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Lea liebt und lebt

Angst, Panik? Heute kann Lea damit umgehen. Sie hat ihre Lebensfreude wiedergewonnen. Und sie ist zurück im ersten Arbeitsmarkt. Ihre Geschichte zeigt, was Wille, ein stabiles Umfeld und eine gute Begleitung ermöglichen können.

Angst, Panik? Heute kann Lea damit umgehen. Sie hat ihre Lebensfreude wiedergewonnen. Und sie ist zurück im ersten Arbeitsmarkt. Ihre Geschichte zeigt, was Wille, ein stabiles Umfeld und eine gute Begleitung ermöglichen können.

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<strong>Lea</strong><br />

<strong>liebt</strong><br />

<strong>und</strong><br />

<strong>lebt</strong>


Panik, ein Gefühl der Ohnmacht:<br />

«Ich habe<br />

meinen<br />

Körper<br />

nicht mehr<br />

gekannt»,<br />

sagt <strong>Lea</strong>.


<strong>Lea</strong>s Körper fühlt sich an wie ein Vulkan kurz vor der Eruption.<br />

Etwas brodelt <strong>und</strong> will raus. Das Atmen fällt ihr schwer, so als<br />

müsste sie die Luft durch einen engen, zerkauten Strohhalm<br />

aufsaugen. Sie hyperventiliert, weil sie schneller <strong>und</strong> flacher<br />

atmet. Muskelkrämpfe, Schwindel, ein klammes Gefühl unter<br />

der Brust: «Ich habe meinen Körper nicht mehr gekannt», erinnert<br />

sich die junge Frau an den 1. Mai 2020.<br />

<strong>Lea</strong> ist mit ihrem damaligen Fre<strong>und</strong> im Auto unterwegs, über<br />

Landstrassen von Müllheim nach Kreuzlingen. Die Panikattacke<br />

kommt wie ein Hai aus dunklen Untiefen, <strong>und</strong> so führt die<br />

Autofahrt nicht an den Bodensee, sondern schnellstmöglich<br />

zurück nach Hause. <strong>Lea</strong> sucht Ablenkung vor dem Fernseher,<br />

vergeblich. Ihre Schwester Sarah spricht beruhigend auf sie<br />

ein. Die Schmerzen unter der Brust bleiben, als würden kalte<br />

Hände ihr Herz umklammern <strong>und</strong> ihre Lungen kneten. Erst<br />

nach dem Aufenthalt auf der Notfallstation des Spitals Frauenfeld<br />

kommt <strong>Lea</strong> zur Ruhe. Im Nachhinein könnten das Kopfweh<br />

<strong>und</strong> die bleierne Mattigkeit, die sie schon beim Aufstehen verspürt<br />

hatte, als Vorboten interpretiert werden. Aber damals war<br />

das völlig neu <strong>und</strong> <strong>Lea</strong> fehlte die Erfahrung, die einen besonnenen<br />

Umgang mit der verstörenden Situation erlaubt hätte.<br />

Es ist der Anfang eines Weges, der in die Tagesklinik <strong>und</strong> zu<br />

Brüggli führt. Es ist zugleich der Beginn einer Geschichte, die<br />

zeigt, was Wille, ein stabiles Umfeld <strong>und</strong> eine gute Begleitung<br />

ermöglichen können.<br />

3


Sie hat gelernt, sich ihren<br />

Ängsten zu stellen.<br />

Beim Werken findet<br />

sie Ablenkung.<br />

Die Suche<br />

nach Ursachen<br />

Panikattacken wurden zu <strong>Lea</strong>s stetiger Begleiterin, die sich<br />

aus heiterem Himmel Aufmerksamkeit verschafft. Bis heute<br />

versteht <strong>Lea</strong> die Ursachen nicht; sie kann nur spekulieren:<br />

Hat es damit zu tun, dass sie am 27. Mai 1999 im Unispital<br />

Zürich drei Monate zu früh das Licht der Welt erblickt? Es<br />

gibt Studien, die zeigen, dass Kinder, die sehr früh oder mit<br />

einem niedrigen Geburtsgewicht zur Welt kommen, ein erhöhtes<br />

Risiko für Angststörungen <strong>und</strong> Depressionen haben.<br />

Allerdings zeigt der wissenschaftliche Konsens heute in eine<br />

andere Richtung; ein direkter Zusammenhang zwischen<br />

Frühgeburt <strong>und</strong> Panikattacken lässt sich nicht abschliessend<br />

belegen. Hat es mit einer Überbehütung zu tun, die<br />

Frühgeborenen von besorgten Eltern zuteil kommen mag,<br />

die sich später in affektiven Störungen entladen kann? Liegt<br />

es an der Corona-Isolation, die <strong>Lea</strong> Sorgen macht? Oder ist<br />

es am Ende die Summe allen Übels, die zu <strong>Lea</strong>s Panikattacken<br />

führt?


Isoliert mit<br />

der Angst<br />

<strong>Lea</strong> macht von 2016 bis 2019 eine Lehre als Detailhandelsfachfrau<br />

in einer Thurgauer Papeterie. 2020 nimmt sie ihre<br />

Arbeit in einer Firma im Raum Winterthur auf. Und dann<br />

kommt Corona. <strong>Lea</strong> hat ihre Ausbildung erst grad abgeschlossen<br />

<strong>und</strong> ihre Stelle als Ausgelernte erst vor wenigen<br />

Monaten angetreten. Der Lockdown wird zur Zerreissprobe.<br />

<strong>Lea</strong> sorgt sich nicht nur um die Vitalität ihres Arbeitsplatzes,<br />

sondern auch um die Ges<strong>und</strong>heit ihrer Eltern, besonders<br />

ihrer Mutter Gaby. Die Buchhalterin leidet an Polyarthritis.<br />

Sie spürt: Ihre Tochter tut sich schwer <strong>und</strong> ist hin- <strong>und</strong> hergerissen<br />

zwischen Job <strong>und</strong> Elternhaus in Müllheim.<br />

«Es war zu abrupt für <strong>Lea</strong>», sagt Gaby. Frisch nach der Ausbildung,<br />

drauf <strong>und</strong> dran Fuss zu fassen in der Arbeitswelt<br />

– <strong>und</strong> dann der Einschnitt, der das Leben zum Erlahmen<br />

bringt <strong>und</strong> Zeit <strong>und</strong> Raum für negative Gefühle öffnet. Hat<br />

das bei <strong>Lea</strong> Verlustängste genährt <strong>und</strong> kommen hier Emotionen<br />

an die Oberfläche, die mit der Frühgeburt zu tun haben?<br />

Man spürt: Die Familie, in Sorge um einander, sucht<br />

Antworten, kann aber nur spekulieren.<br />

5


Angst, von harmlos<br />

bis unges<strong>und</strong><br />

Es gibt verschiedene Formen von Angst – von verhältnismässig harmlosen Phobien wie<br />

zum Beispiel der Angst vor Spinnen, vor Prüfungen oder vor dem Fliegen bis hin zu krankhaften<br />

Angstzuständen, die sich in Panik <strong>und</strong> Zwangsstörungen entladen.<br />

Jeder Mensch kennt die Angst. Sie warnt uns vor Gefahr. Ein biologischer Alarmmechanismus<br />

seit Urzeiten: Fliehe rasch, da ist ein Säbelzahntiger, oder mach Dich bereit zum<br />

Kampf. Unges<strong>und</strong> wird es, wenn die Angst zur Störung wird. Erwartungsangst, ängstliche<br />

Selbstbeobachtung <strong>und</strong> übertriebene Befürchtungen können die Angst immer stärker machen<br />

– eine gefährliche Negativspirale. Das ist keine normale Angst mehr, sondern eine<br />

krankhafte – wie zum Beispiel <strong>Lea</strong>s Panikattacken. Das kann sich so schlimm auf Betroffene<br />

auswirken, dass sie verzweifeln <strong>und</strong> nicht mehr zur Arbeit fähig sind oder sich nicht mehr<br />

mit anderen Menschen umgeben können. Das wird zur Belastungsprobe <strong>und</strong> erfordert eine<br />

professionelle Hilfe.<br />

Eine Panikattacke kann völlig unerwartet auftreten, aus heiterem Himmel. Sie kann sich<br />

wie ein Schlaganfall oder Herzinfarkt anfühlen. Schwindel, Kopfschmerzen, Schweissausbrüche,<br />

Atemschwierigkeiten, wie <strong>Lea</strong> sie beschreibt, kommen dazu, ein Gefühl der<br />

Ohnmacht <strong>und</strong> des Ausgeliefertseins. Oft liegt die Vermutung nahe, es handle sich um<br />

eine körperliche Erkrankung, weil sie sich stark in körperlichen Symptomen entlädt. Die<br />

Ursachen können tiefer liegen: Überforderung (Zeitdruck, Mehrfachbelastung, Mangel an<br />

Erholung), Unterforderung, Prüfungsdruck, Kritik, Isolation, Konflikte, Ungewissheit. Auch<br />

die Pubertät oder grössere Veränderungen der Lebensumstände können krankhafte Ängste<br />

begünstigen.


Die Angst- <strong>und</strong> Panikhilfe Schweiz führt folgende<br />

Bedingungen für krankhafte Ängste an:<br />

• Betroffene sind keiner realen Bedrohung ausgesetzt.<br />

• Sie leiden auch nach Beseitigung einer realen Bedrohung darunter.<br />

• Sie leiden zu lange <strong>und</strong> zu stark darunter.<br />

• Sie können das Auftreten <strong>und</strong> das Ausmass der Angst nicht kontrollieren.<br />

• Sie erleben belastende körperliche Symptome.<br />

• Sie entwickeln ausgeprägte Erwartungsängste (Angst vor der Angst).<br />

• Sie finden keine Erklärungsmöglichkeiten zur Beruhigung.<br />

• Sie vermeiden Angst machende, objektiv ungefährliche Situationen.<br />

• Sie schränken ihr schulisches, berufliches <strong>und</strong> soziales Leben ein.<br />

• Sie geben wichtige Aktivitäten zur Bereicherung ihres Lebens auf.<br />

Quellen:<br />

Pro Mente Sana, www.promentesana.ch<br />

Aphs, Angst- <strong>und</strong> Panikhilfe Schweiz, www.aphs.ch<br />

7


Das Kind in der<br />

jungen Frau<br />

Bereits vor dem Lockdown gab <strong>Lea</strong>s Situation zu denken:<br />

Seit Aufkommen von Corona war ihr Alltag von der Angst geprägt,<br />

sich im K<strong>und</strong>enkontakt anzustecken <strong>und</strong> so ihre Eltern<br />

<strong>und</strong> ihre Schwester zu gefährden. Und so war <strong>Lea</strong> froh,<br />

dass sie im Geschäft arbeiten konnte, wenngleich das für sie<br />

kein Spaziergang war. Ihre Familie musste ihr Mut machen,<br />

nach Winterthur zu fahren, <strong>und</strong> oft wurde sie von Müllheim<br />

zur Arbeit gebracht, weil sie es sich alleine nicht getraut<br />

hätte. Die wiederkehrenden Panikattacken sind für die Familie<br />

eine verstörende Erfahrung. «Ich habe mein Kind<br />

nicht mehr erkannt. <strong>Lea</strong> kam mir vor wie eine Neunjährige,<br />

die Angst hat vor dem Alleinsein», sagt ihre Mutter Gaby.


Ein Klinikaufenthalt?<br />

Daran musste sich<br />

<strong>Lea</strong> erst gewöhnen.<br />

Die Familie<br />

entscheidet<br />

Als alles zuviel wurde, konsultierte <strong>Lea</strong>s Familie eine Psychologin,<br />

die sie für einen Monat halbtags krankschrieb.<br />

Das fällt in die Zeit, in der sich die Corona-Pandemie endgültig<br />

als etwas Schwerwiegendes <strong>und</strong> Längerwährendes<br />

manifestieren sollte. <strong>Lea</strong> war immer mehr isoliert in einem<br />

Kokon der Angst, den auch die Familie mit viel Zusammenhalt<br />

<strong>und</strong> Liebe nicht aufbrechen konnte. Was sich in wiederkehrenden<br />

Panikattacken entlädt, wird zur Gewissheit:<br />

<strong>Lea</strong> braucht mehr Hilfe. Die Familie entscheidet, <strong>Lea</strong> einer<br />

Tagesklinik anzuvertrauen. Eine «Geschlossene», das ist<br />

etwas anderes als ein paar St<strong>und</strong>en bei der Psychologin,<br />

die – statistisch betrachtet – vier von fünf Menschen einmal<br />

in ihrem Leben in Anspruch nehmen: Die junge Frau hatte<br />

Mühe, sich daran zu gewöhnen, nahm die Hilfe dann aber<br />

doch an. Das war im Sommer 2020. Die Konsultation im Psychiatriezentrum<br />

in Frauenfeld führte zur Einschätzung: Es<br />

ist dringend, ein rascher Eintritt ist gefragt.<br />

<strong>Lea</strong> ist vom August bis Dezember in der Tagesklinik. Ihren<br />

Arbeitgeber hat sie informiert; er weiss, dass der Ausfall<br />

mehrere Monate dauern wird. Er zeigt sich anfänglich verständnisvoll<br />

<strong>und</strong> vermittelt das Gefühl, dass er weiter an <strong>Lea</strong><br />

glaubt. Umso härter ist der Aufprall, als im Oktober die Kündigung<br />

kommt – unerwartet <strong>und</strong> unerbittlich, verstörend für<br />

die ganze Familie. Alle Erklärungsversuche, alle Anläufe für<br />

ein Gespräch wurden ignoriert. «Das riss mich runter», sagt<br />

<strong>Lea</strong>. «Ich hatte keine Chance, meine Situation darzulegen.»<br />

9


Und noch ein<br />

Rückschlag<br />

Rezepte <strong>und</strong><br />

Strategien<br />

Auch das noch: <strong>Lea</strong>s damaliger Fre<strong>und</strong> kann die Situation<br />

nicht akzeptieren; er verleugnet, dass es <strong>Lea</strong> schlecht geht.<br />

Über den Verlust des Arbeitsplatzes darf im Beisein seiner<br />

Familie nicht gesprochen werden. Es kommt zum Bruch.<br />

Mit dem Verlust des Arbeitsplatzes hat <strong>Lea</strong>s Situation auch<br />

für die IV eine neue Dringlichkeit. Sie gibt Brüggli den Auftrag<br />

für ein Aufbautraining. Es ist ein schwerer Start für <strong>Lea</strong>,<br />

als sie im Februar 2021 im Bereich Integrationsmassnahmen<br />

ankommt. Die Auseinandersetzung mit ihrem Innersten<br />

in der Tagesklinik hat sie aufgewühlt <strong>und</strong> zugleich vorbereitet<br />

auf den bevorstehenden Weg. Nach wie vor hat sie<br />

Mühe, das elterliche Nest zu verlassen: Von Müllheim nach<br />

Romanshorn zu fahren, dreissig Kilometer weg von zuhause,<br />

jeden Tag für vier St<strong>und</strong>en, ist für <strong>Lea</strong> ein grosser Schritt.<br />

Sie packt es.<br />

<strong>Lea</strong> spürt Vertrauen<br />

<strong>und</strong> Zuversicht.<br />

Das macht ihr Mut.<br />

Im Aufbautraining entwickelt <strong>Lea</strong> Strategien für den Umgang<br />

mit ihren Ängsten <strong>und</strong> lernt, ihre Gefühle besser zu<br />

regulieren. Ihre Begleiterin Melanie Schnetzer hat sie als<br />

sensible Frau kennen gelernt, die viele Tränen vergoss <strong>und</strong><br />

froh war um den regelmässigen Dialog. Sie hat sie zugleich<br />

als entschlossene Person wahrgenommen, die bereit ist<br />

Hilfe einzufordern <strong>und</strong> den Willen hat, über ihre Komfortzone<br />

hinauszugehen. Aufgeben? Für <strong>Lea</strong> ist das kein Thema.<br />

Melanie Schnetzer spricht von einem Zug, der immer dann,<br />

wenn er entgleist, rasch wieder zurück in die Spur findet.<br />

<strong>Lea</strong> hat verschiedene Methoden erlernt, die ihr helfen,<br />

aufkeimende Panik zu bewältigen – zum Beispiel die Klopftechnik<br />

PEP, eine Methode zur Emotionsregulierung, oder<br />

die Progressive Muskelrelaxation PMR, ein Entspannungsverfahren,<br />

das sie selbst anwenden kann. Oft sind es einfache<br />

Rezepte, die von der Angst ablenken. So greift <strong>Lea</strong> zur<br />

Wasabi-Paste, nimmt ein paar Tropfen Tabasco oder beisst<br />

in eine Zitrone: Die Schärfe oder Säure verstört in einem<br />

positiven Sinn die Wahrnehmung. Für Zerstreuung <strong>und</strong> Ablenkung<br />

sorgt auch die Fee Tinkerbell aus der gleichnamigen<br />

Disney-Geschichte. Von besonderer Bedeutung ist für<br />

<strong>Lea</strong> der Kleinspitz Fluri, der jung zur Familie kam. Die Spaziergänge<br />

im Wald <strong>und</strong> über Felder mit weiten Horizonten<br />

tun ihr gut. Einen speziellen Stellenwert hat das Werken.<br />

Im Umgang mit Papier, Karton, Farbe <strong>und</strong> Form ist <strong>Lea</strong> dem<br />

Papeteristin-Beruf nahe.


11


Der<br />

Sprung<br />

ins kalte<br />

Wasser:<br />

ein Praktikum in der<br />

Logistik eines<br />

Pharma-Grosshändlers.


Und<br />

dann die<br />

Aus dem Praktikum<br />

wird eine<br />

Festanstellung.<br />

Chance:<br />

Im Netzwerk von Brüggli eröffnete sich die Chance für ein<br />

Praktikum in der Logistik eines Pharma-Grosshändlers. Für<br />

<strong>Lea</strong> war klar: Den direkten K<strong>und</strong>enkontakt, wie sie ihn als<br />

Papeteristin hatte, wollte sie nicht mehr, besser eine Tätigkeit<br />

im Hintergr<strong>und</strong>. «Ich wusste nicht recht, wie das gehen<br />

würde.» Sie wagte den Sprung ins kalte Wasser, weil sie bei<br />

Brüggli gelernt hatte, wieder an sich zu glauben, <strong>und</strong> weil<br />

ein Betrieb gef<strong>und</strong>en war, der Verständnis zeigte für ihre Situation.<br />

So führte <strong>Lea</strong>s Weg im Oktober 2021 in die Kommissionierung<br />

<strong>und</strong> in den Wareneingang eines Romanshorner<br />

Unternehmens. Hier arrangiert sie Bestellungen, packt ein<br />

<strong>und</strong> um <strong>und</strong> bewältigt grosse Einheiten mit dem Stapler.<br />

Der Arbeitgeber ist zufrieden mit <strong>Lea</strong>s Leistung. <strong>Lea</strong> fühlt<br />

sich wohl, willkommen, geschätzt. «Es ging mir gut». Und<br />

so kommt es zu einem Akt, der im Idealfall das grosse Finale<br />

einer erfolgreichen Integrationsgeschichte beschreibt: <strong>Lea</strong><br />

erhält im November eine unbefristete Festanstellung angeboten.<br />

Keine Verlängerung des Praktikums, kein Mal-Sehen<br />

oder Hinhalten, sondern die volle Ladung als Zeichen der<br />

Verbindlichkeit <strong>und</strong> des Vertrauens: <strong>Lea</strong> hat einen Job. Sie<br />

ist zurück im Arbeitsmarkt.<br />

13


Ging es zu<br />

schnell?<br />

Ganz so einfach ist es nicht. «Es war ein Kaltstart», sagt<br />

Melanie Schnetzer. In der Rückschau stellt sich die Frage,<br />

ob kleinere Schritte besser gewesen wären. Nach der anfänglichen<br />

Euphorie hat <strong>Lea</strong> Mühe am Arbeitsplatz. Sie ist<br />

jetzt eine ganz normale Mitarbeiterin <strong>und</strong> als solche spürt<br />

sie Druck <strong>und</strong> Ungeduld, speziell in Zeiten, in denen sich<br />

Unternehmen mit Personalausfällen <strong>und</strong> unberechenbaren<br />

Lieferketten arrangieren müssen. <strong>Lea</strong> ist mittendrin <strong>und</strong><br />

muss Überzeit leisten, einen zusätzlichen Effort, um der<br />

Nachfrage, aber auch dem Unplanbaren gerecht zu werden.<br />

Das fordert sie heraus – <strong>und</strong> zeigt sich in körperlicher<br />

<strong>und</strong> emotionaler Erschöpfung.


Brüggli<br />

schreitet ein<br />

So findet <strong>Lea</strong> im Januar 2022 erneut den Kontakt zu Brüggli.<br />

Die Begleitarbeit, die vorbei war, ist nicht abgeschlossen;<br />

Brüggli ist auch für ehemalige Klientinnen da, wenn nötig,<br />

<strong>und</strong> hat unbürokratisch Unterstützung angeboten. Sorgfältig<br />

prüft Melanie Schnetzer, ob das Netzwerk an unterstützenden<br />

Kräften reaktiviert werden soll. <strong>Lea</strong> ist froh, dass ihre<br />

Situation nochmals beleuchtet wird, zusammen mit Familie,<br />

Arbeitgeber <strong>und</strong> IV. Sie spürt Vertrauen <strong>und</strong> Zuversicht, die<br />

ihr guttun: «Das hat mir den Druck weggenommen.» Und<br />

so entscheidet sie sich gegen weiterführende Massnahmen<br />

mit der IV. Sie hat schon so viel erreicht, nun möchte sie die<br />

letzte Etappe möglichst selbständig gehen. Eins nach dem<br />

andern: <strong>Lea</strong> hat gelernt, dass kleine, aber sichere Schritte,<br />

schneller ans Ziel führen.<br />

Es läuft nicht alles r<strong>und</strong>.<br />

Aber <strong>Lea</strong> ist ganz zufrieden;<br />

sie ist zurück im Leben.<br />

15


<strong>Lea</strong> ist nicht<br />

alleine<br />

«Chrampfe<br />

<strong>und</strong> Gnüsse»<br />

Gut, hat <strong>Lea</strong> heute eine stabile Beziehung. Sie wohnt mit<br />

ihrem Fre<strong>und</strong> Nino, den sie im Sommer 2021 kennen <strong>und</strong><br />

lieben gelernt hat, in Engishofen. Sie fühlt sich verstanden<br />

<strong>und</strong> getragen von ihrem Schatz. Und nach wie vor kann sie<br />

auf ihre Familie zählen. Es ist ein ambitioniertes Elternhaus,<br />

wo die Arbeit eine grosse Bedeutung hat. Auch hier wurden<br />

die jüngsten Zeichen erkannt: <strong>Lea</strong> muss von der Überlast<br />

befreit werden, eine Schonhaltung nützt ihr aber nichts.<br />

Denn <strong>Lea</strong> ist kein Kind mehr, sondern eine erwachsene<br />

Frau.<br />

Es geht um die Dosis <strong>und</strong> darum, die erreichte Stabilität zu<br />

wahren <strong>und</strong> zugleich die Weichen zu stellen für eine dauerhafte<br />

Integration. Es ist alles da, was dazu nötig ist: die Unterstützung<br />

des Umfeldes, engagierte Partner, eine professionelle<br />

Begleitung <strong>und</strong> besonders: <strong>Lea</strong>s Wille. «Chrampfe<br />

<strong>und</strong> Gnüsse», nennt sie ihr Lebensmotto. Es ist kein Spaziergang,<br />

wieder Fuss zu fassen in der Arbeitswelt, aber an die<br />

süssen Früchte des Erfolges gewöhnt sich <strong>Lea</strong> gerne, auch<br />

wenn Rückschritte dazugehören. Sie geniesst das Leben,<br />

das ein anderes ist, seitdem sie gelernt hat mit der Angst<br />

umzugehen.<br />

Angst, Panik?<br />

<strong>Lea</strong> kann damit umgehen.<br />

Sie hat ihre Lebensfreude<br />

wiedergewonnen.


17


Ein neues<br />

Leben<br />

Die Angst gehört zum Leben, ist etwas Archaisches, das –<br />

evolutionär betrachtet – dem Menschen das Überleben gesichert<br />

hat. Sie schützt vor Übermut <strong>und</strong> Fahrlässigkeit, ist<br />

ein Warnsignal <strong>und</strong> ein Gefühl, das wir alle kennen, egal<br />

wie begründet. Nur die Panik, diese Attacke aus der Untiefe,<br />

eine unheimliche Allianz extremer Ängste, die hat kein<br />

Gastrecht. <strong>Lea</strong> bietet ihr die Stirn <strong>und</strong> lässt sich nicht mehr<br />

so rasch aus der Spur bringen.


Bleib mutig <strong>und</strong><br />

kreativ, <strong>Lea</strong>. Lass<br />

Dich vom Licht<br />

leiten <strong>und</strong> blühe<br />

weiter auf.<br />

Viel Glück auf allen Wegen.<br />

19


Wirtschaftlich, aber nicht um jeden Preis. Sozial, aber nicht<br />

auf Kosten anderer: Brüggli engagiert sich für Menschen<br />

mit psychischen <strong>und</strong> körperlichen Schwierigkeiten <strong>und</strong> bietet<br />

gleichzeitig hochwertige Marktleistungen an. Mit r<strong>und</strong><br />

850 Mitarbeitenden <strong>und</strong> unterschiedlichsten Geschäftsbereichen<br />

gehört Brüggli zu den vielseitigsten Ausbildungs<strong>und</strong><br />

Integrationsunternehmen der Schweiz.<br />

Konzept, Text:<br />

Layout, Grafik:<br />

Fotografie:<br />

Druck:<br />

Auflage:<br />

Papier:<br />

Michael Haller<br />

Sabrina Böni<br />

Frosan von Gunten<br />

Brüggli Medien<br />

2000 Ex.<br />

Refutura FSC; Recycling<br />

Kst. 2040 // 2000 Ex. // 05.22<br />

www.brueggli.ch

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