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Das Tanzen bleibt - Unterwegs mit den Ballets Jooss. Das Album der Tänzerin Bé 1924-1956

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<strong>der</strong> Stadt, <strong>Jooss</strong> nicht im Stich zu lassen [...]. Die Be<strong>den</strong>ken hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> Einnahmeentwicklung wur<strong>den</strong> <strong>den</strong> Besprechungsteilnehmern<br />

<strong>mit</strong>geteilt. Sie hielten es aber nicht für möglich, das<br />

Tanztheater in <strong>der</strong> augenblicklichen Situation fallen zu lassen, da<br />

dadurch das Ansehen <strong>der</strong> Stadt sehr lei<strong>den</strong> und <strong>Jooss</strong> selbst vollkommen<br />

ruiniert würde [...].« 126<br />

Unter <strong>den</strong> Teilnehmern <strong>der</strong> Besprechung sind Oberbürgermeister<br />

Dr. Hans Toussaint, Bürgermeister Werner Lipa sowie die Ratsherren<br />

Bessel, Kohlhoff, Nieswandt und Strunck. Von ihnen ist Lipa vielleicht<br />

<strong>der</strong> schärfste Kritiker von <strong>Jooss</strong>. Schon 1949 stimmt er gegen das in<br />

seinen Augen hohe Gehalt, das <strong>Jooss</strong> bekommt: 1200 Deutsche Mark<br />

monatlich, zuzüglich 300 Mark Aufwandsentschädigung sowie Tantiemen<br />

von zwei Prozent auf die »<strong>der</strong> Stadt zufließen<strong>den</strong> Einnahmen des<br />

Tanztheaters«. 127 Lipa, Mitglied <strong>der</strong> SPD, sieht die Prioritäten eher bei<br />

»Neuansiedlungen, Wohnungsbau und Schulwesen« und ärgert sich<br />

über die Gleichgültigkeit <strong>der</strong> Wohlhaben<strong>den</strong> in <strong>der</strong> Stadt:<br />

»In Essen gibt es über 230 000 Menschen, die aus öffentlichen Mitteln<br />

unterstützt wer<strong>den</strong> müssen. Daneben gibt es aber auch eine<br />

kleine begüterte Schicht, die scheinbar von <strong>der</strong> Existenz dieser ungeheuer<br />

großen Zahl von Notlei<strong>den</strong><strong>den</strong> nichts weiß.« 128<br />

Unter diesen Umstän<strong>den</strong> <strong>der</strong> Nachkriegszeit ist für Lipa die Kunst<br />

zweitrangig, soziale Verbesserungen gehen vor. Lipa berichtet, dass<br />

ausländische Reisende entwe<strong>der</strong> enthusiastisch ihre Begeisterung<br />

über die Stadt zeigen o<strong>der</strong> erschrocken vor <strong>den</strong> brandschwarzen Ruinen<br />

des Krieges stehen:<br />

»Die schon in Essen waren, sind beeindruckt von dem Wie<strong>der</strong>aufbau,<br />

wer Essen nach dem Zusammenbruch noch nicht sah, ist vom<br />

Ausmaß <strong>der</strong> vorhan<strong>den</strong>en Zerstörungen erschüttert.« 129<br />

Doch <strong>Jooss</strong> darf anfangen: Sein Vertrag wird von 1949 bis 1955 laufen.<br />

Im Januar 1954 wird Lipa <strong>der</strong> einzige sein, <strong>der</strong> gegen die Weiterführung<br />

von <strong>Jooss</strong>’ »Tätigkeit als Lehrer an <strong>der</strong> Folkwangschule« stimmt. 130<br />

Oberbürgermeister Toussaint gewinnt dagegen im Laufe <strong>der</strong> Zeit eine<br />

positive Meinung von <strong>Jooss</strong> als Lehrer und Künstler – und wird seinem<br />

Tanztheater eine Chance geben.<br />

Die Abtei Essen-Wer<strong>den</strong> ist das Zuhause des Folkwang-<br />

Tanztheaters und <strong>der</strong> Folkwangschule.<br />

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