Rheinische Hebammengeschichte im Kontext
Rheinische Hebammengeschichte im Kontext
Rheinische Hebammengeschichte im Kontext
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
198<br />
Abb. 1: Geh. Sanitätsrat<br />
Dr. med. Gottfried Ruegenberg<br />
Ralf Forsbach<br />
Nicht zuletzt angesichts der Konkurrenz<br />
evangelischer und weltlicher Pflegeorganisationen<br />
sahen die Unterzeichner der Denkschrift<br />
ein <strong>im</strong>mer schwerer wiegendes Problem<br />
darin, dass die katholischen Schwestern<br />
die Wochenbettpflege verweigerten. Junge<br />
Katholikinnen suchten mangels katholischer<br />
Alternative die meist kommunalen Wöchnerinnen-Asyle<br />
auf, sogar die protestantischen<br />
Magdalenenstifte für schwangere unverheiratete<br />
Frauen, die so genannten ‚gefallenen<br />
Mädchen’. Konversionen und evangelische<br />
Kindtaufen waren die Folge. Die Position der<br />
Ärzte um Ruegenberg war eindeutig:<br />
„Wir sind […] der Ansicht, daß dieselbe Hilfeleistung, die nach<br />
Unterleibsoperationen bei einer Geschlechtsgenossin unbeanstandet<br />
gewährt wird, nicht dadurch indezent werden kann, wenn<br />
sie infolge eines Aktes geschieht, den Gott selbst zur Erhaltung des<br />
Menschengeschlechts eingerichtet hat. […] Schließen wir<br />
prinzipiell unsere Schwestern von diesem auch nach der religiösen<br />
Seite hin hochwichtigen Gebiet der Krankenpflege aus, so liegt die<br />
Gefahr nahe, daß […] das Gebiet von akatholischer Seite<br />
vollständig okkupiert wird und uns dauernd verloren geht“. 4<br />
Aus der Praxis wussten die Unterzeichner von vollkommen unbefriedigenden<br />
Vorfällen zu berichten, etwa als sich eine anwesende Schwester<br />
eines Pflegeordens weigerte, dem Arzt bei einer plötzlich eintretenden<br />
Frühgeburt zu assistieren und dieser „die erste beste Person“ herbeirufen<br />
musste. 5<br />
In den bischöflichen Behörden wurden die Mahnungen der Ärzte aufmerksam<br />
registriert, zumal sie sich mit eigenen Beobachtungen deckten. Im<br />
November 1904 wandten sich sämtliche Bischöfe Bayerns in einem Schreiben<br />
an die dort ansässigen krankenpflegenden weiblichen Ordensgemein-<br />
_________________________<br />
Bonn), Rincheval (Oberarzt, St. Joseph-Hospital Elberfeld), Rotter (Professor, Oberarzt, St.<br />
Vinzenz-Hospital Duisburg), Schwartz (Gehe<strong>im</strong>er Medizinalrat, Köln), Urban (Oberarzt,<br />
Marienkrankenhaus Hamburg), Wesener (Professor, Oberarzt, Mariahilf-Hospital Aachen),<br />
Wirsing (Oberarzt, St. Hedwigskrankenhaus Berlin) und Wolff (Oberarzt, katholisches<br />
Krankenhaus Essen).<br />
4 Ebd., 55f.<br />
5 Ebd., 56.