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Rheinische Hebammengeschichte im Kontext

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Ralf Forsbach<br />

nur das vage Resümee erlauben, dass neben der skizzierten Hauptströmung<br />

der Ablehnung von Hebammen-Tätigkeit es schon während des Kaiserreichs<br />

<strong>im</strong>mer wieder St<strong>im</strong>men gab, den Orden größere Handlungsmöglichkeiten<br />

zu eröffnen, auch in Ordens- und Bischofskreisen.<br />

Während man sich in vielen der Orden gegen Ansinnen wie denen zur<br />

Ausweitung der Tätigkeit oder auch nur zur Bereitstellung von Informationen<br />

verwahrte, war in anderen katholischen Milieus eine liberalere Debattenkultur<br />

längst üblich geworden. 31 Katholische Studenten und Akademiker<br />

übernahmen nach der Jahrhundertwende „die Fin de Siècle-Debatten<br />

über Sexualität“. 32 Sie sprachen nicht mehr scheu von Moral und<br />

Sitte, sondern befassten sich nun mit einem „niederen Triebe“ wie dem<br />

Sexualtrieb, der zum „Sichverzehren in geschlechtlichen Vorstellungen und<br />

Begehrungen“ führen könne. 33 Zwar schwang die moralische Wertung nicht<br />

nur <strong>im</strong> Subtext mit. Neu aber war eine pr<strong>im</strong>är in der Medizin zu verortende<br />

Argumentation, wenn über Nervenschäden – als Folge von Masturbation –<br />

und Geschlechtskrankheiten – als Folge von vorehelichem Geschlechtsverkehr<br />

– die Rede war. 34 Gleichwohl wurde die Geschlechtertrennung auch<br />

in der nachwachsenden akademischen Generation sozial engagierter<br />

Katholiken und Katholikinnen praktiziert: Studenten engagierten sich in den<br />

Vinzenzkonferenzen, die wachsende Zahl katholischer Studentinnen (1911<br />

um 330; 1913 um 700) in den Elisabethvereinen. 35<br />

_________________________<br />

31 Hier wird bewusst <strong>im</strong> Plural von „Milieus“ gesprochen. Die höchst unterschiedlichen<br />

Lebenswelten katholischer Studenten und Bildungsbürger einerseits und die von Ordensschwestern<br />

andererseits erlauben kaum, den sozial determinierten Milieubegriff <strong>im</strong> Singular<br />

anzuwenden. Vgl. ausführlich unter Bezugnahme auf Dieter Langewiesche Dowe 2006, 15ff.,<br />

wo es heißt (16): „Alle in der Geschichtswissenschaft verwendeten Milieuansätze betonen die<br />

Grenzen gegenüber anderen Milieus und laufen damit Gefahr, schon vom Ansatz her ihren<br />

Untersuchungsgegenstand (sehr weitgehend) aus der sich wandelnden Gesellschaft<br />

herauszulösen.“ Vgl. aus dem den Milieubegriff vielfach als hilfreich ansehenden Schwerter<br />

Arbeitskreis Katholizismusforschung u.a. Christoph Kösters/Antonius Liedhegener 2001;<br />

Loth 2001.<br />

32 Dowe, Bildungsbürger, 112.<br />

33 So in den (katholischen) Akademischen Monatsblättern 1906 zit. n. Dowe 2006, 112.<br />

34 Vgl. Dowe 2006, 112f.<br />

35 Vgl. Dowe 2006, 145, 307.

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