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Ramuz_SturzInDieSonne_Leseprobe

Am Anfang steht eine wissenschaftliche Entdeckung: Wegen eines Unfalls im Gravitationssystem stürzt die Erde in die Son­ne zurück. «Es wird immer heisser werden, und schnell wird alles sterben», schreibt C. F. Ramuz lakonisch dazu. Die Men­schen am Ufer des Genfersees wollen das erst nicht glauben und erfreuen sich am schönen Wetter. Aber dann wird klar, dass es vor der Hitze kein Entkommen gibt, die Freude schlägt um in Angst, als die Bäume verdorren, die Gletscher schmelzen und die soziale Ordnung zu zerfallen beginnt. 1922, als der Roman erstmals erschien, wusste C. F. Ramuz noch nichts von der Bedrohung der globalen Erwärmung, der wir heute gegenüberstehen. Doch das düstere Bild, das er in diesem visionären Text in seiner einzigartig verdichteten Sprache zeichnet, liest sich wie eine Prophezeiung.

Am Anfang steht eine wissenschaftliche Entdeckung: Wegen eines Unfalls im Gravitationssystem stürzt die Erde in die Son­ne zurück. «Es wird immer heisser werden, und schnell wird alles sterben», schreibt C. F. Ramuz lakonisch dazu.

Die Men­schen am Ufer des Genfersees wollen das erst nicht glauben und erfreuen sich am schönen Wetter. Aber dann wird klar, dass es vor der Hitze kein Entkommen gibt, die Freude schlägt um in Angst, als die Bäume verdorren, die Gletscher schmelzen und die soziale Ordnung zu zerfallen beginnt.

1922, als der Roman erstmals erschien, wusste C. F. Ramuz noch nichts von der Bedrohung der globalen Erwärmung, der wir heute gegenüberstehen. Doch das düstere Bild, das er in diesem visionären Text in seiner einzigartig verdichteten Sprache zeichnet, liest sich wie eine Prophezeiung.

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Fährt der Mann, der Schreiner der Gegend, fort,<br />

ein hagerer Mann mit schlauer Miene, der vor einem<br />

Kartonrechteck mit aufgenähten Kragenknöpfen<br />

steht.<br />

«Die lügen hemmungslos …»<br />

In einer Seelenruhe, mit den Händen in der Tasche<br />

seiner grünen Serge­Schürze.<br />

«Was willst du, Henri? … Und du, Georges? … Ein<br />

Kilo Salz, hast du eine Tüte? … Geh rasch und frag<br />

deine Mutter …»<br />

Laden, Telefonklingeln, Vitrinen, Gläser, Fliegen.<br />

Dann kommt noch eine Frau, ein Mann, zwei oder<br />

drei Kinder; wie geht’s? Und die Krämerin tippt sich,<br />

während sie zwei Franken herausgibt, mit dem Finger<br />

an die Stirn, denn die erste Frau, diese Madame<br />

Corthésy, ist gerade gegangen.<br />

Eine Verrückte, eine Gestörte. Die Krämerin traut<br />

sich nicht, laut zu sagen, was sie denkt, wegen der<br />

Leute, aber der Schreiner hat verstanden. Sie und der<br />

Schreiner schauen sich an.<br />

Die nackten Füße der Kinder, die auf dem Trottoir<br />

kein Geräusch machen, machen auch keins auf dem<br />

Holzfußboden; diese kleinen, runden und frisch geschorenen<br />

Köpfe, die sie haben, die sich aneinanderdrücken.<br />

Geld wird gereicht, Päckchen werden entgegengenommen,<br />

oder Brot, oder Zuckerpackungen, oder<br />

Saft für fünf Rappen; während die Erwachsenen, die<br />

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