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Ausgegrenzt sein & Aussenseitertum

Roland Adelmann über sein Leben als Underground-Dichter

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Interview<br />

Interview<br />

geteilt und mit ihm Schüler in künstlerischen Techniken unterrichtet, und<br />

später bin ich dann selber aktiv geworden, habe Keramiken gemacht.<br />

experimenta_ Wie kam dieses unübersehbare „Asiatische“ in Deine Kunst?<br />

Ingeborg Matschke_ Ich habe mich damals (und bis heute) für fernöstliche Malerei und Kultur<br />

interessiert, Taoismus, Yin und Yang usw. und bin dabei auf das I Ging<br />

gestoßen. Da fing ich an, meine eigenen Gedanken dazu in Keramiken<br />

auszudrücken. Das war Mitte der Achtzigerjahre, bis 1990, da kam dann<br />

meine Babypause.<br />

Ingeborg Matschke<br />

Flüchtigkeit des Seins<br />

experimenta_ Kannst Du etwas zum künstlerischen Prozess sagen? Wie entstehen<br />

Deine Bilder?<br />

Ingeborg Matschke_ Mein Ausgangspunkt ist wie bei diesem Mönch eine Art Gedankenleere,<br />

ein meditativer Moment. Ich habe vorher keine Bildidee – und wenn ich<br />

mal doch eine hatte, ist das meist nichts geworden. Höchstens, dass<br />

ich eine Vorstellung einer Bewegung habe: Ich arbeite mit Bürsten, die<br />

ich vorher mit Tusche einstreiche, führe damit eine Bewegung auf dem<br />

Papier aus, und aus dem Bewegungsablauf ergibt sich das Bild. Das Ganze<br />

geschieht meist in weniger als einer Minute.<br />

experimenta_ Also ist das Ergebnis auch für Dich eine Überraschung?<br />

Ingeborg Matschke_ Und ob! Denn Bürste und Tusche verhalten sich ja immer wieder anders.<br />

Auch verwende ich verschiedene Bürsten und unterschiedliche Papiere,<br />

mehr oder weniger saugend. Das fertige Bild lege ich dann auf den<br />

Boden, betrachte es, gehe herum, schaue es mir von allen Seiten an. Das<br />

wirkt jeweils anders, was daher kommt, dass wir ein Oben und Unten<br />

haben, das sind ganz unterschiedliche Qualitäten. Das ist eine spannende<br />

Phase, die ich sehr mag. Ich vergleiche die verschiedenen Ansichten: wie<br />

wirkt das Bild am besten, wann hat die Bewegung ihre stärkste Dynamik?<br />

Ist es um 180 Grad gedreht vielleicht besser? Meist bleibt es aber so, wie<br />

es zu Anfang war. Manchmal entscheide ich das auch erst am nächsten<br />

Tag. Dann kommt die Farbe dazu, je nach der Saugfähigkeit des Papiers<br />

mit Aquarell oder Buntstift. Die Kolorierung bestimmter Strich-Stränge<br />

soll eine Ordnung in das Bild bringen.<br />

× Ingeborg Matschke, 80 x 60 cm<br />

Näher-Herangehen sehe ich auch Details, Wolken, Berge oder Bäche<br />

oder noch anderes.<br />

experimenta_ Ich selber bemühe mich, bei abstrakten Bildern bewusst nichts<br />

Gegenständliches darin zu sehen. Wäre das nicht auch ein Weg zur<br />

Erfassung? Nur Flächen, Linien, Farben?<br />

Ingeborg Matschke_ Wenn du nichts sehen willst, dann sieh eben nichts. Ich habe andere<br />

Erfahrungen gemacht, nämlich, dass die Menschen etwas sehen<br />

wollen. Die Betrachter wollen und sollen ihre eigenen Erfahrungen mit<br />

einbringen.<br />

Ich habe dieses Betrachten schon in der Kinderzeit praktiziert, da<br />

hatten wir in Bad und Küche Kacheln mit Schlierenmuster, in die habe ich<br />

Landschaften hineingesehen. Jetzt ist es so, dass ich in meinen Bildern<br />

beim Betrachten auch plötzlich etwas sehe, und zwar auf zweifache<br />

Weise: einmal, aus etwas größerem Abstand eine große Form, zum<br />

Beispiel diesen „Tiger“ in dem einen hier gezeigten Bild, und dann beim<br />

experimenta_ Tusche benützt man ja auch für Kalligrafien und eben war von einem<br />

Kalligrafen die Rede. Siehst Du da einen Bezug zu Deinen Bildern?<br />

Ingeborg Matschke_ Absolut. Nicht nur äußere Ähnlichkeiten, wie die schwarze Figur auf<br />

weißem Grund sind da gegeben. Nein, auch das Schreiben geschieht<br />

ja schnell, und daher drückt sich dabei der persönliche Impuls aus.<br />

44 04/2023 www.experimenta.de 45

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