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135_Ausgabe Oktober 2014

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Vorwort<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

in seinen „Maximen und Reflexionen“ vermerkt<br />

Goethe, eine Chronik schreibe nur derjenige,<br />

dem die Gegenwart wichtig sei. Denn es geht<br />

nicht nur darum, in der Vergangenheit bewegende<br />

Schicksale, nacheiferungswürdige Taten<br />

oder gefährliche Irrtümer aufzuspüren. Die Generationen,<br />

Begebenheiten und Hinterlassenschaften<br />

der Vergangenheit können und sollten<br />

auch Maßstäbe setzen und Anstöße geben für<br />

unser eigenes Tun. Und, um den Hinweis des<br />

Dichters zu ergänzen, die Chronik erinnert uns<br />

daran, dass wir ein Erbe übernehmen und es<br />

weitergeben müssen an die Nachfolgenden. Dabei<br />

geht es um ganz Praktisches. Man denke an<br />

rechtzeitig aufgezeichnete Lebenserinnerungen,<br />

an das Bewahren von Schrift- und Bildzeugnissen<br />

über Betriebe und Schulen, Häuser und<br />

Dörfer, Vereine und Alltag. Wer Bewahrenswertes<br />

rettet oder aufzeichnet, verdient Dank und<br />

Unterstützung. Man denkt da an verdienstvolle<br />

Ortschronisten wie Mühle (Girbigsdorf), Israel<br />

(Gersdorf), Hartmann (Königshain), Steifa<br />

(Hagendwerder) und Köhler (Reichenbach). Betriebsarchivar<br />

Erich Waller hütete vor 1989 die<br />

Schätze zur Geschichte des Waggonbauwerkes.<br />

Manfred Raupach, Enkel des Betriebsgründers,<br />

schrieb die Betriebsgeschichte weiter für die<br />

1920er bis 1940er Jahre. Auch nach 1990 haben<br />

einheimische Autoren sachkundig ihre Forschungsergebnisse<br />

publiziert, darunter Wilfried<br />

Rettig (Görlitzer Eisenbahngeschichte) Wolfgang<br />

Theurich (Görlitzer Waggonbau), Andreas Riedel<br />

(Straßenbahn) und Werner Hahn (Görlitzer Kamerafertigung),<br />

Lothar Voigt, langjähriger Obermeister<br />

der Goldschmiedeinnung, übergab dem<br />

Ratsarchiv seine umfangreiche Materialsammlung<br />

zur Geschichte dieser traditionsreichen<br />

Görlitzer Berufsgruppe. Industrie- und Handelskammer<br />

und Sparkasse Görlitz finanzierten<br />

informative Bild-Text-Bände zu ihren Jubiläen.<br />

Der Siemens-Betrieb gestaltete im Kaisertrutz<br />

seine Ausstellung „100 Jahre Turbinenbau in<br />

Görlitz“. Die Geschichte der Fotografie in Görlitz<br />

hat im neuen Fotomuseum Löbauer Straße eine<br />

Heimstatt gefunden. Die Landskron-Brauerei<br />

empfängt ihre Gäste in einem kleinen Museum<br />

zur Betriebsgeschichte. Andererseits führte die<br />

Vernichtung eines Großteils unserer Industrie<br />

durch die Eingriffe der „Treuhand“ nicht nur zu<br />

Massenarbeitslosigkeit und einem dramatischen<br />

Rückgang der Einwohnerzahl, sondern auch zu<br />

Verlusten an schriftlichen und fotografischen Archivalien<br />

und Erzeugnismustern, die im Müll landeten<br />

oder gestohlen wurden. Neue Betreiber<br />

der privatisierten Betriebe zeigten oft kein Interesse<br />

an der bedeutenden Vorgeschichte der Unternehmen.<br />

Weitere Betriebsstilllegungen und<br />

das Aussterben der alten Stammbelegschaften<br />

zerstören die einst bedeutende Traditionspflege<br />

großer und kleinerer Unternehmen. Es zählt die<br />

Gewinnstatistik, nicht der Stolz auf die eigene<br />

Geschichte. Aber Ausnahmen ermutigen uns.<br />

Kürzlich beging das Alten- und Pflegeheim „Am<br />

Stadtpark“ das Jubiläum „160 Jahre Ständehaus“<br />

mit einem Rückblick auf seine Geschichte<br />

und beachtlichen Fortschritten bei der denkmalgerechten<br />

Gebäudesanierung. Und nun kommt<br />

das Feuerlöschgerätewerk mit seinem Jubiläum<br />

ins Gespräch. Darüber freut sich<br />

Ihr Ernst Kretzschmar<br />

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Einleitung<br />

3


150 Jahre Feuerlöschindustrie –<br />

Der Görlitzer Geschichte verbunden ist<br />

auch das Auf und Ab einer der renommiertesten<br />

Firmen in der Neißestadt. Sie<br />

zählt zu den ältesten Feuerlöschgerätefirmen<br />

in Deutschland und ist die drittälteste<br />

Firma dieser Stadt. Sie war auch über<br />

die Grenzen der Heimatprovinz Schlesien<br />

hinaus bekannt. Die Vorgeschichte der<br />

Herstellung von Feuerlöschgeräten und<br />

-fahrzeugen in Görlitz wurde geprägt<br />

durch die fortschreitende technische<br />

Entwicklung in den verschiedenen Zeitabschnitten<br />

und bestimmte dadurch wesentlich<br />

die Firmengeschichte.<br />

Die Entwicklung der 150 Jahre bodenständigen<br />

Firma soll zeigen, daß Görlitz<br />

für diese ein wichtiger Standort der Feuerlöschindustrie<br />

war und noch bleibt.<br />

Am 11. <strong>Oktober</strong> 1864 gründete Gustav<br />

Adolph Fischer als Roth- und Glockengießermeister<br />

die spätere Traditionsfirma<br />

Feuerlöschindustrie in Görlitz. Er wurde<br />

geboren am 22. Januar 1838 in Bohna,<br />

Kreis Weißenfels, und starb am 12. <strong>Oktober</strong><br />

1880 in Görlitz.<br />

Bereits 1863 eröffnete er mit bescheidenen<br />

Mitteln erst ein Geschäft<br />

Fabrik G. A. Fischer Peterstraße 15/Hainwald 2<br />

Peterstraße 15. 1875 wurde ihm das<br />

wichtige Amt des städtischen Brandmeisters<br />

übertragen, und danach war er<br />

Vorgesetzter der Freiwilligen Feuerwehr.<br />

Grund für seinen frühen Tod waren die<br />

anhaltenden körperlichen Leiden nach<br />

dem Feldzug 1866, wo er als Ober – Lazarettgehilfe<br />

eingezogen gewesen war.<br />

Die erste Produktion bestand aus Beschlägen,<br />

Mörsern, Plätten und Glocken<br />

bis 100 kg. Bereits 1865 erfolgte eine Um-<br />

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4<br />

Geschichte


Feuerlöschindustrie<br />

1864 bis <strong>2014</strong> Görlitz<br />

Anzeige um 1913 Geschäftsführer Adolph Roscher (1854 - 1916)<br />

stellung der Fertigung auf wasserführende<br />

Armaturen und Selbsttränkeanlagen<br />

für die Landwirtschaft. Danach wurden<br />

vorwiegend vierrädrige Handdrucksprit-<br />

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Geschichte<br />

5


150 Jahre Feuerlöschindustrie –<br />

Vorführung von Erzeugnissen der Firma G. A. Fischer auf dem Firmengelände Werk 1, Brückenstr. 9/11<br />

zen gebaut. Durch die Erfindung der<br />

Schwenkvorrichtung erfreute sich auch<br />

die zweirädrige Handdruckspritze großer<br />

Beliebtheit. Nach der Erweiterung<br />

der Firma durch eine Montageabteilung<br />

begann man mit dem Bau von Schlauch-<br />

und Wasserwagen sowie kompletten<br />

Feuerlöschanlagen für Fabriken. Außerdem<br />

wurden Ausrüstungsgegenstände<br />

für Rotationspumpen gefertigt. Ende des<br />

Jahres 1921 war auch die Fertigungsstätte<br />

G. A. Fischer zu klein geworden. Die<br />

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6<br />

Geschichte


Feuerlöschindustrie<br />

1864 bis <strong>2014</strong> Görlitz<br />

Schmiede sowie die Montageabteilung<br />

wurden deshalb in das Hintergebäude<br />

Jauernicker Str. 40 verlegt. 1925 war es<br />

R. Klinger als Leiter der Firma G. A. Fischer<br />

und Direktor der Aktiengesellschaft<br />

möglich, eine seit Jahren stillgelegte Eisengießerei<br />

in Görlitz, Brückenstr. 9/11,<br />

zu kaufen. Ab 1926 produzierte man unter<br />

dem neuen Namen G. A. Fischer, Görlitz,<br />

Feuerwehrgeräte- und Maschinenbaufabrik.Zu<br />

dieser Zeit wurden bereits<br />

Löschfahrzeuge und Tragkraftspitzen gebaut.<br />

Das wohl bekannteste Produkt der<br />

damaligen Zeit dürfte die TS 8 „Retterin“<br />

sein. Die Fischer-Leichtmotorspritze mit<br />

Zweitaktmotor und Kapselschieber, Ansaugpumpe<br />

bzw. später mit Gasstrahler<br />

wurde auf verschiedenen Transportanhängern<br />

ausgeliefert. Die Firma arbeitete<br />

aktiv in dem Ausschuss zur Erarbeitung<br />

von Richtlinien zur Prüfung von Kleinmotorspritzen<br />

mit den Vertretern der<br />

Gerätehersteller und der Feuerwehren<br />

zusammen. Zum Schutz des beträchtlich<br />

angewachsenen Firmengeländes erfolgte<br />

1929 die Gründung einer Firmenfeuerwehr.<br />

Die Tragkraftspritze „Retterin“<br />

Freiwillige Feuerwehr G. A. Fischer<br />

gehört zu den historisch wohl bekanntesten<br />

Produkten des Görlitzer Lösch-<br />

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Geschichte<br />

7


150 Jahre Feuerlöschindustrie –<br />

Ausstellung in der Jahrhunderthalle Breslau 1930<br />

gerätewerkes (Patent Nr. 506632). 1926<br />

erfolgte die erste Präsentation der Firma<br />

G. A. Fischer in der „Schlesischen Feuerwehr-Zeitung“,<br />

dem offiziellen Organ des<br />

gesamten Feuerlösch- und Rettungswesens<br />

für die damalige Provinz Schlesien.<br />

Durch die Entwicklung des Brandschutzwesens<br />

und die Gründung von immer<br />

mehr Freiwilligen Feuerwehren wie auch<br />

Berufsfeuerwehren wuchs der Bedarf an<br />

damals moderner Löschtechnik sprunghaft<br />

an.<br />

Nach 1933 wurde die Wirtschaft schrittweise<br />

völlig auf die Vorbereitung des<br />

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Geschichte


Feuerlöschindustrie<br />

1864 bis <strong>2014</strong> Görlitz<br />

Mechanische Werkstatt zur Herstellung der 8,8 mm Flakgranaten<br />

Krieges orientiert, es begann in den<br />

Kriegsjahren an Ersatzteilen und sogar<br />

an Blech zu fehlen. Der Tragkraftspritzenanhänger<br />

wurde für zwei Jahre mit Hartfaserpappe<br />

gefertigt. Ferner bestand die<br />

Produktion u.a. aus Kabelverlegewagen<br />

und- stäben sowie Munitionskisten und<br />

8,8 mm Flakgranaten für den Luftschutz,<br />

aus sogenannten Schnelleinsatzwagen<br />

auf Opel-Blitz und Schlauchtenderwagen<br />

auf Magirus.<br />

Die erneute Produktion nach Kriegsende<br />

begann mit Kinderspielzeug und Bedarfsartikeln<br />

für die Bevölkerung wie z.B. Gas-<br />

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Geschichte<br />

9


150 Jahre Feuerlöschindustrie –<br />

Schaumbildner-Anhänger – SBA<br />

kochertischen. Dann folgte die Reparatur<br />

von Feuerlöschgeräten und -fahrzeugen<br />

parallel mit dem Ersatzaufbau für LF 15<br />

und LF 25-Fahrzeuge. Erst ab Anfang der<br />

1950er Jahre konnten in Kleinserien wieder<br />

TS 3 und TS 8 Pumpen hergestellt<br />

werden, später dann einachsige Tragkraftspritzenanhänger<br />

aus einem Holzgerippe<br />

mit Stahlbeblechung und das LF<br />

8-LKW-TS 8 mit STA auf dem Fahrgestell<br />

Garant K 30. 1961 folgte der Standard<br />

– Einachsenanhänger in fünf verschiedenen<br />

Varianten – als TSA, STA, BLA, NGA<br />

und VTA – mit gepunktetem Blechaufbau<br />

und fünf Jahre danach auch mit Rohrrahmenfahrgestell.<br />

1970 erhielt das Produkt<br />

„Standard-Einachsenanhänger für die<br />

Feuerwehr“ eine Goldmedaille auf der<br />

Leipziger Herbstmesse verliehen. Damit<br />

war diese Produktion besonders für den<br />

Export interessant. Im Jahre 1977 erhielten<br />

63% der prüfpflichtigen Erzeugnisse<br />

der Firma das höchstmögliche DDR- Qualitätssiegel<br />

„Q“. Die Produktionsorganisation<br />

war seit 1956 bei den Anhängern<br />

und seit 1962 bei den Fahrzeugen durch<br />

Serienfertigung als Fertigungsart bestimmt.<br />

Als Fertigungsprinzip fand die<br />

verfahrens- und erzeugnisspezialisierte<br />

Fertigung ihre Anwendung. Zur weiteren<br />

Verbesserung der Montageprozesse<br />

erfolgte die Einführung des Taktsystems<br />

bei Anhängern und Fahrzeugen.<br />

Das FLG Görlitz produzierte zur modernen<br />

Brandbekämpfung zunächst einen<br />

Schaumbildner-Anhänger. Mit der<br />

schnellen Entwicklung der Industrie und<br />

dem Entstehen neuer Industriezweige,<br />

insbesondere der chemischen Indust-<br />

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10<br />

Geschichte


Feuerlöschindustrie<br />

1864 bis <strong>2014</strong> Görlitz<br />

Löschgruppenfahrzeug mit Vorbaupumpe und Schlauchtransport – Anhänger STA<br />

Prototyp eines neuen Löschfahrzeuges 1980er Jahre<br />

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Geschichte<br />

11


150 Jahre Feuerlöschindustrie –<br />

Kofferinneneinbau verschiedener Typen nach Bedarf des Kunden<br />

rie, war es notwendig, sich den veränderten<br />

Bedingungen der zunehmenden<br />

Brandgefährdung der Produktion und<br />

der veränderten Taktik anzupassen. In<br />

Folgezeit kam dem Leichtschaum eine<br />

immer größere Bedeutung zu. Es entstand<br />

in der Firma die Entwicklung eines<br />

Speziallöschfahrzeuges mit einem Hochschäumungsgenerator.<br />

Das war der 1977<br />

entwickelte Typ LF 8, LS 1/1 auf Robur<br />

LO 2002 A mit einer 15 m langen Lutte.<br />

Mitte der 1980er Jahre entwickelten<br />

die Görlitzer den Prototyp eines neuen<br />

DDR-Löschfahrzeugs mit TSA auf einem<br />

geländegängigen LO-Fahrgestell, das jedoch<br />

nie in Serie ging.<br />

Nach der politischen Wende stellte sich<br />

die Firma den veränderten Wettbewerbsbedingungen<br />

der Marktwirtschaft. Im<br />

Mai 1992 wurde die „Brandschutztechnik<br />

Görlitz GmbH“ (BTG) gegründet und besteht<br />

<strong>2014</strong> noch. Zum Sortiment gehören<br />

vor allem Kleintanklöschfahrzeuge,<br />

Vorausrüst- und Gerätewagen, Einsatz-<br />

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12<br />

Geschichte


Feuerlöschindustrie<br />

1864 bis <strong>2014</strong> Görlitz<br />

Haupteingang Dr. Kahlbaum-Allee 15<br />

leit- und Mannschaftstransportwagen wie<br />

auch Löschfahrzeuge in der Gewichtsklasse<br />

bis 7,5 Tonnen. Das ELW – Konzept<br />

schloss neben innovativer Technik<br />

und Ausrüstung auch den Komfort mit<br />

Klimaanlagen, Löschwasser, Heizungen<br />

und Beleuchtung der Brandstelle sowie<br />

Bergung von Menschenleben ein.<br />

Dieses Firmenjubiläum erinnert uns an<br />

die Grundsätze:<br />

„Tradition bewahren,<br />

die Zukunft im Auge behalten,<br />

ein Geschichtsbewusstsein prägen<br />

und Heimatliebe erkennen.“<br />

Text und Fotos<br />

Hans-Dietrich Müller, Görlitz<br />

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Geschichte<br />

13


Buchvorstellung<br />

Geheimtipp für Neugierige:<br />

Buchumschlag<br />

Diesmal darf man ohne werbungstaktische<br />

Übertreibung sagen: Ein solches Buch hat<br />

uns lange gefehlt! Schon der Titel macht<br />

gespannt auf den Inhalt: „Mystisches Görlitz<br />

- Ein außergewöhnlicher Stadtführer zu<br />

geimnisvollen Orten in Görlitz“. Verfasser<br />

ist Dr. Andreas Gerth, neuer Inhaber das<br />

bei Heimatfreunden wohlbekannten Oberlausitzer<br />

Verlages Frank Nürnberger in<br />

Spitzkunnersdorf. Auf immerhin 440 Seiten<br />

und mit einer geradezu berauschenden<br />

Fülle farbiger Abbildungen erfüllt er<br />

das im Titel enthaltene Versprechen, mit<br />

dem Leser und Spaziergänger Görlitz erheblich<br />

gründlicher und aufschlußreicher<br />

zu entdecken. Über einen Mangel an<br />

schönen Bildbänden über Architektur und<br />

Lebensalltag in der Stadt brauchen wir<br />

längst nicht mehr zu klagen. Fotografen<br />

und Buchgestalter vermochten Einheimische<br />

und Touristen wieder und wieder zu<br />

Bauensembles, Fassaden, Portalen, Brunnen<br />

oder Parkanlagen zu locken. In gewiss<br />

guter Absicht entstand so ein gefälliges<br />

und werbewirksames Hochglanzklischee,<br />

wie man es auch andernorts in Deutschland<br />

oder an internationalen Reisezielen<br />

antrifft. Dennoch bleiben die im touristischen<br />

Geschäft gewonnenen Eindrücke<br />

oft flüchtig wie die tagtäglich im Fernsehen<br />

erlebte Überfülle an Bildinformatio-<br />

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14<br />

Buchvorstellung


Buchvorstellung<br />

Buch-Neuerscheinung „Mystisches Görlitz“<br />

Konsolkopf-Frauenkirche<br />

Schlussstein-Frauenkirche<br />

nen. Wer bringt heute schon die Zeit und<br />

Geduld auf, genauer hinzusehen, Geheimnisvolles<br />

zu entschlüsseln, in ergänzender<br />

Fachliteratur zu stöbern und dann immer<br />

wieder mit Familie und Gleichgesinnten<br />

nach weiteren Geheimnissen zu suchen?<br />

Andreas Gerth führt uns von Haus zu Haus,<br />

von Straße zu Straße, in Wohnhäuser, Kirchen,<br />

Museen, Gaststätten, Friedhöfe,<br />

aber ihm geht es nicht um die geläufigen<br />

Ansichtskartenmotive, sondern um kaum<br />

beachtete Einzelheiten. Wir betrachten<br />

Hausinschriften, allegorische Portalfiguren,<br />

jahrhundertealte Wandmalereien, Konsolköpfe<br />

an Kirchenwänden, Heiligenfiguren<br />

an Altären, biblische Überlieferungen auf<br />

Fassadenreliefs und auf Schlußsteinen der<br />

Gewölberippen, Frucht- und Blattwerkver-<br />

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Buchvorstellung<br />

15


Buchvorstellung<br />

Geheimtipp für Neugierige:<br />

Gaststätte “Zum Flyns”, Langenstraße<br />

zierungen in Sandstein, Hundedarstellungen<br />

des Frauenkirchportals, die Formenvielfalt<br />

der Maßwerke gotischer Fenster,<br />

das Rankenwerk an kunstvoll geschmiedeten<br />

Gittern und Wetterfahnen. Selbst der<br />

kunstgeschichtlich geschulte Betrachter<br />

und weit mehr noch der naiv entdeckende<br />

Vorübergehende wird immer wieder durch<br />

bisher kaum beachtete Einzelheiten überrascht<br />

und beglückt. Beim vorbereitenden<br />

Lesen und Bildbetrachten kann der Leser<br />

des Buches nun Vorkenntnisse erwerben<br />

und dann die Originalbefunde zielgerichtet<br />

erreichen und erleben. Mit Hilfe der Abbildungen<br />

erklärt der Buchautor die zeitgeschichtliche<br />

und religöse Bedeutung der<br />

Ornamente, Masken, symbolträchtigen<br />

Blatt- und Blumenverzierungen, die Jahreszahlen<br />

und Hausmarken. Geschichtliche<br />

und biografische Hintergrundinformationen<br />

ordnen das Sichtbare in größere<br />

Zusammenhänge ein. Beim heutigen unerhörten<br />

Mangel an Vorbildung über antike<br />

und christliche Überlieferungen und Symbole,<br />

über architektonische Stilmerkmale<br />

einzelner Epochen sind solche Sehhilfen<br />

unentbehrlich. Der Autor verweist auch<br />

immer wieder auf baugeschichtliche Bezüge<br />

zu Werken der Kunst und Architektur in<br />

anderen Regionen und Ländern, die dem<br />

Touristen den Zugang zu den Görlitzer<br />

Erscheinungsformen erleichtern und den<br />

Görlitzern zu Weltsicht verhelfen.<br />

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16<br />

Buchvorstellung


Buchvorstellung<br />

Buch-Neuerscheinung „Mystisches Görlitz“<br />

Goldene Pforte, Jakobstraße 5<br />

Farbglasfenster-Peterskirche<br />

Besonders ans Herz zu legen ist das Buch<br />

den hiesigen Kunsterziehern, Deutschund<br />

Religionslehrern, die sich nun kenntnisreich<br />

auf die Görlitzer Beispiele berufen<br />

können. Die Stadtführer der Reisebüros<br />

werden nun besser in die Lage versetzt, bei<br />

ihren Stadtrundgängen mit Touristengruppen<br />

auf die eine oder andere aufschlußreiche<br />

Einzelheit zu verweisen, und das trotz<br />

der in der Regel sehr begrenzten Zeit bei<br />

Standardführungen. Den städtischen Behörden<br />

und Stadträten, insbesondere dem<br />

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Buchvorstellung<br />

17


Buchvorstellung<br />

Geheimtipp für Neugierige:<br />

Zwei Männer mit dem Krug, Ecke Neißstraße/Kränzelstraße<br />

Technischen Ausschuß, wird es nun besser<br />

möglich, die oft vermisste denkmalpflegerische<br />

Sachkenntnis etwas aufzubessern.<br />

Den vielen bildungsbeflissenen Senioren<br />

wird das Buch als Lesestoff für die kühlere<br />

Jahreszeit sehr willkommen sein und Ziele<br />

für Frühlingsspaziergänge vorzeichnen.<br />

Auch als Weihnachtsgabe für Kinder und<br />

Enkel dürfte es geeignet sein. Görlitzer, die<br />

es in die Ferne fortzog, würden sich gewiss<br />

freuen, wenn sie mit einem solchen Buchgeschenk<br />

an die alte Heimat erinnert und<br />

zu Familienbesuchen angeregt würden.<br />

Kurzum: Der Autor hat mit Fleiß, Gründlichkeit<br />

und Einfühlungsvermögen der<br />

Stadt Görlitz und ihren Bürgern ein kost-<br />

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18<br />

Buchvorstellung


Buchvorstellung<br />

Buch-Neuerscheinung „Mystisches Görlitz“<br />

Konsolkopf mit Narrenkappe am Schönhof<br />

bares und identitätsstiftendes Geschenk<br />

gemacht. So können wir uns auf unsere<br />

eigenen Wurzeln besinnen und an ihnen<br />

festhalten. Kurzlebiger, oberflächlicher<br />

Firlefanz der Meinungsindustrie wird uns<br />

nicht so leicht ablenken und verdummen.<br />

Nun also auf in die Buchhandlung! „Handys“<br />

in die Taschen und abstellen! Köpfe<br />

wieder aufrecht tragen und die Augen auf<br />

die Schönheiten unserer Umwelt richten!<br />

Das neue Buch aus einheimischem Verlag<br />

kann und sollte uns bei dieser Besinnung<br />

auf unsere überlieferten eigenen Werte<br />

ein willkommender Begleiter sein.<br />

Dr. Ernst Kretzschmar<br />

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Buchvorstellung<br />

19


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Ein Stück Görlitzer Tradition 1989 - <strong>2014</strong> –<br />

Schuhe zum Verkauf<br />

angeboten wurden.<br />

1989 Eröffnung „Schuhhaus Erika“<br />

Am 1. <strong>Oktober</strong> 1885 machte sich der<br />

Schuhmachermeister Herr F. W. Brückner<br />

am Steinweg selbstständig. Durch<br />

viel Fleiß und Strebsamkeit vergrößerte<br />

er seine Maß- und Reparatur-Schuhmacherei<br />

und mietete einen Laden an der<br />

Luisenstraße. Die Geschäftsräume mußten<br />

erweitert werden, da auch fertige<br />

Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

verlegte<br />

Herr Brückner daher<br />

seinen Betrieb in<br />

das Geschäftshaus<br />

Demianiplatz 19/20.<br />

Der Gründer der<br />

Firma ging in Ruhestand,<br />

und Schuhmachermeister<br />

Bernhard<br />

Berthelmann<br />

wurde am 1. Juli<br />

1919 sein Nachfolger.<br />

1929 wurden<br />

die Geschäftsräume<br />

zeitgemäß ausgebaut<br />

und in den späteren Jahren von seinen<br />

Töchtern weitergeführt. 1989 übergab<br />

Frau Ursula Berthelmann altershalber das<br />

Geschäft an mich, Erika Przybyl.<br />

In den 60er Jahren habe ich meine Lehre<br />

als Fachverkäuferin für Schuhe und Lederwaren<br />

abgeschlossen und mich danach<br />

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20<br />

Tradition


Görlitzer<br />

„Schuhhaus Erika“<br />

Tradition<br />

feiert 25jähriges Bestehen<br />

zur Verkaufststellenleiterin<br />

qualifiziert.<br />

Bis 1989 habe ich<br />

das HO-Kaufhaus<br />

„Bummi“ geleitet.<br />

Mein Traum war es<br />

schon immer, einmal<br />

ein eigenes Geschäft<br />

zu führen. Dies ist<br />

mittlerweile seit 25<br />

Jahren in Erfüllung<br />

gegangen. Wegen<br />

der totalen Sanierung<br />

des Hauses mußte ich<br />

zwangsläufig innerhalb<br />

des Gebäudes in<br />

ein anderes Ladengeschäft<br />

umziehen, jedoch<br />

auch dort wurde<br />

Schuhhaus Erika, Außenaufnahme <strong>2014</strong><br />

die unter Denkmalschutz stehende Ladeneinrichtung<br />

wieder eingebaut, so daß<br />

das altertümliche Flair erhalten blieb.<br />

Wir sind stolz, in der heutigen Zeit, wo<br />

Mitbewerber kommen und gehen, der<br />

Wettbewerb alle Kraft von uns verlangt,<br />

ein solches Jubiläum zu begehen. Nicht<br />

zuletzt haben wir das unseren treuen,<br />

langjährigen Kunden zu verdanken, für<br />

die wir auch noch weiterhin da sein wollen.<br />

Uns macht es einfach Spaß, unsere<br />

langjährigen Erfahrungen als Fachverkäufer<br />

einbringen zu können.<br />

Erika Przybyl, Görlitz<br />

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Tradition<br />

21


475 Jahre<br />

Jahre<br />

Jonsdorf –<br />

Jonsdorf<br />

Mitten in der Gebirgslandschaft<br />

Der Sage nach gründete ein frommer<br />

Cölestinermönch namens Jonas einen<br />

Wirtschaftshof mit Schäferei auf dem Gelände<br />

der heutigen Gemeinde Jonsdorf,<br />

welches vor 1539 Eigentum der Klosterbrüder<br />

auf dem Berge Oybin war. Erstmals<br />

erwähnt wird der Ort 1539, als hier<br />

8 große und 2 kleine Gartengrundstücke<br />

abgesteckt und an Siedler verkauft<br />

wurden. Als Gegenleistung mußten die<br />

Siedler zwei Tage im Jahr Handdienste<br />

für das Kloster leisten. Da der neue Ort<br />

zur Kirchgemeinde Bertsdorf gehörte,<br />

mußten die Siedler auch an den dortigen<br />

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22<br />

Geschichte


475<br />

bekannt<br />

Jahre<br />

und beliebtJonsdorf<br />

katholischen Pfarrer den zehnten Teil ihres<br />

Kornes abgeben. Das waren für die<br />

ersten Jonsdorfer noch paradiesische<br />

Zustände, verglichen mit der heutigen<br />

Steuer- und Abgabenlast, welche die<br />

Jonsdorfer jetzt zu leisten haben. Offenkundig<br />

zog es auch deshalb viele neue<br />

Siedler in das idylisch gelegene Tal, so<br />

daß schon neun Jahre später, nämlich<br />

1548, das Hinterdorf gegründet wurde.<br />

Der damalige Amtmann, Siegmund von<br />

Doberschütz, verkaufte im Auftrag des<br />

Herrn Berka von Duba zwölf „tüchtigen<br />

Männern“, die namentlich bekannt sind,<br />

„jedem eine Wüstung“. „Damit füllte<br />

sich das Tal westlich des Jonsberges<br />

mit Bewohnern, die den steinvollen Fuß<br />

desselben immer weiter in Ackerland<br />

verwandelten, an die Straße Häuser<br />

bauten und unter diesen Wiesen anlegten.“<br />

Auf dem ältesten Jonsdorfer Siegel<br />

mit der Randschrift „Jonsdorf 1539“<br />

ist eine Glücksgöttin auf rollender Kugel<br />

zu sehen.<br />

Im Zuge der Ausbreitung der Reformation<br />

wurden auch in der Oberlausitz die<br />

Klöster aufgelöst. Deshalb fiel 1574 der<br />

Oybiner Klosterbesitz in Jonsdorf an die<br />

reiche Stadt Zittau, die dafür an Maximilian<br />

II. 86.000 Taler zahlte. Damit wurde<br />

Jonsdorf ein Ratsdorf.<br />

Ab 1580 setzte auch die Besiedelung<br />

des bisherigen Gemeindelandes zwischen<br />

Vorder- und Hinterdorf ein. Die<br />

Aue wurde ab 1580 von Handwerkern<br />

und Webern besiedelt. Durch die Entdeckung<br />

der Eignung des Sandsteins südlich<br />

von Jonsdorf für die Verwendung als<br />

Mühlsteine entstanden auch der erste<br />

Steinbruch und die ersten Steinmetzbetriebe.<br />

Hundert Jahre später, 1667, wies der<br />

Rat der Stadt Zittau „in den alten Haynen<br />

zwischen Jonsdorf und Waltersdorf“<br />

weitere Baustellen aus. Dies war der Beginn<br />

von Neujonsdorf. In dieser regen<br />

Aufbruchszeit entstanden in Altjonsdorf<br />

eine Mühle und viele neue Leinewebereien.<br />

Der Ort hatte 40 Häuser, zu denen<br />

dann noch weitere 20 Baustellen kamen.<br />

Um 1718 wurde die Damschänke<br />

erbaut, so daß die „Bierzüge und Gevatternessen“<br />

vom Altjonsdorfer Kretscham<br />

dorthin verlegt wurden. 1731 wurde<br />

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Geschichte<br />

23


475 Jahre<br />

Jahre<br />

Jonsdorf –<br />

Jonsdorf<br />

Ausflugslokal Gondelfahrt<br />

zwischen Alt- und Neujonsdorf die Heide<br />

komplett abgeholzt, um für weitere<br />

32 Baustellen Platz zu schaffen, die nun<br />

zu Neujonsdorf gehörten. In diesem<br />

Jahr wurde auch die Kirche erbaut. Damals<br />

bestand schon eine rege Textilverarbeitung<br />

und -veredelung. 1772 rodete<br />

der Bleicher Johann Gottlieb Hänisch<br />

das Gelände des heutigen Ortsteiles Hänischmühle<br />

und legte Bleichgärten zum<br />

Garnbleichen an.<br />

1813 machten auch die Befreiungskriege<br />

gegen Napoleon vor Jonsdorf nicht<br />

Halt, der Ort bekam eine Einquartierung<br />

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24<br />

Geschichte


475<br />

bekannt<br />

Jahre<br />

und beliebtJonsdorf<br />

von 1800 Russen und 200 polnischen<br />

Infanteristen. Diese unfreiwillige Bewirtung<br />

kostete Jonsdorf rund 2000 Taler<br />

Kontributation und Naturalien. Nach<br />

dem Krieg wurden die Jonsdorfer Mühlsteine<br />

in ganz Deutschland bekannt und<br />

begehrt. Es entstand die Steinbruchschmiede.<br />

Bis 1840 entstanden weitere 130 „schöne<br />

Häuser“, also vorwiegend zweigeschossige<br />

Umgebindehäuser. 1826 zählte man<br />

in beiden Ortslagen „46 Gärtnernahrungen,<br />

235 Häuslernahrungen und 281<br />

Wirte“. Es erfolgte die bis 1965 gültige<br />

Nummerierung der Häuser nach dem<br />

Brandkataster: Altjonsdorf von A 1-128<br />

und Neujonsdorf von B 1-166(1903).<br />

Erst 1965 erhielten die Wege und Straßen<br />

ihre heutigen Namen.<br />

Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten<br />

die „Sommerfrischler“ die Schönheit<br />

und den Reiz der herrlichen kleingliedrigen<br />

Gebirgslandschaft. Deshalb errichteten<br />

viele Jonsdorfer an ihren Umgebindehäusern<br />

im hinteren Teil massive<br />

Anbauten, um Sommerfrischler unterzubringen<br />

und dabei gleichzeitig ihre Einkommenssituation<br />

etwas aufzubessern.<br />

1841 gründet der Kurarzt Dr. Karl Linke<br />

eine Kaltwasserheilanstalt im Vorderdorf.<br />

Ab 1843 setzte der Massivhausbau<br />

in Jonsdorf ein, vorwiegend durch begüterte<br />

Städter, die sich hier villenartige<br />

Gebäude zur Erholung bauen ließen, so<br />

am Lauscheweg und um das Gelände<br />

des Kurhauses. Ab 1864 entwickelte<br />

sich in Jonsdorf ein blühendes Vereinsleben,<br />

so wurden der Gesangverein und<br />

das „Thalia“, ein Mundarttheater, sowie<br />

der Gebirgsverein gegründet.<br />

1893 wurde das beliebte Ausflugslokal<br />

„Gondelfahrt“ errichtet, 1901 das „Warenhaus<br />

Kissig“ und 1912 das Jonsdorfer<br />

„Kurhaus“. Um das Ortsbild durch die<br />

vielen Neubauten nicht zu stark zu verändern,<br />

wurde 1908 eine Bauordnung<br />

erlassen, die „Häuser, die dem Ortsbild<br />

widersprachen“, nicht mehr erlaubten.<br />

1908 errichteten die Jonsdorfer Sportler<br />

den Turnplatz unterhalb der „drei Teiche“.<br />

1926 wurde dort noch ein Sportplatz<br />

geschaffen, der gleichzeitig als<br />

Freilichtbühne diente und auf dem viele<br />

sportliche und sonstige Veranstaltungen<br />

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Geschichte<br />

25


475 Jahre<br />

Jahre<br />

Jonsdorf –<br />

Jonsdorf<br />

der örtlichen Vereine, aber auch Theateraufführungenen,<br />

stattfanden.<br />

Am 4. Februar 1934 erhielt die Gemeinde<br />

die Erlaubnis, sich amtlich als Kurort<br />

zu bezeichnen, was zu einem enormen<br />

Aufschwung des Tourismus führte. Deshalb<br />

wurde auch die Kuranlagen gegenüber<br />

dem Gemeindeamt angelegt.<br />

1938 wurde das beliebte Gebirgsbad<br />

geschaffen. In der Zeit des Dritten Reiches<br />

wurden auch 20 Wohnhäuser im<br />

damaligen Baustil errichtet sowie gegen<br />

Kriegsende die SS-Bräuteschule, in<br />

welcher sich heut die Jugendherberge<br />

befindet („Coppi“-Neubau). Am Kriegsende<br />

konnte eine Zerstörung des Ortes<br />

verhindert werden, da beherzte Bürger<br />

die Panzersperren beseitigten und der<br />

Sowjetarmee kampflos den Ort übergaben,<br />

welche sich dann auch längerfristig<br />

in Jonsdorf einquartierte. Nach dem<br />

Zusammenbruch und der massenhaften<br />

Zwangseinweisung von vorwiegend<br />

durch Tschechen vertriebenen Deutschen,<br />

kam es in fast allen Häusern zu<br />

notwendigen Umbauten, um Einfamilienhäuser<br />

nunmehr in Zwei- oder Mehrfamilienhäuser<br />

umzuwandeln oder um<br />

aus großen Wohnungen mehrere kleine<br />

zu gestalten. Um die entstandene Wohnungsnot<br />

zu lindern, wurde 1954 eine<br />

Wohnungsbaugenossenschaft gegründet.<br />

Bis 1987 wurden daraufhin in Jonsdorf<br />

64 Eigenheime neu errichtet.<br />

1956 wurde der damalige Bertsdorfer<br />

Ortsteil Hänischmühle Jonsdorf angegliedert,<br />

weil die Erschließung von Jonsdorf<br />

aus günstiger zu bewerkstelligen<br />

war. Nach 1985 wurden weitere 38 Eigenheime<br />

als Reihenhäuser errichtet.<br />

Jonsdorf wurde bereits seit der Gründung<br />

mit den Nachbarorten durch Wege<br />

und Straßen verbunden, die im Laufe<br />

der Zeit für die vielen Fuhrweke auch<br />

befestigt wurden. Am 15. Dezember<br />

1890 erfolgte die feierliche Einweihung<br />

der Schmalspurstrecke Zittau-Oybin-<br />

Jonsdorf, die auch heute noch eine Touristenattraktion<br />

darstellt.<br />

Die beliebte Jonsdorfer Waldbühne wurde<br />

im tiefsten Winter 1952/53 in knapp<br />

einem halben Jahr errichtet und ist auch<br />

heute noch regelmäßiger Aufführungsort<br />

für das Gerhart-Hauptmann-Theater<br />

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26<br />

Geschichte


475<br />

bekannt<br />

Jahre<br />

und beliebtJonsdorf<br />

Jugendherberge „Hilde Coppi“ 1956<br />

Görlitz/Zittau und bietet Möglichkeiten<br />

für Gastspiele und Konzerte aller Art.<br />

1954 wurde im Rahmen des Nationalen<br />

Aufbauwerkes das Stadion errichtet.<br />

1960 erhielt die Gemeinde eine Sternwarte.<br />

Der damalige Feriendienst des FDGB<br />

sorgte reichlich und ganzjährig für Gäste.<br />

Mit der Wende und damit auch der<br />

Auflösung des FDGB kam es zu einem<br />

drastischen Gästeschwund. Die Gemeinde<br />

übernahm nun die Vermarktung des<br />

schönen Kurortes.<br />

Leider gingen nach der Wende auch vie-<br />

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Geschichte<br />

27


475 Jahre<br />

Jahre<br />

Jonsdorf –<br />

Jonsdorf<br />

le Arbeitsplätze, speziell in der Textilindustrie,<br />

verloren. Dadurch hatte Kurort<br />

Jonsdorf in den Folgejahren drei nicht<br />

mehr genutzte Industriebrachen auf<br />

seiner Gemarkung stehen. Mit hohem<br />

finanziellem Aufwand wurden die nicht<br />

mehr genutzten Gebäude abgerissen.<br />

Was aber sollte auf den entstandenen<br />

Freiflächen entstehen? Durch Bevölkerungsrückgang,<br />

hauptsächlich durch<br />

Abwanderung vieler junger Leute in die<br />

Altbundesländer, kamen Wohnungsneubauten<br />

nicht in Frage. Die einzige<br />

Zukunft für Jonsdorf lag im Tourismus.<br />

So erhielt das Gebirgsbad 1994 eine Solarheizung,<br />

damit es auch in den Übergangszeiten<br />

nutzbar ist. 1996/97 wurde<br />

der Kurpark komplett neu gestaltet und<br />

erhielt seine heutige Gestalt. Auf einer<br />

Industriebrache wurde 1996 das multifunktionale<br />

Eisstadion errichtet, in dem<br />

außer Eissport, auch Konzerte und Veranstaltungen<br />

aller Art stattfinden. Im<br />

Sommer wird die Halle derzeit als „Kindertobeland“<br />

genutzt. Auf der zweiten<br />

Brache entstand der Dorf- und Vereinsclub.<br />

Auf dem Gelände der ehemaligen<br />

Bleicherei beschloß die Gemeinde nach<br />

langem Überlegen ein Schmetterlingshaus<br />

zu errichten, in dem tropische<br />

Bedingungen herrschen, Palmen, Bananenstauden,<br />

Efeu wachsen und dazu<br />

noch hunderte farbenprächtige Schmetterlinge<br />

fliegen. Nach einer Bauzeit von<br />

nur 10 Monaten wurde am 7. Februar<br />

2004 das Schmetterlingshaus eröffnet,<br />

welches mittlerweile weit über Sachsen<br />

hinaus auch viele Besucher aus den<br />

Nachbarländern anlockt.<br />

2001 erhielt Jonsdorf nach etlichen<br />

Anstrengungen die begehrte Auszeichnung<br />

als Luftkurort verliehen. In dieser<br />

Zeit wurde auch der Klettersteig am<br />

Nonnenfelsen geschaffen. Es entstanden<br />

das bei Wanderern beliebte Naturschutzgebiet<br />

der Felsenstadt und der<br />

Mühlsteinbrüche, der Bauerngarten, das<br />

Schaubergwerk, der Trimm-Dich-Pfad<br />

sowie weitere Betätigungsmöglichkeiten<br />

für Erholung suchende Touristen. Damit<br />

verfügt die kleine Gemeinde Jonsdorf<br />

über eine Fülle von Attraktionen, wie<br />

sie Gemeinden vergleichbarer Größe<br />

heute kaum noch zu bieten haben. Den<br />

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28<br />

Geschichte


475<br />

bekannt<br />

Jahre<br />

und beliebtJonsdorf<br />

Gästen bietet die idyllische Gemeinde<br />

Jonsdorf jetzt ganzjährig beste Erholungsmöglichkeiten<br />

in den 15 Hotels<br />

und Pensionen sowie den 2 Kurhäusern,<br />

dem Gebirgsbad im Sommer und dem<br />

benachbarten TRIXI Spaß- und Erholungsbad.<br />

Mit den genannten Einrichtungen<br />

des Tourismus, von Sport und<br />

Kultur, den Beherbergungsstätten und<br />

der Gastronomie, im Verbund mit den<br />

Nachbargemeinden, ist der staatlich anerkannte<br />

Luftkurort Jonsdorf ganzjährig<br />

ein idealer Erholungsort für Touristen.<br />

Eingebettet in die idyllische Gebirgslandschaft<br />

mit sauberer Luft und erholsamem<br />

Klima, ist der Erholungswert in<br />

der Gemeinde außerordentlich hoch. In<br />

direkter Nachbarschaft zu Böhmen und<br />

Polen, mit kurzen Wegen zum sächsischen<br />

und schlesischen Schlösserland<br />

sowie dem reichen kulturellen Angebot<br />

im Dreiländereck, ist Jonsdorf für eine<br />

erfolgreiche Zukunft in einem vereinten<br />

Europa bestens gerüstet.<br />

Bertram Oertel, Görlitz<br />

Blick vom Kurpark zur Kirche<br />

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Geschichte<br />

29


Urlaubserinnerungen<br />

„Du hast den Farbfilm vergessen –<br />

Radtour zur Landeskrone 1952 (Foto: Manfred Janderski)<br />

Im Museum Niesky am Zinzendorfplatz<br />

findet der Besucher eine sehenswerte<br />

Ausstellung zur DDR-Alltagsgeschichte.<br />

Sommerzeit – Urlaubszeit – Reisezeit:<br />

Reisen zählt zu den beliebtesten Hobbys<br />

der Deutschen. Trotz eingeschränkter<br />

Möglichkeiten galt dies auch schon<br />

zu DDR-Zeiten. Das Museum Niesky bat<br />

seine Besucher, ihre alten Fotoalben<br />

nach Urlaubserinnerungen zwischen<br />

1949 bis zur politischen Wende zu<br />

durchforsten. Entstanden ist eine interessante<br />

Urlaubs-Zeitreise, die typische<br />

Urlaubsziele des DDR-Bürgers zeigt und<br />

so manche amüsante Urlaubsepisode<br />

erzählt. Zahlreiche Fotos in Schwarz-<br />

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30<br />

Ausstellung


Urlaubserinnerungen aus fünf Jahrzehnten“<br />

Rothenburger Sommerfest 1952 (Foto: Manfred Janderski)<br />

weiß oder auch in etwas ausgeblichener<br />

Farbqualität dokumentieren den Urlaubsalltag.<br />

In den ersten Nachkriegsjahren war<br />

Urlaub für viele ein Fremdwort, nur die<br />

Kinder reisten gelegentlich zu Großeltern<br />

oder zur Tante aufs Land. Erst in<br />

den 1950er Jahren wurde Reisen wieder<br />

ein Thema. Mit der Bahn oder dem<br />

Motorrad und Beiwagen ging es meist<br />

in die nähere Umgebung. Die ältesten<br />

Fotos stammen von einer Nieskyerin,<br />

die bereits 1948 mit ihren Eltern einen<br />

Wanderurlaub in Jonsdorf verlebte.<br />

Auch die Nieskyer Fotogruppe startete<br />

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Ausstellung<br />

31


Urlaubserinnerungen<br />

„Du hast den Farbfilm vergessen –<br />

Bungalowsiedlung des Waggonbaus am Fleesensee (Foto: Günter Aey)<br />

1951 ins Zittauer Gebirge. Als Gefährt<br />

diente ein umgebauter Lastkraftwagen.<br />

Eine angesagte Möglichkeit, den Urlaub<br />

zu verleben, war die Unterkunft in einem<br />

FDGB-Ferienheim. Die Plätze mit<br />

Vollverpflegung waren sehr preiswert.<br />

Doch das Angebot deckte zu keiner Zeit<br />

die Nachfrage. Statistisch gesehen hatte<br />

man nur alle fünf Jahre das Glück,<br />

einen FDGB-Ferienscheck zu bekommen.<br />

Wer fahren durfte und wer nicht,<br />

entschieden die Ferienkommissionen<br />

der Betriebe nach entsprechenden Auswahlkriterien.<br />

Plätze an der Ostsee waren<br />

besonders gefragt. Aufgrund der<br />

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32<br />

Ausstellung


Urlaubserinnerungen aus fünf Jahrzehnten“<br />

knappen Plätze übernahmen die Betriebe<br />

die Aufgabe, zusätzliche Urlaubsplätze<br />

für ihre Angestellten zu schaffen.<br />

Die beiden größten Nieskyer Werke<br />

Waggonbau und Stahlbau besaßen eigene<br />

Ferienheime in beliebten Urlaubsregionen.<br />

An den neu entstehenden<br />

Stauseen in Quitzdorf und Bautzen errichteten<br />

sie Bungalows, die als Austauschobjekte<br />

für Partnerbetriebe<br />

dienten. In dieser Zeit entwickelte sich<br />

ein reger Austausch von Ferienplätzen<br />

zwischen DDR-Betrieben und Betrieben<br />

anderer sozialistischer Länder, vor allem<br />

Polens, der CSSR und Ungarns.<br />

Eine Urlaubsreise ins sozialistische Ausland<br />

war außerdem mit dem Reisebüro<br />

der DDR möglich. Die Reisen waren für<br />

DDR- Bürger nicht gerade billig und für<br />

Familien mit Kindern kaum erschwinglich.<br />

Spartanischer und preislich günstiger<br />

ging es mit Jugendtourist, dem<br />

Reiseunternehmen der FDJ, auf große<br />

Fahrt.<br />

Wer keinen Urlaubsplatz abbekommen<br />

hatte, tourte privat durch die Lande.<br />

Das war jedoch gar nicht so einfach,<br />

Ferienwohnungen und Hotelzimmer waren<br />

eher eine Seltenheit.<br />

Eine Alternative war das Campen.<br />

Zahlreiche Fotoberichte erzählen vergnügliche<br />

Urlaubsabenteuer. Die Campingplätze<br />

waren während der Sommerferien<br />

meist völlig überlaufen. Aber<br />

selbst das Anstehen nach Broiler, Bier<br />

oder Brause und die bescheidenen sanitären<br />

Anlagen schreckten die Campingfreunde<br />

nicht ab. Die Zeltplätze in der<br />

CSSR galten als komfortabler.<br />

Bei Privatreisen in die Sowjetunion<br />

musste man bei der Beantragung der<br />

Einreise die genaue Fahrtroute sowie<br />

die einzelnen Tagesziele angeben. Am<br />

jeweiligen Tagesziel hatte man sich<br />

dann bei der Miliz melden, die über<br />

die Ankunft vorinformiert war. Geschah<br />

das nicht, wurde eine Suchaktion ausgelöst.<br />

Im Fotoalbum von Familie Lehmann<br />

fanden sich Berichte über einen<br />

Trabant-Konvoi, der aus der Oberlausitz<br />

Richtung Moskau-Leningrad startete.<br />

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Ausstellung 33


Urlaubserinnerungen<br />

„Du hast den Farbfilm vergessen –<br />

Die Paare aus Niesky, Nieder Seifersdorf<br />

und Jänkendorf waren mit vier Trabis,<br />

einem Autoschlosser und jede Menge<br />

Ersatzteile unterwegs. Die Preise für Lebensmittel<br />

und Benzin waren außerordentlich<br />

günstig. Die Tankwärter ließen<br />

auch mal den Autotank überlaufen oder<br />

verschenkten einen Kanister Benzin.<br />

Manche Tage fuhren sie 150 Kilometer,<br />

ohne einen Ort zu durchqueren.<br />

Die Riviera der DDR-Urlauber lag am<br />

Schwarzen Meer. Der Sommertrip 1970<br />

führte vier Dresdener Studenten auf<br />

abenteuerliche Weise an den Goldstrand.<br />

Für diese Reise hatten sie sich<br />

extra einen alten Pobjeda (russisches<br />

Auto) gekauft. Die Fahrtroute von insgesamt<br />

5400 km führte sie auf abenteuerlichen<br />

Wegen über Polen, Ukraine,<br />

Moldawien, Rumänien nach Bulgarien<br />

zurück über Ungarn und die CSSR. Ihr<br />

Auto war jedoch im katastrophalen Zustand,<br />

insgesamt gab es fünf schwere<br />

Pannen. Es verbrauchte 2 Liter Öl auf<br />

100 km und hatte einen enormen Benzinverbrauch.<br />

Da wegen des defekten<br />

Auspuffs die Bodenplatte hinten rechts<br />

viel zu heiß für die Füße wurde, mussten<br />

die auf der Rückbank Sitzenden die<br />

Fahrt im Schneidersitz verbringen.<br />

Weithin beliebtes Ziel war auch der<br />

Balaton, hunderttausende DDR-Bürger<br />

reisten alljährlich nach Ungarn, viele mit<br />

„Klappfix“ und Steilwandzelt und den<br />

Kofferraum voller Konserven. Ungarn<br />

war auch als Einkaufs-Eldorado sehr<br />

beliebt, konnte man doch hier West-<br />

Kosmetikartikel oder modische Bekleidungsartikel<br />

kaufen, am Balaton gab es<br />

so genannte „Pullovermärkte“.<br />

Zu einer Kindheit in der DDR gehörte<br />

auch das Ferienlager. In den achtwöchigen<br />

Sommerferien war die Möglichkeit<br />

dieses preiswerten Sommervergnügens<br />

für viele Familien eine willkommene<br />

Entlastung. Jeder größere Betrieb hatte<br />

für die Kinder seiner Werksangehörigen<br />

in den Urlaubsgegenden der Republik<br />

Ferienlager eingerichtet. Sie finanzierten<br />

die Ferienreise und sorgten auch für<br />

die Betreuung der Kinder. Dafür stellten<br />

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34<br />

Ausstellung


Urlaubserinnerungen aus fünf Jahrzehnten“<br />

Mit dem Trabi in die SU (Foto: Sieghilde Lehmann)<br />

sie Betriebsangehörige als Betreuungspersonal<br />

ab. Im Archiv des Stahlbau<br />

Nieskys fanden sich zahlreiche Fotos<br />

aus dem Alltag in den Ferienlagern, auf<br />

denen sich viele wiedererkennen werden.<br />

Als Abschluss der Ausstellung steht die<br />

illegale Westreise eines Nieskyers, der<br />

Anfang Juni 1989 einen genehmigten<br />

Verwandtenbesuch in West-Berlin für einen<br />

Reise-Marathon durch die BRD mit<br />

Abstechern zu den Niederlanden, Belgien,<br />

Schweiz und Italien nutzte. Seine<br />

Verwandten finanzierten das Flugticket<br />

von Berlin-Tegel bis Hannover. Im geliehenen<br />

Auto seiner Freunde legte er in<br />

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Ausstellung<br />

35


Urlaubserinnerungen<br />

„Du hast den Farbfilm vergessen<br />

Unterwegs zum Schwarzen Meer (Foto: Uwe Platner)<br />

10 Tagen 4.000 km zurück. Zu diesem<br />

Zeitpunkt war es noch unvorstellbar,<br />

dass er diese Reise bereits ein halbes<br />

Jahr später beliebig oft wiederholen<br />

konnte. Seine Tagebuchaufzeichnungen<br />

und Reiseeindrücke lesen sich heute als<br />

beispielhaftes Zeitdokument.<br />

Die Ausstellung „Du hast den Farbfilm<br />

vergessen… – Urlaubserinnerungen aus<br />

fünf Jahrzehnten“ ist noch bis 26. <strong>Oktober</strong><br />

<strong>2014</strong> im Museum Niesky zu sehen.<br />

(Montag-Freitag: 10:00-17:00 Uhr,<br />

Sonntag: 14:00-17:00 Uhr)<br />

Museum Niesky<br />

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36<br />

Ausstellung


Leserbrief<br />

Erinnerungen an Ferien in Niesky<br />

Als ich im „StadtBILD“ Nr. 128 vom März<br />

<strong>2014</strong> einen Artikel über die Nieskyer Holzhäuser<br />

las, in dem auch der Name Dr.<br />

Wetschkys genannt wird, erinnerte ich<br />

mich an meine Schulferien im Jahre 1936.<br />

Diese Ferien verbrachte ich als 8-jähriger<br />

bei meinem Onkel und meiner Tante in<br />

Niesky. Die Fahrt von Görlitz nach Niesky<br />

war schon etwas außergewöhnlich.<br />

Jede Woche holte die Firma Christoph &<br />

Unmack die Lohngelder per Auto von der<br />

Bank in Görlitz. Meine Tante hatte einen<br />

guten Draht zu dem Fahrer, und ich sollte<br />

mit diesem Auto nach Niesky kommen.<br />

Also brachte mich meine Mutter zu dem<br />

vereinbarten Treffpunkt, und ich wurde<br />

hinten im Auto auf die Münzgeldsäcke gesetzt.<br />

In Niesky nahm mich meine Tante in<br />

Empfang.<br />

Die Firma Christoph & Unmack besaß<br />

eine eigene Betriebsgärtnerei, die von<br />

meinem Onkel Richard Hartmann geleitet<br />

wurde. Hier wurden das Gemüse für die<br />

Betriebsküche und der Blumenschmuck<br />

für die Büroräume produziert. Es gab ein<br />

Gewächshaus mit einem Kesselhaus und<br />

mehrere Frühbeete. Auf dem Gelände lag<br />

in einem großen Park das Gästehaus der<br />

Firma. Es war ein imposanter Holzbau, und<br />

ich erinnere mich noch sehr gut an die Eingangshalle,<br />

in der ein großer Konferenztisch<br />

stand. Von den Balustraden im ersten<br />

Stock gelangte man in die Gästezimmer.<br />

Das Haus wurde von dem Ehepaar Rauch<br />

verwaltet. Meine Tante war als Urlaubsvertretung<br />

in diesem Haus tätig, und ich habe<br />

sie oft dorthin begleitet. Für den Park war<br />

mein Onkel zuständig. Die Verbindung zwischen<br />

Gärtnerei und Park bildeten wunderschöne<br />

Laubengänge aus Spalierobst.<br />

Mein Onkel und meine Tante bewohnten<br />

die Hälfte eines Holzhauses auf dem<br />

Gärtnereigelände. Die andere Hälfte des<br />

Hauses wurde von einer Familie bewohnt,<br />

deren Name mir leider entfallen ist, aber<br />

ich weiß noch, daß diese Leute ein Radio<br />

besaßen. Da in dieser Zeit gerade die<br />

Olympiade in Berlin stattfand, wurden die<br />

Meldungen von deutschen Medailliengewinnen<br />

immer mit Jubel begrüßt. Es gab<br />

noch ein weiteres Haus auf dem Betriebsgelände,<br />

in dem Familie Schneider wohnte.<br />

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Leserbrief 37


Leserbrief<br />

Gegenüber der Gärtnerei, nur durch eine<br />

Straße getrennt, lag das Haus von Dr.<br />

Wetschky, an das ich mich noch sehr gut<br />

erinnere. Im Garten dieses Hauses hielt<br />

man ein zahmes Reh, und ich habe oft am<br />

Zaun gestanden, um dieses Tier zu sehen.<br />

Einmal hat mir sogar das Dienstmädchen<br />

ein Stück Kuchen über den Zaun gereicht.<br />

Natürlich habe ich mich in der ganzen Gegend<br />

herumgetrieben und so auch die sogenannte<br />

„Ruine“ kennengelernt. Es handelte<br />

sich um einen nie fertig gewordenen<br />

Rohbau einer Villa. Dem Erbauer, einem<br />

Unternehmer, war wohl das Geld ausgegangen,<br />

und nun wohnte er unter primitiven<br />

Umständen in diesem Haus. Wie ich<br />

gehört habe, ist die Ruine später im Rahmen<br />

einer Übung von Pionieren gesprengt<br />

worden. Heute stehen auf dem Gelände<br />

Wohnhäuser.<br />

Fast 80 Jahre liegen diese Ferien nun zurück,<br />

und wäre der Artikel im „StadtBILD“<br />

nicht gewesen, hätte ich mich wohl kaum<br />

noch daran erinnert.<br />

Siegfried Bernsdorf,<br />

Nordhorn<br />

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38<br />

Impressum:<br />

Herausgeber (V.i.S.d.P.):<br />

incaming media GmbH<br />

Geschäftsführer:<br />

Andreas Ch. de Morales Roque<br />

Carl-von-Ossietzky Str. 45<br />

02826 Görlitz<br />

Ruf: (03581) 87 87 87<br />

Fax: (03581) 40 13 41<br />

info@stadtbild-verlag.de<br />

www.stadtbild-verlag.de<br />

Geschäftszeiten:<br />

Mo. - Fr. von 9.00 bis 17.00 Uhr<br />

Druck:<br />

Graphische Werkstätten Zittau GmbH<br />

Verantw. Redakteur:<br />

Andreas Ch. de Morales Roque<br />

(Mitglied im Deutschen<br />

Fachjournalistenverband)<br />

Redaktion:<br />

Dr. Ernst Kretzschmar,<br />

Dipl. - Ing. Eberhard Oertel,<br />

Dr. Ingrid Oertel<br />

Anzeigen verantw.:<br />

Dipl. - Ing. Eberhard Oertel<br />

Mobil: 0174 - 31 93 525<br />

Teile der Auflage werden auch kostenlos<br />

verteilt, um eine größere Verbreitungsdichte<br />

zu gewährleisten. Für eingesandte<br />

Texte & Fotos übernimmt der Herausgeber<br />

keine Haftung. Artikel, die namentlich<br />

gekennzeichnet sind, spiegeln nicht die<br />

Auffassung des Herausgebers wider. Anzeigen<br />

und redaktionelle Texte können<br />

nur nach schriftlicher Genehmigung des<br />

Herausgebers verwendet werden<br />

Anzeigenschluss für die November-<br />

<strong>Ausgabe</strong>: 15. <strong>Oktober</strong> <strong>2014</strong><br />

Redaktionsschluss: 20. <strong>Oktober</strong><br />

<strong>2014</strong><br />

Wir arbeiten mit<br />

Stadtwerke Görlitz AG<br />

Immer.Näher.Dran<br />

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