MIT Mittelstandsmagazin 02-2023
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Deutschland ist<br />
wieder der kranke<br />
Mann Europas<br />
Foto: Picasa<br />
seit Monaten haben wir gewarnt. Vergeblich. Erst kam die<br />
Stagnation. Jetzt befindet sich Deutschland in der Rezession.<br />
In einer hausgemachten Rezession, um genau zu sein.<br />
Denn die weltweit höchsten Energiepreise ruinieren den<br />
Verbraucher-Konsum und die Standortbedingungen der<br />
Betriebe.<br />
Den Unternehmen und den Bürgerinnen und Bürgern<br />
fehlt Planungssicherheit. Das für den Mittelstand wichtigste<br />
Ministerium – Habecks Haus – wird von Skandalen rund um<br />
den grünen Filz gelähmt. Und die Gesetzentwürfe, die es<br />
schließlich doch ins Kabinett schaffen, sind hochumstritten.<br />
Sogar in der Regierung selbst. Das Gezerre um das Gebäudeenergiegesetz<br />
bietet ein Lehrstück dafür, wie man die Bürgerinnen<br />
und Bürger verunsichert und Demokratieverdrossenheit<br />
schürt. Rentner überlegen, ihr Häuschen zu verkaufen<br />
und ins Seniorenheim zu ziehen, weil sie keine Sanierungs-<br />
Kredite mehr erhalten. Immer mehr Familien schminken sich<br />
den Traum von den eigenen vier Wänden ab. Dabei ist<br />
Wohneigentum ein wichtiger Weg zur Vermögensbildung<br />
und damit zur Altersabsicherung. Stattdessen sind wir<br />
Europas Schlusslicht bei der Eigentumsquote.<br />
Klar ist: Die deutsche Wirtschaft befindet sich am Scheideweg.<br />
Vor zwei Jahrzehnten galt Deutschland als der „kranke<br />
Mann Europas“. Unter einer unionsgeführten Bundesregierung<br />
entwickelte sich das Land zum Wachstumsmotor des<br />
Kontinents. Jetzt aber sind wir wieder das Schlusslicht unter<br />
den Industrienationen: Unsere Wirtschaft schrumpft, während<br />
sie in Europa in diesem Jahr um immerhin 0,7% wachsen<br />
soll. Es gibt nichts zu beschönigen: Wir sind wieder der kranke<br />
Mann Europas.<br />
Doch hier können wir gegensteuern. Zuallererst müssen<br />
wir in der anhaltenden Energiekrise das inländische Energieangebot<br />
vergrößern: Unsere heimischen Energieträger wie<br />
Erdgas müssen endlich konsequent genutzt anstatt – wie<br />
die Biomasse – politisch behindert zu werden. Wir brauchen<br />
die Möglichkeit der zeitweiligen Wiederinbetriebnahme der<br />
drei am 15. April vom Netz gegangenen Kernkraftwerke.<br />
Und der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss beschleunigt,<br />
geeignete Freiflächen ausgewiesen und Finanzierungsmodelle<br />
entwickelt werden.<br />
Zweitens: Der Arbeitskräftemangel ist zu einer riesigen<br />
Bedrohung für den Standort Deutschland geworden. Statt<br />
Arbeitslosigkeit haben wir Arbeiterlosigkeit. Das bedeutet:<br />
Das Arbeitskräfteangebot muss voll ausgeschöpft werden.<br />
Dafür sollten wir die Anreize zur Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung<br />
fördern. Was heißt das konkret?<br />
Das Lohnabstandsgebot im Niedriglohnsektor muss wieder<br />
stärkere Beachtung finden. Die Höchstarbeitszeit ist pro<br />
Woche anstatt pro Tag zu begrenzen. Die Debatte um eine<br />
Vier-Tage-Woche ist dagegen aus der Zeit gefallen. In der<br />
Einkommenssteuer brauchen wir einen Tarif auf Rädern, um<br />
Steuerzahler dauerhaft vor illegitimen Steuererhöhungen<br />
durch die Inflation zu schützen. Das Renteneintrittsalter<br />
muss flexibler gestaltet werden, um der stetig steigenden<br />
Lebenserwartung gerecht zu werden. Und wir brauchen<br />
eine geordnete Fachkräftezuwanderung – mit einem schnelleren<br />
Erwerb deutscher Sprachkenntnisse sowie einer<br />
beschleunigten Anerkennung von passenden Bildungsabschlüssen.<br />
Unterhält man sich mit Unternehmern, macht ihnen vor<br />
allem ein dritter Punkt zu schaffen: Deutschlands Betriebe<br />
ächzen wie noch nie unter der Bürokratie. Das von Olaf<br />
Scholz im Herbst versprochene Belastungsmoratorium<br />
blieb ein leeres Versprechen. Denn eine Politik, die faktisch<br />
jeden Bereich unseres Lebens und Wirtschaftens regulieren<br />
will, schafft nun einmal neue Bürokratie. Fakt ist: Jedes neue<br />
Gesetz, jede Regulierung – egal ob aus Berlin oder aus<br />
Brüssel – muss auf den Prüfstand. Hier muss einfach der<br />
Grundsatz gelten: So viel wie nötig, aber so wenig wie<br />
möglich.<br />
Die <strong>MIT</strong> wird sich als Stimme der Vernunft und der Sozialen<br />
Marktwirtschaft für einen starken Standort Deutschland<br />
einsetzen. Hoffen wir, dass auch die Ampel endlich zur<br />
Vernunft kommt.<br />
Gitta Connemann MdB<br />
<strong>MIT</strong>-Bundesvorsitzende<br />
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