AHV-positiv - Quartierverein Riesbach
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16<br />
Stöck, Wys, Stich<br />
GINA ATTINGER<br />
Eines morgens neulich im Tram Richtung Bahnhof Tiefenbrunnen:<br />
Ein graumelierter Herr belegt einen Doppelsitz und<br />
hantiert mit seinem iPad. Alltäglich, nicht der Rede wert, wären<br />
mir nicht die farbigen Eicheln, Rosen, Schellen und Schilten in<br />
die Augen gestochen. Wen sticht der Eichel-König? Tatsächlich,<br />
der Herr spielt den «Coiffeur» gegen «Computer 1» und<br />
«Computer 2». Ich wundere mich. Gibt es nun bereits eine Jass-<br />
App? Bin ich derart weg vom Fenster, dass ich das nicht (mehr)<br />
weiss? Ist dieser gepflegte Herr nun einer dieser aktiven Senioren,<br />
welche Schritt halten mit den neuen Technologien, oder<br />
vielmehr ein hyper Aktiver, der nicht mal in der Strassenbahn<br />
die Finger von seinem Spielzeug lassen kann? Oder gar ein<br />
frühzeitig ergrauter Spielsüchtiger?<br />
Der «Coiffeur» soll seinen Namen vom Französischen «quoi<br />
faire?» herleiten. Und was mache ich nun aus dieser Beobachtung?<br />
Weshalb irritiert es mich, wenn ein älterer Herr im Tram<br />
Karten spielt? Wie geht der Gebrauch eines Tablets und Jassen<br />
zusammen? Ist dies bloss für mich ein Widerspruch? Ist Jassen<br />
bloss etwas für «hemdsärmelige» Leute? Jassen Jugendliche?<br />
Wird in der Stadt, im Seefeld heute überhaupt noch gejasst?<br />
Wenn ja, wo? Im GZ? Im Altersheim? In der Quartierbeiz, die es<br />
kaum mehr gibt?<br />
Aber sicher, auch im Seefeld wird eifrig gejasst. Das vom <strong>Quartierverein</strong><br />
am Quartierfest organisierte Turnier war jedenfalls<br />
gut besucht von Jung und Alt. Zusammen Karten spielen ist eben<br />
mehr als ein einsamer Zeitvertreib – es ist ein Gesellschaftsspiel.<br />
Und dies ist wahrscheinlich das Irritierende für mich:<br />
Mann spielt gegen Maschine(n): Ohne all die Diskussionen über<br />
falsche Farben und Trümpfe. Kein Eichel-König, der bei vielen<br />
Erinnerungen an die eigenen Jassrunden am Sonntag herumgeistert.<br />
Der König tritt in Erscheinung, ohne dass noch jemand<br />
wüsste, wen er damals gestochen hat, geschweige denn, weshalb<br />
wir so erbittert darüber stritten. – Heute jedenfalls lachen wir<br />
immer noch darüber und freuen uns über die gemeinsam verbrachten<br />
Jassabende.<br />
Quartiermagazin Kreis 8 223/2012<br />
<strong>AHV</strong>-<strong>positiv</strong><br />
SU TREICHLER<br />
Den Löffel<br />
Abend in einem Flarzhaus im Zürcher Oberland. Es leben<br />
hier Hanna, 45, Reittherapeutin und Agnes, 42,<br />
Sozialpädagogin, mit einem Hund und vier Katzen – und<br />
zwei Pferden. Zu Besuch sind Senta, 68, pensionierte<br />
Jugendheimleiterin, und Kerstin, 55, Psychologin. Beim<br />
Gratin mit Produkten aus dem eigenen Garten und einem<br />
Valpolicella Ripasso gewinnt das Gespräch an Tiefe:<br />
Kerstin (seufzt) Der Wein ist ein Gedicht. Ich darf bloss nicht<br />
an morgen denken.<br />
Hanna Wieso denn das?<br />
Kerstin Ich vertrag einfach nicht mehr soviel.<br />
Agnes Also, ich merk’s auch schon.<br />
Kerstin Du! Bist ja noch ein Küken.<br />
Senta Der Wein ist zu gut, um sich Sorgen zu machen (giesst<br />
sich noch ein Glas ein).<br />
Hanna Es hat noch eine Flasche.<br />
Senta (nimmt die kleine schwarze Katze und schmust mit ihr)<br />
Hanna (entkorkt die Flasche und schenkt ein) Probier mal,<br />
Kerstin.<br />
Kerstin Wollt ihr mich abfüllen?<br />
Agnes Komm, du musst morgen nicht arbeiten.<br />
Kerstin Ich sollte aber –<br />
Hanna (zu Senta) So warst du auch, damals, weisst du noch.<br />
Senta Ich weiss es noch, furchtbar. Ich gab nie Ruhe (die Katze<br />
springt von ihrem Schoss).<br />
Agnes Aber ein Glas Wein hast du auch da schon gern getrunken.<br />
Senta (lacht) So bleibt man im Gedächtnis.<br />
Kerstin Wirklich? Warst du eine workaholic –