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Einstellung Selbst darstellung auf ganzer Linie WAS IST AUS UNSERER LEISTUNGSGESELLSCHAFT GEWORDEN? Bild: Oliver Wagner, Cover: Ariston Verlag Neulich habe ich einen Artikel zum Thema Recruiting gelesen, in dem der Autor für eine neue Art der Bewerbung plädierte. Seiner Ansicht nach würde es Unternehmen ebenso wie Bewerbern viel Zeit sparen, wenn im ersten Schritt neben ein paar Sätzen zur Motivation erst mal nur der Link zum Linked- In-Profil übermittelt werden würde. Klar schaue ich mir auch so als Arbeitgeber die Profile von Bewerbern an. Zum einen wegen des Lebenslaufs und der Erfahrungen, inzwischen jedoch vor allem, um mehr über den Menschen dahinter zu erfahren und über die Frage, ob sich Gespräche überhaupt lohnen. Denn LinkedIn ist inzwischen zu einer Selbstdarstellungsplattform geworden, wie wir es vorher eigentlich nur von Facebook, Instagram und Co. kannten. Warum ich diese Entwicklung bedenklich finde und welche Erfahrungen ich in Sachen Mitarbeiter-Mindset diesbezüglich gemacht habe, beleuchte ich in diesem Beitrag. Streicheleinheiten fürs Ego statt Mehrwert »Martin, du postest doch selbst fast jeden Tag auf LinkedIn!« Stimmt! Allerdings sind es immer Beiträge, mit denen ich das Ziel verfolge, meinen Followern und Kontakten Mehrwert zu bieten. Die Erlebnisse, über die ich schreibe, sind allesamt genauso geschehen. Mir geht es nicht darum, möglichst umfangreiche Diskussionen anzustoßen. Genauso wenig möchte ich mir durch die Postings Bestätigung holen, wie toll ich bin. Ich möchte einfach nur meine Erfahrungen aus dem Vertrieb und als Unternehmer teilen. Doch manchmal habe ich das Gefühl, dass ich damit inzwischen ziemlich allein dastehe. Mir scheint, dass LinkedIn inzwischen zu einer Art Instagram für Berufstätige geworden ist, die ein bisschen damit hadern, dass es mit der Influencer-Karriere nicht geklappt hat. Daher stilisieren sie sich jetzt zu Helden des Arbeitsalltags auf LinkedIn. Das Netzwerk ist vor 20 Jahren an den Start gegangen, damals war noch alles auf Englisch. Sinn und Zweck der Sache? Kontakte pflegen und sich austauschen. Ich habe mich damals angemeldet, weil ich auch internationale Kontakte pflegen wollte. Quasi ein Upgrade zu XING, was damals in Sachen Karriere, Bewerbung und Recruiting noch der heiße Scheiß schlechthin war. Da hast du bekannt gegeben, wenn du einen weiteren Schritt auf der Karriereleiter gemacht hast. Ab und an mal einen klugen Beitrag aus dem »Manager <strong>Magazin</strong>« geteilt. Heute musst du dich erst mal vergewissern, ob du nicht doch aus Versehen auf das falsche Icon auf deinem Smartphone geklickt hast. Für Forderungen gefeiert werden Was ich speziell auf LinkedIn jetzt schon so alles gelesen habe, irritiert mich zunehmend. Da gehen Beiträge viral, in denen beispielsweise eine junge Frau Mitte zwanzig allen Ernstes dafür plädiert, dass Unternehmen die Debatte über New Work endlich »Dodoland – Uns geht’s zu gut!« von Martin Limbeck 240 Seiten Erschienen: Mai 2022 Ariston Verlag ISBN: 978-3-42420-261-8 umfassend führen müssen. So weit, so gut. Dazu gehöre nämlich auch, dass sie als Arbeitnehmerin ein Recht darauf haben müsse, Krankentage nehmen zu können, wenn es ihrem Hund mal nicht gut geht. Und ihn mitzubringen, wenn ihr Partner ebenfalls außer Haus ist. An anderer Stelle dreht es sich um veganes Essen in der Kantine und dass Was ich speziell auf LinkedIn jetzt schon so alles gelesen habe, irritiert mich zunehmend. »Inclusiveness« auch Soja- und Hafermilch in der Kaffeeküche bedeuten sollte. Und unter diesen Postings geht es ab. Die Aussagen werden gefeiert, die Urheber gelobt. Was sollst du als Arbeitgeber denken, wenn du so was auf den Profilen deiner Mitarbeiter oder von Bewerbern liest? Zugegeben, zuerst habe ich mich da nicht groß drum gekümmert. Doch inzwischen weiß ich aus eigener Erfahrung: Die Menschen meinen es auch genauso, wie sie es in ihren Beiträgen schreiben. Erst im vergangenen Jahr hatte ich selbst das Erlebnis, dass wir einer 27