Freie Liebe in Herden Freie Liebe in Herden - Focus-on-Horses

084_086_Zucht_RR_04 12.03.2004 12:27 Uhr Seite 1 Arm<strong>in</strong> maxmedia1:Parey:Reiter Revue:7538_ReiterRevue_04_2004:084_086_Zucht_R
Z UCHT
Weidebedeckung –
die Chance für Problemstuten
<strong>Freie</strong> <strong>Liebe</strong>
<strong>in</strong> <strong>Herden</strong>
Künstliche Besamung, Embryotransfer,
endoskopische Insem<strong>in</strong>ation – die Pferdezucht
ist immer mehr technisiert.
Bei allen Vorteilen gibt es jedoch immer
wieder Stuten, die mit diesen
Methoden nicht tragend werden.
Lesen Sie, warum e<strong>in</strong>ige Züchter
den Schritt zurück zur Natur wagen.
Sie lassen die Stuten der
Züchter frei mit ihrem Hengst auf
die Weide und haben überzeugende
Erfolge, damit sogar Problemstuten
tragend zu bekommen.
Natürliches Leben und <strong>Liebe</strong>n <strong>in</strong> der Herde: Zickige Stuten treibt der Hengst zuerst über die Weide, bevor er sie <strong>in</strong> Ruhe abprobiert.
Deutlich rossend drängt sich die dunkelbraune
Stute an den Hengst Recaro –
doch der ignoriert sie standhaft. Selbst als
sie blitzend mit gehobenem Schweif vor
ihm steht, schaut Recaro des<strong>in</strong>teressiert <strong>in</strong>
die andere Richtung. Hat der Kerl ke<strong>in</strong>e
Lust? Das nicht. Se<strong>in</strong>e Nase gleicht nur e<strong>in</strong>em
chemischem Analyse-Labor, das genau
herausf<strong>in</strong>det, wann se<strong>in</strong>e Manneskraft
Folgen h<strong>in</strong>terlässt. „Wirklich emp-
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fängnisbereit s<strong>in</strong>d Stuten nur mit auslaufendem
Follikel – das ist das Eibläschen,
das die heranreifende Eizelle umschließt –
und bis zu vier Stunden danach. Der
Hengst erkennt das alle<strong>in</strong> am Geruch und
deckt nur dann, wenn e<strong>in</strong>e Befruchtung
möglich ist. So schont er sich und auch die
Stuten“, erklärt Beate Vollmers-Höhl, die
im niedersächsischen Stade mit ihrem
Mann Hans-Günter Höhl e<strong>in</strong>e Hengst-
station der besonderen Art aufgebaut hat:
Hier laufen die Hengste frei <strong>in</strong> der Herde
– ke<strong>in</strong> Zwang, ke<strong>in</strong>e Fesselung. Hier regiert
die Natur. Hierh<strong>in</strong> können Stutenbesitzer
ihre Pferde br<strong>in</strong>gen und sie nach
e<strong>in</strong>em „Sommerurlaub“ auf der Weide,
auf der der Hengst frei mitläuft, tragend
wieder abholen. Dabei haben sie die Wahl
zwischen zwei Hannoveranerhengsten
und e<strong>in</strong>em Anglo-Araber.

084_086_Zucht_RR_04 12.03.2004 12:27 Uhr Seite 2 Arm<strong>in</strong> maxmedia1:Parey:Reiter Revue:7538_ReiterRevue_04_2004:084_086_Zucht_R
FOTOS: JULIA WENTSCHER
Ausschlaggebend für das Konzept, das
anfangs von vielen Seiten belächelt und <strong>in</strong>
Frage gestellt wurde, war die Erfahrung
von Hans-Günter Höhl. Der Tierarzt arbeitete
knapp zehn Jahre auf der Bargstedter
Deckstelle des Landgestüts Celle.
„Dabei habe ich beobachtet, dass viele
Stuten trotz tierärztlicher Überwachung
<strong>in</strong> der künstlichen Besamung nicht aufnehmen.“
Mit der verstärkten Praxis der
Hofbesamung – dabei bleibt die Stute auf
dem heimatlichen Hof und wird von e<strong>in</strong>em
Tierarzt oder Besamungswart besamt
– hat sich das Problem laut Höhl noch verschärft.
„Viele Stuten sehen dabei überhaupt
ke<strong>in</strong>en Hengst mehr, werden gar
nicht oder zu kurz abprobiert. Dabei
nimmt die Stimulation durch den Hengst
entscheidenden E<strong>in</strong>fluss auf den Hormonhaushalt,
auf die Rosse und damit die
Aufnahmebereitschaft.“ Besonders Stuten,
die direkt aus dem Sport kommen und
weder Weiden noch den Kontakt zu anderen
Pferden kennen, haben oft e<strong>in</strong>en
schlecht ausgeprägten Rossezyklus.
„Wird der nicht durch die Anwesenheit e<strong>in</strong>es
Hengstes aktiviert, werden die Stuten
nur selten tragend“, so Höhl. Doch auch
das kurze Abprobieren an der Hand reicht
vielen Stuten se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach nicht:
Gestütschef<strong>in</strong> Vollmers-Höhl mit Nachwuchs
„Besonders Jung- oder Sportstuten s<strong>in</strong>d
mit der Situtation oft überfordert, verkrampfen
sich und zeigen ke<strong>in</strong>e Rosse. Sie
brauchen schlichtweg Zeit, die ihnen meist
aber nicht gegeben wird.“
Zeit nehmen sich der Anglo-Araber
Mont du Cantal, dessen Sohn More and
More und der Hannoveraner Recaro für
ihre „Damen“. In <strong>Herden</strong> mit maximal 20
Stuten – optimal s<strong>in</strong>d laut Höhl zehn –
laufen sie Tag und Nacht auf den Weiden.
Sie liegen im Landstrich zwischen Kehd<strong>in</strong>gen,
dem Alten Land und der Stader
Geest rund um den Hof Perlberg. Stuten,
die neu ankommen, werden nach tierärztlicher
Untersuchung (Tupferprobe mit
CEM-Untersuchung und allgeme<strong>in</strong>er Gesundheitscheck)
erst dann <strong>in</strong> die Herde entlassen,
wenn sie wirklich – festgestellt
durch Abprobieren an der Hand – rossig
s<strong>in</strong>d. „Dann kümmert sich der Hengst sofort
um sie und erleichtert ihnen so die Integration
<strong>in</strong> die Herde. Spätestens nach
drei Tagen ist die neue Rangordnung klar“,
so Beate Vollmers-Höhl, die Pferdewirtschaftsmeister<strong>in</strong>
und Besamungswart<strong>in</strong> ist.
Stuten, die jedoch gar ke<strong>in</strong>e Rosse zeigen,
werden nach e<strong>in</strong>iger Zeit dennoch <strong>in</strong> die
Herde entlassen. „Meist beg<strong>in</strong>nen sie dann
doch bald deutlich zu rossen – angeregt
durch den Hengst.“ Sonne, frische Luft,
saftiges Gras, Artgenossen und ständige
Bewegung tun e<strong>in</strong> Übriges – wenn Pferde
so leben, wie es ihrer Natur weitestgehend
entspricht, regeln sich die biologischen
Funktionen meist von selbst. Nur Stuten
mit Fohlen werden nicht <strong>in</strong> die Herde gestellt:
„Das ist e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Vorsichtsmaßnahme,
denn viele Stuten verteidigen ihre
Fohlen so sehr, dass sie sich weder <strong>in</strong> die
Herde e<strong>in</strong>gliedern noch den Hengst an sich
heran lassen“, erklärt Vollmers-Höhl.
Dann wird im Natursprung an der Hand
gedeckt.
Wenn wieder e<strong>in</strong> Hänger mit Stute auf
den Hof kommt, fährt oft die letzte Hoffnung
mit. Stuten mit Geschichte nennt es
Höhl. So wie e<strong>in</strong>e, die <strong>in</strong> fünf Zuchtjahren
bei künstlicher Besamung stets leer blieb.
Mittlerweile ist sie durch die Weidebedeckung
Mutter von vier Fohlen. „Im
Schnitt haben die Stuten seit drei bis fünf
Jahren nicht aufgenommen, ehe sie als
letzte Chance zu uns kommen. Wir können
mit Befruchtungsergebnissen von 90 Prozent
aufwarten“, so Hans-Günter Höhl.
Natürlich gibt es auch Züchter, die schlicht
wegen der Hengste den Weg nach Stade
ansteuern. Recaro, der 14-jährige Ritual-
Domspatz-Sohn beispielsweise, startete
unter Alois Pollmann-Schweckhorst auf
dem Spr<strong>in</strong>g-Bundeschampionat. „Obwohl
er bei uns <strong>in</strong> der Weidehaltung e<strong>in</strong>gesetzt
wird, konnte er Erfolge <strong>in</strong> S-Spr<strong>in</strong>gen
erzielen und geht mittlerweile mit unserer
14-jährigen Tochter Anna L-Spr<strong>in</strong>gen“,
berichtet Höhl. 2003 hatte Recaro ei-
Fotos: Ernst
60.
ELITEAUKTION
OLYMPIAJAHR 2004
23./24.APRIL
4 Uniqua, FS *00
v. De Niro - Figaro
Res.-Siegerstute ’03
9 *Largeur, BH *00
v. Landor S - Argent<strong>in</strong>us
Gekört - 30TT: 8.44 Ges.-Index
8 Daddy Cool, RW *98
v. Don Primero - Pr<strong>in</strong>z Gaylord
Deutschlands JGS-Bester
Die Kollektion:
•45Sporteliten
•30Prämienfohlen
• 2 Reitponys
Infos:
AUKTIONSBÜRO VECHTA
Grafenhorststr. 5
49377 Vechta · Germany
Tel. +49-44 41-93 55-0
Fax +49-44 41-93 55 55
www.oldenburger-pferde.com
vechta-auktion@oldenburgerpferde.com

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Er weiß, wann es passt: Mont du Cantal deckt nur, wenn e<strong>in</strong>e Befruchtung möglich ist.
nen prämierten Sohn auf der Hannoveraner
Körung, der <strong>in</strong>s Landgestüt Celle
wechselte. „Er stammt übrigens aus e<strong>in</strong>er
Stute, die vor der Weidebedeckung über
Jahre nicht tragend wurde“, berichtet
Vollmers-Höhl. Ganz neu dabei ist der
Trakehner Rockefeller-Sohn Chardonnay,
der e<strong>in</strong>en Zuchtwert von 141 aufweist.
Mont du Cantal, der von Montfleury x-
Fafan la Tulipe AA abstammende Anglo-
Araber, stand lange Jahre im Celler
Dienst, ist <strong>in</strong> der Dressur bis Klasse S ausgebildet
und hat rund 30 Staatsprämienstuten
sowie sechs gekörte Söhne gebracht.
E<strong>in</strong>er davon ist More and More,
den Beate Vollmers-Höhl aus e<strong>in</strong>er Argentan-Stute
selbst gezogen hat und der
ebenfalls als Weidehengst aufgestellt ist.
Obwohl Mont du Cantal früher nur <strong>in</strong> der
künstlichen Besamung e<strong>in</strong>gesetzt wurde,
lernte er schnell, mit den Stuten umzugehen.
Überhaupt gab es bisher kaum Verletzungen
oder Schwierigkeiten. „Viele
Stutenbesitzer s<strong>in</strong>d erstaunt, wie problemlos
die <strong>Herden</strong>haltung mit Hengst
funktioniert.“ Selbst Verhaltensforscher
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könnten die <strong>Herden</strong> als Studienobjekt
wählen, bilden die Hengste doch typische
Verhaltensweisen aus: Gedeckt wird meist
nachts zwischen drei und vier Uhr. „Das
liegt wohl daran, dass sich der Hengst da
am sichersten und von Konkurrenten unbeobachtet
fühlt.“ Neue Stuten, die sehr
zickig s<strong>in</strong>d, werden oft erst e<strong>in</strong>ige Runden
im Galopp um die Weide gejagt. „Das passiert
zum e<strong>in</strong>en aus Selbstschutz, damit
der Hengst nicht getreten wird. Außerdem
bestätigt es e<strong>in</strong>e Züchterweisheit aus
früheren Jahren: Im Galopp zum Hengst,
im Schritt zurück. Dadurch kommt der
Kreislauf <strong>in</strong> Schwung und die Durchblutung
steigt, was die Aufnahmebereitschaft
erhöht.“ Fühlt sich der Hengst durch
Konkurrenten auf der Nachbarweide gestört,
treibt er se<strong>in</strong>e Damen mit vorgestrecktem
Hals und angelegten Ohren an
das andere Ende der Weide. Um dann wieder
zum Gentleman zu werden: Zeit nehmen,
sanft verführen und genießen.
Julia Wentscher
● Infos: Hof Perlberg, Beate Vollmers-Höhl,
Tel. 04141/98090, www.hofperlberg.de
Weitere Weidehengsthaltungen
Baden-Württemberg: Rom<strong>in</strong>o/Holst. v. Ramiro-Moltke I, Pferdebesamungsstation Mengen,
88512 Mengen, Tel. 07572/5760, www.pferdebesamung.de (ke<strong>in</strong>e <strong>Herden</strong>haltung, Hengst geht nach
Abprobieren & Follikelkontrolle mit der Stute auf die Weide)
Hannover: Welgrano/Hann. v. Weltmeister-Grande, Hermann Meibohm, 21702 Ahlerstedt, Tel. 04166/7148
Holste<strong>in</strong>: Carbano/Holst. v. Carthago Z-Corleone, Deckstation Lothar Völz. 25797 Wöhrden,
Tel. 04839/9060, www.hengststation-voelz.de
Thür<strong>in</strong>gen: Chopard/Trak. v. Rockefeller-Marsilio xx, Rex Gotthard/Hann. v. Raphael-Gotthard,
Syndikat/Old. v. Strohmann xx-Grannus, Agrar GmbH Craw<strong>in</strong>kel, 99330 Craw<strong>in</strong>kel, Tel. 03624/314914
Oldenburg: Galiani/Old. v. Grannus-Barsoi xx, Ulrich Bruns, 32369 Rahden, Tel. 05777/9619860,
www.ub-deckhengste.de
Auf den Hengst
kommt’s an
Der Charakter des Hengstes ist entscheidend
– das konnte Hans J. Asbahs,
auf dessen Holste<strong>in</strong>er Verbandsstation
Bokel 17 Jahre lang Hengste auf
der Weide deckten, erfahren. „Mit Literat
klappte das problemlos, er war
vorsichtig, g<strong>in</strong>g auf die Stuten e<strong>in</strong>, verausgabte
sich aber nicht. Er war schlau
genug zu wissen, dass ihm se<strong>in</strong>e Herde
von ke<strong>in</strong>em anderen Hengst genommen
wird und hatte so fe<strong>in</strong>e Reaktionen,
dass er das Verhalten der Stuten
gut zu deuten wusste“, berichtet
Asbahs. Denn Hengste, die sehr nervig
s<strong>in</strong>d, ihre Stuten ständig <strong>in</strong> Gefahr sehen
und nie zur Ruhe kommen, s<strong>in</strong>d für
die <strong>Herden</strong>haltung nicht geeignet.
„Das haben wir bei Calgary gesehen.
Dieser Hengst opferte sich so sehr für
se<strong>in</strong>e Stuten auf, dass er immer dünner
wurde und Ende der Saison regelrecht
abgemagert erschien.“ Diese
Problematik kennen die meisten Stationen,
die e<strong>in</strong>en Weidehengst anbieten.
„Nach der Decksaison mussten wir
unseren Fashion K<strong>in</strong>g, der leider im vergangenen
Jahr e<strong>in</strong>gegangen ist, auch
immer erst mal wieder hochpäppeln.
Das kommt aber nicht davon, dass der
Hengst so viel deckt, sondern weil er
ständig <strong>in</strong> Unruhe ist, se<strong>in</strong>e Herde umkreist
und sie beschützen will“, erzählt
Claudia Sander aus Bad Lauterberg.
Dennoch ist sie von dieser Haltungsform
überzeugt: „Sie entspricht der
Natur des Pferdes am meisten. E<strong>in</strong>
Großteil der Hengste fristet e<strong>in</strong> sehr
isoliertes Leben mit wenig Sozialkontakten.
E<strong>in</strong>e Stutenherde mit Hengst ist
e<strong>in</strong>fach am natürlichsten.“ Allerd<strong>in</strong>gs
braucht es dafür e<strong>in</strong>en Hengst, der
möglichst artgerecht aufgewachsen
ist, also e<strong>in</strong> gut ausgeprägtes Sozialverhalten
gelernt hat. „Deswegen ist
es auch am e<strong>in</strong>fachsten, junge Hengste
e<strong>in</strong>zusetzen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Herde aufgewachsen
s<strong>in</strong>d.“ Denn die Hengste
müssen nicht nur lernen, wie man sich
e<strong>in</strong>er Stute nähert, und ihr Abwehrverhalten
zu deuten wissen, sie müssen
sich auch e<strong>in</strong>er Leitstute unterordnen.
Der wohl prom<strong>in</strong>enteste Hengst, der <strong>in</strong>
der Herde deckte, war Christ<strong>in</strong>e
Stückelbergers Gaug<strong>in</strong> de Lully, mit
dem die Schweizer<strong>in</strong> auf den Olympischen
Spielen 1988 E<strong>in</strong>zel-Bronze und
Mannschafts-Silber holte.
FOTO: PRIVAT