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69_Ausgabe Maerz 2009

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Vorwort<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

der Frühlingsanfang ist in Sicht. Die Schneedecke<br />

verschwindet, aber das zaghafte<br />

Frühlingsgrün läßt sich Zeit. Schmerzlich<br />

und unübersehbar zeigen sich die vielen<br />

Schmutzecken. Vergessen wir also einmal<br />

frühere Träumereien von Kulturhauptstadt,<br />

schönster Stadt Deutschlands und beleuchteten<br />

schwimmenden Inselchen auf<br />

der Neiße. Denken wir lieber an die Touristengruppen,<br />

die in Kürze (zum Glück) die<br />

Stadt wieder bevölkern werden. Wir müssen<br />

schon zugeben, daß es in Görlitz ein<br />

Zuviel an Verwahrlosung und Verfall gibt.<br />

Gedieh die Altstadt zur schönen Kulisse für<br />

den Tourismus, so verkommen gleichzeitig<br />

Bereiche des Gründerzeitviertels - obere<br />

Berliner Straße, Salomonstraße, Leipziger,<br />

Dresdner und Löbauer Straße, Hartmannstraße<br />

und Luisenstraße, Bahnhofstraße<br />

und mittlere Bautzener Straße und so weiter.<br />

Eingeschlagene und vernagelte Fenster,<br />

stinkende Kellerlöcher, von kriminellen<br />

Chaoten beschmierte Fassaden und Türen,<br />

leerstehende Häuser, in den Schnittgerinnen<br />

Zigarettenreste, Glassplitter und Werbungsmüll.<br />

Und dazwischen Glanzpunkte<br />

wie die sanierte Stadtbibliothek, das Heim<br />

Bethanien und der Kindergarten Mittelstraße.<br />

Die aufmerksamen Touristen hören<br />

nicht nur die wohlwollenden Darstellungen<br />

der Stadtführer, sie bemerken auch<br />

all die peinlichen Spuren der Entvölkerung<br />

und individualistischer Verschandelung.<br />

Inzwischen stellen sich Parteien und Politiker<br />

auf die bevorstehenden vier Wahlen ein<br />

und suchen passende Themen, um Stimmen<br />

zu sammeln. In Görlitz stehen hinter<br />

Arbeitslosigkeit und Kinderarmut mindestens<br />

an dritter Stelle Ordnung und Sauberkeit.<br />

Wer veranlaßt nun die Bahn dazu,<br />

Lohnkämpfe, Börsengang und Mitarbeiterausforschung<br />

zurückzustellen und dafür<br />

den Jakobstunnel und die Bereiche ringsum<br />

zu reinigen? Wer säubert die Mauern<br />

an der Jakobuskirche, wer die Mauern am<br />

städtischen und am jüdischen Friedhof?<br />

Von den Pflichten der Hauseigentümer, der<br />

Geschäftsinhaber, der Ordnungshüter und<br />

aller einsichtigen Bürger gar nicht zu reden.<br />

Treue Leser schrieben für das Märzheft.<br />

Wir erfahren Einzelheiten über wirtschaftliche,<br />

kulturelle, kirchliche und soziale<br />

Leistungen unserer Geschichte. Weitere<br />

Beiträge liegen bereit. Daß weitere Leser<br />

ihre Erinnerungen und Forschungsergebnisse<br />

hier veröffentlichen, wünscht sich<br />

Ihr Ernst Kretzschmar.<br />

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Einleitung 3


Görlitzer Moderne<br />

Moderne<br />

vor 100 Jahren –<br />

Die neuen Schulen nach der Eröffnung 1913<br />

Gelegentlich hört man immer wieder<br />

den Vorwurf, die Stadt Görlitz hänge zu<br />

sehr am Alten und öffne sich in ihrem<br />

baulichen Erscheinungsbild nicht der<br />

Moderne. Da müßten die Kritiker einmal<br />

in jene Stadtviertel, die vor 100 Jahren<br />

entstanden, auf Erkundung gehen. Sie<br />

werden auch am Schulkomplex “Johann<br />

Christoph Lüders” zwischen Sattigstraße<br />

und Carl-von Ossietzky-Straße vorüberkommen<br />

und müßten sich hier einmal<br />

genauer umsehen. Die älteren Gebäudeteile<br />

nahmen 1913 zwei höhere Knabenschulen<br />

auf, links die Oberrealschule<br />

und rechts das Reform-Realgymnasium.<br />

Die Vorgängerschulen hatten sich am<br />

Klosterplatz und an der Elisabethstraße<br />

entwickelt. Der zeitgemäße Bedarf<br />

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4<br />

Titel |


Görlitzer<br />

Schulkomplex in Moderne<br />

Südstadt<br />

an Bildung in Mathematik, Naturwissenschaften<br />

und modernen Fremdsprachen<br />

war in den Schulgebäuden von 1856<br />

und 1875 an Grenzen gestoßen.<br />

Im Jahresbericht 1914 der Oberrealschule<br />

würdigte Direktor Teichert das Ostern<br />

1913 eingeweihte neue Schulgebäude:<br />

“Wuchtig und stolz ragt der mächtige<br />

Doppelbau in der Südstadt in die Höhe,<br />

ein in sich abgeschlossenes und frei<br />

auf sich selbst ruhendes Bauwerk, voll<br />

Charakter und Eigenart. Hell leuchten<br />

die noch in frischem Putz dastehenden<br />

Mauern und die das Gesamtbild beherrschenden<br />

weitspannenden roten Dachflächen<br />

gegen den Himmel, hell und<br />

Hofansicht mit Turnhalle und Aula 1913<br />

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Titel |<br />

5


Görlitzer Moderne<br />

Moderne<br />

vor 100 Jahren –<br />

Hofansicht um 1914<br />

freundlich schauen die großen Fenster<br />

mit dem weißen Rahmenwerk ins Land<br />

hinaus und gewähren dem Beschauer<br />

von der Schule aus einen prächtigen<br />

Fernblick in unser schönes Schlesierland<br />

hinein”. Als Anliegen des Neubaus nannte<br />

er: “Durch Verwendung tadelloser<br />

Materialien und praktischer Raumausnutzung<br />

relativ möglichst billig und ohne<br />

große Unterhaltungskosten zu bauen, in<br />

hygienischer Beziehung das Möglichste<br />

zu erreichen, in ästhetischer Beziehung<br />

einen tadellosen Gesamteindruck zu erzielen<br />

und für alle Lehrfächer praktische<br />

und geeignete Lehrräume zu schaffen”.<br />

Zu den Vorzügen zählte er die Schall-<br />

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6<br />

Titel |


Görlitzer<br />

Schulkomplex in Moderne<br />

Südstadt<br />

dämpfung, die automatische Regulierung<br />

der Raumtemperaturen, großzügige<br />

Klassen- und Fachräume, Turnhalle,<br />

Aula und Sternwarte sowie Feuersicherheit<br />

durch ausschließliche Verwendung<br />

von Stein und Eisenbeton.<br />

Im gleichen Jahresbericht hob Bauinspektor<br />

Labes die architektonischen<br />

Vorzüge hervor: “Klar liegt das Realgymnasium<br />

an der einen und die Oberrealschule<br />

an der anderen Straße des<br />

Eckbauplatzes. Diagonal hinein schiebt<br />

sich, beide trennend, der Turnhallenund<br />

Aulabau, der zweckmäßigerwei-<br />

Hofpause um 1914; hinten Rückfronten Wielandstraße/Sattigstraße<br />

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Titel |<br />

7


Görlitzer Moderne<br />

Moderne<br />

vor 100 Jahren –<br />

Die Aula mit ihrer kühnen Wölbung<br />

se von beiden Schulen benutzt werden<br />

kann. “Die Klassenräume, je 21, kamen<br />

an die Sonnenseiten der beiden Obergeschosse.<br />

Je zwei Haupteingänge von<br />

den Straßen und zwei Ausgänge zum<br />

Hof sowie übersichtliche Flure und Treppen<br />

sorgten für Sicherheit. “Hier an<br />

diesem Gebäude gibt es keinen Unterschied<br />

zwischen Straßen- und Hoffront.<br />

Es hat hinten wie<br />

vorn einen granitenen<br />

Sockel;<br />

an allen Fronten<br />

hat es denselben<br />

echten, aus zermalmtem<br />

Steinmaterial<br />

hergestellten<br />

Putz, vorn<br />

und hinten dieselbe<br />

Dachform und<br />

dasselbe durch<br />

und durch rot gefärbte<br />

dauerhafte<br />

Dachsteinmaterial<br />

unserer Stadtziegelei...<br />

An den<br />

Straßenfronten<br />

sind dann noch die Haupteingänge mit<br />

reicher gebildeten Säulen und Pfeilern<br />

ausgebildet, und zwar aus festem, ewig<br />

dauerndem Granit gemeißelt. Besonders<br />

darf man die große, mit den markanten<br />

Daten deutscher Geschichte und Kultur<br />

geschmückte Säule wohl als ein Kabinettstück<br />

gediegenster heutiger Bildhauerkunst<br />

ansprechend. Das Modell hierzu<br />

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8<br />

Titel |


Görlitzer<br />

Schulkomplex in Moderne<br />

Südstadt<br />

fertigte der bekannte<br />

Dresdener<br />

Bildhauer Gross,<br />

Professor an der<br />

Kunstgewerbeschule.”<br />

(Zur Erinnerung<br />

an den I.<br />

Weltkrieg kamen<br />

später noch die<br />

drei ovalen Reliefs<br />

über dem Haupteingang<br />

hinzu.)<br />

“Der Bau ist frei<br />

von historischen<br />

Stilformen, ein<br />

Erzeugnis neuer<br />

deutscher Bauweise,<br />

geschaffen Helle, übersichtliche und geräumige Flure an den Hofseiten<br />

nach ewig bestehenden ästhetischen vollkommensten sehen. Die tragenden<br />

Grundgesetzen...Für die Ausbildung des Eisenbetonpfeiler steigen zwischen den<br />

Äußeren und Inneren der Schulen stellten<br />

wir obenan die Forderungen: Wahr starken Bögen und diese wiederum die<br />

Fenstern sichtbar auf und tragen die<br />

und echt und dabei einfach. Überall die dazwischen gespannten Eisenbetondecken.<br />

Das Ganze ist in einem einzigen,<br />

Konstruktion sehen lassen, nicht verdecken,<br />

das Material zeigen in seinem aber schönen Tone bemalt, und nur die<br />

wahren Wesen, nichts vortäuschen wollen.<br />

Das kann man z.B. in der Aula am tale Malerei herausgehoben. Die<br />

tragenden Balken sind durch ornamen-<br />

Wir-<br />

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Titel |<br />

9


Görlitzer Moderne<br />

Moderne<br />

vor 100 Jahren –<br />

Die Turnhalle unter der Aula 1913<br />

kung des Raumes liegt in seiner einfachen,<br />

aber klaren Gestaltung: die lange,<br />

lichtgebende Fensterreihe, darunter die<br />

Warmluftzuführung und darunter das<br />

einfache, zweckmäßige Holzpaneel.”<br />

Die denkmalpflegerische Sanierung der<br />

Altbauten, ergänzt um einen Neubau in<br />

Richtung Sattigstraße, fand 1999 mit<br />

Recht viele Bewunderer. Es war eine<br />

überraschende Wiederentdeckung reinster<br />

Moderne, und das in Görlitz. Kürzlich<br />

übernahm nun die neue Kreisverwaltung<br />

die Schulen. Ein Pressebeitrag unter der<br />

Überschrift “Spezialplatten garantieren<br />

den guten Ton” ließ aufhorchen. Für<br />

Sitzungen des Kreistages soll die Akus-<br />

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10<br />

Titel |


Görlitzer<br />

Schulkomplex in Moderne<br />

Südstadt<br />

tik der Aula für 30000 Euro verbessert<br />

werden. Bis 1990 kamen die Stadtverordneten<br />

im großen Saal der Stadthalle<br />

zusammen - warum nicht alle Mittel<br />

auf dieses Gebäude konzentrieren? Warum<br />

wird das ursprüngliche architektonische<br />

Anliegen, die Materialien (Putz,<br />

Beton, Eisen, Holz) frei sichtbar zu lassen<br />

statt sie zu verkleiden, nicht durch<br />

die Denkmalpflege geschützt? Warum<br />

genügte die Aula fast 100 Jahre auch<br />

akustisch, vorausgesetzt, die Redner<br />

wußten sich deutlich und vernehmlich<br />

auszudrücken? Überstürzte Nützlichkeitserwägungen<br />

dürfen sich nicht gegen<br />

hochrangige Zeugnisse städtischer<br />

Baukultur richten. Die Denkmalpflege,<br />

leider den Auftraggebern dienstlich unterstellt,<br />

darf nicht an dem Ast sägen<br />

lassen, auf dem wir sitzen - der für den<br />

überlebenswichtigen Tourismus unverwechselbaren<br />

kostbaren Architektur. Wo<br />

bleiben nun die vorgeblichen Liebhaber<br />

der Moderne in Görlitz mit ihrem Einspruch?<br />

Ein Witz: Gleichzeitig wird der<br />

alte Lesesaal der Stadtbibliothek (1908)<br />

nach behutsamer denkmalpflegerischer<br />

Sanierung der Öffentlichkeit übergeben.<br />

Baugeschichtliche Treue und heutige<br />

technische Erfordernisse vertragen<br />

sich hier. Bei gutem Willen ist vieles<br />

möglich. Vergessen sind leider frühere<br />

hiesige Schwabenstreiche rund um die<br />

Akustik. 1937 wurden vor dem Schlesischen<br />

Musikfest im großen Saal der<br />

Stadthalle Rangbrüstungen und Wände<br />

sachlich verputzt und ursprüngliche<br />

Schmuckelemente als veraltet entfernt.<br />

Aber die gleichen Schmuckelemente<br />

vom gleichen Architekten Sehring werden<br />

heute in Cottbus im sanierten berühmten<br />

Jugendstiltheater einhellig<br />

bewundert. 1939 wurde der Zuschauerraum<br />

des Stadttheaters versachlicht;<br />

bei der jüngsten Sanierung kam man<br />

auf die Raumgestaltung des 19. Jahrhunderts<br />

zurück, und in der redseligen<br />

Stadtwerbung ist nun gar die Rede von<br />

der “Görlitzer Semperoper”. Ob man die<br />

Verschalungen aus der Schulaula wieder<br />

entfernt, falls Hollywood für einen Film<br />

eine echte Halle von 1913 sucht?<br />

Dr. Ernst Kretzschmar<br />

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Titel | 11


Das Haus Löbauer<br />

Straße7<br />

7 –<br />

Um zurückzukommen<br />

zur Löbauer Straße 7<br />

sei noch angefügt, dass<br />

nach der Firmenschließung<br />

Ernst Herbst &<br />

Firl im Jahre 1919 der<br />

„Hirschhorn-Waaren-Fabrikant“<br />

Hugo Gutte die<br />

Fabrik kaufte und dort<br />

ein florierendes Unternehmen<br />

für Reiseandenken<br />

etablierte. Hugo Gutte<br />

stammte aus einem<br />

mittelständischen Handwerks-<br />

und Kaufmanns-<br />

Unternehmen. Bereits<br />

sein Vater Louis Gutte<br />

fertigte und verkaufte<br />

Schirme, Stöcke und verarbeitete<br />

Hirschhorn zu<br />

Knöpfen und Andenken.<br />

Hugo Gutte studierte in<br />

Philadelphia/USA, lernte<br />

dort seine Ehefrau kennen<br />

und übernahm 1919<br />

o.g. Betrieb von seinem<br />

Vater. Spezialität des Un-<br />

Löbauer Straße 7, Aufnahme 1984<br />

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12<br />

Geschichte |


Löbauer<br />

Versuch einer Beschreibung<br />

Straße<br />

(Teil<br />

7II)<br />

ternehmens waren die sogenannten<br />

Perlmuttbilder, die vornehmlich in den<br />

Touristenzentren an der See vertrieben<br />

wurden. Bereits drei Jahre nach der Firmengründung<br />

verkaufte Hugo Gutte den<br />

Betrieb bzw. die Betriebsräume 1922 an<br />

Frau Emma Nerger, Görlitzer Möbelfabrik<br />

E. Nerger.<br />

Alfred Herbst, jetzt 44jährig, führt weiterhin<br />

die Firma „Photokontor Alfred<br />

Herbst“, bis er 1934 sein „Photokontor<br />

Alfred Herbst“ an Wilhelmsplatz 9 verlegt<br />

und 1947 die Gründung eines Lichtbildverlages<br />

bekanntgibt. 1950 wird die<br />

Firma aufgegeben, womit der Letzte<br />

der Herbstfamilie aus der Photoindustrie<br />

aussteigt. Alfred Herbst ist dann<br />

1961 verstorben. Und noch ein Name<br />

muss im Reigen der photographischen<br />

Bedarfsartikelhersteller im Zusammenhang<br />

mit der Löbauer Straße 7 genannt<br />

werden. Paul Quill, geboren 1881, gründete<br />

im Jahre 1920 Augustastraße 12<br />

eine Firma für Atelier-und Reisekameras,<br />

die die bekannte Handkamera „Quilette“<br />

herstellte. Diese Kamera konnte<br />

sich jedoch nicht am Markt behaupten<br />

und tauchte später in modifizierter Form<br />

in Dresden auf. Das Geschäft lief jedoch<br />

nicht so wie geglaubt, und die Firma<br />

wurde „unter Aufsicht“ gestellt. Neue<br />

Inhaberin war Margarete Quill. 1927/28<br />

zog die Firma dann in neue Werkräume<br />

Löbauer Straße 7. 1928 wurde die Firma<br />

danach aufgegeben und 1936 aus dem<br />

Handelsregister gelöscht. Mehr Glück<br />

hatte Paul Quill mit seiner neugegründeten<br />

„Spezial-Photohandlung Görlitz“,<br />

die er bis zum Jahre 1964 in verschiedenen<br />

Geschäften führte und leitete. Paul<br />

Quill verstarb im Mai 1965.<br />

Mit dem Auszug von Paul Quill im Jahre<br />

1928 sowie der Geschäftsverlegung<br />

von Alfred Herbst im Jahre 1934 ging<br />

die 38jährige Geschichte der photographischen<br />

Bedarfsartikelherstellung Löbauer<br />

Straße 7 zu Ende. Geblieben waren<br />

die Pioniere der Photographie an der<br />

Fassade des Hauses sowie die abgebröckelte<br />

Inschrift am Giebel des Fabrikgebäudes.<br />

Das Wissen um die Bedeutung<br />

dieser einstigen Fertigungsstätte sowie<br />

die photographische Industriegeschich-<br />

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Geschichte | 13


Das Haus Löbauer<br />

Straße7<br />

7 –<br />

Löbauer Straße 7 im heutigen Zustand<br />

te um das Grundstück verblasste zusehens.<br />

Fremdfirmen kamen und gingen,<br />

der letzte Betrieb vor der Wende<br />

1989/90 war der VEB Kältetechnik Görlitz.<br />

Erst mit einem erneuten Verkauf des<br />

Grundstückes in Privathand im Jah-<br />

re 1994, der Restaurierung und Sanierung<br />

der Wohngebäude sowie Fabrikanlagen<br />

kam wieder das Wissen über die<br />

Geschichte der Löbauer Straße 7 in Erinnerung.<br />

Dank der Initiative des neuen<br />

Besitzers sowie einiger engagierter<br />

fotointeressierter Mitstreiter konnte<br />

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14<br />

Geschichte |


Löbauer<br />

Versuch einer Beschreibung<br />

Straße<br />

(Teil<br />

7II)<br />

im Jahre 1999/2000 die „Gesellschaft<br />

für das Museum der Fotografie Görlitz<br />

e.V.“ gegründet werden und sich in den<br />

Räumlichkeiten etablieren. Nach acht<br />

Jahren intensiver Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten<br />

wurden sehr gute<br />

Bedingungen für Ausstellungen und ein<br />

Mediencenter mit Dunkelkammer, Computerraum<br />

und Konferenzsaal geschaffen.<br />

Das Museum der Fotografie, kurz<br />

„Fotomuseum Görlitz“, hat sich die Aufgabe<br />

gestellt, die photographische Görlitzer<br />

Industriegeschichte zu erforschen<br />

und zu dokumentieren sowie die Sammlung<br />

photographischer Apparate und<br />

Gegenstände in einer Technikausstellung<br />

zu bewahren, zu pflegen und ständig<br />

zu ergänzen.<br />

Impressum:<br />

Herausgeber (V.i.S.d.P.):<br />

StadtBILD-Verlag<br />

Inh. Thomas Oertel<br />

Carl-von-Ossietzky Str. 45<br />

02826 Görlitz<br />

Ruf: 03581/ 87 87 87<br />

Fax: 03581/ 40 13 41<br />

Mail: info@stadtbild-verlag.de<br />

www.StadtBILD.GR<br />

Verantw. Redakteur:<br />

Kathrin Drochmann<br />

Redaktion:<br />

Dr. Ernst Kretzschmar, Dipl. Ing. Eberhard Oertel<br />

Layout:<br />

Andreas Ch. Oertel, Kathrin Drochmann, Marion Schneider,<br />

Marnie Willig<br />

Anzeigen verantw.<br />

Dipl. Ing. Eberhard Oertel<br />

Funk: 0174/ 31 93 525<br />

Bertram Oertel<br />

Funk: 0151/ 14 43 13 11<br />

Hans Brettschneider<br />

Quellen:<br />

Archiv Fotomuseum Görlitz<br />

Helmut Thiele: Die Fotoindustrie in Görlitz<br />

Werner Hahn: Kameras aus der Tischlerei, Görlitzer Kameraproduktion<br />

1881 bis 1991<br />

Druck: www.print-mania.de<br />

Teile der Auflage werden auch kostenlos verteilt, um eine größere<br />

Verbreitungsdichte zu gewährleisten.<br />

Für eingesandte Texte & Fotos übernimmt der Herausgeber<br />

keine Haftung. Artikel, die namentlich gekennzeichnet sind,<br />

spiegeln nicht die Auffassung des Herausgebers wider. Anzeigen<br />

und redaktionelle Texte können nur nach schriftlicher<br />

Genehmigung des Herausgebers verwendet werden.<br />

Anzeigenschluss für die April-<strong>Ausgabe</strong>: 15. März<br />

<strong>2009</strong> - Redaktionsschluss: 15. März <strong>2009</strong><br />

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Geschichte |<br />

15


Preußisches Bergrevier –<br />

Bergrevier<br />

Bezeichnung als Bergamt bereits 1937<br />

Eine Neugliederung der Bergverwaltung<br />

in Preußen erfolgte mit dem Gesetz<br />

über die Kompetenz der Oberbergämter<br />

vom 10.6.1861, damit schuf man<br />

eine landesweit einheitliche und klar<br />

strukturierte Bergverwaltung. In diesem<br />

Zuge wurden sämtliche Bergämter<br />

einschließlich deren Unterstrukturen<br />

aufgelöst. Der Bezirk des Oberbergamtes<br />

Breslau wurde am 18.9.1861 in<br />

10 Reviere gegliedert. Diese wurden<br />

mit Revierbeamten besetzt, die dem<br />

Oberbergamt angegliedert waren und<br />

zunächst ausschließlich<br />

die lokale Aufsicht<br />

über den Privatbergbau<br />

ausübten.<br />

Das Bergrevier Görlitz<br />

wurde 1861 durch<br />

O. Schmidt (Berggeschworener)<br />

besetzt,<br />

der diese Funktion bis<br />

1877 ausübte. Später<br />

wurde dessen Aufgabenbereich<br />

noch um<br />

die Annahme der Mutungen,<br />

Gewerbe- und<br />

Dampfkesselaufsicht sowie ab 1893 um<br />

die Aufsicht über die fiskalischen Bergwerke<br />

und Salinen erweitert.<br />

Es ist anzunehmen, daß dieser Beamte<br />

bereits vom Beginn seiner Tätigkeit<br />

an mit Teilen Niederschlesiens, dem<br />

Wartheland und West- sowie Ostpreußen<br />

das mit Abstand territorial größte<br />

Bergrevier im Oberbergamtsbezirk<br />

zu beaufsichtigen hatte. Jedoch beschränkte<br />

sich der Bergbau im Norden<br />

hauptsächlich auf den aus der regulären<br />

Bergverwaltung ausgegliederten<br />

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16<br />

Geschichte |


Bergamt zu Görlitz<br />

zu<br />

1861<br />

Görlitz<br />

- 1946<br />

ostpreußischen Bernsteinabbau<br />

in Palmnicken,<br />

während im<br />

Wartheland u.a. die<br />

Salzlager um Hohensalza<br />

sowie Braunkohlenvorkommen<br />

genutzt<br />

wurden. Den Schwerpunkt<br />

bildete jedoch<br />

der Braunkohlenabbau<br />

im niederschlesischen<br />

Raum, so daß<br />

dadurch die völlig dezentrale<br />

Lage des Reviersitzes<br />

in Görlitz einigermaßen kompensiert<br />

wurde.<br />

Die Revierbeamten und die Markscheider<br />

unterstanden der Aufsicht des<br />

Oberbergamtes. Die Grenzen der Revierbezirke<br />

sind entsprechend dem<br />

wechselnden Bedarf vielfach geändert<br />

worden, die Bekanntmachung erfolgte<br />

durch die Oberbergämter in den Regierungsamtsblättern.<br />

Im Jahre 1900 erfolgte auf Initiative<br />

des Görlitzer Bergrates Laske die Einrichtung<br />

einer Bergvorschule in Görlitz,<br />

Siegel des Bergrevierbeamten von 1922<br />

die der Vorbereitung von Bergleuten<br />

zum Besuch einer Bergschule diente.<br />

Bereits 1904 stellte sie jedoch ihre Tätigkeit<br />

wieder ein, da sich einerseits<br />

ein neuer Lehrgang wegen zu geringer<br />

Teilnehmerzahl nicht lohnte und der Initiator<br />

versetzt wurde.<br />

In Folge der Vereinigung des Reichsund<br />

des Preußischen Wirtschaftsministeriums<br />

wurde das Bergrevier bereits<br />

1934 zur Reichsbergbehörde.<br />

Entsprechend der politischen Entwicklung<br />

nach 1939 dehnte sich das Revier<br />

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Geschichte |<br />

17


Preußisches Bergrevier –<br />

Bergrevier<br />

Schützenstraße 7<br />

auf die gesamten Reichsgaue Danzig-<br />

Westpreußen und Wartheland sowie<br />

die Provinz Ostpreußen aus. Ab 1943<br />

erhielt das Bergrevier den Status eines<br />

Bergamtes. Die Bezeichnung Bergamt<br />

hatte sich aber bereits vorher durchgesetzt,<br />

wie der Beleg von 1937 zeigt.<br />

Durch die Verordnung über die Reviergrenzen<br />

vom 25.3.1943 ergaben sich<br />

größere Veränderungen der Abgrenzungen<br />

mit den Bergrevieren Cottbus<br />

und Frankfurt (Oder).<br />

Das Bergamt Görlitz, das seinen Sitz<br />

Schützenstr. 7 hatte, beaufsichtigte nun<br />

alle ostpreußischen Regierungsbezirke:<br />

Königsberg, Allenstein und Zichenau,<br />

den niederschlesischen Regierungsbezirk<br />

Liegnitz außer dem Stadt- und Landkreis<br />

Hirschberg und den Landkreisen<br />

Jauer und Landeshut, Regierungsbezirke<br />

Danzig, Marienwerder und Bromberg<br />

und Regierungsbezirke Posen,<br />

Hohensalza und Litzmannstadt (Lodz).<br />

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges<br />

wurden die Räume des Bergamtes<br />

in Görlitz, Schützenstr. 7, vom sowje-<br />

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18<br />

Geschichte |


Bergamt zu Görlitz<br />

zu<br />

1861<br />

Görlitz<br />

- 1946<br />

tischen Geheimdienst beschlagnahmt.<br />

Im Sommer 1945 wurde das Bergamt<br />

Görlitz in den Aufsichtsbezirk der sächsischen<br />

Bergverwaltung eingegliedert<br />

und setzte seine Tätigkeit in der Wohnung<br />

des Ersten Bergrates Hans Förster<br />

fort. Damit übernahm das Oberbergamt<br />

Freiberg die bisherige Aufgabenstellung<br />

des Oberbergamts Breslau.<br />

Der stark verkleinerte Bergamtsbezirk<br />

bestand aus den Landkreisen Görlitz,<br />

Rothenburg und Hoyerswerda, soweit<br />

diese zum Westteil des ehemaligen Regierungsbezirkes<br />

Liegnitz gehört hatten.<br />

Auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration<br />

Deutschland wurden am<br />

1.Oktober 1946 alle Bergämter in Technische<br />

Bezirks-Bergbau-Inspektionen<br />

umgewandelt und der Deutschen Zentralverwaltung<br />

der Brennstoffindustrie<br />

in der Sowjetischen Besatzungszone<br />

unterstellt. Am 1. Januar 1947 erfolgte<br />

schließlich die Auflösung der Technischen<br />

Bezirks-Bergbau-Inspektion Görlitz.<br />

Der Bezirk ging an die Technische<br />

Bezirks-Bergbau-Inspektion Dresden<br />

über.<br />

Das Bergrevier/Bergamt wurde in den<br />

Jahren von 1861 von 9 Personen geleitet.<br />

Besonders zu nennen ist der Erste Bergrat<br />

Friedrich Illner, welcher in der Zeit<br />

1905 – 1926 dem Bergrevier vorstand.<br />

Der Bergrat Illner war auch Präsident<br />

der Naturforschenden Gesellschaft zu<br />

Görlitz von 1918 - 1933.<br />

Der Erste Bergrat Hans Förster stand<br />

dem Bergamt Görlitz in der Zeit von<br />

1928 – 1946 vor. Seine Tätigkeit in Görlitz<br />

begann aber bereits im Mai 1917.<br />

Die Akten des Bergamtes sind 1945 beschlagnahmt<br />

worden, und erst 1948 erhielt<br />

die Landesanstalt die Erlaubnis zur<br />

Abholung der Akten und brachte diese<br />

nach Berlin. Bei der Übernahme verblieben<br />

2 t „ältere und Verwaltungsakten“<br />

wegen Überladung in Görlitz. Damit<br />

begann die Zersplitterung des Aktenbestandes,<br />

und es wird nun durch das<br />

Bergarchiv Freiberg versucht, ihn wie-<br />

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Geschichte |<br />

19


Preußisches Bergrevier<br />

Bergrevier<br />

der zusammenzuführen. Die im Jahr<br />

2004 vorgenommene Erschliessung der<br />

Akten umfasst einen Bestand von 18,6<br />

lfm und 295 Rissen, welche über Findbücher<br />

registriert sind.<br />

Im Monat März ist der 130 Geburtstag<br />

von Hans Förster und der Verein der<br />

Oberlausitzer Bergleute e. V. wird dies<br />

zum Anlass nehmen an diesen verdienstvollen<br />

Görlitzer Bürger zu erinnern.<br />

Joachim Neumann<br />

Verein Oberlausitzer Bergleute e.V.<br />

Quellen:<br />

Sächsisches Archivblatt Heft 2/ 2005 von Henry Zimmermann<br />

Bergarchiv Freiberg<br />

Veröffentlichung von Henry Zimmermann im Internet<br />

Stichwort Bergrevier Görlitz<br />

Maschinenschriftliches Manuskript 1968 Freiberg von Karl<br />

Löwe<br />

Bilder:<br />

Archiv Verein Oberlausitzer Bergleute e.V.<br />

Privatunterlagen Joachim Neumann<br />

Foto Illner aus Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft<br />

zu Görlitz Bd.30, 2. Heft 1928<br />

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20<br />

Geschichte |


Hans Förster,<br />

Förster<br />

I. Bergrat in Görlitz<br />

Hans Förster wurde am 31.3.1879 in<br />

Calbe an der Saale geboren. Seine zweite<br />

Heimat wurde jedoch Görlitz, wo er<br />

fast 30 Jahre erfolgreich die Geschicke<br />

des Bergbaus in dem flächenmäßig<br />

größten Bergrevierbereich Deutschlands<br />

überwacht und begleitet hat.<br />

Nach dem Besuch der Bürgerschule in<br />

Calbe wechselte er an die Oberrealschule<br />

nach Magdeburg, wo er am<br />

15.3.1899 das Abitur ablegte. Danach<br />

absolvierte er ein praktisches<br />

Jahr im Bergbau Untertage, eine<br />

zur damaligen Zeit unabdingbare<br />

Voraussetzung für ein Studium an<br />

einer Bergakademie. Die Berufslaufbahn<br />

begann in Obernkirchen<br />

bei Bückeburg im Weserbergland<br />

mit einen halben Jahr Arbeit im<br />

Steinkohlenbergbau, Fortsetzung<br />

fand dies nochmals für ein halbes<br />

Jahr mit Ablegung der Probegrubenfahrt<br />

im Erzbergbau in Lauthertal<br />

a. Harz.<br />

Das Bergbaustudium begann er zuerst<br />

an der Universität Halle und<br />

beendete dieses an der Berguniversität<br />

Clausthal – Zellerfeld/ Harz mit dem Abschluss<br />

Bergreferent. Das Examen zum<br />

Bergassessor legte er am 8.11.1908<br />

in Berlin im damaligen Ministerium für<br />

Handel und Gewerbe ab.<br />

Nach dem Militärdienst begann der Berufsweg<br />

am 19.4.1909 am Oberbergamt<br />

Clausthal.<br />

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Persönlichkeiten |<br />

21


Hans Förster,<br />

Förster<br />

I. Bergrat in Görlitz<br />

I. Bergrat Hans Förster<br />

In Clausthal- Zellerfeld heiratete<br />

er 1909 Elsa Wiegel. Ihre<br />

beiden Töchter Lotte und Margarete<br />

wurden 1911 bzw. 1912<br />

geboren. 1923 wurde der Sohn<br />

Klaus-Dieter geboren. Er starb<br />

1942 in einem Lazarett an der<br />

Ostfront.<br />

Der weitere Berufsweg führte<br />

1913 über das Gesamtbergamt<br />

Obernkirchen und weiter<br />

ab 8.9.1916 an das Bergrevier<br />

Gleiwitz. Am 1.10.1916 erfolgte<br />

die Beförderung zum Königlichen<br />

Berginspektor.<br />

Seine weitere erfolgreiche Berufslaufbahn<br />

fand am 1.5.1917<br />

in Görlitz für 29 Jahre ihre Fortsetzung.<br />

Unter dem 1. Bergrat<br />

Friedrich Illner (1905-1926)<br />

arbeitete er zunächst als Berginspektor<br />

und später als Bergrat<br />

i. Sonderstellung. Ab 1928<br />

stand Hans Förster als 1. Bergrat<br />

an der Spitze des Bergreviers<br />

Görlitz und ab 1943 dem<br />

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22<br />

Persönlichkeiten |


Hans<br />

Zum 130. Geburtstag<br />

Förster<br />

Bergamt Görlitz vor.<br />

Försters wohnten in Görlitz Seydewitzstraße<br />

33 (jetzt Carl-von-Ossietzky-<br />

Str.).<br />

Im Jahre 1943 beantragte Bergrat<br />

Hans Förster beim OBA Breslau seine<br />

Pensionierung. Auf Grund der<br />

Kriegsereignisse wurde der Antrag<br />

nicht mehr bearbeitet.<br />

Durch Verfügung des Landesverwaltung<br />

Sachsen, Abt. Wirtschaft,<br />

Arbeit und Verkehr v. 28.8.1945<br />

wurde zunächst Herr Otto Kretschmer<br />

mit der Leitung des BA Görlitz<br />

beauftragt. Am 24.10.1945 setzte<br />

das OBA Freiberg Hans Förster wie-<br />

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Persönlichkeiten | 23


Hans Förster,<br />

Förster<br />

I. Bergrat in Görlitz<br />

der ein. Die Tätigkeit des<br />

Bergamtes wurde in der<br />

Wohnung des 1. Bergrates<br />

fortgesetzt.<br />

Hans Förster verstarb am<br />

6.7. 1946 in Görlitz.<br />

Der nach der Auflassung<br />

der Grabstelle umgesetzte<br />

und damit bewahrte Grabstein<br />

befindet sich auf dem<br />

alten Friedhof, Abteilung<br />

X.<br />

Die Enkel von Hans Förster,<br />

Frau Ute Völker und<br />

Herr Klaus Schmidt, leben<br />

heute in Berlin und<br />

Mahlow. Dank Ihrer Unterstützung<br />

in Wort und Bild<br />

konnte dieser Artikel erst<br />

geschrieben werden.<br />

Verein Oberlausitzer Bergleute<br />

Joachim Neumann/ Winfried<br />

Engwicht<br />

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24<br />

Persönlichkeiten |


Leserbrief<br />

Isolde von der Emmerichstraße –<br />

Isolde Gatzke heute<br />

In unserem vorigen Heft berichtete unsere<br />

Leserin Isolde Gatzke über ihre Kindheit<br />

an der Emmerichstraße in Görlitz; es<br />

folgt nun die Fortsetzung: Von der Hitler-<br />

Zeit bekamen wir wenig mit, waren “Jung-<br />

Mädchen” und noch zu jung für die Hitler-<br />

Jugend. Mein Vater legte Wert darauf, daß<br />

wir zu den Heimatabenden gingen. Als<br />

der Krieg begann, wurde mein Vater eingezogen.<br />

Er war zuerst in Frankreich, wo<br />

auch ein Heimaturlaub möglich war, später<br />

in Rußland. Bei Fliegeralarm mußten<br />

wir raus aus dem warmen Bett. Mit einem<br />

Köfferchen mit persönlichen Unterlagen<br />

saßen wir mit den anderen Hausbewohnern<br />

bei Kerzenschein im Keller. Von Bombenabgriffen<br />

wurde Görlitz weitgehend<br />

verschont. Anfang 1945 wurden wir noch<br />

evakuiert. Es hieß: Die Russen kommen.<br />

Wir schlossen uns einem Treck an. Irgendwo<br />

wurden wir in Viehwaggons geladen.<br />

Für uns Kinder war das alles ein richtiges<br />

Abenteuer. Als wir nach Görlitz zurückkamen,<br />

waren die Russen schon da. Wir litten<br />

Hunger und zogen über Land. Es wurde<br />

gebettelt, getauscht und geklaut. Wir<br />

saßen am Rand der Getreidefelder und<br />

warteten, bis der Bauer das Feld freigab<br />

zum Ährenlesen. Ebenso war es an den<br />

Kartoffelfeldern. Ich klaute in den Gärten<br />

die Äpfel von den Bäumen und die Briketts<br />

von den Loren auf dem Güterbahnhof. Irgendwann<br />

kam die Währungsreform. Jeder<br />

bekam 40 Mark, und so waren wir alle<br />

gleich. Es gab Lebensmittelkarten, und so<br />

hieß es sparsam wirtschaften. Oft saßen<br />

wir schon am späten Nachmittag im Dunkeln,<br />

weil es immer wieder Stromsperren<br />

gab. Es gab kaum Kerzen, Kohle, Obst,<br />

Gemüse. Ein riesiger Flüchtlingsstrom ergoß<br />

sich 1945 über die Neiße. Auch meine<br />

Großeltern waren dabei, und wir nahmen<br />

sie bei uns auf. Mein Großvater starb darauf<br />

an gebrochenem Herzen. 1947 wurde<br />

ich in der Frauenkirche konfirmiert. Geldgeschenke<br />

wie heute gab es nicht. Mein<br />

Vater war nicht aus dem Krieg nach Hause<br />

gekommen. Unsere Hausbewohner<br />

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Leserbriefe |<br />

25


Leserbrief<br />

Isolde von der Emmerichstraße –<br />

Anders und Schmidt waren schon da, es<br />

fehlte nur noch mein Vater. Eines Tages<br />

erhielten wir die Nachricht, daß er in Ostpreußen<br />

gefallen sein sollte. Er galt von<br />

da an als vermißt. Erst 40 Jahre später erhielten<br />

wir vom Roten Kreuz die Bestätigung,<br />

daß er auf dem Soldatenfriedhof in<br />

Pillau beerdigt worden ist. Meine Mutter<br />

versuchte uns mit Putzen über Wasser zu<br />

halten. Eine Witwen- oder Halbwaisenrente<br />

gab es nicht, da mein Vater nur als vermißt<br />

galt. Meine Schwester begann in der<br />

Ratsdruckerei Demianiplatz eine Lehre als<br />

Buchbinderin.<br />

Ich begann 1949 eine Lehre als Industrie-<br />

Kaufmann in der LOWA. Ich mußte alle<br />

Abteilungen durchlaufen und ein Vierteljahr<br />

praktisch als Schlosserlehrling in der<br />

Lehrwerkstatt arbeiten. Im Betrieb gab es<br />

bald eine Gymnastikgruppe, die mit Reifen,<br />

Keulen und roten Bällen bei Veranstaltungen<br />

in Betrieben und der Stadthalle<br />

auftrat. Ich war dabei, und es hat viel<br />

Spaß gemacht. Natürlich gab es auch die<br />

FDJ, Politabende und Zeitungsschauen.<br />

Wir hatten einen großen LOWA-Chor und<br />

sangen “Bau auf, bau auf, Freie Deutsche<br />

Jugend bau auf” und auch “LOWA-Jugend<br />

voran, voran alle Mann!”. Wir trugen blaue<br />

Blusen und die Jungs blaue Hemden. Am<br />

1. Mai gingen die Betriebe geschlossen zur<br />

Maikundgebung. Wir marschierten immer<br />

am Schluß und machten uns irgendwann<br />

aus dem Staube. In dieser Zeit war unser<br />

größtes Vergnügen das Tanzen. Wir hatten<br />

schöne Tanzlokale wie das Konzerthaus<br />

an der Leipziger Straße (Kapelle Martin<br />

Viertel), Görlitzer Hof Berliner Straße,<br />

Flora und Zwei Linden in Rauschwalde.<br />

Schön war es immer im Stadthallengarten<br />

mit zwei Tanzflächen und richtigem Tanztee<br />

am Nachmittag. Alle konnten toll tanzen,<br />

ob Junge oder Mädchen. Wir gingen<br />

viel ins Kino; es gab Palast-Theater, Capitol,<br />

Apollo, Passage-Lichtspiele und Union-<br />

Theater. Wir sahen alte Filme mit Marika<br />

Rökk, Zarah Leander und René Deltgen.<br />

Das war die Zeit der jungen Liebe. Wir<br />

gingen ins Kino, letzte Reihe, dort konnte<br />

man sich besser küssen. Auch die Parkbänke<br />

und Hausecken wurden genutzt,<br />

denn an einen fahrbaren Untersatz war<br />

nicht zu denken.<br />

1952 bestand ich die Lehre als Industrie-<br />

Kaufmann. Ich arbeitete in der Gütekontrolle<br />

der LOWA als Sekretärin. Damals<br />

wurden Eisenbahnwagen für die Sowjetunion<br />

als Reparationsleistungen gebaut.<br />

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26<br />

Leserbriefe |


Aus einem Leserbrief, Teil II<br />

Mit Schreibmaschine im Testwaggon um 1952<br />

Bei Probefahrten war ich mit Stenoblock<br />

und Schreibmaschine dabei, um festgestellte<br />

Mängel festzuhalten.<br />

Am 17. Juni 1953 gab es den Aufstand<br />

in der DDR. Man traf sich im Werk II der<br />

LOWA, weiter ging es zum Maschinenbau,<br />

zu Meyer-Optik. Alle schlossen sich an,<br />

zogen durch die Straßen, holten die Bonzen<br />

aus ihren Büros, befreiten die Gefangenen<br />

und marschierten zur Kundgebung<br />

auf den Obermarkt. Wir jungen Leute waren<br />

dabei. Am nächsten Morgen standen<br />

russische Panzer an den Ausgängen Werk<br />

I und Werk II. “Rädelsführer”<br />

wurden abgeholt<br />

und auf Lastwagen<br />

geladen. Sie landeten in<br />

Bautzen, dem berüchtigten<br />

Zuchthaus für politische<br />

Gefangene. Auch<br />

ich wurde abgeholt und<br />

verhört bis in die Abendstunden.<br />

Ich hatte ein<br />

Protokoll in einer Betriebsversammlung<br />

verfaßt,<br />

das im Sender RIAS<br />

Berlin gesendet worden<br />

sein sollte. Ich wurde<br />

in den Einkauf versetzt.<br />

Später war ich Sachbearbeiterin für Planung<br />

und Statistik. Mit meinen Freundinnen<br />

Erika und Eva ging ich in den Westen.<br />

Ein Jahr nach dem Mauerbau zogen auch<br />

Mutter und Großmutter aus Görlitz nach<br />

Karlsruhe, wo ich mit meiner Schwester<br />

wohnte. Mit meiner Schwester möchte ich<br />

zum Stadtfest <strong>2009</strong> in Görlitz kommen. Ob<br />

es dort noch Arbeitskollegen aus der Zeit<br />

1947 bis 1953 gibt?<br />

Isolde Gatzke, geb. Mährdel<br />

Karlsruhe<br />

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Leserbriefe |<br />

27


Die Ludwigsdorfer Wehrkirche –<br />

Die Ludwigsdorfer Wehrkirche liegt ziemlich<br />

am nördlichen Ende des Niederdorfes,<br />

auf einer markanten Spornlage zur<br />

Neißeaue. Urkunden über deren Erbauung<br />

sind nicht vorhanden. Bisher dachte<br />

man, nach Schätzungen<br />

von Bausachverständigen,<br />

dass<br />

die spätromanische<br />

Wehrkirche zu Ludwigsdorf,<br />

wie auch<br />

der Friedhof, etwa<br />

in der Zeit um 1250<br />

entstanden seien, da<br />

die Dorfbewohner<br />

zu damaliger Zeit<br />

stets in unmittelbarer<br />

Nähe der Kirche<br />

ihre Toten begruben.<br />

Neuesten Erkenntnissen<br />

einer Holzun-<br />

Feierlicher Transport der Glocke, 1921<br />

tersuchung zufolge<br />

wurden die ältesten Teile der Dachkonstruktion<br />

jedoch auf 1192/1193 datiert,<br />

also muß die Grundsteinlegung wohl bereits<br />

im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts<br />

erfolgt sein. Damit zählt die Kirche<br />

zu den ältesten Gebäuden der Region,<br />

insbesondere der Dachstuhl zu den frühesten<br />

erhaltenen und datierten Holzkonstruktionen<br />

Deutschlands. Lediglich<br />

der Turm wurde vermutlich erst in der<br />

zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts aufgesetzt.<br />

Die bauliche Anordnung Saal-<br />

Chorturm-Apsis ist in unserer Region<br />

einmalig. Im Jahre 1346 gehörte die Kirche<br />

zum Erzpriesterstuhl Görlitz. Sie war<br />

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28<br />

Geschichte |


Ludwigsdorf<br />

Kulturdenkmal unserer Region<br />

Aufzug der neuen Glocke am 27.6.1921<br />

der heiligen Jungfrau Maria und der heiligen<br />

Katharina geweiht. Nach der Reformation<br />

zu Beginn des 16. Jahrhunderts<br />

trat der erste evangelische Pfarrer in<br />

Ludwigsdorf sein Amt an.<br />

Es gab zwei Altäre. Die Kirche wurde als<br />

romanische Saalkirche mit Balkendecke<br />

erbaut und um 1540 gotisch eingewölbt.<br />

Neue gotische Fenster brach man zwischen<br />

den romanischen aus. Unter dem<br />

mittelalterlichen Dachstuhl kann man das<br />

sehen. Eine Besonderheit dieser Kirche<br />

in hiesiger Gegend ist der Ostturm über<br />

dem Chor. An der Nordseite des Chores,<br />

hoch gelegen, ist das wohl älteste Fenster<br />

aus erster Bauzeit zu sehen. Äußerlich<br />

wirkt die Kirche wuchtig und gedrungen.<br />

In den Hussitenkriegen haben sich<br />

die Bewohner des Ortes gewiss hinter<br />

der Wehrmauer (nach 1420 erbaut) und<br />

in der Kirche verschanzt.<br />

Betritt man die Kirche, dann tut sich ein<br />

breiter einschiffiger Raum mit Netzgewölbe<br />

auf, an den sich der Chor mit Kreuzgewölbe<br />

im Joch und eine halbrunde Apsis<br />

anschließen. In der Apsis wurden bei der<br />

Rekonstruktion der romanischen Fenster<br />

zwei Sakramentsnischen entdeckt und<br />

freigelegt. An der Decke der Apsis und<br />

an der Nordwand des Schiffes sind unter<br />

dem Anstrich alte Malereien vorhanden.<br />

Seit der Neuausmalung der Kirche<br />

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Geschichte |<br />

29


Die Ludwigsdorfer Wehrkirche –<br />

1946, nach Beseitigung der Kriegsschäden,<br />

steht über dem zugespitzten Apsisbogen<br />

der Spruch: „Freuet euch in dem<br />

Herrn allewege, und abermals sage ich,<br />

freuet euch!“ Mit diesem Vers sollen alle<br />

Leser ermuntert werden, am Worte Gottes<br />

festzuhalten. Zwei Taufsteine stehen<br />

im Chorraum. Der ältere stammt<br />

aus spätgotischer Zeit und wurde 1744<br />

nachdatiert. Auf seinem zinnernen Taufbecken<br />

von 1766 kann dem Betrachter<br />

durch den eingravierten Spruch: „Wer da<br />

glaubet und getauft wird, der wird selig<br />

werden. Wer aber nicht glaubet, der wird<br />

verdammet werden“ die Ernsthaftigkeit<br />

der Verbindung von Taufe und einem Leben<br />

im Glauben nahe kommen.<br />

Der marmorne Taufstein wurde 1891 gestiftet.<br />

Auf einer Tafel an der Nordwand<br />

erinnern sich die Ludwigsdorfer an Gemeindeglieder,<br />

die den Schrecken des 1.<br />

Weltkrieges zum Opfer fielen.<br />

Chor und Kirchenschiff sind durch einen<br />

spitzbogigen Triumphbogen getrennt.<br />

Über ihm ist zu lesen: „Siehe, ich bin bei<br />

euch alle Tage, bis an der Welt Ende“.<br />

Im Triumphbogen führt die Treppe zur<br />

Blick auf die Orgel<br />

Kanzel nach oben.<br />

Die erst später errichteten Emporen tragen<br />

die Jahreszahlen 1587, 1653 und<br />

1674. Der aus Holzschnittwerk bestehende<br />

Altaraufsatz musste wegen Wurmfraß<br />

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30<br />

Geschichte |


Ludwigsdorf<br />

Kulturdenkmal unserer Region<br />

Blick auf den Altar<br />

im Jahre 1878 entfernt werden, dagegen<br />

ist die aus der Reformationszeit stammende<br />

Kanzel mit reichem Holzschnitzwerk,<br />

renoviert 1732 und 18<strong>69</strong>, erhalten<br />

geblieben.<br />

Diese Kanzel ist ein schönes Holzschnitzwerk<br />

aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.<br />

Zwischen Säulen sind die Evangelisten<br />

Matthäus, Markus, Lukas und<br />

Johannes auf ihr dargestellt, die Jesus in<br />

den Evangelien, im Neuen Testament der<br />

Bibel, als den Sohn Gottes beschreiben.<br />

In ihrer Mitte steht Moses mit den Gesetzestafeln,<br />

die die zehn Gebote Gottes<br />

symbolisieren. Der erste evangelische<br />

Pfarrer, Franziskus Benisch, der 1527<br />

seinen Dienst in Ludwigsdorf antrat, hat<br />

noch nicht von ihr aus gepredigt. Neben<br />

der Kanzel hängt eine Kanzeluhr - eine<br />

interessante Merkwürdigkeit aus dem 17.<br />

Jahrhundert. An ihr war die Länge der<br />

Predigt des Pfarrers für die versammelte<br />

Gemeinde abzulesen. Eine kurze Predigt<br />

mag nicht viel Anklang gefunden haben.<br />

War doch der Gottesdienst damals fast<br />

das einzige kulturelle Angebot, besonders<br />

in ländlichen Orten.<br />

Die Emporen stammen aus dem 16. und<br />

17. Jahrhundert. Ursprünglich befanden<br />

sich, so wie an der Westseite, zwei<br />

übereinander. Und im Chorraum gab es<br />

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Geschichte |<br />

31


Die Ludwigsdorfer Wehrkirche –<br />

Patronatslogen an beiden Seiten. Patronatslogen<br />

sind die oberen Emporen an<br />

der Nord- und Südseite. Diese entfernte<br />

man 1946 im Zuge der Renovierung, als<br />

nach 1945 der Sandsteinaltar gesprengt<br />

worden war. Auch die Kronleuchter von<br />

1880/81 nahmen durch den 2. Weltkrieg<br />

Schaden. Auf der zweiten Empore an der<br />

Westseite ist die Orgel zu sehen. Sie wurde<br />

1872 von der Orgelbaufirma Schlag<br />

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32<br />

Geschichte |


Ludwigsdorf<br />

Kulturdenkmal unserer Region<br />

und Söhne aus Schweidnitz in Schlesien<br />

gebaut, nachdem ihre Vorgängerin<br />

nicht mehr spielbar war. Orgelbauer und<br />

Kantoren sind fasziniert von dieser alten<br />

Schleifladenorgel mit rein mechanischer<br />

Traktur und ihrem Klang. Die Anlage zum<br />

Bälgetreten ist an ihr noch erhalten.<br />

1917 musste man die Zinnpfeifen im<br />

Prospekt zu Kriegszwecken abgeben. Sie<br />

wurden durch aluminierte Zinkpfeifen<br />

ersetzt. Im Jahre 1992 bekam die Orgel<br />

wieder zinnerne Prospektpfeifen. Von<br />

den drei 18<strong>69</strong> in Hoyerswerda umgegossenen<br />

Glocken sind die beiden größten<br />

dem Weltkriege zum Opfer gefallen. Es<br />

hängt nur noch die kleinste Bronzeglocke<br />

im Glockenstuhl, die mit der Hand zu<br />

läuten ist.<br />

Sie trägt die Aufschrift: „Sein getreu bis<br />

in den Tod, so will ich dir die Krone des<br />

Lebens geben“. 1821 wurde ein neues<br />

Dreigeläut aus Bronze von der Firma<br />

Gaittner, Breslau, beschafft. Drei Stahlglocken<br />

rufen seit 1952 in der Stimmung<br />

F, As und B zum Gottesdienst.<br />

Die wechselvolle Geschichte des Geläutes<br />

der Ludwigsdorfer Kirche ist an der<br />

Aufschrift der großen Glocke ablesbar:<br />

„Geopfert dem Vaterland 1917 und 1942<br />

Neu gegossen 1921 und 1951“.<br />

Trotz großer Schwierigkeiten zur Zeit der<br />

DDR herrschte ab 1981 rege Bautätigkeit<br />

an der Kirche. Bei der Vorbereitung zum<br />

Neuabputz wurde an der Südseite ein<br />

frühgotisches Spitzbogenportal freigelegt,<br />

das 1849 vermauert wurde, als der<br />

Eingang an der Westseite entstand. Dieses<br />

Portal baute das Baugeschäft „Bielatal“<br />

aus Pfaffroda aus den noch vorhandenen<br />

Teilen 1991 wieder auf.<br />

Im Jahr 2000 wurden das Podest für das<br />

Gestühl an der Nordseite erneuert und<br />

die Wand unter der nördlichen Empore<br />

durch Putz- und Malerarbeiten renoviert.<br />

Eine Teufelssage, die in das 19. Jh. datiert<br />

wird, verbindet die Kirche von Ludwigsdorf<br />

mit denen von Rengersdorf und<br />

Nieder Seifersdorf. Aus Wut warf Luzifer<br />

einen Stein nach der Ludwigsdorfer<br />

Kirche und traf dabei auch die anderen<br />

zwei. Seit dieser Zeit besitzen deren Türme<br />

keine spitzen Dächer mehr.<br />

Ortschronik Ludwigsdorf, 2005<br />

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Geschichte |<br />

33


Seit 1864 Feuerlöschgeräte aus Görlitz –<br />

In Görlitz kann die Herstellung von Feuerlöschgeräten<br />

in diesem Jahr (<strong>2009</strong>)<br />

auf eine 145jährige Tradition zurückblicken.<br />

Mit dieser Tradition verbunden ist aber<br />

auch das Auf und Ab einer der renommiertesten<br />

Firmen in der Neißestadt<br />

Görlitz. Sie zählt zu den ältesten Feuerlöschgerätefirmen<br />

in Deutschland und<br />

ist die drittälteste Firma dieser Stadt. Sie<br />

war damals über die Grenzen der Heimatprovinz<br />

Schlesien hinaus bekannt.<br />

Es ist die heutige und seit 1992 wieder<br />

privatisierte Firma IVECO/Magirus<br />

Brandschutztechnik Görlitz GmbH an<br />

der Dr.-Kahlbaum-Allee.<br />

Der historische Werdegang der Feuerlöschgeräteproduktion<br />

am Standort<br />

Görlitz seit den Anfängen im Jahre 1864<br />

bis heute wird am Beispiel der Firma G.<br />

A. Fischer und deren Nachfolge-Firmen<br />

(im Folgenden als „Firma“ bezeichnet)<br />

beschrieben.<br />

Die Anfänge der Löschgeräteproduktion<br />

in Görlitz<br />

Die Vorgeschichte der Herstellung von<br />

Feuerlöschgeräten und- fahrzeugen in<br />

Görlitz wurde geprägt durch die bewegte<br />

Zeitgeschichte in Deutschland<br />

sowie durch die fortschreitende technische<br />

Entwicklung in den verschiedenen<br />

Zeitabschnitten und bestimmte dadurch<br />

wesentlich die Firmengeschichte.<br />

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34<br />

Geschichte |


Feuerlöschgeräte<br />

eine Erfolgsgeschichte (Teil I)<br />

Gründungsobjekt der Firma Fischer Peterstraße<br />

15/Hainwald 2 (Archiv H.-D. Müller)<br />

Am 11. Oktober 1864 wurde auf dem<br />

Gelände an der Peterstraße 15/Hainwald<br />

2 durch den Glocken- und Gelbgießereimeister<br />

Gustav Adolf Fischer<br />

(1838 - 1880) unter dem Namen G. A.<br />

Fischer eine „Roth- und Glockengießerei“<br />

gegründet.<br />

Die erste Produktion bestand aus der<br />

Herstellung von Beschlägen, Mörsern,<br />

Werbung der Firma G.A. Fischer in regionalen<br />

Medien (Archiv H.-D. Müller)<br />

Platten und Glocken bis 100 kg. Bereits<br />

1865 erfolgte eine Umstellung der Fertigung<br />

auf wasserführende Armaturen<br />

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Geschichte |<br />

35


Seit 1864 Feuerlöschgeräte aus Görlitz –<br />

und Selbsttränkeanlagen für die Landwirtschaft.<br />

Danach wurden vorwiegend<br />

vierrädrige Handdruckspritzen gebaut.<br />

Durch die Erfindung der Schwenkvorrichtung<br />

erfreute sich auch die zweirädrige<br />

Handdruckspritze großer Beliebtheit.<br />

Die bisher übliche handwerkliche Fertigung<br />

entsprach nicht mehr den Anforderungen,<br />

da in Städten und größeren<br />

Orten Freiwillige und Berufsfeuerwehren<br />

geschaffen wurden. Dadurch entstand<br />

ein wachsender Bedarf an Löschtechnik.<br />

Nach der Erweiterung der Firma durch<br />

eine Montageabteilung begann man mit<br />

dem Bau von Schlauch- und Wasserwagen<br />

sowie kompletten Feuerlöschanlagen<br />

für Fabriken. Außerdem wurde mit<br />

Ausrüstungsgegenständen für die Feu-<br />

erwehrleute gehandelt und später die<br />

Fertigung von Kolben- und Rotationspumpen<br />

aufgenommen.<br />

Erweiterung der Firma und der Produktion<br />

Ende des Jahres 1921 war auch die Fertigungsstätte<br />

G. A. Fischer zu klein geworden.<br />

Die Schmiede sowie die Montageabteilung<br />

wurden deshalb in das<br />

Hintergebäude der Jauernicker Straße<br />

40 verlegt. In diese Zeit fällt als Ausdruck<br />

des Wirkens der allgemeinen Krise<br />

des Kapitalismus mit ihren negativen<br />

Auswirkungen auf die werktätige Bevölkerung<br />

die Inflation in Deutschland. Sie<br />

traf am meisten die Arbeiter, die Mühe<br />

hatten, ihren Wochenlohn in Nahrungsmitteln<br />

anzulegen, da der Wert ihres<br />

Verdienstes schnell um ein Vielfaches<br />

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36<br />

Geschichte |


Feuerlöschgeräte<br />

eine Erfolgsgeschichte (Teil I)<br />

sank. Herausgegebenes<br />

Notgeld in Form<br />

von Gutscheinen sollte<br />

diese Notlage etwas<br />

mindern.<br />

Einige Jahre danach<br />

stand die Aufgabe,<br />

die zersplitterte Produktion<br />

zu beseitigen<br />

und Voraussetzungen<br />

für eine rationellere<br />

Fertigungsweise zu<br />

schaffen. 1925 war<br />

es R. Klinger als Leiter<br />

der Firma G. A. Fischer<br />

und dem Direktor<br />

der Aktiengesellschaft möglich, eine<br />

seit Jahren stillgelegte Eisengießerei in<br />

Görlitz, Brückenstraße 9/11, zu kaufen.<br />

Diese Gebäude waren ursprünglich für<br />

eine Brauerei errichtet worden. In den<br />

Wasch- und Umkleideräumen für Männer<br />

war damals die Gießerei eingerichtet<br />

worden. Die Firma hieß nun G. A. Fischer,<br />

Görlitz; Feuerwehrgeräte- und Maschinenfabrik<br />

mit ihren zwei Werksteilen<br />

Brückenstraße 9 – 11 und Promenade 5/<br />

1936 Tragkraftspritze “Retterin”, kombiniert mit Schaumaggregat.<br />

Leistung: 800 L/min im Handtransport<br />

9. Zu dieser Zeit wurden Handpumpen,<br />

Löschfahrzeuge sowie Tragkraftspritzen<br />

produziert. Die bekannteste Handdruckspritze<br />

aus Görlitzer Produktion war die<br />

ab 1929 produzierte TS 8 „Retterin“ mit<br />

einem Zweitaktmotor und Kapselschieber,<br />

Ansaugpumpe bzw. später mit Gasstrahler<br />

sowie den dazugehörenden<br />

Transportanhängern unterschiedlicher<br />

Ausführungen. Obwohl 1925 die Verlagerung<br />

der Produktion erfolgte, reichten<br />

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Geschichte |<br />

37


Seit 1864 Feuerlöschgeräte aus Görlitz –<br />

diese Räume auch weiterhin nicht aus.<br />

Es wurde die angrenzende Möbeltischlerei<br />

gekauft, man verlagerte dorthin die<br />

Stellmacherei sowie die Teilschlosse-<br />

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38<br />

Geschichte |


Feuerlöschgeräte<br />

eine Erfolgsgeschichte (Teil I)<br />

rei. Das Firmengelände<br />

hatte zu dieser Zeit<br />

eine beachtliche Größe<br />

erreicht. In diese Zeit<br />

fiel auch die Bildung<br />

eines Ausschusses in<br />

Weimar aus Vertretern<br />

der Gerätehersteller<br />

und der Feuerwehren<br />

zur Erarbeitung von<br />

Richtlinien zur Prüfung<br />

von Kleinmotorspritzen.<br />

Diesem Ausschuss<br />

gehörte auch<br />

die Firma G. A. Fischer<br />

an.<br />

Im Jahre 1926 erfolgte<br />

die erste Präsentation der Firma G. A.<br />

Fischer in der „Schlesischen Feuerwehr-<br />

Zeitung“, dem offiziellen Organ des<br />

gesamten Feuerlösch- und Rettungswesens<br />

für die damalige Provinz Schlesien.<br />

Im Jahre 1927 wurden in der inzwischen<br />

erweiterten Montagehalle die Vierrad-<br />

Benzin-Motorspritzen mit Pferdezug<br />

montiert. Diese hatten eine Pumpenleistung<br />

von 600 Liter/ Minute und boten<br />

einer Mannschaft von 1:8 Platz.<br />

(Fortsetzung folgt)<br />

Autor: Hans-Dietrich Müller, Görlitz<br />

Mitautor: Heinz Gläser, Berlin (gestorben<br />

15. November 2008)<br />

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Geschichte |<br />

39


C.<br />

Leben<br />

G.<br />

und<br />

Rodewitz<br />

Werk des Caspar Gottlob Rodewitz<br />

Mit der in den Jahren 1951 bis 1953 erfolgten<br />

Restaurierung der gesamten Innenarchitektur<br />

und -ausstattung durch<br />

das Institut für Denkmalpflege Dresden<br />

(Prof. Nadler) soll die Geschichte der<br />

Deutsch-Ossiger Kirche ihren vorläufigen<br />

Abschluß finden.<br />

Jetzt richtet sich das Augenmerk auf<br />

einen Mann, der wie kein anderer entscheidenden<br />

Einfluß auf die Architektur<br />

der Kirche genommen hat. Caspar<br />

Gottlob Rodewitz (vgl. Stadtbild Heft<br />

67, S.42) wurde im September 1679 in<br />

Oderwitz geboren und stammt aus der<br />

Herrschaft derer von Rodewitz, die vormals<br />

in dem Ort bei Löbau ansässig waren.<br />

Seinen Adelstitel gebraucht Rodewitz<br />

selten. Neben seinem Rufnamen<br />

Caspar findet sich der Zweitname in verschiedenem<br />

Gebrauch, mal als Gottlieb,<br />

Gottlob, aber auch George oder Rudolph.<br />

Als Görlitzer Bürger ist er mit<br />

Gottlob vermerkt. Er starb am 13. März<br />

1721 in Görlitz.<br />

Mit Beginn seiner Lehre ist zugleich sein<br />

erster Meister genannt. Es ist der Hofbildhauer<br />

George Heermann, der 1<strong>69</strong>5<br />

Peterskirche in Görlitz, Hochaltar (1<strong>69</strong>5,<br />

Dresdener Bildhauer George Heermann)<br />

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40<br />

Geschichte |


Deutsch-Ossig<br />

den Altar der Peterskirche schuf. Es ist<br />

anzunehmen, dass die Verbindung von<br />

Rodewitz bereits aus dieser Zeit stammt,<br />

denn auf die Einflüsse Heermanns geht<br />

der Grundaufbau der Figuren bei Rodewitz<br />

zurück. Hinzu tritt die äußere Gestaltung,<br />

so dass die Figuren von Rodewitz<br />

eine faszinierende Spannung<br />

verbindet, die in der Deutsch-Ossiger<br />

Kirche als reifstes Werk am deutlichsten<br />

hervortritt. Einerseits Schwere und<br />

andererseits auch Ruhe sind den Plastiken<br />

eigen, die in ihren Faltenwürfen<br />

und Bewegungen bis ins Detail Dynamik<br />

ausstrahlen. Rodewitz hat es vermocht,<br />

Inneres und Äußeres in korrespondierende<br />

Spannung zu bringen. Die Gleichzeitigkeit<br />

dieser an sich gegensätzlichen<br />

Wirkung ist das Frappierende an seiner<br />

Kunst.<br />

Der Taufengel von Deutsch-Ossig (vgl.<br />

Stadtbild <strong>Ausgabe</strong> 66, S.42), ein einmaliges<br />

Kunstwerk, ist Rodewitz bis zur<br />

unproportionierten Harmonie gelungen.<br />

Die anderen Figuren betonen jeweils einen<br />

Wesenszug. So sind die Apostel Petrus<br />

und Paulus kaum vergleichbar. Bei<br />

Petrus die Schwere, der gequälte Gesichtsausdruck,<br />

das Verharren; bei Paulus<br />

dagegen der ihn mitreißende Geist<br />

einer erhörten Botschaft. Was an Rodewitz´<br />

Figuren immer wieder auffällt, ist<br />

eine durch die Faltenwürfe unterstützte<br />

rotierende Bewegtheit. Barockfiguren<br />

haben ein allgemeines Gerichtetsein,<br />

sammeln ihre Kraft in eine Richtung. In<br />

Deutsch-Ossig wird dagegen das Wohin<br />

der Figuren zu einem Überallhin<br />

und bleibt doch mit den Figuren verhaftet.<br />

Rodewitz baut die Figuren nach<br />

außen auf und läßt sie in kreisförmigen<br />

Schwüngen fließen. Das ist eine ihm eigene<br />

beherrschte Kunstabsicht.<br />

Er hat einen Schüler hinterlassen, der<br />

auch als sein Gehilfe genannt werden<br />

kann, den späteren Hofbildhauer Oberschall.<br />

Dieser heiratete auch nach dem<br />

Tod von Rodewitz dessen Witwe.<br />

Rodewitz läßt sich ab 1709 für ständig in<br />

Görlitz nieder und ist wahrscheinlich in<br />

dieser Zeit der einzige Bildhauer. Er erwirbt<br />

am 20. April das Bürgerrecht gegen<br />

eine Zahlung von 5 Talern. Am gleichen<br />

Tag kauft er das Haus des verstorbe-<br />

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Geschichte |<br />

41


C.<br />

Leben<br />

G.<br />

und<br />

Rodewitz<br />

Werk des Caspar Gottlob Rodewitz<br />

nen Bildhauers Nortorfft.<br />

In den folgenden Jahren<br />

entstehen eine Reihe von<br />

seinen Arbeiten in Görlitz<br />

und der Umgebung.<br />

1710 arbeitet er für Joachimstein.<br />

Er entwirft den<br />

Radmeritzer Altar, den er<br />

aber nicht selbst schafft.<br />

Die Arbeit ist der seinen<br />

angelehnt, die Gruppe<br />

Heilige Dreifaltigkeit ist<br />

eine Kopie der Deutsch-<br />

Ossiger. 1717 bis 1718<br />

arbeitet er für das Schloß Joachimstein.<br />

1713 wird der Altar der Dreifaltigkeitskirche<br />

aufgestellt. Hier verbindet Rodewitz<br />

noch plastische Darstellung mit architektonisch<br />

aufgebauter Landschaft. Die<br />

Ähnlickeit zu Deutsch-Ossig in wesentlichen<br />

Details springt ins Auge. Sieht man<br />

einmal von dem Deutsch-Ossiger Taufengel<br />

ab, so hat Rodewitz hier vieles<br />

wiederholt. So zeigt sich im Mittelstück<br />

des Altars, der Gethsemane-Szene, unter<br />

den schlafenden Jüngern bereits der<br />

Deutsch-Ossiger Petrus.<br />

Dreifaltigkeitskirche, dieser Hochaltar ist das erste Görlitzer<br />

Werk von Caspar Gottlob von Rodewitz.<br />

Bereis 1706 hat Rodewitz die Kanzel für<br />

die Frauenkirche geschaffen. Da sie mit<br />

Blattwerk versehen ist, muß sie als Zeuge<br />

für die ausgereifte Kunst von Rodewitz<br />

gelten. Der Altar der Frauenkirche<br />

wurde 1718 fertig. Er wurde dann um<br />

die Mitte des 19. Jahrhunderts entfernt.<br />

Der Altar gilt als verschollen.<br />

Für die Peterskirche entstand 1717 der<br />

letzte der drei protestantischen Beichtstühle,<br />

begleitet von dem bei Rodewitz<br />

üblichen Schmuck, dazu Petrus und Maria<br />

Magdalena. Letztere ähnelt bis ins<br />

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42<br />

Geschichte |


Deutsch-Ossig<br />

Der Portalaufsatz an der Börse am Görlitzer Untermarkt<br />

wurde 1714 durch Caspar Gottlob von Rodewitz geschaffen.<br />

Detail dem Taufengel von Deutsch-Ossig.<br />

Interessant ist allerdings ,dass es<br />

sich dabei um eine, im Gegensatz zu<br />

Deutsch-Ossig, stehende Figur handelt.<br />

An Steinplastiken hat Rodewitz 1714 Justitia<br />

und Veritas, das Portal des “alten”<br />

Verwaltungsgebäudes auf dem Görlitzer<br />

Untermarkt, geschaffen. Auch hier die<br />

Erinnerung an Deutsch-Ossig. Der Aufbau<br />

des steinernen Portals ähnelt dem<br />

Aufbau der Kanzelöffnung am Altar der<br />

Kirche. Die beiden Figuren haben auch<br />

nach Lage und Anordnung auf dem<br />

Portal bis hin zur freiliegenden<br />

Gewandung eine<br />

Verwandtschaft mit den<br />

beiden Allegorien Glaube<br />

und Liebe über dem Kanzelaufbau.<br />

Eine aus dem Rahmen<br />

seines Schaffens fallende<br />

Figur ist die Hygieia,<br />

1717, auf dem Obermarkt<br />

vor der ehemaligen Löwenapotheke,<br />

jetzt auf<br />

dem Hof des Museums zu<br />

finden.<br />

Eine Auftragsarbeit übernahm Rodewitz<br />

mit dem Grabmal Seibt auf dem Nikolaifriedhof.<br />

In der Darstellung des Auferstandenen<br />

ist seine altbekannte Auseinandersetzung<br />

zwischen Schwere und<br />

Bewegung zu spüren.<br />

(Fortsetzung folgt)<br />

Dieter Liebig, Volker Richter, zusammengestellt<br />

durch Dr. Ingrid Oertel<br />

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Geschichte |<br />

43


Görlitzer<br />

Geschichten aus dem Görlitzer Stadtverkehr –<br />

Fabrikneuer TW.1(III) im Juni 1957, Ankunft an der Landeskrone<br />

Bei diesen interessanten Fahrzeugen<br />

handelt es sich um eine in Görlitz nur<br />

aus drei Vertretern bestehende Gruppe.<br />

Angelehnt an die Einheitsfahrzeuge<br />

zweiachsiger Bauart der vierziger Jahre<br />

und dennoch im Kern eigenen Entwicklungslinien<br />

folgend, schuf der damalige<br />

LOWA Werdau- vormals Schumann und<br />

später als VEB „Ernst Grube“ Werdau<br />

bekannt- diese markante Bauart (Bezeichnung<br />

ET 50) gegen Ende der 40er<br />

Jahre, welche sich<br />

ab 1951 über die gesamte<br />

DDR verbreitete<br />

und von denen<br />

auch in Polen und<br />

der damaligen Sowjetunion<br />

Vertreter<br />

zum Einsatz kamen.<br />

Auch einen Prototyp<br />

für einen Großraumzug<br />

hat es gegeben,<br />

der bei der BVG<br />

(Ost) gefahren ist.<br />

Im Zusammenhang<br />

mit der Verlagerung<br />

der LKW- Produktion<br />

des Typs Horch S 4000- 1 nach Werdau<br />

wurde die Straßenbahnproduktion<br />

nach Gotha verlagert. Obwohl dort<br />

bereits die Testmuster des späteren T<br />

57 geschaffen wurden, sind in den Jahren<br />

1955 und 1956 noch einmal größere<br />

Serien der LOWA- Bauart unter der Bezeichnung<br />

ET 54 produziert worden, die<br />

sich in Details von der Werdauer Bauart<br />

unterschieden. Insbesondere waren die<br />

Träger im Bereich der Perrons verstärkt,<br />

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44<br />

Geschichte |


Görlitzer<br />

Die LOWA- Triebwagen<br />

Stadtverkehr<br />

TW.2(III) im August 1977 bei der Einfahrt Rauschwalde<br />

und eine Kleinspannungsanlage<br />

für die<br />

elektrischen Verbraucher<br />

im und am Wagen<br />

kam zum Einbau.<br />

Die Motorleistung der<br />

10,5 m langen Triebwagen<br />

betrug 2x 60<br />

kW. 20 Sitzplätze waren<br />

in den Zweirichtungswagen<br />

vorhanden.<br />

Ende November<br />

1956 trafen die Triebwagen<br />

an der Verladestelle<br />

Rauschwalder<br />

Straße ein, und<br />

am 16.12.1956 konnte der Aushilfsfahrer<br />

Volkmar Pfaff – damals Student an der<br />

Ingenieurschule für Maschinenbau- den<br />

ersten Zug auf der Linie 2 mit TW.1(III)<br />

an der Spitze in Bewegung setzen. Die<br />

Triebwagenserie 1(III) bis 3(III) verfügte<br />

wie die dazu gehörenden, in der<br />

nächsten Folge zu besprechenden Anhänger<br />

über Polstersitze mit braunen<br />

Lederbezügen. Das war für unsere<br />

Stadt, die bisher sich mit der Holzklasse<br />

zufrieden geben musste, ein Novum.<br />

Im Alltag hatten es die LOWA- Triebwagen<br />

nicht leicht. Sie galten nicht als sehr<br />

wartungsfreundlich und mussten sich in<br />

ihrer Einsatzzeit immer wieder mit viel<br />

älteren oder jüngeren Beiwagen sehen<br />

lassen. Auch kam mit ihrem 3 m- Achsabstand<br />

auch das charakteristische Kurvenquietschen<br />

in unsere Stadt. Nichtsdestotrotz<br />

hatten sie aufgrund ihres<br />

schalenförmigen Rumpfes ein gefälliges<br />

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Geschichte |<br />

45


Görlitzer<br />

Geschichten aus dem Görlitzer Stadtverkehr<br />

schäftes durchstieß,<br />

im RAW Berlin- Schöneweide<br />

neu aufgebaut<br />

werden. Der<br />

Personeneinsatz der<br />

LOWA- Triebwagen endete<br />

1980, nachdem<br />

der TW.2(III) erst 1975<br />

automatische Mittelpufferkupplungen<br />

und wenige<br />

Jahre davor neue<br />

seitliche Fenstereinsätze<br />

erhalten hatte. Als<br />

Arbeitswagen werden<br />

wir dem TW. 1(III)<br />

TW.3(III) nach dem Neuaufbau, Aufnahme 1971, Demianiplatz in einer späteren Folge<br />

Aussehen. TW.3(III) war immer wieder<br />

in mehr oder weniger schwere Unfälle<br />

verwickelt und musste nach einem solchen<br />

in den Maitagen des Jahres 1968<br />

in der Berliner Straße, in dessen Folge<br />

er das Schaufenster eines Koffergeden<br />

begegnen. TW.2(III) und 3(III) wur-<br />

im Oktober 1980, der ab 1985 als<br />

ATW.101(III) bezeichnete TW.1(III) im<br />

März 1990 zerlegt.<br />

(Fortsetzung folgt)<br />

Andreas Riedel, Wiesbaden<br />

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46<br />

Geschichte |

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