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PT-Magazin - Ausgabe 6 | 2023

Premiers, Preisträger, Finalisten - Auszeichnungen zum Mittelstandswettbewerb 2023 Jahresmotto: "Mit Zuversicht Richtung Zukunft" - Neuausschreibung 2024 Beratermarketing - Kundenbindung mit dem Großen Preis des Mittelstandes Herausforderungen und Perspektiven im Zeichen des Wandels - Neuer Mittelstand

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18 Wirtschaft<br />

19<br />

© FREEPIK.COM | JEFF JACOBS<br />

Mehr Mut<br />

zur eigenen Meinung<br />

Institutionelles Wehklagen reicht nicht aus<br />

An hohe Steuern, bürokratischen Aufwand<br />

und Kummer mit der Politik sind<br />

Unternehmer grundsätzlich gewöhnt.<br />

Seit Jahren klagt „die Wirtschaft“ über<br />

Missstände, moniert immer neue Gesetze<br />

und Regelungen zu ihren Lasten. Vielfach<br />

sind diese Klagen berechtigt. Eine ganze<br />

Klageindustrie aus Verbänden, Think<br />

Tanks, Lobbygruppen und Public-Affairs-<br />

Agenturen hat sich deswegen etabliert.<br />

Das Beschweren wird dabei ebenso arbeitsteilig<br />

betrieben wie Service- und<br />

Produktionsprozesse. Viele Unternehmen<br />

haben selbst das Wehklagen über das,<br />

was ihnen politisch und gesellschaftlich<br />

widerfährt, an solche Akteure delegiert.<br />

Böse Zungen nennen es Lobbyismus,<br />

wohlmeinende Interessenvertretung.<br />

Freilich steht diesen Verbänden und Initiativen<br />

der Wirtschaft auch eine Phalanx<br />

Andersdenkender gegenüber: Umweltund<br />

Sozialverbände, Protestbewegungen<br />

und Gewerkschaften sind nur einige davon.<br />

Diese werden nicht selten technisch<br />

NGOs genannt, wer es mit diesen hält,<br />

tituliert sie lieber als Aktivisten. Schon<br />

sprachlich soll schließlich deutlich werden,<br />

wer auf Seiten des Wahren, Schönen und<br />

Guten steht und wer nur niederträchtige<br />

Eigeninteressen verfolgt. Hier der egozentrische<br />

Lobbyist, dort der gesellschaftsverantwortliche<br />

Aktivist.<br />

Ritueller Wettbewerb<br />

um Aufmerksamkeit<br />

Beide Seiten liefern sich eine öffentlich<br />

inzensierte und inzwischen ritualisierte<br />

Debatte mit den nahezu immer gleichen<br />

gegenseitigen Argumenten, Schuldzuweisungen<br />

und Forderungen – immer<br />

mit dem Ziel, sowohl das eigene politische<br />

Lager als auch die einem selbst<br />

zuneigende Öffentlichkeit für sich zu<br />

gewinnen. Das wiederholte Erheben der<br />

immer ähnlichen Forderungen und das<br />

Vortragen wiederkehrender Argumente<br />

dient dabei mehr dem Arbeitsnachweis<br />

von Referenten und Funktionären, und<br />

somit primär der jeweiligen Institution<br />

selbst, als der wahrhaften Problemlösung.<br />

Die politische Debatte ist schließlich auch<br />

nur ein Handwerk und institutionelles<br />

Gebaren. Lobbyisten, NGOs, ja auch die<br />

meisten Medienvertreter sind schließlich<br />

ebenso Teil des Gesamtsystems, das im<br />

Spiel und Wettstreit demokratischer Kontroversen<br />

davon lebt, sich selbst zu legitimieren.<br />

Sie agieren im Wettbewerb um<br />

Mitglieder, Spenden und Aufmerksamkeit.<br />

Die eigentliche Problemlösung ist dabei<br />

– wie in den Parlamenten und dem individuellen<br />

Handeln von Politikern selbst –<br />

<strong>PT</strong>-MAGAZIN 6 <strong>2023</strong><br />

<strong>PT</strong>-MAGAZIN 6 <strong>2023</strong><br />

nur ein Nebeneffekt. Je nach politischen<br />

Mehrheiten verfängt eben auch mal ein<br />

Argument oder eine Position und findet<br />

Einzug in einen Gesetzestext.<br />

Shitstorms haben Methode<br />

und folgen einem Drehbuch<br />

Das große Ganze allerdings wird dabei<br />

selten diskutiert. Eine neue Wirtschaftsund<br />

Gesellschaftsordnung steht selten<br />

auf der Tagesordnung, schon gar keine,<br />

die ((( nicht ))) unternehmerische Freiheit,<br />

Wettbewerb, Leistung und individuelles<br />

Wachstum in den Fokus rückt. Ebenso<br />

wenig werden wesentliche Partikularinteressen<br />

einzelner Unternehmen thematisiert.<br />

Wer das große Ganze anstößt, gilt<br />

schnell als Verschwörer, Umstürzler oder<br />

Revolutionär und muss sich in aller Regel<br />

massiver Ausgrenzung und Diffamierung<br />

aussetzen. Wer seine Partikularinteressen<br />

allzu intensiv in den öffentlichen Diskurs<br />

einbringt, egal wie legitim diese sein mögen,<br />

gilt als „Ober-Egoist“, als Misfit, dem<br />

die Gesellschaft mutmaßlich gleichgültig<br />

ist, als Spalter. Ein Vorwurf, der sich heute<br />

wunderbar eignet, um Andersdenkende,<br />

vornehmlich aus der Wirtschaft, auszugrenzen.<br />

Auch das hat sich inzwischen<br />

ritualisiert und prägt den öffentlichen<br />

Diskurs. Und so sind auch Internetpranger,<br />

professionelle Agitatoren und Aggressoren<br />

inzwischen Teil der Meinungsbildungsindustrie.<br />

Diese agieren freilich<br />

primär mit dem Ziel, bestimmte, allzu<br />

kontroverse Meinungen wahlweise zu<br />

verhindern oder, wenn sie doch geäußert<br />

werden, diese derart zu diskreditieren,<br />

dass der Verfasser als Persona non grata<br />

aus dem weiteren Diskurs und der Öffentlichkeit<br />

entfernt wird. Shitstorms und<br />

Ausgrenzung haben Methode und folgen<br />

einem Drehbuch.<br />

Verbände und Organisationen<br />

sind bestenfalls ein Teil der Lösung<br />

In dieser Melange ist es nur allzu folgerichtig<br />

für Unternehmen, ihre Interessenvertretung<br />

zu delegieren. Sollen halt<br />

die Profis machen, die das politische Geschäft<br />

verstehen. Und schließlich soll sich<br />

die Mitgliedschaft in einem Verband ja<br />

auch lohnen. Diese Haltung allerdings<br />

verkennt, dass Verbände auch jeweils<br />

nur Kollektivinteressen vertreten können,<br />

Mehrheitsmeinungen der nicht selten<br />

heterogenen Mitgliedschaft. Wer wirklich<br />

etwas zu sagen hat, wird durch eine Institution<br />

nur in dem Maße repräsentiert, wie<br />

der Platz im innerverbandlichen Machtgefüge<br />

dies erlaubt. Verbände sind eine<br />

Ergänzung, ein ideologisches und informatives<br />

Fundament, aber letztlich keine<br />

Repräsentanten der eigenen Interessen.<br />

Sie können Verbündete sein, Argumente<br />

und Insights liefern, aber sie sind nur selten<br />

geeignet, einen politischen oder thematischen<br />

Durchbruch im eigenen Interesse<br />

zu erzielen.<br />

Übergriffige Politik<br />

zu Lasten der Unternehmen<br />

Dabei war es nie so wichtig wie heute,<br />

den Mut aufzubringen, eine eigene Position<br />

einzunehmen. Nie war eine Politik<br />

so unternehmens- und freiheitsfeindlich.<br />

Nie wurden in so kurzen Abständen Rechte<br />

eingeschränkt, übergriffige Gesetze<br />

beschlossen und kostenintensive Regularien<br />

oktroyiert wie gerade jetzt. Noch<br />

nie wurde derart versucht, Unternehmen<br />

und deren Führungsetagen zu Komplizen<br />

zu machen für den eigenen Niedergang<br />

ganzer Branchen und Geschäftsmodelle.<br />

Es ist Zeit, trotz aller Widerstände, Haltung<br />

zu zeigen und sich mit der eigenen<br />

Position darzustellen. Das Delegieren politischer<br />

Meinungsbildungsprozesse und<br />

medialer Einflussnahme an kollektive<br />

Interessenvertreter stößt dabei an seine<br />

Grenzen. Hinzu kommt die Erkenntnis:<br />

auch der Shitstorm und die obligatorische<br />

Empörung ist nur ein Ritual, das sich zunehmend<br />

als durchschaubares Manöver<br />

bestimmter Akteure durchschauen und<br />

letztlich managen lässt.<br />

Jedes Unternehmen braucht<br />

eine Lobby- und Pressestelle<br />

Das Wissen um politische Systeme, mediale<br />

Sichtbarkeit und das Formulieren eigener<br />

Positionen muss Einzug finden in die<br />

Unternehmen selbst. Sich kein Gehör zu<br />

verschaffen, keine Meinung zu haben oder<br />

© FREEPIK.COM | ASIER-RELAMPAGOESTUDIO<br />

deren Artikulation anderen zu überlassen,<br />

ist keine Option mehr. Eine eigene Presseabteilung,<br />

die unverfälscht die eigenen<br />

Positionen vertritt, eine eigene Repräsentanz<br />

an den Schaltstellen der Politik, die<br />

primär ungefiltert die eigenen Interessen<br />

durchzusetzen sucht, sowie eigene<br />

Formate und Netzwerke – gerne auch im<br />

Konzert mit Verbänden und ähnliche Ziele<br />

verfolgenden Verbündeten – die diese Interessen<br />

artikulieren, sicht- und erlebbar<br />

machen, sind dringend notwendig. Solche<br />

Events und derartiges Handeln zahlen<br />

auch auf die eigene Marke ein. Denn: Es<br />

ist eben nicht mehr egal, was ein Unternehmer<br />

denkt und für was er einsteht.<br />

Kunden, Partner, Mitarbeiter und Medien<br />

schauen hin und hinterfragen, ziehen<br />

Schlüsse. Diese Schlüsse dürfen dabei<br />

nicht der Willkür der jeweiligen Interpretatoren<br />

ausgesetzt sein. Das eigene Narrativ<br />

sowie die individuelle Deutung relevanter<br />

Sachverhalte sollte aus dem eigenen Kosmos<br />

heraus erfolgen. Die Erzählung darf,<br />

ja muss gestaltet werden, auch, um die<br />

eigene Marke zu schützen und entsprechend<br />

mit Werten aufzuladen. Lobbying in<br />

eigener Sache ist so auch Markenmanagement<br />

und Markenführung.<br />

Stellung beziehen<br />

Unternehmen sollten medial gerüstet<br />

sein und den Mut aufbringen, teilzunehmen<br />

am Diskurs. Sie brauchen den Mut<br />

zur Meinung. Viele haben die Mittel, die<br />

Möglichkeiten und Gelegenheiten. Sie<br />

müssen sie nur nutzen. Es ist an der Zeit,<br />

Stellung zu beziehen, sich satisfaktionsund<br />

bündnisfähig aufzustellen, unternehmerisch<br />

zu handeln und in die Vorhand<br />

zu gehen, zu agieren, statt zu reagieren,<br />

vom Objekt des Handelns zum Subjekt zu<br />

werden. Die Zeiten sind zu unternehmerfeindlich,<br />

um nicht seine Stimme zu erheben.<br />

Schweigen ist keine Option mehr. •<br />

Falk S. Al-Omary<br />

ist Strategieberater rund um<br />

die Themen Marke, Medien,<br />

Meinungsbildung und<br />

Markteinführung sowie<br />

erfahrener Krisenkommunikationsmanager.<br />

www.al-omary.com<br />

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