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BGH - wistra - Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht

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dass etwa ein Mangel an kleineren Wohnungen herrsche, die<br />

Wohnungswahl eilbedürftig sei oder dass zu der Wohnung ein<br />

Zimmer gehöre, das teilweise auch büromäßig genutzt werde.<br />

Erfülle das Zimmer allerdings die Voraussetzungen eines steuerrechtlich<br />

anzuerkennenden Arbeitszimmers, seien die dadurch<br />

entstehenden Aufwendungen gesondert zu beurteilen <strong>und</strong> in den<br />

gesetzlich <strong>für</strong> das häusliche Arbeitszimmer vorgesehenen<br />

Höchstgrenzen abziehbar.<br />

In einem der Streitfälle ging es um einen Steuerpflichtigen, der<br />

am Beschäftigungsort eine etwa 93 qm große Dreizimmerwohnung<br />

unterhielt <strong>und</strong> die da<strong>für</strong> insgesamt angefallenen Kosten als<br />

notwendige Mehraufwendungen geltend machte. Ein anderer<br />

Streitfall betrifft eine Steuerpflichtige, die <strong>für</strong> eine 57 qm große<br />

Wohnung den Abzug von Werbungskosten begehrte. Der BFH<br />

verwies die Streitfälle jeweils an die Finanzgerichte zurück, weil<br />

diese auf der Gr<strong>und</strong>lage weiterer Feststellungen prüfen müssten,<br />

ob die den Steuerpflichtigen tatsächlich entstandenen Aufwendungen<br />

<strong>für</strong> die Wohnungen die Grenzen des Notwendigen<br />

überschritten, nämlich den Betrag, der sich <strong>für</strong> eine Wohnung<br />

mit einer Wohnfläche bis zu 60 qm bei Ansatz eines ortsüblichen<br />

Durchschnittsmietzinses ergibt (Urteile vom 9. August<br />

2007 – VI R 10/06 <strong>und</strong> VI R 23/05).<br />

Vom V. Senat stammt eine weitere Entscheidung zu Lieferungen<br />

in einem sog. Umsatzsteuerkarussell; konkret ging es<br />

um Lieferung von Mobiltelefonen. Dabei geht der BFH von<br />

einem Umsatzsteuerkarussell dann aus, wenn Handelswaren<br />

nach einem Gesamtplan unter Einbeziehung von mehreren<br />

Firmen – zum Teil in anderen Mitgliedstaaten der EU – in einer<br />

Lieferkette verkauft werden, wobei planmäßig ein Unternehmer<br />

in der Kette zwar die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als<br />

Vorsteuer geltend macht, seine Umsätze aber nicht anmeldet <strong>und</strong><br />

verschwindet, bevor diese festgesetzt wird. Die Beteiligten<br />

profitierten dann bei jedem Warendurchlauf durch einen<br />

EU-Mitgliedstaat von der Hinterziehung der dortigen Umsatzsteuer.<br />

Zweifelhaft war bislang, ob auch einem Unternehmer, der unwissentlich<br />

in eine Lieferkette einbezogen worden ist, der<br />

Vorsteuerabzug aus den betrugsbehafteten Lieferungen versagt<br />

werden darf. Im Anschluss an zwei Urteile des EuGH hat der<br />

BFH nun entschieden, dass <strong>Wirtschafts</strong>teilnehmern, die alle<br />

Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt<br />

werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze<br />

nicht in einen Betrug – sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung<br />

oder ein sonstiger Betrug – einbezogen sind, auf die Rechtmäßigkeit<br />

dieser Umsätze vertrauen können, ohne Gefahr zu laufen,<br />

ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren.<br />

Im Streitfall hatte der betroffene Unternehmer nach den Feststellungen<br />

des Finanzgerichts zwar nicht positiv gewusst, dass er<br />

in einen „Umsatzsteuerbetrug“ durch seine Lieferanten <strong>und</strong><br />

Abnehmer eingeb<strong>und</strong>en war. Das Finanzgericht hatte aber nicht<br />

die nach der inzwischen ergangenen EuGH-Rechtsprechung entscheidende<br />

Frage geprüft, ob er von der Betrugsgestaltung<br />

wissen konnte (wo<strong>für</strong> einiges spräche). Die Sache wurde deshalb<br />

vom BFH zurückverwiesen (Urteil vom 19. April 2007 –<br />

V R 48/04).<br />

"<br />

Der I. Senat hat die Entscheidung eines Finanzgerichts bestätigt,<br />

das einem Zeugen ein Ordnungsgeld von A 200 auferlegt<br />

hatte, nachdem dieser einer Ladung des Gerichts zu einem Verhandlungstermin<br />

nicht gefolgt war. Der Zeuge – ein Steuerberater<br />

– hatte dem Finanzgericht nach Erhalt der Ladung zunächst<br />

mitgeteilt, er könne wegen anderer Verpflichtungen nicht zum<br />

Termin erscheinen, woraufhin das Gericht aber die Ladung auf-<br />

"<br />

IV<br />

recht erhalten hatte. Dies hält der I. Senat <strong>für</strong> gerechtfertigt, da<br />

die Zeugnispflicht anderen privaten <strong>und</strong> beruflichen Pflichten<br />

vorgehe. Ebenso wenig relevant sei der Einwand des Zeugen,<br />

er sei ohnehin krankheitsbedingt nicht reisefähig gewesen.<br />

Nachträglich vorgebrachte Entschuldigungsgründe könnten<br />

nicht berücksichtigt werden, wenn sie schon im Vorfeld<br />

des Termins hätten geltend gemacht werden können. Dies gelte<br />

auch <strong>für</strong> die nunmehr angegebene Erkrankung, die der Zeuge in<br />

seiner ersten Mitteilung an das Gericht nicht erwähnt habe.<br />

Schließlich sei auch die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes<br />

nicht zu beanstanden, zumal ein Steuerberater in besonderem<br />

Maße seine Verpflichtungen in gerichtlichen Verfahren erfüllen<br />

müsse (Beschluss vom 9. Juli 2007 – I B 55/07).<br />

Der VII. Senat hat entschieden, dass ein GmbH-Geschäftsführer,<br />

der <strong>für</strong> nicht abgeführte Lohnsteuer in der Insolvenz<br />

der Gesellschaft vom Finanzamt in Anspruch genommen<br />

worden ist, sich nicht darauf berufen kann, dass der Insolvenzverwalter<br />

die Lohnsteuer nach Anfechtung der Zahlung wieder<br />

vom Finanzamt zurückgefordert hätte. Der Senat geht dabei davon<br />

aus, dass zu den steuerrechtlichen Pflichten eines GmbH-<br />

Geschäftsführers auch die fristgerechte Entrichtung der von<br />

der GmbH geschuldeten Steuern gehört. Unterlasse es der Geschäftsführer,<br />

die vom Lohn der Arbeitnehmer der GmbH einzubehaltende<br />

Lohnsteuer an das Finanzamt abzuführen, könne dieses<br />

ihn bei zumindest grob fahrlässiger Verletzung dieser Pflicht<br />

selbst als Haftungsschuldner in Anspruch nehmen. Diese Gr<strong>und</strong>sätze<br />

gälten auch in der Insolvenz der GmbH. Hier bestehe lediglich<br />

die Besonderheit, dass der Insolvenzverwalter gläubigerbegünstigende<br />

Rechtshandlungen – zu denen auch die Zahlung von<br />

Steuern gehöre – anfechten könne, wenn diese Handlungen in<br />

den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des<br />

Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind. Sofern in diesem<br />

Zeitraum Lohnsteuern an das Finanzamt abgeführt worden<br />

sind, könne der Insolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen<br />

die gezahlten Beträge vom Finanzamt zurückfordern.<br />

Im zugr<strong>und</strong>e liegenden Fall hat der Senat den Einwand des<br />

GmbH-Geschäftsführers, der schuldhaft Lohnsteuer nicht entrichtet<br />

hatte, zurückgewiesen, <strong>für</strong> die durch die Pflichtverletzung<br />

verursachten Schäden nicht einstehen zu müssen, weil etwaige<br />

Zahlungen vom Insolvenzverwalter ohnehin hätten<br />

angefochten werden können. Nach Auffassung des Senats sind<br />

im Rahmen einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme hypothetische<br />

Kausalverläufe unbeachtlich. Durch eine nur gedachte<br />

insolvenzrechtliche Anfechtung etwaiger Steuerzahlungen<br />

könne die vom Haftungsschuldner zu vertretene Ursache <strong>für</strong><br />

den eingetretenen Steuerausfall nicht rückwirkend beseitigt werden.<br />

Auch der Schutzzweck der Haftungsnorm § 69 AO sowie<br />

Praktikabilitätserwägungen sprächen da<strong>für</strong>, hypothetische Kausalverläufe<br />

im Rahmen der Schadenszurechnung unberücksichtigt<br />

zu lassen (Urteil vom 5. Juni 2007 – VII R 65/05).<br />

"<br />

Der BFH hatte auch zu entscheiden, ob ein in Berlin auf<br />

Straßengr<strong>und</strong> errichtetes, mit dem Untergr<strong>und</strong> fest verb<strong>und</strong>enes<br />

öffentliches Toilettenhäuschen mit einer Gr<strong>und</strong>fläche von<br />

8 qm <strong>und</strong> einem Gewicht von 3 t, das mit einer automatischen<br />

Türöffnung <strong>und</strong> mit einer Anlage zur automatischen Reinigung<br />

der Toilette ausgestattet ist, als Gebäude im bewertungsrechtlichen<br />

Sinn zu beurteilen ist. Dies hat der BFH bejaht, da es<br />

(anders als bewegliche Toilettenhäuschen aus Kunststoff) die<br />

Merkmale eines Gebäudes erfülle. Bei der Bewertung des Häuschens<br />

müssten allerdings die Toilette <strong>und</strong> die Reinigungstechnik<br />

unberücksichtigt bleiben; sie stellten nicht zum Gr<strong>und</strong>vermögen<br />

gehörende Betriebsvorrichtungen dar (Urteil vom 24. Mai 2007<br />

– II R 68/05).<br />

"<br />

<strong>wistra</strong> 10/2007

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