisches Zinngefäß mit Ausgußschnabel.
das hauptsächlich von den Handseidenweberinnen für das Nachtlichtliöl
bezw. Brennöl gebraucht wurde. Quätli ist eine sprachliche
Verstümmelung von Quärtli, d. h. eine Quart bezw. "2
Deziliter nach neuem Maß.
"räble" heißt in Unteriberg "vorwärts bröege" im Gegensatz
zum .Jrindersibröege".
"Remise" nannte man die Tournüre des Biedermeierkleids der
Frauen.
Rappedi kappedi = im Handumdrehen, auf einen Schlag, plötzlich,
kann von rapido = reißend schnell und capire = verstehen,
einleuchten kommen.
"rübis und stübis" heißt alles zusammen was in der Nähe steht
oder liegt oder "Kraut und Kabis, Kind und Kegel".
"dr rauh Zis" heißt wörtlich "der rohe Zins" und bedeutet soviel
wie zugezinst. Es ist also nur der lauf,ende Zins ausstehend. Der
Schuldner, der zugezinst hat, erwartet vom Gläubiger in der
Regel ein Entgegenkommen im Ansatz des Zinsfußes. Er sagt
dann "X nimmt mir den rauhen Zins zu 4 Prozent ab".
"Rosoli" bezw. Nuß wasser wird aus Obstbranntwein, schwarzem
Kandiszucker, Zimmtstengeln, schwarzen, gedörrten Kirschen
und, Nußwasseressenz hergestellt und bei festlichen Anlässen,
wie Chlaustag, Weihnachten, Dreikönigen. Fastnacht usw. im
abendlichen Familienkreise getrunken.
'"Röne" oder "Röhne" nennen die Bauern in den Studen und
unsere Holzhändler eine große, alte, angefaulte Tanne, die
infolge ihres hohen Wuchses imponiert, aber im Handel nicht
begehrt ist, weil man, solange sie steht, nicht genau feststellen
kann, wieviel Holz am Stock verloren geht.
"ä Stürchli" = ein schütziger Mensch,
"ä Schlärpi" = ein phlegmatischer' Mensch,
"Schirmer" hießen die mit Hellebarde, Helm und Panzer, ausgerüsteten
Männer, die im 17. und 18. Jahrhundert bei großem
Pilgerandrange den Sicherheits- und Ordnungsdienst besorgten.
Sie wurden amtlich aufgeboten,
"Ssä, ssä" ist der Anruf des Rindviehs durch den Bauer, der zärtlich
sprechend dem Vieh die halboffene Hand vorstreckt und
dieselbe wieder zurückzieht, sobald das Tier gegen ihn kommt.
So lockt er es immer wieder zum Gehen an. Mit der vorgehaltenen
Hand bringt er dem Tier bei, er wolle ihm Salz
verabreichen oder die salzige Hand zum Lullen herhalten. "Ssä"
heißt also wörtlich "säli do" oder "siehe da".
"Dr Stier hät brav Hose" = der Stier hat starke Oberschenkel.
Spannchettäne = Kette, die man im Winter beim Trämelmänne
(Holzfuhre) verwendet,
Sattel = Holzkreuz, das man den Ziegen aufbindet, damit sie nicht
unter den Hecken durchschlüpfen können.
Steifaß = Wettsteinfutteral, Trüögle = Spannholz am Heuseil.
"Strägeli" ist Iberger Mundart und heißt ein kleines Alpkäslein.
Wenn die Aelpler nur einige Stücke Milchvieh haben, sagen sie
"äs hed chum äs Strägeli gäh".
"Ständligure" = Verkäuferinnen der beiden Kramgassen vor der
Kirche. ("Guren" wird von girren abgeleitet sein, d. h. schwarzen
und rufen bis die Pilger kauflustig sind).
;,d' Scheiche" - =' die Beine,
"Stunggewerni" = dickes Muos mit Anke.
"Straminhosenträger" = Verzierte Hosenträger und Leibgürte.
Man wirkt das farbige Garn zu künstlichen Blumen und Blättern.
Auf die Mitte des Gurtes wird in der Regel ein Schweizerwäppchen
gestickt.
"Aes Schättli Wald" heißt wörtlich einen "Schatten Wald" und
bedeutet soviel wie ein kleines Stück Wald, d. h. ein Wäldlein.
"Schlungus oder Schlunguus" heißt soviel wie eine Uebung, ein
Spiel, eine Handlung, genauer eine hitzige Uebung rasch und
mit Anstrengung der Kräfte beendigen. .
"Sännebart". Von besonderer Eigenart ist nur der sog. Sennenbart,
der, aus alten Stichen und Glasscheiben zu schließen,
schon im 16. Jahrhundert getragen wurde. (Siehe Halbarter auf
der Schwyzer Standesscheibe 1542). Die Haare gehen unter dem
Kinn durch, die Oberlippe und der obere Teil des Kinns
sind rasiert. Der Sennenbart ist jetzt sehr selten zu sehen.
"Sechte oder seichte"heißt man beim Wäschen das Dämpfen,
Der Vorgang ist folgender: Die Wäsche wird in eine Stande
getüncht, in der ein langer Holzzapfen steckt. Ueber die Wäsche
legt man ein weißes Tüchlein, darauf streut man Holzasche und
ein wenig kleine Sodabrocken. Dann gießt man siedendes Wasser
darauf, läßt es erkalten, zieht nachher den Zapfen und läßt es
durch das Zapfenloch ablaufen. Dann steckt man den Zapfen
wieder ein und wiederholt den Aufguß drei bis viermal bis die
Wäsche sauber ist. Im Jahre r686 wurde das Sechten in den
Häusern wegen Feuersgefahr strenge verboten und beschlossen.
eine Sechthütte auf der Langrüti zu bauen. Aus dem gleichen
Grunde war das Waschen in den Häusern überhaupt verboten.
Die Familien hielten ihre Wäschen in der Dorfwaschhütte ab.
Eine stund bei der Rosenegg, die andere im Weißwindgarten,
(vor dem St. Johann, am sogenannten Klosterbächlein. Die
Waschhütte am Klosterbächlein wurde wahrscheinlich in den
Soer Jahren abgebrochen. Beide sind noch auf alten Stichen,
die letztere auch auf Photographien verewigt. Der Standort der
Sechthütte auf der Langrüti am Bach ist nicht bekannt. Vielleicht
wurde Umgang genommen, sie zu bauen, da man den
vorgenannten Platz bei der Rosenegg an der Alp für vorteilhafter
hielt
"Tubakboate" = Tabakdose (boite).
"täfl sy" heißt nach einer feuchtfröhlichen Feier (z. B. Fastnacht
oder Chilbitanz) am Morgen frisch und willig den Werktag
beginnen.
"uf e Tätsch" heißt "zur Stelle bringen",Befehlsform 'z. B. "Most
uf e Tätsch l"
"tifig" heißt geweckt und gewandt.
"wydleich" heißt gelenkig, biegsam wie ein Wydli bezw. em
Weidenzweig.
"Turperiegel", das ist eine mit Torf ausgeriegelte Scheidewand,
wie man sie an alten Einsiedler Wirts- und Wohnhäusern häufig
vorfindet. Ueber diese Bauart wird wegen ihrer fast unvergleichlichen
Primitivität gern gespottet. Man hält ihre jedoch
gerechter weise die Vorteile der Wärmebindung und der Billigkeit
zugute. _Den dritten und vierten Vorteil übersieht man in
der Regel. Die Torfriegelung saugt dem Gebälk die Feuchtigkeit
weg und verhütet dessen Anfaulen.. Sie hat ferner ein
geringes Gewicht und belastet den ohnehin mangelhaften Unterbau
(Fundament und Stockmauer) vieler Häuser wenig. Die
konstruktive Anlage ist folgende: Senkrechte Balken als Träger
unten mit dem Mauerbalken und oben mit dem Deckenbalken
verzäpft, gegenseitig mit wagrechten und schrägen Bälklein
168
./
;
verbunden, diese auf der gegeneinander zugekehrten Seite gerillt,
an den Flächen gegen den Innenraum mit vielen Holz-
'bolzen gespickt, dazwischen, auf dem Mauerbalken angefangen,
<eine etwa -5 cm hohe Schicht Gips, darüber eine etwa IO cm
.hohe Lage Torf, dies 2 bis 3 Mal wiederholt, darüber eine
wagrecht in die Rillen gepreßte Latte und in diesem Wechsel
hoch bis an den Deckenbalken. Die Schichtung ist auf der Seite
des Innenraumes mit Gips, der an den Bolzen Halt bekommt,
verputzt. Der Verputz wird entweder mit Tapeten oder Tannentäfer
verkleidet .
.."Tüfelsriegl" oder "Chapuzinerchnopf" = altes hölzernes Zusammensetzspiel
aus sechs verstäteten vierseitigen Prismen mit
quadratischer Grundfläche. Der Tüfelsriegl wurde von alten
Wagnern und Zimmerleuten angefertigt. Er sieht aus wie ein
dreifacher Gwättikopf an einem alten gewandeten Haus .
."z' viel Riiffe" = gegen den Schwanz hin sinkende Rückenlinie
einer Kuh.
,,,sich vernüevere" heißt sich z. B. an einem Liengs Schwynigs
gütlich tun.
"Vürchäufer" = Vorkäufer. So wird der Viehhändler genannt, der
das Vieh für die ExporthändJer bei den Bauern besichtigt und
gegen Kaparre oder Auszahlung kauft.
",willfährig" = zugänglich, leutselig.
"Ich ha Wält gnueg" heißt in der Umgangssprache unserer Bergbauern
soviel wie ich besitze mehr Grund und Boden ols ich
bearbeiten mag.
,,,zwylewys"= wörtlich "zuweilenweise" heißt zuweilen, hie und da.
"ä Zaine" = ein Handkorb.
~,Ziefe" ="Aalstrich eines Rindes über dem Rücken.
"Zwile" = Zwilchtuch .
.8. Originalitäten in der Namengebung.
Die Namen der öffentlichen Plätze und Straßen erheben keinen
Anspruch auf kulturelle Wahl. Sie richten sich nach orientierenden
'Gesichtspunkten und heißen unter- anderen: Haupt-, Sternen-,
.Spitalplatz, Zürcher-, Mythen-, Nord-, Rathaus-, Schwanen-, Rößli-,
Kronen- und Panoramastraße, Taubengasse usw. Anlaßlieh des
.öffentlichen Anschriebs ums Jahr I9IO wäre Gelegenheit geboten
_gewesen, die enge Schale zu verlassen.
In unsern ländlichen Flurnamen, die am besten aus den alten
Urbarien des Grundbuchamtes ersichtlich sind, ist ein origineller
Kurs vorgezeichnet. Lehrer Meinrad Kälin hatte eine kleine
.Sammlung angelegt und sie besprochen (Eberle und Rickenbach,
3910). Als Landschreiber Konrad Lienert auch Notarstellvertreter
.,
war, folgte er dem guten Einfall, diesen Kurs für de.n ~rra<T
Neubauten im Dorf fortzusetzen. Um dem Leser Einblick zu !<ewähren,
geben wir hier einen 'knappe~ Auszug ~er Flur-,.~~_-.
Tier- und Uebernamen unter Berücksichtigung Ihrer Originalitä
(Die umfassende Analyse, in V~rbi?dung mit ergänzenden Voschlägen,
ist einer spätem Publikation vorbehalten).
1. Beispiele von Flur- und Häusernamen ; Hahnenruf, Roblosen,
Roßhuf, Wachsbecher, Bauch, Leerbauch. Bodenlos, Gyritz
Schön garn, Herzigen, Tanzmeister, Fasel, Gleit, Forren und
Grützen, Schutzfurt, Zauggen, Medenen, Aspi und Teufi, Flößhacken,
Gamsklauen, Topinambur, Sauerbrunnen, Zwischenschein.
Tüchelnäper, Frankenteuer, Gäbnüd, Gimmermeh, Minderwichtig,
Namenlos, Reinfall, Schauwohl, Schleißigen Grund, Vielwert,
Wachsbesser, Geschloo - Wald, Vielztüür. Namenfamilien:
Trompete, Baßgeige, Klarinette, Waldhorn, Horn, Fidel. Humpen,
Flasche, Glas, Becher, Faß. Erle, Esche, Ulme, Tanne, Buche,
Ahorn, Haselnuß, Lärche, Nußbaum, Buchsbaum, Grünlindenblust,
Immenstock, Kümmistock, Holderblust, Weißdorn, Dombusch,
Papel, Schwarzdorn, Waldmeisterlein, Zeitlose, Nießwurz,
Ihen (Eibe), Besenchris. Schildkröte, Schlange, Schnecke, Adlerschwanz,
Bärenruh, Gänserich, Kuder, Gägler, Schnäpf, Brummbär,
Spärber. 3 Kreuzern, 3 Jägern, 3 Herzen, 3 Pilgern. Ambos.
Stemmeisen, Blasbalg, Kessel, Leist. Immenhaus, Lurenhaus.
Pfauenfuß, Gutwillen, Affenwagen, Arbeitschön. Muttergottes,
Flucht nach Aegypten, Adam und Eva. Wilder Mann, Wilde Frau,
Wildes Kind, Weißwind.
Unter den Gasthäusern herrschen die religiösen Namen vor und
verbürgen in der Regel die Gründung im 13. und 14. Jahrhundert.
2. Beispiele von Tiernamen: Stiere: Umzug, Blick, Tusig, Chruusli,
Läcker, Trumpf, Zwingherr, Gwunder, Muri. Kühe und Rinder:
Lusti, Freudi, Brästli, Hübschel, Müsterli, Höffertli, Muttli, Gumpi,
Tänzeler, Chröndli, Wohlgfallerli, Dämeli, Chäfer, Jungfer,
Gmüetli, Lächli, Fähnli, Fryeli, Glöggli. Ziegenböcke und Widder:
Köbi, Fysel, Fax, Box, Gimmermeh. Ziegen und Schafe: Unschuld,
Silberstruß, Rubeli, Müetterli.
3. Beispiele von Uebernamen: Ankedrüeseler, Babitatsch, Brübrü,
Biredings, Bauz, Brachmoned, Bijouli, Cognac, Chilefrösch, Chochjörgl,
Chrätlärebär, C'est ä dire, Dewäg, Dauderlau, Drynäpper,
Deis, Insowyz, Doppelliter, Egu, Ewigabäbinderli, Faufausli, Fasmissak,
Fadegrad, Fyroubed, Füfilang, Gott z'ehrä, Gwirber,
Cniepeler, Goldmöckli, Gufeschnutz, Habermähli, Harraß, Hui,
Häbu, Himmelabenand, Jordändli, Jüngsttag, Kanoneschritt, Köstlicher)
Lutsprächer, Mer, Madudli, s'Ma, Neugg, s'Rappig Läbchüeli,
Schofwuli, Schrubedämpferli, Schißwi (j'y suis), Siieß,
17°
,
I:
'Sydechüngel, Salveschritt, Stunggis, Tämpäre, Untergang, Wasserstrahl,
Wättertann, Wyßgügel, Ziesligraf, Zebon (c'est bon).
Viele Uebernamen entstehen im Kreise der Jugend; wo sogar die
Lehrerschaft nach äußerlichen Merkmalen beobachtet wird, um
ihr gelegentlich einen anzuhängen. Auch an jeder Schulklasse
haftet eine ranggemäße Auszeichnung. Sie heißen:
I. Primarklasse: Gitzi (Zicklein, unbeholfene Wesen),
2. Primarklasse: Tinteschläckr (Dürfen zum I. Male mit Tinte
schreiben), -
3. Primarklasse: Aengeli (Erstkommunikanten),
4. Primarklasse : Bängeli (Nach einem strengen Jahr doppelt übermütig),
__
5. Primarklasse: Rufegrind (Unsauber),
6. Primarklasse : Stöck (Schwer zu führen),
7. Primarklasse: Böck (Meisterlosig und nicht begabt),
I. Sekundarklasse: Löffelstiel (Eingebildet),
2. Sekundarklasse: Chönd nüd viel (Repetierer).
Die Mehrzahl der Uebernamen hat einen spöttischen Einschlag,
weshalb wir Umgang nehmen; diese Kategorie aufzuzählen, Die
Häufigkeit einiger Familiennamen in Verbindung mit den Taufnamen,
Meinrad, Josef; Josef Meinrad und josef Maria verlangt,
daß in den Zivilstands-, Stimm-: und Steuerregistern. auch der
-Uebername beigefügt werde, um Verwechslungen zu vermeiden.
Der Uebername ist im Volksleben der Waldstatt so tief verankert,
daß es zwecklos wäre, gegen seinen Gebrauch im Alltagsleben zu
protestieren. Beschwerden würden Volkswitz und Schalkhaftigkeit
nur noch stärker anregen. Das beweisen folgende neuzeitliche
Korrekturen von beanstandeten Uebernamen: Salomon wurde
einfach in Nümmesalomon, sauterelle (locusta terrestris) in Grashopper
umgewandelt usw.
'Mit den Uebernamen dürfen die sogen. Beinamen nicht verwechselt
werden. Diese dienen lediglich der Verdeutlichung, z. B.
Josef Kälin des Jochmes (Joachims), des Haltners( von der
Halden), Au-Konrad (Konrad aus der Au), Eggäre-Marti (Martin
,-;onEgg), Sagäre Meired (Meinrad, dessen Vater Sager war) usw.
Auch Wohnhäuser erhalten gelegentlich Beinamen. In einem
Quartier sind sie z. B. der lauretanischen Litanei entnommen:
"Arche des Bundes" (langgestrecktes Wohnhaus zur ,,-.1,rche"),
,;Geistliches Gefäß" (Wohnhaus der Lehrschwestern), "Heil der
Kranken" (Wohnhaus eines Arztes), Zuflucht der Sünder" (Wirtschaft),
Morgenstern (gleichnamiges Wohnhaus).
Unsere Kirchenglocken sind numerisch getauft: Z. B. Nr. 4, 9,
11, 1.2 (4 Uhr Metteglocke, 9 Uhr Neunuhrmesse, II Uhr vor
der Einführung der mitteleuropäischen Zeit Mittag, 12 Uhr Mittag).
Ausnahmen: das Wetterglöcklein und die Salveglocke.
Die Landestopographie huldigt bisweilen Verdeutschungen der
Berg- und Dorfnamen, die unbegründet sind, z. B. Auberg statt
Aubrig, Fluhberg statt Fluhbrig, Iberg statt Ybrig usw. In
dieser Richtung ließe sich auch über die Entwicklung des Ortsnamens
"Einsiedeln" sprechen, der aus "Einsiedlen" hervorging.
Nach unserer, Auffassung ist "Einsiedlen" vorzuziehen.
Das Stammwort dürfte "Einsiedelei" sein, das sich mit "Einsiedler"
deckt. Einsiedlen hat auch den Vorzug 'der leichtem
Aussprache. Hievon zeugt die Bildung des Prädikats "einsiedlerisch".
W oIlte man der gebräuchlichen Orts bezeichnung "Einsiedeln"
folgen, müßte man folgerichtig "einsiedelnerisch" und
der "Einsiedelner" schreiben. Abgesehen davon, daß alte Gülten,
Urkunden, Verträge, Bücher, Stahlstiche' usw. fast nur "Einsiedlen"
und "Einsidlen" kennen, führt uns auch die Mundart
auf den rechten Weg. Nicht, daß die Sache wichtig wäre. Aber
man darf sich diese Erwägung doch merken.
9. Kommentar zum Waldstatt- und zu den Viertelswappen.
Da nicht jeder Maler und Zeichner die Wappenkunde kennt,
unterläuft ihnen mancher Fehler, sei es bei Kompositionen, sei
es bei Kopien. Es trifft allerdings zu, daß diese und jene Frage
noch nicht genug erörtert ist. Das dürfte auch bei der Frage
der Flugrichtung der Raben im Waldstattwappen der Fall sein.
Es gibt nämlich Leute, die behaupten, die Raben des Stiftswappens
fliegen rechts, diejenigen des Dorfwappens hingegen
links. Dies müsse so sein, meinen sie, damit man die beiden
Wappen unterscheiden könne. Wir möchten hier eine andere Auffassung
vertreten und zugleich deren Haltbarkeit begründen. Die
Unterschiede der beiden Wappen (Stift und Dorf) bestehen in
der Verschiedenheit der Grundfarbe des Wappenfeldes, Stift
gold bezw. gelb, Dorf rot. Es ist überflüssig, daß noch eine
andere Auszeichnung, z. B. die ungleiche Flugrichtung der Raben
gewahrt werde. Die Li n k s flugrichtung der Raben ist unh e ra 1-
dis c h. Wappentiere im Profilbild sind rechts gekehrt. Freilich'
begegnen wir auf alten Scheiben, Siegeln und Stichen häufig
links gerichteten Wappentieren. Man beobachte aber genau! In
jenen Fällen sind zwei Wappen als gepaarte, d. h. als Allianzwappen
gebraucht, weshalb es zutreffen .kann, 'daß sogar die
Raben des Stiftes, von denen man nicht behauptet, sie müssen
links fliegen, doch links fliegen. Das ist. so, wenn das Stiftswappen
das rechtsstehende .Wappen der Paarung ist. (Auf die
rechte Seite stellt man in der Regel das bevorzugte Wappen.
Beispiele: Stiftswappen rechts, Personalwappen links. Ehewappen.
das männliche rechts, das weibliche links.)
.172
Hier einige Beispiele betreffend' die Flugrichtung der Raben im
Waldstatt- und Stiftswappen: '
I. Aelteste bekannte Reproduktion des Gnadenbildes auf einer
von Abt Konrad H. anno 1512 "zur berg am Irchel" Kanton
Zürich, gestifteten Glocke. Dort ist das Abtwappen (links) mit
dem Stiftswappen (rechts) als Allianzwappen gebraucht. Die
Raben des Stiftswappens fliegen links (siehe Odilo Wallfahrtsgeschichte,
Seite 144).
2. Scheibe "Seiner Gnaden PlacidusAbbte des fürstlichen Gottshauses
Einsiedlen Anno-I662" als Allianzwappen gebraucht, Raben'
des Stiftswappens (rechts) fliegen links.
3. Hl. Meinrad, Stich von P. Athandsig Beutler et delineavit
.0 S. B., E. Kanzelmann Sculpit Aug. V., Dorfwappen (links),
Raben fliegen rechts. \ .
4. Einsiedler Brakteaten (im Landesmuseum) Raben fliegen rechts.
5. Siegel Abt Rudolph III., 1438-1447, Stiftswappen (rechts),
Abtwappen (links), gepaart. Die Raben fliegen rechts.
6. Rundsiegel Abt. Gerold um 1465, dito gepaart, 'Raben fliegen
rechts.
7. Zweites Siegel Abt Konrad III. 1482, dito gepaart, Raben fliegen
rechts.
Die Beispiele 5, 6 und 7 widersprechen. den Beispielen 1 und 2
insofern, als die Raben des Stiftswappens (rechts) rechts fliegen,
trotzdem dasselbe mit dem Abtwappen (links) als Allianzwappen
gebraucht ist. .
.-Aus diesen Darlegungen folgt, daß der Unterschied zwischen
Stifts- und Dorfwappen in der G run d f a rb e des Wappenschildes
besteht und daß eine andere Ausscheidung überflüssig,
event sogar unheraldisch ist.
Näheres über das Waldstattwappen enthält die Beilage der "Neuen
Einsiedler Zeitung" vom März 1933 aus der Feder von alt-
Kanzleidirektor Martin Styger. .
Das folgende gilt der Begründung der revidierten Viertelswappen.
1. Bennau. Die Au des sel. Benno, Gründer. Erstmals 13II als
Bennove erwähnt. Gelbe Infula und gelber Bischofsstab. Rotes
Feld.
2. Trachslau.Erstmals 131I als Trechselun erwähnt. Schwarzer
Schweizer Kriegsflegel. Daneben ein T in Antiqua. Erinnert an
den Marchenstreit zwischen dem alten Lande Schwyz und dem
Gotteshaus Einsiedeln um 1314 und' f. J. und an die Zwischenfälle
auf der Kriegmatt im Einsiedler Handel um 1766. Rotes Feld.
3. Egg. Erstmals 1331 als Egga erwähnt. Blaue Wasserkurve im
untern Drittel, die an den SihIlauf in Untersytten erinnert. Gelber
Mörser in den obern zwei Dritteln. Er erinnert an den berühmten
173
Arzt Theophrastus Paracelsus, der neben der Teufelsbrücke am
Etzel wohnte und dort seine Arzneien stampfte. Rotes Feld.
4. WillerzelI. Erstmals 1319 als Willercella erwähnt. Schlichtes
weißes Kirchlein, Turm .Käsbissenform, rechts der Buchstabe W,
links der Buchstabe Z als Kennzeichen gegenüber andern Wappen
mit einer Kirche als Wappenbild.
5. Groß. Erstmals 1311 als Große erwähnt. Die Wettertanne erinnert
an einen großen dichten Wald. Siehe Flurname "Im Dick".
Rechts und links wagrecht gegen den Stamm gerichtet je ein
Flößerhacken. Erinnert an das bis um 1870 betriebene Flößen
der Trämel im Hochwasser der Sihl. Rotes Feld.
, .
6. Euthal. Erstmals 1433 erwähnt. Altarbild in der Kirche zu
Euthal Schmerzhafte Muttergottes. Darum Herz Mariä. Das rote
Herz allein ist zu weltlich. Um dem kirchlichen Symbol gerecht
zu werden Schwert in senkrechter Stellung. Weißes Feld.
7. Binzen. Erstmals um 1320 erwähnt, als Viertel erstmals 1572.
Grünes Feld, quer gespalten. Verweist auf Ober- und Unterbinzen.
In beiden Feldern eine Rindertrychle, die an den landwirtschaftlichen
Kleinbetrieb auf Eigen- und Pachtland erinnert.
Kleine Nachträge.
I. Das Kirchmeieramt,von dem in der Waisen- und Armenrechnung
die Rede ist, bezieht sich auf Pastorationsobliegenheiten.
z. Männer, die heirateten, mußten bis gegen 1874 eine Art Wehrsteuer
entrichten, d. h. einen Barbetrag abliefern, der dem Bezirk
die Anschaffung eines Gewehres für das Zeughaus ermöglichte.
Auch die Schützengesellschaft benutzte den Zivilstandswechsel
junger Männer und forderte zur Unterstützung des Schießwesens
eine Zeitlang von jedem Hochzeiter Fr. 5.-.
Die Eheleute feiern nach 25 Jahren Ehestand das silberne, nach
50 Jahren das goldene und nach 60 Jahren das diamantene
Jubiläum. Der Volksmund spricht satyrisch vom ,,2sjährigen
Krieg" usw.
3. Bei zahlreichen Jodelliedern fallen die Unbeholfenheit der
Dichtung und die weinerliche Komposition auf.
4. Ein praktisches Kleidungsstück der Bauern, der Westenrücken
ist seit einigen Jahrzehnten in Vergessenheit· geraten, so auch
dessen mundartliche Bezeichnung. Er wurde bei strenger Kälte
und heftigem Nordwind zum Schutze der Lungen und Nieren
getragen. Man stelle sich ein hochrechteckiges, mit Wolle eng
. gestricktes Rückenteil vor, an dessen obern Enden je eine Schleife
wie i..Achslifasse" und an den untern Enden 2 Gurten angenäht
sind, die mit einer Schnalle um den Leib befestigt werden.
174
5. Im letzten Jahrhundert war es bäuerliche Sitte, eine Blume, z. B.
ein Hagröslein. hinterm rechten Ohr zu tragen, die Blüte nach
vorn gerichtet. Alte Holzlarven, Aquarelle usw. erhärten diese
Sitte. Sie kann nur der Ausdruck einer launigen Stimmung gewesen
sein, wie das Tragen bunter Blumensträuße auf den
Schlapphüten der Sennengesellschaft des 18. Jahrhunderts, der
Maien der Armbrustschützenbuben und der Rekruten im letzten
Jahrhundert. Das Aufstecken der Blume hinter dem Ohr mag
zur Zeit aufgekommen sein, als die Männer die kurze weiße
Zipfelmütze und bald nachher die lange schwarze Mailänder
Züttelkappe als gebräuchlichste sömmerliche 'Kopfbedeckung
trugen, die nicht geschmückt werden konnte. Ein Blümlein im
Mundwinkel verrät ebenfalls eine freudige Stimmung.
6. Der "Zerrpfennig" (bisweilen auch "Zehrpfennig" geschrieben).
ist ein Fond zugunsten reisender (fechtender) Handwerksburschen.
Er greift vermutlich in den Anfang des letzten Jahrhunderts
zurück. Das Bezirksamt ließ jährlich einmal den Läufer oder den
Weibel bei den wohlhabenden Familien im Dorf umgehen und sie
um Entrichtung eines kleinen Beitrages in diesen Fond bitten.
Die Handwerksburschen, die sich auf dem Amt meldeten oder
die aufgegriffen wurden, erhielten jeweilen 30 bis 50 Rp. Handgeld,
wenn sie im Besitze der Ausweispapiere waren. Der Fond
betrug im Jahre 1918, als die Sammlung nicht mehr fortgesetzt
wurde, etwas mehr als Fr. 1000.-. Er wird seinem Zwecke
erhalten bleiben.
7. Im Hausgang alter Häuser befindet sich hinter der Haustüre
entweder eine viereckige oder eine hochrechteckige Oeffnung in
der Stockmauer. Vereinzelt trifft man auch noch schmiedeiserne
Hacken an, die oben gegen die Decke hin in die Wand eingemauert
sind. In die Löcher stellten Hausbewohner und Pilger
das Talglicht, wenn sie morgens in der Dunkelheit das Haus
verließen. Wer nachts heimkehrte, nahm das Talglicht wieder
zuhanden. Am Eisenhacken wurden die Feuereimer aufgehängt.
Jeder Hausbesitzer war laut Löschordnung verpflichtet, 2 lederne
Feuereimer (Füürchübel) zu stellen, Die Feuereimer wurden in
der Trägerkette zur Wasserbeförderung von der Schwelle bis
zur Brandstelle oder zum Füllen der Schöpfspritzen verwendet.
Die Einführung der Schenksehen Saugspritze in den 70er Jahren
machte den Feuereimer mehr oder weniger überflüssig.
8. In alten Pfarrgemeinden wird der Tote konsequent mit dem
Gesicht gegen das in der Mitte des Friedhofs stehende Kreuz
gerichtet, ins Grab gelegt. In Einsiedeln trifft das jetzt nur teilweise
zu, Aber, aus einer von Schmid gezeichneten Lithographie
(bei Gebr. Karl und Nikolaus Benziger) zu schließen, erfolgte
früher, als der Friedhof aus nur 4 Feldern bestand, die Grab-
175
r
1-,
legung auch nach der oben erwähnten Ordnung. Als Grabmäl
wurden damals ausnahmslos kleine Holzkreuze mit schmaler Ab--
dachung und Sandsteinsockel mit niedere~ schmiedeisernen Kreuzen
verwendet. Die Ecken der Felder waren entweder mit Urnen.
oder Weihwasserbecken aus Sandstein geziert.
9. Die Schurter Waren amtliche Schuldeneinzüger, somit die Amtsvorgänger
unserer Betreibungsbeamten. Dies geht aus folgendem
Beschlusse des zweifach gesessenen Landrates vom 14. April
1608 hervor: ,
"Die Schurter, so um Lohn Schulden einziehen, werden vom
zweifachen Landrate in Schwyz abgeschafft. Künftig soll jedermann
seine Schulden selber einziehen oder durch seine Kinder
oder Diensten einziehen lassen. Witwen und Waisen, so keine
Diensten halten, mögen die Landsläufer oder Trager darum ansprechen,
welche den Einzug um gebührlichen Lohn besorgen
sollen"
IO. Der Laternenanzünder. Beim Zunachten eilte ein flinkes Männlein,
eine Leiter geschultert, im Dorf von Straßenecke zu Straßenecke,
stellte an, stieg auf, öffnete das Laternenfensterehen und
zündete die im Laternengehäuse stehende Petrollampe an. Wer
könnte jenem damals unbeachteten Männlein heute die Beachtung
versagen? Als gegen 19IO der Glühstrumpf unseres bewährten
Gaswerkes und gleich darauf die überlegene Glühbirne aus Zürich,
der Petrollampe in Haus und Hof den Garaus machten, verschwand
der amtliche Laternenanzünder plötzlich von der Bildfläche.
Nur einige- wenige Zeugen erinnern an die frühem Beleuchtungssorgen,
nämlich alte eiserne Laternengehäuse von der
Gestalt der Zunftlaternen. Man geht, trotzdem sie originell sind,
achtlos an ihnen vorüber. Wo behaupten sie sich noch, wird man
fragen? An folgenden Gasthäusern: Bären, Elephant, Glocke,
Großkreuz, Goldener Adler, National, Pilgerhof, Rotochsen, St.
Katharina, Wage, Waldstatt usw. Eine alte Straßenlaterne steht
immer noch beim "Einsiedlerhof", dem ehemaligen Kanzlerhaus.
Gottlob haben wir moderne Lichter, die sich gegenseitig überstrahlen,
aber ..gerade darum ist keines so heimelig, wie die
Petrollaterne, die träumerisch in die engen Gäßchen hinein
flackerte und sich gewissenhaft mühte, jedem bösartigen Windlein
zu trotzen.
, .
250 BILDER
AUS DEM VOLKSLEßEN
mit kurzen Beschrieben
und Betrachtungen über
wichtige Ereignisse
3 Teile:
Im Dorf herum
Ueber Land
Bei der Jugend
Die Bilderschau besteht aus Rekonstruktionen,
Reproduktionen, einfachen und zusammengesetzten
photographischen Aufnahmen und Skizzen.
.1
1M DORF HERUM
Die Waldstatt in der 2. Hälfte
des 16. Jahrhunderts. Aus
Diebold Schillings Chronik.
Einheit der Bauformen, der
Gleichheit des Erwerbslebens
und den nahen Baustoffen
entsprechend. Bald
wurde das Kloster, bald der
Flecken entweder ganz oder
teilweise das Opfer vorsätzlicher
od. Ialirläßiger Brandstiftungen,
so 1021, 1226,
1465, 1577 und 1680. Der
Wiederaufbau mußte jeweilen, um den Wohnungs- und Verkehrsbedürfnissen
genügen zu können, mit Hast erfolgen. Bei Unterkellerungen und Umbauten
der letzten Jahre wurden Fundamente aus Sandstein, die bei den Feuersbrünsten
rotgebrannt worden waren, nachgewiesen.
Ausschnitt des obern Dorfbildes. Mitte 16. Jahrhundert. Schlüsselplatz mit Brunnen,
Sechseckbecken und Säule. Vom .Ochsen" (Hirschen) bis zum .Schwarze Männle"
(St. Meinrad) bezw. vom Rathaus bis zu den ,,3 Eidgenossen". Dort offener Dorfbach.
Die Gliederung zeigt die Anfänge der 3 Parallelstraßen "Hauptstraße", nSchmiedenstraße"
und "Habermusgasse" (Schwanenstraße). Vereinzelt geriegelte, vorherrschend gewendete
Bauten, mit steilen Satteldächern. Hinter den Häusern kleine Gemüsegärten, dann Holzund
Torfschöpfe.
Der Frauenbrunnen und die Pilgerhäuser Adler, Pfauen, Hirschen, Ochsen,
Sonne, Rothut, Bären, Hecht, Georg und die Sonnenstände. Das Bild zeigt
den Hauptplatz mit der Einmündung der Hauptstraße um 1800. Schöne,
übereinstimmende Bauformen. Der Hautplatz ist heuer von den Genoßsamen
dem Bezirk zu Eigentum abgetreten worden.
Vorderseite des 1689 erbauten Rathauses bis
1870. Unter seinem Dach befanden sich ursprünglich
zwei Tanzdielen, Schulzimmer und
Zeughaus, später das Gerätelokal der Feuerwehr,
seither Post, Telegraph und Telephon.
Bester Bautypus am Straßennetz des Dorfes.
. --.,
Vorderseite des Rathauses bis um 1905.
Der Bauwurde alsdann mit phantastischen
Zutaten restauriert und an den Dachsaum
malte man die Viertels- und Familienwappen.
Die Amtslokale umfassen Bezirksamt,
Bezirkskanzlei zugleich Gerichtssaal,
Notariat, Grundbuchamt und
Konkursarnt, Genossenstube, 2 Bureaux, 2 Wohnungen, Polizeiposten und
Arrestlokal, Bezirksarchiv. Die Rechte der Landesgenoßsamen am Rathaus
wurden durch Zuweisung je eines Zimmers im betreffenden Viertelsschulhaus
abgelöst.
Hinter- und Westseite des Rathauses
bis um 1905. Bodenfest
und hochstrebend. Diesem Gebäude
muß der Charakter eines
Amtshauses nicht erst die Farbe
aufgemalt werden.
Mittelbau des alten Schulhause 1843
bis 45 erbaut. Vornehme Architektur
nach Abt Heinrich Schmid. Längsfronr
gegen die Sonne, Schmalseite gegen
das Wetter gerichtet. Günstiger Abschluß
des Gesichtsteldes vom Hauptplatz
nach Norden. Also bestmögliche
Sachlichkeit in der Platzfrage. In den
30er jahren, als sich die äußern Bezirke
des Kantons Schwyz an das
Studium einer Verfassung des Kantons
"Außerschwyz" machten, bereiteten
sie auch ein vorzügliches Schulgesetz
vor. Nach erfolgter Verständigung
mit dem alten Lande trug die
Schulfreundlichkeit rasch sichtbare
Früchte. Man baute sogar auf den
Vierteln Schulhäuser, eine Seltenheit
für die damalige geldarme Zeit.
Dieses Schulhaus enthält eine Schulkirehe.
Schulzimmer für die 2 untersten
Primarklassen und für die gewerbliche
und kaufmännische Fortbildungsschule,
ein Musiklokal, ehemals
Turnlokal, zwei Zimmer für die
Kleinkinderschule, eine kleine Volksbibliothek,
ein Vereinsarchiv und eine
Abwartwohnung.
1889/90 wurde nordwärts ein noch
größeres, wuchtigeres, jedoch weniger hübsches neues Schulhaus gebaut mit Längsrichtung
Süd-Nord, ungefähr 10 jähre später noch nördlicher eine Turnhalle. Das neue Schulhaus
enthält Schulzimmer für die 3. bis 7. Primarklasse und für die Sekuandarschule, ein
Zeichnungszimmer, ein Gesangzimmer (zugleich kleines Naturalienkabinett). ein Arbeitsschu.zimmer
(zugleich Lokal für hauswirtschaftliche Arbeitsschule), je ein Lokal für die
Kochschule und die Volksküche, eine Abwartwohnung. Die beiden Schulhäuser und die
Turnhalle werden gelegentlich als Truppenkantonnemente benutzt. Die Kleinkinderschule
steht unter der Obhut des Frauen- und Töchtervereins, der gemeinsam mit dem jüngern
Vinzenzverein dem Wohl tun gegen Arme und Kranke obliegt; die Fortbildungsschule
wird zum größten Teil vom Fortbildungsverein unterhalten, dessen Vermögen sich aus
Schenkungen zusammensetzt; die Volksküche unterhält der gleichnamige Verein; Kochschule
und Arbeitsschule für Schulentlassene sind ebenfalls wohltätige Einrichtungen des
Frauen- und Töchtervereins.
Im 18. jahrhundert
Kernenhaus, im 19.
jahrhundert Schützenhaus,
im 20. jahrhundert
Theater.
1737/43 von Singer
erbaut. Bis ungefähr
1905 Eigentum der
Genoßsamen, seither
des Bezirkes. Im
Theater treten von
Zeit zu Zeit die
Theatergesellschaft
die Vorzugsrechte
beansprucht.die musikal.
-gesanglichen
Vereine, der Turnverein
mit Darbietungen
auf.
1
Die nächste Umgebung des Kernenhauses um 1860. Gleichmäßige Baulinlen.
Eigene Rekonstruktion nach .dern Aquarell von D. Bisig 1884, das
die ganze Langrüti umfaßt.
Hinteransicht eines Gasthauses im
Oberdorf. Demonstration einer Bauentwicklung,
die mit bescheidenen
Mitteln die kleinen Bedürfnisse von
Fall zu Fall erledigte, allerdings mit
Verzicht auf eine geschlossene Wirkung.
Zugleich ein Sammelbild
verschiedenster Dachformen : Vier
Satteldächer vom sanft fallenden
bis zum steilen, ein halbes Rechteckwalmdach
mit gebrochener Dachfläche
im obern Drittel, leicht geschweift
in den untern Dritteln,
kleines Mansardensatteldach, Pultdach
(bezw. Klebdach) am Giebel,
Krüppelwalm am obersten Grat.
~ Gasthaus zum "Bären". Origineller BaUlYP
des 17. jahrhunderts, geriegeIt, verputzt, mir
Kreuzdach und kleinen Krüppelwalmen. Der
Flecken zählt 35 Gasthäuser mit 20 bis 100
und 25 mit 5 bis 20 Betten. Die Logierfähigkeir
beträgt mit den Privatbetten rund 2500. Sie
übersteigt seit 1914 weit den Bedarf.
•
Paradiesplatz, rechts "Adler", ehemals
der größte Gasthof, und "Halbmond".
Solide Bautypen des Oberdorfes
aus dem 18. jahrhundert.
Blick auf die Kirche, links die Nordseiten
des .Piauens" und des "Sankt Antonis".
Im Vordergrunde der Vorbeter mit Männern und Buben, die Fahne, Muttergottesstatue
des marianischen Rates, Laternen und Bruderschaftsfähnlein tragen. Der
Zug begibt sich zu einem Trauerhaus, um die Leiche zur Beerdigung abzuholen.
Im Volk sagt man: sie chömed mit de Fähne.
Läufers Haus an der Habermusgasse.
Geriegelt und verputzt. joche am
Satteldach. Gekuppelte Fenster. 1895 .
abgebrochen. -s'r)JY";'7el1:J,ij~ ~r/(tH;.&Mtdr- I
\
1',
Das alte Armen- und Waisenhaus, genannt Spital. 1578 erbaut. um 1865
abgebrochen. Gewandetes Tätschhaus. Im Vordergrund Fuhrmann mit Hirthemd
aus Blautuch, mit dem Stäcklikorb auf dem Rücken. Einsiedler Fuhrroß.
Dieser robuste Schlag wird im Markstall des Stiftes gezüchtet.
Das .neue Waisenhaus am Eingang der Langrüti. In den 60 er Jahren erbaut,
120 lnsaßen. Am Ende der Langrüti ein noch größeres Armenhaus. Eigenbetriebe
wie Viehzucht, Schweinemast, Holzspälterei, Torfausbeute decken
den Unterhalt der 110 Armengenössige. Im Vordergrund Heufuder mit
zwei Männi der Armenhausverwaltung.
Die vom Bezirk verwalteten alten Fonds betragen rund Fr. 580,000. -. Der
größte ist der Armenfond mit einem Bestande von über Fr. 300,OcO. - •
Die obere öffentliche
Secht - Hütte
beim "Weiß\\"indgarten"
um 1860.
Die untere Sechthütte
befand ich
zwischen Alp und
Rosenegg. Dahin
trugen die Frauen
die Wäsche in großenGelten,
schwitzten
und schwatzten.
Im Hintergrund die
Gasthäuser.Weid :
"Widder" u. "Klo~
stergarten ".
Das sogen. Hafnerquartier : Brennhütte,
Braunstein und Glasur. Gegenwart.
Wasserrad am alten Wattenfabrikli in
der Wäni. Ausgestorbener Helfer klein-
- industrieller Betriebe. Um 1890.
l.-~-:-----
Das sogen. "gemauerte
Haus" auf der
obern Langrüti. Satteldach
mit auf der Mitte
gebrochener und geschweifter
Dachfläche.
Typus des gewandeten Wohnhauses
im Dorf. 18. Jahrhundert. Damals war
das Holz der gegebene Baustoff, billig
und wärmebindend. Heute baut mancher
mit wenig Rücksicht auf den
Winter.
Die Waldstatt im tausendsten Jahr. Plieveraulnahrne. Vielgestalt der Bauformen,
der Vielseitigkeit des Erwerbslebens entsprechend. Hervorstechende
Bauten: Kirche, Kloster und dessen Oekonomiegebäude, altes und neues
Schulhaus, Verlagsanstalt Benziger &. Co. A. G., Panorama "Kreuzigung
Christi", Verlagsanstaltjfiberle, Kälin &. Co., Waisenhaus, Verlagsanstalt
Waldstatt A. G., Bahnhof, Kernenhaus. - An der südwestlichen Peripherie
des Dorfes steht das Armenhaus, an der nordöstlichen das Krankenhaus.
Diese 2 Bauten sind auf dem ~Bilde nicht sichtbar. - Die Camera des
Fliegers hat ferner auch die Häusergruppen an' der Zürcherstrasse und
auf der Dümpfeln nicht mehr erreicht.
---------
Stirnseite des Fleckens am Hauptplatz. 1917. Vom Kirchturm gesehen. Hier schaut uns die
Frucht der wirtschaftlich glücklichen Vorkriegsjahre mit ihren zahlreichen Stoßtagen entgegen.
Der Wohlstand wurzelte in der fleißigen und sparsamen Betriebsführung durch viel
Eigenarbeit während vorangehenden Jahrzehnten. In der Front stehen die großen Verlagshäuser
der Firmen Benziger & Co., Eberle, Kälin & Co., die den Rückschlag der Kriegsund
Nachkriegsjahre bis ins Mark spüren. Baulich zeigt das Bild, wohin man kommt, wenn
jeder Hauseigentümer eigene Wege geht und billige Rücksichten auf den Gesamteindruck
des Dorfbildes verscheint. In dieser Hinsicht ist das Aussehen des vorstehend abgebildeten
Hauptplatzes um 1800 viel gediegener.
Hauptstraße im nächtlichen Glanze der Großen Engelweihe. Straßen- und Schaufensterlaternen
sind ausgelöscht. Aus der Dunkelheit glitzern Tausende von Kerzenlichtlein in
horizontal übereinanderliegenden Linien, die die Klosterfassade mit der Gasthäuserfront am
Hauptplatze und mit den Geschäftshäusern an der Hauptstraße verbinden. Bis um 1890
wurde entweder mit Nachtlichtli in runden Gläschen oder mit Wachskerzen in gebrannten
Lehmklötzchen beleuchtet. Jetzt benutzen alle Hauseigentümer Paraffinklötzchen, die in
runde Gläser gestellt werden.
Ankunft eine
bayr. Männerpilgerzuges
mit
Fahne u. Kreuz.
Gegenwart.
Neuer Bahnhof
der Südostbahn-
Gesellschaft, gegründet
1891.
Die Wädenswil-
Einsiedeln- Bahn
eröffnet 1877 als
erster Schienenstrang
der Südostbahn
hat die
größten Geldopfer
gefordert,
die unser Gemeindewesen
je auf sich nehmen mußte. Die Bahn war damals die dringendste
. Frage der Verkehrsförderung. die tatkräftige Männer glänzend lösten.
Hinter den Fassaden. der
Hauptstraße. Um 1870. Die
geschäftige Wirtsfrau verabschiedet
sich von 2 Bregenzerwald-Pärchen
.. Wir sehen sie
im Geiste, wie sie bei der Ankunft
eines Pilgerzuges über
die schmale Treppe unter den
Bogen eilt, um den Gästen
die Hände zu schütteln, ihnen
die Stramintaschen abzunehmen
und um sie gastlich zu
behausen und zu bewirten.
Damit ist aber nicht etwa die
Geschäftigkeit nur der Wirtsfrauen
gekennzeichnet. Nein,
die Waldleute im allgemeinen
betrachten die Pflege der
Wallfahrtsbedlirfnisse als ihre
.nächstliegende Lebensauf--
gabe, der sie sich bieg- und
beugsam unterziehen.
Seit 1910 wurden
eine Reihe von Häu-
" ser - Renovationen
durchgeführt, die
sich allerdings zum
Teil auf die Fassaden
beschränkten.
Hier 4 Typenbeispiele
aus den Jahren
um 1930: Filiale
der Kantonalbank
Schwyz, Gasthäuser
zur "Krone"
und zum .Rothut" ,
Gäschäftshaus zum
"Anker". Hätte nicht der Weltkrieg eine bedenkliche Bresche in die
Finanzlage des Mittelstandes geschlagen, würde sich der Aufputz des
Fleckens noch erfreulicher entwickelt haben.
Privat-Krankenhaus auf der
Dümpflen. Um 1905 erbaut.
Eine großzügige Stiftung,
die in der Hauptsache von
den Familien Benziger angelegt
wurde. Nebenan ein
kleines Absonderungshaus.
Der Betrieb liegt in den
Händen der Ingenbohler
Schwestern.
Panorama Kreuzigung Christi. 1893
erbaut. Hervorragende, ortsgemäße
Sehenswürdigkeit. Ca. 2000 rn?Bild
und Plastik. Nach langen Studien
im heiligen Lande von 3 Künstlern
gemalt. Ein Hort der Erbauung für
die Pilger.
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Unsere industriellen Betriebe.
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1. Fabrikbauten der graphischen Anstalt Benziger & Cie., A.- G., ehemals Gebrüder
Carl & Nikolaus Benziger. Gegründet 1792. In der Blütezeit der 80er jahre waren
in den Abteilungen des Buchdrucks, der Buchbinderei, Lithographie, Galvanoplastik,
Zinkographie usw. einschließlich Heimarbeitszweige um die 700 Arbeiter beschäftigt.
Fabrikationsfiliale in Euthal, früher auch in Groß. Verlagsfilialen in Köln, Waldshut
und Straßburz. Ende des letzten jahrhunderts und zu Anfang des gegenwärtigen
Brudergeschäft Adeltich Benziger & Cie , Paramentenstickerei. Statuen- und Bücherverlag
im Haus zum "Adler".
2. Fabrikgebäude der Firma Eberle, Kälin & Cie., gegründet 1858. Vorherrschend
Buchdruckerei und Buchbinderei, gegenwärtig mit Pachträumen für Corsettfabrikation
und Handschuhnäherei zürcherischer Unternehmer.
3. Fabrikgebäude der Firma WaldstattA.- G., vormals Eberle & Rickenbach, Nachfolger
von Wyß &. Eberle, gegründet 1865. Hauptsächlich Buchdruckerei und Buchbinderei.
4. Buchdruckerei "Einsiedler Anzeiger" zum "Steinhof", seit 1910 Genoßenschaft, ursprünglich
Marianus Benziger zur .Lugeten", gegründet 1859, dann Sales Benziger,
dann Lienert &. Eberle, nachher Kortrad Lienert, schließlich Wwe. Lienert - Schnyder.
5. Seiden- &. Baumwollspinnerei Kaspar Hürlirnann im .Schöngarn", ehemals Christoph
Freitag, gegründet von Wyß um 1830, abgebrannt um 1896, seither Sägerei Lienert.
6. Möbelfabrik Gottlieb Kuriger Söhne, ehemals Gebr. Zehn der, Seiden- &. Banmwollspinnerei,
später Brüder Martin und Gerold Gyr, gegründet 1823. Diese nach dem
amerikanis~hen Bürgerkrieg eingegangen.
7. Ziegelei Avanzini, ehemals Ferdinand Birchler, Nachfolger von A. Schönbächler,
Vor ca. 1850 Klosterziegelei beim Weiher.
8. Kistenfabrik und Sägerei Gehrüder Gyr, ehemals .Iohann jakob Schädler, Kornmühle
im Eschbach, um 1650 gegründet. Eingegangen um 1860.
9. Bauschloßerei Benedikt Lienert, ehemals Franz Lienert's Söhne, ehemals Witwe
Gertrud Lienert. Gegründet um 1845. Ursprünglich Klostermühleals Monopol (Zwingrnühle)
des Bezirkes, gegründet um 1300. Umgebaut 1787.
10. Torfwerk Friedrich Lienert's Erben, Nachfolger von Lienert, Gyr & Cie. Gegründet
1916. Vorher Ziegelei des johann joseph Zehnder.
11. Weizen- &. Maismühle, genannt "Grotzenmühle", Emil Lienert, Nachfolger von Gyr,
Lienert, Birchler und Grätzer, ehemals Kaspar Ochsner, ursprünglich josef Steinauer,
gegründet 1686. Mahlrecht von der eingegangenen Mühle im Frauenkloster "Au"
übernommen.
12. Bierbrauerei "Rosengarten" Birchler, Lindinger &. Cie., vormals joseph Thorner,
wahrscheinlich in den 50er jahren gegründet. Um 1894 eingegangen Brauerei Kauf-
Iin, Bierhalle, vormals Steinauer, um 1902 aufgekauft Brauerei Rhein zum Pokal,
vormals Zehn der, um 1928 aufgekauft. Obere Brauerei, Martin Birchler, vormals
Kram, Nachfolger von Ochsner.
13. Bauschlosserei Franz Kälin, ehemals Hufschmiede um 1800 gegründet, Neubau seit 1932.
Skizzen von Thomas Lienert.
Was, das "Ofentoch"? Ja, die engste Gasse
im Dorf, Jung und Alt, Reich und Arm benutzen
sie. Von 1850 bis 1914 eilten die sogen.
"Gschäftler" (Schriftsetzer, Buchdrucker, Lithographen,
Zinkographen, Falzerinnen, Auflegerinnen
usw.) wie an einem laufenden Band
täglich zweimal zur Arbeit und wieder nach
Hause. Wenn es regnete, warteten vor dem
Feierabendzeichen der Dampfpfeife unten an
der Ecke kleine Kinder dem Vater oder dem
großen Bruder und brachten' ihnen Schirme.
-,
Kirchlein "Maria End" auf dem Katzenstrick.
Daneben stand eine Erziehungsanstalt,
in der arme Waisenknaben ein
Handwerk erlernen konnten. Stiftungen
des Regierungsrates Steinauer-Benziger.
Die Anstalt wurde nach seinem Tode aufgegeben
und der Fond der Stiftung
zum Bau eines Krankenhauses einverleibt.
Das 1814 angebaute Vorzeichen der
riSt. Gangulphs Kapelle, genannt
I ' "Wolfgange Chapeli". Das Schiff der
I Kapelle ist fast 1000 Jahre alt, somit
das älteste Bauwerk der Waldstatt.
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Schutzhütte oder Gruobi, genannt "Galgenchapeli" am Waldweg gegen den Etzel,
Eigentum der Genoßsame Dorf-Binzen. 1933 restauriert. Erinnert an das Einsiedler
Hochgericht, das bis zum Jahre 1799 jenseits der Straße lag und an das Kapellchen,
das 1840 abgebrochen wurde. Mit dem Hochgericht 12 Säulen mit einem wagrechten
Balken darüber) war manche Menschentragödie verknüpft. Man denke z. B. an die drei
Kälin aus der Wäni, unter ihnen Ratsherr Josef Rupert, "Prinz Josef" genannt, die im
sogen. Einsiedler Handel um J 766 wegen hartnäckigen Trotzes gegenüber obrigkeitlichen
Maßnahmen auf die Weidhuob nach Schwyz geschleppt und dort geköpft wurden. Unser
Bezirksrat mußte die Köpfe auf Befehl der Schwyzer Behörde am Hochgericht aufnageln
lassen.
Man wird jene Exekution heute unter dem Gesichtswinkel des dazumal herrschenden
Untertanenverhältnisses, das von jeher Glut zu Unstimmigkeiten in sich barg, betrachten
müssen. Skizierte Sachlage: In Schwyz hatten die Harten (gegen die fremden Söldnerdienste)
im Streite gegenüber die Linden (für die fremden Söldnerdienste) Erfolge
erziehlt, kamen vorübergehend obenauf und benutzten die Macht, um Volksrechte zu
tördern. Eine Gruppe heißblütiger Einsiedler versuchte das nachzumachen, indem sie für
die Waldleute mehr Rechte, auch gegenüber dem Kloster, forderten, als sie beanspruchen
durften. Sie hielten geheime Sitzungen ab, an denen auch Schwyzer teilnahmen und
wühlten. Als in Schwyz wieder ein ruhiger Wind blies, stellte die Obrigkeit langwierige
Untersuche an und ergriff schließlich Strafmaßnahmen gegen widerspenstige Einsiedler.
Ein Teil der beträchtlichen Kosten für amtliche Umtriebe sollte auf Beschluß des Landrates
vom 19. Oktober 1765 mit einer Viehauflage bestritten werden. Das war der
Zünder. Die Betroffenen in der Wäni und in Trachslau sträubten sich mit Gewalt. Sie
verneinten die Rechtsgültigkeit des Beschlusses, dessen Ratifikation nicht klar nachgewiesen
sei (Siehe Dr. Schilter .Der Einsiedler Aufstand", Geschichtsfreund 1867, Band
XXII, Seite 205, Ziffer 41I. Die handgreifliche Gewalt wurde mit rücksichtsloser Gegengewalt
besiegt. Wer sich im Geiste in jene Wirren, die nicht Einzelne, sondern die
Allgemeinheit ergriffen hatten, zurückversetzen kann und dazu überlegt, was das Verhängen
einer Viehauflage als Strafmittel behuf Bezahlung obrigkeitlicher Unkosten und
Taggelder der Ehrengesandten beim Volke bewirken mußte, ist geneigt, den Jähzorn
wenn nicht zu billigen, so doch mildernd zu beurteilen. Nach damaliger Auffassung
wurde aber das Verhalten der drei Kälin und ihrer Mitsacher als Rebellion bzw. Aufstand
betrachtet. Gleiches ereignete sich ja auch in andern Kantonen. Die bittern Lehren des
Einsiedler Handels leisteten obenhinaus der Einsicht für mehr Unabhängigkeit der
Waldleute stark Vorschub. Das Volk machte ohnehin schon geltend, früher eher mehr
Freiheiten besessen zu haben, obwohl sogar ein Schwyzer (Dr. Schilter) diese Auffassung
als Irrtum bezeichnete, indem er schrieb, .Erleichterungen seien immer nur auf
Gutverhalten hin zugesichert worden".
An die Qualen des soeben erwähnten Hochgerichts erinnert auch die Beschwerde, die
einmal nach dem Vollzug eines Todesurteiles bei der Obrigkeit vorgebracht wurde.
"Man solle endlich .einen Scharfrichter anstellen, der nicht dreimal schlagen müsse".
Diese Beschwerde beleuchtet das Zeitbild der unglückseligen Hexenprozesse, an denen
der ScharfrIchter dem Vorgeladenen schon im Verhör als Druckmittel vorgestellt wurde.
Viehachterhütte auf
dem Tritt, im Winter
Skifahrerhütte.
1330 m ü. M. Die
Genoßsame Dorf-
Binzen besitzt auf
ihren Weiden 5Hütten
und 22 Ställe,
diese zur Aufnahme
__ ~
des Weidviehs bei
kalter Witterung.
Der aufstrebende
Skisport hat auf den
, Bergen und Hügeln
L
herum Unterkunftsstätten
gesucht. Ab 1905 inventarisierten die Sektionen Einsiedeln desS. A. C.
und des S. S. V. verschiedene Hütten, als erste Drusberghütte und Tritthütte.
Wenige Jahre später hielt das Skijöring auf den Straßen nach Unteriberg
und Alpthai Einzug. Um 1912 wurde mit dem Bau der "Freiherrenbergschanze"
begonnen. Als Bobbahn benutzt man die Strecke Schindellegi
bis Pfäffikon. Seit Jahrzehnten wird die Handschlittenbahn von der Etzelpaßhöhe
nach Pfäffikon hinunter befahren.
Von allen Unterkunftsgelegenheiten für Skifahrer in unsern Bergen nimmt
das neue Steinbachhaus auf dem Stäubrig den ersten Platz ein. Vornehmer
Steinbau mit Stube, Küche, Schlafzimmern und Keller. Bewirtschaftet.
Parmerherr der Waldstatt um die
Mitte des 17. Jahrhunderts mit der
Marien-Fahne. Eigene Rekonstruktion.
Bauliches von einem Gemälde
im Kloster kopiert. Glasscheibe von
Klotz. Eines der letzten ins Feld
.rückenden Freifähnlein der Waldstatt
wird das gewesen sein, unter
dem der Einsiedler Auszug 1798 an
der Bellenschanze in einer militärisch
aussichtslosen Sache gegen die andringenden
Sansculottes kämpfen
mußte. Die Geschichtsschreibung
über die Abwehr der Franzosen
dreht sich stark um die Rolle des
schwyzerischen Landeshauptmanns
Alois von Redig einerseits und diejenige
des Einsiedler Pfarrers Marianus
Herzog anderseits. Da und dort
sind die Folgerungen nicht nach
jeder Richtung überzeugend begründet.
Ein einigermaßen klares Urteil
läßt sich nur fällen, wenn man auch
den Einfluß folgender Fragen prüft:
1. die Ohnmacht der fast lediglich
auf dem Papier stehenden schwyzerischen Wehrkraft (siehe Militärarchiv).
2. Das Verhältnis schwyzerischer Offiziersfamilien zu Frankreich (siehe
frühere Auseinandersetzungen der sogen. "Harten", die die Kapitulationen
verboten, gegen die sogen. "Linden", die sie erneuern wollten). 3. Die
Vorherrschaft der Interessen des alten Landes (siehe Verteidigungsplan .
und Waffenstillstandsverträg). Der auf Pfarrer Herzog fallende Vorwurf
des Landesverrates ist nach unserer Auffassung unbegründet. Das geht
schon aus dem VerteidigungswiIIen Herzogs hervor, den er bald da,
bald dort, hauptsächlich aber beim Kriegsrat in Rotenthurm, aufdringlich
bekundete, ferner daraus, daß er zur Uebernahme einer militärischen
FührerroIIe infolge seines geistlichen Berufes gar nicht verpflichtet war.
Begründet ist eher der Vorwurf an ihn, daß er mit seiner Hast zeigte,
wie es gemacht werden muß, wenn man mit dem Kopf eine Mauer einrennen
will. Andere Führer, hauptsächlich die militärischen, hatten die
Nutzlosigkeit der Abwehr glücklicherweise früher eingesehen, sodaß einem
großen Blutvergießen ausgewichen werden konnte, das unbeschreiblich
traurig verlaufen wäre. Wer in jene schicksalsschwere Zeit zurückblickt,
kann folglich zwei Erscheinungen nicht übersehen: Dort Lauheit im Führen,
die mit der Waffenruhe, hier Aufmunterung zum Kämpfen, die mit der
Flucht außer Land endigte. Der bewanderte Geschichtsforscher Dr. Robert
Durrer seI. hat die Sachlage der Verteidigungsversuche in Schwyz und
Nidwalden noch kürzer, aber auch derber gezeichnet.
Gothischer Bogen mit Tannenreisig
geschmückt. Ein Merkmal
religiöser und weltlicher Feste.
Um 1900. Alte Petrollaterne.
Rat, Gericht und Zünfte in der sakramentalen Prozession.
Zeichnung von J. Kälin - Küpfer.
Der Zunftobmann
in der Monatsprozession. Eig. Skizze.
Die 4 Zunftzeichen des Generalbots, die 1934 erstmals
an schwarz-rotgeringelte Stangen befestigt, und in der
Rosenkranzprozession herumgetragen wurden. Hinter
ihnen liefen die Zunftmitglieder.
Prozessionsgrenadiere des Millenariums 1934. Uniform der Grenadierkompagnie
eines um 1775 in französischen Diensten stehenden
Schweizerregiments. Ein Blick in vergangene Jahrhunderte.
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Blauer Prozessionsgrenadier nach Beschrieb im Textteil. '--- ---'
Schießen mit Mörsern auf der Kreuzhöhe vor
Festen 1934. Skizze von Thomas Lienert.
-----------~ -----------
Musikant 'um 1870. Stoffmütze
nach französ. Schnitt, hellgrauer
Drilchrock mit rotem Kräglein.
Prozessionsmusikant 1934. Modernisierte schwyzer.
Füsilieruniform 1804. Eigenes Modell.
FrommeTrachtenjungfern in der
Rosenkranzproiession. Schulmädchen
in weißen Kleidern.
Die Feuerwehr am jörgenumgang, erstmals wieder 1934. Alte Föhnenwacheordnung
: Ein Unteroffizier, 8 Steiger.
So begab sich der Steiger des Rettungskorps noch in den 70er jahren
zum Branddienst, auf die Föhnwache, an den jörgenumgang und zur
Agathafeier. Schwarzer Filzhut mit Eisenblechkupf, weiße Drilchbluse, Gurt
und Beil. Neben ihm Feuereimer, Windlicht, Tanse, Schöpfer und Leiter.
Dem Bau der Wasserversorgung um 1885, verbunden mit Hydrantennetz,
folgte die Anschaffung moderner Löschgeräte, die um 1905 vom Rathaus
ins neue Feuerwehrhaus verbracht wurden. Um 1912 erfolgte die Reorganisation
der Feuerwehr von Grund auf. Seit 1930 besitzen wir auch
.eine Motorspritze.
"Ein Kreuz kommt". Luzerner Kreuzgang wird vom Ortspfarrer auf der
Kirchentreppe abgeholt. Fahnen und Kreuze werden zum Zeichen des
Willkomms gegeneinander gesenkt.
Kreuzgang aus der March auf den Pfaden des ältesten Pilgerweges über
den Etzel in den finstern Wald. Die Kapelle St. Wolfgang, die Schulhäuser,
Kirche und Kloster.
"
Königsszene aus :alderons "Großem Welttheater" 1930. Wenn man einen
Vergleich zieht zwischen den Kleinen und großen Aventiuren und geistlichen
Komödien des Mittelalters, die in Einsiedeln dargeboten wurden
und dem "Welttheater" nach Einsiedler Fassung, zweifelt man nicht, daß
dieses Spiel an Umfang weit im Vorsprung ist. Es wurde unter der Leitung
gebildeter und umsichtiger Männer weltlichen und geistlichen Standes in
den Sommern 1924, 25 und 30 mit einer Spielgemeinde von je 3 bis 400
Personen aufgeführt und erntete den großen Beifall, sowohl der Theaterfachleute,
als auch der breiten Volksmasse, die sich gern an Gesang, Musik
und lebhaftem Farbenspiel ergötzt. Ein anderer Grund, warum das ~Welttheater"
Besucher in Massen anlockte, ist seine klare Handlung, die den
Geist der Zuschauer hätschelte, sodaß er ohne Anstrengung folgen konnte.
Die hochstehenden geistlichen Kleinspiele hingegen, die von Künstlern in
dem von Claudius Hirt 1920 gegründeten Gesellenhaus aufgeführt wurden,
strengten den Geist der Zuschauer an, weshalb die gemachten Versuche
im Volke wenig Widerhall fanden. (Photogr. GabereII).
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Gruppe spanischer Hofleute, Wachthellebardiere, Spielleute und Pagen
aus' dem Königschor des .Wetttheaters " 1930.
Kirchenschweizer (Kirchendiener) des Stiftes 1934. Eigenes
Modell Nr. 2. Verzicht auf patriziale Livree, bestehend aus
Frack, Kniehose, weißen Strümpfen, Schnallenschuhen und
Zuflucht zum Gehrock, der als provinzialer "en tous cas" gilt.
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Stiftskutscher 1934. Eigenes Modell. Unverkennbarer Typus
des berufsstolzen Marstallers.
Gebet vor dem Helgen stöckli am
Pilgerweg vom Etzel. 18. Jahrhundert,
Bildhauerei von Babel.
· Ecce Homo an der Poststraße im Birchli,
Holzkreuz am Pilgerweg vom
Etzel bis um 1920. Erbauliche
Winterstimmung.
Die 14. Station des Kreuzweges. Kreuz aus Holz
am Pilgerweg über den Katzenstrick. Stiftung.
Gegenwart.
Schwäbische Pilgerinnen trinken an
den 14 Röhren des Frauenbrunnens
1934. Sie glauben, sein Wasser sei
heilspendend.
Die Pfauenstände. Anfang des letzten
jahrhunderts. Schlichte Holzbauten
mit Pultvordach und Fällläden.
Sie taten der schönen Platzanlage
nicht weh. Im Vordergrund
schwäbische Bauern im Gehrock
und Schlapphut, mit Felleisen und
Pilgerstäben ausgerüstet.
Stand mit Wallfahrtsandenken.
Davor Badenser Pilger. Nach
einem Inserat um 1860.
Betlifasserinnen. Wenn kein Pilgerzug da ist, sind
die Frauen dennoch nicht müßig. Sie sitzen auf
Höckerli an die Sonne vor die gepachteten Stände
und fassen Rosenkränze. Gegenwart.
Elsäßer Spitalschwestern und Frauen in
den Brüelständen 1934.
Hausladen in den ,,3
Chüngen". Es gibt nur
wenige Gasthäuser, die
im Parterre keinen Laden
oder kein Restaurant
haben. Die Wirtsleute
verkaufen deshalb
die Wallfahrsartikel im
Hausladen, den sie entweder
in der Wirtsstube
oder in einem Zimmer
einrichten. In den Läden
mit Wallfahrtsartikeln
nehmen auch die Erzeugnisse
unserer Statuengi-ßer
und -Maler
und diejenigen unserer ;.,
Wachsmodelleure (verzierte
Kerzen, Wachsrodel,
Schnecken usw.)
und die hier gefaßten Rosenkränze ihren Platz ein.
Der Bedarf an Wallfahrsartikeln ist groß. Das katholische Volk schmückt
seine Wohn- und Schlafkammern überreichlich mit religiösen Gegenständen.
Etwas Einzigartiges in dieser Beziehung zeigt das sogen. " Muttergotteszimrner"
des hiesigen Gasthofes zum "Bären". Es enthält eine verglaste
Wandnische mit der Einsiedler Muttergottesstatue, an der Decke eine kleine
Copie des Haupt-Deckenbildes des Chors unserer Stiftskirche mit zierlicher
Stukatur eingerahmt, und an der Längswand eine Schein-Bibliothek alter
Werke. Man nimmt an, daß die Gehilfen Babels und Kraus' beim Umbau
des Chors um 1749 im "Bären" wohnten.
Winden der Wachsrodel, Verzieren und Bemalen der Wachskerzen. An
den Wänden fertige Kerzen zum Trocknen. Wachswarenfabrik Emil Schnyder
zum "Stampf" mit Wasserradbetrieb am Dorfbach, seit 1926 zur .Fram'',
vormals Jos. Ant. Birchler. Gegründet 1798, nachdem das Stift auf verschiedene
gewerbliche Monopole zugunsren der Waldleute verzichtet hatte.
Im Jahr 1828 gründeten auch die Gebr. Wyß eine Wachswarenfabrik,
Nachfolger Hch. Wyß, nunmehr Hermann Lienert zum "Engel".
,
Einige der 26 Standeskerzen 1934 mit früh- und spätgothischen Wappen.
Die Waldstattfahne. 1920. Gothische,
rechts aufsteigende
schwarze Raben, Feld dunkelrot.
Eigener Entwurf.
Der letzte der 14 bekreuzten
Pflastersteine der sog. "Freiheit",
mit denen die klösterliche
Gerichtsbarkeit gegenüber
dem Dorf abgemarcht
.;. _ _ war, ungefähr 10Meter vor der
Gymnasiumstüre westwärts.
(Siehe M. Ochsner "Ein geschichtlich denkwürdiger Stein", in "Feierstunden" 1930).
Einsiedler Gerichtsscheibe 1592. In
der Mitte der Gerichtssaal, Gerichtsobmann,
Gerichtsschreiber, Richter,
Gerichtsweibel. Darüber folgender
Spruch:
,,0 Richter Stand Dem Rechten bey
Alles Ob Hüt der Jüngst tag Sey
Dan Wie du wirst Richten mich
Also wird Gott Urtheilen Dich".
Wappen alter Einsied'er Geschlechte :
Zingg, Ruohstaller, Reimann, Lienhart,
Grätzer, Füchsli, Birchler, Kott.
Ueber wichtige Gerichtsfragen geben
rechtsgeschichtliche Werke von Dr.
P. Odilo Ringholz (Marchenstreit),
Ständerat Martin Ochsner (Pastoration,
Manuskript im Bezirksarchiv),
Staatsarchivar A. Dettling (Hexenprozesse),
Kanzleidirektor johann
Baptist Kälin (Brüel), Kanzleidirektor
Martin Styger und Redaktor Dr. Dom.
Styger (Beisaßen) Aufschluß.
U>iftr
39
Bürger~
W'appen
der
Waldstatt
Einsiedeln
1883
Die häufigen Großbrände (1029, 1226, 1465,1509 und 1577) siehe Schillings
Chronik, von denen Einsiedeln heimgesucht wurde, sind schuld daran, daß
die tausendjährige Waldstatt verhältnismäßig sehr wenig Altertümer besitzt.
Die letzte dieser großen Feuersbrünste vernichtete auch das Archiv, in dem
die Taufbücher aufbewahrt lagen. Es war ausgeschlossen, sie zu rekonstruieren.
Als Ersatz legte man ein ungefähres Stammbuch an, das die
Bürgergeschlechter kurz vor und um 1600 verzeichnete. Die Sammlung
des Bezirksammanns Martin Gyr vom Jahre 1883 enhäIt folgende Familiennamen.
Kurz vor 1600 (seither ausgestorben) Paracelsus von Hohenheimb, Fastnacht,
Haug, Bürgt, Conrad, Erler, Heß, Hug, Lütold, Mugerer, Wintz, Wiß, Stadler,
Tägersch, Gresch, Krissi, Signer, Suter, Näi, Pfister, Schäffer, Sigrist,
Vögtlin, Urikon, Zangger, Albegger, Bariatz, Bek, Bley, Bok, Eisenhut,
Locher, Schlosser, Schmid, Schmeltzler, Mathias, Zulper, Scherer, Glarner,
Käser, Kegolt, Koller, Müller, Kruß, Bürgisser, Landmann, Gabelschüch,
Zwifel, Wenk, Furrer, Vogt, Küri, Krauh, Oeler, Keiser, Weibel, Schnelli,
Velder, Bär, Polt, Kunrad, Kindelrnann, Liefer, Spältig, Doppelstein, Bucher,
Kneller, Horgenberg, Brennmoos, Rütimann, BIöwer, Metzger, Bußelmann,
Unter der Silen, Suler, ab Schwende, in der Au, Vögli, Wiger, Isenmann,
Gottschalk, Bernard, Edelmann, am Böugen, Ottli, Ulrich, Zoller, Müelich,
Holzmann, Moßmann, Heinzi, Ustrer, Gresli, Ros, Bitschner, Schwiter,
Wägi, Bötschli, Gärcher, Erni, Mangolt, Vinko, Kemnater, Wuyger,
Wetzelsperger, Welti, Hinterberger, Happacher, AlbenthaI.
Kurz nach 1600: (ausgestorben oder ausgewandert) Abegg, Bodenmüller,
Brunner, DistIer, Heuberger, Jütz, Kümin, Laufenberger, Tschümperli,
Weber, Werner, Willi, Wißrnann, Zimmermann, Fisch.
Ab 1883: Bachmann (Bürgeraufnahme um 1500), Benziger (1584), Bingesser
(15 .. ), Birchler (1331), Bisig (1331), Eberli (1331), Effinger (1520), Fuchs
(1230), Füchsli (1331), Grätzer (1356), Gyr (1520), Hensler (15 .. ), Käli
(1319), Kaufli (15 .. ), Kengelbacher (1690), Kuriger (1331), Kürzi (1331),
Lacher (1331), Lienert (1500), Lindauer (15 .. ), Nauer (1590), Ochsner
(1311), Oechsli (1470), Outry (1871), Petrig (15 .. ), Reimarm (1384), Ringli
(1356), Ruostaller (1331), Schädler (1356), Schönbächler (1331), Steinauer
(1331), Theiler (15 .. ), Trinkler (1500), Weidmann' (1356), Wiekart (15 .. ),
Wiser (1584), Wyß (1230), Zehn der (1331), Zingg (1431), Zogelmann.
Der gleiche Sammler stellte aus Siegeln, Stichen, Gemälden usw. die Wappen
zusammen, konstruierte dann und wann auch eines. Sein Wappenbuch
wurde von Dr. J. c. Benziger revidiert und von Dr. j. von Tscharner gezeichnet
und gemalt (Schweizer Archiv für Heraldik, 1915, Nrn. 2 und 3).
Um 1910 schnitzte sie der genannte Sammler in Holz und der Statuenmaler
August Kälin kolorierte sie nach alter Manier.
Dem ist beizufügen, daß einzelne Familiennamen falsch überliefert sind.
Namen, die mit e schließen z. B. Kürze, Eberle usw. endigten ursprünglich
mit I. Die Namen mit .In" am Schlusse, verweisen auf das weibliche
Geschlecht z. B. Kälin, Oechslin, Füchslin usw. Sie sind gleichbedeutend
wie die Grätzerin, Ruostallerin, Birchlerin, Henslerin, Gyrin usw., statt die
Frau des Grätzers, des Oechsli, des Käli, des Füchsli, des Gyr usw. Von
mehreren Geschlechtern bestehen Wappenvarianten jüngern Datums. Die
einfachsten sind die ältesten An den Zutaten, die bisweilen willkürlich
sind, erkennt man die jüngern Wappen.
Inbetreff Familienzahl stehen folgende Geschlechter an der Spitze: Käli
687=35,4%, Schönbächler 119=6,1%, Ochsner 115=6%, Birchler
100=5,2'/0, Bisig98=5,1 %, Gyr93=4,8 % , Zehnder 73=3,8%, Grätzer
65=3,4% usw. (Zählung 1934).
Bühnenbild' der Landsgemeinde am Rotenthurm vom 6. Mai 1838. Landammann
Theodor ab-Yberg hat das Wort. Statthalter Fridolin Holdener
erhebt das Schwert, um den Zwieträchtigen den Landesfrieden zu gebieten.
Auf der Bühne stehen ferner Bezirksammann joachirn Schmid, Säckelmeister
Fischlin, Landammann' Nazar von Reding, Bezirksammann Mathias Gyr,
Statthalter Diethelm usw. Im Hintergrund der Kantonsläufer in der Amtstracht.
Die Sorge um wirtschaftliche Interessen der Horenpartei (Großviebesitzer)
einerseits und der Klauenpartei (Kleinviehbesitzer) anderseits hatte seit
Jahren Zwietracht im Lande verursacht. Die Klauenpartei verlangte Erleichterungen
in den Viehauftriebsrechten. Frage und Antwort wurden
schließlich an jener Gemeinde mit Reiteln, Steinwürfen und Faustschlägen
besiegelt, ohne daß damit Ungerechtigkeiten beseitigt gewesen wären. Die
Parteibildung war mit Politik verpfeffert und darum verschärft worden. In
beiden Lagern spielte Einsiedeln eine Rolle. Das Kloster mit dem ausgedehnten
Großviehbesitz hatte sich der Horenpartei, die Kleinviehbesitzer
im Dorf der Klauenpartei verschrieben. Bild nach dem Original von Martin
Disteli.
Die sog. Maiengemeinde. Das Handmehren. Linoleumschnitt von M. Zehnder.
So begleitete unser Landesschreiber
gen. Landschreiber
den Rat am Namenstag
des Fürstabtes in die Abtei
. zum Gratulieren. Um 1820.
Simpelfransen, . Vatermörder,
weiße Halsbinde mit
Fächerkravatte.
,.
Der Bezirksrat an der zweitletzten Maiengemeinde um 1904. Dieses Bild
zeigt das letzte offizielle Gesicht nicht mehr gegenwärtiger Herren des
löblichen Rats. Der offenen Abstimmung folgte das zugänglichere, bequemere
und, insofern es ehrlich zugeht, auch rechnerisch zuverläßigere Urnensystem,
das, trotz der Mehrkosten, in den Urkantonen Fortschritte machte.
Es schließt aber gewisse, mit der alten Abstimmungsform verbundene
Ueberlieferungen aus, vorab "das freie Wort am rechten Ort", dessen Wert
unbestritten ist. Die Kirche weiß ja auch, warum sie die Sonntagspredigt
nicht durch ein Cornmunique ersetzt. Das Urnensystem schaltet den Einfluß
des Redlichen und Tüchtigen auf den Staatshaushalt, dem des Müßigen
und Unfähigen gleich, da der Stimmzettel entscheidet. Es ist Geschmacksache,
ob man auf die geheime Abstimmung hin einem unbekannten Zeitungsschreiber
oder vor dem öffentlichen Handmehren dem sichtbaren
Gemeinderedner gehorchen wolle. Der Ausschluß der Rede im entscheidenden
Augenblick wird seither allerdings durch die Veranstaltung aufklärender
Parteiversammlungen kompensiert. Es ist aber doch zu sagen, daß die
Parteiversammlungen im günstigsten Falle einen Zehntel der Stimmenden
vereinigen. (Stimmberechtigte rund 2300, Stimmende nur ausnahmsweise
mehr als 1600, Versammlungsbesucher 100 bis 160.) Ferner ließe sich
darüber reden, ob die offene Abstimmung oder das Urnensystem mehr
bürgerliche Reife voraussetze. Jede morsche Dynastie kann z. B. eine Urnenwahl
veranstalten, weniger leicht eine Wahlgemeinde. An der alten
Maiengemeinde hatten auch die Frauen Gelegenheit, von öffentlichen
Anliegen, in denen sich individuelle Sorgen manchmal als Gemeinschaftssorgen
entwickeln, eine Nase voll zu nehmen. Trotz alledem wird der
Urnengang gegenüber dem Gang zur Gemeinde das Feld behaupten. Wir
rechtfertig en diesen Rückblick mit der Erwägung, daß das offene Ratschlagen
und Abstimmen an der öffentlichen Gemeinde die fundamentale Form der
urschweizerischen Demokratie ist. Die Waldleute huldigten schon den demokratischen
Grundsätzen, als sie dem Untertanenverhältnis noch nicht
entschlüpft waren.
Im Anschluß an diese Betrachtung zählen wir die wichtigsten Ereignisse
des letzten jahrhunderts und des laufenden auf, die entweder in unsern
Marken wurzelten oder von auswärts hohe Wellen schlugen und mit denen
sich Rat und Volk lebhaft befassen mußten:
1797-1798 Untergang der alten Eidgenossenschaft (Franzöisches Direktorium,
letzte Tagsatzung, Abwehr der Franzosen).
1798 - ]802 Zeit der Helvetik (Helvetische Verfassung, Kampfplatz fremder
Heere, Zentralisten gegen Föderalisten, viermalige Verfassungsänderung,
Aufstand der Föderalisten, Niederlage der helvetischen Regierung).
1803 - ]813 Mediation (Mediationsakte Napoleons, Bockenkrieg, Marsch
der Alliierten durch die Schweiz, Aufhebung der Mediationsverfassung,
Hungerjahre).
1814-1830 Restauration (Langwierige Verhandlungen über eine neue Verfassung,
Eintritt Wallis, Neuenburgs und Genfs in die Eidgenossenschaft.
Ewige Neutralität der Schweiz, Bundesvertrag der 22 Kantone, liberale
Reformen in einigen Kantonen).
1830 -1848 Politische Wiedergeburt (Sieg demokratischer Bestrebungen,
Teilung des Kantons Schwyz, Siebnerabkommen und Sarnerkonferenz,
Einigung der 6 Bezirke, Klauen- und Horenstreit, Ablehnung der Revision
der Bundesverfassung, Badener Artikel, Verwicklung mit dem Auslande,
Klosterfragen, Berufung der Jesuiten, Freischarenzug, Sonderbund, Annahme
der neuen Bundesverfassung). .
1848 bis heute. Die Schweiz als Bundesstaat (Erste Bundesversammlung,
Vereinheitlichung der Post, des Zolles und der Münzen, Neuenburger Handel,
Verbot der fremden Kriegsdienste, Savoyer Handel, Erweiterung der Volksrechte
in den kantonalen Verfassungen, Teilrevision der Bundesverfassung
(Judenartikel), militärische Besetzung der Grenze im deutsch-französischen
Kriege, kulturkämpferische Anläufe, neue Bundesverfassung, Entwicklung
der Industrie, Verfassungsinitiative des Volkes, Rückkauf der Eisenbahnen,"
kantonale Verfassungsrevision, Vereinheitlichung des eidg. Rechts, eidg.
Zivilgesetzbuch, Urnenwahl, Proporz des Kantonsrates, Revision der eidg.
Militärverordnung, Etzelwerk, Auswirkungen des Weltkrieges).
Wer zählt die Protokolle, Erlasse, Flugschriften, Zeitungsartikel und Reden,
die über das Hin und Her dieser Ereignisse Aufschluß geben? Wer weiß
erst über die kleinen Erlebnisse Bescheid, die nirgends protokolliert werden,
obwohl sie manchmal typisch sind?
Hier die Namen der Bezirksarnrnänner, die im Gewühl jener Zeitabschnitte
gestanden sind. Sie waren Erkorene des Volkes, Träger der Verantwortung,
Mitarbeiter am initiativen Schaffen, Genießer der Freuden und Leiden,
ehrenamthalber mager bezahlt, aber dennoch mäßig gelobt und stark kritisiert:
1803 Kälin josef Meinrad, 1805 zum I 1840 Birchler Dr. Adelrich zum 2. Mal
2. und 1807 zum 3. Male 1842 Gyr Mathias zum 4. Mal
]809 Benziger josef Karl, Vater 1844 Benziger Mathias
1811 Gyr Augustin 1846 Kälin Meinrad (bei St. Ida)
1813 Kälin josef Meinrad, 1815 zum 1847 BirchlerDr.Adelrichzum3.Mal,
5. Mi:!1 1848 zum 4. Mal
1817 Benziger josef Karl zum 2. Mal 1849 Wyß Plazid Martin
1819 Kälin josef Meinrad, 1821 zum 1850 Wyß Plazid Martin
7. und 1823 zum 8. Mal 1852 Kälin Jakob josef
1825 Kälin Maurus, 1827 zum 2. Mal 1854 Birchler-Wyß Dr. Thomas
1829 Benziger josef Karl, Sohn, 1831 1856 Benziger Mathias
zum 2. Mal 1858 Bisig Peter
1833 Gyr Mathias, 1835 zum 2. Mal 1858 -1860 Bisig Peter
1836 Birchler Dr. Adelrich 1860-1862 Birchler Alois
1838 Gyr Mathias zum 3. Mal 1862-1864 Bisig Peter
.'
'1864-1866 Birchler Karl Dr. 1902-1904 Oechslin .Conrad
1866-1868 Kälin Arnold 1904-1906 Kälin Meinrad
1868-1870 Birchler Kar! Dr. 1906-1908 Kälin Meinrad
1870-1872 Benziger Adelrich 1908-1910 Ochsner Martin
1872-1874 Birchler Karl Dr. 1911 vakat
1874-1876 Kälin Arnold Dr. 1912 Hensler Kar!
1876-1878 Steinauer Alois 1912-1914 Rickenbach Heinrich
1878-1880 Birchler Karl Dr. 1914-1916 Kälin jos. Maria
1880-1882 Eberle Eduard 1916-1918 Kälin jos. Maria
1882-1884 Ochsner Adelrich 1918- 1920 Kälin Arnold
1884-1886 Steinauer Alois 1920-1922 Kälin Karl
1886- 1888 Gyr Martin, Vater 1922-1924 Kälin Adolf
1888- 1890 Eberle Adelrich 1925 Kälin Adolf
1890-1892 Eberle Adelrich 1925-1927 Gyr Karl
1892-1894 Lienhardt Franz Dr. 1927-1928 Gyr Karl
1894-1896 Eberle A delrich J 928 - 1930 Blunschy jos. Dr.
1896 -1898 Wyß Heinrich 1930-1932 Eberle-Birchler Kar!
1898-1900 Lienhardt Franz Dr. 1932-1934 Eberle-Birchler Karl
1900-1902 Oechslin Konrad 1935- Lienert Emil
Die Budjet- und die Rechnungsgemeinde des Bezirkes finden nach wie vor
in der Schulhauskapel1e statt. Im jahre 1933 betrugen die Betriebsausgaben
der Bezirkskasse Fr. 209.627.47, die der Schulkasse Fr. 129.918.53, die der
Armen- und Waisenhausrechnung Fr. 156.150.98, die der Armenkasse Fr.
85.160.09, die der Feuerwehrrechnung Fr. 14.660.70. Der Steuerfuß bewegte
sich in den letzten 20 jahren von 13 bis 15 Promille. Die Inventur des
gesamten Bezirkshaushaltes pro 31. Dezember 1933 zeigt an Aktiven Fr.
738.964.12, (Unproduktive Gebäude, Mobilien, Maschinen und Geräte,
1.- Fr. pro memoria), an Passiven Fr. 1.029.191.75, somit eine Schuld von
Fr. 290.227.63
Als man im jahre 1927 zum ersten und seither zum letzten Male die Steuereinschätzung
al1er Steuerpflichtigen des Bezirkes nach Vermögen an Grundund
Kapitalbesitz drucken ließ, als wollte man den seit 1915 unaufhaltsam
fortschreitenden Abstieg der finanziel1en Leistungsfähigkeit illustrieren, zeigte
sich, summarisch dargestel1t, folgendes Bild: Steuerpflichtige mit über einer
halben Million steuerbarem Vermögen, juristische Personen 4 (Kloster,
Benziger 82 Co., A. - G., Genoßsame Dorf - Binzen, Spar- und Leihkasse),
natürliche Personen 1. Von total 44 juristischen Personen versteuerten 12
über Fr. 100,000,- , al1eim Dorf. Natürliche Personen mit über Fr. lOQ,OOO.-
zählte man 21 im Dorf und 1 auf dem Lande (Viertel). Die juristischen
Personen versteuerten zusammen rund 9 Mil!. Fr., die selbständigen Geschäftsleute
al1er Art zusammen rund 4 Mil!. Fr. Ungefähr 55 0 /0
al1er Steuerpflichtigen versteuerten nur den Kopf. Der
Steuerertrag promille konnte im Durchschnitt der letzten
2 jahrzehnte auf rund Fr. 18-20,000.- geschätzt werden.
Die öffent!. Lasten werden also zur Hauptsache von einer
verhältnismäßig kleinen Zahl steuerpflichtiger jurist. und
natürlicher Personen getragen. Das große Uebergewicht
liegt im Dorf, wo das Erwerbsleben aus erklärlichen Gründen
am lebhaftesten pulsiert. Das Bedenklichste für den
Bezirkshaushalt ist, daß die Vermögensbildung in nächster
Zukunft fast ausgeschlossen sein wird.
Der Läufer .in guter Form". Um 1830. Bis in die 60er Jahre gab der
. Läufer, von einem Trommler begleitet, arn Sonntag nach der Pfarr-
L__ --===~messe auch die amt!. Erlasse durch Ausrufen bekannt. Eig. Skizze.
Armenleutevogt (Bettelvogt) und Näpeler
(ausgedienter bettelnder Neapolitanersöldner).
Um 1840. Der Bettelvogt trägt die
bürgerliche Mannstracht jener Jahre.
Taufete. Götti, Gotte, Hebamme
mit dem Wickelkind.
Die Hebamme trägt ein weißes
Häubchen. Gegenwart.
Apsis der St. Benediktskapelle auf
dem Friedhof im Winter. Kapelle und
Beinhaus sind Eigentum desBezirkes.
Jene wurde im Jahre 1925 unter der
Leitung des Prof. Dr. Linus Birchler
von der" Gesellschaft der geistlichen
Spiele" aus einem Teil des Uebererlöses
von der Aufführung" Calderons
Welttheater= vorteilhaft restauriert.
An den Innenwänden befinden
sich zahlreiche Votivtafeln von Einsiedler
Geschlechtern. Die alten Friedhofmauern
berührten die Kapelle an
den Seiten und verliefen nordostwärts
im Rechteck.
Die Leidleute beten an 4 Sonntagen nachmittags 1 Uhr den schmerzhaften
Rosenkranz. Sie bewegen sich, die Männer an der Spitze, langsam vom
"Großen Herrgott" der Ahornallee entlang bis zum Friedhof. Gegenwart.
Die Allee ist eine Stiftung des Statthalters Werner Kälin.
Alte Frau betet vor dem Verlassen des Friedhofs noch
ein Vaterunser zum Portalgitter der Kapelle hinein.
Sie erinnert an die Umsagerin, bei der es Brauch ist,
am Schlusse der Betstunde an die Leidtragenden folgende
Aufforderung zu richten: "Jetzt noch ein Vaterunser
für dasjenige von uns, das zuerst stirbt".
Ruhige Schlichtheit im Südteil des alten Friedhofs.
Zehnte Station des Kreuzwegs. Um 1890.
Benziger'sche Grabrnalkultur.
Rokoko, von Babel (1715
. bis 98) gemeißelt. Schmiedeiserne
Kreuze von unbebanntem
Meister. Um die
Pflege der neuen Grabmalkunst
haben sich Payer und
Wipplinger verdient gemacht.
Das Kirchhofportal,
eine Stiftung Martin Birchler's,
stammt von Albert
Kürzi. Im neuen Friedhofteil
stehen drei Soldatendenkmäler
: eines für 4 Internierte
der Bourbakiarmee
1870/71, eines für die im
Aktivdienst 1914/18 verstorbenen
Einsiedler Wehrrnänner
und eines für die im
Weltkrieg gefallenen deutschen
und österreichischen
Soldaten, die in Einsiedeln
gewohnt hatten.
1
Sind das nicht Söldner,
die um 1500 herum für
große ennetbirgische Pläne
geistlicher und weltlicher
Herren auf dem Brüel
in Einsiedeln piketstehen ?
Sie obliegen den nationalen
Leibesübungen: Springen
von Stand, Steinstoßen,
Wettlaufen und Ringen.
Sie wurden infolge
ihrer gewöhnlichen Verwendung
und ihres häßlichen
Aussehens in der
parlamentarisch. Sprache
"Knechte" genannt. Nebenan
stehen ein Mönch,
ein Feldhauptmann, ein
Gesandter und eine hohe
Frau. Im Hintergrund erhebt
sich das heimelige
Kloster. Das Bild spricht
aus der Blütezeit des politischen
Führers der Eidgenossenschaft
Kardinal
Mathäus Schinner, jenes
raffiniert-geschickten Dolmetschers
in römisch-italienischen
Machtfragen,
der als Diplomat europäischen
Ruf erlangt hatte.
Die ehrgeizigen, eroberungslustigen
und deshalb
gefügigen schwyzerischen
Unterhändler Landammann
und Tagsatzungsabgeordneter
Ulrich Kätzi
(zuvor Baumeister des
Stiftes Einsiedeln), Landammann
und Tagsatzungsabgeordneter
Martin
Fläckli (adelig verheiratet
und Gouverneur von Mailand)
und Landammann
johann Gerbrecht gingen
um Knechte einträgliche
fremde Pakte ein. Auch
die Waldleute mußten jeweilen,
wenn auf Beschluß
der Tagsatzung die Standesfahne
.. ausrückte, ein
Kontingent Knechte stellen,
die dem kampflustigen und kampfgewandten Schwyzer Harst zugeteilt wurden. Einige Geschichtsschreiber
erklären, das Söldnerwesen (Reislaufen) sei als Erwerbsfrage und Bevölkerungsregulator
damals so notwendig gewesen, wie um 1870 die Auswanderung in überseeische Länder und
nachfolgend die Entwicklung der Industrie als 'großer Faktor der Arbeitsbeschaffung. Diese Behauptung
trifft kaum im vollen Umfange zu, beklagten sich doch, hauptsächlich im 16. Jahrhundert,
Handwerksmeister und Bauern manchmal, sie fänden keine Gesellen und Feldarbeiter, da die
jungen Männer es vorzögen, dem berufsmäßigen Waffen dienst zu fröhnen oder zu faulenzen.
Auf jeden Fall wirkte sich die "Notwendigkeit" des' Reislaufens für die Soldknechte und ihre
Familien häufig schlecht genug aus; denn oft blieben ihnen die fremden Kronen lange den
Sold schuldig. Es waren beispielweise auch grosse Soldsorgen, deretwegen während der Tagsatzung
um 1508 (siehe Schillings Chronik) ein Harst Knechte, wie sie abgebildet sind, in Einsie-
deIn Quartier bezogen und sich üppig bewirten ließen, bis die erwarteten Geldtransporte. mit kaiserlichen
Abgeordneten an der Spitze, eintrafen (siehe Schillings Chronik). Auch französische Unterhändler
waren erschienen und ließen Geld fließen. Oft gaben die Soldschulden sogar unmittelbar
Anlaß zu einem Raubzug in fremde Länder oder zum Abschluß einer Kapitulation mit einem
Gegner des Schuldners oder zur Verweigerung einer vom Schuldner begehrten Kapitulation.
Beim Auf- und Abwägen der Vor- und Nachteile des Söldnerwesens darf Folgendes nicht übersehen
werden: Die Eidgenossenschaft verdankte ihm ihre fast unerschütterliche militärische Vormachtstellung
gegenüber jedem andern europäischen Staatswesen jene Vormachtstellung wurde aber,
allerdings nur mit einem gewaltigen Uebergewicht an Streitkraft, gebrochen, als der Versuch
der Eidgenössischen Diplomatie versagte, die Pläne der alten Stände (Orientierung nach Süden)
und die der westlichen Stände (Orientierung nach Westenl am Vorabend von Marignano unter
einen Hut zu zwingen. Sachlage: Kaiser Franz I. von Frankreich lagerte im September 1515 mit
60.0CO Verbündeten bei Marignano, 13.000 Eidgenossen der innern Stände lagen in Mailand,
12000 Eidgenossen der westlichen Stände waren in Domodossola im Begriffe, den Rückmarsch
über den Simplon anzutreten, weil die Unterhändler Franzens den Hauptleuten dieser Fähnlein
eine große Abzahlung von alten Soldschulden zugesichert hatten. Trotzdem die Unterhandlungen
Franzens in der gleichen Frage auch mit den in Mailand lagernden Eidgenossen im Gange waren,
blieb Kardinal Schirmer der eingefleischte Feind der Krone Frankreichs. Er betrachtete deren
Abzahlungsversprechen mit Mißtrauen und verfolgte weiterhin seinen großen Plan, die ganze
eidgenössische Militärmacht einzusetzen, um die Lombardei von den Franzosen zu säubern und
sie der nach ihr spähenden rörnisch-rnailändischen Herrschaft zurückzugeben. Er wollte deshalb um
jeden Preis so rasch wie möglich eine Entscheidungsschlacht einleiten. Das französische Heer
sollte im Lager überrumpelt werden. Das gelang allerdings nur mit Hilfe eines aussergewöhnliehen,
aber verhängnisvollen Führerstreiches. Er ließ einen Scheinangriff auf die eigene, unter
Feldhauptmann Winkelried stehende Vorhut ausführen, um den plötzlichen Aufbruch der innern
Stände in die Schlacht zu forcieren und um die westlichen Stände zur sofortigen Umkehr
zu veranlassen. Wohl entspann sich sofort eine Riesenschlacht, aber die notwendige Hilfe der
westlichen Stände blieb aus' Der eidgenössische Militärstaat wurde in 2 bis 3 Tagen vernichtet.
Der mit ausgeklügelten Mitteln vorbereitete Zug Schirmers im Frühling 1516 über den Brenner
in die Lombardei, zum Zwecke, Mailand zurückzuerobern, zersetzte die eidgenössische Militäreinheit
vollends, da auf jenem Zug Uneinigkeiten über den Kriegsplan enstanden (man wollte sich entgegen
der Absicht Schirmers zuerst an Venedig rächen) worauf ein Fähnlein nach dem andern meuterte,
auf eigene Faust hauste und schließlich aufgelöst in die Heimat abzog.
So greift denn die Geschichte des Urstandes Schwyz in die interessantesten Schiksale der Eidgenossenschaft
hinein, ja, sie berührt sogar zwei Extreme: Kühle Gelassenheit gegenüber dem
Kirchenbann in eigener Sache und Schwur auf das juliuspanner für fremde Pläne.
Warum dieser militärische Exkurs anhand des obigen Bildes, wird der Leser fragen? Weil der
Urstand Schwyz, dem wir Waldleute untertänig waren, in Verteidigungs- Eroberungs- und Kapitulationsfragen
häufig nicht nur das maßgebende Wort sprach, sondern seinen Willen auch
bis zur Tat durchsetzte.
Um etwas vom Militärwesen aus der Periode des Repetiergewehres zu sagen, sei hier erinnert,
daß im jahre 1884 von 19 Offizieren des Füsilierbataillons 72 (Ausserschwyz) deren 14 Bürger
von Einsiedeln-Dorf waren.
Dieses Verhältnis ist seit der Zentralisation des schweizerischen Wehrwesens im jahre 1874-
wahrscheinlich nur einmal nachweisbar. In den ersten drei Vierteln des letzten Jahrhunderts,
hauptsächlich aber in den vorangehenden jahrhunderten war die Zahl der Offiziere in den äussern
Kantonsteilen klein. Sie beschränkte sich, wenigstens im 17. und im 18. jahrhundert hauptsächltch
auf die Pannerherren. Das alte Land mit seinen zahlreichen tüchtigen Patrizierfamilien, aus denen
die Berufsoffiziere hervorquillten, war immer in der Lage, das Offizierskorps mehr oder weniger
aus Privileg, lückenlos zu besetzen. Wenn man die Fremdendienste miteinbezieht geht z. B. die
Zahl der Offiziere allein .des Geschlechtes der Reding seit Rudolf Reding (1539 - 1609) weit über
die Hundert hinaus. Ein Chronist behauptet irgendwo sogar, daß die Zahl der in den Hugenottenkriegen
gefallenen Offiziere aus dem Geschlechte der Reding um die Hundert betrage. Dettlings
Chronik zählt allerdings deren nur etwa 37 mit Namensangabe auf. Von den Geschlechtern der
äussern KantonsteiJe steht inbetreff Zahl der Offiziere vermutlich dasjenige der Gyr an der Spitze.
Es sind deren seit 1640 bis heute 32 namentlich nachweisbar. Die Forschung von 1874 rückwärts
ist aber sehr lückenhaft. Es bedarf jedoch keiner anderri' Zahlen, um die unermeßlich bedeutendere
militärische Rolle des alten Landes im Vergleich zu derjenigen der äussern Kantonsteile
zu beleuchten.
Gutgelaunte Stutzerschützen
nach dem Ansehießet. Um
1865. Steife, hellbraune und
graue "Goggs", Jagdtasche
aus Leder, Röcke mit Samtkragen.
Zeiger der Schützenvereine in roter Mütze
und Bluse, die Kelle geschultert. Aquarell
von Meinrad Bisig.
Oeffentliches Preiskegeln. Neben
jeder Bahn war eine mit
Wasser gefüllte Stande zum
Netzen der Kugeln aufgestellt.
Nach einem Inserat um 1880.
l --~~
!
..~----~--:c=-~:-: ..._.~- --..
Umzug der Sennengesellschaft um 1700. Sie versammelte sich beim Brüeltor,
zog feierlich in die Kirche zum Sennenamt und wandte sich nachher fröhlich
dem Wirtshaus zu. Nachher zog sie im Dorf herum, in der Regel von
Wirtshaus zu Wirtshaus. Der Fähnrich schwang fortwährend die Fahne.
Eigene Rekonstruktion. Zeichnung von A. Bader.
Der halbamtliche Ausrufer. Tuchmütze mit
Messingbeschlag, Gehrock. Nach einem Inserat
um 1865.
Engelweiheochs des Stiftes im Jahre 1783. Knechte mit Hellebarde, ein
Knabe mit dem Horn, der Käufer. Kostümstudie. Nach einem alten Stich.
Metzgergeselle führt den bekränzten Osterochsen in den Dorfstraßen herum. Um
1880. Metzgergugäle (hochgerundete Tuchkappe), Schurz, RohrstiefeI, Stahl.
-
Gäuerle, Stägröfmusig.
Nach einem Tanzinserat
um 1860.
Stegreifmusikanten auf der Geigenbank (Baß, Geige, Klarinett und Handorgel).
Gäuerler auf der Tanzdiele. Aufwartmädchen an der Wand. Um 1870. Eigene
Rekonstruktion. Zeichnung von A. Bader.
,.,
Mädchen in der Festtagstracht. Spitzenhaube
mit Coiffli, dieses . mit farbigen
Perlen geschmückt und goldbestickt, seidenes,dunkelrot
gespiegeltes Halstuch, goldbestickter
Vorstecker, bestickte Bänder um
die Pumpärmel des Leinenhemdes. langer
dunkelroter, fein schwarzgestreifterWollrock
(Beiderband), enggestreifter Seidenschurz,
weiße handgestrickte Strümpfe mit Muster,
schwarze Schnallenschuhe. Eigenes Modell.
Wir kennen sie aus der Prozession. Hier
gehen sie an die Kirchweih. Junge, puspere
Leute freuen sich lange voraus auf den Kirchweihtanz,
wo er "sie" und sie "ihn" endlich
zu treffen hofft. Bei der warmen Paarung
kann sich gelegentlich
auch ein alter
Junggeselle verjüngen
und Heiratsgedanken
bekommen.
Sobald das "Verhältnis"
im Kreise
der Jungen, die den
Alten nichts mehr zumuten;
ruchbar wird,
stecken sie dem
Kandidaten nachts
eine ~Maienfrau " aus
Stroh ins Fenstergesims
der Wohnung
oder auf den Dachgrat,
und ihr, der Heiratswilliaen,
einen
"Maienmann".
Besetzung der Ländlermusik (der sogen. Hudelimusig). Der Ländlerkönig
Inderbitzi und drei Generationen Fuchs. Trompete zum Kuckuck. Sie ist eine
vorlaute Wichtigtuerin, die ins Feld gehört. Schämte man sich der Handorgel?
Der Tanzschenker
um 1880. Eigene
Skizze.
Alte Gastwirtin zur Zeit
des Sonderbunds. Auf
dem Gesicht spiegelt sich
die Hingabe an familiäre
und berufliche Obliegenheiten
ab. Diese Frau
hat die lebhaften Dispute
über die Freischarenzüge
1844, den Sonderbundskrieg
1847 und
schließlich über die nachfolgenden
wichtigen eidgenössischen
Verfassungsfragen mitangehört, die die Waldleute teils begrüßten, teils
entschieden ablehnten. Der Versuch, neuen Verfassungsgrundsätzen Eingang zu verschaffen,
erzeugte Druck und Gegendruck, und es kam vor, daß politische Führer zu
Tisch den Degen unter das Gesäß legten, um ihn nötigenfalls gleich bei der Hand zu
haben. Nach der Abstimmung über die neue Bundesverfassung im Jahre 1848, die vom
Schwyzervolke allerdings verworfen wurde, legten sich die politischen Wellen auch in
der Waldstatt. Loben wir das Gute, beklagen wir das Böse jener Jahre, in denen das
Schicksal der neuen Eidgenossenschaft geschmiedet wurde. Denken wir daran, daß
Entscheide über so viele Rechte und Pflichten, wie sie in einem Verfassungswerk verankert
sind, auch in Zukunft nicht reibungslos gefällt werden, ganz abgesehen davon,
daß in unserer Demokratie, die edle Gesinnung leicht durch billiges Geschrei entweder
vermischt oder ausgeschaltet werden kann.
I"
joheen, Mummerien und Bajassen bilden am Fastnachtdienstag
die Zugsordnung.
Aufzug der joheen, Mummerien und Bajassen durch die Dorfstraßen.
Buben tragen die Mütschli in Säcken zur Bühne.
Beim Brotauswerfen auf einer Bühne am Spitalplatz.
Die; Menge reckt die Hände empor.
Leben und Treiben auf
der Brügi. Das Mütschli
des Mummeries fliegt
haushoch in die hintersten
Reihen der Menge.
Der Johee befriedigt die
heißen Wünsche der
Nahestehenden.
Johee und Mummerie,
mythologische Figuren.
johee beim Weitwurf. Auch die Hintersten
in der Menge bewerben sich um ein
Mütschli.
Der .lohee mit der Senntentrychle.
...
Arme Frauen und Kinder rufen "i mir eis!"
Ein Mütschli vom Johee empfangen schmeckt besser
als das tägliche Brot. Unter dem Lismer gefangene
Mütschli. Das trifft auch vom Soldaten brot zu, um
das sich Buben und Mädchen vor der Kompagnieküche
jeweilen bewerben.
Holzlarven der joheen und Mummerien. Man kennt die ungeschickten
Nachahmungen auf den ersten Blick.
Maske und Kopfbedeckung des Hörelibajassen,
um 1800 .Harligatng'' genannt
(vorn französischen arlequin) Ein beweglicher,
aufgelegter Maitlischmöcker.
Die Gangart des johees.
Wippend.' Eig
Skizze.
Mummerie des 17. jahrhunderts.
Tänzelnd. Eigene
Rekonstruktion.
Domino aus Persiane
des 19. jahrhunderts.
Eigene
Skizze.
Hörelibajaß
des 19.jahrhunderts.
Eig. Skizze.
Zwei Süühudi mit Sententrichlen.
So rasseln die Süühudi, mit altem
farbigem Plunder verkleidet und
Lärminstrumenten aller Art ausgerüstet,
an ihrer Spitze der Teufel,
die Dorfstraßen auf und ab
und kreuz und quer. Man beachte
die hohen Dominozipfel, die aus
dem mittelalterlichen Süden überliefert
sind. Von al1enFastnachtsgruppen
verkörpern die Süühudi
)
die Bedeutung des Begriffes
"Fastnacht" bezw. "Fasnacht"
am eindringlichsten. Fasnacht
soll von" faseln" abgeleitet sein,
gleichbedeutend wie Schabernack,
Ulk treiben, ausgelassene
Bewegungen machen usw. In
unserer Mundart erinnert "fasein"
an die landläufige Bezeichnung
für einen Wurf Milchschweine,
die Faselschweine genannt
werden. Die Faselschweine
sind der Muttermilch erst kurz
entwöhnt, sie werden aber immer
noch mit Milch aufgezogen.
Weil sie in den Beinen erstarkt
sind, führen sie durcheinander
tolle Bewegungen und Sprünge
aus. Darum sagt man auch von
halbgewachsenen, übermütigen
Burschen, die zu al1enStreichen
und Possen aufgelegt sind, sie
stehen im .Faselalter". Ueberzeug-ender
ist die Auslegung, daß
Fastnacht "Vorabend der Fastenzeit"
bedeutet.
ISelbstgemachte Süühudilarven
aus Sagmehl und Abfallpapierstreifen.
~~k..
(~~Afr)
·Ar~.d#.1.P~
Zugsordnung beim Begraben des Pagats. Trommler, Laternenträger, Männer
mit Pickel, die Pagätträger, auf der Bahre den Pagat, Männer mit Schaufel,
die traditionellen Süühudi in Gruppen. Eigene Rekonstruktion. Pinselzeichnung
von Meinrad Zehn der.
Herrschaftslandauer mit Hochcoupe für den Fremdenverkehr von und nach
Richterswil. Um 1840. PostilIon zu Pferd. Stallknecht in langer weißer
Bluse und Zipfelmütze. Aufgang und Stallungen zum "Pfauen".
4 - spännige Schwyzerpost.
Landauer in den
Postfarben mit Hochcoupe,
PostilIon in der
vereinfachten Turn- und
Taxisuniform : Breitrandiger,
flacher, steifer
schwarzlackierter Hut
mit Silberband und
Posthörnchen, blauer
Frack mit roten Aufschlägen,
rote Weste,
gelbe Hirschlederhose,
Rohrstiefel. Neben ihm
der Postkondukteur in
steifer, blauer Stoffmütze,
blauem Gehrock
mit rotweißem Kräg-
. J lein, auf der Brust der
-~--=----' silberne Postschild und
Gehhose. Die letzte Ordonnanz des Postillonanzuges (bis 1894), setzte sich
aus Hut nach obigem Beschrieb, blauem Veston, blauer einreihiger Weste
und blauer Gehhose zusammen. Als um 1894 herum die Bahnlinie Rapperswil-
Samstagern und Biberbrücke - Goldau, von der Stadt Rapperswil hauptsächlich
gefördert, eröffnet und mit der rentablen Wädenswil- Einsiedeln-
Bahn als Südostbahngesellschaft vereinigt wurde, verabschiedete man den
Postwagenbetrieb Einsiedeln-Schwyz-Brunnen, Von der Bahnlinie Rapperswil-Goldau
erwartete man einen gesteigerten Verkehr Ostschweiz-Gotthard
und den wirtschaftlichen Aufschwung der anliegenden Dörfer Wollerau,
Rothenthurrn, Sattel und Steinerberg. Leider hat diese Linie die Erwartungen
nie restlos erfüllt und wird sie kaum je erfüllen können. Gegenwärtig
prüft der Verwaltungsrat der Südostbahn die Frage des elektrischen Betriebes,
die Einsparungen bringen soll.
Vornehmer Zweispänner Schlittengatter mit Bedientensitz hinten am Coupe,
Bis um 1900 sah man an hellen Sonntagen hin und wieder 5 bis 6 Schlittengatter
hintereinander über die glitzernde Schneebahn gleiten. Man nannte
das "eine Schlittenpartie machen".
.Schneeschnützer" mit 6 Pferden. Der
Schneebruch war einst eine strenge
Arbeit, die jetzt vom Auto besorgt
wird. Vorn junge Bauern im Burnus
(Lismer). Sie besuchen den Kälbermarkt
vom Samstag. 1880.
, , !
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renswert entdeckt,
gekauft und aufgesogen wurde. Mit der Spar & Leihkasse
ist ein dem Volk nützliches Instrument und zugleich ein Beispiel
planmäßger Arbeit verschwunden. Die Gründung der Kantonalbank
als Staatsinstitut mit Filiale in Einsiedeln erfolgte erst um
1890 und die der Raiffeisenkasse um 1902.
Ueber die Geschäftslage im allgemeinen ist Folgendes zu sagen:
Die Zahl der Logiernächte (Rentabilitätsfaktor) ist auf die Hälfte
gesunken. Vieh- und Produktenpreise stehen außerordentlich tief.
Fieberhaft gepflegte Großgebilde getährden die Daseinsbedingungen
der selbständigen Handwerks- Gewerbe- Handels- und
Heimarbeitsbetriebe. Der Verkehrswert der Heimwesen und Häuser
sinkt deshalb rasch. Restaurieren und Bauen sind angesichts
der hohen hypothekarischen Belastungen Wagnisse. Darum haben
Handwerker und Arbeiter wenig zu tun. Die Folgen? Der Mittelstand
gerät in Not und, da er eine Stütze des Bezirkshaushaltes
ist, dieser mit ihm.
Ein eleganter Wirtshausschild. 18. Jahrhundert.
Von B irehier und Kälin geschmiedet. DieWaIdstatt
verfügte schon im 17. und 18. Jahrhundert
über eine ansehnliche Zahl kunstbeflissener
Handwerker als Schlosser, Schmiede, Möbelschreiner,
Drechsler, Steinhauer, Gießer, Buchbinder,
Wachsmodelleure, Maler, Stecher usw.
Nach dem freiwilligen Verzicht des Stiftes auf
gewisse gewerbliche Monopole konnte sich
Handwerk, Gewerbe und Handel im Angesichte
guter Vorbilder nach den Grundsätzen der
wirtschaftlichen Selbständigkeit entwickeln und
vorallem den Eigenbesitz fördern. (Ueber das
Kunstgewerbe gibt Prof. Dr. Linus Birchl er's
auzgezeichnetes Werk .Kunstdenkmäler des
Kantons Schwyz", Band I, Birkhäuser & Cie.
Basel, Aufschluß).
Um dem Handwerker- und Gewerbestande auf
Hypotheken Darlehen zu gewähren und ihm Gelegenheit
zu bieten, Ersparnisse sicher anzulegen,
gründeten weitsichtige Männer in den Jahren um
1830 ein Bänklein, das im Verlaufe der Jahrzehnte
unter dem Zuspruche des Mittelstandes erstarkte,
bis es, beim dritten Namen ,Spar- & Leihkasse' angelangt,
imJahre
1929, sehr angesehen
und außerordent!.
gesund,
von einer Großbank
als begeh-
Nachtwächter, in der Amtssprache "Rufwächter".
Um 1870. (Eigene Skizze, von
Meinrad Zehnder gezeichnet). Sein Nachfolger,
der Polizei- und Feuerwächter
bietet in den Wirtschaften um halb 12 Uhr
Feierabend.
•
Ein alter Bürgerbecher aus dem 17. jahrhundert, der
auf dem Rathaus aufbewahrt ist. Meister unbekannt.
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Braune und weiße Klosterfrauenchräpfli.
Schafböcke zu 1 bis 20 Rappen.
Alte Scheibenmodelle
in Hartholz gestochen:
Flucht nach Aegypten,
Eucharistie, Ansicht
des Klosters mit Tiervignetten.
Die Scheiben
(Lebkuchen) werden
erstmals um 1550
genannt.
TraditionelIes Brot: Schilt
(Foggiser- Brot), Aufgesetztes
(Kopf-Brotj.Paarmütschli,
Eierzupf und
Eierzüpfli.
Neues Bäckerzunftzeichen (Eierkranz, Schilt, abgedrucktes
Butterweggli, Kaisersemmel und Bierbretzel).
Eigene Skizze.
Wappenschild auf Hüppeneisen. 18. Jahrhundert.
Schmissig ziseliert. Die Hüppen
waren lange ein Hausierartikel alter Frauen.
Denkmal des berühmten Alchimi- j
sten Theophrast Paracelsus, 1493
im Hause westlich der Teufelsbrücke
geboren. Roter Findling
aus dem Sihlbett bei Hütten.
Broncemedaillon von Georg Sonntag,
Sohn, Ciseleur. Stiftung eines
hiesigen Komitees um 1906.
Eine der Skizzen des geplanten Heiwili-
Brunnens (Meinrad Lienert Denkmal). Nahe
und feine Freunde des großen Dichters beschäftigen
sich mit der Erstellung eines
Brunnendenkmals, dessen Motiv sie aus der
Dichtung .Heiwili" (heim will ich) ableiten.
Lienert war ein Orakel seiner Heimat. Er galt
mit Recht als der originellste Mundartdichter
des deutschen Sprachgebietes. Trotzdem sind
hier die billigen Serienromane bekannter
und begehrter als Lienerts kostbare Lyrik.
Brunnen bei
der "Schifflände",
Unterdorf.
Die
Waldstatt
gedenkt, ihn
ihrem Ehren·
biirger Dr. P. Odilo Ringholz zu widmen, der
sich um Einsiedeln mit einer Reihe geschichtlicher
Forschungen verdient machte. Man
beabsichtigt ferner, die Brunnen beim "Haumesser"
und vor dem"St. johann" umzugestalten
und jenen den Gründern des Einsiedler
Buchgewerbes und diesen dem
Bruder Kaspar Mosbrugger zu stiften.
Brunnen aus Wassener Granit vor dem alten
Schulhause. Eigenes Modell, von Bildhauer
Kürzi gehauen. Eine Stiftung.
Die Freiheit des Standes Schwyz wurzelt
im kleinen sog. "alten Lande", das seine
politische Unabhängigkeit im jahre 1315
mit der gewonnenen Schlacht am Morgarten
besiegelte. Zur Zeit des Vorspiels jener
Schlacht lagen sich Schwyz und das Stift
Einsiedeln wegen Marchungsfragen scharf
in den Haaren. Nach dem Entscheid am
Morgarten scheiterten alle Versuche fremder
Mächte, Schwyz unter ihren Hut zu bringen.
Es fällt auf, daß die Geschichtsschreibung
unsern Volksschulen nicht nur die unvermeidlichen
Freiheitskämpfe, sondern auch
fakultative Waffentaten, die bisweilen den
Interessen fremder Mächte gewidmet waren,
besonders ausführlich schildert. Das ist zwar
einigermaßen verständlich. Die Kenntnis des
Ursprungs unserer Freiheit und der Gründe
ihrer nachfolgenden Erstarkung ist eben
elementar. Auch können Waffengänge wegen
der relativen Einfachheit ihrer Ursache so
geschildert werden, daß sie die jugend
fesseln. Warum die Schwyzer den angeborenen
Sinn für Freiheit, den wir begeistert
loben wollen, nicht auch konsequent in jene
Gebiete verpflanzten, die ihnen später mehr oder weniger untertänig sein mußten,
kann man den Volksschulen schon weniger leicht verständlich beibringen. Die
Widersprüche aus der Spätzeit mit ihren komplizierten Verhältnissen zu erklären,
bleibt deshalb eher der privaten Geschichtsschreibung vorbehalten, deren Wert
wir nicht verkennen dürfen. (Faßbind, Steinauer, Hüsser usw.)
An den glücklichen Ausgang eines solchen Ideenzwiespaltes innert den Grenzen
unseres Freistaates soll der hier abgebildete Brunnen erinnern, nämlich an die
Vereinigung der äussern Bezirke Gersau, March, Einsiedeln. Küßnacht und Höfe
mit dem alten Lande Schwyz am 14. Oktober 1833. Die über 40jährige Fehde
drehte sich um die staatliche Anerkennung der Rechtsgleichheit aller Bezirke.
Am Vorabende des französichen Einbruchs im Frühling 1798 hatte das alte Land
den äussern Bezirken die Rechtsgleichheit unter der Bedingung zugesichert, daß
ihre wehrfähigen Männer die Heimat an der Seite der Schwyzer verteidigen. Im
jahre 1814 ließ das alte Land den Widerruf mit der Begründung ergehen, es habe
damals die Zusicherung nur unter dem Druck der Landesnot abgegeben. Die
neuerdings entfachten politischen Kämpfe waren vice-versa nicht harmlos. Sie
zeichneten sich dort durch hartnäckiges Verharren in der Vorherrschaft, hier durch
unnachgibiges Fordern moderner Verfassungsgrundsätze aus.Da alle Einigungsversuche
scheiterten, wurde der Kanton am 15.Apri11832 in die Halbkantone lnnerschwyz
undAusserschwyzgeschieden. Ausserschwyz hatte sich, die Trennungvoraussehend,
eitle eigene Verfassung mit neuen Grundsätzen gegeben. (Bezirksgemeinde, Bezirksgericht,
Friedensgericht, [Trennung der Gewalten], Aufhebung der Lebenslänglichkeit
der Aemter, bessere Schul- und Armenpflege usw.). Im Angesichte der Gefahr
wurden rasch neue Verhandlungen eingeleitet, worauf es endlich am 14. Okt. 1833
nach großen Anstrengungen zu einer Verständigung kam. Mit Recht muß sie als eines
der wichtigsten Ereignisse in derGeschichte desKantonsSchwyz angesehen werden.
UEBER
LAND
Sechs Viertel haben je eine
Filialkirche und je ein Schulhaus.
Hier das niedliche
Bennauerkirchlein, 1793 erbaut,
das letzte, das um 1895
von größern Kirchenbauten
abgelöst wurde.
Filialkirche in Euthal, der "Schmerzhaften Muttergottes" geweiht. Der beste
Bau aller Filialkirchen. Von den 6 Vierteln besitzen jalle, mit Ausnahme
von Trachslau, auch einen eigenen Friedhof.
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Vorzeichen der Filialkirche in
Euthal. Die Sennenmusik von
Groß zieht vorbei. Gegenwart.
Dreifaltigkeitskapelle an der Poststraße nach Groß. Eine Stiftung der Gyr.
Sie hatten sich durch ansehnliche Beiträge an die Filialkirche in Groß
vom Unterhalt der Kapelle ausgekauft, übernahmen aber um 1920 gleichwoli
I die Restauration.
Das Eißenchapeli im Groß. Zur Erinnerung an die Pestjahre gebaut.
Stiftung der Kälin. Dieses und vier andere Wegchapeli werden vor der
Ueberwässerung des Talbeckens versetzt und der Obhut der Gyr, Kälin,
Zehn der, Fuchs und Lienert übergeben.
Kapellchen am steilen Hang des DäsIigs, genannt" Baueletüieli". Elegantes
Vordach. Zwei Mädchen, die die Milch in die Hütte trugen, betrachten
auf dem Rückwege das Altarbild. 1910.
Schulhaus in Untersyten. Viereckbau mit Kreuzdach. Entspricht mit Ausnahme
der Dachform annähernd dem Bautyp der andern Viertelschulhäuser. Nur der
Neubau des Schulhauses in Groß, um 1889 aufgerichtet, fällt aus dieser Familie.
Wohnhaus eines Sentenbauernim Dick. Um 1830 erbaut. Gleichschenkliges
Mansardenwalmdach. In den 90er Jahren Filiale der Buchdruckerei Benziger.
Um 1912 wurden darin Lehrkurse für die Kettenstickerei, um 1920 Lehrkurse
für die Korbflechterei gehalten. Die Kettenstickerei ist seither fast eingegangen.
Die Korbflechterei hingegen hat sich stark verbreitet und ist eine .•
angenehme Heimarbeit.
So sieht ein .schatzhalüges"
Bauernhaus am Etzel aus. Stockmauer,
gewandet, wagrecht verschuppt,
Kleb dächer, wuchtiges
steiles Satteldach, teilweise gekuppelte
Fenster. Vorn sind die
senkrecht übereinander gelagerten
sogen. Gwättiköpfe sichtbar.
Das geschindelte Bauernhaus am Horgenberg. Häufigster Typus. Gegenwart.
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Wohnhaus in der Steinau.
Hohe Stockmauer, wagrecht verschuppte
Wandungen, Klebdächer,
Fälladen, steiles Satteldach.
Seltener Typ, der viel persönliches
Empfinden eines Euthaler
Zimmermeisters verrät. Ein
Verwandter des Städtegründers
Steinauer, von der Neugierde
gereizt, Nordamerika für ein paar
Wochen zu verlassen, um seine
Familiengeburtsstätte in der alten
Heimat zu sehen, steckte die Nase
auch nach der Innenkultur dieses
ansprechenden Hauses aus. Satis!
)
Gadenhaus mit fortlaufender
First in der
.Höhli bei Bennau. Die
ursprüngliche billigste
Bauart, die sich gegen
Unwetter und Schneedruck
am besten bewährt.
Gaden - Haus des
Klein bauern, Satteldacfirst.
'
mit Kehr-
Bauernhaus unter
dem Birchli. Sihlseemitte.
Turbenstich,Turbenhütte,
Turbenbänne und
Stäcklikorb. I
Hausfesti am Horgenberg, hinter
der die Nachtbuben den Nebenbuhlern
auflauern. Die Festi ist
der Wetterseite zugekehrt, verschindelt
und nur spärlich mit
Fenstern durchbrochen, Guggloch
unter der Laube.
Tätschhüsli am Berghang,
Klebdächer, breites Satteldach,
hinterhalbTrachslau.
Siedlungsgehöft Typ "Sulzel", Komposition der Schweiz. Innenkolonisation. Das
Etzelwerk, das als zentraler Kraftspender von nationaler Bedeutung ist, hat den
Bezirk Einsiedeln vor neue Fragen gestellt, wie Siedlungsbau, Inkonvenienzenausgleich,
Straßenbau, Errichtung von Verbindungsdämmen, Bachverbauungen usw.
Der Siedlungsbau ist die wichtigste Frage. Von den ursprünglich vorgesehenen 60
Siedlungen sind deren gegen 25 für Betriebe von 8 bis 12 Kuhesset im SulzeI, auf
dem Altenberg und Waldweg errichtet. Schon diese erste Serie ist eine glänzende
Leistung zum Ersatz von Teilen
der Sihlsee müsse kommen,
haben sich weitsichtige Männer
aller öffentlichen Fragen mit
Verständnis und Ausdauer anangenommen.
Der Bund ist der
finanzielle Helfer.
des Verlustes an Kulturland. Nachdem es hieß,
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1
Typ "Waldweg". Komposition.
der Innenkolonisation.
Typ "AItenberg", Nachbildung
der hiesigen
Bauart.
Alter, stillgelegter Ziegelbrennofen
in Untersyten. Ein ruhender
Zeuge des biedern kleingewerblichen
Betriebes im 18. und 19.
Jahrhundert.
Turbenhütten, genannt
Gadenstatt,
in der Langmatt.
Winter. Zeichnung
von L Landenberget.
AlteBienenstände inOberiberg,
Groß und Birchli.
Einfache Bauformen.Viereckbau
unter Kreuzdach,
Rechteckbau unter Satteldach
und Viereckbau unter
Satteldach. Verschalung
mit handgemachten rechteckigen
Schindeln. Die
Zahl der Bienenvölker hat
sich in diesem Jahrhundert
stark vermehrt. Die
Imker sind jetzt, wie die
Rindviehzüchter, Geißbauern
und Schäfer in einer
Standesgruppe vereinigt.
Die heimelige Alpbrücke mit den
Rundbogen unter der Anfahrt. Vermittler
des großen Fuß-, Reit- und
Fahrverkehrs von und nach Richterswil.
Um 1865 abgebaut, vermutlich
wegen der hohe. vierspännigen
Schwyzerpost.Was ennetder Brücke
liegt, wird im Volksmund das "Badische"
genannt Im Hintergrund
die St. Gangulphs-Kapelle Im Vordergrund
die freizügige Alp, die seit
ungefähr 1880 Stück um Stück eingedämmt
wurde. In Bachverbauungen
haben Bezirk und Genoßsamen
Großes geleistet.
Teufelsbrücke am Etze!. Erster
Bau 1111 bis 22. Daneben Paracelsushaus.
Beide von Osten gesehen.
Gegenwart.
Diese gedeckte Holzbrücke
über die Sihl verbindet die
Schleichwege der Willerzeller
und Großer Nachtbuben.
Das Gelände hat fast Urgestalt.
Die Holzbrücke wird
dem See weichen.
.1
Gedeckte Holzbrücke über
die Sihl im Stein bach, An
ihre Stelle tritt ein Da-mm,
der Steinbach mit Euthal verbindet.
Gedeckte Holzbrückein Untersyten.
Bärtige gehen auf den
Gallusmarkt ins Dorf. Ein Kilometer
südwärts befindet sich die
Staumauer des Sihlsees.
Gedeckte Holzbrücke über die Sihl zwischen
Birchli und WillerzeII, wo ab 1936
. ein ca. 1200 m langer Damm stehen wird.
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Steg über die Sihl, der Fußwege von Euthal ins Ybrig hinüberleitet.
Die Sihltalberge, voran der Fluhbrig.
Die letzte zweispännige Schlittenpost Einsiedeln - Oberiberg gleitet über
dje jessenenbrücke. 1930. Die Brücke macht den Eindruck eines ennetbirgischen
Bauwerkes.
Gasthaus zur " Post" in
Biberbrücke, nebenan die
Stallungen, um 1845 erbaut.
Anblickvor dem ßau der Wädenswil
- Einsiedeln - Bahn.
Zwei gleichlinige Bauten,
Kurz- und Langwalmdach,
breite gemauerte und verputzte
Bogenbrücke über
die Biber, eine gesunde alte
Spötterin auf rostende junge
Eisengerippe. Friedlicher
Knotenpunkt des einst lebhaften
Post- und Kutschenverkehrs,
dessen Originalität
durch kein modernes
Beförderungsmittel ersetzt
werden kann. Hier wechselten
die Posten Uznach-
Lachen-Einsiedeln.Wädenswil-
Richterswil - Einsiedeln
und die jüngere Post Brunnen-Schwyz-Einsiedeln,
genannt Schwyzerpost, die Pferde. Die Bahnbauten
der 70er und 90er Jahre machten den Postverkehr überilüßig.
So wird der Willerzeller Damm gebaut, der den Sihlsee überbrückt und das
Viertel WillerzeIl mit dem Dorf verbindet. Seine Länge beträgt über einen
Kilometer. Ein zweiter kürzerer Damm wird vom Steinbach Richtung Euthal
gebaut. Der vom Standpunkte des Heimatschutzes empfohlene Vielbogendamm
aus flächig wirkendem Mauerwerk, fällt aus technischen Gründen (ungeeigter
Boden) außer Betracht.
Sennenfähnrich und Sennenbuben beim Rathaus
vor dem Aufzug des Preisgerichts zur
Viehausstellung. Gegenwart. Eigene Skizze.
Bühne an der Viehausstellung. Den Einstellungen der Klassen nach Rang
folgt die sogen. Stierenrede und ihr die Preisverteilung. Linoleumschnitt
von Meinrad Zehnder.
W~~-::'::-::;-~T7~~~~~7!8:;;;;'::~~;-;:J
Junge Prämienkuh der Schwy-
'...'" ~_.; .• zer Braunviehrasse. Der Preis
ausgeklügelter Zucht. 'Einsiedeln
wird im Zuchterfolg nur
von einigen wenigen Gegenden
wie Innerschwyz, Sernftal,
st. gallische Gebiete überflügelt.
Ueber die Zuchttiere
(Stiere, Kühe, Rinder, Schafe,
Ziegen, Schweine) werden
Stammbücher mit Eintrag der
Punktzahl und der Stall namen
geführt. Hierüber gibt meine
Sammlung Aufschluß.
Wenn im Frühling der
Geißbauer mit den Geißen
ins Obersihl und der
Schäfer mit den Schafen
über den Saaspaß in die
Silbern ziehen, machen
sie in den Studen einen
Atzhalt.lm Herbst holen
sie Geißen und Schafe
wieder hinaus und führen
sie talwärts, an
der Spitze das Leittier
Tschuup, hinterher der
Schäferhund Bari.
Hochalp ·Obersihl am Saaspaß. Typus der gewandeten Sennhütte. Das
jungvieh nähert sich. Es sucht Schutz und Schirm vor der herbstlichen Kälte.
Die jungfern unter dem Paridach steigen ins Untersihl hinab. Um 1880.
Um die Eigentumsrechte der Alpen auf der Nordseite des Kammes Lauiberg-
Miesern-Drusberg-Forstberg-Ibergeregg-Holzegg-Haggenegg stritten sich im
13. und 14 jahrhundert die Schwyzer einerseits und das Gotteshaus Einsiedeln
anderseits. Jene stützten sich auf uralte Gewohnheitsrechte, an denen
sie nicht markten lassenwollten, dieses auf verbriefte Rechte (Hofschenkugen).
In der Erbitterung überfielen die Schwyzer unter Werner Stauffacher in der
Dreikönigsnacht 1314 das Kloster und hausten darin übler als Krieger. Sie
behaupteten in allem den pracktischen Erfolg, der heute noch augenscheinlich
ist. Die Oeffnung des sog. Friedensgrabens im Schützenriet zwischen
, Studen und Unteriberg einerseits und Euthal anderseits war eher dasZeichen
einer äußerlichen, als einer innerlichen Verständigung. Ein Stamm, der wesentlich
von der Viehzucht lebt, ja darin sogar führend ist, mußte schon dazumal
arn besten wissen und wird immer wissen, was es bedeutet, viele und
gute Alpen zu besitzen.
Sie ziehen auf dem Leiterwagen ins Heu. Davor ein
tapferes, gut geschirrtes Fuhrroß, so es unsere jüngsten
bald als Rarität anstaunen werden.
Alpabfahrt um 1890. Von Meinrad Zehn der
gezeichnet. Nach einem langen Sommer
mit viel Sonne und warmen Regentagen
zieht der Senn mit seiner Herde befriedigt
ins Tal, d. h. insofern kein Geist gespuckt,
und der Blitz nicht in die Hütte eingeschlagen
hat, keine Seuche ausgebrochen, und _ .~ :'Y/",,-
keine Kuh abgestürzt ist. Die Tiere folgen ''', :. -
willig der Senntenkuh. Sie vertragen sich "> '" y ~ ~~
jetzt besser, als bei der Auffahrt; als sie sich ;,{~ .~.
noch fremd waren. An derViehausstellung '!.._~,
werden die Alptiere gesondert prämiert, da I-..o_-:~ -=;;:::u...:~
sie mit ihren wetterstruppen Haaren den Wettbewerb mit den 'gepflegten Heimtieren
nicht bestehen können.
Viehmarkt auf dem
Brüel. Im Vordergrund
ein Kuhhandel.
Gegenwart. Jeden
Samstag findet
vor dem Gasthaus z.
"Bahnhof" ein Kälbermarkt
statt, der
zwar oft eher der
Orientierung als dem
Handel gilt. An Lichtmeß
wird der erste
Groß-Viehmarlet abgehalten.
Ihm folgen Ende August der Kirchweihmarkt (Verenarnarkt), Ende
September die Vieh ausstellung, anfangs Oktober der Gallusmarkt, anfangs November
der Martinimarkt und anfangs Dezember der Klausenmarkt. Der Auftrieb
bewegt sich von 200 bis 800 Haupt Vieh, Schafe, Ziegen, Schweine und ein
Dutzend Pferde. Wenn kein großer Vorverkauf stattgefunden hat, kann die Zahl
der aufgetriebenen Tiere bis 1200· betragen. In der Regel ist der Martinimarkt
der wichtigste, weil am 11. November die Hypothekarzinse fällig sind. Der Bauer
trachtet zu verkaufen, da er die Zinsverpfichtungen erfüllen möchte. Am Nachmittag
der genannten Markttage findet jeweilen auf dem Spitalplatz der Nachmarkt
statt.
Dolmetsch in langer blauer Bluse und dreifach eingedrücktem
Filzhut um 1900. Eig. Skizze. Von Meinrad Zehn der gezeichnet.
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Die farbigen Prämienschilde am Stal1gebälk. Blick in das Innere des Stal1es.
Milchgerätschaften. Greiser Bauer. Federzeichnung von Meinrad Zehnder.
Kultur im neuen Siedlungsstal1: Luft und Licht. Der niedere gewandete
Stal1, wie er oben gezeichnet ist, trotzt den kalten Winternächten .:
Senntenbauer im Sonntagsrust
aus Groß um 1830.
Preisrichtertyp um 1890.
Vollendetes Fachbewußtsein.
Sennenvater und Sennenfähnrich um
1910.Sammthose aus dem 17. jahrhundert
überliefert, Schnitt 19.jahrhundert,
Stramingurt und Straminträger 19.jahrhundert.
-I
.!
Mimik der Senntenbauern, wenn sie
einen Prämienstier mustern. Um 1900.
J
Senntenbauer und Meisterknecht im
Gespräch. Um 1900.
Er trägt seit Jahrzehnten den traditionellen Sennenbart.
Die Senntenbäuerin. eine Frau mit sonnigem
Gemüt, an der Sonne. N4r s'Marieli
macht "es Müffeli".
Sie sind trotz unmoderner Postur bodenwohlauf.
Sie tragen die alten, sogen.
Lampihüte mit dem schwarzen Bändel
um den Kupf.
Senntenbauers Tochter Vreni. Flachsblonde aus
dem Tschalun. Bäuerliche Haartracht um 1880
(Gritlifrisur). Man sagt, die Flachsblonden unserer
Täler hätten fast unvermischtes keltisches Blut.
Man trifft diesen Typus auf der Linie Appenzell-
Toggenburg -Schwyz- Unterwalden-Berner Oberland.
Eigene Skizze. Gemalt von Eduard Gyr.
Junger Mann in der Werktagstracht.
Schweiz. Trachtenschau in Einsiedeln
1929. An jener Trachtenschau beteiligten
sich nebst rund 1300 Männern
und Frauen in schweizerischen Festtagstrachten
rund 450 hiesiz e Männer
und Frauen in unserer Werktagstracht
mit allen vorhandenen Mustern, ebenso
über 400 Mädchen und Buben, um
eine Aelplerchilbi nach alten Vorbildern
zu feiern. Eigenes Modell.
1
Annemärteli in der winterlichen Werktagstracht.
Tätschhüetli aus schwarzem
Filz, schwerer Burnus (Lismer) aus naturfarbiger
Schafwolle, Leinenhemd mit
Bändelkravatte, rote Astöß (Pulswärmer),
braune Gehhose aus Bernertuch, rotbraunes
Paridach, Schwyzerpfyffli. Trachtenschau
1929. Um 1880 kleideten sich
die Männer auch am Sonntag so.
Feststimmung in der Werktagstracht. Trach
tenschau 1929. Eigenes Modell.
Trachten-
Kinder in der Werktagstracht.
schau 1929. Eigene Modelle.
Zukünftige Genossen. Meiri und Seffi scheckern
mit dem Regien!. Die Geiß ist der Brotspender
des Kleinbauern.
Ji ji jii! uh tä tä !
Baschi und Antsch kommen mit zufriedenen
Gesichtern von der Alp zurück Sie haben gut
gesömmert.
"Gib uns heute unser tägliches
Brot" Morgenimbiß: Milchkaffee
und Brot.
Jungfer beim Gummelschälen.
Hier wird der alte Spruch" Tischlein
deck dich" als anspruchsloser
Wunsch geachtet. Einfaches Büfett,
Tafeltisch, geringeltes Geschirr.
.Nusode, jetz chan äs sunne,
iech ha's hie im Schatte gwunne",
(nach Mrd. Lienert).
Einfache Bauern - Stube. Flaches
Tannentäfer, grüner Kachelofen
mit Messingknöpfen, gespiegelter
Kölschumhang, Ofenbank, Stabelle,
s'Zyt. Eine gute Innenkultur in den
Bauernhäusern ist selten.
Ein Strich offene, ein Strich öde Länderteile der Genoßsame Dorf-Binzen
im Finkenmoos. Auf den offenen Teilen werden Kartoffeln gepflanzt; die
öden Teile dienen dem Graswuchs. Das vollzieht sich im Wechsel von
einigen Jahren. In der Regel sind es Bauern mit Kleinbesitz, die aus
Pachtland den Futterbedarf ergänzen oder Arbeiter der Ortsindustrie, die
ihre Haushaltungen mit eigenen Kartoffeln versorgen. Ein unscheinbares
Helglein, das manchem wenig sagen wird und doch erklärt es eine wirtschaftliche
Frage von besonderer Bedeutung. Das Kloster einerseits und
die Genoßsame, als sie noch nicht in 7 Genoßsamen (Flurgenossenschalten)
aufgeteilt war anderseits, haben sich, hauptsächlich im letzten Jahrhundert,
um die Eigentums- und Nutzungsrechte an den Allmeinden manchen Span
geliefert. Es wird zutreffen, daß es nicht jedesmal gelang, die Rechtslage
mit beidseitiger Befriedigung abzuklären und erlittene Nachteile gutzumachen.
Tatsache ist aber, daß der Nutzen aus Allmeinden zur Zeit allgemeiner
Armut, als um 1817in Eindsiedeln über 300 Familien ganz mittellos
waren, unter mancher First ein unentbehrlicher Brotspender gewesen ist.
Das war eine wohltätige Kompensation allfälliger Verzichte. Mögen alle
Eigentums- und Nutznießungsrechte beidseitig vor unklugen Einfällen und
fürsprecherischen Irrtümern geschützt sein.
Solange das Holz begehrt war, was bis ungefähr 1925 zutraf, wirkte sich
die fiskalische Bedeutung der Genoßsamen nach 3 Richtungen aus: 1. Der
Nutzen deckte dem kleinen Manne bis tief in den Mittelstand hinein auch
im ungünstigsten Falle alle direkten Steuern. (50 % der Steuerpflichtigen
entrichten nur die Kopfsteuer). 2. Den viehbesitzenden Genossen kam die
billige Pacht- und Auftriebsgelegenheit zugute. 3. Der Bezirk (Einwohnergemeinde)
erfreute sich eines sichern Steuerzahlers, der 2 pro Mille des
gesamten Steuerbedarfes d. h. ca. 40 bis 45,000.- Fr. allein deckte zur
relativen Entlastung aller Steuerpflichtigen. Heute, da das Holz nicht begehrt
ist, sodaß sich der Genossennutzen auf den Länder- und Streueteil
beschränkt, verbleiben immer noch die unter 2 und 3 genannten schätzbaren
Vorteile. Die tiefere Bedeutung der Genoßsamen liegt in der mehr
oder weniger sichern Wertbeständigkeit des Grundbesitzes gegenüber den
sogenannten liquiden Vermögenswerten, ferner in der lebendigen Ausübung
des Mitspracherechtes in allen Fragen, die den Eigenbesitz betreffen
Wettertanne. Die Tannenwälder sind der
Strlz der Gerroßsamen und die Stütze des
Barbetrages der Genossen. Hier gewinnen
die Buben Harz, Tannzapfen und Tannbart.
Unsere Holzhändler würden diese prächtig
gewachsene, alte Rottanne vielleicht als
"Röhne" bezeichnen und sie auf ihre Gesundheit
genau untersuchen.
Stattlicher Bergahorn in den "Waldherren".
Geschütztes Naturdenkmal. Da
gibt es einst "Schynholz", sagen die
Buben. Kleine Naturdenkmäler wie die
Zwergbirke (betula nana), der Frauenschuh,
die Stechpalme usw. fallen der
Unwissenheit oder dem Schnapsbatzen
zum Opfer.
Ein zünftiger Trämel
dem Pferdeschlitten.
auf
Lijr~2.ii''''''cl;Z",";..."tJi~''''''''''~"'L''~'~''~
Alte Säge in Groß. Mit dem
Wohnhaus unter einer First.
Kett auf Holzgerüst. Um 1920
abgebrannt.
Vereistes Wasserrad einer alten Säge
im übergroß. Das Wasser ist die
billigste Werkkraft.
Bauer am Sagbock im Schlapprig. Er
sägt Würzen. Am Waschseil hängen
farbige Schnupftücher. . .
Der Landwagner im Steinbach
im Schatten. des selbständigen
Berufes, der jetzt
vom Pneu stark gefährdet
ist. Um 1910.
Alter Bauer vor dem Weidstall beim
Dängeln.
Wir holen mit Hörnerschlitten Weidheu
am Aubrig. Bis 1900 sahen wir nur
wenige StaJleinfahrten. Das Heu wurde
in Burdenen auf den Walm getragen.
Jetzt wird da, 'wo sich das Gelände
< eignet, das Heu gefudert. Ueber steile
::. Hänge schlittelt man auch im Sommer.
Der Turbenstecher am Stich. Er hebt zuerst die
Rasenziegel ab, sticht senkrecht, alsdann wagrecht
und schleudert die Turbe mit dem Messer in die
Höhe, wo sie ein anderer Turbner auf den Karren
legt, weiterbefördert und zum Trocknen auslegt.
Die Turben im Moosgras
an den Stecken.
Streuetristen
im Sihltal.
Eisgewinnung (Eiset) auf einem Weiher. Die
Weiher dienen denSägereibesitzern alsWasserreservoirs.
Das Eis wird mit Waldsägen in
quadratische Blöcke zersägt, mit Flößerhacken
an das Ufer gezogen, auf Schlitten verladen
und in die Eiskeller der hiesigen Brauereien
verbracht oder mit der Bahn verfrachtet.
Sie rüstet der Weberin die Seidenspulen.
Um 1890.
•
Jungfer im Seidenwebstuhl. Das Handseidenweben
war bis um 1890 eine
geschätzte Heimarbeit mit größter Verbreitung.
Im Lichte der Oelampel wurde
der Schlagbaum hin und her bewegt.
Der mechanische Webstuhl machte
dem Handwebstuhl den Garaus. Das
gleiche Schicksal ereilte den stärker
gebauten heimischen Leinenwebstuhl
schon einige Jahrzehnte früher.
Eine originelle Heimarbeit, die allerdings
nur einigen wenigen Männern
Verdienst gibt, sind das Holzschuhrnachen
und das Schindelnschneiden,
abgerundete u. rechteckige Schindeln.
I
I
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i -
Frau mit Kopfzaine und Mädchen mit Räf und Wupp.
So schritten sie am Ferggtag, in der Regel jeden Mittwoch,
das Tal hinaus zum, Dorf in die Ferggstube des
Seidenferggers. Eigene Skizze, von Meinrad Zehnder
gezeichnet.
1
Frauen beim Gummelaustun
auf dem Willerzellerboden.
Sie brauchen die zweizackige
Haue. Zum Schutze gegen
die Sonne schlingen sie helle
Schnupftücher um den Kopf.
Man kann die Gummel nicht
genug preisen. Frau Barbara
Lienert-Birchler, gen. "Anke-
. babeli", hat sie den Waldleuten
um die Mitte des 18.
Jahrhunderts gebracht.
Auf einer Laube in WiIlerzell beim
Glätten. Die jungfer trägt ein altes
Festkleid mit schwarzem Schnurmieder,
das hier nirgends mehr getragen
wird.
Nachtbueb beim Bröege in dunkler Nacht.
Eigene Skizze.
Senntenbauer Lieni im Werktagsrust
beim Bänkle um 1880.
Der alte Aeipler Ronimus
beim Baknäble,
Aelpler Domintsch beim Chäszänne.
Chäszänne, aber nicht an der Wellgruob der Sennhütte, sondern zur
Belustigung des Trachtenvolkes an der Aelplerchilbi 1929.
;
Häggle. Diese Kraftübung ändert entweder friedlich oder boshaft.
i
Chäpp ruft den Alpsegen. Eigene Skizze, von Meinrad
Zehnder gezeichnet. Der Bergbauer ist gottesfürchtig und
abergläubig zugleich, dem Pfarrer nicht in allem ergeben,
hart im Fühlen und Verzeihen, mißtrauisch gegen fremde
Pläne und übel gelaunt, wenn der Nachbar mit dem Vieh
mehr Erfolg hat, als er.
Feckerwagen. Eigene Skizze. Zeichnung von Meinrad Zehnder. Die Fecker
führen ein freies Nomadenleben. Die feste Behausung wäre für sie Bann
und Zwang. Sie fristen ihren Lebensunterhalt mit Zaineflicke. Bekibüezc,
Fäldmuuse, Schäreschlyie, usw. Der verstorbene Armenvater Konrad Oechslin
glaubte, die Zahl der im Bezirk Einsiedeln heimatberechtigten Neubürger
gegen die 1000 schätzen zu dürfen. Bei den Zuteilungen der Heimatlosen
um die Mitte des letzten Jahrhunderts erhielt der Bezirk Einsiedeln hauptsächlich
Männer aus folgenden Stämmen: Debon, Feigbli, Gehringer, Gerzner,
Hürlimann, Huser, Petermann, Schmid, Schwarz, Wehrli, Einige sind inzwischen
ausgestorben oder verschollen, so die Bersinger, Blank, Feig,
Ganal, Gitter, Guffe, Kipper, Labor, Mieuville, Nistler, Notiger, Rogg,
Schmink.
Entweder glaubte man, die Zuteilung von Männern, die man der Landwirtschaft
und Industrie als Arbeitskräfte zuweisen könne, sei von Vorteil
oder dann wurde man von denjenigen Gemeinden, die Frauen vorzogen,
überlistet. Sei dem, wie ihm wolle, die Prognose war falsch. Die Zugeteilten
verleugneten ihre Lebensgewohnheiten im allgemeinen nicht. Ja, sie holten
in andern Gemeinden auch noch die Mädchen, heirateten jung und vermehrten
sich christlich. Seither machen sie den Armen- und Waisenbehörden
große Sorgen. Infolge des kargen Verdienstes und des unsteten Lebenswandels
sind sie zum großen Teil der Verarmung ausgesetzt und deshalb
hilfsbedürftig. Sie sind sich bewußt, daß sie im Gemeindewesen nicht als
Vollbürger gelten. Sie verzichten in der Regel (freiwillig oder unfreiwillig)
auf die Heirat eines Vollbürgers bezw. einer Vollbürgerin. Kommt es ganz
ausnahmsweise dennoch vor, daß ein Neubürger eine Vollbürgerin heiratet,
verweist der Gatte darauf, wenn er einen Vollbürger um einen Dienst d. h.
eine Unterstützung angeht. So erinnere ich mich, daß mir ein Neubürger
mit Stolz anvertraute, seine Großmutter sei eine Gyrin aus der und der
Linie gewesen. Er sagte das in der Feckersprache folgendermaßen: "My
Groußmuettr istrichs ä Gyrini g'sy" wörtlich übersetzt "ist sich eine Gyrin
gewesen".
Hürlimann von der besagten Gilde
beim Korben nach primitiver Art.
Geschickt zwingt er die hierländi- [,I!Ph
sehen rohen Weiden, die er selbst
geschnitten hat, durch die knorrigen
Finger übereinander und fügt sie
zu einem zünftigen Stäcklikorb. Hier
flickt er einen Damit macht er seinen
Taglohn. Die moderne Kerbtlechterei,
die sich um 1920 als gepflegte
Heimarbeit unter guter Leitung eingebürgert
hat, verfügt über geeignete
Werkzeuge und weiche impor- I
tierte Weißweiden, die sorgfältig"
zubereitet sind. Die fertigen Körbe '
aller Art, seit einigen Jahren auch
Rohrmöbel, werden den Verkaufsläden
der Städte geliefert. Ein großer
Teil reist sogar ins Ausland.
Fischer an der Sihl auf der Mitte des zukünftigen Stausees, mit dessen
Wasser um die 60,000 PS gewonnen werden sollen. In der Regel obliegen
die Fecker dem Fischen in den Bächen. Der Forellenfang ist ihr HauptzieI.
In den Städten finden sie Absatz.
BEI DER JUGEND
Buben und Mädchen mit Palmen und Wydliam Palmsonntag.
Armbrustschützen gehen Grümpel betteln. 1900.
Aufmarsch der jungen Armbrustschützen mit Trommler und Fähnlein.
Aelplerchilbi 1929. Die BoJlingerarmbruste wurden hier verfertigt.
Fähnlein der Armbrustschützen
Entwurf.
1927. Eigener
Armbrustschützen an der
Schießbank.
Aelplerchilbi 1929.
Nach dem Wettklettern an der geseiften Stange
empor, stellen sich die Buben dem Photographen für
eine allgemeine Demonstration zur Verfügung. Aelplerchilbi
1929.
Würfele, ein Glücksspiel der kleinen Kinder an der Kirchweih. Die alte
Frau unter dem Schirm ruft in die Kinderschar hinaus: "Es sind noch
zwei Nummern da, wer setzt noch 4 Rappen?" Die Kinder scharen sich
um den Tisch, nehmen die Räppler aus dem Geldsäckel und kaufen
die freien Nummern, für die ihnen die Frau Holztäfelchen mit den Ziffern
1 bis 6 aushändigt. Wenn alle Nummern verkauft sind, läßt die alte Frau
den Würfel auf einen Teller fallen. Die Nummer obenauf gewinnt. Der
Gewinner erhält als Preis ein Gueteli.
Ballenschlagen.
Zwei gleichstarke
Parteien. Nr. 1 der
schlagenden Partei
schlägt den Hartgummiball
hoch in
die fangende Partei
hinaus. Nach 2
Fehltreffern schlägt
Nr. 2 während Nr. 1
beiseite steht. Wird
der Ball getroffen,
springt Nr. 1 der
schlagenden Partei
an den Schluß
des Spielfeldes der fangenden Partei und erwartet den günstigen Augenblick,
um zu der schlagenden Partei zurückzuspringen, entweder während der Ball
fliegt oder während er neben den Händen einer fangenden Nummer zur Erde
fällt. Gelingt es einer Nummer der fangenden Partei, den Ball aufzufangen,
sei es direkt im Flug, oder beim Zuwerfen durch eine andere Nummer der
fangenden Partei, muß diese Nummer es versuchen, irgend eine Nummer der
schlagenden Partei, die im Spielfeld der fangenden Partei steht, mit dem Ball
zu treffen. Gelingt dies, findet sofort der Parteiwechsel statt. Gelingt es der
fangenden Partei, den Ball 3 mal mit einer Hand zu fangen, müssen die
Parteien ebenfalls gewechselt werden. Jeder Fehlschlag der schlagenden
Partei nennt man: "eis abe", "zwei abe" usw. Eigene Skizze.
Stickle. Jeder der Buben hat sich
einen kurzen Stickel (Stecken),
der an einem Ende zugespitzt ist,
aus schwerem Holz (Buche oder
Erle) verschafft. Der Erste schlägt
ihn im Wurf und mit Wucht in
den Boden, sodaß er senkrecht
stehen bleibt. Der Zweite versucht,
seinen Stickel ebenfalls fest in den
Boden zu rammen, aber so, daß
er im Wurf den ersten Stickel
1
schlägt und ihn flach auf den
Boden drückt. Der Dritte wiederholt
die gleiche Uebung und ver-
- - sucht, entweder einen oder beide
Stickel zugleich umzulegen. Das
gelingt natürlich nur dann, wenn
er sicher zielt und wuchtig trifft. Das Spiel muß in der Regel häufig wiederholt
werden. Der Bube, dessen Stickel allein im Boden stecken bleibt, hat gewonnen.
Eigene Skizze.
- -- --- ----_.
Buben beim Stelzenlaufen. Sle brauchen
hohe und niedere Stelzen. In der. Regel
führen sie Spring- und Fangspiele durch.
~. Schwarzweißdruck von Meinrad Zehnder.
Mädchen beim SeiIi - Gumpen. iiiiii•••
Schwarzweißdruck von Meinrad
Zehnder.
Trommlerkorps der Schulbuben
um 1920. Kleider-
Iacon 16.Jahrhundert. Eig.
Modell. Sie begleiteten die
Schützen an die eidgen.
Schützenfeste.
Der Schulrat faßte s. Zt. den Beschluß, alle sieben jahre ein jugendfest
durchzuführen, damit womöglich jedes Schulkind eines miterleben könne.
Ein jugendfest führt normalerweise um die 900 Schulkinder zusammen,
die sich in einem festlichen Umzug durch die Hauptstraße und bei Spiel
und Reigen auf dem Brüel tummeln. Hier belustigen sich Buben und
Mädchen beim sogen. Ringelreihen.
Was ist hier im Gang? Eine Tschupple Mädchen, auch große dabei,
sammeln sich an, da das Chasperlitheater, das sich mit der Chilbi eingebürgert
hat, beginnt. Der König und sein Diener, Teufel und Landjäger,
. Hexe und Fuhrmann sprechen und behandeln sich. Um 1890.
Sackgumpen nach Würsten. Wer
die an der Schnur hängende
Wurst mit den Zähnen erwischt,
behält sie als Preis für die
Geduldsübung.
An den jugendfesten werden
bisweilen originelle
Figuren ausdemVolksleben
kopiert. Hier der Feldmauser,
so wie er im jahre 1890
gespielt wurde.
Der Lanzig strahlt ihnen aus den Gesichtern. Die Lehrerin kündet den bevorstehenden
Schulspaziergang an, der jedes jahr 'stattfindet. Es besteht hiefür
eine Stiftung B. Gyr-Benzigers im Betrage von Fr. 30,000.-. Schulreisen sollen
so durchgeführt werden, daß sie die Heimatliebe fördern.
Schulratspräsident und
Ortspfarrer nach dem
z'Füf der Schüler auf
dem "Schlachtfeld" des
jugendfestes. Um 1900.
Wenn man keine Gegensätze
konstruiert
und Meinungsverschiedenheiten
ohne Vorurteil
prüft, können Kirche
und Staat auf dem Gebiete
der Volksschule
leicht an einem Strick
ziehen und Großes leisten.
Der Bezirk unterhält
eine Kleinkinderschule,
Primarschulen
im Dorf und auf den Vierteln, eine Sekundarschule im Dorf, eine gewerbliche,
kaufmännische und hauswirtschaftliche Fortbildungsschule im Dorf. Er wird
mit großen Beiträgen und praktischer Arbeit unterstützt vom Fortbildungsverein,
vom Frauen- und Töchterverein und vom kaufmännischen Verein.
Ein Bedürfnis ist unerfüllt geblieben: die Fachschule für das graphische
Gewerbe, das als traditionelle Ortsindustrie betrachtet werden darf.
Für die Seelsorge der jugend ist mit freiwilligen Spenden ein großer Fond
angelegt zum Bau einer jugendkirche. Er beträgt gegenwärtig Fr. 519,000.-
. und ist beim Pfarramt verwahrt. Er dürfte im Bezirk Einsiedeln der größte
Fond sein.
Vom Samichlaus sagt man, daß
er .schleickt" d. h. er schleppt
Geschenke herbei, oder er läßt.
sie durch Waldbrüder in Säcken
zutragen.
Klausenjagen. Drei Schulbuben
I springen mit farbigen Infeln eine
enge Gasse hinunter. '2 Kameraden
lauern, mit einem Stecken
in der Hand, an der untern
Hausecke auf, um die Infelträger
zu verfolgen und ihre Infeln einzuschlagen.
Im kargen Lichte der
ehemaligen Petrollaternen ent- _
wickelte sich das Klausenjagen
ungestört. Seitdem aber die elektrischen
Gltihbirnen der Straßenbeleuchtung
und die Gasstrümpfe
der Geschäftshäuser in alle Gäßchen
hineinleuchten, haben die
kleinen nächtlichen Abenteuer
den Reiz verloren. Das elektrische
Licht wurde um 1910,gleichzeitig
mit der Gründung des hiesigen Gaswerkes, (A.-G.) eingeführt. Eig. Skizze.
't -~
f~
(-,
Die Chläuse in langen weißen Gewändern und mit großen beleuchteten
Infeln, nIffäle"genannt, auf dem Kopfe, hüpfen im Kreise herum und drehen
sich langsam um sich selbst, indem sie bald in dieser, bald in jener Richtung
einen feierlichen Knix machen. Die Infeln sind 100 bis 150 cm hoch und
rundum mit farbigen Papierstreifen nach strengen alten Mustern geziert. In
der Mitte der Chläuse stehen, die Beine gespreizt, kräftige Burschen, jeder
mit einer langen Schafgeißel in der rechten Hand. Sie holen zum Schwunge
aus und kläpfen nach bei den Seiten, sodaß sekundenweise ein stark knallender
Ton entsteht, der an den Häusern der öffentlichen Plätze wiederhallt.
---------------
Infeln der Chläuse. Im Dezember
1934 wurde hier das
Klausjagen zum ersten Male
mit einer kleinen Gruppe
durchgeführt. In Küßnacht
am Rigi, von dem wir die-,
sen Brauch entlehnen, setzt
dasKlausiagen [eweilen gegen
10.9 Männer und Burschen
in Bewegung. Ein dortiger
Fachmann verfertigt 'die
Infeln.' .
Ein Schulbub stößt den "Bär"
(Sportrequisit) an. Er trägt eine
rote gestrickte Kappe mit Sammtdeckel,
einen grauen Lismer mit
Ellbogenbesatz aus Leder, einen
naturfarbenen Juteschulsack,der
mit einem Hirsch bemalt ist. Nebenan
steht ein z'Märchtschlitte,
"Gaiß" (Zwecksrequisit) genannt.
Bär, Gaiß und Schlittschuhe aus
Holz waren einst begehrte Weihnachtsgeschenke,
die heute von
den kostbilligen Gelüsten nach
Velos geschlagen sind. Wenn die
Tragfähigkeit der kommenden Generation
den vermutlich raffinierten
Ansprüchen nur standhält!
Auf Faßdauben aus Vaters Hand
fährt, man langsam, aber sicher
den Berg hinan und drollig hinunter.
::-;eit ungefähr 1906 führt
unser Skivlub fast jed s Jahr
Schülerwettläufe durch, bei den r-n
die Faßdaubenbuben ein großes
"Team" stellten. Jetzt sind die
Faßdauben seltener geworden, da
das Christkindäli groß.ugig ist,
gleich ein Paar Ski und einen
modernen Skidreß schenkt und
so mithilft, das bescheidene und
originelle Schülersportrequts.t mit
Undank zu strafen, '
ERGÄNZUNGEN
ZUR BILDERLEGENDE
"Andresle" bedeutet St. Andreas feiern. Am 30. November d. h. am Tage
des hl, Andreas, Apostel in der Krim, sitzen die Familienangehörigen nach
Betglockenzeit in der Stube am Tisch zusammen, lassen sich von der
Mutter Lebkuchen, Birnenschnitze und Baumnüsse auftischen, trinken Rosoli
dazu und spielen miteinander. Eines dieser Spiele heißt" Chrüschle" (Grüsch =
Weizenkleie). Man räumt den TafeItisch ab und schüttet einige Pfund Kleie
darauf. Wer mitspielt, steckt je nach Abrede einen oder mehrere Räppler
in die Kleie. Dann greifen alle mit der rechten Hand in die Kleie. Wer
mit einem Griff am meisten Räppler erwischt, hat gewonnen. Dieser heimelige
Familienabend wird am Si Nikolaustag wiederholt. Am Andreastag verbindet
man damit einen Brauch, dem heiratslustige Jungfern im Geheimen mit
Vorliebe obliegen. Sie bleiben allein in der Stube zurUck und tanzen, mit
einem Besen im Arm, einige Male im Kreise, ziehen sich dann in die
Kammer zurück und steigen rückwärts ins Bett, da sie sich sagen ließen,
sie werden, wenn sie das so machen, in der kommenden Nacht vom Zukünftigen
träumen. -
Bedachung: Bis um 1855 waren sozusagen alle Häuser auf der Langrüti
mit Schindeln bedeckt. Als um-1865 herum die Ziegelei des Klosters beim
Weiher einging. und an die Alp verlegt wurde, verkaufte man das dortige
Ziegellager billig. Die Langrüter benutzten diese Gelegenheit, um ihre
Häuser mit Ziegeln zu decken. Die letzten paar Schindeldächer verschwanden
nach dem Spitalbrand um 1905. Damals liefen einige Feuerwehrmänner
mit der Begründung heim, sie müßten zuerst die Dächer ihrer Wohnhäuser
schützen.
, Dachformen : Die zuständige Dachform ist das steile, geradlinige, mit Schindelunterzug
und Nasenziegeln versehene Satteldach. Andere Dachformen, hauptsächlich
Kombinationen, verursachen infolge unserer klimatischen Verhältnisse
große Mehrkosten nicht nur für den Unterhalt des Daches, sondern des Baues
überhaupt. Baumeister der Jahre 1880 bis 1920 haben in dieser Hinsicht
unverzeihliche Fehler gemacht. So ist z. B. an der Panoramastraße aus der
genannten Bauperiode nicht ein einziges gefreutes Dach zu finden.
Dorfansicht Fliegeraufnahme : Gaswerk, Aktien -Gesellschaft. Gegr, 1909.
Familienwappen :Im Handel bei Statuenmodelleur Bernhard Schädler, zur
"Alten Post".
Foggiserbrot (Fogenze, Fogeze, Fogesse, Fogisse) ist unbedingt der Vorgänger
des weißen "Schiltes". Siehe Idiotikon \. Band, Seite 651.
Galgenchapeli: 1935wurde es mit einem Sandsteinstock von Babel versehen.
Gräberschmuck : Bis um 1890 wurden fast alle Grabhügel mit Steinbrechmoos
bepflanzt z. B. auf der Mitte ein Lilienkreuz, am Rand ein schmales rechteckiges
Band. Ueber die Allerseelenzeit schmUckten die Angehörigen des
Verstorbenen die Gräber mit einem roten oder weißen Geranium oder
einem Fuchsia. Sehr häufig pflanzte man neben das Holzkreuzehen oder
hinter das Grabsteinehen auch eine kleine Trauerweide. Dieser einfache
hübsche Grabschmuck hat seither üppigen Bepflanzungen Schritt um
Schritt weichen müssen.
Häuser: An einigen alten Bauernhäusern z. B. am gewandeten Haus in
der "Hermannern", das bald dem Sihlsee weichen wird, sieht man in den
Fensterlichtern der Seitenwände je 3 bis 4 Rundstäbe oder Vierkantstäbe
aus Hartholz, v.on unten nach oben eingerammt. Sie ersetzen das Eisengitter.
"Heimliwächter", (wörtlich heimliche Wächter) wurden jene Männer genannt,
die im Auftrage der Kramladenpächter bei großem Volksandrange 'nachts
patrouillieren mußten, um Diebe zu hindern, sich Schmucksachen aus den
leicht zugänglichen Kramläden anzueignen. In der Regel waren 2 Heirnliwächter
bestellt.
Laternen: Bis um 1875 hingen im Dorf die Straßenlaternen an langen Ketten,
die 'über die Straße gespannt waren. junge Leute, die den Bezirksrat zur
Beschaffung einer bessern Straßenbeleuchtung veranlassen wollten, versenkten
einige Laternen kurzerhand im Klosterweiher.
Meinradsstatue beim Bahnhof: 1934 feierlich eingeweiht.
Nebenverdienste: Wir erwähnten unter andern den Schuhputzer, vergaßen
aber die Arbeit der Aschensammlerin, genannt "Aschenpudel", der Lumpensammlerin,
der Knochensammlerin, genannt "Fleischbei - Frau" und des
Tränkemannes, genannt "Süütränki - Ma". Es gab eine Zeit, da man sich
den Tag ihres Erscheinens im Haus genau merkte, weil weder die Lumpen,'
noch die Fleischbeine, noch die Asche, noch die Schweinstränke unentgeltlich
hergegeben wurden. In der Regel handelte die Hausfrau einfaches, gebranntes
Küchengeschirr (Tassen, Krüge, Teller) dagegen ein. jetzt entledigt man
sich aller HaushaItabfälle so rasch und so billig wie möglich. Der Bezirk
stellte einen öffentlichen AschenbehäIter aus Mauerwerk an der Alp zur
Verfügung, um Feuersgefahr zu vermeiden.
Pannerherr: Im Kampfe gegen die Franzosen kamen folgende Einsiedler
ums Leben: 1798 Hauptmann josef Franz Xaver Wickart, johann Martin
Lacher, josef Franz Meinrad Zehnder, josef Käli, josef Anton Füchsli,
josef Leonz Grätzer, Anton Käli, Alois Käli, 1799: jakob Maurus Gyr,
Benedikt Nikolaus Gyr, Anton Käli, Konrad August Lacher, Kolumban
Ochsner, josef Alois Ruhstaller, Thietland Schönbächler, Karl Dominik
Franz Weidmann, josef Crispin Lienhardt, Beat Thietland Nauer, josef
Benedikt Nauer, josef Franz Ignaz Schädler, josef Stefan Grätzer, josef
Adelrich Käli, Josef Eustach Käli, josef Martin Kuriger, josef Meinrad
Hensler, Konrad Benedikt Käli. Es ist vorgesehen, ihnen auf dem Friedhof
einen Brunnen zu stiften.
Steiger: 1870: Eigene Rekonstruktion, von Meinrad Zehn der gezeichnet. _
Wasserversorgung: Nachdem die Bohrungen nach Grundwasser im jahre
1923 endlich an der vierten Bohrstelle im "Gyrenmattli" (Rabennest) rund 1200
Minutenliter zu Tage förderten, erstellte der Bezirk dortselbst ein Pumpwerk,
das mit der alten Wasserversorgung verkuppelt wurde. Daraufhin konnten
auch Horgenberg und Birchli mit Trinkwasser versorgt werden. Der Bezirk
kaufte nachher von der Gründer-Gesellschaft die alte Wasserversorgung.
Wohltätigkeit: Andere Wohlfahrtseinrichtungen : vier Krankenkassen, zwei
Sterbekassen, Arbeitslosenhilfe, Allgemeine Krankenpflege, Tuberkulosenund
Irrenhilfe, Pro Senectute, Pro juventute, Feuerwehr-Unterstützung,
Samariterdienst, Kirchhofpflege, Unentgeltliche Beerdigung.'
Zeiger: Moderne Schießanlagen in der "Wäni" und im "Riet". 1. Kantonal-
Schützenfest 1889.
KORREKTUREN ZUR BILDERL-EGENDE
Galgenchapeli: gegenüber den Linden statt gegenüber die Linden; erzielt statt erziehlt.
Gelungene Häuserrenovationen : Geschäftshäuser statt Gäschäftshäuser.
Gastwirtin 'aus der Sonderbundszeit : verwischt statt vermischt.
Senntenbauer nicht, Sentenbauer.