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Ausgegrenzt sein & Aussenseitertum

Roland Adelmann über sein Leben als Underground-Dichter

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Disibodenberger Schnipsel<br />

Trilogie der Lyrik<br />

Zwölf Jahre Trilogie der Lyrik: 2011 bis 2023<br />

Moment mal. Sehen wir nicht, welche Folgen auf Dauer (ich hätte fast „à la longue“ geschrieben)<br />

die Verbannung unserer Muttersprache - weiß Gott eine Literatur- und Wissenschaftssprache<br />

von anerkannt hohen Graden - aus dem Diskurs der Wissenschaften bedeutet? Wenn sie nur noch<br />

verwendet würde im Alltag, wenn sie sich gar nicht mehr zutraute, an der Spitze der Forschung<br />

mitzureden? Eine Sprache wächst doch an den geistigen Zumutungen und Herausforderungen,<br />

sonst verkümmert sie zum Gebabbel. Nur um es unserem großen „Leader“ rechtzumachen, als<br />

schulterbeklopptes „Leaderchen“ durchzugehen, wollen wir uns auch dem Jargon von Uncle Sam<br />

unterwerfen?<br />

Anderswo herrscht mehr Selbstbewusst<strong>sein</strong>: Wenn ich in Italien studiere, lerne ich erst<br />

Italienisch, z. B. an der Università per Stranieri di Perugia, und fange dann an auf Italienisch zu<br />

studieren; wer in Frankreich studieren will, muss Französisch können, naturellement. Wenn ich in<br />

Schweden … nee, die haben das Wissenschaftsschwedisch schon abgeschafft – was übrig bleibt, ist<br />

„god dag hur mar du“ und andere Tourifolklore.<br />

Aber ich stehe auf verlorenem Posten, ach je: Im 22. Jahrhundert, wenn es die Menschheit bis<br />

dahin noch gibt, wird in rheinhessischen Seminaren auf Mandarin parliert. Auf Deutsch kannste<br />

dann nur noch Bier bestellen.<br />

× Walter Eichmann M. A., geboren 1942 in Zweibrücken, aufgewachsen in Kaiserslautern, Abitur 1961;<br />

Buchhändlerlehre, Wehrdienst, Studium der Germanistik und Geschichte in Mainz und München, Gymnasiallehrer<br />

in Bingen, Fachleiter Deutsch in Bad Kreuznach; fachdidaktische und poetische Publikationen, Mitbegründer und<br />

langjähriger Moderator des Binger Literaturschiffs.<br />

Die experimenta veröffentlicht seit Dezember 2011 die Rubrik „Trilogie der Lyrik“.<br />

Hier erschienen bisher unter anderem Texte von Maja Rinderer (Österreich), Marcela Ximena<br />

Vásquez Alarcón (Chile), Rafael Ayala Paéz (Kolumbien), Ingritt Sachse, Cuti (Brasilien), Johannes<br />

Kühn, Charles Bukowski (USA), Gioconda Belli (Nicaragua), Arnfrid Astel, Bertram Kottmann/Emily<br />

Dickinson (USA), Ernesto Cardenal (Nicaragua), Rüdiger Heins, Xu Pei (China), Anne Waldman<br />

(USA), Jens-Philipp Gründler, Thorsten Trelenberg, SAID (Iran), Vinzenz Fengler, Johanna Kuppe,<br />

Moira Walsh, Dr. Annette Rümmele, Franziska Range, Marlene Schulz, Anna Leoni Riegraf, Minna<br />

Maria Rembe.<br />

Aktuell: Boris Greff<br />

At the Sands<br />

Die Nacht mit halonierten Augen durchgelächelt,<br />

nonchalant bis ins Unterhautgewebe;<br />

herzverblutet ansonsten, seelenweise.<br />

Fischgrätenbestuhlung vor runder Rampe;<br />

Stimmbänder tackern Luftströme zu Tönen,<br />

goldstaubbedampft beim Abphrasieren.<br />

Zigarette im Mundwinkel, für die Rauheit;<br />

eine Prise Wüstensand im Karamellschmelz.<br />

Geschmeidiger Gang zwischen den Tischen;<br />

Pailletten krallen sich ins Kristallgitter der Augen,<br />

sorgfältig austariert die Spreizung in den Hüftpfannen;<br />

plötzlich, spröde Töne ungeschönt in den Kehlköpfen;<br />

spontan eingestreutes Glissando über zwei Oktaven.<br />

Draußen tritt der unwillige Wind tumbleweeds herum,<br />

löscht fauchend die glimmenden Zigarettenenden;<br />

drinnen waten Bobby Soxer knöcheltief im Herzbruch.<br />

× Boris Greff, Jg. 1973, geb. in Saarbrücken, lebt in Merzig/Saar; Studium der Hispanistik und Anglistik, literarische<br />

Übersetzungen u. a. für die Andere Bibliothek; Veröffentlichung von Kurzgeschichten und Gedichten in diversen<br />

Anthologien (zuletzt in der Zeitschrift „Das Gdicht“, von Anton G. Leitner, Ausgabe Dez. 2021 sowie „Lichtblicke“<br />

Gedichte, die Mut machen, Reclam Verlag 2022). Der erste Gedichtband „Augenblicke und Wimperschläge“ erschien<br />

im September 2021 im Treibgut-Verlag, Berlin. Der zweite Gedichtband erschien im Februar 2023 im Athena Verlag,<br />

Oberhausen.<br />

8 04/2023 www.experimenta.de 9

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