Trash und 90ties-Look als Stilmittel - Björn Kowalski
Trash und 90ties-Look als Stilmittel - Björn Kowalski
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production spotlight<br />
Vor dem Beginn der Produktion des aktuellen Deichkind-Videos<br />
wurden dem Plattenlabel Universal Music<br />
sowie der Band zunächst verschiedene Treatments<br />
vorgestellt. Das teils in London, teils in Berlin lebende<br />
Regie-Duo Alex <strong>und</strong> Liane bekam den Zuschlag, die<br />
Berliner Produktionsfirma Bigfish <strong>und</strong> die ebenfalls in<br />
Berlin ansässige Effekt-Etage übernahmen die Produktion<br />
beziehungsweise Postproduktion. Die Idee sah<br />
ein Video vor, das inhaltlich <strong>und</strong> visuell stark an die<br />
Fitnessvideos erinnert, die im US-amerikanischen TV<br />
der 90er-Jahre liefen. Von daher sollte eine bewusst<br />
verwaschene NTSC-hafte Farbigkeit <strong>und</strong> Schärfe vorherrschen.<br />
Die Inhalte sollten die Bildcharakteristik noch unterstützen:<br />
Durchtrainierte Körper bevölkern das trashigcoole<br />
Sommer-Studio-Ambiente ebenso wie übermotivierte<br />
Fitnessgurus <strong>und</strong> dauerwerbungslächelnde Fitnessdrink-Promotoren.<br />
Die Bandmitglieder sollten Teil<br />
dieser Welt sein – einer <strong>als</strong> Bodybuilder, einer <strong>als</strong> Guru,<br />
einer <strong>als</strong> TV-Verkäufer. Die Video-Welt existiert allerdings<br />
nur in den Gedanken der Protagonistin Sarah<br />
Walker, die sich ja laut Songtitel nur betäubt. Deshalb<br />
38 : 02 : 07 : DIGITAL PRODUCTION<br />
Im Deichkind-Video ergänzen<br />
digitale Elemente<br />
wie Partikeleffekte <strong>und</strong><br />
3D-Schriften die geforderte<br />
grellbunt-trashige<br />
90er-Jahre-Ästhetik<br />
trash <strong>und</strong> <strong>90ties</strong>-look<br />
<strong>als</strong> stilmittel<br />
Ein Clip, der sich optisch von den aktuellen Videos der deutschen Musikfernsehlandschaft absetzt <strong>und</strong> die Eigenheit<br />
<strong>und</strong> Skurrilität des Songs unterstützt – diese Zielvorgabe galt es für „Ich betäube mich“ von der Hamburger<br />
Band Deichkind featuringSarah Walker zu erfüllen. Wie das gelang, beschreibt unser Produktionsbericht.<br />
besitzt das Video zwei Ebenen: eine reale, in Schwarzweiß<br />
gehaltene, <strong>und</strong> die fiktive, bunte Gedankenwelt<br />
Sarahs, die den Großteil des Clips ausmacht.<br />
Zunächst mussten die richtigen Kulissen gef<strong>und</strong>en<br />
werden. Für die reale Ebene boten sich die typischen<br />
Berliner Straßen an. Schwerer war es mit der Gedankenwelt:<br />
Um sie abzudrehen, war nur ein Tag vorgesehen,<br />
zudem wurden verschiedene Settings benötigt.<br />
Ferner bestand der Wunsch, dass es sich nicht einfach<br />
um ein Studio handeln sollte, sondern um eine Art Halle,<br />
quasi das innere von Sarahs Kopf. Der Zuschauer<br />
sollte durch die Form der Konstruktion den Eindruck<br />
haben, <strong>als</strong> ob sich die Welt genau in Sarahs Kopf befindet<br />
<strong>und</strong> deren Wände die Form ihres Kopf besitzen.<br />
Durch Kamerafahrten von außen in den Kopf der mit Alkohol<br />
<strong>und</strong> Zigaretten betäubten Protagonistin bekommt<br />
der Zuschauer das Gefühl, <strong>als</strong> ob diese Welt das Innere<br />
des Kopfes komplett einnimmt. Als ideale Location fand<br />
sich schließlich „Tropical Islands“, eine tropische Badelandschaft,<br />
die in der ehemaligen Cargolifter-Halle im<br />
brandenburgischen Brand geschaffen wurde. Die mit<br />
360 m Länge, 210 m Breite <strong>und</strong> 107 m Höhe größte <strong>und</strong>
1/1<br />
JAhResAbO
production spotlight<br />
höchste stützenfreie Halle der Welt beherbergt neben mehreren<br />
Badelandschaften auch den größten Regenwald Europas.<br />
Der Drehort war gef<strong>und</strong>en, nun wurde in den Vorbesprechungen<br />
ausführlich über die Drehtechnik diskutiert. Der eigentliche Plan,<br />
tatsächlich mit einer aus den 90iger-Jahren stammenden NTSC-<br />
Kamera zu drehen, wurde aus Sicherheitsgründen verworfen. Die<br />
einzig ausleihbare NTSC-Kamera war seit längerem nicht mehr im<br />
Einsatz. Hätte sie beim Dreh versagt, wäre kein Backup verfügbar<br />
gewesen. Und das Keyen <strong>und</strong> Tracken wäre mit NTSC-Material<br />
sehr mühsam geworden, denn der Standard besitzt im Gegensatz<br />
zu PAL eine deutlich geringere Zeilenanzahl (525 statt 625 Zeilen)<br />
<strong>und</strong> einen kleineren Farbraum. Beides Faktoren, die gerade beim<br />
Keying <strong>und</strong> Tracking eine wichtige Rolle spielen. Statt in NTSC mit<br />
16-mm-Optik zu drehen, wäre jedoch wiederum zu filmisch gewesen,<br />
Digi Beta hingegen zu clean. Die Wahl viel schließlich auf eine<br />
Beta-SP-Kamera, die im Gegensatz zu Digi Beta eine eher analoge<br />
Bildcharakteristik aufweist.<br />
Nun gab es noch zwei Möglichkeiten, den gewünschten NTSC-<strong>Look</strong><br />
zu erreichen. Einmal digital in der Postproduktion mithilfe von<br />
Farbkorrektur, Filtern <strong>und</strong> Frameblending, um den Unterschied<br />
zwischen den 29,97 Bildern von NTSC <strong>und</strong> den 25 Bildern von PAL<br />
<strong>und</strong> damit den charakteristischen <strong>Look</strong> zu erreichen. Die zweite<br />
Möglichkeit bestand in der Echtzeit-Hardware-Konvertierung von<br />
PAL auf NTSC <strong>und</strong> wieder zurück. Diese Variante bekam vor allem<br />
aus Zeitgründen den Zuschlag. Schließlich handelte es sich letztlich<br />
nur um das Kopieren des PAL-Bandes zu NTSC <strong>und</strong> zurück<br />
– <strong>und</strong> bei einer Videolänge von 3 Minuten ist das schnell erledigt.<br />
Dennoch fielen die Aufgaben der Postproduktion umfangreich <strong>und</strong><br />
vielseitig aus. Bei gut 20 Einstellungen wurde der vor Blau gedrehte<br />
Kopf des Deichkind-Sängers auf den Körper eines Bodybuilders<br />
getrackt, 3D-Schriften mussten integriert <strong>und</strong> schwebende, von<br />
zuckenden Blitzen umgebene Eier animiert werden. Eine Hauptaufgabe<br />
der Post bestand darin, die Gedankenwelt in Sarahs Kopf<br />
umzusetzen. Hierfür sollte man in einigen Einstellungen direkt in<br />
ihren Kopf schauen <strong>und</strong> einmal in einer nahtlosen Kamerafahrt in<br />
den Kopf respektive in die Halle fliegen.<br />
hALLeN-ReKONsTRUKTION IN 3D<br />
40 : 02 : 07 : DIGITAL PRODUCTION<br />
Das 3D-Modell entstand in Cinema 4D – die Hallengeometrie war binnen<br />
weniger St<strong>und</strong>en maßstabsgetreu erstellt. Auf einen hohen Detailgrad<br />
konnte das Team wegen schneller Kamerabewegungen mit viel Motionblur<br />
verzichten<br />
Gr<strong>und</strong>lage der digitalisierten „Tropical Islands“ waren Originalfotos. Sie wurden in Photoshop perspektivisch entzerrt, angepasst <strong>und</strong> zu einer<br />
großen Bodentextur kombiniert. Bump- <strong>und</strong> Displacement-Mapping verliehen dem Terrain feinere Strukturen<br />
Eine Kamerafahrt von außen durch die Decke in die Halle ließ sich<br />
in Tropical Islands verständlicherweise aber nicht realisieren. Die<br />
Lösung bestand darin, die ehemalige Cargolifter-Halle mit Cinema<br />
4D R9.6 in 3D nachzubauen. Als Vorlage dienten Pressefotos von der<br />
offiziellen Website der Freizeitwelt (www.my-tropical-islands.com).<br />
Aus Timing- <strong>und</strong> Budgetgründen war es nicht möglich, die Halle<br />
tagelang zu modellieren. Es ging aber auch ohne, weil sich durch<br />
die geplanten schnellen Kamerabewegungen viele Details ohnehin<br />
im Motionblur verloren. Das Hallenmodell wurde daher getreu dem<br />
Motto „So schnell wie möglich, so detailiert wie nötig“ gebaut.<br />
In wenigen St<strong>und</strong>en war die Hallengeometrie maßstabsgetreu erstellt.<br />
Sie besteht aus einem Ober- <strong>und</strong> Unterteil. Der obere Teil<br />
setzt sich aus vielen miteinander kombinierten Array-Objekten zusammen,<br />
die den Mantel <strong>und</strong> die verzweigten Gerüste im Inneren<br />
der Kuppel bilden. Array-Objekte bieten den Vorteil, dass man sie<br />
radial um einen Mittelpunkt herum platzieren kann, gleichzeitig<br />
jedoch nur mit Instanzen eines Objekts arbeitet. Deshalb mussten<br />
Änderungen an der Geometrie nur an einem Objekt vorgenommen<br />
werden, <strong>und</strong> die gesamte Konstruktion veränderte sich entsprechend.<br />
Der innere untere Teil – der Kuppelboden – bildet eine Ebene, deren<br />
Form an die Kuppel angepasst wurde. Grobe Details wie starke<br />
Erhebungen (etwa der künstliche Berg in der Hallenmitte) modelte<br />
das Team von Hand. Mit diversen Pressefotos <strong>als</strong> Ausgangsmaterial<br />
malte es danach die Bodentextur. Die erhältlichen Fotos waren<br />
allerdings nicht wirklich senkrecht von oben geschossen worden<br />
<strong>und</strong> deckten auch immer nur einen Teil der Halle ab. Weil sie jedoch<br />
hochaufgelöst vorlagen, ließen sie sich in Photoshop perspektivisch<br />
entzerren, farblich aneinander anpassen <strong>und</strong> zu einer großen<br />
Textur zusammenfügen. Auf diese Weise entstand eine entzerrte,<br />
planare Bodentextur.<br />
Im nächste Schritt wurde eine Displacement Map generiert, um<br />
dem Terrain feinere Details zu verleihen. Sie wurde auf die polygonal<br />
hoch aufgelöste Bodenfläche gemappt <strong>und</strong> bildete somit
MusiKVidEo dEichKind<br />
aufgr<strong>und</strong> der Schwarzweiß-Informationen (schwarz = keine Erhöhung,<br />
weiß = maximale Erhöhung) im Bild die finale Geometrie.<br />
Im Gegensatz zu einer Bump-Textur, die Höhenunterschiede nur<br />
durch ein Relief vortäuscht, verändert eine Displacement Map die<br />
eigentliche Geometrie. Dadurch lassen sich gerade bei größeren<br />
Erhebungen, bei denen Bumpmapping an seine Grenzen stößt,<br />
gute Ergebnisse erzielen. Da die Geometrie dafür jedoch hochaufgelöst<br />
sein muss, schlägt sich das entsprechend in den Renderzeiten<br />
nieder.<br />
Neben der Displacement Map wurde zusätzlich noch eine Bumpmap<br />
für kleinere Unebenheiten wie das leicht wellige Wasser<br />
<strong>und</strong> die Blätterstruktur der Bäume erstellt. Die finale Textur bestand<br />
aus Color-, Illumination-, Glanz-, Reflection-, Bump- <strong>und</strong><br />
Displacement Maps. Durch die Glanz- <strong>und</strong> Reflection Map wurden<br />
Spiegelungen auf das Wasser beschränkt. Das kontrollierte Abmischen<br />
zwischen Color <strong>und</strong> Illumination Map ergab einrealistischeres<br />
Aussehen, weil das Terrain durch die Self-Illumination<br />
kontrastärmer <strong>und</strong> glaubwürdiger wirkt <strong>als</strong> die typischen, zu kon-<br />
eFFeKT-eTAGe<br />
Unter der Dachmarke „Die etagen“ entwickeln die drei<br />
Firmen Werbe-etage, Netz-etage <strong>und</strong> effekt-etage<br />
Kommunikationslösungen in den bereichen klassische<br />
Werbung, Internet <strong>und</strong> Film. In enger Zusammenarbeit<br />
entstehen so hochwertige Lösungen mit ganzheitlichem<br />
Konzept. Das Leistungsspektrum der effekt-etage umfasst<br />
Kreativkonzepte, effektplanung, Drehbetreuung<br />
(supervising), Film-/Videoproduktion, 2D/3D-Animation,<br />
Visualisierung, Compositing/Postproduktion sowie<br />
die Gestaltung von Flash-Video Content. Zu den K<strong>und</strong>en<br />
zählen unter anderen bMW Group, Audi AG, O2, McDonalds,<br />
Interone, WeA Records, eMI Music, Universal,<br />
N24 <strong>und</strong> Filmlounge. T www.effekt-etage.de<br />
DIGITAL PRODUCTION : 02 : 07 : 41<br />
Die Kamerafahrt in die bunte Gedankenwelt der Hauptdarstellerin leitet über zum<br />
3D-Modell der „Tropical Islands“-Halle <strong>und</strong> dem surrealen Part des Videos<br />
traststarken Standard-3D/CG-Bilder. „Die gesamte Halle entstand<br />
in weniger <strong>als</strong> einem Tag“, erklärt Christoph Skamierski, 3D Artist<br />
bei der Effekt-Etage.<br />
Im nächsten Schritt wurde die 3D-Kamera auf die freihand gedrehte<br />
Kamera gematcht. Das jedoch nicht auf klassischem Wege<br />
mittels eines 3D-Trackers – vielmehr wurde sie per Hand an den<br />
ersten Frame des Shots gematcht <strong>und</strong> das Rendering wurde später<br />
mit Vier-Punkt-Tracking im Compositing nahtlos integriert. Diese<br />
Methode ist zwar nicht so präzise wie ein 3D-Tracker, aber wesentlich<br />
schneller. Da die Halle im Compositing zusätzlich noch<br />
etwas Transparenz <strong>und</strong> einige Blitze erhalten sollte, reichte das<br />
vereinfachte Verfahren absolut aus. Gerade bei zeitlich engen Produktions-Timings<br />
ist es immer wichtig, den effizientesten Weg zu<br />
gehen, nicht unbedingt den klassischen Lehrbuchweg. Nur das<br />
Ergebnis zählt, <strong>und</strong> je schneller der Weg dahin führt, desto mehr<br />
Zeit bleibt für Kreativität.<br />
ChROMAFLeX sTATT KLAssIsCheM bLUesCReeN<br />
Für das Video musste der Kopf des Sängers, der im Clip <strong>als</strong> durchtrainierter<br />
Kraftsportler erscheinen sollte, auf den Körper eines<br />
Bodybuilders montiert werden. Beim Dreh wurde der Bodybuilder<br />
dazu in sehr weiten Einstellungen dazu mittels einer Perücke<br />
einfach in den Sänger verwandelt. Das Team drehte zudem viele<br />
Closeups, in denen der Kopf nicht sichtbar ist. Trotz all dieser kleinen<br />
Tricks blieben r<strong>und</strong> 20 Einstellungen übrig, in denen der Kopf<br />
ausgetauscht werden musste.<br />
Der Dreh lief in zwei Durchgängen ab: Einmal der Bodybuilder in<br />
der realen Location, einmal der Kopf des Sängers vor Blau. Dabei<br />
wurde jedoch kein klassischer Bluescreen aufgebaut <strong>und</strong> ausgeleuchtet.<br />
Vielmehr griff die Effekt-Etage auf das Chromaflex-<br />
System von Reflecvision zurück, <strong>als</strong>o auf Chromatte-Gewebe, das<br />
auf einen faltbaren Rahmen aufgespannt wird (siehe Test in DP<br />
05:05). Chromatte ist ein retro-reflektives Gewebe, ähnlich einem<br />
Katzenauge. Es reflektiert einfallendes Licht gerade zurück. Das<br />
System ist genauso einfach wie effektiv: Über die Kamera wird
production spotlight<br />
Der vor einem Chromaflex-System gefilmte Kopf des Deichkind-Sängers<br />
wurde auf den Rumpf eines Bodybuilders montiert. Der war zuvor ohne<br />
Freihandkamera gefilmt worden, so dass sich 3D-Tracking in der Post<br />
vermeiden ließ <strong>und</strong> nur 2D-Composites entstanden<br />
ein Leuchtdiodenring (der so genannte Lite-Ring) geschraubt. Er<br />
besteht aus wahlweise blauen oder grünen Dioden <strong>und</strong> übernimmt<br />
die gesamte Ausleuchtung des Screens. Das in normalem Licht<br />
betrachtet graue Chromaflex-Material reflektiert – durch den Sucher<br />
der Kamera betrachtet – strahlend blau. Dieses Verfahren<br />
bietet mehrere Vorteile: Der Bluescreen muss am Set nicht eigens<br />
ausgeleuchtet werden, was einerseits Umbauzeit spart <strong>und</strong> andererseits<br />
die Beleuchtungssituation nicht im Geringsten ändert.<br />
Zunächst drehte das Team alle Takes mit dem Bodybuilder. Dabei<br />
wurden auch bewegte Kameras gedreht, allerdings handelte<br />
es sich lediglich um Parallelfahrten oder gerade Fahrten auf den<br />
Bodybuilder zu, <strong>als</strong>o keine wilde Freihandkamera. Durch diese<br />
Beschränkung beim Shooting ließ sich in der Postproduktion auf<br />
3D-Tracking verzichten. Alle Shots des Bodybuilders waren reine<br />
2D-Compositings.<br />
Ferner wurde darauf geachtet, dass der Bodybuilder seinen Kopf<br />
<strong>und</strong> Körper nicht zu sehr verdreht, damit der spätere Austausch<br />
der Köpfe überzeugend funktioniert. War der Bodybuilder abgedreht,<br />
nahm der Deichkind-Sänger seinen Platz ein <strong>und</strong> hinter ihm<br />
wurde das Chromaflex aufgestellt. Der Umbau dauerte nicht einmal<br />
eine Minute. Nachdem der Lite-Ring eingeschaltet war, erstrahlte<br />
die Screen in einem gleichmäßigen Blau. Nun filmte das<br />
Team den Sänger in der exakt gleichen Beleuchtungssituation mit<br />
einer maximal eng geframten, stehenden Kamera.<br />
In der Postproduktion wurde zunächst das Material gekeyed.<br />
Dank des sehr engen Framings, der gleichmäßig blauen Chromaflex-Ausleuchtung<br />
sowie des geringen Blue Spills funktionierte<br />
dass trotz des verrauschten, analogen SP-Materi<strong>als</strong> sehr gut. Im<br />
nächsten Schritt trackte die Effekt-Etage die Hintergründe mittels<br />
Vier-Punkt-Tracking, skalierte den Kopf auf die richtige Größe <strong>und</strong><br />
integrierte ihn so nahtlos. Auf diese Weise entstanden viele vom<br />
Zuschauer nicht <strong>als</strong> Effektschuss wahrnehmbare Einstellungen.<br />
DIGITALe eFFeKTe IM COMPOsITING<br />
42 : 02 : 07 : DIGITAL PRODUCTION<br />
Durch den Wunsch, den Drehort noch künstlicher erscheinen<br />
zu lassen, ließen sich digitale Elemente wie Regenbögen <strong>und</strong><br />
Sonnen <strong>als</strong> reine Compositing-Effekte leicht in Combustion<br />
realisieren<br />
Einige Shots brauchten die Erweiterung um digitale Elemente, um<br />
den an sich schon spektakulären Drehort noch künstlicher erscheinen<br />
zu lassen. So ergänzen zum Teil digitale Regenbögen, Sonnen,<br />
Explosionen <strong>und</strong> Partikeleffekte das Realbild. Den im Hintergr<strong>und</strong><br />
tanzenden Charakteren wurden bewegliche Augen angetrackt, ihr<br />
Fellfarbe änderte das Team passend zum Beat. All diese Effekte<br />
waren reine Compositing-Effekte <strong>und</strong> wurden wie alle anderen<br />
Shots mit Combustion realisiert.<br />
Die Schrifteinblendungen entstanden mit Maya in 3D <strong>und</strong> wurden<br />
mit Alpha-Kanal in einen Avid Media Composer geladen, wo sie sich<br />
direkt auf den Schnitt legen ließen. Somit war ein sehr intuitives<br />
Arbeiten <strong>und</strong> Arrangieren der Schriften möglich. Auch die bewusst<br />
etwas trashig wirkenden Blenden (zum Beispiel „Seiten umblättern“)<br />
wurden direkt beim Editing gestaltet. Hier kamen manche<br />
Avid-Echtzeiteffekte zum Einsatz, bei denen man sich zuvor oft<br />
gefragt hatte, wofür man sie je brauchen würde – der Clip lieferte<br />
die Antwort.<br />
Das Deichkind-Video zeigt eindrucksvoll, wie viele Facetten moderne<br />
Postproduktion aufweisen <strong>und</strong> wie viele Einsatzbereiche sie<br />
abdecken kann. Durch Planung, kleine Restriktionen beim Dreh,<br />
Echtzeiteffekte <strong>und</strong> den Einsatz aktueller 3D- <strong>und</strong> Compositing-<br />
Tools sowie effektive, nicht immer lehrbuchkonforme Arbeitsweisen<br />
ist in knapp zwei Wochen Post ein Musikvideo entstanden, das<br />
mit vielen sichtbaren Effekten <strong>und</strong> zahlreichen nicht <strong>als</strong> Effekten<br />
spürbaren Einstellungen aufwarten kann. T <strong>Björn</strong> Kow<strong>als</strong>ki<br />
Der Autor (www.bjoernkow<strong>als</strong>ki.de) studierte „Digitale Medien“ <strong>und</strong> arbeitete<br />
mehrere Jahre <strong>als</strong> Digital Artist in Deutschland, Südafrika <strong>und</strong> den<br />
USA, bevor er <strong>als</strong> Postproduktions- <strong>und</strong> VFX Supervisor tätig wurde. Er betreut<br />
TV-Commerci<strong>als</strong>, Musikvideos, interaktive Anwendungen <strong>und</strong> Filme<br />
zur Corporate Communication. Darüber hinaus hält er <strong>als</strong> Gastdozent Vorlesungen<br />
an verschiedenen Universitäten <strong>und</strong> gibt VFX-Seminare.