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Schriftenreihe Oldenburger Forschungsnetz Wirtschaft – Recht ...

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<strong>Schriftenreihe</strong> <strong>Oldenburger</strong> <strong>Forschungsnetz</strong><br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>–</strong> <strong>Recht</strong> <strong>–</strong> Bildung<br />

Band 4<br />

Bettina Graue<br />

Britta Alexandra Mester<br />

Günter Siehlmann<br />

Magnus Westhaus<br />

(Hrsg.)<br />

International <strong>–</strong> Europäisch <strong>–</strong> Regional<br />

BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg


BIS-Verlag, Oldenburg, 2007<br />

Verlag / Druck / Vertrieb<br />

BIS-Verlag<br />

der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg<br />

Postfach 25 41<br />

26015 Oldenburg<br />

Tel.: 0441/798 2261, Telefax: 0441/798 4040<br />

E-mail: bisverlag@uni-oldenburg.de<br />

Internet: www.ibit.uni-oldenburg.de<br />

ISBN 978-3-8142-2052-9


Vorwort der Herausgeber 7<br />

Thomas Heinicke<br />

Verfassungsrechtlicher Umweltschutz in Deutschland und<br />

Südafrika <strong>–</strong> von der jungen Demokratie lernen 15<br />

Magnus Westhaus<br />

Supply Chain Controlling-Publikationen <strong>–</strong> Eine Analyse<br />

internationaler Referenzen 35<br />

Andreas Eiselt/Inge Wulf<br />

Wesentliche Bilanzierungsunterschiede bei Rechnungslegung<br />

nach International Financial Reporting Standards (IFRS) und<br />

US-Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) 65<br />

Martin Duensing<br />

Wie machen es die Nachbarn?- Familienpolitik im Vergleich 97<br />

Dirk Höner<br />

Institutionalisierung qua Internationalisierung <strong>–</strong> Die Entwicklung<br />

der Unternehmensberatung aus neo-institutionalistischer<br />

Perspektive 119<br />

Herbert Schulze/Peter Wengelowski<br />

Transkulturelle Kompetenz <strong>–</strong> eine akteursorientierte<br />

Perspektive 143<br />

Tobias Menz<br />

Demographischer Wandel und Umweltqualität 177<br />

Bettina Reich<br />

Die Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte nach IFRS 199<br />

Udo Bonn<br />

Theorie Optimaler Währungsräume und ökonomische<br />

Konvergenz 227


Sarah Müller<br />

Epistemologische Überzeugungen zu Wissen und Wissenserwerb<br />

im europäischen Vergleich 247<br />

Chege, Victoria<br />

The Interaction of Race and Gender in EU Equality Law 267<br />

Romy Morana, Judy Libra<br />

Internationalisierung regionaler Produktkreisläufe 289<br />

Anne Rubens-Laarmann<br />

Tageszeitungen im Umbruch <strong>–</strong> Implikationen für das regionale<br />

Anzeigenmarketing 305<br />

Jörg Hammermeister<br />

All business is local - Möglichkeiten der strategischen<br />

Differenzierung durch regionale Markenführung <strong>–</strong> Am Beispiel<br />

von Marken der Unternehmen EWE, InBev und Rügenwalder 329


Vorwort der Herausgeber<br />

Inzwischen liegt der vierte Band des <strong>Forschungsnetz</strong>werkes <strong>Wirtschaft</strong> /<br />

<strong>Recht</strong> / Bildung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg vor. Bereits<br />

im Jahre 2003 startete der erste Band mit dem Titel „Umwelt / Arbeit /<br />

Bildung“. Hierauf folgte der zweite Band mit dem Titel „Information / Wissen<br />

/ Kompetenz“ und der dritte zu den Themenkomplexen „Beratung -<br />

Evaluation - Transfer“. In Fortsetzung dieser Reihe wendet sich der vierte<br />

Mittelbauband einer „internationalen, europäischen und regionalen“ Themenstellung<br />

zu. Die Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftler des Mittelbaus<br />

der Fakultät II präsentieren unter dieser Thematik ihre wirtschaftspädagogischen,<br />

rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsfelder.<br />

In Analogie zu den ersten drei Bänden bedient sich auch der vierte eines<br />

Dreiklangs und will die vielfältigen Forschungsschwerpunkte innerhalb des<br />

Mittelbaus in ihrer gesamten Bandbreite aufgreifen. Der gewählte Dreiklang<br />

steht für unterschiedliche aktuelle politische und gesellschaftliche Ebenen<br />

der Veränderung, die von der Wissenschaft aufgegriffen werden. Zu nennen<br />

sind die vielfach diskutierte Internationalisierung der <strong>Wirtschaft</strong>, der europäische<br />

Einigungsprozess und die Wechselwirkungen der beiden erstgenannten<br />

Bereiche mit der regionalen Entwicklung. Der Titel „international,<br />

europäisch, regional“ stellt nicht drei Begriffe isoliert nebeneinander, sondern<br />

betont vielmehr deren Potentiale einer integrativen Verflechtung.<br />

Die Gliederung des Sammelbandes orientiert sich an der gewählten Thematik.<br />

Es beginnt mit Beiträgen zu internationalen Forschungsfragen. Daran<br />

schließen sich Beiträge an, die den Fokus auf europäische Aspekte des wissenschaftlichen<br />

Diskurses legen. Den Schluss des Dreiklangs bilden Beiträge,<br />

die sich einer regionalen Ausrichtung verpflichtet sehen.<br />

Im Folgenden werden die verschiedenen Beiträge entsprechend dem Gliederungsschema<br />

zugeordnet und kurz inhaltlich eingeführt.


8<br />

International<br />

Den Beginn zu diesem ersten Themenblock macht der Autor Thomas Heinicke.<br />

Er vergleicht in seinem Beitrag „Verfassungsrechtlicher Umweltschutz<br />

in Deutschland und Südafrika <strong>–</strong> von der jungen Demokratie lernen“ die<br />

Verfassungen Deutschlands und Südafrikas im Hinblick auf das hier und<br />

dort verankerte Umweltgrundrecht miteinander. Während Art. 20a GG als<br />

bloße Staatszielverpflichtung nur den Staat zur Gewährleistung und Sicherung<br />

der natürlichen Ressourcen auffordert, stellt sich Sec. 24 (a) der Verfassung<br />

Südafrikas (SAC) als weit reichendes und einklagbares Grundrecht auf<br />

eine Umwelt dar, die weder die Gesundheit noch das Wohlbefinden des<br />

Einzelnen beeinträchtigen darf. Darüber hinaus wird über Sec. 24 (b) SAC<br />

ein Anforderungskatalog entwickelt, der u.a. das umweltrechtliche Vorsorgeprinzip<br />

beinhaltet. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass Art. 20a GG<br />

auf der Basis der aus der südafrikanischen Verfassung gewonnenen Erkenntnisse<br />

erhebliche Schwächen insbesondere mit Blick auf die fehlende Verbindlichkeit<br />

des Nachhaltigkeitsprinzips zeigt.<br />

Der Beitrag von Magnus Westhaus trägt den Titel „Supply Chain Controlling<br />

<strong>–</strong> Eine Analyse internationaler Referenzen“. Die Diskussion um ein<br />

Supply Chain Controlling wird vornehmlich im deutschsprachigen Raum<br />

geführt. Hiervon unabhängig fließen dennoch internationale Erkenntnisse in<br />

Form von Referenzen in die Veröffentlichungen zum Supply Chain Controlling<br />

ein. Das Anliegen des Beitrages ist die Analyse der enthaltenen angloamerikanischen<br />

Referenzen mittels einer Zitatenanalyse. Ausgehend von<br />

einer Darstellung der Grundlagen des Supply Chain Managements, des Controllings<br />

und des Supply Chain Controllings wird die Forschungsmethodik<br />

der Zitatenanalyse dargestellt. Daran schließt sich die Darbietung der Analyseergebnisse<br />

an. Es werden interessante Einblicke in den Einfluss internationaler<br />

Publikationen auf die deutschsprachige Diskussion bezüglich des<br />

Supply Chain Controlling gegeben, so dass die Untersuchung einen weiteren<br />

interessanten Baustein zur Forschung zum Supply Chain Controlling darstellt.<br />

Der Aufsatz von Andreas Eiselt und Inge Wulf wendet sich der Thematik<br />

„Wesentliche Bilanzierungsunterschiede bei Rechnungslegung nach International<br />

Financial Reporting Standards (IFRS) und US-Generally Accepted<br />

Accounting Principles (US-GAAP)“ zu. IFRS und US-GAAP stellen für<br />

international tätige Unternehmen bzw. Konzerne die gegebenenfalls anzuwendenden<br />

<strong>Recht</strong>svorschriften dar. Zwischen beiden Standards bestehen


jedoch Unterschiede. Der Artikel wendet sich daher den wesentlichen Differenzen<br />

in den Ausweis-, Ansatz- und Bewertungsvorschriften der beiden<br />

Rechnungslegungsvorschriften zu, wobei der Fokus auf börsennotierte Handels-<br />

und Industrieunternehmen gelegt wird. Hierzu wird zunächst auf Unterschiede<br />

in den Rahmenbedingungen eingegangen. Im Anschluss daran<br />

folgt eine Gegenüberstellung der Differenzen in den Zielen und Grundsätzen<br />

der jeweiligen Rechnungslegung. Daran schließen sich Ausführung zu den<br />

Unterschieden in der formalen Ausgestaltung der Abschlussbestandteile und<br />

der bilanzorientierten Darstellung der wesentlichen Bilanzierungsunterschiede<br />

an. Als Resümee lässt sich festhalten, dass der Prozess der Angleichung<br />

der beiden Rechnungslegungssysteme als noch nicht abgeschlossen<br />

angesehen werden muss.<br />

Der Beitrag von Martin Duensing trägt den Titel „Wie machen es die Nachbarn?<br />

<strong>–</strong> Familienpolitik im Vergleich“. Hier wird unter Familienpolitik der<br />

Eingriff des Staates durch direkte und indirekte monetäre Maßnahmen in<br />

einzelwirtschaftliche Kalküle verstanden, der das Ziel verfolgt, die Geburtenrate<br />

zu beeinflussen. Zunächst werden Ausführungen geboten, wann eine<br />

Familienpolitik aus ökonomischer Sicht gerechtfertigt ist. Daran anschließend<br />

wird anhand von statistischem Datenmaterial aus verschiedenen westlichen<br />

Industriestaaten aufgezeigt, auf welche Bedingungen Familienpolitik<br />

zu reagieren hat und was Familienpolitik zu leisten im Stande ist. Die international<br />

gewonnenen Erkenntnisse werden abschließend zu möglichen Empfehlungen<br />

für eine deutsche Familienpolitik zusammengefasst.<br />

Dirk Höner greift in seinem Beitrag die Thematik „Institutionalisierung qua<br />

Internationalisierung <strong>–</strong> Die Entwicklung der Unternehmensberatung aus<br />

neo-institutionalistischer Perspektive“. Hier wird untersucht, mit welcher<br />

Berechtigung von einer Institution Unternehmensberatung gesprochen werden<br />

kann und wie ein derartiger Status entsteht. Für eine diesbezügliche<br />

Erklärung wird im Rahmen der Arbeit auf den Theorie-Ansatz des Neo-Institutionalismus<br />

zurückgegriffen. Um die Zielsetzung der Arbeit zu erreichen,<br />

wird zunächst auf die Institutionalisierungsprozesse im Rahmen des<br />

neo-institutionalistischen Theorieansatzes eingegangen. Danach folgt eine<br />

eingehende Auseinandersetzung mit der Institutionalisierung der Unternehmensberatung,<br />

bevor auf die Bedeutung des Institutionen-Status für die Unternehmensberatung<br />

eingegangen wird. Abschließend wird resümiert, dass<br />

die Unternehmensberatung zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufgrund ihrer<br />

Institutionalisierung über ein Legitimationskapital verfügt. Daran anknüp-<br />

9


10<br />

fend wird ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungslinien der Unternehmensberatung<br />

gegeben.<br />

Herbert Schulze und Peter Wengelowski thematisieren „Transkulturelle<br />

Kompetenz <strong>–</strong> eine akteursorientierte Perspektive“. Zunächst wird hierzu in<br />

globale und interkulturelle Aspekte des Managements eingeführt. Im zweiten<br />

Kapitel wird kritisch auf die traditionelle Sichtweise eingegangen, dass eine<br />

effiziente Gestaltung von Strategie, Strukturen und System den Unternehmenserfolg<br />

garantiert. Das dritte Kapitel zeigt auf, dass dieser Ansatz im<br />

internationalen Kontext nicht mehr haltbar ist und es zu einer Berücksichtigung<br />

von Strategie, Kultur und Unternehmen kommen muss. Das vierte<br />

Kapitel diskutiert abschließend, ob die transkulturelle Kompetenz als ein<br />

weiterführender Ansatz begriffen werden kann.<br />

Der Artikel von Tobias Menz zum Demographischen Wandel und Umweltqualität“<br />

stellt den Einfluss der demographischen Veränderungen der kommenden<br />

Jahrzehnte auf den Umweltverbrauch bzw. die Umweltverschmutzung<br />

vor. Er konstatiert dabei weltweit regionale Unterschiede am Beispiel<br />

der Luftverschmutzung durch Kohlendioxid (typisch globale Umweltemission),<br />

Schwefeldioxid (typisch regionale Umweltemission) und Kohlenmonoxid<br />

(typisch lokale Umweltemission). Die vorgenommene Differenzierung<br />

nach High Income Countries (HIC), Middle Income Countries (MIC) und<br />

Low Income Countries (LIC) macht deutlich, dass Kohlendioxid vornehmlich<br />

in den HIC, Schwefeldioxid in den MIC und Kohlenmonoxid tatsächlich<br />

am stärksten in den LIC ausgestoßen wird. Der Autor räumt ein, dass seine<br />

Untersuchung lediglich erste Anhaltspunkte liefern kann, jedoch weitere<br />

wertvolle Erkenntnisse aus einer feineren Gliederung der regionalen Aufteilung<br />

der Länder mit ähnlicher Demographie und Wohlstandsniveau gezogen<br />

werden können. Abschließend sieht er im demographischen Wandel auch<br />

Einflüsse auf die Umweltpräferenzen und Konsummuster der Bevölkerung<br />

begründet, die seiner Ansicht nach näherer Untersuchung bedürfen.<br />

Bettina Reich behandelt in ihrem Beitrag die „Bilanzierung immateriellen<br />

Vermögens nach IFRS“. Der Wandel der Industriegesellschaft hin zu einer<br />

Dienstleistungs-, Hochtechnologie- und Informationsgesellschaft geht einher<br />

mit einem zunehmenden Bedeutungsverlust materieller Unternehmenswerte.<br />

Demgegenüber steigen immaterielle Vermögenswerte kontinuierlich an und<br />

stellen sich als zukünftiger Garant für Unternehmenserfolge und <strong>–</strong>werte dar.<br />

Im deutschen Bilanzrecht sind diese immateriellen Werte aber nur dann<br />

auszuweisen, wenn sie entgeltlich erworben wurden, so dass die Autorin der


Frage nachgeht, wie über die International Financial Reporting Standards<br />

(IFRS) neben der Bilanzierung der entgeltlichen immateriellen Vermögenswerte<br />

nach HGB auch selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte aktiviert<br />

werden können. Sie wirft dabei auch einen Blick auf die EU-Verordnung<br />

Nr. 1606/2002 und kommt zu dem Ergebnis, dass sich über die IFRS<br />

entscheidungsrelevante und dem True-and-Fair-View entsprechende Informationen<br />

ergeben. Darüber hinaus fordert sie für immaterielles Vermögen<br />

eine qualitative Offenlegung i.S.v. Intellectual-Capital-Berichten sowie eine<br />

quantitative Standardisierung.<br />

Europäisch<br />

Der Artikel von Udo Bonn trägt den Titel „Theorie Optimaler Währungsräume<br />

und ökonomischer Konvergenz“. Der Autor untersucht, ob die in<br />

Artikel 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft angestrebte<br />

ökonomische Konvergenz durch eine monetäre Integration gefördert<br />

wird. Hierzu werden zunächst die Ansätze der Monetaristen und Ökonomisten<br />

der klassischen Theorie zu Optimalen Währungsräumen betrachtet<br />

und deren Einfluss auf die ökonomische Konvergenz abgewogen. Es folgen<br />

Ausführungen zu neueren Entwicklungen der OCA-Theorie. Hier wird zwischen<br />

der Haltung der Europäischen Kommission, die eine gemeinsame<br />

Währung als einen Beschleuniger des Konvergenzprozesses sieht, und der<br />

Auffassung, dass die monetäre Integration zu Spezialisierungstendenzen und<br />

somit zu divergenten Entwicklung führt, unterschieden. Abschließend werden<br />

gängige empirische Methoden bezüglich der Bewertung Optimaler Währungsräume<br />

erläutert, bevor als Resultat die Sichtweise der Katalysatortheorie<br />

eine Bestätigung findet.<br />

Die Arbeit von Sarah Müller behandelt die Themenstellung „Epistemologische<br />

Überzeugungen und Wissenserwerb im europäischen Vergleich“. Menschen<br />

besitzen individuelle Überzeugungen beziehungsweise Systeme zu<br />

Wissen und Wissenserwerb, die unmittelbaren Einfluss auf Verstehen, Problemlösen<br />

und Handeln haben und selbst einem Entwicklungsprozess unterliegen.<br />

Nach Begriffsklärungen gibt die Autorin eine Einführung in Theorien<br />

und Modelle zu epistemologischen Überzeugungen. Im Anschluss daran<br />

wird der empirische Part der Arbeit dargeboten, der sich mit dem Wissen<br />

und Wissenserwerb von Lehrerinnen und Lehrern aus Deutschland und Österreich<br />

auseinandersetzt. Die Untersuchung zu deren epistemologischen<br />

Überzeugungen wird mit Hilfe eines Fragebogens durchgeführt. Abschlie-<br />

11


12<br />

ßend wird festgestellt, dass hinsichtlich der Auswirkungen der epistemologischen<br />

Überzeugungen auf das unterrichtliche Handeln noch ein erheblicher<br />

Forschungsbedarf besteht.<br />

Victoria Chege beschäftigt sich in ihrem Artikel mit der „Wechselwirkung<br />

von Rasse und Geschlecht im europäischen Gleichstellungsrecht“ (The Interaction<br />

of Race and Gender in EU Equality Law). Es geht darum, dass<br />

Diskriminierungen u.a. aufgrund des Geschlechts und der Rasse häufig nicht<br />

isoliert voneinander stattfinden, sondern miteinander korrespondieren. In<br />

diesem Zusammenhang wird auch von der Mehrfachdiskriminierung gesprochen.<br />

Die Autorin verdeutlicht, dass zwischen geschlechts- und rassisch<br />

bedingten Diskriminierungen Zusammenhänge bestehen, die zwar einen<br />

europarechtlichen Rahmen durch Art. 13 EG-Vertrag und die Antidiskriminierungsrichtlinien<br />

erhalten haben, jedoch nach wie vor Schwierigkeiten bei<br />

der Erfassung der sich überschneidenden Tatbestände bieten. Sie folgert aus<br />

dem Gender-Mainstreaming-Instrument der EU, dass es die Einbeziehung<br />

von Mehrfachdiskriminierungen in Bezug auf das Geschlecht erst ermöglicht,<br />

allerdings auch die Problematik der Hierarchisierung von Diskriminierungstatbeständen<br />

birgt.<br />

Regional<br />

Der Beitrag von Romy Morana und Judy Libra behandelt die „Internationalisierung<br />

regionaler Produktkreisläufe“. Wie im Titel erkennbar wird,<br />

zeichnet sich der Artikel dadurch aus, dass er sowohl internationale als auch<br />

regionale Aspekte aufgreift, wobei letztgenannte dominieren und die Zuordnung<br />

in die regionale Rubrik unterstreichen. Die Textilkette zeichnet sich<br />

durch vielfältige soziale und ökologische Probleme aus. Um die mit ihr verbundenen<br />

Umweltprobleme zu verringern, bietet sich die Einführung von<br />

Produktkreisläufen an. In der Arbeit werden zwei regionale Kreisläufe thematisiert<br />

und deren internationale Ausweitung diskutiert. Hierzu wird einleitend<br />

die globale Textilkette mit ihren sozialen und ökologischen Auswirkungen<br />

skizziert, bevor sich dem Kernanliegen der Arbeit <strong>–</strong> den Produktkreisläufen<br />

„ECOLOG“ und „GETEX“ zugewandt wird. Insbesondere für<br />

letztgenanntes wird eine internationale Ausweitung nahe gelegt. „ECOLOG“<br />

hingegen muss seine Probleme zunächst noch auf regionaler Ebene lösen.<br />

Anne Rubens-Laarmann setzt sich in ihrem Artikel mit dem Thema „Tageszeitungen<br />

im Umbruch <strong>–</strong> Implikationen für das regionale Anzeigenmarke-


ting“ auseinander. Tageszeitungen sind traditionell ein Medium mit hoher<br />

Bedeutung sowohl auf dem Rezipienten- als auch Werbemarkt. In Deutschland<br />

ist insbesondere ein hoher Anteil an lokalen und regionalen Zeitungen<br />

festzustellen. Insbesondere für Werbetreibende, die in deren Einzugsgebiet<br />

tätig sind, stellen sie ein Basismedium dar. Allerdings ist für den regionalen<br />

Anzeigenmarkt zu beobachten, dass dieser zunehmend an Bedeutung verliert<br />

und somit die Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft für die Verlage verloren<br />

gehen. Vor diesem Hintergrund setzt sich der vorliegende Artikel mit<br />

den aktuellen Entwicklungslinien im Anzeigengeschäft regionaler Tageszeitungen<br />

auseinander und untersucht die Konsequenzen für das Marketing<br />

im regionalen und lokalen Raum. Mit Hilfe des Dienstleistungsmarketing als<br />

ein Rahmenkonzept soll ein auf die Bedürfnisse regionaler Kunden abgestimmtes<br />

Anzeigenmarketing im Rahmen dieses Beitrages entworfen werden.<br />

Jörg Hammermeister behandelt unter dem Titel „All business is local <strong>–</strong><br />

Möglichkeiten der strategischen Differenzierung durch regionale Markenführung<br />

<strong>–</strong> Am Beispiel von Marken wie EWE, InBev und Rügenwalder“ die<br />

wachsende Bedeutung regionaler Marken als Identitätsstifterinnen in der<br />

Lebenswirklichkeit der Menschen innerhalb Europas, welches auch das<br />

zukünftige Konsumverhalten entscheidend mitprägen wird. An Beispielen<br />

aus der Metropolregion Bremen <strong>–</strong> Oldenburg wie Haake Beck Bier oder<br />

Rügenwalder Teewurst werden identitätsstiftende Gefühle wie „Frische des<br />

Nordens“ oder kleindörfliche Idylle nachgezeichnet, die der jeweiligen Marke<br />

ihr positives und unverwechselbares Image verleihen und die den Transfer<br />

zwischen der Region und der Marke herstellen. Er kommt zu dem<br />

Schluss, dass ein zielgerichtetes identitätsbasiertes Markenmanagement den<br />

Aufbau starker Marken fördert. Will eine Marke allerdings den Sprung über<br />

die Region hinaus schaffen und weitere Konsumenten erreichen, ist neben<br />

der regionalen Verankerung auch die Perspektive auf das Land bzw. die<br />

Welt erforderlich. Ein markenstrategische „Königtum“, so das engagierte<br />

Plädoyer des Verfassers, ist aber nur dort möglich, wo der Kunde als König<br />

begriffen wird <strong>–</strong> damit steht und fällt der Unternehmenserfolg gerade auch<br />

beim Vertrieb regionaler Marken, die den Käufern gleichzeitig Orientierungsmuster<br />

zur Verfügung stellen.<br />

13


14<br />

Wir bedanken uns bei allen Autorinnen und Autoren, die an diesem Mittelbauband<br />

mitgewirkt haben. Jeder Beitrag für sich eröffnet Möglichkeiten<br />

weiterführender Diskussionen.<br />

Wir danken darüber hinaus der Fakultät II der Carl von Ossietzky Universität<br />

Oldenburg für die finanzielle Unterstützung bei der Publikation.<br />

Diese <strong>Schriftenreihe</strong> wird 2007 fortgesetzt und behandelt im fünften Band<br />

die Thematik „Kapital / Kompetenz / Konflikte“.<br />

Oldenburg, Dezember 2006<br />

Bettina Graue, Britta Alexandra Mester, Günter Siehlmann, Magnus Westhaus


Thomas Heinicke<br />

Verfassungsrechtlicher Umweltschutz in Deutschland und<br />

Südafrika <strong>–</strong> von der jungen Demokratie lernen<br />

1 Einführung <strong>–</strong> Umweltschutz und Verfassungsrecht<br />

Breuer stellte schon vor 25 Jahren fest, dass der Umweltschutz „die Schicksalsaufgabe<br />

des modernen Staates” darstelle 1 . Angesichts des drastisch gestiegenen<br />

Verbrauchs natürlicher Ressourcen seit dieser Zeit sowie neu hinzugetretener<br />

Umweltgefahren 2 trifft diese Einschätzung zu Beginn des neuen<br />

Jahrtausends verschärft zu. Wird der Umweltschutz in wirtschaftlich weniger<br />

prosperierenden Zeiten auch gerne als Luxusgut abgetan, entspricht dies<br />

nicht der Bedeutung des Umweltschutzes für das Leben der heutigen und die<br />

Möglichkeiten der künftigen Generationen. Ein auf den Menschen bezogenes<br />

Umweltschutzverständnis ist darauf gerichtet, die Grundlagen des menschlichen<br />

Lebens dauerhaft zu sichern. Daher erscheint die Einordnung des Umweltschutzes<br />

als Schicksalsaufgabe nicht vermessen, wenn auch neben dem<br />

Umweltschutz eine Vielzahl anderer, ebenfalls bedeutsamer Staatsaufgaben<br />

anzuerkennen sind, die teilweise in Widerspruch zum Umweltschutz stehen 3 .<br />

1 Breuer, Der Staat 20 (1981), 393 (393).<br />

2 Eingehend Steinberg, Verfassungsstaat, S. 21 ff.<br />

3 Vgl. z.B. das Staatsziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in Art. 109 Abs. 2 GG


16<br />

2 Das Prinzip nachhaltiger Entwicklung als Leitlinie der<br />

Umweltpolitik<br />

Der Umweltschutz bewegt sich im Spannungsfeld unterschiedlichster<br />

Staatsaufgaben. Neben dem Umweltschutz ist es auch Aufgabe eines Staates,<br />

lenkend in den <strong>Wirtschaft</strong>sprozess einzugreifen und eine Infrastruktur zu<br />

schaffen und zu erhalten.<br />

Das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung („sustainable development4 ) zeigt<br />

einen kompromissfähigen Mittelweg zwischen widerstreitenden Interessen<br />

auf und bricht mit dem Absolutheitsanspruch des Umweltschutzes5 . Der<br />

Begriff beinhaltet ein ausdrückliches Bekenntnis zu einer wirtschaftlichen<br />

Entwicklung, solange diese nachhaltig ist und damit Belange des Umweltschutzes,<br />

der Ressourcenschonung und Interessen der künftigen Generationen<br />

im Rahmen von wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Entscheidungsprozessen<br />

berücksichtigt6 .<br />

2.1 Die Verfassung als Grundlage einer Entscheidung zwischen<br />

konfligierenden Staatsaufgaben<br />

Auf nationalstaatlicher Ebene kann Umweltschutz nur in der Verfassung als<br />

rechtlicher Grundordnung eines Staates sinnvoll verankert werden. Die Verfassung<br />

legitimiert staatliches Handeln auf dem Gebiet des Umweltschutzes,<br />

sowohl unter dem Aspekt der finanziellen Aufwendungen für Forschung und<br />

Förderung7 , als auch im Hinblick auf die mit Umweltschutz verbundenen<br />

z.T. erheblichen Grundrechtsbeeinträchtigungen für Umweltnutzer8 . Angesichts<br />

der Bedeutung des Umweltschutzes für das Leben und die Gesundheit<br />

4 Vgl. hierzu den Bericht der sog. Brundlandkomission aus dem Jahre 1987, in welchem<br />

sustainable development wie folgt definiert wurde: .„... development that meets the need of<br />

the present without comprising the ability of future generations to meet their own needs”,<br />

World Commission on Environment and Development, Our common future, 1987, S. 43.<br />

5 Wolf in AK-GG, Art. 20a Rn. 24; Sieben, NvwZ 2003, 1173 (1175).<br />

6 Glazewski, Environmental Law, S. 15.<br />

7 Beispielsweise auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien, insbesondere der Windkraft.<br />

8 Beispielsweise mit Blick auf die Betreiber von Kernkraftwerken und den Atomausstieg.


der Menschen stellt sich die Frage nach der angemessenen verfassungsrechtlichen<br />

Absicherung staatlichen Umweltschutzes als einer Schicksalsaufgabe<br />

des modernen Staates. Hierbei sind die deutsche und die südafrikanische<br />

<strong>Recht</strong>sordnung gegenüberzustellen.<br />

2.2 Schnittmenge und Unterschiedlichkeiten zwischen deutschem und<br />

südafrikanischem Verfassungsrecht<br />

Ein Vergleich zwischen dem Grundgesetz und der südafrikanischen Verfassung9<br />

mutet zunächst merkwürdig an, da beide Länder faktisch in vielfacher<br />

Hinsicht unterschiedlich sind und keine besonderen Bezüge der <strong>Recht</strong>sordnungen<br />

untereinander zu bestehen scheinen.<br />

Allerdings weisen beide Verfassungen bei näherer Betrachtung weitgehende<br />

Parallelen auf, die einen Vergleich erst vernünftigerweise möglich machen.<br />

Diese Parallelen treten insbesondere auf der Ebene der eine Verfassung<br />

kennzeichnenden Staatsstrukturprinzipien10 , aber auch anhand der grundsätzlichen<br />

Ausrichtung auf den Schutz der Menschenwürde als oberstem<br />

Verfassungswert11 sowie in einem in weiten Teilen vergleichbaren bzw.<br />

identischen Grundrechtskatalog12 zutage. Die erstaunlichen Parallelen zwischen<br />

beiden Verfassungen rühren zum einen daher, dass das Grundgesetz<br />

neben anderen Verfassungen als explizites Vorbild der südafrikanischen<br />

Verfassung diente und zum anderen überproportional viele deutsche Staatsrechtler<br />

in den Prozess der Verfassungsberatung involviert waren.<br />

Im Unterschied zu den ursprünglichen historischen Motiven des deutschen<br />

Verfassunggebers aus dem Jahre 1949, der das Grundgesetz in der Erwartung<br />

der kurzfristigen Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands<br />

lediglich als Übergangsstatut sah, stellt die südafrikanische Verfassung aus<br />

dem Jahre 1996 einen Dauerhaftigkeitsanspruch auf und ist darauf gerichtet,<br />

9 Constitution of the Republic of South Africa, Act 108 of 1996, hiernach SAC.<br />

10 So finden sich die im Grundgesetz verankerten Republik-, Demokratie- und Aspekte des<br />

<strong>Recht</strong>sstaatsprinzipien auch in Sec. 1 SAC wieder, während die südafrikanische Verfassung<br />

das Bundesstaatsprinzip nicht kennt und Elemente des Sozialstaatsprinzips an mehreren<br />

Stellen der Verfassung zum Ausdruck kommen, Vorschrift abgedruckt bei Grupp, Südafrikas<br />

neue Verfassung, Anhang.<br />

11 Vgl. Sec. 1 SAC.<br />

12 Vgl. Sec. 9-26 SAC.<br />

17


18<br />

die Transformation der ehemals geteilten Gesellschaft Südafrikas zu einem<br />

an Freiheit, Gleichheit und gemeinsamen Wohlstand ausgerichteten Staatswesen<br />

voranzutreiben. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich der südafrikanische<br />

Verfassungsgeber dazu entschieden, die Grundrechte <strong>–</strong> anders als in<br />

klassischen Verfassungsordnungen wie dem Grundgesetz <strong>–</strong> auch für das<br />

Verhältnis unter Privaten für verbindlich zu erklären.<br />

Im Grundsatz sowie im Detail bestehen daher auch zahlreiche Unterschiede<br />

zwischen beiden Staatsordnungen, was insbesondere auch im konkreten<br />

Vergleichspunkt, der Frage nach der angemessenen verfassungsrechtlichen<br />

Anerkennung des Umweltschutzes, der Fall ist.<br />

3 Umweltgrundrecht oder Staatszielbestimmung als<br />

Ausgestaltungsmöglichkeiten verfassungsrechtlichen<br />

Umweltschutzes<br />

Der Frage nach der angemessenen Absicherung des Umweltschutzes ist auf<br />

zwei Ebenen nachzugehen. Zum einen ist zu untersuchen, in welcher verfassungsrechtlichen<br />

Form der Umweltschutz gewährleistet wird, zum anderen,<br />

welchen Inhalt die Absicherung hat. Im Rahmen dieser Darstellung kann in<br />

formeller Hinsicht nur auf die Ausgestaltungsformen Staatszielbestimmung<br />

und Grundrecht und in materieller Hinsicht auf die Verkörperung des Nachhaltigkeitsprinzips<br />

eingegangen werden 13 . Es werden zunächst die Unterschiede<br />

zwischen Staatszielbestimmung und Grundrecht aufgezeigt.<br />

3.1 Begriff der Staatszielbestimmung<br />

Staatszielbestimmungen weisen dem Staat normativ verbindlich eine Sachaufgabe<br />

zu, aus der eine <strong>Recht</strong>spflicht zur Befolgung des Inhalts für den<br />

Staat und seine Organe folgt. Nach gängiger Definition sind Staatszielbestimmungen<br />

„Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der<br />

Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Auf-<br />

13 Eine nähere Untersuchung erfolgt im Rahmen der Dissertation des Verfassers, „Verfassungsrechtlicher<br />

Umweltschutz in Deutschland und in der Verfassung der Republik Südafrika<br />

<strong>–</strong> eine vergleichende Betrachtung“ (Universität zu Köln), die 2006 abgeschlossen<br />

wurde.


gaben <strong>–</strong> sachlich umschriebener Ziele <strong>–</strong> vorschreiben“ 14 . Ein praktisch relevanter<br />

Unterschied insbesondere zum Grundrecht ist ihr objektiv-rechtlicher<br />

Charakter, der die Staatszielbestimmung zu einer lediglich staatsintern wirkenden<br />

Norm werden lässt. Weder ist der Einzelne durch eine Staatszielbestimmung<br />

adressiert, noch kann er aus ihr einen Anspruch auf Befolgung der<br />

<strong>Recht</strong>spflicht ableiten 15 .<br />

3.2 Begriff des Grundrechts<br />

Im Unterschied zu Staatszielbestimmungen definieren sich Grundrechte<br />

dadurch, dass sie durchsetzbare und damit einklagbare16 Ansprüche auf<br />

Unterlassen oder positives Tun gewähren und die Verfassungspflicht damit<br />

zumindest auch subjektive <strong>Recht</strong>e gewährleistet17 . Es werden zwei Ausformungen<br />

von Grundrechten unterschieden. Zum einen stellen Grundrechte in<br />

ihrem klassischen, liberalen Verständnis als Beschränkungsform staatlicher<br />

Macht Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe dar18 . Jedoch vermag alleine<br />

die Freiheit von staatlichem Zwang den Anforderungen an die Grundrechtsverwirklichung<br />

im modernen Verfassungsleben, in welchem der Staat maßgeblichen<br />

Einfluss auf vielerlei Umstände der Grundrechtsverwirklichung<br />

ausübt, nicht auszureichen. Daher gewährt die Verfassung neben den klassischen,<br />

liberalen Abwehrrechten in begrenztem Umfang Leistungs- und Teilhaberechte,<br />

die dem Einzelnen einen Anspruch auf positives staatliches<br />

Handeln gewähren, der über das bloße Unterlassen einer Handlung hinausgeht19<br />

.<br />

Neben der subjektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte beinhalten diese<br />

ebenso wie die Staatszielbestimmungen eine objektiv-rechtliche Ebene. Sie<br />

besitzen als Wertentscheidungen der Verfassung Ausstrahlungswirkung auf<br />

14 Bericht der Sachverständigenkommission Gesetzgebungsaufträge/Staatszielbestimmungen,<br />

Rn. 7.<br />

15 Murswiek in Sachs (Hrsg.), GG, Art. 20a Rn. 12.<br />

16 Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 28.<br />

17 Dreier in ders. (Hrsg.), GG, vor Art. 1 Rn. 30.<br />

18 Z.B. das <strong>Recht</strong> auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG.<br />

19 Z.B. das <strong>Recht</strong> auf Berufs-, Ausbildungs- und Studierfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG in<br />

Bezug auf die Einrichtung von Studienplätzen<br />

19


20<br />

die gesamte <strong>Recht</strong>sordnung20 . Auch wenn Private im deutschen Verständnis<br />

nicht grundrechtsgebunden sind, werden die in den Grundrechten zum Ausdruck<br />

kommenden Schutzgüter des Einzelnen auch gegen Beeinträchtigungen<br />

von privater Seite im Rahmen der staatlichen Schutzpflichten geschützt.<br />

Hieraus resultiert jedoch kein direkter Abwehranspruch des Geschädigten<br />

gegen den Schädiger, sondern in von der <strong>Recht</strong>sprechung in einzelnen Fallgruppen<br />

näher bestimmten Grenzen kann der Geschädigte gegen den Staat<br />

einen Anspruch auf Einschreiten gegen den Schädiger geltend machen.<br />

Im folgenden sind die umweltspezifischen Bestimmungen von Grundgesetz<br />

und südafrikanischer Verfassung gegenüberzustellen.<br />

4 Die Entwicklung des Umweltschutzgedankens im<br />

Grundgesetz<br />

Die ökologische Herausforderung an den Staat war noch nicht absehbar, als<br />

das Grundgesetz nach dem zweiten Weltkrieg beraten und geschaffen wurde21<br />

. Entsprechend hatte das Grundgesetz in seiner ursprünglichen Fassung<br />

den natürlichen Lebensgrundlagen weder durch die Grundrechte, noch durch<br />

objektiv-rechtliche Prinzipien hinreichenden Schutz gewährt22 .<br />

Im Zuge des Erwachens eines allgemeinen Umweltbewusstseins ab Ende der<br />

sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts23 stellte sich die Frage nach<br />

der verfassungsrechtlichen Antwort auf die drängenden Umweltprobleme der<br />

Zeit. Im Anschluss an eine Regierungserklärung von Bundeskanzler Brandt<br />

aus dem Jahre 1972, in welcher er als Ziel seiner Regierung die Einfügung<br />

eines Umweltgrundrechts in das Grundgesetz ausgab, entbrannte eine langjährige<br />

Diskussion über Möglichkeiten und Risiken eines Umweltgrund-<br />

20 Ständige <strong>Recht</strong>sprechung des BVerfG seit BVerfGE 7, 198 (208 f.).<br />

21 So auch Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission Staatszielbestimmungen /<br />

Gesetzgebungsaufträge, BT 12/6000, S. 65, hiernach Verfassungskommission; Bock, Umweltschutz,<br />

S. 112 f; Scholz in Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20a (Stand: Oktober 1996)<br />

Rn. 19.<br />

22 Verfassungskommission, S. 65. Alleine in den Kompetenzbestimmungen thematisierte die<br />

Ursprungsfassung Aspekte des Umweltschutzes.<br />

23 Bock, Umweltschutz, S. 53 f.; Kloepfer, Umweltrecht, § 2 Rn. 82 ff.


echts, die jedoch zunehmend auf eine Ablehnung subjektiv-rechtlicher<br />

Umweltschutzgewährleistungen hinauslief 24 . Begründet wurde diese ablehnende<br />

Auffassung insbesondere mit Hinweis auf die Gefahr, dass die <strong>Recht</strong>sprechung,<br />

die bei einer grundrechtlichen Ausgestaltung des Umweltschutzes<br />

zur Konkretisierung des notwendigerweise abstrakt gehaltenen <strong>Recht</strong>s<br />

aufgerufen wäre, an Stelle des Gesetzgebers und an diesem vorbei Umweltrecht<br />

gestalten könnte. Wohl auch unter dem Eindruck der ablehnenden<br />

Literaturauffassung erklärte Bundeskanzler Schmidt 1976 die Abkehr von<br />

der subjektiv-rechtlichen Lösung hin zur Prüfung der Aufnahme einer objektiv-rechtlichen<br />

Umweltschutzbestimmung in das Grundgesetz. Auch an<br />

diese Entscheidung knüpfte sich eine längere Diskussion an, die in den achtziger<br />

Jahren des vergangenen Jahrhunderts annähernd verstummte und erst<br />

durch die Verfassungsreformen im Zuge der deutschen Wiedervereinigung<br />

wieder aktuell wurde 25 .<br />

5 Die Staatszielbestimmung Umweltschutz - Art. 20a GG<br />

als Grundnorm verfassungsrechtlichen Umweltschutzes<br />

im Grundgesetz<br />

Während zahlreiche ausländische Staaten bereits ab den siebziger Jahren des<br />

vergangenen Jahrhunderts subjektiv-rechtliche Umweltschutzgewährleistungen<br />

in ihre Verfassungen aufnahmen 26 , entschied sich der deutsche verfassungsändernde<br />

Gesetzgeber für die Aufnahme einer objektiv-rechtlichen<br />

Staatszielbestimmung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in Art.<br />

20a GG in das Grundgesetz. Am 27.10.1994 wurde mit dem 42. Änderungsgesetz<br />

zum Grundgesetz 27 der Umweltschutz in Art. 20a a.F. GG eine expli-<br />

24 Zusammengefasst bei Kloepfer, Zum Grundrecht auf Umweltschutz, S. 1 ff.<br />

25 Ausführliche Diskussionsdarstellung bei Brönneke, Umweltverfassungsrecht, S. 37 ff.<br />

26 Vgl. Art. 21 der niederländischen Verfassung vom 17.02.1983 Art. 66 Abs. 1, 3 der Verfassung<br />

Portugals vom 02.04.1976 Art. 56 Abs. 1, 2 der Verfassung der Türkei vom<br />

07.11.1982<br />

27 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27.10.1994, BGBl. I, 3146.<br />

21


22<br />

ziten Umweltschutzklausel verankert und durch die Grundgesetzänderung<br />

vom 26.07.200228 um den Aspekt des Tierschutzes ergänzt:<br />

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die<br />

natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen<br />

Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und<br />

<strong>Recht</strong> durch die vollziehende Gewalt und die <strong>Recht</strong>sprechung”.<br />

Bei Art. 20a GG handelt es sich nach dem Wortlaut der Norm und der Intention<br />

des verfassungsändernden Gesetzgebers um eine Staatszielbestimmung29<br />

. Im Folgenden ist der Inhalt der Umweltschutzklausel zu untersuchen.<br />

5.1 Der Bezug auf das Prinzip intergenerationeller Gerechtigkeit<br />

Art. 20a GG bekennt sich nicht ausdrücklich zum Prinzip nachhaltiger Entwicklung,<br />

fordert jedoch den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen<br />

„auch in Verantwortung für die künftigen Generationen“. Hiermit bezieht<br />

sich die Norm inhaltlich30 auf das völkergewohnheitsrechtlich anerkannte31 Prinzip intergenerationeller Gerechtigkeit (principle of intergenerational<br />

equity) 32 , welches ein Unterprinzip des umfassenderen Nachhaltigkeitsprinzips<br />

darstellt33 . Das Prinzip intergenerationeller Gerechtigkeit hält jede<br />

Generation dazu an, ihre natürlichen Ressourcen und das kulturelle Erbe in<br />

einer Art und Weise zu entwickeln und zu benutzen, dass sie an künftige<br />

Generationen in einem Zustand weitergegeben werden können, der nicht<br />

schlechter ist als der Zustand, in dem die Güter empfangen wurden34 .<br />

Fraglich ist, welche <strong>Recht</strong>sfolgen sich an die verfassungsrechtliche Anerkennung<br />

des Prinzips intergenerationeller Gerechtigkeit knüpfen.<br />

28 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 26.07.2002, BGBl. I, 2862.<br />

29 Verfassungskommission, S. 67 f.<br />

30 So auch Schulze-Fielitz in Dreier (Hrsg.), GG, Art. 20a Rn. 34.<br />

31 So Weeramantry in Advisory opinion on the legality of the threat or use of nuclear weapons,<br />

ICJ Rep. 1996, 266; Birnie/Boyle, International Environmental Law, S. 90 f.<br />

32 Vgl. Hierzu die Darstellung bei Birnie/Boyle, International Environmental Law, S. 89.<br />

33 Birnie/Boyle, International Environmental Law, S. 89.<br />

34 Birnie/Boyle, International Environmental Law, S. 89.


5.2 Folgen der Bezugnahme auf das Prinzip intergenerationeller<br />

Gerechtigkeit<br />

Die Bestimmung erweitert die Perspektive der von der Bestimmung adressierten<br />

Staatsorgane, in dem unkonkretisierte, künftige Generationen in den<br />

staatlichen Schutzauftrag einbezogen werden35 . Die perspektivische Erweiterung<br />

hat zum einen Einfluss auf die Auslegung des Schutzgegenstandes der<br />

natürlichen Lebensgrundlagen und zum anderen auf das durch die Verfassung<br />

gebotene Maß an Umweltschutz.<br />

Hinsichtlich des Schutzgegenstandes herrscht in der Literatur Einigkeit darüber,<br />

dass die natürlichen Lebensgrundlagen nicht völlig unberührte Natur<br />

beschreiben36 , da diese in Deutschland praktisch nicht mehr vorzufinden<br />

ist37 . Die Einbeziehung künftiger Generationen in den Schutzauftrag erlaubt<br />

darüber hinausgehend, den Schutzumfang um Elemente einer zukünftig<br />

immer weiter urban geprägten Lebenswirklichkeit zu erweitern38 . Dies bewirkt<br />

entgegen der Auffassung von weiten Teilen der Literatur39 eine Annäherung<br />

von soziologischem und natürlichem Umweltbegriff. Diese Auslegung<br />

steht auch im Einklang mit der Einschätzung des verfassungsändernden<br />

Gesetzgebers, wonach Art. 20a GG als Staatsziel einen „dynamisch(en), auf<br />

die künftige Gestaltung sozialer Lebensverhältnisse zielend(en) Gehalt“<br />

aufweist40 .<br />

35 Tsai, Staatliche Umweltschutzpflichten, S. 86; kritisch Schulze-Fielitz, der eine Überforderung<br />

der heutigen Generation befürchtet,. in Dreier (Hrsg.), GG, Art. 20a Rn. 31.<br />

36 Scholz in Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20a Rn. 36; Calliess, <strong>Recht</strong>sstaat und Umweltstaat,<br />

S. 108; Kloepfer in BK-GG, Art. 20a Rn. 52.<br />

37 Kloepfer in BK-GG, Art. 20a Rn. 52; Calliess, <strong>Recht</strong>sstaat und Umweltstaat, S. 108, Wolf<br />

in AK-GG, Art. 20a Rn. 19.<br />

38 Demnach besitzen auch nicht originär umweltspezifische Fragestellungen wie das Begrünungsschema<br />

einer Großstadt, Belüftungskorridore, Lichteinfallswinkel etc. des modernen<br />

Stadtlebens eine umwelterhebliche Dimension.<br />

39 Steiger in Salzwedel (Hrsg.), Grundzüge des Umweltrechts, S. 4; Murswiek in Sachs<br />

(Hrsg.), GG, Art, 20a Rn. 27; Kloepfer in BK-GG, Art. 20a Rn. 52.; ders., Umweltrecht, §<br />

1 Rn. 15; Tsai, Staatliche Schutzpflichten, S 19 ff.<br />

40 Verfassungskommission, S. 67; auch Scholz geht von einem „weithin <strong>–</strong> gerade auch in die<br />

Zukunft hinein <strong>–</strong> gestaltungsoffenen Begriff auf“, ders. in Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art.<br />

20a; Rn. 36; ähnlich Epiney in von Mangold/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 20a Rn. 17b;<br />

Bernsdorff, NuR 1997, 328 (332).<br />

23


24<br />

Des Weiteren bewirkt die durch Art. 20a GG unterstrichene Langzeitverantwortung<br />

eine Veränderung der Beurteilung von aktuellen Umweltrisiken.<br />

Die perspektivische Einbeziehung von unbestimmten künftigen Generationen<br />

erweitert den Schutzauftrag des Staates weit über die heute lebende<br />

Bevölkerung hinaus. Entsprechend sind heutige Risiken auch im Hinblick<br />

auf Langzeitfolgen oder die Gefahr der Akkumulation zu untersuchen und<br />

im Rahmen der Verpflichtung auszuschließen41 .<br />

Ebenfalls als Ausprägung der Langzeitverantwortlichkeit und im Hinblick<br />

auf die Bedürfnisse künftiger Generationen ergibt sich die staatliche Verpflichtung,<br />

bei nicht erneuerbaren Ressourcen das Prinzip der Sparsamkeit42 anzuwenden und bei erneuerbaren Ressourcen das Nachhaltigkeitsprinzip43 zu beachten. Begründen lässt sich dies mit der Verpflichtung des Staates,<br />

gleiche Möglichkeiten der Ressourcennutzung für künftige Generationen zu<br />

wahren44 oder aber gleichwertige Alternativen z.B. auf dem Gebiet der erneuerbaren<br />

Energien zur Verfügung zu stellen.<br />

5.3 Art. 20a GG als gehaltvolle Anforderung an die deutsche<br />

Umweltpolitik<br />

Art. 20a GG stellt bereits unter dem Aspekt der Generationenverantwortlichkeit<br />

eine tragfähige Vorgabe für nachhaltigen Umweltschutz dar. Der Norm<br />

liegt ein weites Verständnis des Schutzobjekts der natürlichen Lebensgrundlagen<br />

zugrunde, und sie erklärt das Prinzip intergenerationeller Gerechtigkeit<br />

zur Grundlage der Umweltpolitik.<br />

Diesem Befund ist die südafrikanische <strong>Recht</strong>slage gegenüberzustellen.<br />

41 Petersen, Umweltrecht, Rn. 150, 153; Schulze-Fielitz in Dreier (Hrsg.), GG, Art. 20a Rn.<br />

36; Epiney in von Mangold/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 20a Rn. 31.<br />

42 Petersen, Umweltrecht, Rn. 151; Schulze-Fielitz in Dreier (Hrsg.), GG, Art. 20a Rn. 36.<br />

43 Hier verstanden im ursprünglichen, im deutschen Forstrecht entwickelten Sinne, vgl.<br />

Petersen, Umweltrecht, Rn. 152., der letztlich aber doch die Berücksichtigung des weitergehenden<br />

Principle of sustainable development als maßgeblich erachtet.<br />

44 Birnie/Boyle, International Environmental Law, S. 89.


6 Der südafrikanische Ansatz: Gewährung eines<br />

einklagbaren Umweltgrundrechts<br />

Die südafrikanische Verfassung gewährt in Sec. 24 SAC ein aus zwei Elementen<br />

bestehendes Umweltgrundrecht.<br />

Zum einen garantiert Sec. 24 (a) SAC jedermann eine Umwelt, die sich nicht<br />

schädlich auf die Gesundheit oder das Wohlbefinden auswirkt, während Sec.<br />

24 (b) SAC ein <strong>Recht</strong> auf positiven Umweltschutz gewährt45 .<br />

Der Text von Sec. 24 SAC lautet:<br />

„[Sec. 24 SAC] Environment<br />

Everyone has the right <strong>–</strong><br />

(a) to an environment that is not harmful to their health or well-being;<br />

and<br />

(b) to have the environment protected, for the benefit of present and future<br />

generations, through reasonable legislative and other measures<br />

that <strong>–</strong><br />

(i) prevent pollution and ecological degradation;<br />

(ii) promote conservation; and<br />

(iii) secure ecologically sustainable development and use of<br />

natural resources while promoting justifiable economic and<br />

social development.”<br />

Im südafrikanischen Schrifttum wurde die Aufnahme der Umweltschutzklausel<br />

begrüßt46 .<br />

45 Loots, SAJELP 1997, 57 (57); Devenish, Bill of Rights, S. 331.<br />

46 Glazewski betont sogar, dass Sec. 24 SAC den wichtigsten Schritt zur Entwicklung des<br />

südafrikanischen Umweltrechts darstellt, ders., Environmental Law, S. 77.<br />

25


26<br />

6.1 Sec. 24 (a) SAC als Grundnorm individualschützenden Umweltrechts<br />

in der Verfassung der Republik Südafrika<br />

Sec. 24 (a) SAC konstituiert ein Grundrecht mit zwei Schutzrichtungen. Die<br />

Norm beinhaltet einen Abwehranspruch gegen eine die Gesundheit<br />

(„health“) oder das Wohlbefinden („well-being“) beeinträchtigende Umwelt.<br />

Der Begriff der Gesundheit in Sec. 24 (a) SAC umfasst primär die physische<br />

Integrität des Menschen47 , während die Bedeutung von „well-being“ umstritten<br />

ist. Zum Teil wird angenommen, dass „well-being“ die psychische<br />

Gesundheit des Menschen umfasse48 . Andere Literaturvertreter lösen den<br />

Begriff des „well-being“ von der Gesundheit und sehen hierin ein Abwehrrecht<br />

gegen durch Umweltbelastungen vermitteltes emotionales und ästhetisches<br />

Unwohlsein49 oder schlicht eine Beeinträchtigung der umweltrechtlichen<br />

Interessen des Einzelnen50 .<br />

Das Grundrecht findet Anwendung gegenüber jeder Form von privater oder<br />

öffentlicher Umweltbeeinträchtigung51 und hat sich in der südafrikanischen<br />

<strong>Recht</strong>spraxis zu einer bedeutenden Vorschrift zur Erzwingung umweltrechtlicher<br />

Standards entwickelt52 .<br />

6.2 Sec. 24 (b) SAC<br />

Trotz der schwerlich überschaubaren Weite eines solchen Anspruchs gewährt<br />

Sec. 24 (b) SAC jedermann unabhängig von der Betroffenheit in Gesundheit<br />

oder Wohlbefinden oder sonstigen <strong>Recht</strong>en53 ein <strong>Recht</strong> auf einen an<br />

den in Sec, 24 (b) (i) bis (iii) genannten Faktoren ausgerichteten Umweltschutz.<br />

Der Anspruch aus Sec. 24 (b) SAC ist angesichts der aufgezählten<br />

47 Vgl. du Bois/Glazewski, The Environment and the Bill of Rights, 2 B 18.<br />

48 Winstanley, SAJELP 1995, 85 (94).<br />

49 Liebenberg in Fundamental Rights in the Constitution, S. 260.<br />

50 Glazewski, Environmental Law, S. 86.<br />

51 Glazewski, Environmental Law, S. 89; De Waal/Currie/Erasmus, The Bill of Rights Handbook,<br />

S. 405; Loots, SAJELP 1997, 57 (59).<br />

52 Glazewski, Environmental Law, S. 77.<br />

53 Devenish, South African Constitution, S. 334; Liebenberg in Fundamental Rights in the<br />

Constitution, S. 260.


Faktoren auf ein positives Handeln des Grundrechtsverpflichteten gerichtet54<br />

.<br />

In inhaltlicher Hinsicht ähnelt die Norm einer Staatszielbestimmung55 , da sie<br />

die Verpflichtung des Staates ausdrückt, eine adäquate Umweltgesetzgebung,<br />

-verwaltung und -rechtsprechung zu schaffen56 .<br />

Die Norm zählt in Sec. 24 (b) (i)-(iii) SAC Anforderungen an den zu verlangenden<br />

Umweltschutz auf, die das umweltrechtliche Vorsorgeprinzip57 umfassen<br />

(Sec. 24 (b) (i)-(ii) SAC) und eine Ausrichtung des Umweltschutzes<br />

anhand des Prinzips nachhaltiger Entwicklung58 erfordern (Sec. 24 (b) (iii)<br />

SAC) 59 . Im Hinblick auf die letztgenannte Verpflichtung muss der alleine<br />

grundrechtsverpflichtete Staat nachhaltige Entwicklung sicherstellen und<br />

zugleich eine vertretbare wirtschaftliche und soziale Entwicklung fördern.<br />

Hiermit wird dem Grundrechtsverpflichteten eine schwierige Abwägungsaufgabe<br />

übertragen, da die verschiedenen Vorgaben, die an anderer<br />

Stelle in der Verfassung konkretisiert werden60 , miteinander in Konflikt<br />

stehen61 .<br />

54 Du Bois/Glazewski, The Environment and the Bill of Rights, 2B-28; de Waal/ Currie/<br />

Erasmus, The Bill of Rights Handbook, S. 406; Glazewski, Environmental Law, S. 87;<br />

Winstanley SAJELP 1997, 135 (138).<br />

55 Glazewski, Environmental Law, S. 85.<br />

56 De Waal/Currie/Erasmus, The Bill of Rights Handbook, S. 406.<br />

57 Du Bois/Glazewski, The Environment and the Bill of Rights, 2B-29.<br />

58 Liebenberg in Fundamental Rights in the Constitution, S. 261; Devenish, South African<br />

Bill of Rights, S. 334 f.<br />

59 Du Bois/Glazewski erkennen in Sec. 24 (b) eine Vielzahl umweltrechtlicher Prinzipien<br />

verankert, u.a. das Verursacherprinzip sowie das Prinzip geteilter, aber differenzierter Verantwortung,<br />

dies., The Environment and the Bill of Rights, 2B-29 f.; Devenish sieht die<br />

Anforderungen des Sec. 24 (b) SAC auf das Nachhaltigkeitsprinzip reduziert, ders., South<br />

African Bill of Rights, S. 335.<br />

60 Vgl. z.B. das Grundrecht auf angemessenen Wohnraum in Sec. 26 SAC.<br />

61 Liebenberg in Fundamental Rights in the Constitution, S. 261; Grupp spricht von “Gegenpol”,<br />

ders., Südafrikas neue Verfassung, S. 71.<br />

27


28<br />

Weiterhin verlangt Sec. 24 (b) SAC ausdrücklich ein Handeln im Interesse<br />

heutiger und künftiger Generationen. Hiermit bezieht sich die Norm nochmals<br />

inhaltlich auf das Prinzip intergenerationeller Gerechtigkeit62 .<br />

Die in der Norm aufgezählten Anforderungen an den Umweltschutz sind,<br />

wie die Prinzipien, die sie verkörpern, nicht isoliert voneinander, sondern im<br />

Zusammenhang zu betrachten63 .<br />

6.3 Gerichtliche Durchsetzbarkeit von Sec. 24 (a) und Sec. 24 (b) SAC<br />

Fraglich ist, ob die Grundrechte auch gerichtlich für den Einzelnen durchsetzbar<br />

sind, was insbesondere in der deutschen Diskussion um die Möglichkeiten<br />

eines Umweltgrundrechts aus Gründen der Gewaltenteilung abgelehnt<br />

wurde. Gegen die gerichtliche Durchsetzbarkeit der südafrikanischen Umweltgrundrechte<br />

werden im Wesentlichen die gleichen Argumente wie bei<br />

der parallelen deutschen Diskussion um die Aufnahme eines Umweltgrundrechts<br />

in das Grundgesetz vertreten.<br />

So bestehen Bedenken zunächst im Hinblick auf die politische Umstrittenheit<br />

angemessenen Umweltschutzes. Es existiere in modernen Gesellschaften<br />

zu wenig Konsens über die Gültigkeit oder die Weite von umweltschützenden<br />

Leitprinzipien oder deren konkreter Umsetzung, als dass die Gerichte<br />

konstruktiv tätig werden dürften. Soweit eine Umsetzung durch die Gerichte<br />

erfolge, bestehe die Gefahr, dass die Gerichte an Stelle des Gesetzgebers<br />

konstruktive und politische Entscheidungen treffen64 , die überdies den<br />

Staatshaushalt belasten.<br />

Des Weiteren sei die Fassung des Umweltgrundrechts so vage, dass die konkrete<br />

Normanwendung die Gerichte vor schwer lösbare Aufgaben stellt, die<br />

eine Aushöhlung des Umweltgrundrechts zum symbolischen Umweltschutz<br />

befürchten lassen65 .<br />

62 De Wall/Currie/Erasmus, The Bill of Rights Handbook, S. 406; Winstanley SAJELP 1997,<br />

135 (138).<br />

63 Devenish, Commentary on the South African Bill of Rights, S. 335; Vgl. auch Winstanley,<br />

SAJELP 1997, 135 (138), die den abschließenden Charakter der Aufzählung und das Fehlen<br />

einer Auffangbestimmung kritisiert.<br />

64 Du Bois in Human Rights Approaches to Environmental Protection, 157.<br />

65 Gutto, SAJELP 1995, 1 (6).


Abseits aller kompetenzieller Bedenken wird darauf hingewiesen, dass die<br />

Gerichte nicht die Mittel und Erfahrungen von Exekutivorganen besitzen,<br />

um die mit dem Umweltschutz zusammenhängenden komplexen Probleme<br />

zu erfassen und den Umweltschutz in das Gesamtbild staatlichen Handelns<br />

einzuordnen 66 .<br />

6.4 Vereinbarkeit von Umweltschutz und Grundrecht<br />

Die vorgebrachten Argumente überzeugen jedoch nicht.<br />

Als Verfassungsbestimmung ist Sec. 24 (a) SAC bewusst offen formuliert,<br />

um in Einklang mit dem Ewigkeitsanspruch der endgültigen südafrikanischen<br />

Verfassung gegen den durch sie zu bewirkenden sozialen Wandel zu<br />

bestehen. Des Weiteren sind auch klassische liberale Abwehrrechte durch<br />

einen hohen Grad an Abstraktion und politischer Gestaltungsmöglichkeit<br />

geprägt und in ihrer Justiziabilität unbestritten. 67 .<br />

Der Constitutional Court hat betont, dass alleine die Tatsache, dass die Umsetzung<br />

eines Grundrechts zu Belastungen des Staatshaushalts führe, nicht<br />

seine Durchsetzbarkeit hindere, zumal auch die Umsetzung klassischer liberaler<br />

Grundrechte oft finanzielle Konsequenzen habe68 . Die Justiziabilität<br />

von Sec. 24 (a) SAC wurde durch den Supreme Court of Appeals ausdrücklich<br />

bestätigt69 .<br />

Sec. 24 (b) SAC hingegen ähnelt, wie oben dargestellt wurde, eher einer<br />

Staatszielbestimmung. Obgleich die Norm als Grundrecht anzusehen ist,<br />

stellt sie die Umsetzung ihres leistungsrechtlichen Anspruchs in das weite<br />

Ermessen des hier alleine grundrechtsverpflichteten Staates70 . Alleine in<br />

66 Du Bois/Glazewski, The Environment and the Bill of Rights, 2B-11.<br />

67 So wurde das <strong>Recht</strong> auf Leben und das <strong>Recht</strong> auf Menschenwürde in Südafrika durch den<br />

Constitutional Court angeführt, um gegen den Willen von Parlament und Bevölkerung die<br />

Todesstrafe abzuschaffen, vgl. SA Constitutional Court in President of the Republic of<br />

South Africa v Hugo, 1997 (4) SA 1 (CC).<br />

68 SA Constitutional Court in Ex Parte Chairperson of the Constitutional Assembly in : Re<br />

Certification of the Constitution of the Republic of South Africa, 1996, 1996 (4) SA 744<br />

(CC), Rn. 77 f.<br />

69 Supreme Court of Appeals, Director: Mineral Development, Gauteng region, and another v<br />

Save the Vaal environment and others, 133/98, SA Law Reports 1999 (2), 709.<br />

70 Du Bois/Glazewski, The Environment and the Bill of Rights, 2B-34.<br />

29


30<br />

Fällen evidenter Vernachlässigung der staatlichen Umweltschutzpflicht kann<br />

daher von einem gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf positives Tun oder<br />

Unterlassen ausgegangen werden71 .<br />

Es ist zusammenfassend festzustellen, dass Sec. 24 (a) SAC umfänglich, Sec.<br />

24 (b) SAC unter den genannten Beschränkungen gerichtlich durchsetzbare<br />

Ansprüche des Einzelnen normieren.<br />

7 Vergleichende Betrachtung der Ansätze <strong>–</strong> die deutsche<br />

Position im Lichte des realisierten Umweltgrundrechtsschutzes<br />

in der Verfassung der Republik Südafrika<br />

Die südafrikanische <strong>Recht</strong>sordnung stellt ein gelungenes Beispiel für die<br />

Normierung einer Umweltschutzklausel zu Beginn des 21. Jahrhunderts dar.<br />

Während Sec. 24 (a) SAC dem von einer Umweltbelastung Betroffenen ohne<br />

Rücksicht auf die Art der Verursachung einen Anspruch auf Herstellung<br />

einer nicht gesundheitsgefährdenden Umwelt zubilligt, ist Sec. 24 (b) SAC<br />

als verfassungsrechtliche Notbremse staatlicher Umweltpolitik zu sehen. Die<br />

Norm erklärt umweltrelevante Prinzipien des Völkerrechts wie das Nachhaltigkeitsprinzip<br />

und das Prinzip intergenerationeller Gerechtigkeit sowie das<br />

Vorsorgeprinzip für den staatlichen Umweltschutz verbindlich. Dabei wahrt<br />

die Norm gleichzeitig die Grenzen des gesetzgeberischen Ausgestaltungsspielraums<br />

sowie der Ermessensgrenzen der übrigen Gewalten, indem weder<br />

Instrumente vorgegeben, noch dem Umweltschutz relativer oder absoluter<br />

Vorrang gegenüber anderen verfassungsrechtlich normierten Aufgaben eingeräumt<br />

wird. Es obliegt daher primär dem Gesetzgeber, in weiterer Hinsicht<br />

Exekutive und Judikative, die Abwägungsprozesse vorzunehmen. Besondere<br />

Bedeutung kommt hier der ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Entscheidung<br />

für das Nachhaltigkeitsprinzip zu. Hiermit entschärft der Verfassungsgeber<br />

die zwangsläufig auftretenden Konflikte zwischen dem Umweltschutz<br />

und dem verständlichen Entwicklungsbedürfnis Südafrikas.<br />

An der südafrikanischen Regelung werden zugleich die Schwächen der deutschen<br />

<strong>Recht</strong>slage offenbar. Diese liegen aus Sicht des Umweltschutzes zu-<br />

71 De Waal/Currie/Erasmus, The Bill of Rights Handbook, S. 439.


nächst in der formalen Ausgestaltung desselben als Staatszielbestimmung<br />

begründet. Ein Großteil der von der Bevölkerung zu tragenden Umweltverschmutzung<br />

wird von Art. 20a GG nicht adressiert, da sie alleine auf private<br />

Emissionen zurückgeht72 . Selbst dem im Vergleich geringen staatlich verursachte<br />

Teil der Umweltverschmutzung steht kein direkter grundrechtlicher<br />

Anspruch auf Umweltschutz gegenüber. Alleine unter Rückgriff auf andere<br />

grundrechtliche Gewährleistungen wie Leben und körperliche Unversehrtheit<br />

(Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) sowie Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) lassen sich<br />

Ansätze umweltspezifischer Grundrechte begründen73 . Diese lassen sich nur<br />

unter Bezugnahme auf die weitere Anforderungen stellende, fallgruppenorientierte<br />

Schutzpflichtenrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegen<br />

private Immissionen anführen.<br />

Zum anderen fehlt Art. 20a GG ein eindeutiges Bekenntnis zum Nachhaltigkeitsprinzip<br />

als Leitlinie einer dauerhaften Umweltpolitik. Der Bezug auf das<br />

Prinzip intergenerationeller Gerechtigkeit in Art. 20a GG stellt jedoch ohne<br />

Zweifel eine bedeutsame Zäsur für das deutsche Umweltrecht dar. Sie ist<br />

jedoch keine vollständige Kompensation für die fehlende Verbindlichkeitserklärung<br />

des Nachhaltigkeitsprinzips, da alleine das Nachhaltigkeitsprinzip<br />

die Basis einer kompromissbereiten Umweltpolitik darstellt, die keinen Absolutheitsanspruch<br />

aufweist, sondern Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt<br />

neben sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten berücksichtigt und die<br />

größtmögliche Verwirklichung der konfligierenden Staatsaufgaben anstrebt.<br />

Literatur<br />

Birnie, P. / Boyle, A. (2002): International Law and the Environment,<br />

2. Auflage, Oxford<br />

Bock, B. (1990): Umweltschutz im Spiegel von Verfassungsrecht und Verfassungspolitik,<br />

Berlin<br />

Breuer, R. (1981), Strukturen und Tendenzen des Umweltschutzrechts, in:<br />

Der Staat 20, S. 393-422<br />

Brönneke, T. (1999): Umweltverfassungsrecht, Baden-Baden<br />

72 Kloepfer in BK-GG, Art. 20a Rn. 18.<br />

73 Murswiek in Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 153; Bock, Umweltschutz, S. 126 ff.<br />

31


32<br />

Calliess, C. (2001): <strong>Recht</strong>sstaat und Umweltstaat, Tübingen<br />

De Waal, J. / Currie, I. / Erasmus, G. (2001), The Bill of Rights Handbook,<br />

4. Auflage, Cape Town<br />

Denninger, Erhard u.a. (Hrsg.) (2001), Kommentar zum Grundgesetz - Reihe<br />

Alternativkommentare, 3. Auflage, Neuwied<br />

Devenish, G. (1996), A Commentary on the South African, Durban<br />

Devenish, G. (1999), A Commentary on the South African Bill of Rights,<br />

Durban<br />

Dolzer, R. / Vogel, K. / Graßhof, K. (Hrsg.), Bonner Kommentar zum<br />

Grundgesetz, Heidelberg, Loseblattsammlung<br />

Dreier, H. (Hrsg.) (2004): Kommentar zum Grundgesetz, Bnd. 1, 2. Auflage,<br />

Tübingen<br />

Du Bois, F. / Glazewski, J. (1996), The Environment and the Bill of Rights,<br />

in: Butterworths' Professional Editors (Hrsg.), The Bill of Rights Compendium,<br />

2B, Durban<br />

Glazewski, J. (2002), Envionmental Law in South Africa, Cape Town.<br />

Grupp, T. (1999): Südafrikas neue Verfassung, Baden-Baden<br />

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African Journal of Environmental Law and Policy), 1-8<br />

Kloepfer, M. / Kohls, M. / Ochsenfahrt, V. (2004): Umweltrecht, 3. Aufl.,<br />

München<br />

Kloepfer, M. (1978), Zum Grundrecht auf Umweltschutz, Vortrag gehalten<br />

vor der Berliner Juristischen Gesellschaft am 18.01.1978, Berlin<br />

Liebenberg, S. (1997), “Environment” in Davis, D. / Cheadle, H. / Haysom,<br />

N. (Hrsg.), Fundamental Rights in the Constitution, Commentary and<br />

Cases <strong>–</strong> A commentary on ch. 3 of the 1993 constitution and ch. 2 of<br />

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Loots, C. (1997): The impact of the constitution on Environmental Law, in:<br />

SAJELP 1997, S. 57-68<br />

Maunz, T. / Dürig, G. / Herzog, R. (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Loseblattsammlung,<br />

München<br />

Petersen, V. (1999): Umweltrecht, Baden-Baden


Sachs, M. (Hrsg.) (2002): Kommentar zum Grundgesetz, 3. Auflage, München<br />

Sieben, P. (2003): Was bedeutet Nachhaltigkeit als <strong>Recht</strong>sbegriff? in:<br />

NVwZ, S. 1173-1176<br />

Steiger, H. (1980), „Verfassungsrechtliche Grundlagen“ in Salzwedel, J.<br />

(Hrsg.), Grundzüge des Umweltrechts, Berlin.<br />

Steinberg, R. (1998), Der ökologische Verfassungsstaat, Frankfurt a.M.<br />

Tsai, T. (1996): Die verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht des Staates.<br />

Zugleich ein Beitrag zur Umweltschutzklausel des Art. 20 a GG, Berlin<br />

Von Mangold, H. / Klein, F. / Strack, C. (Hrsg.) (2005), Kommentar zum<br />

Grundgesetz, Bnd. 1, München<br />

Waechter, K. (1996): Umweltschutz als Staatsziel, in: NuR, S. 321-327<br />

Winstanley, T. (1995): Entrenching environmental protection in the new<br />

Constitution, in: SAJELP (South African Journal of Environmental<br />

Law and Policy), S. 85-96<br />

Winstanley, T. (1997): The Final Constitution and the Environment, in:<br />

SAJELP (South African Journal of Environmental Law and Policy), S.<br />

135-140<br />

World Commission on Environment and Development (1987), Our Common<br />

Future<br />

33


Magnus Westhaus<br />

Supply Chain Controlling-Publikationen <strong>–</strong><br />

Eine Analyse internationaler Referenzen<br />

1 Einleitung<br />

Sowohl die konzeptionelle als auch die empirische Forschung bezüglich<br />

eines Supply Chain Controlling finden in jüngster Zeit zunehmend Beachtung<br />

bei Wissenschaftlern und Praktikern. Hiervon zeugt beispielsweise der<br />

Sammelband von Stölzle und Otto. 1 So werden unternehmerische Erfahrungen<br />

in der Umsetzung eines Supply Chain Controlling genau so wie Überlegungen<br />

zu dessen konzeptionellen, und dabei insbesondere funktionalen und<br />

instrumentellen, Ausgestaltungsmöglichkeiten dargeboten.<br />

In Bezug auf die Diskussion um ein Supply Chain Controlling ist auffällig,<br />

dass es sich um eine lediglich im deutschsprachigen Raum geführte Auseinandersetzung<br />

zu handeln scheint. Zumindest sind nach Erkenntnisstand des<br />

Autoren, in quantitativer und qualitativer Hinsicht, keine vergleichbaren<br />

internationalen Veröffentlichungen vorzufinden, die sich der Thematik des<br />

Supply Chain Controlling zuwenden. Als Ursache hierfür lassen sich gegebenenfalls<br />

die heterogenen Auffassungen über ein Controlling anführen, die<br />

ihren Eingang in den möglichen Gegenstandsbereich eines Supply Chain<br />

Controlling finden. Hierbei handelt es sich um eine vornehmlich im deutschsprachigen<br />

Raum anzutreffende Kontroverse, während die Diskussion um<br />

die Inhalte eines Supply Chain Managements auch international geführt<br />

wird.<br />

Auch wenn, wie bereits oben stehend dargelegt, die Diskussion um ein<br />

Supply Chain Controlling vornehmlich im deutschen Sprachraum geführt<br />

1 Stölzle/Otto 2003.


36<br />

wird, so fließen unabhängig davon Erkenntnisse internationaler Publikationen<br />

in Form von Referenzen in die Veröffentlichungen zum Supply Chain<br />

Controlling ein. Das Anliegen des vorliegenden Beitrages ist die Analyse der<br />

in den Beiträgen zum Supply Chain Controlling enthaltenen anglo-amerikanischen<br />

Referenzen. Hierbei sollen folgende Fragen beantwortet werden:<br />

− In welchem Jahr sind die enthaltenen Referenzen publiziert worden?<br />

− In welchen Medien wurden die Referenzen vornehmlich veröffentlicht?<br />

− Was sind die zumeist zitierten Publikationen?<br />

− Von welchen Autoren (-gruppen) werden die meisten unterschiedlichen<br />

Publikationen zitiert?<br />

− Welche Zeitschriften und Sammelbände werden bevorzugt zitiert?<br />

Zur Umsetzung dieses Vorhabens wird nachfolgende Vorgehensweise gewählt.<br />

In Kapitel 2 werden zunächst Einblicke in das Supply Chain Management<br />

und Controlling sowie Anmerkungen zu ihrer Synthese im Rahmen<br />

eines Supply Chain Controllings gegeben. Das Kapitel 3 dient einer Einführung<br />

in die Forschungsmethode der Zitatenanalyse und Kapitel 4 beinhaltet<br />

die Ergebnisse der Analyse der Supply Chain Controlling-Publikationen.<br />

Abschließend erfolgt eine Reflexion und ein Fazit in Kapitel 5.<br />

2 Grundlagen<br />

2.1 Supply Chain Management<br />

In der internationalen Diskussion über ein Supply Chain Management<br />

(SCM) werden insbesondere zwei Sichtweisen vertreten. Auf diese und ihre<br />

Konsequenzen für eine Konzeptionalisierung soll im Folgenden kurz eingegangen<br />

werden. Zum einen wird SCM als eine (vorläufig) letzte Entwicklungsstufe<br />

der Logistik begriffen, die dadurch zu charakterisieren ist, dass<br />

nun nicht mehr die Ebene des einzelnen Unternehmens im Blickpunkt der<br />

Logistik steht und stattdessen der Fokus auf unternehmensübergreifende


Aspekte ausgeweitet wird. 2 Als Konsequenz bedeutet dieses, dass dem SCM<br />

eine eigenständige Problemstellung fehlt und innerhalb eines Logistik-Konzeptes<br />

aufgeht. Demgegenüber existieren Ansätze, die zum einen nicht nur<br />

auf unternehmensübergreifende Logistikprozesse abstellen 3 , sondern zusätzlich<br />

die Notwendigkeit einer kooperativen Dimension des Supply Chain<br />

Managements betonen. 4 Auf erste Aussage verweisen insbesondere Cooper<br />

et al. hin, die auch eine unternehmensübergreifende Forschung und Entwicklung<br />

in Betracht ziehen. 5 Eine ausdrückliche Beachtung der Kooperationsdimension<br />

findet sich bei Seuring, der eine Integration, und somit ein<br />

simultanes Management der unternehmensübergreifenden Material- und<br />

Informationsflüsse unter Berücksichtigung der Gestaltung des Netzwerkes<br />

und der Optimierung der Schnittstellen zwischen den beteiligten Supply<br />

Chain Unternehmen fordert. 6 Gerade in dieser Integration kann die eigenständige<br />

Problemstellung eines Supply Chain Managements gesehen werden,<br />

so dass der Anspruch einer eigenständigen Konzeptionalisierung <strong>–</strong> also losgelöst<br />

von einem Logistikverständnis <strong>–</strong> entsteht. Unabhängig von der Existenz<br />

einer eigenständigen Problemstellung besitzt das Supply Chain Management<br />

eine hohe empirische Relevanz und wird in zahlreichen Veröffentlichungen<br />

theoretisch fundiert. Erstes zeigt sich insbesondere in zahlreichen<br />

Umsetzungsberichten von Praktikern. 7 Für zweites wird insbesondere<br />

auf die Neue Institutionenökonomie, und vor allem auf die Transaktionskostentheorie,<br />

zurückgegriffen. 8<br />

2.2 Controlling<br />

Die Diskussion über ein Controlling hingegen stellt lediglich ein facettenreiches<br />

Themengebiet im deutschsprachigem Raum dar. Einigkeit besteht<br />

nur dahingehend, dass es sich um eine Führungsunterstützungsfunktion han-<br />

2 Vgl. bspw. Simchi-Levi/Kaminsky/Simchi-Levi 2000, S. 3; Göpfert 2001, S. 348.<br />

3 Vgl. bspw. Cooper/Lambert/Pagh 1997, S. 1f., 4.<br />

4 Vgl. Stölzle 2002, S. 289ff. , der sich auf die Ausführungen bei Kraege 1997 bezieht.<br />

5 Vgl. Cooper/Lambert/Pagh 1997, S. 1, 5ff..<br />

6 Vgl. Seuring 2001, S. 16ff..<br />

7 Vgl. hierzu bspw. die Beiträge in Stölzle/Otto 2003.<br />

8 Vgl. zu dieser Aussage im Zshg. mit Netzwerken Corsten 2001, der auf die Arbeiten von<br />

Williamson verweist.<br />

37


38<br />

delt, die auf einer Informationsversorgungsfunktion beruht, aber kontextabhängig<br />

in ihrer funktionalen Breite auf weitere Führungsteilsysteme ausgedehnt<br />

werden kann. 9 Hinzu treten unterschiedliche Auffassungen bezüglich<br />

der funktionalen Tiefe eines Controlling-Konzeptes. So lassen sich vier Typen<br />

differenzieren. Zum einen existieren Ansätze die in Controlling eine<br />

Substitution von Führungsaktivitäten sehen. 10 Eine zweite Gruppe betont die<br />

Koordination des Führungssystems als Aufgabe eines Controllers. 11 Drittens<br />

wird die Rationalitätssicherung der Führung als Controllingfunktion<br />

angeführt. 12 Abschließend seien als vierte Gruppe die reflexionsorientierten<br />

Ansätze genannt. 13 Auch wenn unterschiedliche konzeptionelle Ausprägungen<br />

sowie empirisch verschiedene Controllingsysteme feststellbar sind, so ist<br />

der Anspruch des Controlling, eine eigenständige Konzeption darzustellen,<br />

nach Ansicht des Autors nicht zu verneinen. Auch wenn unterschiedliche<br />

konzeptionelle Lösungsansätze zur Verfügung gestellt werden, ist die Funktion<br />

der Führungsunterstützung immanent gegeben. Darüber hinaus ist Controlling<br />

in der Unternehmenspraxis weit verbreitet. Zu einer theoretischen<br />

Fundierung bedienen sich einige Autoren der Neuen Institutionenökonomie<br />

<strong>–</strong> im Speziellen der Principal-Agent-Theorie . 14<br />

2.3 Supply Chain Controlling<br />

Supply Chain Controlling stellt eine Synthese aus Supply Chain Management<br />

und Controlling dar. Unter Beachtung der, in den vorstehenden Abschnitten<br />

behandelten, Heterogenität der Kontroversen innerhalb der beiden<br />

Disziplinen sind für das Supply Chain Controlling eine Vielzahl an unterschiedlichen<br />

konzeptionellen Ausgestaltungsmöglichkeiten denkbar. So sind<br />

die beiden oben vorgestellten Ausprägungen des Supply Chain Managements<br />

anzutreffen. 15 In Bezug auf die Muterdisziplin Controlling finden sich<br />

9 Vgl. Weber 2002a, S. VII.<br />

10 Vgl. hierzu bspw. Hahn/Hungenberg 2001 und Bramsemann 1993.<br />

11 Vgl. hierzu bspw. Horvath 2006 und Küpper 2001.<br />

12 Vgl. hierzu Weber/Schäffer 2006.<br />

13 Vgl. hierzu Pietsch 2003; Becker 2003.<br />

14 Vgl. z.B. Küpper 2001, S. 45-61.<br />

15 Vgl. bspw. für das logistikorientierte Verständnis Göpfert 2001 und die zweite Ausprägungsform<br />

Westhaus 2007.


Anregungen die Informationsversorgungsfunktion, die Koordinations- oder<br />

die Rationalitätssicherungs- und Reflexionsfunktion des Controllings zu<br />

berücksichtigen. 16 Durch die Kombination der vielfältigen Ausprägungen<br />

innerhalb der Mutterdisziplinen, wird also die potenzielle konzeptionelle<br />

Mannigfaltigkeit des Supply Chain Controllings bestimmt. Bisherige konzeptionelle<br />

Überlegungen beschränken sich zumeist auf die instrumentelle<br />

Komponente, und vernachlässigen die Erarbeitung einer eigenständigen<br />

Problemstellung, seiner Funktion, eines Supply Chain Controllerships und<br />

die Beschäftigung mit der institutionellen Komponente. 17 Neben dieser als<br />

primär „instrumentell-konzeptionellen“ Forschungsbestrebungen bezüglich<br />

des Erkenntnisobjektes, ist zu attestieren, dass auch allgemein akzeptierte<br />

Definition bislang ausstand, was sich aus der oben geschilderten Heterogenität<br />

ableiten lässt. Einen Versuch, einen kleinsten gemeinsamen definitorischen<br />

Nenner zu ermitteln, haben Westhaus und Seuring im Rahmen einer<br />

Delphi-Studie unternommen, in deren Verlauf 25 Fachvertreter um eine<br />

Definition des Supply Chain Controlling gebeten worden sind. 18 Die meiste<br />

Zustimmung erhielt dabei die Definition von Stölzle, die auch den Abschluss<br />

dieses Abschnittes darstellen soll:<br />

Supply Chain Controlling stellt eine auf die Führungsunterstützung in der<br />

Supply Chain ausgerichtete Ausprägung des Controllings dar. Die Führungsunterstützung<br />

erstreckt sich auf die im Vorfeld zu treffenden Integrationsentscheidungen<br />

(Auswahl von Partnern, Prozessen und Managementkomponenten)<br />

sowie auf die konzeptionelle Gestaltung und Koordination des<br />

Informations- sowie Planungs- und Kontrollsystems für die Zwecke der Logistik.<br />

19<br />

16 Vgl hierzu Stölzle 2002, S. 300-306.<br />

17 Vgl. hierzu auch Weber 2002b, S. 185f. und Westhaus 2007.<br />

18 Vgl. Westhaus/Seuring 2005.<br />

19 Vgl. hierzu auch ausführlich Stölzle 2002, S. 283-309.<br />

39


40<br />

3 Forschungsmethodik: Zitatenanalyse<br />

3.1 Forschungskonzeptionelle Verortung<br />

Einleitend erfolgt eine forschungskonzeptionelle Verortung der Zitatenanalyse.<br />

Erstens kann festgehalten werden, dass es sich um reine Forschung<br />

handelt, da keine Gestaltungsempfehlungen zur Lösung einer spezifischen<br />

Problemstellung im Sinne einer angewandten Betriebswirtschaftslehre gegeben<br />

werden. Analysiert werden lediglich Publikationen von Autoren mit<br />

akademisch-wissenschaftlichem Hintergrund. Veröffentlichungen von Praktikern<br />

werden in der Studie nicht berücksichtigt. Bei dem untersuchten Ausgangsmaterial<br />

handelt es sich um empirisch vorliegende Quellen, die nicht<br />

erst durch den Forscher geschaffen werden müssen. Folglich liegt eine Sekundärforschung<br />

vor. Als Forschungszugang wird sowohl eine quantitative<br />

als auch qualitative Herangehensweise verfolgt. Zum einen erfolgt aufgrund<br />

des Charakters der Zitatenanalyse eine Auszählung der in den Publikationen<br />

enthaltenen Referenzen hinsichtlich der bereits im ersten Kapitel vorgestellten<br />

Fragestellungen. Darüber hinaus wird aber auch eine qualitative Interpretation<br />

bzw. Reflexion der erhaltenen Ergebnisse vorgenommen. Grundsätzlich<br />

stellt die Forschungsstrategie einer Zitatenanalyse eine Form der<br />

Dokumentenanalyse dar. Als Forschungsziel wird eine zeitraumbezogene<br />

Deskription der in den Supply Chain Publikationen enthaltenen Referenzen<br />

angestrebt.<br />

3.2 Grundlagen der Zitatenanalyse<br />

Die wesentlichen Charakteristika einer Zitatenanalyse lassen sich in einer<br />

Definition von Gorraiz wiedergeben:<br />

„Die Zitatenanalyse ist ein Gebiet der Bibliometrie, das sich dem Studium<br />

der Beziehungen zwischen zitierten und zitierenden Arbeiten und ihrer Anwendung<br />

als bibliometrische Untersuchungsmethode beschäftigt. Als bibliometrische<br />

Parameter verwendet die Zitatenanalyse die Zählung der auf eine<br />

bestimmte Arbeit, ein bestimmtes Dokument oder einen bestimmten Verfas-


ser entfallenden Zitate. Je größer die Zitierhäufigkeit ist, desto höher wird ihr<br />

Wert veranschlagt.“ 20<br />

Im Mittelpunkt dieser Arbeit soll insbesondere die Identifikation „klassischer“<br />

Arbeiten, die mit einer größeren Häufigkeit innerhalb der Publikationen<br />

zum Supply Chain Controlling zitiert werden, oder die Auswirkung einer<br />

individuellen Arbeit und/oder die Eminenz eines bestimmten Forschers bzw.<br />

Forschergruppe, stehen. 21 Dieses Bestreben soll mittels einer regelgeleiteten<br />

Materialerhebung, -aufbereitung und -analyse umgesetzt werden. Hierzu<br />

wird im Folgenden das Ablaufmodell der Zitatenanalyse beschrieben.<br />

3.3 Ablaufmodell der Analyse<br />

3.3.1 Publikationserhebung<br />

Im Rahmen dieses Abschnitts ist erstens offen zu legen, was als Publikation<br />

aufgefasst werden soll sowie zweitens wie und wo recherchiert wurde. In<br />

Bezug auf die erste Fragestellung kann festgehalten werden, dass Buchhandelsmedien<br />

(Bücher, Zeitschriften, Habilitations- und Dissertationsschriften),<br />

Graue Literatur (Arbeits- und Forschungsberichte) und Internet-Dokumente<br />

im World Wide Web Eingang in die Zitatenanalyse finden. Für eine Übersicht<br />

zu verschiedenen Publikationsmedien sei auf Stock verwiesen. 22 Im<br />

Folgenden wird auf die zweite Fragestellung eingegangen. Es werden drei<br />

Wege zur Identifikation beschritten:<br />

− Suche anhand relevantere Titel- und Schlagwörter (-kombinationen)<br />

in Online-Katalogen;<br />

− Suche nach weiteren Publikationen bereits bekannter Fachvertreter;<br />

− Suche anhand des „Schneeballverfahrens“ in bereits identifizierten<br />

Publikationen.<br />

In einem zweiten Schritt innerhalb des Ablaufmodells sind die Aufbereitung<br />

der in den Veröffentlichungen enthaltenen Referenzen darzulegen sowie<br />

Fragestellungen an das Material zu formulieren.<br />

20 Gorraiz 1992, S. 2.<br />

21 Vgl. hierzu die Aufzählung von Anwendungsmöglichkeiten bei Smith 1981.<br />

22 Vgl. Stock 2001, S. 14.<br />

41


42<br />

3.3.2 Aufbereitung und Fragestellungen<br />

Einleitend zur Beschreibung der Aufbereitung der in den Publikationen enthaltenen<br />

Referenzen sollen die Begriffe des Zitats und der Referenz kurz<br />

definiert werden, um die Begriffe voneinander abzugrenzen:<br />

„Enthält eine Veröffentlichung X eine bibliografische Note, in der die Veröffentlichung<br />

Y beschrieben oder verwendet wird, dann enthält X (Zitierende<br />

Publikation) eine Referenz zu Y, und bekommt Y (Zitierte Publikation) ein<br />

Zitat von X.“ 23<br />

Um die zitierten Publikationen einer Analyse zugänglich zu machen, werden<br />

sie in einer Excel-Tabelle aufgelistet. Hierzu werden spaltenweise die recherchierten<br />

Supply Chain Controlling-Publikationen, und zeilenweise <strong>–</strong> in<br />

alphabetischer Reihenfolge - die in ihnen enthaltenen Referenzen gelistet.<br />

Dabei sollen vier Arten von Zitationen differenziert werden, die wie folgt<br />

kenntlich gemacht werden:<br />

− X: Zitation einer fremden Publikation,<br />

− Y: Zitation einer eigenen Publikation,<br />

− Z: Zitation eines eigenen Sammelbandes und<br />

− ZZ: Zitation einer eigenen Publikation aus einem eigenen Sammelband.<br />

Anhand dieser Verfahrensweise können die Summen aller Fremd- und Eigenzitate<br />

gebildet werden, die eine Publikation in den Veröffentlichungen<br />

zum Supply Chain Controlling erhält. Beispielhaft wird die Vorgehensweise<br />

in Tabelle 1 wiedergegeben, bevor in diesem Kapitel abschließend auf die<br />

Art und Weise der Interpretation der gewonnenen Erkenntnisse eingegangen<br />

wird. In Bezug auf die Formulierung der Forschungsfragen sei auf oben<br />

stehenden Abschnitt 1 verwiesen.<br />

23 Gorraiz 1992.


Referenz auf<br />

Publikation A<br />

Referenz auf<br />

Publikation B<br />

Referenz auf<br />

Publikation C<br />

Publ.<br />

1<br />

Publ.<br />

2<br />

Pub.<br />

3<br />

Sum<br />

x<br />

Sum<br />

y<br />

Sum<br />

z<br />

Sum<br />

zz<br />

Sum<br />

x+z<br />

X X Z 2 1 3<br />

Sum<br />

y+zz<br />

Y ZZ 1 1 2<br />

X 1 1<br />

...<br />

Tabelle 1: Beispiel: Excel-Tabelle zur Zitatenanalyse.<br />

Quelle: eigene.<br />

3.3.3 Interpretation<br />

Zur sowohl quantitativen als auch qualitativen Auswertung der gewonnenen<br />

Erkenntnisse wird folgendermaßen verfahren. Zunächst ist es erforderlich<br />

das eigene Vorverständnis, beziehungsweise seine Erwartungen an die mittels<br />

der Forschungsfragen erhobenen Ergebnisse zu formulieren. Vor diesem<br />

Hintergrund sind die Ergebnisse zu diskutieren, in dem zum einen Übereinstimmungen<br />

dargelegt, aber auch Abweichungen offengelegt werden. Besonders<br />

wichtig erscheint in diesem Zusammenhang der Versuch der Begründung<br />

denkbarer Ursachen sowie das Aufzeigen unterschiedlicher Deutungsmöglichkeiten.<br />

Im Folgenden werden nun die Ergebnisse der internationalen<br />

Zitatenanalyse der Publikationen zum Supply Chain Controlling<br />

dargeboten.<br />

4 Analyseergebnisse<br />

4.1 Ergebnisse der Publikationserhebung<br />

Berücksichtigt werden in der Zitatenanalyse 99 Beiträge zum Themengebiet<br />

des Supply Chain Controlling. Diese stellen natürlich nur eine Momentaufnahme<br />

dar, die idealerweise ständig zu aktualisieren wäre. Im Rahmen des<br />

43


44<br />

Beitrages ist es nicht möglich sämtliche berücksichtigten Publikationen einzeln<br />

aufzuführen. Auch eine Negativabgrenzung <strong>–</strong> im Sinne einer Aufzählung<br />

nichtberücksichtiger Veröffentlichungen <strong>–</strong> ist nicht gänzlich möglich.<br />

Dennoch sollen einige jüngst erschienene akademische Beiträge gelistet<br />

werden, die nicht in die Analyse eingeflossen sind. Zu nennen sind die Dissertationsschriften<br />

von Hieronimus, Liebetruth oder Jehle. 24 Aufgrund ihres<br />

Monographiecharakters sind im Gegensatz zu Zeitschriftenveröffentlichungen<br />

zahlreiche Referenzen zu erwarten, die nicht in die Analyse mit einfließen.<br />

Im Folgenden wird eine zweidimensionale Verteilung der Publikationen,<br />

bezüglich des Erscheinungsjahres als auch des Mediums, in Tabelle 2<br />

gegeben. Hierbei ist nach Auffassung des Autors zu erwarten, dass zunächst<br />

Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und Sammelbänden dominieren<br />

werden, bevor Qualifikationsschriften im Sinne von Habilitations- und Dissertationsschriften<br />

zum Themengebiet anzutreffen sind. Begründung hierfür<br />

ist, dass Forschungsergebnisse häufig bereits in Fachzeitschriften vorgestellt<br />

werden und erst anschließend die kumulierte Publikation in einer Qualifikationsschrift<br />

erfolgt. Ein Grund hierfür kann beispielsweise Werbung für die<br />

folgende Arbeit sein.<br />

24 Hieronimus 2006; Liebetruth 2005; Jehle 2005.


Jahr Diss Habil LB SR DB 4.1.1.1.1 I SB Z 4.1.1.1.2 Sum<br />

2006 1 1<br />

2005 2 1 2 5 10<br />

2004 1 1 6 5 13<br />

2003 1 11 5 17<br />

2002 2 1 7 13 24<br />

2001 2 1 4 9 16<br />

2000 1 1 2 5 8<br />

1999 1 3 4<br />

1998/1999 1 1<br />

1998 1 1<br />

1997 2 2<br />

1996 1 1 2<br />

Sum 8 2 4 2 1 1 34 47 99<br />

Abkürzungen. Diss: Dissertation, Habil: Habilitation; LB: Lehrbuch; SR: <strong>Schriftenreihe</strong>; DB:<br />

Diskussionsbeitrag; I: Internetzdownload; SB: Publikation in einem Sammelband und Z:<br />

Publikation in einer Zeitschrift.<br />

Tabelle 2: Publikationsverteilung nach Jahr und Medium.<br />

Quelle: eigene.<br />

Die anteilig meisten Publikationen sind in den Jahren 1999 und 2005 erschienen.<br />

Sie decken ungefähr 89% aller Veröffentlichungen ab. Während<br />

dieser Zeitspanne ist ein stetiger Anstieg bis in das Jahr 2002 (24 Publikationen)<br />

zu beobachten. Danach ist die Anzahl der Publikationen wieder fallend.<br />

Als erste Veröffentlichungen im Feld sind die Arbeiten von Zäpfel & Piekarz<br />

sowie die Dissertation von Halusa zu nennen. 25 Die letzte berücksichtigte<br />

Publikation aus dem Jahr 2006 stammt von Seuring, der in einem Zeitschriftenartikel<br />

einen Überblick bezüglich des Status Quo der deutschspra-<br />

25 Zäpfel/Piekarz 1996; Halusa 1996.<br />

45


46<br />

chigen SCC-Diskussion gibt. 26 Insgesamt scheint sich insgesamt die Erwartung<br />

zu bestätigen, dass zunächst Zeitschriften- und Sammelbandbeiträge<br />

dominieren und im Anschluss daran Dissertations- und Habilitationsschriften<br />

folgen. So erreichen erstere ihre Höchststand in den Jahren 2002/2003 und<br />

sind danach zurückgehend, während letztgenannte Publikationsmedien ab<br />

dem Jahr 2002 zunehmen. Im Anschluss an diese kurze Vorstellung der<br />

identifizierten Publikationen zum Supply Chain Controlling folgt nun die<br />

Präsentation der Ergebnisse der Zitatenanalyse.<br />

4.2 Ergebnisse und Interpretation der Zitatenanalyse<br />

In den 99 Publikationen sind insgesamt 1527 Referenzen enthalten, die in<br />

englischer Sprache verfasst sind. Beeinflusst wird die Anzahl dieser Referenzen<br />

maßgeblich durch die Habilitations- und Dissertationsschriften im<br />

Forschungsfeld. Tabelle 3 gibt einen Überblick bezüglich der Schriften, die<br />

die meisten anglo-amerikanischen Referenzen enthalten.<br />

26 Vgl. Seuring 2006.


Schrift Anzahl<br />

Otto, A. (2002): Management und Controlling von Supply Chains <strong>–</strong> Ein Modell<br />

auf Basis der Netzwerktheorie, Wiesbaden.<br />

Bacher, A. (2004): Instrumente des Supply Chain Controlling: Theoretische<br />

Herleitung und Überprüfung der Anwendbarkeit in der Unternehmenspraxis,<br />

Wiesbaden.<br />

Kraege, R. (1997): Controlling strategischer Unternehmenskooperationen <strong>–</strong><br />

Aufgaben, Instrumente und Gestaltungsempfehlungen, München, Mering.<br />

Hippe, A. (1997): Interdependenzen von Controlling und Strategie in Unternehmensnetzwerken,<br />

Wiesbaden.<br />

Winkler, H. (2005): Konzept und Einsatzmöglichkeiten des Supply Chain Controlling<br />

<strong>–</strong> Am Beispiel einer Virtuellen Supply Chain Organisation (VISCO),<br />

Wiesbaden.<br />

Ries, A. (2001): Controlling in virtuellen Netzwerken: Managementunterstützung<br />

in dynamischen Kooperationen, Wiesbaden.<br />

Stüllenberg, F. (2005): Konzeption eines modularen Kooperationscontrolling,<br />

Herne, Berlin.<br />

Halusa, M. (1996): Supply-Management-Controlling <strong>–</strong> Ein aktivitäts- und kooperationsorientierter<br />

Ansatz, Bamberg.<br />

Hess, T. (2002): Netzwerkcontrolling <strong>–</strong> Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung,<br />

Wiesbaden.<br />

Tabelle 3: Anzahl enthaltener anglo-amerikanischer Referenzen.<br />

Quelle: eigene.<br />

Darüber hinaus sind auch Referenzen enthalten, die in anderen Sprachen<br />

verfasst sind. Deren Anteil ist allerdings gering, so dass sie im Rahmen der<br />

Analyse nicht weiter berücksichtigt werden sollen. Die enthaltenen Referenzen<br />

sollen nun vor dem Hintergrund der gestellten Fragestellungen untersucht<br />

werden. Begonnen wird mit:<br />

− In welchem Jahr sind die enthaltenen Referenzen publiziert worden?<br />

368<br />

272<br />

221<br />

165<br />

149<br />

115<br />

82<br />

81<br />

78<br />

47


48<br />

Im Rahmen dieser Fragestellung findet die Vermutung eine Bestätigung,<br />

dass die verwendeten Referenzen jüngeren Datums sind. Eine Übersicht<br />

hierzu bietet Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..<br />

Anzah<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

1923<br />

121415 1980<br />

1982<br />

1984<br />

32 35<br />

42<br />

1986<br />

66<br />

1988<br />

34<br />

Abb. 1 Erscheinungsjahr der Referenzen.<br />

Quelle: eigene.<br />

64<br />

56 61 56<br />

1990<br />

Die Abbildung der Referenzen beginnt im dem Jahr 1980, da ab diesem ein<br />

beinahe kontinuierlicher Zuwachs an verwendeten Referenzen innerhalb der<br />

nachfolgenden Jahre zu verzeichnen ist. Der Höchststand wird im Jahr 1998<br />

erreicht. Seitdem ist die Anzahl wieder fallend, wobei insbesondere im Übergang<br />

von 2002 auf 2003 ein großer Sprung zu verzeichnen ist. Eine Begründung<br />

für diese Verteilung kann die bewusste Verwendung aktueller<br />

Referenzen sein. So stammen die ersten analysierten SCC-Publikationen aus<br />

dem Jahr 1996 und der überwiegende Anteil der untersuchten Veröffentlichungen<br />

(70 Prozent der untersuchten SCC-Beiträge) ist in den Jahren 2001<br />

bis 2004 erschienen, so dass ein Großteil der verwendeten Referenzen in den<br />

fünf bis zehn vorangegangenen Jahren erschienen sein könnte. Darüber hin-<br />

1992<br />

82<br />

1994<br />

62 57<br />

1996<br />

Erscheinungsjahr<br />

81<br />

114<br />

1998<br />

79<br />

71<br />

68<br />

61<br />

2000<br />

2002<br />

22<br />

13<br />

2 1<br />

2004<br />

2006


aus ist <strong>–</strong> nach Einschätzung des Verfassers <strong>–</strong> bezüglich der Publikationen in<br />

den Mutterdisziplinen „Supply Chain Management“ und „Controlling“ seit<br />

dem Anfang der 80er Jahre ein Zuwachs an Publikationen zu verzeichnen.<br />

Beispielsweise wird der Begriff „Supply Chain Management“ nach Auffassung<br />

vieler Autoren erstmals im Jahre 1982 durch die Autoren Oliver und<br />

Webber verwendet. 27 Letztendlich kann festgehalten werden, dass insbesondere<br />

Referenzen jüngeren Datums in den Publikationen Verwendung finden,<br />

was sich wahrscheinlich darauf zurückführen lässt, dass es sich um ein noch<br />

junges Forschungsgebiet handelt. Als nächstes soll die Frage geklärt werden:<br />

− Anhand welchen Mediums sind die Referenzen veröffentlicht<br />

worden?<br />

Erwartungsgemäß handelt es sich bei den zumeist genutzten Medien der<br />

Referenzen um Bücher, Sammelbandbeiträge und Veröffentlichungen in<br />

Zeitschriften. Einen Überblick zu deren Verteilung auf die Medien bietet .<br />

27 Oliver/Webber 1982.<br />

49


50<br />

Anzahl<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

449<br />

B<br />

B (Arbeitspapier)<br />

19 25 18<br />

B (sonstige)<br />

Abb. 2 Publikationsmedien der Referenzen. 28<br />

Quelle: eigene.<br />

I<br />

Ausführlicher soll demgegenüber die nachfolgende Fragestellung abgehandelt<br />

werden.<br />

− Was sind die zumeist zitierten Publikationen?<br />

Im Hinblick auf diese Fragestellung hatte der Autor keine speziellen Erwartungen,<br />

so dass zugleich die Analyseergebnisse präsentiert werden. Eine<br />

Übersicht bezüglich der am häufigsten zitierten Publikationen wird dabei<br />

anhand der Tabelle 1 gegeben. Nachfolgend werden die ersten drei Publikationen<br />

angeführt und Begründungen für ihre Platzierung erwogen, bevor<br />

sämtliche 17 Referenzen anhand von vier Kategorien systematisiert werden.<br />

Den ersten Rang der zumeist zitierten Publikationen teilen sich die Zeit-<br />

28 Die Abkürzungen in der Abbildung seien nachfolgend erläutert, sofern bereits nicht in<br />

Klammern geschehen: B: Buch, I: Internetdokument, SB: Sammelband; SB (HWB): Sammelband<br />

(Handwörterbuch), Z: Zeitschrift, SB (Hrsg.): Sammelband (Herausgeberschaft).<br />

SB<br />

175<br />

SB (HWB)<br />

8<br />

Publikationsmedien<br />

798<br />

8<br />

Z<br />

Z (Sonderheft)<br />

SB (Hrsg.)<br />

21


schriftenartikel von Brewer und Speh 29 sowie Cooper, Lambert und Pagh 30 .<br />

Beide Veröffentlichungen werden in je 14 Publikationen zum Supply Chain<br />

Controlling zitiert. Der erste Artikel widmet sich der Anwendungsmöglichkeit<br />

der Balanced Scorecard zur Messung der Supply Chain Performance.<br />

Seine häufige Zitation kann auch als Beleg für die zahlreichen Versuche<br />

einer Nutzung der <strong>–</strong> traditionell auf Einzelunternehmensebene beschränkten<br />

<strong>–</strong> Balanced Scorecard (BSC) für unternehmensübergreifende<br />

Problemstellungen gesehen werden. In zahlreichen Veröffentlichungen wird<br />

auf diese instrumentelle Teil-Komponente einer SCC-Konzeption eingegangen,<br />

wobei sich die Arbeiten dahingehend differenzieren, ob überhaupt und<br />

wenn ja, wie weitgehend, eine Modifikation der traditionellen BSC an die<br />

Bedürfnisse des SCM erfolgt. 31 Die Arbeit von Cooper, Lambert und Pagh 32<br />

belegt ebenfalls den ersten Rang. Es handelt sich hierbei um einen Artikel,<br />

der eine zentrale Stellung in der Wahrnehmung der Fachvertreter und Autoren<br />

zum Supply Chain Controlling einzunehmen scheint. Dieses wird auch<br />

im Rahmen einer Delphi-Studie zur Definitionsfindung eines Supply Chain<br />

Controlling bestätigt. So erhielt diejenige SCC-Definition die höchste Zustimmung,<br />

die in wesentlichen Bestandteilen auf vorgenannten Artikel von<br />

Cooper, Lambert und Pagh fußt. 33 Abschließend sei noch das Lehrbuch von<br />

Handfield und Nichols 34 angeführt, das den zweiten Rang bekleidet. Hierbei<br />

scheint es sich demnach um eines der meist beachteten Lehrbücher zu handeln,<br />

das auch im Rahmen der Diskussion von 12 Monographien bei Müller,<br />

Seuring und Goldbach sowohl als gehaltvoll als auch anschaulich und somit<br />

zugleich interessant für Praktiker sowie Wissenschaftler eingestuft wird. 35<br />

Nachdem nun einleitend die drei am häufigsten zitierten Publikationen herausgestellt<br />

wurden, sollen anhand von vier induktiv ermittelten Kategorien<br />

sämtliche 17 Veröffentlichungen systematisiert werden. Dabei sollen Mehrfachzuweisungen<br />

von Veröffentlichungen von den vier Kategorien zugelas-<br />

29 Brewer/Speh 2000.<br />

30 Cooper/Lambert/Pagh 1997.<br />

31 Vgl. bspw. die Arbeiten von Bacher 2004; Lange/Schäfer/Daldrup 2001; Stölzle/ Heusler/Karrer<br />

2001.<br />

32 Cooper/Lambert/Pagh 1997.<br />

33 Westhaus/Seuring 2005.<br />

34 Handfield/Nichols 1999.<br />

35 Müller/Seuring/Goldbach 2003, S. 428f., 434.<br />

51


52<br />

sen sein. Als erstes sollen diejenigen Publikationen genannt werden, die sich<br />

mit „Instrumenten“ für ein SCM bzw. SCC auseinandersetzen, wobei diese<br />

in vier Arbeiten eine Messung der Performance entlang der Supply Chain<br />

ermöglichen sollen. 36 Die Arbeiten von Brewer und Speh, Kaplan und Norton<br />

sowie Liberatore und Miller beschäftigen sich unter anderem mit der<br />

Anwendbarkeit einer Balanced Scorecard (BSC) im SCM bzw. deren grundsätzlichen<br />

Ausgestaltung. 37 Letztgenannte Autorengruppe fokussiert darüber<br />

hinaus auf das Zusammenspiel der BSC mit einem Activity-Based Costing<br />

(ABC). Ebenfalls auf ein ABC in Supply Chains ist der Beitrag von Dekker<br />

und Van Gooer ausgerichtet. 38 Mit Fragestellungen eines Costings in der<br />

Supply Chain setzen sich die Artikel von LaLonde und Pohlen sowie Cooper<br />

und Slagmulder, in Bezug auf ein Interorganisational Cost Management,<br />

auseinander. 39 Ein letztes Instrument zum Management bzw. Controlling<br />

einer SC ist das SCOR-Modell, dessen Version 5.0. am Häufigsten zitiert<br />

wird. 40 Der zweiten hergeleiteten Kategorie werden Publikationen zugeordnet,<br />

die sich mit dem „Supply Chain Management“ auseinandersetzen. SCM<br />

stellt als eine der beiden Mutterdisziplinen <strong>–</strong> neben dem Controlling <strong>–</strong> einen<br />

wesentlichen Eckpfeiler einer jeden SCC-Konzeption dar. Zu nennen sind<br />

die bereits angeführte Arbeit von Cooper, Lambert und Pagh sowie die Artikel<br />

von Bechtel und Jayaram als auch Croom, Romano und Giannakis. 41<br />

Ebenfalls in die Kategorie aufzunehmen ist die Arbeit von Lee, Padmananbhan<br />

und Whang. 42 Diese setzt sich mit dem so genannten „Bullwhip Effect“<br />

auseinander, der von vielen Autoren als Grund für eine unternehmensübergreifende<br />

Planung und Steuerung der Material- und Informationsflüsse angesehen<br />

wird. 43 Der Effekt wird auch im Rahmen der „System Dynamics“-<br />

Perspektive - als eine von sechs Argumentations-Linien der SCM-Literaten -<br />

36 Hier sind die Arbeiten von Brewer/Speh 2001; Brewer/Speh 2000; Kaplan/Norton 1996<br />

und Beamon 1999 zu nennen. Die Arbeit von Kaplan/Norton 1992 liefert die Grundlagen<br />

für die beiden Publikationen von Brewer/Speh 2001, 2000.<br />

37 Brewer/Speh 2001; Brewer/Speh 2000; Kaplan/Norton 1992; Liberatore/Miller 1998.<br />

38 Dekker/Van Gooer 2000.<br />

39 LaLonde/Pohlen 1996; Cooper/Slagmulder 1999.<br />

40 Supply Chain Council 2002.<br />

41 Cooper/Lambert/Pagh 1997; Bechtel/Jayaram 1997, Croom, Romano, Giannakis 2000.<br />

42 Lee/Padmanabhan/Whang 1997.<br />

43 Vgl. bspw. Otto 2002, S. 161-167.


in der Habilitationsschrift von Otto aufgegriffen. 44 Als nächstes folgt die<br />

Vorstellung der dritten Kategorie „Lehrbücher“. Hier werden die Werke von<br />

Handfield und Nichols sowie Christopher identifiziert. 45 Für eine tiefer gehende<br />

Übersicht zu diesen Arbeiten sei wiederum auf den bereits oben angeführten<br />

Artikel von Müller, Seuring und Goldbach verwiesen. 46 Als abschließende<br />

und vierte Kategorie sei die der „Klassiker“ erwähnt. Hierbei<br />

handelt es sich um Publikationen, die schon seit einem längeren Zeitraum am<br />

Veröffentlichungsmarkt erhältlich sind und dennoch immer noch oder wieder<br />

in den untersuchten Publikationen zum Supply Chain Controlling Berücksichtigung<br />

finden. Zum einen ist hier die Arbeit von Coase aus dem Jahr<br />

1937 zu nennen. 47 Die Einordnung als Klassiker erfolgt auch in einer Ausgabe<br />

der „Logistik Management“, in der selbiger nachgedruckt wurde. 48 Bei<br />

dem zweiten Werk handelt es sich um die Arbeit von Williamson zur Transaktionskostentheorie<br />

im Rahmen der Neuen Institutionenökonomie, die in<br />

zahlreichen Veröffentlichungen zum SCM bzw. SCC als eine theoretische<br />

Grundlage herangezogen wird. Als nächstes wird sich den am Häufigsten<br />

zitierten Autoren(-gruppen) zugewandt.<br />

44 Otto 2002, S. 160ff..<br />

45 Handfield/Nichols 1999; Christopher 1998.<br />

46 Müller/Seuring/Goldbach 2003.<br />

47 Coase 1937, in: Logistik Management, H. 1, 2000.<br />

48 Coase 1937, in: Logistik Management, H. 1, 2000.<br />

53


54<br />

Rang Publikation Zitationsanzahl<br />

1 Brewer, P. C.; Speh, T. W. (2000): Using the Balanced Scorecard to<br />

Measure Supply Chain Performance, in: Journal of Business Logistics,<br />

21. Jg., H. 1, S. 75-93.<br />

1 Cooper, M. C.; Lambert, D. M.; Pagh, J. D. (1997): Supply Chain<br />

Management: More than a new Name for Logistics, in: The International<br />

Journal of Logistics Management, 8. Jg., H.1, S. 1-14.<br />

2 Handfield, R. B.; Nichols, R. L. (1999): Introduction to Supply Chain<br />

Management, Upper Saddle River, N. J..<br />

3 Dekker, H. C.; Van Gooer, A. R. (2000): Supply Chain Management<br />

and Management Accounting: A Case study of Activity-Based Costing,<br />

in: The International Journal of Logistics: Research and Applications,<br />

3. Jg., H. 1, S. 41-52.<br />

4 Brewer, P. C.; Speh, T. W. (2001): Adapting the Balanced Scorecard<br />

to Supply Chain Performance, in: Supply Chain Management Review,<br />

5. Jg., H. 2, S. 48-56.<br />

4 LaLonde, B. J.; Pohlen, T. L. (1996): Issues in Supply Chain Costing,<br />

in: The International Journal of Logistics Management, 7. Jg., H. 1, S.<br />

1-12.<br />

5 Kaplan, R. S.; Norton, D. P. (1992): The Balanced Score Card. Measures<br />

That Drives Business performance, in: Harvard Business Review,<br />

70. Jg., S. 71-79.<br />

6 Bechtel, C.; Jayaram, J. (1997): Supply Chain Management: A Strategic<br />

Perspective, in: The International Journal of Logistics Management,<br />

8. Jg., H. 1, pp. 15-34.<br />

6 Lee, H. L.; Padmanabhan, V.; Whang, S. (1997): The Bullwhip Effect<br />

in Supply Chains, in: Sloan Management Review, 38. Jg., S. 93-102.<br />

7 Beamon, B. M. (1999): Measuring Supply Chain Performance, in: The<br />

International Journal of Operations and Production Management, 19.<br />

Jg., H. 3, S. 275-292.<br />

7 Christopher, M. (1998): Logistics and Supply Chain Management. 7<br />

14<br />

14<br />

13<br />

12<br />

11<br />

11<br />

9<br />

8<br />

8<br />

7


Strategies for Reducing Cost and Improving Service, 2. Aufl., London.<br />

7 Coase, R. H. (1937): The Nature of the Firm, in: Economica, 4. Jg.,<br />

Nr. 11, S. 386-405.<br />

7 Cooper, R.; Slagmulder, R. (1999): Supply Chain Development for the<br />

Lean Enterprise: Interorganizational Cost Management, Portland, OR.<br />

7 Croom, S.; Romano, P.; Giannakis, M. (2000): Supply Chain Management.<br />

An Analytical Framework for Critical Literature Review, in:<br />

European journal of purchasing and supply management, 6. Jg., H. 1,<br />

S. 67-83.<br />

7 Liberatore, J. L.; Miller, T. (1998): A framework for integrating<br />

activiy based costing and the balanced scorecard into the logistics<br />

strategy development and monitoring process, in: Journal of Business<br />

Logistics,19. Jg., H. 2, S. 131-152.<br />

7 Supply Chain Council (2002): Supply-Chain Operations Reference-<br />

Model. Version 5.0, Pittsburgh.<br />

7 Williamson, O. E. (1985): The Economic Institutions of Capitalism.<br />

Firms, Markets, Relational Contracting, 11. Aufl., New York.<br />

Tabelle 4: Die 17 meist zitierten anglo-amerikanischen Publikationen. 49<br />

Quelle: eigene.<br />

− Von welchen Autoren (-gruppen) werden die meisten unterschiedlichen<br />

Publikationen zitiert?<br />

Auch zu dieser Forschungsfrage hat der Autor keine bestimmten Erwartungen<br />

gehabt, außer, dass eventuell Autoren(-gruppen), die sich Instrumenten<br />

zuwenden, besonders häufig zitiert werden. Diese Vermutung wird sich im<br />

Verlauf der Untersuchung allerdings nicht bestätigen. Im Rahmen dieser<br />

Fragestellung ist zunächst sicherzustellen, dass die Zitationsanzahl durch<br />

Fremdzitationen zu determinieren ist. Allerdings können Eigenzitationen<br />

weitestgehend vernachlässigt werden, da nur einer der gelisteten Autoren<br />

Veröffentlichungen innerhalb der untersuchten SCC-Beiträge vorweißt. Bei<br />

dieser Ausnahme handelt es sich um den Autor Seuring, der den siebten<br />

49 Aufgrund der ausführlichen Angabe der Referenzen in Tabelle 4 werden diese nicht nochmals<br />

im Literaturverzeichnis aufgeführt, sofern sie nicht an einer anderen Textstelle zitiert<br />

werden.<br />

7<br />

7<br />

7<br />

7<br />

7<br />

7<br />

55


56<br />

Rang einnimmt. Bei den Eigenzitationen handelt es sich um seine Veröffentlichung<br />

„Green supply chain costing - joint cost managment in the polyester<br />

linings supply chain“, die in der Zeitschrift Greener Managment International,<br />

No. 33, 2001, pp. 71-80, erschienen ist. Diese wurde folglich in der<br />

Auszählung nicht berücksichtigt. Im Folgenden werden nun kurz Autoren(gruppen)<br />

analysiert, wobei deren meist beachtete Publikationen hervorgehoben<br />

werden. Den ersten Platz bekleidet der Autor Williamson. Von diesem<br />

werden 14 unterschiedliche Publikationen berücksichtigt. Am Häufigsten<br />

wird die bereits im vorstehenden Abschnitt beschriebene Arbeit „The Economic<br />

Institutions of Capitalism. Firms, Markets, Relational Contracting”<br />

zitiert. 50 Auf Rang zwei findet sich die Erstausgabe aus dem Jahr 1975. 51<br />

Hieran zeigt sich, dass im Rahmen dieses Beitrages Neuauflagen als eigenständige<br />

Publikationen angesehen werden. Am Dritthäufigsten wird der<br />

Zeitschriftenartikel „The economics of organization: The transaction cost<br />

approach. Markets and Hierarchies: Analysis and Antitrust Implications. A<br />

Study in the Economics of Internal Organization” zitiert. 52 Dieser erhält drei<br />

Fremdzitationen. Zusammenfassend zeigt dieses wiederum, dass die Arbeiten<br />

zur Neuen Institutionenökonomie eine umfangreiche Beachtung im<br />

Rahmen der deutschsprachigen SCC-Forschung finden. An Platz zwei findet<br />

sich Porter wieder. Von diesem werden 11 verschiedene Publikationen zitiert.<br />

Die größte Aufmerksamkeit mit sechs verschiedenen Fremdzitationen<br />

erfährt dabei sein Werk „Competitive Advantage: Creating and sustaining<br />

superior performance”. 53 Den Rang drei bekleidet die Autorin Ellram mit<br />

neun verschiedenen berücksichtigten Publikationen, wobei keine durch eine<br />

besonders hohe Fremdzitation hervorsticht. Auf Rang vier ist der Autor<br />

Cooper anzutreffen. Von diesem werden acht verschiedene Arbeiten in den<br />

untersuchten Referenzen der SCC-Publikationen berücksichtigt. Zitiert wird<br />

er in den Qualifikationsschriften von Veil, Hess und Halusa, so dass nicht<br />

von einer breiten Wahrnehmung gesprochen werden kann. 54 Den selben<br />

Rang bekleiden Kaplan und Norton, deren Arbeiten zur Balanced Scorecard<br />

Beachtung finden. Hier sticht der bereits oben angeführte Artikel „The Ba-<br />

50 Williamson 1985.<br />

51 Williamson 1975.<br />

52 Williamson 1981.<br />

53 Porter 1985.<br />

54 Veil 2001; Hess 2002; Halusa 1996.


lanced Score Card. Measures That Drives Business Performance” hervor. 55<br />

Den fünften Platz teilen sich Christopher und Harrigan, die in je sechs verschiedenen<br />

SCC-Publikationen als Referenzen angeführt werden. Bei Erstgenanntem<br />

wird sein insbesondere an Praktiker gewandtes Buch „Logistics<br />

and Supply Chain Management. Strategies for Reducing Cost and Improving<br />

Service” sowohl in der Erst- als auch Zweitauflage stark beachtet. Die Platzierung<br />

von Harrigan, der sich in seinen Arbeiten mit Vertikalen Kooperationen,<br />

Strategischen Allianzen und Joint Ventures auseinandersetzt, ist einzig<br />

und allein auf die Dissertationsschrift von Kraege zurückzuführen. 56 Den<br />

sechsten Platz haben die Autoren Lorange, der in den Arbeiten von Kraege,<br />

Ries und Veil zitiert wird, und Yin , dessen Arbeiten ausschließlich in der<br />

Publikation von Bacher berücksichtigt wird, inne. 57 Auf Platz sieben folgt<br />

abschließend mit Seuring der einzige deutschsprachige Autor, dessen Publikationen<br />

in der Dissertationsschrift von Winkler fremdzitiert werden. 58 Ein<br />

Überblick über die vorstehenden Ausführungen wird in Tabelle 5 gegeben.<br />

Abschließend erfolgt die Vorstellung der Ergebnisse, in welchen Zeitschriften<br />

und Sammelbänden die zumeist zitierten Publikationen erschienen sind.<br />

Rang Autor(-engruppe) Zitationsanzahl<br />

1 Williamson, O. E. 14<br />

2 Porter, M. E. 11<br />

3 Ellram, L. M. 9<br />

4 Cooper, R. 8<br />

4 Kaplan, R. S.; Norton, D. P. 8<br />

5 Christopher, M. 6<br />

5 Harrigan, K. R. 6<br />

55 Kaplan/Norton 1992.<br />

56 Kraege 1997.<br />

57 Kraege 1997; Ries 2001; Veil 2001; Bacher 2004.<br />

58 Winkler 2005.<br />

57


58<br />

6 Lorange, P. 5<br />

6 Yin, R. K. 5<br />

7 Seuring, S. 4<br />

Tabelle 5: Die 10 meist zitierten Autoren(-gruppen).<br />

Quelle: eigene.<br />

− Welche Zeitschriften und Sammelbände werden bevorzugt zitiert?<br />

Die Vorüberlegungen zu dieser Fragestellung führten zu der Annahme, dass<br />

bevorzugt hochrangige Journals oder Sammelbände bekannter Autoren(gruppen)<br />

Verwendung finden. Diese These bestätigte sich im Laufe der<br />

Untersuchung, allerdings finden sich in den Top Ten keine Sammelbände<br />

wieder, sondern ausschließlich Zeitschriften. Für die Zeitschriften wird des<br />

weiteren deren Ranking ermittelt. Hierzu findet zum einen das Ranking der<br />

VHB-JOURQUAL: Gesamtranking aller BWL-relevanten Zeitschriften des<br />

Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. (Kat. 1) und zum<br />

anderen das der WU Journal Rating (Kat. 2) der <strong>Wirtschaft</strong>suniversität Wien<br />

(Stand: 11.10.2006) Verwendung. Es zeigt sich, dass sich die zumeist verwendeten<br />

Zeitschriften der Kategorie A+ bis B zuordnen lassen. Die Ergebnisse<br />

werden in Tabelle 6 wiedergegeben, bevor im letzten Kapitel 5 im<br />

Rahmen eines Fazits eine Reflexion der Vorgehensweise und der Ergebnisse<br />

erfolgt.<br />

Nr. Medium Anzahl Kat.1 Kat.2<br />

1 Harvard Business Review 57 A C<br />

2 Long Range Planning 36 A B<br />

3 Strategic Management Journal 33 A A<br />

4 International Journal of Physical Distribution and Logistics<br />

Management<br />

31 B B<br />

5 Academy of Management Review 29 A+ A+<br />

6 Administrative Science Quarterly 28 A+ A+<br />

7 Sloan Management Review 25 A B


7 Supply Chain Management Review 25 B -<br />

8 International Journal of Logistics Management 24 A B<br />

9 Journal of Cost Management 20 - C<br />

Tabelle 6: Die 10 meist zitierten Medien. 59<br />

Quelle: eigene.<br />

5 Reflexion und Fazit<br />

Die Zitatenanalyse hat sich grundsätzlich als eine geeignete Methodik erwiesen,<br />

um Erkenntnisse in der Diskussion um ein Supply Chain Controlling zu<br />

gewinnen. Allerdings ist das erhobene Ausgangsmaterial hierfür entsprechend<br />

aufzubereiten, wie in Tabelle 1 veranschaulicht wird. Des Weiteren<br />

darf die sich anschließende Analyse nicht nur quantitativ erfolgen, sondern<br />

ist explizit unter qualitativen Aspekten durchzuführen. Dies bedeutet, dass<br />

die gewonnen Zahlen nicht für sich allein stehen sollen, sondern vor dem<br />

Hintergrund eines eventuellen Vorverständnisses und der zugrunde gelegten<br />

Fragestellung zu interpretieren sind.<br />

Die gewonnenen quantitativen Ergebnisse sind als valide und reliabel zu<br />

bezeichnen. Die qualitativ vorgenommenen Auslegungen sind letztendlich<br />

als forscherabhängig einzustufen. Aus diesem Grund sind die erhaltenen<br />

Ergebnisse argumentativ zu rechtfertigen. Unabhängig von der Interpretation<br />

der Erkenntnisse sind diese als gewinnbringend zu bezeichnen, da sie interessante<br />

Einblicke, Begründungsmöglichkeiten und Denkanstöße für die<br />

SCC-Forschung darstellen.<br />

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Untersuchung der Verwendung von<br />

Referenzen, die in englischer Sprache verfasst sind, als ein weiterführender<br />

Baustein in der Forschung zum Supply Chain Controlling zu bezeichnen ist.<br />

Auf ihrer Grundlage lassen sich mögliche Impulse dieses Sprachbereichs auf<br />

die eher als deutsch zu bezeichnende SCC-Diskussion aufzeigen.<br />

59 Fehlende Angaben bedeuten, dass das betroffene Medium in dem entsprechenden Ranking<br />

nicht gelistet ist.<br />

59


60<br />

Literatur<br />

Bacher, A. (2004): Instrumente des Supply Chain Controlling: Theoretische<br />

Herleitung und Überprüfung der Anwendbarkeit in der Unternehmenspraxis,<br />

Wiesbaden.<br />

Beamon, B. (1999): Measuring Supply Chain Performance, in: The International<br />

Journal of Operations and Production Management, 19. Jg., H. 3,<br />

S. 275-292.<br />

Bechtel, C./Jayaram, J. (1997): Supply Chain Management: A Strategic<br />

Perspective, in: The International Journal of Logistics management, 8.<br />

Jg., H. 1, pp. 15-34.<br />

Becker, A. (2003): Controlling als reflexive Steuerung von Organisationen,<br />

Stuttgart.<br />

Bramsemann, R. (1993): Handbuch Controlling <strong>–</strong> Methoden und Techniken,<br />

3. Aufl., München, Wien.<br />

Brewer, P./Speh, T. (2001): Adapting the Balanced Scorecard to Supply<br />

Chain Performance, in: Supply Chain Management Review, 5. Jg., H.<br />

2, S. 48-56.<br />

Brewer, P./Speh, T. (2000): Using the Balanced Scorecard to Measure Supply<br />

Chain Performance, in: Journal of Business Logistics, 21. Jg., H. 1,<br />

S. 75-93.<br />

Christopher, M. (1998): Logistics and Supply Chain Management. Strategies<br />

for Reducing Cost and Improving Service, 2. Aufl., London.<br />

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Andreas Eiselt/Inge Wulf *<br />

Wesentliche Bilanzierungsunterschiede bei<br />

Rechnungslegung nach International Financial Reporting<br />

Standards (IFRS) und US-Generally Accepted Accounting<br />

Principles (US-GAAP)<br />

1 Einleitung<br />

Durch die Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen<br />

Parlaments und des Rats durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG)<br />

in deutsches <strong>Recht</strong> sind seit 2005 kapitalmarktorientierte Unternehmen verpflichtet,<br />

ihren Konzernabschluss unter Beachtung der IFRS zu erstellen und<br />

zu publizieren. Für Unternehmen, die in den USA gelistet sind und ihren<br />

Abschluss unter Beachtung der US-GAAP erstellen müssen, und solche<br />

Unternehmen, die einen organisierten Kapitalmarkt ausschließlich mit<br />

Fremdkapitaltiteln in Anspruch nehmen, gilt derzeit eine Übergangsfrist bis<br />

Ende 2006. Allerdings hat die Securities and Exchange Commission (SEC)<br />

die Anerkennung von IFRS-Abschlüssen für 2009 in Aussicht gestellt. Bereits<br />

im Oktober 2002 haben International Accounting Standards Board<br />

(IASB) und FASB im sog. „Norwalk Agreement“ eine Vereinbarung über<br />

eine Zusammenarbeit mit dem Ziel getroffen, die US-GAAP und IFRS zu<br />

verbessern und gleichzeitig Differenzen zwischen den Standards zu beseitigen.<br />

Auch die SEC und das Committee of European Securities Regulators<br />

(CESR) intensivieren mittlerweile ihre Zusammenarbeit. Ziel ist die konsistente<br />

Anwendung der IFRS sowie der US-GAAP durch international tätige<br />

Unternehmen sowohl in den USA als auch innerhalb der Europäischen Union.<br />

Viele Rechnungslegungsunterschiede hat das IASB bereits im Rahmen<br />

* Dipl.-Kfm. Andreas Eiselt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dr. Inge Wulf ist wissenschaftliche<br />

Assistentin bei Univ.-Prof. Dr. Laurenz Lachnit am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre/Rechnungswesen<br />

(<strong>Wirtschaft</strong>sprüfung und Controlling) der Universität Oldenburg.


66<br />

des „Improvements Project“ im Jahre 2003 und 2004 beseitigt, jedoch bestehen<br />

noch einige bedeutende Rechnungslegungsunterschiede zwischen IFRS<br />

und US-GAAP, die beide Standardsetter auf dem Weg zu einer (weitgehenden)<br />

Konvergenz noch überwinden müssen.<br />

Im Folgenden werden die wesentlichen bestehenden Unterschiede in den<br />

Ausweis-, Ansatz- und Bewertungsvorschriften dargestellt. Der Betrachtungsschwerpunkt<br />

wird auf die allgemeinen Vorgaben für börsennotierte<br />

Handels- und Industrieunternehmen gelegt. Sonderregelungen für z.B. Banken<br />

oder Versicherungen, Unterschiede im Rahmen der Konzernrechnungslegung<br />

oder erstmaligen Anwendung werden hier nicht berücksichtigt. 1<br />

2 Unterschiede in den Rahmenbedingungen<br />

Die wichtigsten Verlautbarungen der US-GAAP werden vom privatwirtschaftlich<br />

organisierten Financial Accounting Standards Board (FASB) in<br />

Form von „Statements of Financial Accounting Standards (SFAS)“ herausgegeben.<br />

Insgesamt basieren die US-GAAP auf einer komplexen Zusammensetzung<br />

verschiedener Vorschriften oder Verlautbarungen, die hierarchisch<br />

aufgebaut unter dem Begriff „House of GAAP“ bekannt sind. Dieses<br />

System umfasst fünf Rechnungslegungsschichten: Die unterste Schicht entstammt<br />

dem Bereich der US-amerikanischen Abschlussprüfung, wird auch<br />

als GAAP i.e.S bzw. als formelle Verfahrensnormen und Grundsätze bezeichnet<br />

und stellt die verpflichtende Rechnungslegungsebene dar. Hierzu<br />

zählen neben den vom FASB erlassenen Statements und Interpretations auch<br />

noch Regelungen, die von der Vorgängerorganisation, dem Accounting Principles<br />

Board (APB), in Form von Opinions (APBO) erlassen wurden sowie<br />

die von der <strong>Wirtschaft</strong>sprüfervereinigung herausgegebenen Accounting<br />

Research Bulletins (ARB). Zusammen mit den vier weiteren Schichtungen<br />

ergeben sich die GAAP i.w.S.. Die folgende Darstellung verdeutlicht diese<br />

Zusammenhänge:<br />

1 Vgl. dazu z.B. Coenenberg 2005; Pellens/Fülbier/Gassen 2006.


E<br />

C<br />

B<br />

FASB<br />

Concept<br />

A FASB Statements<br />

Abb. 1 House of GAAP<br />

Quelle: In Anlehnung an KPMG (Hrsg.) 2003, S. 3.<br />

Es bleibt anzumerken, dass die SEC mittlerweile eine Reduzierung dieser<br />

Hierarchie auf lediglich zwei Ebenen fordert2 und das FASB die Gesamtheit<br />

der US-GAAP bis zum Jahr 2010 innerhalb eines geschlossenen, themengegliederten<br />

Gesamtwerkes systematisieren möchte („Codification and Retrieval<br />

Project“). 3<br />

Die IFRS entstammen einer länderübergreifenden Zusammenarbeit von<br />

Berufsverbänden der <strong>Wirtschaft</strong>sprüfer mit dem Ziel, durch die Veröffentlichung<br />

von Rechnungslegungsstandards eine weltweite Harmonisierung der<br />

Abbildungskonzeptionen zu erreichen. Die Rolle des privaten Standardsetters<br />

obliegt seit 2001 dem IASB, dem Nachfolgegremium des am 29. Juni<br />

1973 in London gegründeten IASC. Das IASB gibt Verlautbarungen heraus,<br />

die sich ähnlich wie nach US-GAAP hinsichtlich ihres Verpflichtungscharakters<br />

unterscheiden. Die Hierarchie dieser Verlautbarungen lässt sich in<br />

Anlehnung an die Darstellung nach US-GAAP wie folgt darstellen:<br />

2 Vgl. SEC (Hrsg.) 2003, S. 39-40.<br />

3 Vgl. Diehm 2005, S. 229.<br />

HOUSE of GAAP<br />

AICPA<br />

Regulators<br />

Issue Papers IASB GASB FASBAB (SEC)<br />

Other<br />

D AICPA Accounting Interpretations FASB Implementation Guides (Q&A)<br />

AICPA Practice Bulletins FASB Emerging Issues Task Force (EITF)<br />

FASB Technical Bulletins<br />

AICPA Industry Audit and<br />

Accounting Guides<br />

FASB<br />

Interpretations<br />

APB Opinions<br />

AICPA Statements of<br />

Position<br />

AICPA Accounting<br />

Research Bulletins<br />

67


68<br />

Abb. 2 House of IAS/IFRS<br />

Quelle: In Anlehnung an Lüdenbach 2004, S. 39 und Heyd/Lutz-Ingold<br />

2005, S. 18.<br />

Wie die Abbildung verdeutlicht, umfassen die IFRS zum einen die vom<br />

IASB verabschiedeten IFRS, die zunächst vom Vorgänger des IASB, dem<br />

International Standards Committee (IASC), erlassenen und in 2001 vom<br />

IASB übernommenen International Accounting Standards (IAS) sowie zum<br />

anderen die vom International Financial Reporting Interpretations Committee<br />

(IFRIC) und dem Vorgängergremium, dem Standing Interpretations<br />

Committe (SIC), veröffentlichten Interpretationen. Diese speziellen Rechnungslegungsregeln<br />

dem Rahmenkonzept (Framework) vor. „Lediglich in<br />

den Fällen, in denen Rechnungslegungsthemen durch keinen Standard abgedeckt<br />

werden oder nicht eindeutig in einem IFRS adressiert sind, bildet das<br />

Framework ... die Grundlage von eigenen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden.“<br />

4 Verpflichtenden Charakter auf der dritten Ebene besitzt weiterhin<br />

das Vorwort (Preface), obwohl es nur wenige spezifische Grundlagen<br />

4 Hinz, 2005 S. 48-49.<br />

HOUSE of IAS/IFRS<br />

5. Ebene Verlautbarungen nationaler Gesetzgeber oder anderer Standardsetter<br />

4. Ebene Leitlinien zu Implementierung (IAS Implementation Guidances)<br />

3. Ebene Vorwort (Preface)<br />

2. Ebene Rahmenkonzept (Framework)<br />

1. Ebene IAS/IFRS SIC/IFRIC


enthält. 5 Mit den Leitlinien zur Implementierung (Implementation Guidances)<br />

entstand im Jahr 2000 eine weitere Kategorie, der allerdings nur eine<br />

Empfehlungswirkung zugesprochen wird. 6 Schließlich kann der Bilanzierende<br />

bei bisher vom IASB ungelösten Rechnungslegungsfragen auf Verlautbarungen<br />

anerkannter nationaler Gesetzgeber oder anderer Standardsetter<br />

zurückgreifen, wobei diese Regelungen hierarchisch auf der fünften und<br />

letzten Ebene anzusiedeln sind.<br />

3 Unterschiede in den Zielen und Grundsätzen der<br />

Rechnungslegung<br />

Die zentrale Aufgabe eines nach US-GAAP und IFRS aufgestellten Abschlusses<br />

besteht in der Vermittlung entscheidungsrelevanter und verlässlicher<br />

Informationen für den Kapitalmarkt. Dabei ist nach US-GAAP unbedingt<br />

der Grundsatz der „Fair Presentation“ zu beachten, der eine wahrheitsgemäße<br />

Darstellung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens sicherstellen<br />

soll. 7 Dieser Forderung sind alle anderen Bilanzzwecke und -grundsätze<br />

untergeordnet, so dass zur Einhaltung dieses Grundsatzes sogar von<br />

Einzelvorschriften abgewichen werden darf, wenn trotz Beachtung der<br />

Rechnungslegungsstandards das wirtschaftliche Gesamtbild des Unternehmens<br />

verzerrt dargestellt würde, womit diese Norm als „Overriding Principle“<br />

fungiert. 8<br />

Ursprünglich wurde gem. IFRS die Forderung nach einer „Fair Presentation“<br />

lediglich im Rahmenkonzept im Zusammenhang mit der Erfüllung der<br />

qualitativen Anforderungen erwähnt. Seit der Überarbeitung des IAS 1 im<br />

Jahre 1997 ist diese Forderung explizit in IAS 1.13 verankert. Damit ist die<br />

Bedeutung der „Fair Presentation“ signifikant gestiegen, gleichwohl diese<br />

Forderung in der aktuellen Kommentierung nicht von allen Autoren im Sin-<br />

5 Vgl. Heyd/Lutz-Ingold 2005, S. 16.<br />

6 Vgl. Heyd/Lutz-Ingold 2005, S. 19.<br />

7 Vgl. Siebert 1996, S. 409.<br />

8 Vgl. Lachnit 1993, S. 193.<br />

69


70<br />

ne eines „Overriding Principle“ interpretiert wird. 9 Vielmehr resultiert nach<br />

IAS 1.15 aus der sachgemäßen Anwendung der IFRS inklusive der Interpretationen<br />

unter nahezu allen Umständen ein Abschluss, der dem Gebot der<br />

„Fair Presentation“ genügt. Ein Abweichen von den Regelungen eines IFRS<br />

ist nach IAS 1.17 nur in extrem seltenen Ausnahmefällen und in Verbindung<br />

mit umfangreichen Angaben zulässig.<br />

4 Darstellung wesentlicher Unterschiede in der formalen<br />

Ausgestaltung der Abschlussbestandteile<br />

Sowohl nach IFRS als auch nach US-GAAP besteht der jährlich aufgestellte<br />

und publizierte Abschluss eines kapitalmarktorientierten Unternehmens aus<br />

einer Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) mit dem Ergebnis je<br />

Aktie, Kapitalflussrechnung, Eigenkapitalveränderungsrechnung und einem<br />

Anhang. 10 Neben diese Rechenwerke tritt eine Segmentberichterstattung,<br />

obwohl diese im Regelwerk der IFRS und US-GAAP nicht explizit als eigener<br />

Bestandteil bezeichnet wird.<br />

Der Anhang als eigenständiger Teil des Jahresabschlusses dient im wesentlichen<br />

der Erläuterung, Ergänzung und Entlastung der Abschlussbestandteile.<br />

11 Die bei der Ausgestaltung des Anhangs wesentlichen Unterschiede<br />

werden im Folgenden bei der Behandlung der einzelnen Abschlussbestandteile<br />

behandelt.<br />

Ein erster grundlegender Unterschied in der Ausgestaltung der Rechenwerke<br />

ergibt sich aus der Tatsache, dass die SEC zu sämtlichen Rechnungslegungsinformationen<br />

grundsätzlich für zwei Vorperioden Vergleichswerte<br />

fordern und gemäß IAS 1.36 Vergleichsinformationen lediglich für die vorangegangene<br />

Periode erforderlich sind. 12 Lediglich in der Bilanz genügt<br />

nach US-GAAP der Ausweis von einfachen Vorjahreswerten. 13<br />

9 Vgl. Hinz 2005, S. 79 mit weiteren Nennungen.<br />

10 Vgl. F.7 bzw. IAS 1.8 und SFAC 5 und 6 bzw. CON 5.13.<br />

11 Vgl. Krawitz 2005, S. 15-16; Wulf 2004, Rz. 506<br />

12 Vgl. Regulation S-X, Rule 3-02 (a) und Regulation S-X, Rule 3-04.<br />

13 Vgl. Regulation S-X, Rule 3-01 (a)


4.1 Bilanz<br />

Die Vermögenswerte und Schulden in der Bilanz sind gemäß IAS 1.51<br />

grundsätzlich nach der Fristigkeit zu klassifizieren und zwar in langfristige<br />

und kurzfristige Vermögenswerte und Schulden. Latente Steueransprüche<br />

bzw. -schulden sind nach IAS 1.70 stets als langfristig zu klassifizieren. Nur<br />

in Ausnahmefällen ist eine reine Gliederung nach Liquiditätsnähe gem. IAS<br />

1.51 zu bevorzugen. Eine derartige Gliederung ist z.B. nach RIC 1.23 nur bei<br />

Versicherungsgesellschaften oder Finanzinstituten denkbar, wenn sich die<br />

Bilanz fast nur aus Finanzinstrumenten zusammensetzt. 14<br />

Anders als nach IFRS sind nach US-GAAP die Aktiva nach abnehmender<br />

Liquidierbarkeit und die Passiva nach zunehmender Restlaufzeit zu ordnen,<br />

wobei jeweils eine Unterteilung in kurz- und langfristige Posten vorzunehmen<br />

ist. 15 Latente Steueransprüche und -schulden sind in Abhängigkeit von<br />

der zu Grunde liegenden Bilanzposition als lang- oder kurzfristig zu klassifizieren.<br />

Ein striktes Gliederungsschemata ist nach IFRS nicht vorgeschrieben. In IAS<br />

1.68 werden lediglich einige Posten aufgezählt, die zumindest in der Bilanz<br />

auszuweisen sind. Dahingegen ist nach US-GAAP gem. Rule 5-02 der Regulations<br />

S-X ein relativ detailliertes Mindestgliederungsschemata für börsennotierte<br />

Commercial and Industrial Companies gefordert. 16<br />

Minderheitenanteile sind nach IAS 27.33 in der Konzernbilanz innerhalb des<br />

Eigenkapitals getrennt vom Eigenkapital des Mutterunternehmens auszuweisen,<br />

wohingegen dieser Korrekturposten nach US-GAAP außerhalb des<br />

Eigenkapitals auszuweisen ist.<br />

Ein bedeutender Unterschied resultiert aus der Tatsache, dass nach US-<br />

GAAP keine Notwendigkeit zur Erstellung eines ausführlichen, separaten<br />

Anlagenspiegels besteht, wie z.B. nach IAS 16.73e gefordert. Wesentliche<br />

14 In Deutschland hat zur „Bilanzgliederung nach Fristigkeit gemäß IAS 1“ das Rechnungslegungs<br />

Interpretations Committee (RIC) des Deutschen Rechnungslegungs Standards<br />

Committee e.V. (DRSC) am 19. Juli 2005 die Rechnungslegungs Interpretation (RIC) 1<br />

veröffentlicht, die sich mit der Ausgestaltung der Bilanz nach IFRS auseinandersetzt. Im<br />

Anhang von RIC 1 findet sich eine detaillierte Empfehlung zur Gliederung der Bilanz in<br />

Anlehnung an IAS 1.<br />

15 Vgl. Winnefeld 2006, Kapitel F, Rz. 1120.<br />

16 Die Regulation S-X bezieht sich auf Financial Statements Requirements, während sich die<br />

Regulation S-K auf Nonfinancial Statements Requirements bezieht.<br />

71


72<br />

Informationen, wie z.B. kumulierte Abschreibungen oder Anschaffungskosten<br />

sind jedoch aus der Bruttodarstellung ersichtlich. Daneben sind weitere<br />

Erläuterungen notwendig, wozu für jede wesentliche Sachanlagekategorie<br />

die Pflicht zur Angabe der Abschreibungen des Geschäftsjahres und der<br />

aktivierten Zinsen zählt. 17<br />

4.2 Gewinn- und Verlustrechnung<br />

Auch für die Ausgestaltung der Gewinn- und Verlustrechnung bestehen nach<br />

IFRS nur wenige verbindliche, formale Anforderungen. In IAS 1.81 und IAS<br />

1.82 werden lediglich einige Posten aufgezählt, die zumindest auszuweisen<br />

sind. Grundsätzlich ist sowohl eine Aufstellung nach Konto- oder Staffelform<br />

möglich, obwohl die Staffelform üblich ist. Ein explizites Wahlrecht<br />

besteht gem. IAS 1.88 bei der Möglichkeit zur Aufgliederung der operativen<br />

Aufwendungen nach dem Umsatz- oder Gesamtkostenverfahren. Eine weitere<br />

Aufgliederung der Aufwendungen kann wahlweise auch im Anhang<br />

erfolgen. Allerdings wird ein Ausweis in der Gewinn- und Verlustrechnung<br />

in IAS 1.89 empfohlen. Sofern das Umsatzkostenverfahren gewählt wird,<br />

sind zusätzliche Angaben zu machen. Dazu gehören nach IAS 1.93 die Höhe<br />

der planmäßigen Abschreibungen und die Leistungen an Arbeitnehmer (Personalaufwand).<br />

Ein außerordentliches Ergebnis darf nach IAS 1.85 weder in<br />

der Gewinn- und Verlustrechnung noch im Anhang ausgewiesen werden.<br />

Demgegenüber sind die Vorgaben bei Bilanzierung nach US-GAAP stringenter.<br />

Unternehmen, die gegenüber der SEC berichtspflichtig sind, haben<br />

bei der Ausgestaltung der GuV das relativ detaillierte Gliederungsschema<br />

gem. Rule 5-03 der Regulations S-X zu beachten. Es lassen sich drei generelle<br />

Unterschiede zu den IFRS festhalten: Erstens ist die GuV zwingend in<br />

Staffelform aufzustellen, zweitens sind die Aufwendungen nach dem Umsatzkostenverfahren<br />

(UKV) aufzugliedern und drittens ist der Ausweis eines<br />

außerordentlichen Ergebnisses nach APB 30.10 verpflichtend. Daneben ist<br />

eine gesonderte Angabe der Leistungen an Arbeitnehmer - wie nach IAS<br />

1.93 gefordert - nicht verpflichtend.<br />

Fall ein Ergebnis aus außerordentlichen Vorgängen ausgewiesen wird, ergibt<br />

sich ein Unterschied aus der Verpflichtung nach SFAS 128.37 ein Ergebnis<br />

je Aktie für dieses Ergebnis darzustellen.<br />

17 Vgl. Hayn/Waldersee 2004, S. 52.


Letztlich besteht ein weiterer Unterschied darin, dass bei der Berechnung des<br />

Ergebnisses je Aktie die Bestimmung der Anzahl der potenziellen Stammaktien<br />

nach IAS 33 im Gegensatz zu SFAS 128 unabhängig von der Zwischenberichterstattung<br />

erfolgt. 18<br />

4.3 Kapitalflussrechnung<br />

Den Ausgangspunkt von Kapitalflussrechnungen bildet der Finanzmittelfonds,<br />

dessen Veränderung im Laufe des Geschäftsjahres durch den Fondsnachweis<br />

über die Angabe des Cashflow aus operativer Tätigkeit, aus Investitionstätigkeit<br />

und aus Finanzierungstätigkeit erklärt wird. Nach beiden<br />

Rechnungslegungsstandards sind in den Finanzmittelfonds grundsätzlich<br />

Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente einzubeziehen. 19 Ferner setzt<br />

IAS 7.7 voraus, dass die Zahlungsmitteläquivalente als Liquiditätsreserve<br />

dienen.<br />

Unterschiedlich regulieren die Standards auch die Möglichkeit, jederzeit<br />

fällige Bankverbindlichkeiten in den Finanzmittelfonds einzubeziehen. Im<br />

Sinne von IAS 7.8 bilden Kontokorrentkredite u.U. einen wichtigen Teil der<br />

Zahlungsmitteldisposition des Unternehmens und sind deshalb in den Finanzmittelfonds<br />

einzubeziehen. 20 Dahingegen ist die Einbeziehung von<br />

Kontokorrentlinien in den Finanzmittelfonds nach US-GAAP nicht gestattet<br />

(SFAS 95.7-95.10).<br />

Ein verbindliches Gliederungsschema für den Aufbau der Kapitalflussrechnung<br />

ist in beiden Systemen nicht vorgeschrieben, allerdings enthalten SFAS<br />

95 und IAS 7 mehrere Beispiele zum Aufbau einer Kapitalflussrechnung.<br />

Daneben finden sich sowohl nach IFRS als auch US-GAAP einige verbindliche<br />

Angabepflichten. Anders als die US-GAAP sieht IAS 7 einige Ausweiswahlrechte<br />

für spezielle Posten vor. Dies betrifft im Einzelnen erhaltene und<br />

gezahlte Zinsen, erhaltene und gezahlte Dividenden sowie gezahlte Ertragsteuern.<br />

Dahingegen sind gezahlte und erhaltene Zinsen, Zahlungen für Ertragsteuern<br />

sowie erhaltene Dividenden nach SFAS 95.21-23 grundsätzlich<br />

18 Vgl. auch Coenenberg 2005, S. 547.<br />

19 Vgl. IAS 7.6; SFAS 95.7.<br />

20 In einer Studie zur Bilanzierungspraxis nach IFRS wurde festgestellt, dass 6 der 100<br />

untersuchten Unternehmen auch Bankverbindlichkeiten als Zahlungsmittel definieren. Vgl.<br />

Keitz 2005 S. 222.<br />

73


74<br />

der betrieblichen Tätigkeit zuzuordnen, während gezahlte Dividenden nach<br />

SFAS 95.20 der Finanzierungstätigkeit zugeordnet werden müssen, wie<br />

folgende Darstellung zeigt:<br />

Vorgänge<br />

Erhaltene Zinsen<br />

Gezahlte Zinsen<br />

Erhaltene<br />

Dividenden<br />

Gezahlte<br />

Dividenden<br />

Gezahlte<br />

Ertragsteuern<br />

IAS 7<br />

Operativer Bereich<br />

Investitionsbereich<br />

Operativer Bereich<br />

Finanzierungsbereich<br />

Operativer Bereich<br />

Investitionsbereich<br />

Finanzierungsbereich<br />

Operativer Bereich<br />

Operativer Bereich<br />

(Investitionsbereich/<br />

Finanzierungsbereich)<br />

SFAS 95<br />

Operativer Bereich<br />

Operativer Bereich<br />

Operativer Bereich<br />

Finanzierungsbereich<br />

Operativer Bereich<br />

Abb. 3 Ausweisentscheidungen im Rahmen der Kapitalflussrechnung,<br />

Quelle: eigene<br />

4.4 Eigenkapitalveränderungsrechnung<br />

Für die Darstellung der Eigenkapitalveränderungen existieren gem. IAS 1.8<br />

(c) zwei grundsätzliche Möglichkeiten. So können erstens sämtliche Eigenkapitalveränderungen<br />

oder zweitens nur diejenigen Veränderungen des Eigenkapitals,<br />

die keine Kapitalmarkttransaktionen sind, abgebildet werden. 21<br />

Bei der weniger umfangreichen zweiten Variante ist also lediglich das<br />

Comprehensive Income (CI) aufzugliedern. Darüber hinaus sind im Anhang<br />

die weiteren Veränderungen des Eigenkapitals zu erläutern. Nur die erste<br />

Variante verdient die Bezeichnung „Eigenkapitalveränderungsrechnung“, da<br />

sämtliche Eigenkapitalkomponenten von Periodenanfang bis zum -ende<br />

21 Die bloße Darstellung der ergebnisneutralen Eigenkapitalveränderungen ist allerdings<br />

kaum von Bedeutung, wie eine empirische Studie von Haller/Schloßgangl belegt. Vgl.<br />

Haller/Schloßgangl 2003, S. 323.


innerhalb des Rechenwerkes abzubilden sind. 22 Zusätzlich ist die Darstellung<br />

von Veränderungen der Minderheitenanteile in IAS 1.96 vorgeschrieben.<br />

In die Eigenkapitalveränderungsrechnung ist nach US-GAAP im Unterschied<br />

zur Regelung nach IFRS zudem gem. Regulation S-X, Rule 3-04 die<br />

Entwicklung der Anzahl der Aktien und die Dividende je Aktie für jede<br />

einzelne Aktiengattung offen zu legen. Daneben ist im Abschluss nach SFAS<br />

130 die Entwicklung der Gewinnrücklagen abzubilden. Diese wird üblicherweise<br />

in die Eigenkapitalveränderungsrechnung integriert, kann aber auch<br />

als separates Rechenwerk gezeigt werden. 23<br />

Für die Darstellung des Comprehensive Income stellen die Vorschriften des<br />

SFAS 130 drei verschiedene Ausweisformate zur Auswahl. Kennzeichnend<br />

für den One Statement Approach ist der kombinierte Ausweis des in der<br />

GuV erfolgswirksam erfassten Periodenergebnisses und der erfolgsneutral<br />

im Eigenkapital erfassten Veränderungen des Eigenkapitals. Die erfolgsneutral<br />

erfassten Gewinne und Verluste werden unmittelbar im Anschluss an das<br />

in der GuV ermittelte Periodenergebnis dargestellt. 24 Im Gegensatz zu dieser<br />

integrierten Darstellung erfolgt beim Two Statement Approach eine klare<br />

Untergliederung des Ausweises von Jahresergebnis und Other Comprehensive<br />

Income. So ist in der üblichen Form ein Statement of Income und zusätzlich<br />

ein gesondertes Statement of Comprehensive Income als eigene<br />

Rechnung darzustellen. 25 Alternativ räumt SFAS 130 eine dritte Möglichkeit<br />

der Darstellung ein. In diesem sog. „Statement of Changes in Equity Approach”<br />

werden die Veränderungen sämtlicher Eigen-kapitalpositionen während<br />

einer Periode gezeigt. Das Periodenergebnis und die erfolgsneutral<br />

erfassten Beträge sowie der Gesamterfolg als Summe dieser beiden Komponenten<br />

sind direkt in der Eigenkapital-veränderungsrechnung zu zeigen.<br />

Während nach IFRS auch Beträge aus der Folgebewertung von immateriellen<br />

Vermögenswerten und Sachanlagen zum beizulegenden Zeitwert und aus<br />

versicherungsmathematischen Gewinnen/Verlusten bei der Bewertung von<br />

Pensionszusagen in der Eigenkapitalveränderungsrechnung enthalten sein<br />

22 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen 2006, S. 167.<br />

23 Vgl. Niehus/Thyll 2000, Tz. 1070.<br />

24 Vgl. Lachnit/Müller 2005, S.1638.<br />

25 Vgl. Appendix B zu SFAS 130.<br />

75


76<br />

können, besteht nach US-GAAP unter bestimmten Voraussetzungen die<br />

Pflicht zur erfolgsneutralen Berücksichtigung einer Mindestpensionsverpflichtung.<br />

4.5 Segmentberichterstattung<br />

Die Segmentberichterstattung soll das Zustandekommen des Unternehmenserfolgs<br />

vor allem bei solchen Unternehmen transparenter machen, die in<br />

unterschiedlichen Branchen und/oder Regionen tätig sind. Basierend auf den<br />

relevanten Rechnungslegungsstandards IAS 14 und SFAS 131 ergeben sich<br />

wesentliche Unterschiede aus der Abgrenzung der Berichtseinheiten, den<br />

geforderten Segmentangaben und der zu Grunde liegenden Ermittlungs- und<br />

Bewertungsmethode der Segmentinformationen.<br />

So bestimmt nach SFAS 131 die interne Organisation die Aufteilung des<br />

Unternehmens in einzelne berichtspflichtige Segmente (sog. „Management<br />

Approach“). Eine Abgrenzung kann dabei sowohl nach Kundengruppen,<br />

Produkten, Dienstleistungen oder geografischen Regionen erfolgen. Dadurch<br />

wird eine konvergente Darstellung im Spannungsverhältnis von interner und<br />

externer Abbildung sichergestellt, zumal auch für die externe Berichterstattung<br />

die wesentlichen Erfolgs- und Risikoquellen aus dem Blickwinkel des<br />

Managements berichtspflichtig sind. 26<br />

Dahingegen erfolgt die Abgrenzung der berichtspflichtigen Segmente nach<br />

IAS 14 zwingend nach Geschäftsbereichen (business segments) und geografischen<br />

Aspekten (geographic segments). Dabei ist nach IAS 14.26 zwischen<br />

einer primären und einer sekundären Segmentierungsebene zu unterscheiden.<br />

Dieser Ansatz gestattet den gesetzlichen Vertretern der segmentierenden<br />

Unternehmen auf Grund fehlender Regelungen nicht unerhebliche Freiheitsgrade,<br />

so dass eine von der tatsächlichen Organisations- und Berichtsstruktur<br />

völlig losgelöste Segmentabgrenzung möglich und damit die Aussagekraft<br />

des Segmentberichtes fraglich ist. 27 Als Ergebnis der Konvergenzbemühungen<br />

zwischen FASB und IASB ist hier jedoch der Exposure Draft 8 „Operating<br />

Segments“ zu sehen, der sich inhaltlich nahezu vollständig an SFAS 131<br />

ausrichtet.<br />

26 Vgl. Ammann/Müller 2006, S. 102f.<br />

27 Vgl. Müller/Peskes 2006, S. 34.


Die folgende Tabelle stellt die geforderten Angaben zu den einzelnen Segmenten<br />

nach IAS 14, SFAS 131 und ED 8 im Überblick dar. Dabei beziehen<br />

sich die Angabepflichten nach IAS 14 auf das primäre Berichtsformat, ansonsten<br />

auf das sog. operative Segment:<br />

77


78<br />

Angabe<br />

IAS<br />

14<br />

(Rz.)<br />

SFAS<br />

131<br />

(Rz.)<br />

Segmenterlöse mit fremden Dritten 51 27 * 22 *<br />

Konzerninterne Segmenterlöse 51 27 * 22 *<br />

Segmentergebnis 52 27 22<br />

Segmentvermögen 55 27 22<br />

Segmentschulden 56 - -<br />

Anschaffungskosten des SAV und immateriellen Vermögens 57 28 * 23 *<br />

Segmentabschreibungen (planmäßig) 58 27 * 22 *<br />

Andere (wesentliche) nicht zahlungswirksame Posten 61 27 * 22 *<br />

Segmentergebnisbeiträge aus at equity-bewerteten Beteiligungen 64 27 * 22 *<br />

Buchwerte von at equity-bewerteten Beteiligungen 66 28 * 23 *<br />

Zinsaufwendungen und Zinserträge - 27 * 22 *<br />

Ertragsteuern - 27 * 22 *<br />

Ungewöhnliche od. außerordentliche Aufwendungen und Erträge - 27 * -<br />

Überleitungsrechnung von Segmentangaben zu Posten des Konzern-<br />

bzw. Einzelabschlusses 67 32 27<br />

ED 8<br />

(Rz.)<br />

Zusatzinformationen 74ff. 33ff. 30ff.<br />

Tab. 1 Angabepflichten im Rahmen der Segmentberichterstattung nach IAS<br />

14 und SFAS 131 und ED 8<br />

Quelle: In Anlehnung an Alvarez 2004, S. 178.<br />

* Angabe nur erforderlich, soweit der Unternehmensleitung die entsprechenden Informationen<br />

regelmäßig vorliegen und zur Steuerung der Segmente genutzt werden.


Die Tabelle 1 verdeutlicht die grundsätzlich unterschiedlichen Angabepflichten<br />

nach IFRS und US-GAAP, die bei Umsetzung des ED 8 in einen<br />

endgültigen Standard nicht mehr bestehen werden. Nur nach SFAS 131.39<br />

sind zudem Angaben zu wesentlichen Kunden verpflichtend, wenn mit diesen<br />

mindestens 10% der Gesamtumsätze abgewickelt werden.<br />

Die Segmentberichterstattung nach US-GAAP gewährt einen tieferen Einblick<br />

in die Entscheidungsgrundlage der Unternehmensführung, ist aber<br />

weniger normiert. Der Wertansatz der Vermögensgegenstände und Schulden,<br />

Aufwendungen und Erträge orientiert sich vollständig an der Methode zur<br />

internen Berichterstattung. 28 Anders als IAS 14 folgt auch ED 8 hinsichtlich<br />

der Datenbasis ausnahmslos dem Management Approach nach SFAS 131.<br />

5 Bilanzorientierte Darstellung wesentlicher<br />

Bilanzierungsunterschiede<br />

5.1 Immaterielle Vermögenswerte<br />

Für den Ansatz von immateriellen Vermögenswerten, die dauerhaft dem<br />

Unternehmen dienen sollen, ist sowohl nach IFRS als auch US-GAAP die<br />

Art des Zugangs zum Unternehmen nicht unmittelbar entscheidend. Vielmehr<br />

ist eine Aktivierung grundsätzlich an die Erfüllung von in SFAS 141<br />

und 142 sowie IFRS 3 und IAS 38 bestimmten Ansatzkriterien geknüpft, so<br />

dass neben der grundsätzlichen Aktivierungspflicht bei entgeltlich erworbenen<br />

auch selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte grundsätzlich einer<br />

Ansatzpflicht unterliegen.<br />

Nach IAS 38 sind immaterielle Werte immer dann anzusetzen, wenn sie zum<br />

einen die Definitionskriterien erfüllen (IAS 38.8) sowie zum anderen die<br />

Wahrscheinlichkeit des künftigen Nutzenzuflusses an das Unternehmen und<br />

eine zuverlässige Bewertungsfähigkeit der immateriellen Werte gegeben ist<br />

(IAS 38.18 und 38.21). Da die dort genannten Ansatzkriterien für selbstgeschaffene<br />

immaterielle Vermögenswerte eine mangelnde Praktikabilität<br />

aufweisen, wird hilfsweise eine Unterteilung in eine Forschungs- und Entwicklungsphase<br />

vorgenommen (IAS 38.51-52). Die Abgrenzung zwischen<br />

28 Vgl. KPMG (Hrsg.) 2003 S. 161.<br />

79


80<br />

Forschungs- und Entwicklungsphase ist insofern von Bedeutung, als damit<br />

über den Ansatz von immateriellen Werten entschieden wird. 29 Während die<br />

Ausgaben der Forschungsphase sofort als Aufwand zu erfassen sind (IAS<br />

38.54), besteht für die Ausgaben in der Entwicklungsphase eine Aktivierungspflicht,<br />

wenn die in IAS 38.57 genannten Kriterien kumulativ erfüllt<br />

sind. Ein konkretes Aktivierungsverbot besteht jedoch nach IAS 38.63 für<br />

selbst erstellte Markennamen, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten sowie<br />

ähnliche Vermögenswerte.<br />

Für die Ansatzentscheidung über selbst erstellte immaterielle Werte werden<br />

nach SFAS 142.10 dagegen Kriterien definiert, die eine aufwandswirksame<br />

Verrechnung der Ausgaben für immaterielle Werte zur Folge haben (sog.<br />

Negativ-Abgrenzung). Ein bedeutender Unterschied zu den Regelungen nach<br />

IFRS ergibt aus der Tatsache, dass für die Bilanzierung von immateriellen<br />

Werten zahlreiche, weitere spezielle Regelungen verabschiedet worden sind.<br />

Insgesamt werden die US-Regelungen als kasuistisch bezeichnet, da sie zum<br />

Teil bei Erfüllung bestimmter Kriterien ein Aktivierungsgebot vorschreiben,<br />

wie z.B. für Urheberrechte, Software-Entwicklung oder gewerbliche Schutzrechte.<br />

Zum Teil existieren aber auch konkrete Ansatzverbote, wie z.B. gem.<br />

SFAS 2 für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen; einzige Ausnahme<br />

sind Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Rohstoff abbauenden<br />

Industrie, die einem Aktivierungsgebot unterliegen. 30<br />

Hinsichtlich der Folgebewertung ergeben sich nach IFRS zwei grundsätzliche<br />

Vorgehensweisen: Zum einen die Fortführung von Anschaffungs- bzw.<br />

Herstellungskosten gem. IAS 38.74 oder zum anderen die Ermittlung und<br />

Fortführung des beizulegenden Zeitwertes (Neubewertungsmethode) gem.<br />

IAS 38.75-87. Da zur Bestimmung des beizulegenden Zeitwertes ein aktiver<br />

Markt notwendig ist (IAS 38.75), kommt eine Neubewertung nur in seltenen<br />

Fällen in Frage. 31 Ein Wertansatz über den historischen Anschaffungskosten<br />

ist nach US-GAAP grundsätzlich nicht erlaubt. Zudem existieren Unterschiede<br />

hinsichtlich der außerplanmäßigen Abschreibung. Gem. IAS 36.59<br />

ist ggf. auf den niedrigeren beizulegenden Zeitwert abzuschreiben. Dagegen<br />

29 Vgl. Wulf 2001, S. 126-127.<br />

30 Vgl. Fülbier/Honold/Klar 2000, S. 835.<br />

31 In einer Studie zur Bilanzierungspraxis nach IFRS wurde festgestellt, dass keines der 100<br />

untersuchten Unternehmen von der Neubewertungsmethode gebraucht gemacht hat. Vgl.<br />

Keitz 2005, S. 43.


erfolgt die Ermittlung des Abschreibungsbedarfs nach US-GAAP über zwei<br />

Stufen: Auf der ersten Stufe sind gem. SFAS 144.7 die zukünftigen, nicht<br />

abgezinsten Zahlungsströme dem Buchwert des Vermögenswerts gegenüber<br />

zu stellen. Ist der Buchwert höher als der undiskontierte Erwartungswert,<br />

muss auf der zweiten Stufe der Abwertungsbetrag gem. SFAS 144.22 i.V.m.<br />

SFAC 7 ermittelt werden. Dies kann dazu führen, dass eine außerplanmäßige<br />

Abschreibung bei Bilanzierung nach IFRS früher ausgelöst wird als bei Bilanzierung<br />

nach US-GAAP. Unterschiede existieren zudem im Detail bezüglich<br />

der Ermittlung der Abschreibungsbedarfe auf der Basis von Barwertmodellen.<br />

Vergleichbare Unterschiede bestehen bei immateriellen Werten<br />

mit unbegrenzter Nutzungsdauer, wozu der Goodwill zählt. Darüber<br />

hinaus besteht nach IAS 36.114 im Falle der Werterholung <strong>–</strong> abgesehen vom<br />

Goodwill - eine Zuschreibungspflicht, während der korrigierte Buchwert<br />

gem. SFAS 144.15 als neue Wertbasis gilt, so dass eine Zuschreibung nicht<br />

erlaubt ist.<br />

5.2 Sachanlagevermögen<br />

Sachanlagen sind nach IFRS und US-GAAP grundsätzlich mit ihren Anschaffungs-<br />

oder Herstellungskosten anzusetzen. Dabei dürfen nach IAS 23<br />

bzw. müssen nach SFAS 34 Fremdkapitalkosten aktiviert werden, soweit<br />

diese direkt dem Erwerb oder der Herstellung eines qualifizierten Vermögenswertes<br />

zugeordnet werden können. 32 Im Rahmen der kurzfristigen Eliminierung<br />

von Abweichungen zwischen IAS 23 und SFAS 34 hat das IASB<br />

beschlossen, das Wahlrecht zur Aktivierung von Fremdkapitalkosten zu<br />

streichen und entsprechend SFAS 34 eine Aktivierungspflicht einzuführen. 33<br />

Künftige Entsorgungs-, Rekultivierungs- und ähnliche Verpflichtungen sind<br />

in der Regel nach IAS 16.18 mit ihrem Barwert bei der Ermittlung der Anschaffungs-<br />

oder Herstellungskosten zu berücksichtigen - nach US-GAAP<br />

nicht. 34<br />

32 In einer Studie zur Bilanzierungspraxis nach IFRS wurde festgestellt, dass lediglich fünf<br />

von 100 untersuchten Unternehmen, von dem Wahlrecht einer Aktivierung von Fremdkapitalkosten<br />

gebraucht gemacht haben. Vgl. Keitz 2005, S. 54.<br />

33 Vgl. ED-IAS 23.10.<br />

34 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen 2006, S. 314.<br />

81


82<br />

Anders als nach US-GAAP ist im Rahmen der Folgebewertung nach IAS<br />

16.29 als alternativ zulässige Methode ein Ansatz zum beizulegenden Zeitwert<br />

über die Buchung einer Neubewertungsrücklage möglich. 35 Ebenso<br />

bestehen Unterschiede hinsichtlich der außerplanmäßigen Abschreibung und<br />

anschließender Zuschreibung, wie bereits bei den immateriellen Werten<br />

dargestellt.<br />

5.3 Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien<br />

Ausschließlich nach IFRS ist im Gegensatz zu US-GAAP eine Aufspaltung<br />

des Immobilienbestandes in eigenbetrieblich genutzte Immobilien und Anlageimmobilien<br />

bzw. Renditeliegenschaften (Investment Properties) vorzunehmen.<br />

36 Letztere sind gem. IAS 1.68 in der Bilanz gesondert auszuweisen.<br />

Die Regelungen zur Bilanzierung von als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien<br />

finden sich in IAS 40. Dabei hat die Zugangsbewertung solcher<br />

Immobilien gem. IAS 40.20 zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten unter<br />

Berücksichtigung von Nebenkosten, nachträglichen Anschaffungskosten und<br />

Preisminderungen zu erfolgen. Im Rahmen der Folgebewertung gewährt IAS<br />

40.30 ein explizites Wahlrecht: Die Immobilien dürfen alternativ zu fortgeführten<br />

Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder zum beizulegenden<br />

Zeitwert bewertet werden. Zur Bestimmung des beizulegenden Zeitwertes<br />

kommen verschiedene Verfahren in Betracht, wobei erhebliche Ermessensspielräume<br />

zu konstatieren sind. 37 Gewinne oder Verluste aus der Bilanzierung<br />

zum Zeitwert sind stets erfolgswirksam unter Gegenrechnung von Steuerlatenzen<br />

zu erfassen. Sofern die als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien<br />

im Rahmen der Folgebewertung zu fortgeführten Anschaffungs- oder<br />

Herstellungskosten angesetzt wurden, ist gem. IAS 40.79 der beizulegende<br />

Zeitwert dieser Immobilien anzugeben, soweit dieser verlässlich ermittelt<br />

werden kann. 38<br />

35 In einer Studie zur Bilanzierungspraxis nach IFRS wurde festgestellt, dass eines von 100<br />

untersuchten Unternehmen die Neubewertungsmethode im Sachanlagevermögen angewandt<br />

hat. Vgl. Keitz 2005, S. 59.<br />

36 Zu den folgenden Ausführungen vgl. auch Beck 2004, S. 498-505.<br />

37 Vgl. Engel-Ciric/Freiberg 2006, § 16, Rz. 92.<br />

38 Zur Bewertung von Investment Properties vgl. Kormaier 2006, S. 378-385.


5.4 Wertpapiere und Derivate<br />

Insbesondere Investitionen in Gesellschaftsanteile und sonstige Wertpapiere<br />

stellen marktgängige Wertpapiere dar. 39 Ein Unterschied bei der Bilanzierung<br />

solcher Wertpapiere ergibt sich für Eigenkapitaltitel, die nicht am Kapitalmarkt<br />

notiert sind (z.B. GmbH-Anteile). Diese sind nach US-GAAP<br />

grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten zu bewerten. Nach IAS 39.46<br />

kommt jedoch eine Bewertung zum beizulegenden Zeitwert in Betracht,<br />

soweit dafür ein Wert verlässlich ermittelbar ist. 40<br />

Nur nach IFRS besteht das explizite Wahlrecht, sämtliche Wertpapiere,<br />

unabhängig von dessen Merkmalen und Verwendungsabsichten erfolgswirksam<br />

zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten. Allerdings arbeitet auch das<br />

FASB seit März 2004 an einem entsprechenden Projekt und hat am 25. Januar<br />

2006 einen Entwurf eines Standards veröffentlicht. Nach IFRS ergibt<br />

sich das konkrete Wahlrecht gem. IAS 39.9 durch die sog. „Fair Value Option“.<br />

41 Hier kann eine erfolgswirksame Erfassung von Wertänderungen<br />

aktiver Finanzinstrumente erreicht werden, die ansonsten gar nicht oder<br />

lediglich erfolgsneutral erfasst worden wären. Dieses explizite Wahlrecht ist<br />

allerdings sofort nach dem Zugang auszuüben; eine Umklassifizierung gem.<br />

IAS 39.50-54 ist nicht bzw. kaum möglich. Voraussetzung ist weiterhin, das<br />

für das Finanzinstrument ein aktiver Markt vorhanden ist. An einem einheitlichen<br />

Konzept zur Bestimmung von beizulegenden Zeitwerten mangelt es in<br />

beiden Rechnungslegungssystemen bislang. 42<br />

Ferner bestehen Unterschiede hinsichtlich der Erfassung von außerplanmäßigen<br />

Wertminderungen bei den Held-to-Maturity- oder Available-for-Sale-<br />

Securities. Nach IFRS bedarf es objektiver Wertminderungskriterien, während<br />

nach US-GAAP verschiedene Faktoren im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit<br />

miteinander abzuwägen und zu würdigen sind, sofern der Zeitwert<br />

geringer ist als die Anschaffungskosten. 43 Auch ergeben sich Unterschiede<br />

im Falle einer späteren Zuschreibung. Während nach US-GAAP eine Zuschreibung<br />

bei Held-to-Maturity-Securities verboten ist, sind Zuschreibun-<br />

39 Vgl. KPMG (Hrsg.) 2003, S. 57.<br />

40 Vgl. auch Meyer/Bornhofen/Homrighausen 2005, S. 285-299.<br />

41 Vgl. auch Schmidt 2005, S. 269-275; Jerzembek/Große 2005, S. 221-228.<br />

42 Vgl. Lüdenbach/Freiberg 2006, S. 437.<br />

43 Vgl. Dusemond/Harth/Heusinger 2005, S. 97.<br />

83


84<br />

gen bei Available-for-Sale-Securities erfolgsneutral vorzunehmen. Demgegenüber<br />

sind nach IFRS Zuschreibungen für beide Arten von Wertpapieren<br />

bis zu den Anschaffungskosten erfolgswirksam vorzunehmen; darüber hinaus<br />

sind weitere Werterhöhungen nur im Falle der Available-for-Sale-Securities<br />

erfolgsneutral zu buchen.<br />

Unterschiede bestehen zudem in der Behandlung der Cashflow-Hedges.<br />

Übereinstimmend sind nach IFRS und US-GAAP Wertänderungen, die den<br />

effektiven Teil des Cashflow-Hedges betreffen, zunächst erfolgsneutral abzugrenzen.<br />

Die Auflösung erfolgt nach US-GAAP erfolgswirksam über die<br />

Nutzungsdauer des gesicherten Grundgeschäftes, sobald das Grundgeschäft<br />

die Erfolgsrechnung über die vorzunehmende Abschreibung berührt. Bei<br />

Bilanzierung nach IFRS kann zum einen eine vollständige erfolgswirksame<br />

Auflösung vorgenommen werden, wenn das Grundgeschäft die Erfolgsrechnung<br />

beeinflusst; zum anderen kann die Auflösung über die Umbuchung aus<br />

dem Eigenkapital und Berücksichtigung beim Anschaffungswert des Grundgeschäftes<br />

im Zeitpunkt der Einbuchung erfolgen (IAS 39.97-98).<br />

5.5 Vorräte<br />

Die Herstellungskosten für Vorräte umfassen nach IAS 2.12-14 und US-<br />

GAAP die produktionsbezogenen Vollkosten. 44 Somit sind neben den Einzelkosten<br />

auch variable und fixe Produktionsgemeinkosten in die Herstellungskosten<br />

einzubeziehen. Fixe Gemeinkosten werden dabei nach IFRS<br />

auf Grundlage einer Normalauslastung berücksichtigt und Leerkosten sofort<br />

als Aufwand verrechnet. Nach US-GAAP sind die Leerkosten der Periode<br />

anteilig bei den Kosten der umgesetzten Leistungen und den Herstellungskosten<br />

der Vorräte zu berücksichtigen. Gemäß IAS 2.23-24 und ARB 43<br />

sind Vorräte grundsätzlich einzeln zu bewerten. Aus <strong>Wirtschaft</strong>lichkeitsoder<br />

Vereinfachungsgründen ist gemäß IAS 2.25 und ARB 43.6 für größere<br />

Stückzahlen von austauschbaren Vorratsgegenständen die Anwendung von<br />

Bewertungsvereinfachungsverfahren zulässig. Dabei besteht gem. IAS 2.25<br />

ein explizites Wahlrecht zur Anwendung des First-in-First-out-Verfahrens<br />

(FIFO) oder des Durchschnittsverfahrens. Alternativ ist eine Bewertung nach<br />

44 Vgl. KPMG (Hrsg.) 2003, S. 47-48.


der tatsächlichen Verbrauchsfolge zulässig. Zusätzlich ist nur nach US-<br />

GAAP das Last-in-First-out-Verfahren (LIFO) erlaubt (ARB 43.6). 45<br />

An jedem folgenden Bilanzstichtag ist der vorhandene Bestand des zu Anschaffungs-<br />

oder Herstellungskosten bewerteten Vorratsvermögens auf seine<br />

Werthaltigkeit hin zu überprüfen. Liegt dabei der aus geschätztem Verkaufspreis<br />

abzüglich noch anfallenden Produktions- oder Vertriebskosten ermittelte<br />

Nettoveräußerungswert am Abschlussstichtag unterhalb der Anschaffungs-<br />

oder Herstellungskosten ist gem. IAS 2.9 zwingend eine Abschreibung<br />

auf den Nettoveräußerungswert vorzunehmen. Wird später festgestellt,<br />

dass die Gründe für eine Wertminderung nicht mehr bestehen, muss nach<br />

IAS 2.33 die vorgenommene Abwertung rückgängig gemacht werden.<br />

Auch nach US-GAAP sind die Vorräte einem Niederstwerttest zu unterziehen,<br />

bei dem die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit den aktuellen<br />

Wiederbeschaffungskosten verglichen werden. Diese Wiederbeschaffungskosten<br />

werden nach ARB 43 Ch. 4.9 zudem mit dem Verkaufspreis abzüglich<br />

aller noch anfallenden Kosten (Nettoveräußerungspreis) als Wertobergrenze<br />

und dem voraussichtlichen Nettoveräußerungspreis abzüglich einer<br />

gewöhnlichen Gewinnmarge als Wertuntergrenze verglichen. 46 Die Obergrenze<br />

verhindert dabei einen Wertansatz, der nicht durch den voraussichtlichen<br />

Verkaufspreis gedeckt ist, während durch die Untergrenze eine Abwertung<br />

nur in der Höhe erfolgt, als der Wert nicht durch den zukünftigen<br />

Verkaufspreis gedeckt ist. 47 Eine Wertaufholung ist nach US-GAAP nicht<br />

zulässig.<br />

5.6 Langfristige Auftragsfertigung<br />

Bei Erfüllung der in IAS 11.22-24 genannten Voraussetzungen sind die<br />

Auftragserlöse und -kosten nach dem Fertigstellungsgrad gemäß der Percentage-of-Completion-Method<br />

(PoC-Methode) zu erfassen. 48 Dabei ist<br />

insbesondere von Bedeutung, dass Gesamterlöse, Gesamtkosten und Fertig-<br />

45 In einer Studie zur Bilanzierungspraxis nach US-GAAP wurde festgestellt, dass 239 von<br />

600 untersuchten Unternehmen eine Bewertung der Vorräte nach LIFO durchgeführt hat.<br />

Vgl. AICPA (Hrsg.) 2005, S. 169-170.<br />

46 Vgl. KPMG (Hrsg.) 2003, S. 55.<br />

47 Vgl. Niehus/Thyll 2000, Tz. 837.<br />

48 Zu den folgenden Ausführungen vgl. auch Pottgießer/Velte/Weber 2005, S. 310-318.<br />

85


86<br />

stellungsgrad zuverlässig ermittelt werden können und ein späterer Nutzenzufluss<br />

wahrscheinlich ist. 49 Kann das Ergebnis des Fertigungsauftrages<br />

nicht verlässlich geschätzt werden oder werden die weiteren Voraussetzungen<br />

nicht erfüllt, so ist gem. IAS 11.32 eine Ertragsrealisation nur in Höhe<br />

der bereits angefallenen und durch korrespondierende Erträge wahrscheinlich<br />

gedeckten Kosten vorzunehmen. Dieses Vorgehen wird als modifizierte<br />

Completed-Contract-Method (CC-Methode) bezeichnet. 50 Ein erwarteter<br />

Verlust aus dem Fertigungsauftrag ist unabhängig von der anzuwendenden<br />

Methode sofort in der Periode, in der dieser erstmals erwartet wird, als Aufwand<br />

zu erfassen (IAS 11.362).<br />

Nach US-GAAP ergibt sich ein wesentlicher Unterschied zur Bilanzierung<br />

von langfristigen Fertigungsaufträgen nach IAS 11 dann, wenn die Anwendungsvoraussetzungen<br />

der PoC-Methode nicht erfüllt sind. In diesem Fall ist<br />

die reine CC-Methode anzuwenden. Bei dieser Methode werden die angefallenen<br />

Kosten laufend aktiviert und bereits gestellte Rechnungen hiervon<br />

abgesetzt. Dabei wird in der GuV vor der Fertigstellung im Gegensatz zu den<br />

Regelungen nach IFRS grundsätzlich kein Umsatz ausgewiesen (ARB 45.9-<br />

14). Eine Konvergenz wird im laufenden Projekt „Revenue Recognition“<br />

angestrebt - mit einem ersten Diskussionspapier ist im zweiten Halbjahr<br />

2007 zu rechnen. 51<br />

5.7 Leasing<br />

Entscheidend für die Bilanzierung von Leasingverträgen ist die Frage der<br />

Zurechnung des Leasinggegenstandes zum Leasingnehmer oder -geber.<br />

Diese richtet sich grundsätzlich sowohl nach IFRS und US-GAAP danach,<br />

wie die mit dem Leasingobjekt verbundenen Risiken und Chancen verteilt<br />

sind. Die zivilrechtlichen Verhältnisse werden dabei nicht berücksichtigt.<br />

Grundsätzlich ist zunächst festzustellen, dass IAS 17 bei den entscheidenden<br />

Zurechnungskriterien im Rahmen der Abgrenzung von Finanzierungsleasing<br />

und operativem Leasing sehr vage bleibt und keine quantitativen Kriterien,<br />

49 Vgl. IAS 11.32; SOP 81-1.23; ARB 35.3 u. 35.<br />

50 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen 2006, S. 370.<br />

51 Vgl. IASB (Hrsg.) 2006 (a).


wie z.B. Nutzungsdauer, Mietverlängerungs- oder Kaufoption, nennt. 52 Diese<br />

Unbestimmtheit eröffnet dem Bilanzierenden einen gewissen Einschätzungsspielraum.<br />

Konsequenterweise hat das IASB daher ein Leasingprojekt<br />

zur Überarbeitung des IAS 17 initiiert. 53 Die vom IASB diskutierten Vorschläge<br />

würden zu einer Abkehr von der Bilanzierung eines Leasingverhältnisses<br />

beim wirtschaftlichen Eigentümer führen. 54<br />

Trägt der Leasingnehmer die wesentlichen Chancen und Risiken aus der<br />

Nutzung des Leasingobjektes, wird das Leasingverhältnis nach IAS 17.8 als<br />

Finanzierungsleasing (finance lease) klassifiziert. Nach SFAS 13.6 wird bei<br />

gleicher Definition der Begriff „capital lease“ verwendet. Liegt kein Finanzierungsleasing<br />

vor, d.h. die wesentlichen Chancen und Risiken aus der<br />

Nutzung des Leasingobjektes verbleiben beim Leasinggeber, wird das Leasingverhältnis<br />

übereinstimmend nach IFRS und US-GAAP als operatives<br />

Leasing (operating lease) klassifiziert. 55<br />

Beim Finanzierungsleasing hat der Leasingnehmer übereinstimmend nach<br />

IFRS und US-GAAP zu Beginn des Vertragsverhältnisses den Leasinggegenstand<br />

zu aktivieren und in gleicher Höhe eine Verbindlichkeit in Höhe<br />

der künftigen Leasingzahlungen auszuweisen. Der Wertansatz ergibt sich<br />

dabei aus dem beizulegenden Zeitwert des Leasinggegenstandes oder <strong>–</strong> sofern<br />

niedriger <strong>–</strong> aus den abgezinsten Mindestleasingzahlungen. 56 Der insofern<br />

erforderliche Abzinsungsfaktor ist nach IAS 17.20 üblicherweise der<br />

Zins, der dem Leasingverhältnis zu Grunde liegt. Ist dieser nicht in praktikabler<br />

Weise ermittelbar, so ist der Grenzzinssatz des Leasingnehmers anzuwenden.<br />

Dies ist der Zinssatz, den der Leasingnehmer zu Beginn des Leasingverhältnisses<br />

vereinbaren müsste, wenn er für den Kauf des Vermögensgegenstandes<br />

Fremdkapital für die gleiche Dauer aufnehmen würde. Nach<br />

US-GAAP ist bei der Berechnung der abgezinsten Mindestleasingzahlungen<br />

grundsätzlich letzterer Zinssatz zu Grunde zu legen. Sollte jedoch der in dem<br />

52 Vgl. Engel-Ciric/Freiberg 2006, § 15, Rz. 121.<br />

53 Vgl. Fülbier/Pferdehirt 2005, S. 276.<br />

54 Vgl. dazu insbesondere Engel-Ciric/Freiberg 2006, § 15, Rz. 117-119.<br />

55 Vgl. IAS 17.8; KPMG (Hrsg.) 2003, S. 211.<br />

56 Vgl. IAS 17.20; SFAS 13.10.<br />

87


88<br />

Leasingvertrag implizite Zinssatz niedriger sein als der Grenzzinssatz, so hat<br />

er diesen anzusetzen. 57<br />

Beim operativen Leasing hat der Leasinggeber den Leasinggegenstand<br />

gem. IAS 17.49 bzw. SFAS 13.19 zu aktivieren und abzuschreiben. Dabei<br />

sind gem. IAS 17.52 auch die anfänglichen direkten Kosten zu berücksichtigen.<br />

Nach SFAS 13.19 kann bei unwesentlichen Beträgen auch eine sofortige<br />

Aufwandsverrechnung erfolgen.<br />

Unterschiede bei der bilanziellen Behandlung von Sale-and-Lease-Back-<br />

Geschäften nach IFRS und US-GAAP resultieren aus der Abgrenzung von<br />

Gewinnen und Verlusten der Sale-and-Lease-Back-Transaktion: Dabei ist<br />

zunächst wie bei jedem anderen Leasingverhältnis eine Klassifizierung des<br />

Geschäftsvorfalles durchzuführen. Bei Vorliegen eines Finanzierungsleasingverhältnisses<br />

darf ein aus dem Verkauf entstandener Ertrag nach IFRS<br />

und US-GAAP nicht sofort erfolgswirksam verbucht werden, sondern muss<br />

vom Verkäufer bzw. Leasingnehmer abgegrenzt und gem. IAS 17.59 über<br />

die Laufzeit des Vertrages bzw. gem. US-GAAP über den Abschreibungszeitraum<br />

erfolgswirksam verteilt werden. Im Falle eines operativen Leasingverhältnisses<br />

erfolgt nach US-GAAP die Ergebnisabgrenzung über die Laufzeit<br />

des Mietvertrages, dagegen ist nach IAS 17.61 grundsätzlich eine sofortige<br />

Erfassung von Gewinnen oder Verlusten vorgesehen.<br />

5.8 Pensionsrückstellungen<br />

Ein Unterschied zwischen IAS 19 u. 26 und SFAS 87, 88 bzw. 132 besteht<br />

bei der Bewertung von Verpflichtungen aus leistungsorientierten Versorgungsplänen<br />

mit dem versicherungsmathematischen Barwert. Nach IAS<br />

26.23 kann dabei entweder das gegenwärtige oder das erwartete Gehaltsniveau<br />

berücksichtigt werden. Zudem ist nach IAS 19.78 als Diskontierungszinssatz<br />

der am Bilanzstichtag für erstrangige, festverzinsliche Industrieanleihen<br />

geltende Marktzinssatz heranzuziehen, während nach SFAS 87.44 der<br />

stichtagsbezogene Kapitalmarktzins zu berücksichtigen ist, zu dem die Pensionsverpflichtung<br />

am Markt auf einen anderen übertragen werden könnte.<br />

Die zu berücksichtigenden Gewinne und Verluste aus der Korrektur von<br />

Fehleinschätzungen, die aus Abweichungen zwischen den tatsächlichen<br />

57 Vgl. KPMG (Hrsg.) 2003, S. 210.


Daten und den versicherungsmathematischen Annahmen resultieren, können<br />

nach US-GAAP und IFRS unterschiedlich behandelt werden: Für die Erfassung<br />

dieser versicherungsmathematischen Gewinne/Verluste bestehen nach<br />

IAS 19 folgende vier Möglichkeiten: Entweder können diese unter Berücksichtigung<br />

der sog. Korridormethode verteilt über die durchschnittliche<br />

Restdienstzeit der Arbeitnehmer bzw. auch schneller erfolgswirksam (IAS<br />

19.92 u. 93), sofort erfolgswirksam (IAS 19.93) oder sofort erfolgsneutral<br />

(IAS 19.93A) erfasst werden. 58<br />

Dahingegen sind die versicherungsmathematischen Gewinne/Verluste nach<br />

SFAS 87 bzw. 88 entweder sofort in voller Höhe oder nach der Korridormethode<br />

über die durchschnittliche Restdienstzeit zu verrechnen. Daneben<br />

fordert SFAS 87 den Ansatz einer Mindestverpflichtung, wenn der Barwert<br />

der erdienten Anwartschaften ohne Berücksichtung künftiger Gehaltserhöhungen<br />

nicht durch das Fondsvermögen gedeckt ist. 59 Die Berücksichtigung<br />

der Mindestverpflichtung erfolgt dabei nicht erfolgswirksam, sondern erfolgsneutral<br />

über die Bildung einer Rückstellung und eines immateriellen<br />

Postens. Dieser Posten ist jedoch auf die Höhe des noch nicht zu erfassenden<br />

Aufwands für rückwirkend in Vorjahren erworbene Versorgungsansprüche<br />

begrenzt. 60 Im Dezember 2005 hat das FASB ein umfangreiches Projekt zur<br />

grundlegenden Überarbeitung von SFAS 87 und 106 in seine Agenda aufgenommen<br />

und in der ersten Phase bereits einen Exposure Draft veröffentlicht.<br />

Dieser sieht vor, dass der Finanzierungsstatus von Pensionsplänen in voller<br />

Höhe in der Bilanz der Unternehmen abzubilden ist, d.h. die Korridormethode<br />

wird nicht mehr anwendbar sein. Sämtliche versicherungsmathematischen<br />

Gewinne/Verluste sind dementsprechend sofort ergebniswirksam zu<br />

erfassen. Eine Ausnahme soll für die bisher nicht bilanziell berücksichtigten<br />

Komponenten verbleiben, da diese zunächst erfolgsneutral zu erfassen sind<br />

und erst in den Folgejahren ergebniswirksam nach den bisherigen Verteilungsregeln<br />

zu berücksichtigen sind. 61<br />

Demgegenüber existiert mit IAS 19.58 die Besonderheit, dass die Höhe des<br />

Vermögenswertes, der sich ggf. aus der Verrechnung der Anwartschaftskor-<br />

58 Vgl. auch Mühlberger/Schwinger 2006, S. 71.<br />

59 Vgl. Lachnit/Müller 2004, S. 498.<br />

60 Vgl. KPMG (Hrsg.) 2003, S. 125.<br />

61 Vgl. FASB (Hrsg.) 2006.<br />

89


90<br />

rekturen gem. IAS 19.54 ergibt, nicht höher sein darf als der Barwert des<br />

ökonomischen Nutzens, den das Unternehmen aus der Überdotierung des<br />

Fonds hat zuzüglich der noch nicht amortisierten versicherungsmathematischen<br />

Verluste und nach zu verrechnenden Dienstzeitaufwendungen. Um zu<br />

verhindern, dass durch die aufgeschobene Erfassung neu entstandener versicherungsmathematischer<br />

Verluste/Gewinne der zu aktivierende Vermögenswert<br />

erfolgswirksam erhöht/vermindert wird, sind gem. IAS 19.58A versicherungsmathematische<br />

Verluste/Gewinne und nach zu verrechnende Dienstzeitaufwendungen<br />

sofort zu berücksichtigen, sofern sie die Verminderung/<br />

Erhöhung des Barwerts des wirtschaftlichen Nutzens nach IAS 19.58(b)(ii)<br />

überschreiten. 62 Eine Reduzierung der Bilanzierungsunterschiede zwischen<br />

IFRS und US-GAAP ist zukünftig zu erwarten, da die Bilanzierung von<br />

Pensionsverpflichtungen auf dem Programm „Memorandum of Understanding<br />

between the FASB and the IASB“ steht. 63<br />

5.9 Sonstige Rückstellungen<br />

Unterschiede bei der Bilanzierung von sonstigen Rückstellungen ergeben<br />

sich hier in einzelnen Detailfragen, die u.U. zu wesentlichen Unterschieden<br />

führen können. Dies betrifft unterschiedliche Wahrscheinlichkeitsgrenzen im<br />

Rahmen der Ansatzentscheidung. Gem. IAS 37.15 ist eine Rückstellung anzusetzen,<br />

wenn von einer Eintrittswahrscheinlichkeit über 50% auszugehen<br />

ist (more likely than not). 64 Demgegenüber besteht nach US-GAAP eine<br />

Ansatzpflicht, wenn sehr wahrscheinlich mit einer Verpflichtung zu rechnen<br />

ist, wobei eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 85% angenommen wird. 65<br />

So gilt für Drohverlustrückstellungen bei höchstwahrscheinlich zu erwartenden<br />

Verlusten aus schwebenden Beschaffungs- oder Absatzgeschäften<br />

eine Ansatzpflicht, während ein Ansatz von Personalstrukturmaßnahmen und<br />

sonstigen Strukturmaßnahmen bspw. nur möglich ist, wenn bei Personal-<br />

62 Vgl. Müller, 2003 S.169.<br />

63 Vgl.<br />

http://www.iasb.org/uploaded_files/documents/10_774_FinalMOU(clean)24Feb06.pdf.<br />

64 Vgl. Haaker 2005, S. 9.<br />

65 Vgl. Ammann/Müller 2006, S. 187-188; Wulf 2001, S. 195-196


strukturmaßnahmen ein detaillierter Plan vorliegt sowie die Öffentlichkeit<br />

und vor allem die Arbeitnehmer informiert wurden. 66<br />

Grundsätzlich erfolgt die Bewertung nach IFRS und US-GAAP zu einem<br />

Betrag, der nach bestem Wissen ermittelt wurde. Existiert bei der Schätzung<br />

der Werte eine Bandbreite, so ist der Wert mit der höchsten Realisationswahrscheinlichkeit<br />

zu wählen, wobei im Falle von gleichen bzw. nicht feststellbaren<br />

Wahrscheinlichkeiten nach den FASB-Interpretation 14.3 der<br />

untere Grenzwert und gem. IAS 37.39 der Mittelpunkt der Bandbreite anzusetzen<br />

ist. Zusätzlich schreibt IAS 37.39 vor, dass bei einer großen Anzahl<br />

gleichartiger Vorgänge eine Bewertung zum Erwartungswert mittels statistischer<br />

Schätzungsverfahren erfolgt, indem die möglichen Ergebnisse mit<br />

ihren Wahrscheinlichkeiten gewichtet werden.<br />

5.10 Latente Steuern<br />

Sowohl IAS 12 als auch SFAS 109 sehen zur Ermittlung der latenten Steuern<br />

die Bilanzansatzmethode vor. Demnach werden aus temporären Unterschieden<br />

resultierende latente Steuerverbindlichkeiten für zu erwartende<br />

Steuerbelastungen und latente Steuerforderungen für wahrscheinlich zu<br />

erwartende und verlässlich bewertbare Steuerminderungen bzw. für Vorteile<br />

aus steuerlichen Verlustvorträgen gebildet. Die Realisierbarkeit latenter<br />

Steueransprüche ist jährlich zu prüfen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeitsgrenze<br />

für eine künftige Steuerentlastung in IAS 12.24 nicht näher konkretisiert,<br />

so dass ein Einschätzungsspielraum gegeben ist. Demgegenüber<br />

muss nach US-GAAP diese Wahrscheinlichkeit mehr als 50% betragen (more<br />

likely than not). 67 Liegt die Wahrscheinlichkeit für eine künftige Steuerentlastung<br />

unter 50%, ist nach SFAS 109.17 ein Sicherheitsabschlag zu berücksichtigen.<br />

68 Ein solches Vorgehen ist nach IAS 12 nicht vorgesehen, so<br />

dass ein Wertansatz generell unterbleibt <strong>–</strong> im Rahmen des im September<br />

2002 gestarteten Projektes „Income Taxes“ erwägt das IASB jedoch eine<br />

Angleichung an die Regelungen der US-GAAP. 69<br />

66 Vgl. Ammann/Müller 2006, S. 187.<br />

67 Vgl. SFAS 109.17.<br />

68 Vgl. KPMG (Hrsg.) 2003, S. 282.<br />

69 Vgl. IASB (Hrsg.) 2006.<br />

91


92<br />

Ein weniger bedeutender Unterschied kann sich bei der Bewertung der latenten<br />

Steuern ergeben: Nach IAS 12.47 sind dabei Steuersätze zu Grunde zu<br />

legen, deren Gültigkeit für die Periode erwartet wird, in der ein Vermögenswert<br />

realisiert oder eine Schuld erfüllt wird. Dabei werden die Steuersätze<br />

(und Steuervorschriften) verwendet, die zum Bilanzstichtag gültig oder angekündigt<br />

sind. Nach SFAS 109 müssen die aktuell gültigen oder konkret<br />

verabschiedeten (z.B. durch Unterzeichnung des Bundespräsidenten) feststehenden<br />

zukünftigen Steuersätze angewandt werden. 70<br />

6 Zusammenfassung<br />

Seit einigen Jahren bemühen sich IASB und FASB intensiv um eine weitgehende<br />

konvergente Ausgestaltung der Vorschriften beider Rechnungslegungssysteme.<br />

Beispielswiese wurde nach kontroverser Diskussion der<br />

SFAS 123 überarbeitet, so dass im Rahmen der Bilanzierung von Aktienoptionen<br />

aus bedingtem Kapital eine Angleichung der Regelungen erfolgte.<br />

Das IASB hat mit dem Improvements Project eine umfangreiche Überarbeitung<br />

für eine Vielzahl von Standards vorgenommen, die spätestens seit 2005<br />

anzuwenden sind. Dennoch bestehen nach wie vor zum Teil erhebliche Unterschiede<br />

in der Bilanzierung nach IFRS und US-GAAP, wie die Ausführungen<br />

gezeigt haben. Dies überrascht umso mehr, als auch bei den jüngsten<br />

(vorgeschlagenen) Änderungen Divergenzen festzustellen sind, wie z.B. bei<br />

der Erfassung von versicherungsmathematischen Gewinnen/Verlusten im<br />

Rahmen der Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen. Nach wie vor besteht<br />

ein großer konzeptioneller Unterschied bei der Folgebewertung von<br />

immateriellen Vermögenswerten und Sachanlagen oder der Zuschreibung<br />

nach erfolgter außerplanmäßiger Abschreibung sowie der Aktivierung von<br />

Entwicklungskosten. Weitere Bilanzierungsunterschiede liegen teilweise in<br />

Detailregelungen begründet, was z.B. für die Bilanzierung von Finanzierungsleasing<br />

hinsichtlich des Zinssatzes sowie für die Bewertung von sonstigen<br />

Rückstellungen gilt.<br />

70 Vgl. KPMG (Hrsg.) 2003, S. 281.


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95


Martin Duensing<br />

Wie machen es die Nachbarn?- Familienpolitik im Vergleich<br />

1 Einführung 1<br />

1.1 Familienpolitik in der Kontroverse<br />

Familienpolitik2 ist stets Gegenstand wirtschafts- und sozialpolitischer Debatten.<br />

Sowohl ihre konkrete Ausgestaltung wie auch gar ihr Existenzrecht<br />

sind alles andere als unumstritten.<br />

Einerseits umgibt den politisch interessierten Beobachter das omnipräsente<br />

Werben für eine deutliche Steigerung der Geburten. In Deutschland löst die<br />

Familienpolitik sich damit vom historischen Stigma der „aktiven Bevölkerungspolitik“<br />

des Dritten Reiches. Untermalt werden die Forderungen nach<br />

Geburtenförderung, die sich auf einen relativ breiten gesellschaftlichen Konsens<br />

berufen können, mit Schreckensszenarien wie Überalterung und dem<br />

Kollaps der Sozialsysteme.<br />

Andererseits wird gegen auf Geburtensteigerung gerichtete Politik der Einwand<br />

erhoben, die Begleiterscheinungen des demografischen Wandels seien<br />

nicht überwiegend negativ, wenn nicht sogar positiv3 : Die Menschen würden<br />

nicht nur länger leben, sondern auch länger gesund leben und damit arbeiten<br />

können.<br />

1 Udo Ebert und Tobias Menz sei für Ihre hilfreichen Hinweise herzlich gedankt.<br />

2 Im Folgenden wird unter dem Begriff Familienpolitik ein Eingriff des Staates durch direkte<br />

und indirekte monetäre Maßnahmen in einzelwirtschaftliche Kalküle verstanden, der das<br />

Ziel verfolgt, die Geburtenrate zu beeinflussen.<br />

3 Vgl. z.B. jüngst etwa Joffe 2006.


98<br />

Dieser Beitrag geht insbesondere auf zwei Fragen dezidiert ein. Zum einen<br />

beschreibt er die Gründe, wann Familienpolitik <strong>–</strong> aus ökonomischer Sicht <strong>–</strong><br />

gerechtfertigt ist. Dies geschieht im Abschnitt 2, der allokationstheoretische<br />

und distributive Überlegungen anstellt und verschiedene Ansätze, wie Kinder<br />

in der finanzwissenschaftlichen Theorie betrachtet werden, erläutert.<br />

Diese sind für die Ausgestaltung familienpolitischer Maßnahmen entscheidend.<br />

Zum anderen zeigt der Beitrag anhand von statistischen Datenmaterialien aus<br />

verschiedenen westlichen Industriestaaten auf, auf welche Bedingungen<br />

Familienpolitik zu reagieren hat und was Familienpolitik zu leisten imstande<br />

ist <strong>–</strong> und was nicht. Dies geschieht im Abschnitt 3, der die Situation von<br />

Familien in ausgewählten Staaten hinsichtlich der Arbeitszeiten der Eltern<br />

und einiger soziodemografischer Faktoren kurz beleuchtet und die Verteilung<br />

von familienpolitischen Leistungen untersucht.<br />

Im schließenden Abschnitt 4 werden die Erkenntnisse aus dem Vorangegangenen<br />

zu möglichen Lehren für die spezifische Situation Deutschlands zusammengefasst.<br />

1.2 Motivation<br />

Dass die totalen und altersspezifischen Fertilitätsraten in beinahe allen westlichen<br />

Industrieländern in den vergangenen Jahrzehnten gesunken sind, ist<br />

bekannt, jedoch betrifft dies die Staaten in unterschiedlichem Maße, wie<br />

Abbildung 1 zeigt.<br />

So schafft es (mit Ausnahme der USA) kein Staat aus eigener Kraft, die<br />

Bevölkerungszahl konstant zu halten.


3,00<br />

2,75<br />

2,50<br />

2,25<br />

2,00<br />

1,75<br />

1,50<br />

1,25<br />

1,00<br />

0,75<br />

0,50<br />

0,25<br />

0,00<br />

Germany France Finland Italy United<br />

Kingdom<br />

United<br />

States<br />

Abb. 1 Fertilitätsraten ausgewählter Staaten (1970-2000).<br />

Quelle: OECD 2006.<br />

Norway Australia<br />

Weiterhin zeigen die Aufwendungen der westlichen Industrieländer für Familienpolitik<br />

(diese lagen 2002 nur in 2 von 23 OECD-Staaten kaufkraftbereinigt<br />

unter ihrem Niveau von 1980 und ihre Wachstumsrate lag größtenteils<br />

oberhalb der des Bruttoinlandsprodukts), dass die Förderung von Familien<br />

mit dem Zweck, die Geburtenrate zu beeinflussen, innerhalb der staatlichen<br />

Budgetplanung eine wichtige Rolle spielt. Gleichzeitig weisen die Steigerungsraten<br />

der Ausgaben für die Familien und die Fertilitätsraten in vielen<br />

Fällen keine positive Korrelation auf: Deutschland steigerte seine Ausgaben<br />

seit 1985 um jährlich 3,38 % und musste im gleichen Zeitraum eine sinkende<br />

Fertilitätsrate hinnehmen, während bspw. die USA ihre Ausgaben kürzten<br />

und dennoch die Geburtenzahlen steigern konnten. Es liegt der Schluss nahe,<br />

dass familienpolitische Maßnahmen sich in ihrer Effektivität voneinander<br />

unterscheiden, gar, dass manche völlig wirkungslos sind.<br />

Dieser Gesichtspunkt ist die Motivation der folgenden Analyse.<br />

2 Ökonomische <strong>Recht</strong>fertigungen für Familienpolitik<br />

Prinzipiell ließe sich ein Eingriff des Staates in die einzelwirtschaftlichen<br />

Kalküle nur dann rechtfertigen (zumindest allokativ), wenn die <strong>Wirtschaft</strong>ssubjekte<br />

nicht zu einem effizienten Ergebnis kämen, in irgendeiner Form<br />

70<br />

75<br />

80<br />

85<br />

90<br />

95<br />

00<br />

99


100<br />

also Marktversagen aufträte. Dies könnte der Fall sein, wenn die private<br />

Entscheidung der Eltern über ihre Kinderzahl Auswirkungen auf Dritte hätte,<br />

also Externalitäten vorlägen.<br />

Ein häufig mit diesem Argumentationsstrang in Verbindung gebrachtes Argument<br />

berührt die Arbeitsnachfrage der Unternehmen. Diese haben ein<br />

Interesse an Arbeitskräften (sowohl qualitativ als auch quantitativ), das morgen<br />

nur mit den Kindern von heute befriedigt werden kann. An deren Kosten<br />

beteiligen die Unternehmen sich jedoch <strong>–</strong> von Ausnahmen abgesehen <strong>–</strong><br />

nicht. So plausibel dieser Einwand klingt, so lässt er doch außer Acht, dass<br />

die Nachfrage nach Arbeitskraft morgen durch den Unternehmer durch den<br />

Lohn an die dann erwachsenen Kinder abgegolten wird. Dass diese ihr Einkommen<br />

dann in der Regel nicht an die Eltern transferieren, um ihre Erziehungskosten<br />

abzugelten, kann nicht den Unternehmen angelastet werden.<br />

Denkbar sind auch gesamtgesellschaftliche externe Effekte wie der zusätzliche<br />

Nutzen durch den Existenzwert von Kindern. Da vom Genuss dieses<br />

Existenzwertes niemand ausgeschlossen werden kann, weist er die Charakteristika<br />

eines öffentlichen Gutes auf4 , was eine staatliche Förderung von Kindern<br />

rechtfertigen könnte. Dieser Existenzwert ist jedoch schwer nachzuweisen,<br />

kaum zu messen und sicherlich intersubjektiv sehr verschieden und<br />

taugt somit höchstens für eine sehr abstrakte Stützung der Argumentation für<br />

aktive Familienpolitik.<br />

Konkreter und besser begründbar ist das Vorhandensein von Externalitäten<br />

in umlagefinanzierten Rentensystemen, deren Rendite (anders als kapitalgedeckte<br />

Alterssicherungssysteme) stark von der Entwicklung des „biologischen<br />

Zinses“, also von der Wachstumsrate der Bevölkerung, abhängt: Zwar<br />

zahlen alle rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer ein und profitieren<br />

von der Rendite des Umlageverfahrens, die Kosten zur Erbringung dieser<br />

Rendite jedoch tragen zum größten Teil die Eltern. Als Ausfluss dieser<br />

Sichtweise sind auch die periodisch erhobenen Forderungen nach Rentenkürzungen<br />

für Kinderlose zu verstehen, welche im Grunde der möglichen<br />

Förderung von Eltern eine Bestrafung von Kinderlosen gegenüberstellen.<br />

Neben allokativen Aspekten sind auch distributive Motive für eine Förderung<br />

von Kindern denkbar, wenn die notwendige Trennung zwischen allgemeiner<br />

Umverteilungspolitik und auf Kinder fokussierter Umverteilung auch<br />

4 Vgl. bspw. Cigno 1983.


101<br />

nicht immer erkennbar ist. Es ist schwierig und nicht ohne Rückgriff auf<br />

normative Wertungen zu begründen, warum jedes Gesellschaftsmitglied<br />

seine Ressourcen mit neuen Mitgliedern teilen muss, auf deren Eintreten es<br />

keinerlei Einfluss nehmen kann5 . Versuche, dies zu tun, sind legitim, jedoch<br />

der ökonomischen Analyse nur begrenzt zugänglich.<br />

Ist eine politische Entscheidung über das „Ob“ der Förderung von Kindern<br />

getroffen, ist die genaue Ausgestaltung, das „Wie“, davon abhängig, wie die<br />

politischen Verantwortlichen Kinder (aus ökonomischer Sicht) klassifizieren.<br />

Dabei können grob fünf sich gegenseitig teilweise ausschließende Ansätze<br />

unterschieden werden:<br />

1. Investitionsgut-Ansatz6 : Kinder werden als Investitionsgüter (bspw. zur<br />

Altersvorsorge ihrer Eltern bei unvollständigen Kapitalmärkten) behandelt,<br />

mit der Folge, dass Förderung durch das Steuerrecht gewährleistet<br />

wird. Dies geschieht in Form von Abzugs- oder Grundfreibeträgen, wobei<br />

Eltern mit hohem Grenzsteuersatz eine höhere absolute Entlastung<br />

erfahren als solche mit niedrigem Grenzsteuersatz.<br />

2. Konsumgut-Ansatz: Werden Kinder als Konsumgut ihrer Eltern<br />

betrachtet, so besteht für den Staat -aus allokationstheoretischer Sichtkeinerlei<br />

Veranlassung zur Förderung.<br />

3. Elitaristischer Ansatz: Der Staat hat vor allem ein Interesse daran, dass<br />

gut ausgebildete (und damit meistens auch gut verdienende) Bürger Kinder<br />

großziehen. Dieses könnte (neben der Gewährung von Freibeträgen)<br />

durch ein Familiensplitting (ohne Deckelung), wie es früher in Frankreich<br />

praktiziert wurde, realisiert werden, da Eltern mit hohem Bruttoeinkommen<br />

die größte Förderung erführen.<br />

4. Wohlfahrts-Ansatz7 : Überwiegt die Deutung, dass alle Kinder identische<br />

externe Effekte produzieren, sollte der Staat im Umkehrschluss, um diese<br />

abzugelten, allen Eltern eine identische Subvention (pro Kind) zukommen<br />

lassen. Dieses kann theoretisch sowohl im Steuer- (durch Absetzbeträge<br />

wie bspw. im Vereinigten Königreich) als auch im Transfersystem (durch<br />

Sozialtransfers) geschehen.<br />

5 Vgl. bspw. Rakowski 1991, S. 153 ff.<br />

6 Vgl. bspw. Nerlove/Razin/Sadka 1993.<br />

7 Vgl. bspw. Messere/De Kam/Heady 2003, 92.


102<br />

5. Input-Ansatz: Kinder können als im Haushalt produzierte Güter betrachtet<br />

werden, die als Input (viel) Betreuungs- und Erziehungszeit erfordern.<br />

Diese kann durch Eltern selbst geleistet werden (und steht dann nicht als<br />

Marktarbeitszeit zur Verfügung) bzw. eingekauft werden oder durch den<br />

Staat durch öffentliche Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden,<br />

bspw. durch einen Ausbau von Betreuungsplätzen.<br />

Sowohl der zweite als auch der dritte Ansatz finden in den gegenwärtigen<br />

Familienfördersystemen der Industrieländer de facto keine oder kaum Berücksichtigung,<br />

sind aber nach wie vor Gegenstand juristischer und finanzwissenschaftlicher<br />

Debatten.<br />

3 Kinder und Kinderförderung <strong>–</strong> Stilisierte Fakten<br />

Für die folgende Analyse wurden, des Umfangs wegen, acht Industriestaaten<br />

ausgewählt, die in ihrer jeweiligen Familienpolitik mehr oder minder deutlich<br />

einigen der in Abschnitt 2 vorgestellten Sichtweisen zugeordnet werden<br />

können.<br />

So fördern das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten und auch<br />

Australien schwerpunktmäßig durch Absetzbeträge, jedoch kaum durch<br />

öffentliche Betreuungsinfrastruktur. Teilweise <strong>–</strong> dies betrifft bspw. den australischen<br />

Family Tax Benefit <strong>–</strong> sind diese durch das Steuerrecht gewährten<br />

Beträge einkommensabhängig. Ähnliche Regelungen gelten in Italien.<br />

Der deutsche Familienleistungsausgleich ist in der Hauptsache durch das<br />

Kindergeld gekennzeichnet, das ein hybrides Element zwischen einer Pauschalzahlung<br />

und einem steuerlichen Abzugsbetrag darstellt (dualer Familienleistungsausgleich).<br />

Frankreich gewährt zwar auch pauschale Leistungen,<br />

weist darüber hinaus jedoch ein hoch entwickeltes System von konditionalen<br />

Beihilfen und Steuerabzugsbeträgen auf (z.B. für im Elternhaus stattfindende<br />

Betreuung durch Dritte). Als eines der wenigen Länder kommt außerdem<br />

eine Veranlagung nach dem Prinzip des Familiensplittings in Betracht, das<br />

jedoch Höchstgrenzen unterliegt.<br />

Die Familienförderung Finnlands und Norwegens ist dagegen traditionell<br />

von einem hohen Grad an garantierten staatlichen Betreuungsmöglichkeiten<br />

gekennzeichnet; zwar finden auch hier pauschale und steuerliche Leistungen<br />

Anwendung, schwerpunktmäßig folgen beide Staaten jedoch dem in allen


103<br />

skandinavischen Ländern typischen Muster einer hohen Abdeckungsrate in<br />

der Kindertagesbetreuung8 .<br />

Im Folgenden werden zum einen die Situation von Familien mit Kindern<br />

(und hier insbesondere die Frage, ob Bildungs- und Einkommenssituation<br />

der Eltern mit der Kinderzahl korreliert sind, sowie die Implikation von<br />

Kindern für das Arbeitsangebot der Eltern), zum anderen die distributiven<br />

Wirkungen der familienpolitischen Leistungen untersucht. Datengrundlage<br />

ist das Projekt Luxembourg Income Study, welches mehrere Wellen von<br />

Mikrozensus-Daten aus 30 Staaten zur Verfügung stellt9 .<br />

Es werden hierbei vor allem die Daten der Welle V verwendet, also die<br />

jüngsten zur Verfügung stehenden. Da sämtliche Fallzahlen hinreichend groß<br />

sind und mit spezifisch ermittelten Gewichten versehen wurden, um Überoder<br />

Unterrepräsentation bestimmter Bevölkerungsgruppen auszugleichen,<br />

können die unten aufgeführten Ergebnisse als repräsentativ gelten.<br />

3.1 Bildungsgrad und soziodemografischer Hintergrund der Eltern<br />

Für die Effektivität von Maßnahmen, welche die Geburten und die Erziehung<br />

von Kindern fördern sollen, ist die Kenntnis über die Adressaten der<br />

Familienpolitik notwendig. Eine der wichtigsten Merkmale ist hierbei die<br />

Ausbildung der Eltern, und damit die Zugehörigkeit der Kinder zu Haushalten<br />

mit bestimmtem Bildungsniveau. Eine beliebte Behauptung, mittels derer<br />

bspw. in Deutschland für ein Umschwenken von der pauschalen Auszahlung<br />

staatlicher Familienhilfen hin zu regressiv wirkenden Mitteln argumentiert<br />

wird, ist, dass die durchschnittliche Kinderzahl in Haushalten, deren Mitglieder<br />

dem niedrigsten Bildungssegment zugeordnet werden können, höher<br />

ist als in solchen im höheren Bildungssegment.<br />

8 Für einen detaillierten Überblick über die Regelungen in den einzelnen Staaten siehe bspw.<br />

MISSOC 2001, Schöne 2005 und Hiilamo 2004. Gornick/Meyers/Ross 1997 stellen zusammenfassende<br />

Indikatoren für die sozialpolitischen Regelungen zur Unterstützung von<br />

Familien in zwölf Staaten zusammen, die allerdings die Entwicklungen des vergangenen<br />

Jahrzehnts nicht berücksichtigen (können).<br />

9 Vgl. Luxembourg Income Study (LIS) Micro database 2006.


104<br />

Die LIS-Datenbank erlaubt sowohl eine Differenzierung nach den einzelnen,<br />

länderspezifischen Ausbildungsniveaus10 als auch eine gröbere, in welcher<br />

nur noch nach niedrigem, mittlerem und hohem Bildungsniveau unterschieden<br />

wird.<br />

Es gibt signifikante Unterschiede zwischen den betrachteten Staaten, was die<br />

Kinderzahl in Abhängigkeit vom Bildungsgrad der Mutter (für Väter gibt es<br />

wenig abweichende Ergebnisse) angeht. So ist der Anteil der Frauen unter 60<br />

Jahren, die drei oder mehr Kinder unter 18 Jahren haben, in Deutschland im<br />

Bereich hoher Ausbildung nur halb so hoch wie im Bereich geringer Ausbildung,<br />

wie in Abbildung 2 zu sehen ist.<br />

Anteil in %<br />

15<br />

14<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

D F FIN I US N AUS<br />

hoch<br />

mittel<br />

gering<br />

Abb. 2 Anteil der Frauen mit 3 oder mehr Kindern nach Bildungsgrad<br />

Quelle: Luxembourg Income Study (LIS) Micro database 2006, Welle V<br />

(bzw. IV für Frankreich); eig. Berechnung.<br />

In dieser rein degressiven Form ist dieses Resultat nur für Deutschland zu<br />

beobachten; zwar ist auch in Frankreich der Anteil bei Hochqualifizierten<br />

kaum mehr als halb so hoch wie bei Geringqualifizierten (2,4 % vs. 3,9 %),<br />

allerdings ist er bei Frauen mit mittlerem Ausbildungsniveau am höchsten.<br />

Ein ähnliches Bild ergibt sich in den Vereinigten Staaten.<br />

Relativ ausgeglichen sind die Anteile dagegen in Finnland und Norwegen:<br />

Sie bewegen sich für alle Bildungsniveau-Gruppen um 4 %. In diesen Staaten<br />

scheint die Bildung der Mütter den geringsten Einfluss bei der Wahl<br />

einer tendenziell hohen Kinderzahl zu haben.<br />

10 In Deutschland sind dies bspw. Hauptschule, Realschule, Abitur, Fachoberschule, Fachhochschule,<br />

Universität, Ingenieurfachschule.


105<br />

Einschränkend sei allerdings hinzugefügt, dass <strong>–</strong> wie üblich bei zwischenstaatlichen<br />

Vergleichen <strong>–</strong> die Vergleichbarkeit der von LIS vorgegebenen<br />

Kategorien „gering“, „mittel“ und „hoch“ nur eine Annäherung sein kann, da<br />

die jeweiligen Bildungssysteme (insbesondere im höheren Sekundär- sowie<br />

im Tertiärbereich) teilweise große Unterschiede aufweisen.<br />

Mehr Aufschluss über den Einfluss des Bildungsgrades erhält man möglicherweise<br />

durch Einschluss auch der Männer mittels einer Regressionsanalyse<br />

mit der Zahl der Kinder unter 18 Jahren als abhängiger Variable. Erklärende<br />

Variablen sind <strong>–</strong> neben den drei verschiedenen Ausbildungsniveaus <strong>–</strong><br />

Dummys für verheiratete Paare (MARRIED), für die ausländische Herkunft<br />

des Haushaltsvorstandes (FOREIGN), für eine ländliche Wohngegend<br />

(RURAL) sowie die Bruttolohnsätze beider Partner (WM bzw. WF). Diese<br />

werden zum Vergleich der Ergebnisse aufgenommen. Betrachtet werden für<br />

diese Korrelationsanalyse nur Haushalte, in denen mindestens ein Paar lebt,<br />

was einen Unterschied zur obigen Zusammenstellung darstellt.<br />

Die Kinderzahl wird durch die gewählten Modellvariablen nur zum Teil<br />

erklärt (die Bestimmtheitsmaße liegen zwischen 2,8 und 11,9 %), was angesichts<br />

der außerhalb messbarer sozio-demografischer und ökonomischer<br />

Variablen liegenden Gründe, Kinder zu bekommen, nicht überrascht. Die<br />

erhaltenen Schätzungen für die Koeffizienten sind jedoch zum größten Teil<br />

hoch signifikant (zum Niveau 0,001) 11 .<br />

Die Ergebnisse sind recht unterschiedlich. Für Australien ergeben sich für<br />

die Ausbildungsvariablen so gut wie keine vernünftig interpretierbaren Werte.<br />

In Finnland und Italien gilt dies für das höhere Ausbildungsniveau, in den<br />

Vereinigten Staaten für das geringe. In Frankreich weisen die einzelnen<br />

Niveaus keine signifikanten Unterschiede auf; sie sind sämtlich positiv und<br />

können daher nicht zur Interpretation von unterschiedlichen Neigungen der<br />

einzelnen Gruppen, Kinder zu bekommen, herangezogen werden.<br />

Sowohl Finnland als auch Norwegen weisen negative Werte für die (nichtstandardisierten)<br />

Koeffizienten für geringe Bildung auf, und zwar sowohl für<br />

den Mann (-0,233 (N) bzw. -0,232 (FIN)) als auch für die Frau (-0,319 (N)<br />

bzw. -0,273 (FIN)). Die Resultate für Deutschland sind <strong>–</strong> ähnlich denen in<br />

11 Gleiches gilt für den F-Test sowie den Test auf Multikollinearität. Autokorrelation kann<br />

schon auf Grund der Panel-Datenstruktur als weitgehend unwahrscheinlich angesehen<br />

werden. Die einzelnen Ergebnisse der nicht-standardisierten Koeffizienten und deren t-<br />

Werte finden sich in der Tabelle A im Anhang.


106<br />

Frankreich <strong>–</strong> (bis auf die Variable für geringe Bildung der Frau) positiv, aber<br />

nicht sehr hoch. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Korrelationen<br />

zwischen dem Ausbildungsniveau der Eltern und der Kinderzahl zwischen<br />

den Staaten in Ausmaß und Signifikanz variieren. Sie sind darüber<br />

hinaus auch nicht gleichgerichtet.<br />

Ein nicht überraschendes Ergebnis liefert die vergleichende Betrachtung der<br />

Lohnsatzkoeffizienten. Diese sind <strong>–</strong> mit hoher Signifikanz- in den Staaten, in<br />

denen ihr Datenmaterial ausreichend verfügbar ist (D, F, I, UK, US) sämtlich<br />

negativ im Lohnsatz der Frau. Der Effekt ist am stärksten in Deutschland<br />

und dem Vereinigten Königreich messbar, in Frankreich und den USA am<br />

geringsten; es scheint also bestätigt, dass ein hoher Lohnsatz der Frau die<br />

Partner eher davon abhält, Kinder zu bekommen bzw. deren Kinderzahl<br />

negativ beeinflusst.<br />

Den Lohnsatzkoeffizienten des Mannes betreffend, können (mindestens)<br />

zwei Aussagen getroffen werden. Zum einen ist dieser (bis auf den Fall<br />

Frankreich) eher positiv, zum zweiten ist er absolut aber deutlich kleiner als<br />

der jeweilige Koeffizient des Lohnsatzes der Frau; außerdem sind die t-<br />

Werte durchweg geringer, was insgesamt darauf hinweist, dass dieser Erklärungszusammenhang<br />

eher schwach ist.<br />

Es ließe sich einwenden, dass der Lohnsatz im Zusammenhang zu den Variablen<br />

des Bildungsgrades stehen müsse und somit auch die Regression verzerren<br />

würde. Diese Korrelation kommt hier jedoch nur eingeschränkt zur<br />

Geltung, da zwar für alle Frauen Daten zum höchsten erreichten Bildungsgrad<br />

vorliegen, jedoch längst nicht alle auch einen Lohnsatz ausgewiesen<br />

haben, da viele ihre Arbeit nicht anbieten (dazu mehr in Abschnitt 3.2), insofern<br />

ist allenfalls ein schwacher Zusammenhang denkbar.<br />

Im Kontrast dazu sind die erklärenden Variablen FOREIGN, MARRIED und<br />

(eingeschränkt) auch RURAL sowohl im Ausmaß relativ stark als auch sehr<br />

signifikant. Die Eheschließung ist insbesondere in Finnland, den USA und<br />

Frankreich (0,49, 0,433 und 0,397) ein starker Indikator für die Kinderzahl,<br />

während der Zusammenhang in Norwegen schwach ist (0,078) 12 . Norwegen<br />

ist jedoch <strong>–</strong> im Gegensatz zu eher katholisch geprägten Staaten, zum Bei-<br />

12 Diese Zahlen sind so zu lesen, dass die Tatsache, dass ein norwegisches Paar verheiratet<br />

ist, eine um 0,078 höhere Kinderzahl aufweist als ein ansonsten vergleichbares unverheiratetes.


107<br />

spiel im Süden Europas <strong>–</strong> dafür bekannt, dass Paare hier eher spät (oder<br />

nicht) heiraten, selbst wenn Kinder vorhanden sind. Die Rate außerehelicher<br />

Geburten ist traditionell hoch (ähnliches gilt für Schweden).<br />

Noch stärker sind die Koeffizienten für die Variable FOREIGN. Diese sind<br />

lediglich in Australien und Finnland (leicht) negativ. Dieses liegt für den Fall<br />

Finnland daran, dass die Variablenbelegung im finnischen Panel nicht zwischen<br />

Finnen und Ausländern verschiedener Nationalitäten oder ethnischen<br />

Gruppen unterscheidet (wie die der anderen Staaten), sondern lediglich zwischen<br />

Finnisch und Schwedisch sprechenden Finnen, was die Aussage dieser<br />

Variable völlig verändert. In allen anderen Staaten erhöht die Tatsache, dass<br />

der Haushaltsvorstand nicht der vorherrschenden ethnischen Gruppe des<br />

jeweiligen Erhebungslandes angehört, die Kinderzahl signifikant. Am stärksten<br />

ausgeprägt ist dieser Effekt in Deutschland und dem Vereinigten Königreich.<br />

Ein deutlicher, fühlbarer Einfluss der Tatsache, dass der Haushalt in einer<br />

ländlichen Gegend wohnt, ergibt sich für Finnland (0,231), Deutschland<br />

(0,111) sowie für Frankreich (0,109), während er für die übrigen Staaten<br />

schwach positiv, für Italien und das Vereinigte Königreich schwach negativ<br />

ist.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zwar länderspezifisch Unterschiede<br />

zwischen Haushalten unterschiedlichen Bildungsgrades in der Neigung,<br />

Kinder zu bekommen, vorhanden sind. Diese sind aber in der Regel weitaus<br />

weniger signifikant (und im Ausmaß geringer13 ) als die Einwirkungen anderer<br />

soziodemografischer Variablen.<br />

3.2 Kinder und Arbeitsangebot<br />

Eine inzwischen in vielen Staaten ebenso wichtige Funktion der Familienpolitik<br />

ist in der Ermöglichung (oder gar bewussten Ermunterung) der weiblichen<br />

Erwerbsbeteiligung zu sehen, welche eine Parallelstrategie zum Ziel<br />

der Förderung von Geburten darstellt. Die OECD (2004) ermittelte für 2002<br />

gar einen positiven Zusammenhang zwischen der Partizipationsrate der<br />

Frauen und der Geburtenrate, so dass davon ausgegangen werden kann, dass<br />

das Zielsystem der Familienpolitik auch die Arbeitsangebotswünsche und -<br />

13 Da es sich um Dummy-Variablen handelt, lassen sich die Regressionskoeffizienten analog<br />

interpretieren.


108<br />

bedingungen der Frau und deren Zusammenhang mit der Fertilität berücksichtigen<br />

muss.<br />

In der Tabelle 1 sind die durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeiten der<br />

Haushaltsmitglieder gegen unterschiedliche Kinderzahlen abgetragen. Es<br />

werden hier exemplarisch nur Paarhaushalte zwischen 20 und 64 Jahren<br />

betrachtet, was als typischer Zeithorizont aktiver Erwerbstätigkeit (in den<br />

Industriestaaten) angesehen wird. Weiterhin sind nur die entsprechenden<br />

Werte für Paare mit bis zu vier Kindern aufgeführt. Die entsprechenden<br />

Zahlen für Finnland, Norwegen und Australien sind für die Welle V nicht<br />

erhoben worden. Allerdings lassen sich auch für die verbleibenden Länder<br />

interessante Rückschlüsse ziehen.<br />

D F I UK US<br />

Mann Frau Mann Frau Mann Frau Mann Frau Mann Frau<br />

0 31,78 23,68 41,56 34,48 29,12 15,01 35,75 24,55 39,39 30,33<br />

1 39,53 19,61 42,12 35,27 40,98 17,52 41,72 22,72 42,08 29,44<br />

2 42,12 14,43 41,54 33,56 44,49 16,91 43,15 19,12 43,33 26,32<br />

3 37,37 9,54 42,06 32,49 41,24 10,39 40,59 15,67 43,97 23,85<br />

4 38,6 12,77 40,86 33,59 39,97 4,05 35,38 10,75 42,59 19,58<br />

Tab. 1 Durchschnittl. wöchentl. Arbeitszeit in Abhängigkeit von der Kinderzahl.<br />

Quelle: Luxembourg Income Study (LIS) Micro database 2006, eig. Berechnung.<br />

Die durchschnittlichen Stundenzahlen der Männer unterscheiden sich innerhalb<br />

der einzelnen Kinderzahl-Stufen nicht wesentlich zwischen den fünf<br />

Staaten, mit dem Unterschied, dass sie in Deutschland und Italien für kinderlose<br />

Männer auffallend niedrig sind (31,78 bzw. 29,12 Stunden). Ob dies<br />

Resultat der Tatsache geschuldet ist, dass deutsche und italienische Männer<br />

später in ihr Berufsleben starten oder es früher beenden, könnte mit einer<br />

weiteren Altersauffächerung möglicherweise beantwortet werden, ist für die<br />

vorliegende Untersuchung allerdings uninteressant. Gemein ist den Staaten<br />

der Trend, dass die Arbeitszeit bei Männern mit steigender Kinderzahl bis<br />

zum zweiten (in den USA bis zum dritten) Kind ansteigt, dann aber abfällt,<br />

generell jedoch das Niveau einer Vollzeit-Arbeitsstelle nicht wesentlich<br />

unterschreitet.<br />

Wesentlich anders ist die Situation der Frauen. Nach dem traditionellen<br />

Rollenmodell wäre zu erwarten, dass ihre Erwerbsbeteiligung (und damit


109<br />

auch ihre durchschnittliche wöchentliche Arbeitsstundenzahl) in der Zahl<br />

ihrer Kinder sinkt. Dieses Muster kann uneingeschränkt für Italien bestätigt<br />

werden, wo bereits die Frauen ohne Kinder im Durchschnitt lediglich 15,01<br />

Stunden wöchentlich arbeiten, während US-amerikanische und französische<br />

Frauen die doppelte Wochenarbeitszeit vorweisen. Aber auch die Frauen in<br />

Deutschland, dem Vereinigten Königreich und (eingeschränkt) den USA<br />

zeigen dieses Muster: Die Differenz zwischen den Arbeitsstunden der Eltern<br />

mit vier Kindern beträgt zwischen 23,01 (USA) und 35,92 (Italien) Stunden.<br />

Einzig Frankreich ist hinsichtlich beiderlei Trends eine Ausnahme. Einerseits<br />

arbeiten Frauen grundsätzlich mehr als in den übrigen Staaten (unabhängig<br />

von ihrer Kinderzahl), andererseits sinkt ihre Arbeitsstundenzahl so gut wie<br />

überhaupt nicht, egal, wie viele minderjährige Kinder in ihrem Haushalt<br />

leben. Dieses Resultat ist sicherlich sowohl auf die hohe Abdeckungsrate<br />

von Kinderbetreuungsmöglichkeiten (auch im Kleinstkindalter) als auch auf<br />

die hohe gesellschaftliche Akzeptanz von arbeitenden Müttern zurückzuführen.<br />

Die Fertilitätsrate Frankreichs liegt in der Spitzengruppe aller Industrieländer,<br />

was auf die potenziell gute Vereinbarkeit hoher Partizipation von<br />

Frauen am Arbeitsmarkt und relativ hoher Kinderzahl hinweist.<br />

Darauf, dass das Arbeitsangebot von Müttern möglicherweise mit kluger<br />

Bereitstellungspolitik öffentlicher Betreuung zu beeinflussen ist, weisen<br />

auch die unterschiedlichen Arbeitsstundenzahlen von Frauen in Abhängigkeit<br />

vom Alter des jüngsten Kindes hin, die in Abbildung 2 für die oben<br />

genannten fünf Staaten zu finden sind. In Deutschland und (mit Abstrichen)<br />

in den USA und dem Vereinigten Königreich ist fast durchgängig eine Steigerung<br />

der durchschnittlichen Arbeitszeit im Alter des jüngsten Kindes festzustellen,<br />

wenn auch Mütter in den USA durchschnittlich über zehn Stunden<br />

länger arbeiten als die Mütter in Deutschland. Für Australien fehlen die Daten<br />

für Familien, deren jüngstes Kind sechs, acht oder neun Jahre alt ist; für<br />

die restlichen Jahre ist allerdings ebenfalls ein ansteigender Trend der Wochenstundenzahl<br />

der Mütter zu beobachten.


110<br />

W ochenstunden<br />

37,5<br />

35<br />

32,5<br />

30<br />

27,5<br />

25<br />

22,5<br />

20<br />

17,5<br />

15<br />

12,5<br />

10<br />

7,5<br />

5<br />

2,5<br />

0<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Alter jüngstes Kind<br />

Abb. 3 Durchschnittliche Arbeitszeit der Frauen, abhängig vom Alter des jüngsten<br />

Kindes.<br />

Quelle: Luxembourg Income Study (LIS) Micro database 2006, eig. Berechnung.<br />

Auffällig ist, dass die durchschnittliche Wochenstundenzahl im ersten Lebensjahr<br />

des Kindes (mit Ausnahme Australiens und des Vereinigten Königreichs)<br />

absinkt. Dies ist allerdings erklärlich durch den Effekt, dass in dem<br />

Jahr, in dem das jüngste Kind zur Welt kommt, die durchschnittliche Wochenstundenzahl<br />

des gesamten Kalenderjahres erfasst wird, die auf Grund<br />

möglicher höherer Erwerbstätigkeit der Mütter in den Monaten vor der Geburt<br />

tendenziell nach oben ausreißt.<br />

Ein allgemeiner Trend ist nicht erkennbar für Italien (deren Mütter zwischen<br />

13,7 und 19,09 Stunden arbeiten) sowie für Frankreich. Die Erwerbstätigkeit,<br />

ausgedrückt in der durchschnittlichen Wochenstundenzahl, ist in Frankreich<br />

mit Abstand am höchsten: Sie schwankt zwischen 33 und 35 Stunden. Weiterhin<br />

sind keinerlei vom Alter des jüngsten Kindes abhängigen Einschränkungen<br />

(oder Verstärkungen) der Erwerbstätigkeit zu erkennen, was die<br />

Schlussfolgerung aus den in Tabelle 2 gezeigten Daten noch verstärkt.<br />

Es bleibt festzuhalten, dass Eltern in Deutschland, Frankreich, Italien, dem<br />

Vereinigten Königreich und den USA ihre Erwerbstätigkeit in unterschiedlichem<br />

Maße in Abhängigkeit von ihren Kindern gestalten.<br />

Dabei konnte gezeigt werden, dass die Zahl und das Alter der im Haushalt<br />

lebenden Kinder einen direkten Einfluss auf die Arbeitsstundenzahl der<br />

D<br />

F<br />

I<br />

UK<br />

USA<br />

AUS


111<br />

Frauen hat (mit Ausnahme Frankreichs). Allerdings gibt es länderspezifisch<br />

signifikante Unterschiede.<br />

Das Arbeitsangebot der Männer dagegen ist in der Regel nicht oder kaum<br />

beeinflusst von der Anwesenheit von Kindern.<br />

3.3 Distributive Wirkungen<br />

Abschließend soll noch ein vergleichender Blick auf die Inzidenz der familienfördernden<br />

Maßnahmen geworfen werden.<br />

In Abschnitt 2 wurde angedeutet, dass die verschiedenen Instrumente der<br />

Familienpolitik unterschiedliche Verteilungsimplikationen aufweisen.<br />

Das Mikro-Datenmaterial der Luxembourg Income Study erlaubt Rückschlüsse<br />

auf die staatlichen Leistungen für Familien, indem es (mit Ausnahme<br />

Italiens und der USA) sämtliche geldlichen Zuwendungen, die auf<br />

Grund des Vorhandenseins von Kindern oder zur Unterstützung der Mütter<br />

während Schwangerschaft und Geburt gezahlt werden, erfasst.<br />

Diese Unterstützungsleistungen werden in Tabelle 2 für die angesprochenen<br />

Staaten als Geldbeträge in US-Dollar pro Jahr und Kind ausgewiesen, unterteilt<br />

nach dem ersten, dem zweiten bis fünften, dem fünften bis neunten sowie<br />

dem höchsten Dezil des verfügbaren Einkommens. Zur Absicherung der<br />

hier gezeigten wurde ein Vergleich mit den entsprechenden Daten der Welle<br />

I durchgeführt, der <strong>–</strong> mit Ausnahme der unterschiedlichen absoluten Höhe<br />

der Leistungen <strong>–</strong> keinerlei nennenswerte Differenzen ergab, was die Zurechnung<br />

der Beträge zu den einzelnen Einkommensdezilen angeht.<br />

1 st<br />

2nd-5 th<br />

5th-9 th<br />

10 th<br />

D F FIN UK N AUS<br />

1432,89 929,56 1056,77 988,19 2164,17 646,26<br />

1750,20 1267,87 2296,06 1056,87 4345,90 1016,09<br />

1823,76 1292,05 1962,25 1080,12 1754,08 513,09<br />

1952,23 1062,40 1548,04 1214,62 1547,29 172,92<br />

Tab. 2 Staatliche Geldleistungen pro Jahr und Kind in US-Dollar: Unterstes<br />

Dezil, 2. bis 5. Dezil, 5. bis 9. Dezil und oberstes Dezil der verfügbaren<br />

Einkommen.<br />

Quelle: Luxembourg Income Study (LIS) Micro database 2006, eig. Berechnung.<br />

Grundsätzlich ist zu bemerken, dass die direkten geldlichen Familienleistungen<br />

sowohl in Deutschland als auch im Vereinigten Königreich „pro rich“


112<br />

wirken: Sie nehmen mit zunehmendem verfügbarem Einkommen zu, wobei<br />

der relative Unterschied zwischen den Leistungen des ersten und denen des<br />

zehnten Dezils in Deutschland größer ist (Faktor 1,36 (D) vs. 1,23 (UK)).<br />

Für Finnland, Norwegen und Australien gilt, dass die Leistungen hier im<br />

zweiten bis fünften Einkommensdezil am höchsten sind und danach abfallen,<br />

in Australien sogar erheblich. Dies hängt wesentlich mit der starken Einkommensabhängigkeit<br />

der in Australien gewährten direkten Leistungen<br />

zusammen. Finnland verzichtet fast vollständig auf steuerliche Abzugsbeträge,<br />

die regressiv wirken. In Norwegen sind die hohen Leistungen für Familien<br />

im zweiten bis fünften Einkommensdezil auffallend. Es ist nicht auszuschließen,<br />

dass es sich hierbei zum Teil um statistische Ausreißer handelt<br />

(da die Zahl der befragten Familien mit diesen Merkmalen nur 458 beträgt,<br />

im Vergleich zu 3162 im fünften bis neunten Dezil), den Trend jedoch gibt<br />

der Wert richtig wieder.<br />

Ein ähnliches Bild zeigt sich in Frankreich, wo die Leistungen sowohl im<br />

zweiten bis fünften wie auch im fünften bis neunten Dezil relativ hoch sind,<br />

dann aber im obersten Dezil leicht abfallen. Dies überrascht nicht vor dem<br />

Hintergrund der strikten Deckelung des <strong>–</strong> regressiv wirkenden <strong>–</strong> Familiensplittings<br />

sowie der Höchstbeträge bei der Absetzbarkeit von Betreuungsaufwendungen.<br />

Im Vergleich der absoluten Höhe der staatlichen Leistungen lässt sich<br />

schließen, dass die direkte geldliche Unterstützung für Familien, deren verfügbares<br />

Einkommen unterhalb des Medianeinkommens liegt, in Norwegen<br />

(mit Abstand) am großzügigsten bemessen sind, während überdurchschnittlich<br />

hohe Einkommen in Finnland (fünftes bis neuntes Dezil) bzw. vor allem<br />

in Deutschland (fünftes bis zehntes Dezil) die höchste Bezuschussung erfahren.<br />

Die Kinderzahlen sind (von den hier betrachteten Staaten) in Frankreich,<br />

Norwegen und Finnland am höchsten. Es liegt die Vermutung nahe, dass<br />

eine relativ starke finanzielle Förderung der mittleren Dezile durch staatliche<br />

Maßnahmen die größte Steigerung der Geburtenrate nach sich zieht.<br />

Zur obigen Zusammenstellung ist anzumerken, dass die beiden untersuchten<br />

Größen (verfügbares Einkommen und monetäre staatliche Leistungen zur<br />

Unterstützung von Familien) nicht unkorreliert sind. Erhöhen sich die staat-


113<br />

lichen Leistungen, erhöht sich in der Regel auch das verfügbare Einkommen<br />

in dem Maße, wie die Leistungen nicht steuerpflichtig sind14 .<br />

Die Verteilungsimplikationen der direkten Familienförderung werden deutlich,<br />

indem man bspw. die Gini-Koeffizienten vergleicht, die sich einerseits<br />

ergeben, wenn nur das Markteinkommen betrachtet wird, und andererseits,<br />

wenn zum Markteinkommen auch die oben betrachteten Leistungen hinzugezählt<br />

werden (siehe Tabelle 3).<br />

G ME<br />

G ME+Tr<br />

D F FIN UK N AUS<br />

0,348 0,384 0,350 0,475 0,326 0,414<br />

0,321 0,342 0,309 0,454 0,296 0,387<br />

Tab. 3 Gini-Koeffizienten unter Berücksichtigung des Markteinkommens<br />

bzw. des Markteinkommens zzgl. der direkten familienpolitischen<br />

Leistungen.<br />

Quelle: Luxembourg Income Study (LIS) Micro database 2006, eig. Berechnung.<br />

Die Wirkung der staatlichen Leistungen zur Unterstützung von Familien ist<br />

in allen betrachteten Staaten trotz der oben gezeigten Ergebnisse ungleichheitsreduzierend<br />

(sofern man den Gini-Koeffizienten als Maß von Ungleichheit<br />

akzeptiert). Die Wirkung scheint überdies in Finnland und Frankreich<br />

am stärksten zu sein, wo die Absenkung des Gini-Koeffizienten durch die<br />

staatlichen Transfers das größte Ausmaß annimmt. Aber auch in Deutschland<br />

ist sie <strong>–</strong> angesichts der beobachteten eher regressiven Wirkung in den<br />

Einkommensdezilen <strong>–</strong> beachtlich.<br />

4 Mögliche Lehren für den deutschen<br />

Familienleistungsausgleich<br />

Die Ermunterung von Paaren, Kinder zu bekommen, ist in Deutschland stets<br />

dominiert gewesen von Debatten um finanzielle Mittel, Umverteilungsvorstellungen<br />

und steuerrechtlichen Auseinandersetzungen, weniger jedoch um<br />

14 Dies ist in den betrachteten Ländern durchaus unterschiedlich geregelt. In Deutschland<br />

sind die Leistungen komplett steuerfrei, in Spanien zum Beispiel nicht.


114<br />

wirksame Instrumente15 . Es ist kaum bestreitbar, dass die geldliche Summe,<br />

die der deutsche Staat jährlich zur Familienförderung veranschlagt, im internationalen<br />

Vergleich durchaus mithalten kann, selbst wenn man die aktuellen<br />

Änderungen im Steuerrecht, welche das Baukindergeld16 betreffen, herausrechnet.<br />

Davon zeugen auch die unter 3.3 aufgeführten Ergebnisse (insbesondere<br />

Tabelle 2). Die relativ niedrige Geburtenrate kann demnach im<br />

Grunde nur durch drei Szenarien charakterisiert werden: Entweder werden so<br />

wenige Kinder geboren auf Grund des Familienleistungsausgleiches (das<br />

heißt, die eingesetzten Mittel sind im ökonomischen Sinne ineffektiv) oder<br />

die Fertilität ist in Deutschland trotz der staatlichen Unterstützung gering<br />

(das heißt, sie ist ausschließlich von Faktoren determiniert, die außerhalb der<br />

Einflusssphäre der Politik liegen) oder Familienpolitik ist wirkungsvoll, wird<br />

jedoch von exogenen Trends oder Schocks überlagert. Um letztere Möglichkeit<br />

auszuschließen (oder zu bestätigen), böte sich eine Untersuchung nach<br />

der „Difference-in-Difference“-Technik an.<br />

Wenn man aber vernünftigerweise davon ausgeht, dass sich die Wahrheit<br />

irgendwo zwischen diesen Polen bewegt, scheint es auf jeden Fall sinnvoll,<br />

sich über die Verbesserung der Ausgestaltung der staatlichen Familienpolitik<br />

Gedanken zu machen. Dazu bietet sich ein Blick auf Nachbarsysteme an.<br />

Im Wesentlichen kann Deutschland in zwei Punkten von dieser Betrachtung<br />

lernen. Der zuweilen hörbare Vorwurf, in Deutschland bekämen vor allem<br />

Bevölkerungsgruppen überproportional viele Kinder, welche die größten<br />

Schwierigkeiten hätten, diese angemessen zu unterhalten und zu erziehen, ist<br />

nicht völlig von der Hand zu weisen, wenn man zum Vergleich die Statistiken<br />

anderer Staaten heranzieht. Es liegt die Vermutung nahe, dass die relativ<br />

dünn gesäte Bereitstellung öffentlicher (und privater!) Betreuung ein zentraler<br />

Bestimmungsfaktor dieses Problems ist. Staaten mit gut ausgebautem<br />

Betreuungssystem (sowohl in der direkten Bereitstellung durch den Staat als<br />

auch durch die indirekte Förderung durch großzügige steuerliche Absetzbarkeit)<br />

<strong>–</strong> wie bspw. Frankreich und Skandinavien <strong>–</strong> verfügen über eine ausgeglichenere<br />

Bilanz was die Kinderzahl von Eltern unterschiedlicher Bildungsgrade<br />

angeht. Darüber hinaus ist die Differenz zwischen den Arbeitszeiten<br />

der Partner geringer, insbesondere die Erwerbssituation der Frau besser und<br />

15 Kaufmann 2005, S. 182 ff.<br />

16 § 34 f EstG.


115<br />

unabhängiger von der Zahl der Kinder17 . Die Produktivitäten der Partner<br />

sind weniger signifikant für die Aufteilung der Hausarbeit und für die Zahl<br />

der Kinder (siehe Tabelle A im Anhang).<br />

Ein Betreuungssystem wie das französische lässt sich nicht ohne weiteres<br />

kopieren. Da aber die Möglichkeit, Kinder von Dritten betreuen zu lassen, in<br />

der Regel die effektivste und <strong>–</strong> relativ gesehen <strong>–</strong> günstigste Weise ist, die<br />

hohen Opportunitätskosten, die Kinderbetreuung verursacht, zu senken (kein<br />

Kindergeld oder auch Elterngeld kann dauerhaft das wegfallende Einkommen<br />

durch Erwerbstätigkeit ersetzen), sollte dieses Instrument quantitativ<br />

wie qualitativ gestärkt werden <strong>–</strong> zur Not auf Kosten des Kindergeldes bzw.<br />

des Kinderfreibetrags.<br />

Zum zweiten scheint die deutsche Spezialität des dualen Familienleistungsausgleichs,<br />

die einen eher untauglichen Kompromiss zwischen verfassungsrechtlicher<br />

Mindestnormerfüllung und sozialpolitischen Umverteilungswünschen<br />

zugunsten der Familien mit geringem Einkommen darstellt, fraglich.<br />

Einerseits werden die eingeräumten Grundfreibeträge für Kinder in Höhe<br />

von 2904 € 18 der rechtlichen Anforderung nach Freistellung des steuerlichen<br />

Existenzminimums nicht ansatzweise gerecht, wenn man die in der Sozialgesetzgebung<br />

üblichen Mindestsätze unterstellt. Andererseits lassen die distributiven<br />

Konsequenzen (siehe Tabelle 4) Zweifel daran aufkommen, ob der<br />

budgetäre Aufwand für das vergleichsweise hohe pauschale Kindergeld<br />

verteilungspolitisch gut angelegt ist. Eine Umschichtung zugunsten von<br />

Betreuungsmöglichkeiten, wie oben angeregt, würde eine höhere Geburtenrate<br />

sicherlich begünstigen.<br />

Ein allgemeines Umverteilungsziel sollte stärker in die Einkommensbesteuerung<br />

verlagert werden. Darüber hinaus können qualitative und quantitative<br />

Verbesserungen in der vorschulischen Betreuung und Förderung, die aus<br />

allgemeinen Steuermitteln geleistet werden, als Umverteilung von Bildungsund<br />

Berufschancen zugunsten von Kindern weniger privilegierter Eltern<br />

verstanden werden, was eine sinnvolle Abfederung der regressionsverstärkenden<br />

Wirkung der Abschmelzung des Kindergeldes wäre.<br />

17 Zwar sind die entsprechenden Daten für Norwegen im LIS Projekt nicht verfügbar, allerdings<br />

stützen die relativ hohen Partizipationsraten von Müttern in den skandinavischen<br />

Staaten diese Erkenntnis (bspw. 72,1 % (FIN) und 76,9 % (Schweden) im Vergleich zu<br />

59,3 % im OECD-Durchschnitt (Zahlen für 2003; OECD 2005).<br />

18 § 32 Abs. 6 EStG, <strong>Recht</strong>sstand 2005. Für Ehepaare gelten verdoppelte Sätze.


116<br />

Ist die staatliche Familienförderung und sind ökonomische Anreize generell<br />

unwirksam hinsichtlich der privaten Neigung, Kinder zu bekommen, so<br />

könnte sich die Politik auf sozialpolitische Maßnahmen zur Existenzsicherung<br />

von Familien beschränken. Nicht zuletzt aber die Erfahrungen Frankreichs<br />

einerseits und Dänemarks und Schwedens andererseits (die hier nicht<br />

explizit betrachtet wurden) zeigen, dass eine Korrelation von geeigneten<br />

familienpolitischen Maßnahmen (vor allem diejenigen, die der in Abschnitt 2<br />

als Input-Ansatz vorgestellten Förderphilosophie folgen) und Geburtenrate<br />

wahrscheinlich ist.<br />

Literatur<br />

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117<br />

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Schöne, P. (2005): The Effect of a Family Policy Reform on Mother's Pay: A<br />

Natural Experiment Approach, in: Review of Economics of the Household<br />

3, 145-170.


5 Anhang<br />

D F FIN I UK US N AUS<br />

Koeff t Koeff t Koeff t Koeff t Koeff t Koeff t Koeff t Koeff t<br />

married 0,353 375,594 0,397 357,782 0,490 177,325 0,265 149,482 0,352 365,576 0,433 562,936 0,078 25,038 ... ...<br />

edlom 0,002 1,290 0,379 35,809 -0,232 -67,376 -0,105 -102,655 -0,725 -33,304 ... ... -0,233 -17,239 ... ...<br />

edmedm 0,050 32,604 0,408 38,601 0,141 47,878 0,092 129,400 -0,266 -12,240 -0,071 -129,013 0,031 2,374 0,055 36,449<br />

edhim 0,035 22,447 0,453 42,851 ... ... ... ... -0,449 -20,611 -0,081 -128,879 0,015 1,113 0,198 85,067<br />

edlof -0,101 -66,467 0,681 120,826 -0,273 -83,247 -0,391 -397,403 -0,131 -7,396 ... ... -0,319 -28,132<br />

edmedf 0,190 122,786 0,766 136,471 ... ... -0,011 -15,257 0,423 23,939 0,072 132,092 0,044 4,012 0,136 82,899<br />

edhif 0,128 78,852 0,879 155,351 0,093 32,425 ... ... 0,273 15,458 -0,024 -38,466 0,120 10,892 0,008 3,304<br />

foreign 0,544 575,912 0,465 327,594 -0,035 -6,710 na na 0,567 368,435 0,365 709,235 0,288 57,829 -0,121 -78,175<br />

rural 0,111 200,329 0,109 113,128 0,231 76,658 -0,006 -7,900 -0,055 -80,551 0,055 103,390 0,021 2,599 0,051 63,768<br />

wm 0,005 328,827 -0,001 -74,098 ... ... 0,004 119,715 0,003 68,320 0,000 3,351 ... ... ... ...<br />

wf -0,011 -655,565 -0,004 -300,100 ... ... -0,007 -165,492 -0,026 -419,511 -0,003 -187,152 ... ... ... ...<br />

Tabelle A: Nicht-standardisierte Koeffizienten (inkl. t-Werte) der unabhängigen<br />

Variablen; OLS-Schätzung.<br />

Quelle: Luxembourg Income Study (LIS) Micro database 2006.


Dirk Höner<br />

Institutionalisierung qua Internationalisierung <strong>–</strong><br />

Die Entwicklung der Unternehmensberatung aus<br />

neo-institutionalistischer Perspektive<br />

1 Einleitung<br />

Die Suche nach einer Erklärung für den Erfolg der Unternehmensberatungsbranche<br />

wird häufig an bestimmte Funktionen geknüpft, die Beratungen für<br />

ihre Klienten erfüllen. 1 Diese Funktionen können aber nur erfüllt werden,<br />

wenn eine ganz bestimmte Voraussetzung vorliegt: Unternehmensberatung<br />

muss legitimiert sein, d.h. ihre Existenz und ihr Nutzen werden nicht in Frage<br />

gestellt. Das bedeutet, dass sie aufgrund ihrer institutionalisierten Stellung<br />

in der Lage ist, diese Legitimität auch auf ihre Dienstleistungen und letztlich<br />

auf den Klienten zu übertragen. 2 Woher diese Legitimität aber kommt, wird<br />

nicht kritisch hinterfragt sondern als gegeben unterstellt. Aus dieser bislang<br />

unbestätigten Unterstellung stammt die Motivation dieses Beitrages. Es wird<br />

untersucht, mit welcher Berechtigung von einer Institution Unternehmensberatung<br />

gesprochen werden kann und wie ein derartiger Status entsteht.<br />

1 Vgl. Ernst/Kieser 2002. Zu diesen Funktionen werden gezählt: Wissenstransfer, Entwicklungs-<br />

und Innovationsfunktion, <strong>Wirtschaft</strong>lichkeitsfunktion, Legitimierungsfunktion<br />

und Kommunikationsfunktion, sowie die latenten Politik- und Interpretationsfunktion. Vgl.<br />

Kieser 1998, S. 63 f.<br />

2 Vgl. Faust 2000; McKenna/Djelic/Ainamo 2003.


120<br />

Der Begriff Unternehmensberatung ist kaum konsensfähig abgrenzbar. 3<br />

Wenn in der vorliegenden Betrachtung von Unternehmens- oder synonym<br />

von Managementberatung gesprochen wird, so sind damit zunächst alle am<br />

Markt gehandelten Dienstleistungsangebote gemeint, die unter diesen Bezeichnungen<br />

angeboten und nachgefragt werden. Aufgrund der angesprochenen<br />

Übertragung von Legitimität und der beobachtbaren Selbstverständlichkeit<br />

von Managementberatung wird für den vorliegenden Beitrag auf den<br />

Theorieansatz des Neo-Institutionalismus zurückgegriffen, zu dessen Kernanliegen<br />

die Erklärung eben dieser Phänomene gehört.<br />

Um den theoretischen Untersuchungsraum abzustecken soll zunächst das<br />

Konzept des Neo-Institutionalismus mitsamt seiner für die weitere Betrachtung<br />

notwendigen Grundannahmen dargestellt werden. Auf diese wird dann<br />

im folgenden Teil zurückgegriffen, um die Institutionalisierung von Unternehmensberatung<br />

näher zu untersuchen. Abschließend werden die Erkenntnisse<br />

und die Relevanz dieser Untersuchung reflektiert.<br />

2 Institutionalisierungsprozesse im Sinne des<br />

neo-institutionalistischen Theorieansatzes<br />

2.1 Grundlagen des Neo-Institutionalismus<br />

Der Nucleus des neo-institutionalistischen Theorieansatzes besteht in der<br />

Annahme, dass Organisationen ihr Handeln nicht nach Maßgabe technischer<br />

Effizienzkriterien ausrichten, sondern primär an kulturellen und gesellschaftlichen<br />

Erwartungshaltungen. 4 Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive<br />

ist diese These kaum nachvollziehbar, jedoch untermauern zahlreiche empirische<br />

Studien, dass Effizienz nicht die wichtigste Determinante organisationaler<br />

Überlebensfähigkeit darstellt. 5 Gelingt es Organisationen, die gesellschaftlichen<br />

und kulturellen Erwartungen zu erfüllen, verschaffen sie sich<br />

Legitimität. Diese ist für Organisationen lebensnotwendig, da legitimierte<br />

3 Vgl. Barchewitz/Armbrüster 2004, S. 4 ff. für eine Beschreibung des Abgrenzungsproblems.<br />

4 Vgl. Hasse/Krücken 1999, S. 10 f.; Meyer/Rowan 1977, S. 341; Walgenbach 2001, S. 319.<br />

5 Vgl. Fligstein 1990; Meyer/Zucker 1989.


121<br />

Organisationen ihren Zufluss an Ressourcen besser sichern können als nicht<br />

legitimierte Organisationen. 6 Legitimität steht somit in einem unmittelbaren<br />

Bedingungsverhältnis zur Institutionalisierung. 7<br />

Legitimität nimmt im neoinstitutionalistischen Theoriekomplex eine zentrale<br />

Position ein. Sie ist das Produkt von Wahrnehmung, Annahmen und Bewertungen<br />

der Organisation durch die organisationale Umwelt. 8 Definiert wird<br />

Legitimität als „a generalized perception or assumption that the actions of an<br />

entity are desirable, proper, or appropriate within some socially constructed<br />

system of norms, values, beliefs, and definitions.“ 9 Bedeutsam ist hier, dass<br />

das Gesamtbild entscheidend für die Zuschreibung von Legitimität ist und<br />

einzelne Non-Konformitäten nicht unbedingt einen Legitimitätsverlust nach<br />

sich ziehen.<br />

Institutionalisierung kann gleichermaßen als Prozess und als Zustand definiert<br />

werden. 10 Die überwiegende Mehrzahl wissenschaftlicher Analysen<br />

stellt auf den Zustand der Institutionalisierung ab, den bestimmte Strukturen<br />

und Praktiken einnehmen. „Institutionalisierung als Zustand bezieht sich auf<br />

Situationen, in denen die von der Gesellschaft oder Kultur geteilte gedankliche<br />

Struktur der ‚Wirklichkeit’ bestimmt, was Bedeutung besitzt und welche<br />

Handlungen möglich sind.“ 11 Demgegenüber bezieht sich Institutionalisierung<br />

als Prozess „auf den Vorgang, durch den sich soziale Beziehungen und<br />

Handlungen zu nicht mehr hinterfragenden entwickeln“. 12 Diese Prozessbetrachtung<br />

soll im Folgenden vertieft werden.<br />

6 Vgl. Meyer/Rowan 1977, S. 340; Millonig 2002, S. 47 f.<br />

7 Vgl. Suchmann 1995, S. 576.<br />

8 Vgl. Millonig 2002, S. 47.<br />

9 Suchman 1995, S. 574. Suchman weist darauf hin, dass Legitimität und Institutionalisierung<br />

synonym zu verstehen sind (1995, S. 576). Dieser Auffassung kann nicht unbedingt<br />

gefolgt werden, denn bspw. kann bei der Mafia durchaus von einer Institution gesprochen<br />

werden, die jedoch keine Legitimität besitzt. Vgl. hierzu Jepperson 1991, S. 149.<br />

10 Vgl. Zucker 1977, S. 728.<br />

11 Walgenbach 2001, S. 321.<br />

12 Walgenbach 2001, S. 320 f.


122<br />

2.2 Der Prozess der Institutionalisierung<br />

Der Prozess der Institutionalisierung kann auf zwei unterschiedliche Weisen<br />

ablaufen. Einerseits können Interessen- und Machteinflüsse und damit verbundenes<br />

absichtsvolles Handeln zur Institutionalisierung bestimmter Zustände<br />

oder Praktiken führen, wie bspw. die Gesetzesverabschiedung. 13 Dieser<br />

Prozess allein kann jedoch nicht zur Erklärung der Herausbildung der<br />

Institution Unternehmensberatung herangezogen werden, da der Beruf Unternehmensberater<br />

in Deutschland nicht legislativ geregelt ist. 14 Auch besteht,<br />

im Gegensatz zur <strong>Recht</strong>sberatung oder <strong>Wirtschaft</strong>sprüfung, objektiv<br />

kein Grund für Unternehmen, Managementberatung in Anspruch zu nehmen.<br />

Tun sie es dennoch, folgen sie institutionalisierten Praktiken. Dieser zweite<br />

Institutionalisierungsprozess ist deshalb relevant für die Entwicklung von<br />

Unternehmensberatung.<br />

Tolbert und Zucker15 gehen im Anschluss an Berger und Luckmann16 von<br />

einem sequenziellen, dreistufigen Institutionalisierungsprozess aus, der über<br />

die Phasen Habitualisierung, Objektivierung und Sedimentation reicht. Am<br />

Beginn eines Institutionalisierungsprozesses steht eine Innovation. Diese<br />

kann eine Reaktion auf veränderte Marktkräfte, Technologien oder andere<br />

Umwelteinflüsse sein. Sie kann aber auch eine Lösung für ein spezifisches<br />

Problem einer bzw. mehrerer Organisationen sein. 17<br />

In der Phase der Habitualisierung erfolgt die Herausbildung neuer struktureller<br />

Arrangements als Reaktion auf die initiale Innovation. Kennzeichnend<br />

für diese pre-institutionalisierte Phase ist die voneinander unabhängige Formalisierung<br />

neuer Strukturen und Prozesse in einer oder mehreren Organisationen,<br />

die dem gleichen Problem ausgesetzt sind. 18<br />

13 Vgl. Hasse/Krücken 1999, S. 54.<br />

14 Vgl. Groß 2003. Damit liegt die deutsche <strong>Recht</strong>slage auf der internationalen Linie. Nur in<br />

Österreich, Malaysia und auf den Philippinen ist der Berufsstand der Unternehmensberater<br />

gesetzlich reglementiert.<br />

15 Vgl. Tolbert/Zucker 1996, S. 181.<br />

16 Vgl. Berger/Luckmann 1969.<br />

17 Vgl. Tolbert/Zucker 1996, S. 179; Walgenbach 2002, S. 178.<br />

18 Vgl. Tolbert/Zucker 1996, S. 181.


123<br />

In der semi-institutionellen Phase der Objektivierung diffundieren die neuen<br />

Strukturen und Praktiken innerhalb eines organisationalen Feldes aufgrund<br />

eines zunehmenden Konsens hinsichtlich ihres Nutzens. 19 Dieses Übereinkommen<br />

entsteht zum einen durch die Beobachtung und Wertschätzung der<br />

Auswirkung der Problemlösung durch andere Organisationen mit dem Ziel<br />

der erfolgreichen Imitation. Zum anderen können Interessengruppen die<br />

Durchsetzung der neuen Strukturen und Prozesse forcieren. 20<br />

Eine vollständige Institutionalisierung von Strukturen und Praktiken wird in<br />

der Phase der Sedimentation erreicht. Institutionalisierte Elemente genießen<br />

in diesem Zustand einen hohen Akzeptanzgrad, werden nicht mehr hinterfragt<br />

und als „taken-for-granted“ wahrgenommen. Die Verbreitung der Institution<br />

findet über Organisationsgrenzen hinaus statt und unterliegt einer<br />

großen Kontinuität. Die in dieser Phase stattfindende Imitation basiert nicht<br />

mehr auf Effizienz- sondern auf Legitimitätsgewinnen. 21<br />

Der hiermit skizzierte Institutionalisierungsprozess dient im Folgenden als<br />

Basis für die Rekonstruktion und Überprüfung der Institutionalisierung von<br />

Unternehmensberatung.<br />

3 Die Institutionalisierung der Unternehmensberatung<br />

„Es ist unmöglich, eine Institution ohne den historischen Prozeß, der sie<br />

heraufgebracht hat, zu begreifen.“ 22 Deshalb soll in diesem Abschnitt der<br />

Institutionalisierungsprozess in historischer Rekonstruktion der Entwicklung<br />

der Managementberatung untersucht werden.<br />

3.1 Auslöser der Entwicklung einer neuen Branche<br />

Ihren Ursprung hat die Unternehmensberatung in den Vereinigten Staaten<br />

von Amerika. Ein häufig genannter Ausgangspunkt der Entwicklung ist die<br />

Gründung des weltweit ersten Beratungsunternehmens im Jahr 1886 durch<br />

19 Vgl. Tolbert/Zucker 1996, S. 182 f.<br />

20 Hierbei handelt es sich um die sog. Institutional Entrepreneurs. Vgl. DiMaggio 1988.<br />

21 Vgl. Millonig 2002, S. 44.<br />

22 Berger/Luckmann 1969, S. 58.


124<br />

Arthur D. Little, dessen Angebote sich allerdings zunächst auf technologische<br />

Beratungsleistungen beschränkten. 23 Aber schon vor diesem Datum<br />

entwickelten sich ähnliche Beratungsunternehmen als Folge der sich etablierenden<br />

industriellen Massenfertigung. 24 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

setzte sich das so genannte Scientific Management in den USA<br />

zunehmend durch. Frederic W. Taylor, der Protagonist dieser Bewegung,<br />

stellte insbesondere die Arbeitsrationalisierung in den Vordergrund und auf<br />

diese Weise wurden die ersten betriebswirtschaftlichen Rationalisierungsprozesse<br />

implementiert. Ein Gerichtsverfahren legitimierte im Jahre 1911<br />

das Scientific Management und die Arbeit von Taylor, indem es die Preispolitik<br />

der Eisenbahngesellschaften als Folge eines Missmanagements darstellte,<br />

das mit Hilfe des Scientific Managements nicht zustande gekommen<br />

wäre. Dabei war nicht das Urteil sondern die öffentliche Diskussion in den<br />

Medien der Faktor, der dem Managementansatz zu großer Popularität verhalf<br />

und in vielen Unternehmen ein „Effizienz-Fieber“ auslöste. 25 Die Durchsetzung<br />

des Scientific Managements und die dadurch ausgelösten Veränderungen<br />

in der Führung von Unternehmen waren für die Entwicklung der Beratungsbranche<br />

bedeutsam. Allmählich wuchs die Zahl der Unternehmer und<br />

Manager, die Beratungsleitungen in Anspruch nahmen. 26 Neben den Beratungsleistungen<br />

des Scientific Managements gab es noch einen zweiten auslösenden<br />

Faktor.<br />

Die großen Banken des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts, insbesondere<br />

der Wall Street-Banker John P. Morgan, boten Ihren Kunden eine<br />

Vielzahl von Beratungsleistungen an, die nicht nur auf rein finanzielle Fragestellungen<br />

begrenzt waren. Der Einfluss der Banken in den Führungsetagen<br />

der großen amerikanischen Unternehmen war bedeutend und kam dem<br />

heutigen Verständnis von Managementberatung schon näher. 27 In beiden<br />

Fällen kann aber noch nicht vom unmittelbaren Beginn des Institutionalisierungsprozesses<br />

von Managementberatung gesprochen werden, da sich die<br />

23 Vgl. Faust 2000, S. 64; Fink 2004, S. 4.<br />

24 Vgl. Heuermann/Herrmann 2003, S. 26 f.<br />

25 Vgl. Kieser 2002a, S. 83 f.<br />

26 Vgl. Kipping 2002a, S. 30.<br />

27 Vgl. McKenna/Djelic/Ainamo 2003, S. 85 ff.


125<br />

Dienstleistungen kaum auf betriebswirtschaftliche Fragen der Unternehmensführung<br />

konzentrierten.<br />

Auch in Deutschland boten im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts Ingenieure<br />

ihre Beratungsdienstleistungen für Unternehmen an. Damit folgten sie<br />

den Prinzipien des Scientific Managements, das in Deutschland als wissenschaftliche<br />

Betriebsberatung oder Betriebswissenschaft bezeichnet wurde. 28<br />

1903 wurde der Verein beratender Ingenieure gegründet, dessen Aktivitäten<br />

jedoch auf technische Beratungsleistungen begrenzt blieben. 29 Tayloristische<br />

Ansätze wurden aber nicht von Beginn an akzeptiert. Erst mit der deutschen<br />

Übersetzung von Taylors „Principles of Scientific Management“ 1913 fand<br />

eine breitere Diskussion des Managementansatzes, sowie eine Anpassung an<br />

die Werte deutscher Unternehmensführung, statt. 30 Daneben stellte das Revisions-<br />

und Treuhandwesen eine weitere Grundlage der Entwicklung von<br />

Unternehmensberatung in Deutschland dar. Ab 1884 wurde durch eine Gesetzesänderung<br />

die Bedeutung der Bücherrevisoren gestärkt und bewirkte<br />

einen Aufschwung der Branche, der bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs<br />

anhielt. 31<br />

Die zeitlichen und inhaltlichen Wurzeln der US-amerikanischen und deutschen<br />

Beratungstätigkeiten weisen damit einige Gemeinsamkeiten auf.<br />

Schon die Impulse des Scientific Managements wurden internationalisiert, in<br />

Deutschland aufgegriffen und zur Anwendung gebracht.<br />

3.2 Habitualisierung von Unternehmensberatung<br />

McKenna konstatiert, dass „it wasn’t until the 1930s that management consulting<br />

firms grew beyond a few founding partners and established branches<br />

in new cities”. 32 Der Institutionalisierungsprozess begann in den USA mit<br />

der Phase der Habitualisierung in den späten 1920er bzw. frühen 30er Jahren.<br />

Dabei können zwei wichtige Impulse der Entwicklung unterschieden<br />

werden.<br />

28 Vgl. Elfgen/Klaile 1987, S. 143 f.<br />

29 Vgl. Kipping 1997, S. 69.<br />

30 Vgl. Kieser 2002a, S. 87 f.<br />

31 Vgl. Elfgen/Klaile 1987, S. 145 f.<br />

32 McKenna 1995, S. 54.


126<br />

Einerseits wurde aus der Branche der bereits beschriebenen Beratungsunternehmen<br />

des Scientific Managements mit der Gründung des weltweit ersten<br />

Unternehmensberatungsverbandes ein richtungweisender Impuls gesendet.<br />

Im Jahr 1929 wurde die Association of Consulting Management Engineers<br />

(ACME) gegründet. 33 Die Bezeichnung „Engineers“ zeugte von den Wurzeln<br />

und einer vorwiegend technokratischen Ausrichtung der Beratungsbranche.<br />

Erst nach der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren rückten verstärkt<br />

betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen in den Fokus der Beratungsunternehmen,<br />

die sich mit der Führung und der Organisation von Unternehmen<br />

befassten. Die Branche erlebte einen ersten signifikanten Aufschwung.<br />

34 Hunderte großer amerikanischer Unternehmen fragten in den<br />

30er Jahren Beratung nach, die sich mit Themen wie der Unternehmensstrategie,<br />

der Organisationsstruktur oder der Finanzierung beschäftigten. 35 In der<br />

Beratungsbranche selbst nahm der Grad einer professionellen Berufsauffassung<br />

zu. Ein wesentlicher Wegbereiter dieser Professionalisierungsbestrebung<br />

war Marvin Bower, der 1933 zu McKinsey kam und juristische Professionsprinzipien<br />

auf das Beratungsunternehmen und den Beruf des Unternehmensberaters<br />

übertrug. 36 Die ACME verfolgte ebenfalls eine Professionalisierungsstrategie<br />

der Beratungsunternehmen, indem sie einen ethischen<br />

Verhaltenskodex entwickelte, einen Qualifikationsstandard definierte und<br />

Arbeitsleitlinien für Berater erstellte. 37 Ebenso rückten die Unternehmensberater<br />

zunehmend in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit. 1930<br />

erschien im Magazin Business Week ein viel beachteter Beitrag, der die Leser<br />

über die sich entwickelnde Branche der Management Consultants informierte<br />

und ihre Bedeutung in einer zunehmend komplexeren Geschäftswelt<br />

herausstellte. 38<br />

Andererseits wurde der erste Aufschwung und der Beginn der Institutionalisierung<br />

maßgeblich von einem zweiten, branchenexternen Impuls unter-<br />

33 Später wurde die ACME umbenannt in Association of Management Consulting Firms<br />

(AMCF), wie sie auch heute noch heißt.<br />

34 Vgl. Kipping 2002a, S. 30f.; McKenna 1995, S. 54.<br />

35 Vgl. McKenna 1995, S. 54.<br />

36 Vgl. Fink 2004, S. 7; Fink/Knoblach 2003, S. 72 ff.<br />

37 Vgl. Ruef 2002, S. 76 f.<br />

38 Vgl. Fink 2004, S. 4; McKenna 2001, S. 673.


127<br />

stützt; einer modifizierten Gesetzeslage der Vereinigten Staaten in Form des<br />

Glass-Steagall Banking Act. Zu diesem Schluss kommen auch McKenna,<br />

Djelic und Ainamo: „The consulting industry as we know it was born in the<br />

United States during the 1930s, partly as an unintended consequence of the<br />

Glass Steagall Act.“ 39 Als Reaktion auf den Börsencrash vom Oktober 1929<br />

erließen die USA 1933 ein neues Gesetz, dass dem Bankenwesen eine Trennung<br />

von Investment- und Geschäftsbanken vorschrieb sowie ein Verbot der<br />

Durchführung von Nicht-Bank-Aktivitäten beinhaltete. Die bis dahin von<br />

vielen Banken durchgeführten betriebswirtschaftlich orientierten Beratungsleistungen<br />

wurden nun von selbstständigen Beratungsunternehmen angeboten.<br />

40 Faust spricht in diesem Zusammenhang von einer „nicht-intendierte[n]<br />

Folge institutioneller Reformen.“ 41 So fand die Inanspruchnahme von Managementberatung<br />

zunehmend Verbreitung in den amerikanischen Unternehmen<br />

der 1930er und 40er Jahre. 42<br />

In Deutschland begann die Phase der Habitualisierung auf ähnlichem Wege,<br />

allerdings etwas früher als in den Vereinigten Staaten und das Verbandswesen<br />

spielte eine dominantere Rolle. 1921 wurde das Reichskuratorium für<br />

<strong>Wirtschaft</strong>lichkeit (RKW) gegründet, um die Effizienz von Produktionsprozessen<br />

zu verbessern. Zwar diente es nicht unmittelbar der Verbreitung des<br />

Scientific Management, jedoch war es als Dachorganisation für viele Tätigkeiten<br />

der Rationalisierungsbewegung bedeutsam und diente auf diese Weise<br />

auch der Verbreitung neuer Methoden. 43 Nach dem Ersten Weltkrieg und der<br />

Depression war Ende der 1920er Jahre und insbesondere ab 1931 der Bedarf<br />

in der <strong>Wirtschaft</strong> für Kostenkontrolle und Methoden der Organisation groß.<br />

Neben den beratenden Ingenieuren traten zunehmend Betriebswirte in den<br />

Beratungsmarkt ein und boten ihre Dienstleistungen an. Dies trieb die Ingenieure<br />

dazu, ihr Portfolio auch auf betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen<br />

auszuweiten. 44 Allerdings wurde das Beratungsgeschäft bis nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg weiter vom RKW und den effizienzlastigen Beratungs-<br />

39 McKenna/Djelic/Ainamo 2003, S. 100.<br />

40 Vgl. McKenna 1995, S. 54 f.<br />

41 Faust 2000, S. 70.<br />

42 Vgl. McKenna/Djelic/Ainamo 2003, S. 100.<br />

43 Vgl. Kipping 1997, S. 70 f.<br />

44 Vgl. Elfgen/Klaile 1987, S. 147 f.


128<br />

leistungen des Scientific Management bestimmt. 45 Auch war die Größe des<br />

Beratungsmarktes noch nicht mit dem der Vereinigten Staaten vergleichbar.<br />

Die Gründe hierfür liegen vorwiegend in einer anderen Managementkultur<br />

der Klientenunternehmen. 46<br />

Neben den obigen Gründen spielten auch in Deutschland legislative Impulse<br />

eine wichtige Rolle für die Entwicklung von Unternehmensberatung. 1931<br />

wurde das bestehende Revisions- und Treuhandwesen mittels Gesetzesänderungen<br />

reformiert. Der Beruf des <strong>Wirtschaft</strong>prüfers entstand und aufgrund<br />

der engen Verflechtung mit den Klientenunternehmen gehörten bald auch<br />

betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen zum Angebot der noch jungen<br />

Branche. 47<br />

3.3 Objektivierung von Unternehmensberatung<br />

Der Übergang von der pre-institutionalisierten Phase der Habitualisierung<br />

zur Phase der Objektivierung erfolgte fließend. Dabei setzte diese Phase in<br />

den USA früher als in Deutschland ein.<br />

Im Zweiten Weltkrieg waren viele Unternehmensberatungen für die US-<br />

Regierung und deren militärische Einrichtungen aktiv. Neben den Erfolgen<br />

der Branche in den vorigen zwei Dekaden war diese Situation eine Signalwirkung<br />

die dazu führte, dass sich Manager immer mehr die Frage stellten,<br />

welche Vorteile der Einsatz von Unternehmensberatern für den eigenen<br />

Betrieb bringt. 48 In den 1950er Jahren begann in den USA die Phase der<br />

Objektivierung. Der Einsatz von Unternehmensberatern in der <strong>Wirtschaft</strong><br />

nahm genauso zu, wie die Anzahl der Beratungsunternehmen. So wurde es in<br />

den 1950er Jahren für die Beratungsfirmen zu einem ernsten Problem, entsprechend<br />

viele, geeignete Berater einzustellen. Aus dieser Zeit stammt die<br />

45 Vgl. Kipping 1997, S. 73 ff.<br />

46 Der „kooperative“ Kapitalismus in Zentraleuropa fördert die Institutionalisierung externer<br />

Managementberatung nicht so stark wie der „Konkurrenzkapitalismus“ in den USA und<br />

Großbritannien, wo die Kommunikation von „best practices“ stärker über Berater als über<br />

bspw. Arbeitgeber- und <strong>Wirtschaft</strong>sverbände, wie in Zentraleuropa der Fall, stattfindet.<br />

Vgl. Faust 2000, S. 74 f.<br />

47 Vgl. Elfgen/Klaile 1987, S. 148 f.<br />

48 Vgl. Brown 1943, S. 183.


129<br />

noch heute gängige Praxis, in großem Umfang talentierte Hochschulabsolventen<br />

zu rekrutieren. 49<br />

Zu Beginn der 1960er Jahre begannen die großen US-Beratungsgesellschaften<br />

ihre Internationalisierungsbestrebungen voran zu treiben und ihren multinationalen<br />

Klientenunternehmen auf die europäischen Märkte zu folgen.<br />

Der Einsatz von Managementberatungen bei erfolgreichen US-Konzernen<br />

und die Kommunikation von „best practices“ als Quelle von Wettbewerbsvorteilen<br />

sorgten bald darauf in Europa für eine verstärkte Inanspruchnahme<br />

von Beratungsdienstleistungen. 50 Schon Mitte der 1960er Jahre dominierten<br />

die großen US-Beratungen weltweit den Markt für Unternehmensberatung. 51<br />

Von dieser Zeit an wurde von einer internationalisierten Branche gesprochen:<br />

„Seit Beginn der 60-er Jahre kann die Entwicklung der Beratung im<br />

anglo-amerikanischen Raum und im kontinental-europäischen Raum kaum<br />

mehr voneinander getrennt betrachtet werden, haben doch in Europa viele<br />

amerikanische Beratungsgesellschaften Niederlassungen eröffnet oder kooperieren<br />

mit europäischen Beratungsgesellschaften.“ 52 In der gleichen Dekade<br />

weiteten die großen <strong>Wirtschaft</strong>sprüfungsgesellschaften, die schon international<br />

tätig waren, ihr Dienstleistungsportfolio aus und nutzten ihre<br />

engen Kontakte zu Klientenunternehmen, um in den Markt für Managementberatung<br />

einzutreten. 53 Es setzte eine regelrechte Amerikanisierung der<br />

Unternehmensberatung ein.<br />

In Deutschland erlebte die Beratungsbranche in der Nachkriegszeit ebenfalls<br />

einen signifikanten Nachfragezuwachs. Der Wiederaufbau der deutschen<br />

<strong>Wirtschaft</strong> und die Wiederaufnahme der Exporttätigkeiten zwangen die Unternehmen,<br />

sich mit den Anforderungen wettbewerbsorientierter Unternehmensführung<br />

zu beschäftigen. Dazu wurde vermehrt auf die Leistungen von<br />

Unternehmensberatern zurückgegriffen. 54 Ab Mitte der 1950er Jahre schlug<br />

sich die gestiegene Bedeutung der Berater auch in der Gründung eines Ein-<br />

49 Vgl. McKenna/Djelic/Ainamo 2003, S. 87 f.; Ruef 2002, S. 86.<br />

50 Vgl. Kipping/Sauviat 1996, S. 10 ff.<br />

51 Vgl. McKenna 2001, S. 675.<br />

52 Stutz 1988, S. 87. Ebenso sprechen von einer internationalisierten Branche Kipping/Sauviat<br />

1996, S. 1; McKenna/Djelic/Ainamo 2003, S. 101.<br />

53 Vgl. Saint-Martin 2000, S. 44.<br />

54 Vgl. Kipping 1997, S. 76.


130<br />

fluss nehmenden Verbandes nieder. 1954 wurde der Bund Deutscher Unternehmensberater<br />

(BDU) gegründet. Der BDU trug wesentlich zur Etablierung<br />

des Begriffs „Unternehmensberatung“ im deutschsprachigen <strong>Wirtschaft</strong>sraum<br />

bei und sorgte für ein stärkeres öffentliches Bewusstsein für diese<br />

Dienstleistungsbranche. Es entstand das Berufsbild des Unternehmensberaters.<br />

55 Allerdings waren bis zum Beginn der 1960er Jahre die Beratungsunternehmen<br />

fast ausnahmslos kleine Gesellschaften und das RKW, mittlerweile<br />

umbenannt in Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen <strong>Wirtschaft</strong>,<br />

dominierte weiterhin die Beratungsthemen sowie die öffentliche Wahrnehmung<br />

der Beraterbranche. 56 In den Boomjahren der 1960er Jahre wuchs das<br />

Beratungsgeschäft sprunghaft und die Internationalisierungsbestrebungen der<br />

großen US-Beratungen sorgten dafür, dass die amerikanischen Managementansätze<br />

als Beratungskonzepte auch in deutschen Unternehmen Einzug hielten.<br />

57 Dabei nahmen die Beratungsfirmen die wichtige Position ein, die<br />

amerikanischen Managementansätze den europäischen Gegebenheiten anzupassen<br />

und auf diese Weise wirkungsvoller zu verbreiten. 58 In diese Jahre<br />

fällt auch die Gründung der größten und erfolgreichsten deutschen Beratungsfirma<br />

Roland Berger Strategy Consultants. 59 Auch der noch junge<br />

BDU trug der internationalisierten Beratungsbranche Rechnung, indem er<br />

sich 1960 an der Gründung des europäischen Verbandes Federation Européenne<br />

des Associations de Conseils en Organisation (FEACO) beteiligte. 60<br />

Bemerkenswert ist allerdings, dass deutsche Beratungen kaum Bestrebungen<br />

nachgingen, ins Ausland zu expandieren. 61<br />

55 Vgl. Elfgen/Klaile 1987, S. 151 ff. 1973 benannte sich der Verband in Bundesverband<br />

Deutscher Unternehmensberater um und ist bis heute der bedeutendste Berufsverband der<br />

Branche.<br />

56 Vgl. Kipping 1997, S: 76 f.<br />

57 Vgl. Elfgen/Klaile 1987, S. 154; Gerybadze 1991, S. 40.<br />

58 Vgl. Bjarnar/Kipping 1998, S. 4 f. Die Autoren identifizieren die Managementberater als<br />

einen wesentliches Medium zur länderübergreifenden Verbreitung amerikanischer Managementpraktiken.<br />

Sie sehen diesen Transfer schon im Marshall-Plan begründet.<br />

59 Vgl. Fink/Knoblach 2003, S. 100-107.<br />

60 Vgl. Elfgen/Klaile 1987, S. 154.<br />

61 Vgl. Kipping/Sauviat 1996, S. 18. Die Gründe hierfür sehen die Autoren darin, dass auch<br />

die deutschen Klientenunternehmen bis weit in die 1970er Jahre hinein nur wenige Internationalisierungsbestrebungen<br />

verfolgten. Weitere Gründe sind sprachliche und kulturelle<br />

Barrieren sowie die Vorherrschaft der US-Beratungen (eda, S. 21 f.).


131<br />

Ab den 1970er Jahren fand eine zunehmende Differenzierung auf dem Beratungsmarkt<br />

statt. Junge, hoch spezialisierte Beratungsgesellschaften etablierten<br />

sich im Markt und sorgten für eine weitere Steigerung des Marktvolumens<br />

und eine Erhöhung des Einflusses der Beratungsunternehmen. 62 In<br />

dieser Zeit expandierte das damals noch junge Beratungsunternehmen Boston<br />

Consulting Group nach Deutschland und die heute renommierte Strategieberatung<br />

Bain & Company wurde gegründet. 63<br />

In den 1980 Jahren verdichteten sich die Anzeichen einer Sedimentation. Die<br />

Umsätze der Berater nahmen deutlich zu und die Unternehmensberatungen<br />

dehnten ihren Einfluss in der <strong>Wirtschaft</strong> zunehmend aus. 64 Diese Zeit war<br />

gekennzeichnet durch eine zunehmende Globalisierung der Weltwirtschaft.<br />

Ebenso veränderten sich die großen transnationalen Unternehmen und deren<br />

Bedarfe an Wissensproduktion für die Lösung komplexer Probleme. Bereits<br />

international aufgestellte Unternehmensberatungen konnten diese Märkte<br />

aufgrund ihrer Erfahrung und den bestehenden internationalen Netzwerken<br />

entsprechend bedienen. 65 Vor diesem Hintergrund ließ sich auch das Erscheinen<br />

von Managementbestsellern, die zu erheblichen Teilen von Beratern<br />

verfasst wurden, erklären. 66 Ab Mitte der 1980er Jahre nahm der Einfluss<br />

dieser beraterinduzierten Managementkonzepte deutlich zu. Aus Sicht<br />

neo-institutionalistischer Ansätze bedienten Managementmoden die von<br />

außen an das Management herangetragenen Rationalitäts- und Effizienzerwartungen.<br />

„It is not so much the validity or proven effectiveness of ideas or<br />

techniques, but that they are seen to be plausible because they capture the<br />

‘spirit of the times’.“ 67 International tätige Unternehmensberatungen konnten<br />

sich so in den 80er Jahren schon einen Reputationsvorsprung verschaffen.<br />

68<br />

62 Vgl. Heuermann/Herrmann 2003, S. 29.<br />

63 Vgl. Fink/Knoblach 2003, S. 98, 125.<br />

64 Vgl. Ernst/Kieser 2002, S. 56; Faust 2000, S. 63, 75.<br />

65 Vgl. Faust 2000, S. 76.<br />

66 Das erste und weltweit erfolgreiche Werk dieser Art erschien 1982: In Search of Excellence<br />

der McKinsey-Berater Peters/Waterman (1982).<br />

67 Sturdy 1997, S. 400.<br />

68 Vgl. Faust 2000, S. 76.


132<br />

3.4 Sedimentation von Unternehmensberatung<br />

Die Sedimentation, d.h. die vollständige Institutionalisierung und Legitimation<br />

der Managementberatung wurde Ende der 1980er Jahre erreicht. Diese<br />

These lässt sich mit Hilfe unterschiedlicher Indikatoren untermauern.<br />

Seit dieser Zeit beschleunigte sich das Wachstum des Beratungsmarktes in<br />

beispielloser Weise. 69 In den Jahren zwischen 1990 und 1995 wuchs der<br />

weltweite Beratungsmarkt durchschnittlich um 7,8 Prozent von 35 auf 51<br />

Mrd. Euro, zwischen 1995 und 2000 beschleunigte sich dann das Wachstum<br />

auf durchschnittlich 17,5 Prozent und ein Marktvolumen von 114 Mrd. Euro<br />

im Jahr 2000. 70 Zwischen 1980 und 1997 erhöhte sich die Zahl der Beratungsunternehmen,<br />

die mehr als 1000 Berater beschäftigten, von unter fünf<br />

auf über dreißig. 71 In den späten 1990er Jahren traten bis zu 40 Prozent der<br />

Absolventen von US-Eliteuniversitäten eine Anstellung in einer Managementberatung<br />

an. 72 Auch in Deutschland wuchs der Beratungsmarkt von<br />

4,5 Mrd. Euro 1990 auf 7,2 Mrd. Euro 1995. Bis zum Jahr 2000 beschleunigte<br />

sich das Wachstum nochmals auf ein Marktvolumen von 12,2 Mrd.<br />

Euro. 73 Und auch in Deutschland wuchs die Attraktivität der Beratungsunternehmen<br />

als Arbeitgeber für Universitätsabsolventen. Mitte der 1990er<br />

Jahre führten die Beratungsgesellschaften McKinsey & Company, Boston<br />

Consulting Group und Andersen Consulting regelmäßig die Rangliste der<br />

Wunscharbeitgeber an. 74 Das Wachstum des Beratungsmarktes und die<br />

wirtschaftliche Bedeutung der Unternehmensberater nahmen in den 1990er<br />

Jahre in einem Ausmaß zu, dass Ernst und Kieser von einer „Beratungsexplosion“<br />

75 sprachen. Beratung war zur Selbstverständlichkeit geworden, es<br />

gab fast kein Unternehmen, das nicht auf externe Ratgeber zurückgriff. „Sich<br />

professionellen Helfern oder Wissensexperten anzuvertrauen, gilt heute als<br />

Hinweis auf einen instrumentell rationalen und ‘vernünftigen’ Umgang mit<br />

69 Vgl. Fincham/Clark 2002, S. 3.<br />

70 Vgl. Schwenker 2004, S. 68.<br />

71 Vgl. Canbäck 1998, S. 4.<br />

72 Vgl. Ruef 2002, S. 79.<br />

73 Vgl. BDU 2003, S. 4.<br />

74 Vgl. Sperling/Ittermann 1998, S. 54.<br />

75 Ernst/Kieser 2002, S. 56.


133<br />

eigenen Ressourcen, Interessen und Zielen.“ 76 Evident wird der taken-forgranted-Status<br />

auch an der Gegebenheit, dass kein Unternehmen <strong>–</strong> anders als<br />

bspw. bei <strong>Wirtschaft</strong>sprüfern <strong>–</strong> gezwungen ist, Managementberater in Anspruch<br />

zu nehmen; es geschieht freiwillig. 77<br />

Die Anerkennung der Institution Unternehmensberatung war aber nicht auf<br />

einen engen Kreis von Insidern begrenzt. Auch in der Öffentlichkeit existierte<br />

ein Bild über die Branche der „Propheten der Effizienz“. 78 Unternehmensberater<br />

wurden als „neue Elite“ 79 gefeiert und es wurde von einer „von<br />

Beratungsgesellschaften beratene Gesellschaft“ 80 gesprochen. Dabei war das<br />

Bild der Berater in der Öffentlichkeit durchaus ambivalent. Zwar galten<br />

Unternehmensberater gemeinhin als überaus qualifiziert und effizient, aber<br />

genauso wurde ihnen unterstellt, ein kompromissloses Profitdenken zu fördern<br />

und Arbeitsplätze zu vernichten. 81 Ganz besonders die großen, einflussreichen<br />

Beratungen standen dabei nicht nur stellvertretend für ihre Branche,<br />

sondern für die Auswüchse des modernen <strong>Wirtschaft</strong>slebens. So bezeichnete<br />

Kurbjuweit bspw. die „Diktatur der Ökonomie“ in unserem gesellschaftlichen<br />

Zusammenleben als „McKinsey-Gesellschaft“. 82 Auch das Theaterstück<br />

„McKinsey kommt“ 83 von Hochhuth bediente sich des Namens der<br />

weltweit erfolgreichen Managementberatung, um das in der Öffentlichkeit<br />

herrschende Bild der Berater zum Zwecke der Systemkritik zu benutzen.<br />

Allerdings konnte auch dieses teilweise kritische Bild von Unternehmensberatung<br />

nicht darüber hinweg täuschen, dass sich Berater einer großen<br />

Glaubwürdigkeit erfreuten, die der Wissenschaft in vielen Bereichen den<br />

Rang ablief. In <strong>Wirtschaft</strong>smagazinen wurden bevorzugt Berater befragt und<br />

76 Eiben/Krekel/Saurwein 1996, S. 224.<br />

77 Vgl. Wooldridge 1997, S. 3 f.<br />

78 Kurbjuweit 1996.<br />

79 Deutschmann 1994.<br />

80 Nicolai 2000, S. 228.<br />

81 Vgl. Heuermann/Herrmann 2003, S. 417 ff.; Sperling/Ittermann, S. 48.<br />

82 Kurbjuweit 2003.<br />

83 Hochhuth 2003.


134<br />

die Politik vergab Aufträge zur Anfertigung von Studien ebenfalls an Unternehmensberatungen.<br />

84<br />

Das Phänomen Unternehmensberatung war aber nicht nur Konkurrenz der<br />

Wissenschaft, sondern hat auch als Forschungsobjekt Einzug gehalten. Im<br />

deutschsprachigen Raum nahmen die wissenschaftlichen Veröffentlichungen<br />

zum Thema Unternehmensberatung in den 1980er Jahren zu. 85 Ab 1990 ist<br />

ein sprunghafter Anstieg der Veröffentlichungen zu beobachten, der zwar<br />

zyklisch verläuft, jedoch einem klaren Wachstumstrend folgte. 86 Dabei<br />

reicht das Spektrum der Veröffentlichungen von praxisorientierten Artikeln,<br />

die kaum einen wissenschaftlichen Abstraktionsgrad besitzen, bis hin zu<br />

qualifizierten Arbeiten, die ein fundiertes Aussagesystem und ein hohes<br />

Abstraktionsniveau aufweisen. 87 Neben der Forschung haben die Universitäten<br />

auch in der Lehre reagiert und bieten entsprechend fokussierte Studiengänge<br />

an. So nahm bspw. die Universität Halle-Wittenberg 2002 den Lehrbetrieb<br />

für das Studienfach „beratungsorientierte Betriebswirtschaftslehre/<br />

Consulting“ auf und an der Universität Oldenburg wurde 2004 die Juniorprofessur<br />

„Business Consulting“ besetzt.<br />

4 Bedeutung des Institutionen-Status für die<br />

Unternehmensberatung<br />

Mit der Institutionalisierung hat sich die Managementberatung als Lieferant<br />

wissensintensiver Dienstleistungen in der <strong>Wirtschaft</strong> etabliert. Dies betrifft<br />

allerdings nicht jedes Beratungsunternehmen. Insbesondere kleine Beratungen,<br />

die von der Anzahl her den Großteil des Beratungsmarktes ausmachen,<br />

können nicht in gleicher Weise am Markt partizipieren. Eine überschaubare<br />

Zahl großer Beratungen teilt den Markt unter sich auf. 88 Der Reputationsvorsprung<br />

dieser fokalen Organisationen ist für kleine Unternehmen kaum auf-<br />

84 Vgl. Kieser 2002b, S. 2 ff.<br />

85 Vgl. Steyrer 1991, S. 3.<br />

86 Vgl. Mohe 2004, S. 694. Bei Mohe findet sich auch eine tabellarische Aufstellung der<br />

Beiträge zur deutschsprachigen empirischen Beratungsforschung der Jahre 1991 bis 2003.<br />

87 Vgl. Steyrer 1991, S. 4.<br />

88 Vgl. BDU 2005, S. 8; Sperling/Ittermann 1998, S. 21ff.


135<br />

zuholen. Dies trifft in besonderem Maße auf die internationalen Erfahrungen<br />

der großen Managementberatungen zu. 89 Aufgrund ihrer eigenen Institutionalisierung<br />

hat die Managementberatung einen Legitimitätsstatus erreicht,<br />

der sich nun auch übertragen lässt. Managementberatung ist zu einer der<br />

wichtigsten Legitimationsquellen für das Management geworden. Dabei geht<br />

es nicht mehr nur um die Bearbeitung organisaionaler Probleme: “Consulting<br />

is employed not only to elaborate and solve problems, but also to legitimize<br />

corporate chance among shareholders and the public [...].” 90 Die Berater<br />

beglaubigen auf diese Weise die an Manager herangetragenen Rationalitätserwartungen.<br />

91 Noch kritischer wird der Einfluss der Berater in der<br />

Soziologie gesehen. So konstatiert Deutschmann: „Die ‚Reflexionselite’, so<br />

hat es den Anschein, predigt nicht länger nur in den produktionsfernen Sphären<br />

der Universität, der Schulen, der Medien, sie hat sich mitten in der Produktionssphäre<br />

selbst eingenistet und übt dort eine durchdringende Herrschaft<br />

über die Symbolwelt aus“. 92 Diese These wird begründet mit dem<br />

Einfluss der Berater auf die <strong>Wirtschaft</strong>ssprache, das Selbstbild und die<br />

Selbstdarstellung der Mehrzahl von Unternehmen. 93<br />

Die institutionalisierte Stellung bedeutet aber nicht, dass es für Unternehmensberatung<br />

eine Erfolgsgarantie gibt. Angesichts der zunehmenden kritischen<br />

Meldungen über Unternehmensberatung wird von einer Krise gesprochen,<br />

in der sich die Beratungsbranche seit Mitte 2001 befinde. 94 Tatsächlich<br />

geraten immer mehr gescheiterte Beratungsprojekte an die Öffentlichkeit<br />

und die Kritik an den Beratern hat sich verschärft.<br />

5 Schlussbemerkung<br />

In diesem Beitrag konnte gezeigt werden, dass aus wissenschaftlicher Sicht<br />

berechtigt von einer Institution Managementberatung gesprochen werden<br />

89 Vgl. Faust 2000, S. 76.<br />

90 Glückler/Armbrüster 2003, S. 285.<br />

91 Vgl. Faust 1998, S. 166.<br />

92 Deutschmann 1993, S. 61.<br />

93 Vgl. Deutschmann 1993.<br />

94 Vgl. Kipping 2002b, S. 269.


136<br />

kann. Die fundamentalen Entwicklungsschritte begannen mit den Gesetzesänderungen<br />

des Glass-Steagall Acts im Jahre 1933, aus denen die heutige<br />

Managementberatung hervorgegangen ist. 95 In den 1960er Jahren förderte<br />

daraufhin insbesondere die Internationalisierung der großen amerikanischen<br />

Beratungsunternehmen auch in Deutschland die Etablierung dieser Branche.<br />

Einige Autoren sehen darin sogar den konstituierenden Faktor für den deutschen<br />

Beratungsmarkt. 96 Die Unternehmensberatung in ihrer heutigen Ausprägung<br />

besitzt aufgrund ihrer Institutionalisierung ein Legitimationskapital,<br />

aus dem sie ihren wirtschaftlichen Erfolg generieren kann. Inwieweit die<br />

zunehmende Kritik der letzten Jahre die Institution angreift und möglicherweise<br />

eine De-Institutionalisierung 97 einleiten kann, bleibt dabei allerdings<br />

noch abzuwarten. In jedem Fall aber ist die Institutionalisierung von<br />

Unternehmensberatung weiterhin ein aktuelles Thema, auch wenn die Fragen<br />

in Zukunft in Richtung eines strategischen Managements des institutionellen<br />

Kontextes bzw. die Rahmenbedingungen eines institutionellen Wandels<br />

gehen sollten.<br />

95 Vgl. McKenna 1995; McKenna/Djelic/Ainamo 2003, S. 100.<br />

96 Vgl. Gerybadze 1991, S. 40; Kipping 1996.<br />

97 Vgl. Oliver 1992.


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Herbert Schulze/Peter Wengelowski<br />

Transkulturelle Kompetenz <strong>–</strong> eine akteursorientierte<br />

Perspektive<br />

1 Globales und Interkulturelles Management<br />

Die Globalisierung von Unternehmensaktivitäten kann aus verschiedenen<br />

Perspektiven gesehen werden. Im Rahmen wettbewerbspolitischer internationaler<br />

Herausforderungen kann sie als Mittel dienen, um übergeordnete<br />

Unternehmensziele zu erreichen. Das internationale Handeln von Unternehmen<br />

kann aber auch selbst zum Leitmotiv werden. Im ersten Fall bedeutet<br />

dies eine überwiegend reaktive Handlungsweise. Unternehmen müssen, um<br />

überlebensfähig zu bleiben, zwangsläufig den Weg einer Internationalisierung<br />

beschreiten. Im zweiten Fall liegt eine proaktive Unternehmenssteuerung<br />

vor, die nicht vorrangig aufgrund des Drucks der Unternehmensumwelt<br />

zustande kommt, sondern den Teil einer umfassenden Unternehmensstrategie<br />

darstellt. Daraus ergeben sich sehr häufig auch unterschiedliche Handlungsabsichten<br />

einer grenzüberschreitenden Unternehmenspolitik.<br />

Das Kernproblem besteht für Unternehmen darin, unter den Bedingungen<br />

der Globalisierung eine Internationalisierungskompetenz aufzubauen. Neben<br />

dem quantitativen Wachstum als Reaktion oder Antizipation von strategischen<br />

Allianzen, Mergers & Acquisitions, Joint Ventures u. ä. geht es für<br />

Unternehmen darum, Fähigkeiten zu entwickeln, um auf den globalen Märkten<br />

zu bestehen.<br />

Zur international komplexeren Bewältigung der Unternehmens-Umwelt-<br />

Beziehungen eröffnen sich unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten. Tendenziell<br />

können dem ersten Fall Kostenstrategien zugeordnet werden, d.h. es<br />

wird nur so viel unternehmerisches Handeln finanziert, wie es nicht zu umgehen<br />

ist, meist aber zu wenig. Im zweiten Fall können sich sehr unterschiedliche<br />

Gestaltungsbereiche ergeben, schwerpunktmäßig in den Katego-


144<br />

rien Struktur, Prozesse, Strategien, Macht, Politik. Kultur wird in diesem<br />

Zusammenhang häufig nicht als ein Aktionsfeld angenommen. Dies lässt<br />

vielfältige Schlüsse zu. Kultur wird anscheinend in der überwiegenden Zahl<br />

der Fälle als nicht handlungsrelevant und nicht erfolgswirksam in internationalen<br />

<strong>Wirtschaft</strong>sbeziehungen angenommen, da von einer weltweiten Gültigkeit<br />

und Kulturunabhängigkeit der Managementkonzepte und -techniken<br />

ausgegangen wird. Danach gibt es keine Kulturrelevanz im Hinblick auf<br />

Managementhandeln. Darüber hinaus wird Kultur als eine Metapher für<br />

Wahrnehmung interpretiert, die aber nicht in gleicher Weise gestaltbar und<br />

beeinflussbar ist wie Struktur und Strategie.<br />

1.1 Internationalisierung als strategisches Entscheidungsproblem<br />

Unabhängig von den jeweiligen klassifizierten Verhaltensmustern von Unternehmen<br />

gibt es in der praxisrelevanten Wirklichkeit nie wirklich die reine<br />

Trennung in reaktive oder proaktive Vorgehensweisen, sondern ein Mixed<br />

an sehr unterschiedlichen Vorgehensweisen, die in sich nicht stets geschlossen<br />

und konsistent sind. Bei der Analyse von potenziellen strategischen Entscheidungs-<br />

und Handlungsfeldern im Internationalisierungsprozess kann als<br />

Systematisierungshilfe auf das inzwischen bekannt gewordene „7S-Modell“,<br />

wie es von Peters/Waterman in die Diskussion über Erfolgsfaktoren für Unternehmen<br />

eingeführt wurde, zurückgegriffen werden, mit dem alle wichtigen<br />

Aspekte von Organisationen betrachtet werden können und die unter<br />

Verweis auf eine als notwendig erachtete Internationalisierungskompetenz<br />

von Unternehmen ihre besondere Bedeutung erhalten.<br />

Dabei können „subordinate Goals“, die einen wesentlichen Teil dieses Modells<br />

ausmachen, als handlungsleitende Werte eines Unternehmens eine<br />

besondere Bedeutung erhalten. Diese spiegeln sich in den jeweiligen Ansprüchen<br />

unternehmensspezifisch wider. Unter Bezug auf die eingangs gemachte<br />

Unterscheidung zwischen reaktivem und proaktivem Vorgehen stellt<br />

sich die Frage, ob im Rahmen einer Internationalisierung Unternehmen sich<br />

an einem handlungsleitenden Wert orientieren, z.B. in der Auffassung über<br />

den Umgang mit Menschen, Technik und Qualität von Gütern und Dienstleistungen.<br />

Bei reaktiv orientierten Unternehmen werden wahrscheinlich nur Spurenelemente<br />

von diesen Überlegungen in der Unternehmenspolitik zu finden<br />

sein, vom Ziel des Aufbaus einer Internationalisierungskompetenz wird man<br />

bei dieser Anpassungsorientierung weit entfernt sein. Die vorrangige Absicht


145<br />

liegt eher in der Praktizierung eines funktionierenden Ausgleichsmechanismus,<br />

wenngleich auch in dieser Form von Unternehmenspolitik selektiv<br />

Strategiebereiche angesiedelt und entwickelt sein können.<br />

Zur Sicherstellung der Unternehmensziele können eine Vielzahl unterschiedlichster<br />

Indikatoren herangezogen werden. 1 Dazu gehören mehr oder<br />

weniger Konzepte strategischer Orientierung, d.h. Bearbeitung z.B. ausgewählter<br />

Auslandsmärkte bis hin zu einer Ausrichtung am Weltmarkt, wie<br />

• unterschiedliche quantitative Wachstum bzw. auch Desinvestitionsstrategien;<br />

• Funktionsstrategien, insbesondere Preis- und Kostenstrategien, die<br />

für sich reaktiv verhaltende Unternehmen letztendlich häufig die<br />

praktikabelste Form als Reaktion darstellen, auch wenn dies nicht<br />

unbedingt der Vorstellung von einer Strategie standhält;<br />

• Strukturbildung, Reorganisation, Reengineering, Schaffung technischer<br />

Kommunikationsstrukturen auf internationaler Ebene. Bereiche<br />

also, die der unmittelbaren Gestaltung zugänglich sind.<br />

Zur Strukturbildung müssen nicht zwangsläufig nur organisatorische Überlegungen<br />

gezählt werden. Ebenso gehören hierzu auch Vorstellungen, die im<br />

Rahmen des internationalen Personalmanagements eine größere Bedeutung<br />

bekommen werden. Dies trifft in einem besonderen Maße auf die Gestaltung<br />

von Anreizsystemen zu. Wenn diese verhaltensbeeinflussend wirken sollen,<br />

müssen sie auch international gesehen der Bedürfnisstruktur ihrer Adressaten<br />

entsprechen. Dazu bedarf es grundsätzlich gut aufbereiteter Informationen,<br />

die sich in einem aussagefähigen Steuerungs- und Berichtswesen niederschlagen.<br />

Auch hier gilt es herauszufinden, inwieweit dieses Informationssystem<br />

positiv den Internationalisierungsprozess fördert oder ob eine Neigung<br />

zur Geheimniskrämerei entwickelt wird. So ist es gerade im Rahmen<br />

der Diskussion um lernfähige Unternehmen nicht unwichtig, wie transparent<br />

im Unternehmen informiert wird und ob dies auch international kulturadäquat<br />

im Hinblick auf die betreffenden Länder geschieht.<br />

1 Vgl. Rothlauf 1999, S. 4.


146<br />

1.2 Kultur und Personal<br />

Unternehmen sind häufig nur bedingt in der Lage, ihr quantitatives Wachstum<br />

durch ein entsprechendes qualitatives Wachstum zu unterstützen. Bei<br />

Akzeptanz der notwendigen Entwicklung kann dies zeitversetzt geschehen.<br />

Im anderen Fall wird es gar nicht oder zu häufig unangemessenen Reaktionen<br />

kommen. Um die Handlungs- und Problemlösefähigkeit von Unternehmen<br />

dem jeweiligen Handlungskontext anzupassen, um Handlungslücken zu<br />

vermeiden, müssen unterstützende Potenziale aufgebaut werden. Dazu gehören<br />

ohne Zweifel verschiedene Kultursysteme wie Landeskulturen, Unternehmenskulturen,<br />

aber auch Berufs-, Branchen- und Gruppenkulturen. Häufig<br />

steht dabei die Unternehmenskultur im Blickpunkt des Interesses. Hier<br />

stellt sich die Frage nach der Tragfähigkeit einzelner Kulturansätze für ein<br />

Unternehmen, das sich international ausrichtet und dies auch als Leitmotiv<br />

versteht.<br />

Da Internationalisierungsprozesse heute sehr vielfältige Ausprägungsformen<br />

haben, angefangen vom klassischen Handlungsfeld der Marktstrategien, z.B.<br />

Import-/Exportbeziehungen, über M&A bis hin zur Zusammenarbeit in internationalen<br />

Teams, kann sich die Betrachtung der Internationalisierungsfähigkeit<br />

von Unternehmen als Ganzes und Mitarbeitern nicht allein mehr auf<br />

den Personenkreis konzentrieren, der grenzüberschreitende Tätigkeiten ausübt.<br />

Das internationale Umfeld stellt deutlich höhere Ansprüche an das Unternehmen.<br />

Diese Risiken können nicht auf den Mitarbeiter abgewälzt werden.<br />

Analytisch heißt das zunächst, diejenigen Mitarbeiter zu identifizieren,<br />

die bislang den Internationalisierungsprozess getragen haben. Davon ausgehend<br />

muss für die möglichen internationalen Schlüsselsituationen ein Gesamtentwicklungs-<br />

und Förderungskonzept gefunden werden, das der Leitidee<br />

eines sich international verstehenden Unternehmens gerecht wird. Dies<br />

betrifft vor allem Potenzialförder- und Weiterbildungsprogramme, Konzepte<br />

zur internationalen Nachwuchsförderung, aber auch Mobilitätsprogramme<br />

für potenzielle In- und Expatriates und gewichtigere Beachtung des Stellenwertes<br />

der Auslandserfahrung bei Reintegrationsmaßnahmen.<br />

Aber auch das Unternehmen muss sich wandeln. Prozesse, Strukturen und<br />

Kommunikationswege dürfen ein internationales Handeln nicht behindern,<br />

sondern müssen diese Ausrichtung durch Organisationsentwicklung fördern<br />

und stabilisieren.<br />

Skills, allgemein umschrieben mit einer internationalen Handlungskompetenz,<br />

stellen zusammen mit der Kulturperspektive und dem Human Resource


147<br />

Management den Kern für eine ressourcenorientierte Globalisierungsstrategie<br />

dar. Die Notwendigkeit der Verknüpfung dieser Bereiche zeigt sich insbesondere<br />

vor dem Hintergrund häufig stattfindender internationaler Zusammenarbeit.<br />

Viele Unternehmen leben nach wie vor aber in einer Art Monokulturismus,<br />

den sie selbst durch ihre Personalpolitik ständig reproduzieren.<br />

Auch die zunehmende Einstellung von ausländischen Mitarbeitern in<br />

höheren und gehobenen Positionen bedeutet nicht einen Wechsel dieser<br />

Politik. Häufig führt dieser Personenkreis dann im Stammhaus eher ein Exotendasein.<br />

Wenn von Integration gesprochen wird, dann ist häufig die Integration<br />

im Sinne von Anpassung, d.h. Integration durch Vereinheitlichung<br />

gemeint. Konzepte wie das Managing Diversity, die auf Synergiepotenziale<br />

und Nutzung der kulturellen Unterschiedlichkeit von Mitarbeitern abstellt in<br />

Form des Cultural diversity, sind kaum anzutreffen oder werden nicht systematisch<br />

umgesetzt. In vielen Unternehmen fehlt im Bezug auf international<br />

wirtschaftlich-unternehmerisches Handeln das Bewusstsein für den Einfluss<br />

von Kulturen auf die Ökonomie. Länder werden in erster Linie als Märkte<br />

gesehen und Mitarbeiter sind nach wie vor in vielen Unternehmen erst einmal<br />

Produktionsfaktoren. Was die Nutzung möglicher Potenziale von Skills<br />

angeht, führt dies zwangsläufig zu entsprechenden Redundanzen in den<br />

Sichtweisen. Damit einher geht nach wie vor das Denken der Unternehmensführung:<br />

Ausland gleich Inland und Handlungskompetenz gleich Fachkompetenz,<br />

die im Einzelfall um die Beherrschung der jeweiligen Landessprache<br />

zu ergänzen ist. Dieser Monokulturismus wird dann noch stabilisiert<br />

durch ein klassisch praktiziertes Personalmanagement mit seinen entsprechenden<br />

Instrumenten wie Beförderungs- und Beurteilungsrichtlinien, Laufbahnplanung<br />

usw.. Die meisten Unternehmen lassen trotz gegenteiliger Beteuerungen<br />

tatsächlich kulturelle Vielfalt und Divergenzen selten zu. Im<br />

Gegenteil: Vielfalt wird häufig als Bedrohung empfunden und es wird darauf<br />

mit Ignoranz und Verneinung reagiert, sofern dies überhaupt ernsthaft als ein<br />

brauchbares Handlungsmuster zu bezeichnen ist. Wenn Kultur, dann wird<br />

diese eher im absolut Fremden vermutet. Dies zeigen Untersuchungen, in<br />

denen in einem sehr hohen Maße die Notwendigkeit einer interkulturellen<br />

Kompetenz von Fach- und Führungskräften gefordert wird, die in arabischen<br />

und asiatischen <strong>Wirtschaft</strong>sräumen tätig sind. Ansonsten wird sehr stark<br />

vereinfachend zwischen den großen Industrienationen eine Ähnlichkeitsannahme<br />

unterstellt. Die Vorstellung lässt sich sehr anschaulich insbesondere<br />

am Beispiel der fortschreitenden europäischen Integration nachvollziehen.


148<br />

In diesem Zusammenhang besagt die sog. Kultur-Distanz-Hypothese, dass<br />

die Wahrscheinlichkeit von Kulturkonflikten mit zunehmender kultureller<br />

Distanz steigt. Dabei ist aber entscheidend, wie mit der Andersartigkeit und<br />

Fremdheit umgegangen wird. Modelle und Vorstellungen, wie sie sich in<br />

Überlegungen zum sog. Euro-Manager oder gar Global Manager manifestieren,<br />

veranschaulichen das Spektrum an Möglichkeiten. Die Homogenität von<br />

kulturellen Rahmenbedingungen, wie sie weitgehend im Konzept des Universalismus<br />

postuliert wird, geht von einer entsprechenden Ähnlichkeitsannahme<br />

zwischen den Kulturen aus, während der Kulturrelativismus das besondere<br />

Eingehen auf die jeweils andere bzw. andere Kulturen im Blickpunkt<br />

des Interesses stellt. Die Ausbildung der kulturellen Relevanz auf<br />

Entscheidungen und Verhalten von Unternehmen lässt sich dann damit erklären,<br />

dass der Führungsgegenstand, Mensch oder Betrieb, so zu gestalten ist,<br />

dass er führ bar wird.<br />

Management wird dabei als ein Steuern von Objekten und Sachverhalten<br />

betrachtet, die außerhalb der eigenen Person liegen. Diese bleibt unberührt,<br />

sie muss sich nicht ändern oder anpassen. In diesem eigenschaftsorientierten<br />

Ansatz geht es darum, die Außenwelt zu verändern, ohne sich selbst verändern<br />

zu müssen und ohne Teil von ihr zu sein. Weiterbildungsaktivitäten<br />

spiegeln sich dann vor allem in Vermittlung von Methodenwissen wider,<br />

z.B. Wissen, wie etwas gemacht werden kann. Kultur, sofern sie in ihrer<br />

Wirkung wahrgenommen wird, unterliegt dann den Nutzungs- und Instrumentalisierungsabsichten.<br />

Es geht aber nicht um das Verstehen Wollen,<br />

sondern um die Reflexion gemachter Erfahrungen. Diese Art der Vernachlässigung<br />

realer Bedingungen des konkreten unternehmensbezogenen Handelns<br />

transzendiert jede Herkunftskultur und setzt das Individuum nur noch<br />

ins Verhältnis zur Welt. Ähnliche, teilweise von der Realität abstrahierende<br />

Konzepte finden sich in den weitverbreiteten Überlegungen zum one-world<br />

manager oder konkreter bezogen auf den so genannten Euro-Manager. Die<br />

Konvergenzvorstellungen, die diesen Überlegungen implizit sind, vermitteln<br />

aber nur einen Teil von Managementhandeln. Das Bild des offensichtlich<br />

wunderbar handlungsfähigen Managers weist augenfällige Defizite auf, die<br />

in der Unternehmenspraxis „erfolgreich“ kaschiert werden. So wird bei misslungenen<br />

Auslandseinsätzen häufig auf die angeblich fachliche Inkompetenz<br />

der ausländischen Verhandlungspartner oder Mitarbeiter verwiesen. Weitere<br />

Gründe werden häufig in der mangelnden Bereitschaft von Familienangehörigen<br />

gesehen, den Auslandsaufenthalt auf längere Sicht mit zu<br />

tragen.


149<br />

Wenn aber die Kultur eines Landes zu Unterschieden in managementrelevanten<br />

Handlungsfeldern führt, so dürfen Unternehmen in ihren Entscheidungen<br />

und ihrem Verhalten landeskulturelle Aspekte keineswegs ausblenden.<br />

Der Unternehmenserfolg hängt dann doch sehr stark von der Stimmigkeit<br />

zwischen Unternehmensstrategien, -strukturen, -prozessen, -kultur und<br />

der Landeskultur ab. Dies insbesondere deshalb, weil unterschiedliche Landeskulturen<br />

differenzierte und dabei relativ veränderungsresistente Muster<br />

von Gedanken, Werten, Einstellungen und Verhaltensweisen hervorbringen.<br />

Damit sind nicht nur Konflikte vorprogrammiert, sondern das kulturelle<br />

Kapital und Ausstattung eines Landes bzw. das eines ausländischen Partnerunternehmens<br />

wird nicht in seiner Bedeutung als kulturelle Ressource erkannt<br />

und entsprechend in die Unternehmenspolitik integriert und nutzbar<br />

gemacht.<br />

Gleichzeitig darf man aber nicht der Naivität unterliegen, jedes konkrete<br />

Verhalten von Menschen auf kulturelle Faktoren zurückführen zu wollen,<br />

wenn das tatsächlich gezeigte Verhalten nicht durch landeskulturelle Prägung<br />

beeinflusst ist, sondern durch z.B. persönliche Einstellungsmuster gesteuert<br />

wird, die eben nicht landestypisch sind. Dies hieße einem kulturellen<br />

Determinismus das Wort zu reden, was nicht ernsthaft vertreten werden kann<br />

aufgrund der vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen den Kulturebenen<br />

und den anderen Einflussfaktoren.<br />

2 Struktur, Strategie und Systeme<br />

Zweifelsohne gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die zu einer Internationalisierungsentscheidung<br />

führen können, die spontane, „aus dem Bauch<br />

heraus“ oder auch die geplante, durchdachte Form. Strategisches Verhalten<br />

basiert auf einem zielorientierten Vorgehen, das vor allem durch Planung,<br />

Analyse, Entscheidung und Kontrolle gekennzeichnet ist. Am Ende dieses<br />

strategischen Managementprozesses stehen von den Unternehmenszielen<br />

abgeleitete Maßnahmen, die zur Erhaltung und Prosperität des Unternehmens<br />

dienen sollen.


150<br />

2.1 Unternehmensform in der Internationalisierung<br />

Im Zusammenhang mit der Internationalisierungsentscheidung stellt die<br />

Markteintrittsform eine strategische Wahl dar. Basierend auf der Gesamtstrategie<br />

und abgestimmt auf die operativen Möglichkeiten des Unternehmens<br />

wird versucht, die passende Internationalisierungsform zu finden. Dabei<br />

stehen den Unternehmen Formen des Exports, der Lizenzvergabe, Kooperationen<br />

und Direktinvestitionen zur Auswahl. Die Unterschiede liegen<br />

z.B. in der Kapitalintensität des Auslandsgeschäftes oder der Wertschöpfungsintensität<br />

des Unternehmens im Ausland.<br />

Es ist aber zu beobachten, dass die Internationalisierung von Unternehmen<br />

dabei einen stufenartigen Verlauf nimmt und die Internationalisierung als<br />

selbst verstärkender Prozess aufgrund von Erfahrungen sich intensiviert.<br />

Internationalisierung<br />

• Erschließung neuer<br />

Märkte<br />

• Intensivierung des<br />

Auslandsengage-<br />

Umsatzwachstum<br />

Abb. 1 Internationalisierung als ein sich verstärkender Prozess.<br />

Quelle: In Anlehnung an Müller/Kornmeier 2002.<br />

Umsatzwachstum<br />

Verbesserung der Erlös-<br />

und Gewinnsituation<br />

Im Sinne eines modelltypischen Internationalisierungsprozesses wäre dann<br />

mit folgender Abfolge von Markteintrittsstrategien zu rechnen:


151<br />

− Indirekter Export<br />

− Direkter Export<br />

− Kooperative Arrangements (Lizenz, Vertragsproduktion, Joint Venture)<br />

− Direktinvestitionen<br />

In Abhängigkeit zu den bearbeiteten Märkten (sicher/unsicher), den Unternehmensressourcen<br />

(Kapital, Know-how und Personal) und den persönlichen<br />

Erfahrungen der Entscheidungsträger wird von diesem Modell in der Praxis<br />

oft abgewichen. Insofern sind eindeutige Aussagen über den optimalen Internationalisierungsprozess<br />

nur unter der Maßgabe der vorhandenen Anforderungen<br />

eines Unternehmens und dessen Entscheidungsträger zu treffen.<br />

Auch die Internationalisierungsentscheidung gestaltet sich demnach nicht<br />

nach rationalen Kriterien, sondern beinhaltet sowohl systematische Planung,<br />

persönliche Erfahrungen und Interessen als auch die wahrgenommen Rahmenbedingen<br />

in der Entscheidungssituation.<br />

Eine weitere Internationalisierungsentscheidung ist als strategisch anzusehen,<br />

die der Standortwahl von Tochterunternehmen. Dabei ist die Standortentscheidung<br />

von hoher Bedeutung und von oft langfristiger Wirkung für das<br />

jeweilige Unternehmen.<br />

Aus strategischer Sicht kann es sich um die Bearbeitung von Beschaffungs-,<br />

Produktions-, und/oder Distributionsmärkten handeln. Vor allem im Zusammenhang<br />

mit der Frage der Produktionsfaktoren werden monetäre Größen,<br />

wie Lohn- und Lohnzusatzkosten diskutiert und eine Verlagerung der Produktion<br />

ins Ausland ins Auge gefasst. Empirische Untersuchungen zeigen<br />

aber, dass eine derartig einseitige Betrachtung zu Problemen führen kann, da<br />

z.B. Fragen der Performance, also qualitative Anforderungen nicht erfasst<br />

und bedacht werden.<br />

Im Klartext heißt das für die Unternehmen, dass sie z.T. nicht über wesentliche<br />

Faktoren wie erreichbare Produktivität, Aufbau- und Verlagerungskosten,<br />

Technologieanpassungskosten, organisatorische Umstellungen und Qualifikation<br />

sowie Remanenzkosten (nicht abbaubare Fix- und Gemeinkosten<br />

am "alten" Standort) nachdenken.<br />

In Abhängigkeit mit der Standortwahl sind aber noch andere Strategien verknüpft.<br />

So die strategische Ausrichtung zwischen lokal und global als auch<br />

die Frage der Marktbearbeitung durch Standardisierung oder Individualisierung.<br />

Sollen nun länderspezifische Gegebenheiten berücksichtigt werden


152<br />

oder ermöglichen die Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens<br />

eine globale, meist standardisierte Marktbearbeitung.<br />

Coca-Cola versuchte bis in die 90er Jahre ihr Image als globale Firma und<br />

Marke zu entwickeln und richtete darauf ihre Strategie aus. Im Sinne einer<br />

sehr geringen lokalen Berücksichtigung und einer hohen globalen Präsenz<br />

durch die Zentralisierung der Entscheidungen und der Standardisierung der<br />

operativen Tätigkeiten. Coca-Cola koppelte sich somit zunehmend von den<br />

veränderten Anforderungen ab. Sie entwickelten sich global, obwohl sie<br />

lokal hätten operieren müssen. 2<br />

Seit dem Jahr 2000 haben sie mit dieser strategischen Ausrichtung erhebliche<br />

Probleme bekommen, da sie den Marktanforderungen in Form der Berücksichtigung<br />

regionaler Unterschiede nicht gerecht werden konnten und<br />

wollten. Vor allem die kulturellen Unterschiede zwischen Europa, Asien und<br />

USA zeigten auch unterschiedliche Verbrauchsgewohnheiten. Globalisierungseffekte<br />

vollständig auszuschöpfen, wäre nur möglich, wenn sich die<br />

Bedürfnisse nach Produkten und Dienstleistungen so angleichen, dass eine<br />

weltweit einheitliche Vorstellung vorhanden wäre. Das Gegenteil ist aber der<br />

Fall. Universelle Vorstellungen von Produkten und Dienstleistungen (z.B.<br />

das globale Automobil) haben sich nicht gegen regionale Bedürfnisse und<br />

Wünsche durchsetzen können. Insofern müssen erhebliche Unterschiede in<br />

der Bedürfnisbefriedigung und Marktbearbeitung durch die Unternehmensstrategie<br />

Berücksichtigung finden. 3<br />

Expansionsmöglichkeiten für Coca-Cola zeichneten sich nur damit ab, wenn<br />

sie auf die lokalen Besonderheiten Rücksicht nehmen würden. Die globale<br />

Strategie stand am Ende der Wachstumsmöglichkeiten. Die dadurch notwendig<br />

gewordene Strategieerneuerung zielt nun aber auf lokale Besonderheiten<br />

("think local, act local") ab. Bestandteile dieser rationalisierten Strategie<br />

sind: Entscheidungen werden jetzt stärker auf der lokalen Managementebene<br />

getroffen, die Zentrale beschränkt sich auf die Entwicklung des Markenmarketings<br />

und überlässt den lokalen Unternehmen die notwendige differenzierte<br />

Umsetzung, zudem engagiert sich Coca-Cola immer stärker im Bereich<br />

der lokalen bzw. regionalen Wohlfahrt. Marktwachstum zielt nunmehr<br />

2 Vgl. Daft 2000, S. 336.<br />

3 Vgl. Rugman/Hodgetts 2001, S. 334.


153<br />

nicht mehr auf einen einheitlichen globalen, sondern auf unterschiedliche<br />

regionale Märkte.<br />

Die Sartorius AG fertigte in den 90er Jahren noch Elektronikteile in<br />

Deutschland. Zunehmend wurden aber Elektronikteile guter Qualität aus<br />

Billigländern importiert. In einem Preiswettbewerb sollten diese Low-cost-<br />

Vorteile von jedem Unternehmen genutzt werden. Standortverlagerung galt<br />

als das Schlüsselwort der Globalisierung. Auch die Sartorius AG hatte diesen<br />

strategischen Schritt in Erwägung gezogen. Sie merkte aber schnell, dass die<br />

asiatischen Partner zwar kostengünstig Elektronikteile herstellen konnten,<br />

aber nicht über das Know-how des deutschen Standorts und deren Fähigkeiten<br />

der Reproduktion und Entwicklung verfügten. 4 Von der anfänglichen<br />

Verlagerungsstrategie wurde abgerückt und die Technologiedifferenzierungsstrategie<br />

als neue Ausrichtung entwickelt. Dieses bedeutet eine Arbeitsteilung<br />

zwischen Asien und Deutschland, indem die lohnintensiven<br />

standardisierbaren Arbeiten in Asien und die aus innovativen Know-how<br />

basierenden Tätigkeiten weiterhin in Göttingen umgesetzt wurden.<br />

Diese Beispiele zeigen die Wichtigkeit einer strategischen Ausrichtung und<br />

deren notwendigen Überprüfung auf ihre Richtigkeit bzw. Erfolgswirksamkeit.<br />

Es wird aber auch deutlich, dass eine strategische Ausrichtung eines<br />

Unternehmens als Prozess angesehen und wahrgenommen werden muss.<br />

Geschieht dieses nicht, erscheint die Wahl einer Strategie als einmalige,<br />

möglicherweise nicht revidierbare Entscheidung. Dann ergeben sich zumindest<br />

bei Veränderungen der Marktgegebenheiten erhebliche Probleme. Der<br />

strategische Prozess gestaltet sich durch Rückkopplungen und stetige Zielüberprüfung,<br />

damit frühzeitig Entwicklungen im Unternehmensumfeld<br />

wahrgenommen und durch entsprechende Maßnahmen darauf reagiert werden<br />

kann. International ausgerichtete Unternehmen können nur durch die<br />

Ausnutzung unterschiedlicher Potenziale Strategien entwickeln. Gerade die<br />

Ausnutzung der physischen und psychischen Unterschiede in der Welt lassen<br />

die Leistungsfähigkeit von Unternehmen wachsen. Die Unternehmensbeispiele<br />

zeigen, dass integrative Strategien Wissen, Personal und Technik<br />

sinnvoll miteinander verbinden.<br />

4 Vgl. Kinkel/ Jung-Erceg/ Buhmann 2002, S. 11.


154<br />

Insgesamt handelt es sich bei der Auswahl einer Internationalisierungsstrategie<br />

um eine komplexe, schwer zu strukturierende, kontinuierliche und auf<br />

Kommunikation basierende Entscheidung (Welge 1998).<br />

2.2 Auswirkungen auf die Organisationsstruktur<br />

Internationalisierungsentscheidungen haben auch immer Auswirkungen auf<br />

die jeweilige Unternehmensstruktur. Dabei ist der Fokus auf zwei Aspekte<br />

zu richten: Entweder bestimmt die vorhandene Organisationsstruktur das<br />

Auslandsengagement, indem sie die Voraussetzungen und Bedingungen<br />

darstellt unter denen eine Internationalisierung stattfinden kann. Oder das<br />

Unternehmen entscheidet sich im Zusammenhang mit einer neuen strategischen<br />

Ausrichtung auch für eine neue strukturelle organisatorische Basis.<br />

Dieser Zusammenhang erscheint gerade bei Exportaktivitäten oder Produktionsverlagerungen<br />

nur geringe Berücksichtigung zu finden. Die vorgenannten<br />

Internationalisierungsentscheidungen werden nicht als so gravierend in den<br />

Auswirkungen für die Konfiguration des Unternehmens angesehen. Dieser<br />

Annahme kann am Beispiel der sog. Globalisierungsfalle widersprochen<br />

werden.<br />

Eine grenzüberschreitende Tätigkeit mit der Verteilung von Produktionsund<br />

Geschäftsprozessen führt unweigerlich zu einer Steigerung der Komplexität<br />

im Unternehmen. Sowohl die Anforderungen an die Logistik, die Organisation<br />

der Produktionsmengen und der Produktvielfalt erfordern eine erhöhte<br />

Abstimmung im Unternehmen, um kostenintensive Redundanzen zu<br />

minimieren. Die Schwierigkeit liegt darin, dass nur eine notwendige Reorganisation<br />

im Sinne der Anpassung der Struktur an die Strategie auch die gewünschten<br />

Effekte der Internationalisierung realisieren läßt. Geschieht dieses<br />

nicht, setzen sich kostenintensive Mehrarbeit, Blind- und Fehlleistungen<br />

durch und verschlechtern die Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Die<br />

Folge sind zunehmend unzufriedene Kunden, die lediglich mit niedrigeren<br />

Preisen zufrieden zu stellen sind. Dieses impliziert weitere Internationalisierungsmaßnahmen,<br />

die aber ohne die Einführung einer Reorganisation nur<br />

noch weitere negative Verstärkungseffekte realisieren. 5<br />

5 Vgl. Augustin/ Büngers 1998, S. 107.


155<br />

Die Schwierigkeit der Organisation des internationalen Geschäfts besteht<br />

darin, dass die vorhandenen internationalen Unterschiede nun auch innerhalb<br />

des Unternehmens berücksichtigt und umgesetzt werden müssen. Mehrere<br />

Sprachen, mehrere Nationalitäten, verschiedene soziokulturelle Einflussfaktoren,<br />

unterschiedliche Daten- und Wissensbestände, räumliche Distanz,<br />

Währungsunterschiede, unterschiedliche Rechnungslegungsvorschriften und<br />

unbekannte "Spielregeln" des Business sind in diesem Zusammenhang organisatorisch<br />

zu integrieren.<br />

Insofern muss z.B. in Informations- und Kommunikationstechnologie investiert<br />

werden, um eine einheitliche Datenbasis zu schaffen. Regeln für die<br />

internationale Zusammenarbeit ausgearbeitet und die Steuerung durch Kennzahlen<br />

intensiviert werden. Hinzu kommen noch Schulungs- und Entwicklungsmaßnahmen,<br />

um den Wissenstransfer im Unternehmen zu gewährleisten.<br />

Bei der Organisation der Mitarbeiterkommunikation kommt es dann<br />

darauf an, die entsprechenden lokalen und internationalen Informationen so<br />

aufzubereiten, dass die Mitarbeiter über beide Bereiche ausreichend informiert<br />

sind. Eine internationale Mitarbeiterzeitschrift kann hierbei hilfreich<br />

sein. Zur Organisation des internationalen Handels in Unternehmen gehört<br />

aber auch der personelle Austausch, z.B. die Betreuung sog. Expatriates.<br />

Welche Mitarbeiter sollen ins Ausland entsendet werden? Wie sind diese am<br />

Standort zu ersetzen? Was machen wir mit den Wiederkehrern? Dieses sind<br />

alles Fragen, die in diesem Zusammenhang aufgeworfen werden und das<br />

Organisationsgefüge des Unternehmens nachhaltig beeinflussen.<br />

Die Unternehmenspraxis zeigt, das ganz unterschiedlich auf die verschiedenen<br />

Anforderungen internationalen Handelns reagiert werden kann. Die<br />

Gestaltungselemente sind dabei sowohl technokratisch als auch personenorientiert.<br />

Technokratische Instrumente umfassen die Planung und Formalisierung.<br />

Planung<br />

Zielplanung Strategieplanung Ressourcenplanung<br />

Technokratische Instrumente<br />

Formalisierung<br />

Programmierung Normierung Transferpreise<br />

Abb. 2 Technokratische Organisationsinstrumente des internationalen Unternehmens.<br />

Quelle: eigene.


156<br />

Das Instrument der Planung basiert auf periodisch wiederkehrenden Vorgaben<br />

für die internationalen Geschäfte. Die Pläne strukturieren zukünftige<br />

Entscheidungs- und Handlungsspielräume. Die Zielplanung umfasst die<br />

Ermittlung und Festlegung von Teil- und Gesamtzielen. Dabei handelt es<br />

sich zunächst um erwünschte Sollzustände. Die Strategieplanung bestimmt<br />

die Maßnahmen für die Marktbearbeitung und koordiniert die nationalen und<br />

internationalen Aktivitäten. Bei der Ressourcenplanung stehen vor allem<br />

monetäre Größen im Mittelpunkt, wie sich aber zeigt sind vor allem im internationalen<br />

Geschäft auch langfristige Planungen für sachliche und personelle<br />

Ausstattungen von Nöten. Zunächst erfolgt aber eine Budgetierung, die<br />

es ermöglicht durch die Kontrolle der Ressourcen auch das Unternehmensgeschehen<br />

auf räumlicher Distanz zu steuern.<br />

Mit Hilfe der Formalisierung, also der schriftlichen Fixierung organisatorischer<br />

Regeln, der Fixierung des Informationsflusses im Unternehmen und<br />

der Leistungsdokumentation können operative Prozesse aufgrund ihrer stabilen<br />

Abstimmungserfordernisse effizienter gestaltet werden. Im internationalen<br />

Unternehmen wird dieses auch von allen Beteiligten in den Bereichen<br />

Finanzierung, Rechnungswesen, Planung und Kontrolle akzeptiert, um den<br />

rechtlichen und strategischen Anforderungen gerecht zu werden. Entscheidungsprozesse<br />

werden durch Formalisierung aller Erfahrung nach inflexibel<br />

und schwerfällig. Daher ist immer zu überprüfen, welche Leistungen programmiert<br />

bzw. standardisiert werden und welche Auswirkungen dieses<br />

Vorgehen auf die Leistungsmerkmale des Unternehmens hat. Verrechnungspreise<br />

dienen der Ressourcenallokation und haben Wertbemessungs- und<br />

Gewinnverlagerungsfunktionen.<br />

Personenorientierte Instrumente konzentrieren sich auf persönliche Weisung,<br />

Selbstabstimmung und Sozialisation. Vor allem in KMU´s wird das Instrument<br />

der persönlichen Weisung stark genutzt. Organisation und Kontrolle<br />

des grenzüberschreitenden Handels erfolgen auf höchster Geschäftsebene.<br />

Vorteile der persönlichen Weisung sind in der relativ einfachen Handhabung<br />

zu sehen, der Flexibilität und der Möglichkeit präzise Vorgaben zu machen.<br />

Insofern ist ein direktes Eingreifen von Oben jederzeit möglich. Problematisch<br />

gestaltet sich diese Organisation des internationalen Unternehmens mit<br />

zunehmender Koordination. Die Folge ist eine Überlastung der Führungsebenen,<br />

in KMU´s meist der Geschäftsführung. Es ist dann nicht ausgeschlossen,<br />

dass eine mangelnde Koordination und Abstimmung die Folgen<br />

sind. Auch hierbei ist wiederum zu überprüfen, ob die Entscheidungen, die


157<br />

möglicherweise ohne Berücksichtigung der lokalen Besonderheiten zustande<br />

gekommen sind, überhaupt umsetzbar und erfolgreich sind.<br />

Zur Unterstützung der formalen Organisationsstrukturen dienen auch Projekt-<br />

und Arbeitsgruppen oder Teams. Sie erlangen eine wachsende Bedeutung<br />

zur Steuerung globaler Prozesse, um die vertikale Aufbauorganisation<br />

flexibler und anpassungsfähiger zu gestalten. Die Teams wirken lateral verknüpfend.<br />

Im Sinne einer Selbstabstimmung, werden Entscheidungen in<br />

Gruppen getroffen. Die Selbstabstimmung kann dabei fallweise (spontane<br />

Gruppenbildung), themenspezifisch (problem- und fachbezogen) oder institutionalisiert<br />

(Arbeitskreise, Fachausschüsse) erfolgen. Durch diese Art der<br />

Entscheidungs- und Aufgabenkoordination erhält sich das gewachsene Unternehmen<br />

eine hohe Flexibilität, entlastet die Kommunikation über den<br />

Instanzenweg und ermöglicht einen Informationsaustausch zwischen unterschiedlichen<br />

Locationen im Unternehmen. Die Form der Selbstabstimmung<br />

bietet sich vor allem für räumlich noch nicht so ausgedehnte internationale<br />

Unternehmen an, da mit zunehmender physischer Entfernung Effizienzgrenzen<br />

erreicht werden können. Zudem basiert diese Form der Organisation auf<br />

einer von den Gruppenmitgliedern geteilten Unternehmenskultur. Nur ein<br />

gegenseitiges Verständnis lässt Verantwortung für Gruppenentscheidungen<br />

entwickeln. Selbstabstimmung in einer Gruppe von "Einzelkämpfern" deren<br />

eigenen Interessen im Vordergrund von Entscheidungen stehen, führen zu<br />

Rivalität und Machtkämpfen. Insofern ist auch immer zu überprüfen, ob<br />

diese Art der Organisation von Unternehmensabläufen in die Kultur des<br />

Unternehmens passt. Die Sozialisation als personenorientiertes Organisationsinstrument<br />

basiert auf der Verinnerlichung von geteilten Werten durch<br />

die Unternehmensmitglieder. Dieses hat zu Folge, dass ein kulturorientierter<br />

Ordnungsrahmen entsteht, der sich vor allem komplexitätsreduzierend auswirkt.<br />

Bestimmte Handlungs- und Entscheidungsalternativen werden aufgrund<br />

der verinnerlichten Unternehmensnormen von den Mitarbeitern weder<br />

in Erwägung gezogen, noch umgesetzt. In diesem Zusammenhang kann die<br />

Sozialisation durch eine gezielte Kulturvermittlung vom Unternehmen unterstützt<br />

werden und so zu einem einheitlichen Kulturverständnis beitragen. Bei<br />

Erfolg, einer hohen Verankerungstiefe in der Mitarbeiterschaft über alle<br />

Grenzen hinaus, können so formale Koordinationsinstrumente vermieden<br />

bzw. in ihrem Umfang deutlich eingeschränkt werden. Im internationalen


158<br />

Kontext können insbesondere Akkulturationsprobleme6 , aber auch die hohen<br />

Kosten für den Implementierungsaufwand entstehen.<br />

Es steht außer Frage, dass sich mit dem internationalen Engagement eines<br />

Unternehmens auch die Geschäftprozesse verändern. Insofern müssen dann<br />

weltweit die Prozesse aufeinander abgestimmt werden, damit keine Doppelarbeit<br />

oder Veränderungen in der Kundenbetreuung entstehen (siehe Globalisierungsfalle).<br />

Über die physische und psychische Distanz hinweg, muss<br />

gewährleistet werden, dass sich die Leistungen des Unternehmens für den<br />

Kunden nicht verschlechtern. Die Zusammenarbeit in den einzelnen Funktionsabteilungen<br />

und Location wird insofern neu organisiert und immer wieder<br />

auf die Erreichung der Unternehmensziele hin überprüft.<br />

In einem internationalen Unternehmen sind alle Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

auf einen Standard auszurichten. Dabei sollte sich<br />

Gedanken gemacht werden, welche Geschäft- bzw. Unternehmenssprache<br />

relevant sein soll. Zudem sind vor allem bezogen auf die unterschiedlichen<br />

rechtlichen Voraussetzungen einheitliche Rechnungslegungen zu vereinbaren.<br />

Die Schwierigkeit besteht darin, Systeme zu finden, die weltweit nutzbar<br />

und einsatzfähig sind. Aufgrund unterschiedlicher Standortbedingungen<br />

können diese Anforderungen nicht immer eins zu eins erfüllt werden. Zudem<br />

müssen erhebliche Investitionen in die Datensicherheit fließen, damit keine<br />

Daten verloren gehen bzw. verfälscht werden können.<br />

3 Strategie, Kultur und Unternehmen<br />

Die im Kapitel 2 dargestellten kritischen Überlegungen zeigen, wie in der<br />

Praxis nach wie vor von dem Glaubenssatz ausgegangen wird, dass eine<br />

effiziente Gestaltung von Strategie, Struktur und System den Unternehmenserfolg<br />

garantiert. Mag im nationalen Kontext noch einiges für die Aufrechterhaltung<br />

dieser Überlegungen sprechen, so ist gerade international dieser<br />

Ansatz kaum länger aufrecht zu erhalten. Wie schon am Einzelfall verdeutlicht,<br />

ist die alleinige Orientierung an der Markt-Produkt-Strategie äußerst<br />

problematisch. Typisch für diesen Ansatz ist die meist, wenn auch nicht<br />

unbedingt rational reflektierte, behauptete Konvergenz in der wirtschaftli-<br />

6 Siehe dazu im Weiteren den Kulturaspekt.


159<br />

chen internationalen Entwicklung, die eingebettet ist in einen globalen Wettbewerb,<br />

dessen Fortschrittsfaktor danach die diffundierten technologischen<br />

Entwicklungen darstellt. Die Existenz einer einzigen, universal überlegenen<br />

Technologie wird allen anderen Einflussfaktoren überlegen sein. Nationale<br />

<strong>Wirtschaft</strong>sräume, die insbesondere charakterisiert werden durch die Besonderheiten<br />

ihrer landeskulturellen Prägung und ihrer nationalen institutionellen<br />

Bedingungen werden sich danach der technologischen Dominanz nicht<br />

versperren können. Diese Sachzwänge und vermeintlich identischen Aufgabenstellungen<br />

lassen den Eindruck entstehen, als ob dem daraus resultierenden<br />

Managementverhalten eine universelle Gültigkeit und Wirksamkeit<br />

zukommt. Internationale Wertschöpfungsprozesse unterliegen diesem Aspekt,<br />

aus dem sich dann handlungsleitende Gestaltungsempfehlungen herauskristallisieren.<br />

So wird nach der Methode verfahren, was in einem Land<br />

erfolgstiftend ist, ist auch in einem anderen Land sinnvoll anwendbar.<br />

Marktorientierte Ansätze zielen primär auf die Positionierung des jeweiligen<br />

Unternehmens in den ausgewählten Märkten bzw. Marktsegmenten ab. Hier<br />

kann festgestellt werden, dass es in den strategisch internationalen Zielregionen<br />

der deutschen <strong>Wirtschaft</strong> gut gelungen ist, vor allem durch Fusionen und<br />

Akquisitionen Marktpositionen zu besetzen und Marktstrukturen zu beeinflussen.<br />

Aufgrund der ohne Zweifel bestehenden Gefahr von Strategischen<br />

Fallen (Globalisierungsfalle), reicht es daher nicht aus, bei Misserfolgen sich<br />

nur auf den Aspekt der Markt-Produkt-Orientierung zu konzentrieren und<br />

über die Verfeinerung und Verbesserung des eingesetzten Instrumentariums<br />

die gesetzten Ziele zu realisieren. Vielen Beteiligten ist häufig gar nicht<br />

bewusst, dass die Ursachen des Scheiterns oder der Ineffizienzen häufig in<br />

anderen Bereichen zu suchen sind. Durch nachträgliche Rationalisierung des<br />

eigenen Handelns werden die Gründe allzu oft aber in den suboptimalen<br />

Handlungsstrategien gesehen, auf persönlicher Ebene oder im angeblichen<br />

Fehlverhalten anderer Akteure gesucht, nicht in der eigenen more the same-<br />

Politik. Internationalisierung ist aber heutzutage weit mehr als nur eine geografische<br />

Diversifikation von Unternehmensaktivitäten. Auch wenn dieser<br />

Tatbestand in der Internationalisierungspraxis von Unternehmen noch allzu<br />

häufig ignoriert wird, zeigt sich aber, dass es eben um mehr als nur eine<br />

reine prozessgleiche Erweiterung intranationaler unternehmerischer Geschäftsfelder<br />

geht. Grenzüberschreitendes Handeln muss sich mit fremden<br />

Umwelten auseinander setzen, die stark vom jeweiligen nationalen Kontext<br />

geprägt werden. Ein reiner Transfer national praktizierter Handlungsstrategien<br />

geht am Kern der Problematik vorbei: Zur Erklärung auftretender Di-


160<br />

vergenzen haben sich zwei zentrale, aber gleichzeitig konkurrierende Ansätze<br />

herausgebildet. Es handelt sich dabei um die grundlegende Bedeutung<br />

und Wirkung von Kulturalismus und Institutionalismus. 7<br />

Die institutionalisierte Sichtweise kann verstanden werden als ein System<br />

formaler und informaler Regelungen sowie den damit verbundenen Vorkehrungen<br />

zu ihrer Durchsetzung. Dazu gehören staatliche Strukturen, Finanzierungssysteme,<br />

aber auch Arbeitsbeziehungssysteme und Aus- und Weiterbildungssysteme.<br />

Wie die Ergebnisse der Cranfield-Studie zeigen, können bei<br />

einer ländervergleichenden Betrachtung wiederum Schwerpunkte in der<br />

landestypischen Vorgehensweise festgestellt werden. Zum Handlungsparameter<br />

von Gestaltungszielen werden vorrangig markt- oder gruppenspezifische<br />

Strategien gesetzt.<br />

Survey of Forbes 500 CF OS<br />

Rank Factor Negative<br />

Impact<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

Incompatible cultures<br />

Inability to manage target<br />

Unable to implement change<br />

Synergy non-existent or overestimated<br />

Did not forecast fore seeable events<br />

Clash of management styles/egos<br />

Acquirer paid too much<br />

Acquired firm too unhealthy<br />

Need to spin off or liquidate too much<br />

10 Incompatible marketing systems<br />

Note: Assessed on a scale of 1 to 7, where 7 is high.<br />

Tab. 1 Why integration Synergies are not achieved.<br />

Quelle: Svoboda 2001, S. 239<br />

7 Vgl. Schmitt 2002, S. 26.<br />

5.60<br />

5.39<br />

5.34<br />

5.22<br />

5.14<br />

5.11<br />

5.00<br />

4.58<br />

4.05<br />

4.01


161<br />

Im kulturalistischen Ansatz wird davon ausgegangen, dass kulturelle Wertvorstellungen<br />

räumlich divergieren und eine nicht zu unterschätzende Wirkungsmacht<br />

auf die Erreichung von Handlungszielen entfalten. Als Raum<br />

wird in erster Linie der Bereich einer Nation innerhalb der Grenzen verstanden,<br />

so dass dann Nationalkulturen bzw. Landeskulturen damit gemeint sind.<br />

Einschränkend muss natürlich darauf hingewiesen werden, dass Ländergrenzen<br />

nicht unbedingt einhergehen mit kulturellen Grenzen. Die Ursachen<br />

dafür sind vielfältig. Es kann z.B. zu einer grenzüberschreitenden kulturellen<br />

Nähe kommen durch gemeinsame religiöse Auffassungen oder durch historisch<br />

zu erklärende Staatsgrenzen.<br />

Auch innerhalb eines Landes können unterschiedliche Kulturströmungen<br />

existieren, wie dies am Beispiel von Ländern wie der Schweiz und Belgien<br />

deutlich wird. Aber auch die Entwicklung moderner Kommunikations- und<br />

Informationsmittel führt zu einer erhöhten kulturellen Transformation. Über<br />

einen Kulturwandel können Faktoren wirksam werden, die schwergewichtig<br />

nicht nur Kulturunterschiede betonen, sondern über Ländergrenzen hinweg<br />

auch Gemeinsamkeiten entstehen lassen. Die auf diese Weise entstehenden<br />

Kulturkorridore schaffen aber nicht unmittelbar analoge Orientierungs- und<br />

Handlungsmuster.<br />

Die Priorisierung von Strategie, Struktur und System vernachlässigt aber die<br />

Wirkungen von kulturellen Sozialisationsprozessen auf die Menschen eines<br />

Landes. Es gewinnen zunehmend neben den strategischen auch die kulturellen<br />

Fallen an Bedeutung. Daher gilt es nicht nur, die strategischen Fallen zu<br />

erkennen und zu beheben, sondern insbesondere darauf zu achten, dass diese<br />

nicht mit kulturellen Fallen verwechselt werden. Die inhaltliche Gleichsetzung<br />

intranationaler mit internationalen Geschäftsfeldern wird nicht erfolgsversprechend<br />

sein können. Das Erzielen von Handlungsfähigkeit in kulturell<br />

fremden Umwelten wird mit zunehmender Verflechtung der Weltwirtschaft<br />

zu einem zentralen Problem für Unternehmen. Insoweit bedarf der bisher<br />

praktizierte klassische Marktansatz der Ergänzung um eine interkulturelle<br />

Ausrichtung und Perspektive.<br />

3.1 Kultursysteme und die neuen Kulturräume<br />

Bei der international zu beobachtenden kurzfristigen Orientierung der Unternehmenspolitik<br />

am Shareholder Value wird die Orientierung an längerfristigen<br />

Werten, der Optimierung der Unternehmensprozesse eher hinderlich<br />

sein. Die durchaus noch bestehende landestypische Verbindung und Zugehö-


162<br />

rigkeit beginnt zu bröckeln. Die Loslösung von Landeskultur, Nation und<br />

Territorium und damit die Tendenz von Unternehmen, sich von nationalen<br />

Bezügen zu lösen, wird verstärkt durch eine sich transnational entwickelnde<br />

Unternehmenskultur. Die Möglichkeiten, aber auch Notwendigkeiten der<br />

Implementierung einer grenzüberschreitenden Unternehmenskultur als Steuerungsvariable<br />

veranschaulichen die aktuellen Aktivitäten von Unternehmen,<br />

insbesondere in den Prozessen von Mergers und Acquisitions. Hier entstehen<br />

die neuen Kulturräume, die an Gestaltungskraft und Wirksamkeit gewinnen<br />

werden. Entgegen den Untersuchungen von Hofstede, der der Unternehmenskultur<br />

den Status einer Oberflächenstruktur (Praktiken) zuweist und der<br />

in der Landeskultur die Verankerung einer Tiefenstruktur sieht, die mit Hilfe<br />

von Kulturdimensionen analysiert wird, ist es äußerst fraglich, ob in Zukunft<br />

die spezifischen nationalen Kultureigenschaften die Unternehmenspolitik<br />

noch gravierend beeinflussen und sie in eine bestimmte Richtung lenken<br />

werden, denn der gesellschaftliche kulturelle Wandel ist auch Ergebnis einer<br />

Prägung durch ökonomische Werte wie dem Shareholder Value, dem sich<br />

eine Gesellschaft auf Dauer nicht wird entziehen können.<br />

Fraglich bleibt natürlich die daraus resultierende Konsequenz und gleichzeitig<br />

die Frage, ob Unternehmen tatsächlich sich auf die Konstruktion ihres<br />

Unternehmensalltags zurückziehen können. Die Ignoranz von Unbequemlichkeiten<br />

oder die Entwicklung von Stereotypen in der internationalen Zusammenarbeit<br />

führen schnell zu Missverständnissen und Konflikten. Die<br />

Sozialisation von Mitarbeitern in Unternehmen über geteilte Werte, Normen<br />

und Handlungsmuster steht häufig in einem divergenten Missverhältnis zu<br />

den in den jeweiligen Ländern gültigen Werten, Normen und Handlungsmustern.<br />

Daraus ergeben sich für Unternehmen und Mitarbeiter bei der Entwicklung<br />

einer handlungsleitenden Unternehmenskultur latente Problemfelder.<br />

Zuallererst zeigt sich, dass der Begriff der Kultur im Unternehmenskontext<br />

äußerst unpräzise und undifferenziert verwendet wird. Gleichzeitig übt der<br />

Begriff der Unternehmenskultur auf alle Beteiligten eine Faszination aus, da<br />

er sich durch eine hohe Plausibilität auszeichnet. Dieser Begriff bietet einen<br />

breiten Interpretationsspielraum und dadurch glaubt jeder zu wissen, was<br />

Kultur bedeutet.<br />

Der Umgang mit diesem Sachverhalt bleibt daher allgemeingültig. Was mit<br />

Unternehmenskultur aber bezweckt werden soll, ist, aus dem heterogenen


163<br />

sozialen System Unternehmung ein homogenes Gebilde werden zu lassen8 .<br />

Daraus entsteht ein Bemühen Unternehmenskultur als eine interne, gestaltbare<br />

Variable einzusetzen. Diesem funktionalistischen Verständnis entgegen<br />

steht die Vorstellung, dass Kultur auch als geistiges Konstrukt der Individuen<br />

und als in der Unternehmung wirkendes System geteilter Bedeutungsinhalte<br />

zu sehen ist. Das Unternehmen kann somit nicht nur als objektive<br />

Realität in seinen z.B. manifestierten Artefakten wahrgenommen werden,<br />

sondern ist gleichzeitig Ausdruck der subjektiven Interpretationen der Realität<br />

durch seine Mitarbeiter. Dieser Zusammenhang in seiner Komplexität<br />

wird durch die zu integrierenden landestypischen Sozialisationsmuster bei<br />

grenzüberschreitenden Aktivitäten noch erhöht.<br />

Nicht gleichzusetzen mit der Landeskultur ist dagegen die Individualkultur.<br />

Hierbei handelt es sich um bewusste, unbewusste und/oder unreflektierte<br />

Einstellungen und Verhaltensweisen einer Person, die nicht durch die Dominanz<br />

landeskultureller Sozialisation zu erklären sind und damit auch nicht<br />

typisch für den jeweiligen Kulturraum. Dieser Aspekt ist insoweit von Bedeutung,<br />

da er im Unternehmensalltag schnell zu Fehldeutungen in der interkulturellen<br />

Zusammenarbeit führen kann, z.B. im Führungsverhalten von<br />

Managern. Der praktizierte Führungsstil sollte dann als Ergebnis der Persönlichkeitsstruktur<br />

identifiziert werden. Eine Verwechslung oder Gleichsetzung<br />

mit landeskultureller Prägung würde wahrscheinlich eher Vorurteile gegenüber<br />

diesen Einflüssen fördern.<br />

Unter Bezugnahme auf das Spannungsverhältnis von Landes-, Unternehmens-<br />

und auch Individualkultur geht es daher darum, landeskulturelle Besonderheiten<br />

und Wirkungen wahrzunehmen und zu versuchen, diese mit<br />

den zum Teil universalen Erfordernissen der Unternehmensführung zu verknüpfen.<br />

3.2 Kultur als strategische Ressource<br />

Pragmatisch gesehen besteht trotz der einschränkenden Kritik ein grundsätzlicher<br />

Zusammenhang zwischen Kultur und Unternehmenserfolg, der ohne<br />

Zweifel in der Konsequenz an Bedeutung gewinnen wird, auch wenn der<br />

Nachweis deterministischer Zusammenhänge nur schwer zu führen sein<br />

8 Vgl. Buhr 1998, S. 78.


164<br />

wird. Das Problem liegt darin, diesen konzeptionell zu erfassen, da sich<br />

beide Größen nicht durch eine deterministische Abhängigkeit auszeichnen.<br />

Wollen Unternehmen nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen, wird es<br />

darum gehen, die internen Ressourcen früher zu erkennen, bewusster zu<br />

entwickeln und effizienter zu gestalten. Ein Mangel an Ressourcen, z.B.<br />

technische und finanzielle, beschränkt zwangsläufig die Internationalisierungsfähigkeit<br />

und -kompetenz von Unternehmen. Diese ressourcenorientierte<br />

Perspektive sollte für Unternehmen aber kein alternativer Ansatz zur<br />

externen Markt-Produkt-Strategie sein, sondern der intern ausgerichtete<br />

Ressourcenansatz stellt eine unverzichtbare Vervollständigung eines umfassenderen<br />

Strategieansatzes dar. Wird Internationalisierung bislang überwiegend<br />

als Leistung des Managements wahrgenommen, so ist nun zu beachten,<br />

dass das Individuum im Unternehmen gleichzeitig Träger von mehreren<br />

Kulturen sein kann. Die wichtigsten wie z.B. Landes-, Branchen-, Unternehmens-,<br />

Berufs- und Individualkultur können seine Handlungsfähigkeit<br />

fördern oder bremsen.


ökonomische, institutionelle<br />

und kulturelle<br />

Rahmenbedingung<br />

Branchenkultur<br />

Unternehmenskultur<br />

Individualkultur<br />

der<br />

Führungs-/<br />

Fachkraft<br />

Zielsetzung und<br />

Arbeitsauftrag<br />

ökonomische, institutionelle<br />

und kulturelle<br />

Rahmenbedingung<br />

Branchenkultur<br />

Unternehmenskultur<br />

Individualkultur<br />

Abb. 3 Beziehungsmuster im interkulturellen Handlungsfeld.<br />

Quelle: Kersten/Schulze/Wengelowski (Hrsg.) 2003.<br />

der<br />

Führungs-/<br />

Fachkraft<br />

165


166<br />

Bezogen auf den Gedanken der Ressourcennutzung müssen diese Kulturaspekte<br />

intern mit zum Ausgangspunkt strategischer Überlegungen gemacht<br />

werden, um eine nachhaltige Internationalisierungsfähigkeit zu erreichen.<br />

Die Ausblendung der Wirkungen von Kultur und Kulturunterschieden in der<br />

strategischen Unternehmenspolitik ist offensichtlich nicht länger zu rechtfertigen.<br />

Kultur stellt eine zentrale Basis für eine handlungsrelevante Orientierung<br />

dar. In einer proaktiven Unternehmenspolitik bieten sich somit Optionen<br />

für einen Steuerungs- und Koordinierungsansatz an, um möglichst kontraproduktive<br />

Effekte zu kanalisieren.<br />

Soll eine pluralistische Unternehmenskultur entwickelt werden9 , macht dies<br />

z.B. ein starkes Eingehen auf den jeweiligen internationalen Umfeldkontext<br />

notwendig. Zwangsläufig muss es zu einer starken unternehmensinternen<br />

Differenzierung mit den daraus resultierenden Differenzierungsvorteilen<br />

kommen. Je stärker die dabei entstehenden Subkulturen aber ausgeprägt<br />

sind, umso schwieriger erscheint wiederum die Integration, also die Verknüpfung<br />

zu einem wirkungsvollen Ganzen.<br />

Mit einer universellen Unternehmenskultur10 wird versucht, über eine entsprechende<br />

kulturelle Sozialisation eine Standardisierung in den Handlungsmustern<br />

zu realisieren. Dadurch entsteht in der Regel eine Divergenz<br />

zur relevanten Umwelt, jedoch besteht die Erwartung, dass die in Kauf genommenen<br />

Spezialisierungsverluste durch Integrationsvorteile kompensiert<br />

werden können. Dieser Kulturtransfer erweist sich aber häufig als problematisch<br />

aufgrund der stark differierenden Kontexte. Der Versuch, auf diesem<br />

Wege Werte und Normen einer Kultur zu transportieren, führt leicht dazu,<br />

dass diese im Widerspruch zu der betreffenden Landeskultur treten können.<br />

So kann eher von einer „Soll-Kultur“ 11 im Unternehmen gesprochen werden,<br />

die versucht, Homogenität zu erzeugen, die jedoch kaum in dem gewünschten<br />

Maße von den Mitarbeitern des Unternehmens gelebt werden wird. In der<br />

Unternehmenspraxis sind aber immer wieder Bemühungen zu beobachten,<br />

auch in den neuen internationalen Unternehmenskulturräumen zu einer Nivellierung<br />

der kulturellen Differenzen zu kommen. Schon das Konzept von<br />

Perlmutter (1969), bekannt geworden als ERPG-Modell (ethnozentrisch,<br />

9 Bergmann 2000, S. 67.<br />

10 Vgl. Bergmann 2000, S. 67.<br />

11 Vgl. Bergmann 2000, S. 68.


167<br />

regiozentrisch, polyzentrisch, geozentrisch) zeigt am Beispiel des kooperativen<br />

geozentrischem Ansatzes, dass diese im unternehmerischen Alltag im<br />

Konfliktfall starke Züge einer ethnozentrischen Orientierung und damit einer<br />

beherrschenden Dominanzkultur des Stammlandes mit all den bekannten<br />

problembehafteten Erscheinungs- und Bewältigungsformen. Kritisch formuliert<br />

könnte ein Kampf um die kulturelle Programmierung im Kulturraum<br />

des Unternehmens konstatiert werden. Diese Auseinandersetzung um eine<br />

Nivellierung im Sinne einer vorgegebenen Zweck-Mittel-Rationalität einer<br />

Führungsgruppe ist aber höchst weltfremd und unterschätzt die individuellen<br />

Handlungseinsichten und -kompetenzen aller Beteiligten. Stattdessen erscheint<br />

es sinnvoller die Unterschiedlichkeit, d.h. die kulturelle Diversität,<br />

die sich geradezu in den neuen Kulturräumen auftut, effektiver zu nutzen, in<br />

Form eines neuen Ansatzes der interkulturellen Kompetenz.<br />

3.3 Interkulturelle Kompetenz in neuen Kulturräumen<br />

Mit interkultureller Kompetenz wird allgemein ein Verhalten bezeichnet, mit<br />

dem Situationen in kulturellen Überschneidungssituationen erfolgreich bewältigt<br />

werden. Dabei müssen Orientierungsprobleme in fremden Umwelten<br />

nicht automatisch auftreten. Eine Verunsicherung wird dann wahrscheinlich<br />

werden, wenn die Erwartungen nicht mit den gezeigten Verhaltensweisen<br />

übereinstimmen und sich innerhalb eines Interaktionsprozesses zwischen den<br />

Beteiligten zu Interpretationen der jeweiligen Reaktionen kommt. Häufig ist<br />

dieser Ansatz aber aufgrund des beschriebenen Sachverhalts auf landeskulturelle<br />

Überlegungen ausgerichtet. Anhand von verhaltensgeprägten Konfliktsituationen<br />

wird untersucht, wie Missverständlichkeiten vermieden oder<br />

repariert werden könnten. Ziel ist die Glättung des Fremden und der Unterschiede<br />

durch die herrschende Kultur. Nach dem universalistischen Ansatz<br />

wird in international agierenden Unternehmen dies als entscheidende Voraussetzung<br />

zur Durchsetzung der Unternehmensziele gesehen. Dieses Kulturverständnis<br />

ist eher komparativ statischer Natur und nur noch bedingt<br />

zukunftsfähig. Durch den Dynamisierungsschub in der Internationalisierung<br />

wird es notwendiger, Kultur als Prozess in den Mittelpunkt der Betrachtung<br />

zu rücken. Danach unterliegt Kultur durch die alltägliche Interaktion und<br />

persönliche Reflexion der Beteiligten einer ständigen Neuproduktion. Daher<br />

verbietet sich eine deterministische Stereotypisierung, verbunden damit, das<br />

Fremde in den Griff zu kriegen.


168<br />

Markt Kooperation<br />

Hierarchie<br />

Außenhandelsbeziehungen<br />

Verhandlungen<br />

Projekte<br />

Programme<br />

internationale<br />

Teamarbeit<br />

Interkulturelle<br />

Kompetenz<br />

als Wettbewerbsfaktor<br />

Unternehmenskooperation<br />

Joint Venture,<br />

Strategische<br />

Allianzen<br />

Auslandsniederlassungen<br />

Entsendung von<br />

Führungskräften<br />

und<br />

Mitarbeitern<br />

Stammhaus<br />

Integration von<br />

ausländischen<br />

Führungskräften<br />

und Mitarbeiter<br />

Migrationsansatz<br />

Abb. 4 Internationale Geschäftsbeziehungen im Kontext interkultureller Kom-<br />

petenz.<br />

Quelle: eigene.


169<br />

Statt Homogenität gibt es Heterogenität des Kulturellen mit Überlagerungen<br />

und Übergängen12 , die zunehmend schwieriger abzugrenzen und miteinander<br />

vergleichbar sind. Die internationale Unternehmenspolitik muss aber von<br />

den Unternehmensmitarbeitern getragen werden können, d.h. das Unternehmen<br />

hat eine Internationalisierungskompetenz aufzubauen, deren wichtiger<br />

Teil die individuelle interkulturelle Kompetenz aller Akteure ist, unabhängig<br />

davon, an welchem Ort des unternehmerischen Kulturraumes sie gerade tätig<br />

sind. Ohne Zweifel sollte dabei auf die Anforderungsgerechtigkeit der Entwicklungsstrategien<br />

geachtet werden.<br />

Kulturelle Identität wird durch Internationalisierung andere Handlungsmuster<br />

hervorbringen, ohne dass die komplexen Interaktionsbeziehungen einen<br />

globalen gemeinsamen Kern und damit eine neue Homogenität bekommen.<br />

Die Ansätze zur Entwicklung interkultureller Kompetenz sind sehr vielschichtig.<br />

Zurzeit können zwei große Strömungen ausgemacht werden. Der<br />

gemeinsame Kern beider Ansätze liegt in den personenbezogenen Fähigkeiten<br />

der Individuen, wie z.B. Wissen über andere Kulturen, Toleranz und<br />

Empathiefähigkeit und verhaltensbezogene Aspekte wie Kommunikations-,<br />

Kooperations- und Konfliktfähigkeit, die der Persönlichkeit zugeordnet werden.<br />

Interkulturelle Berufs- und Handlungskompetenz kann danach aber<br />

weiter gefasst werden. Zu den sozial-kommunikativen und persönlichkeitsbezogenen<br />

Fähigkeiten kommen internationale Berufsqualifikationen, aber<br />

auch Sprachkompetenz. Häufig werden bei Unternehmensbefragungen nur<br />

die beiden letzteren Kategorien genannt. Dies kann durchaus als Beleg für<br />

die Nivellierungsthese herangezogen werden.<br />

Andererseits greift der eher persönlichkeitsorientierte Ansatz ebenfalls zu<br />

kurz, da er in erster Linie auf eine bestimmte kulturell geprägte Situation<br />

abstellt, die eher im Bereich der Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland<br />

unter dem Gesichtspunkt einer Dominanzkultur anzutreffen ist.<br />

Internationalisierung tritt heutzutage aber in vielfältigsten Formen auf. Diese<br />

müssen stärker als bisher in ihren Herausforderungen wahrgenommen werden.<br />

Die klassische Entsendungsform hat ohne Zweifel für viele Unternehmen<br />

noch ihre vorrangige Bedeutung. Daneben treten inzwischen neue Wege der<br />

Zusammenarbeit deutlicher hervor, die sich in verschiedenen Formen von<br />

12 Vgl. Dörrenbächer/Ridel 2000, S. 28.


170<br />

Kooperation niederschlagen, wie z.B. Joint Ventures, internationales Projektmanagement<br />

oder internationale Teams.<br />

Das Unterdrücken landeskulturell geprägter Verhaltensweisen durch Unternehmenskultur<br />

kann dann sehr schnell zum Abbruch oder zur Einschränkung<br />

dieser Kooperationsbeziehungen führen. Hier liegen auch ohne Zweifel neben<br />

den ökonomischen einige der Gründe, die zu dem aktuellen Rückzug des<br />

US-Handelsriesen Wal-Mart aus Deutschland geführt haben. Landesgeprägte<br />

Spannungen im Hinblick auf Verhaltensrituale und -zeromonien führten<br />

immer wieder zu Konflikt beladenen Handlungssituationen. Ein Versuch,<br />

durch die Verfeinerung kultureller Steuerungselemente dies zu heilen, stand<br />

nicht zur Diskussion. Im Gegenteil, letztendlich wurden kulturelle und institutionelle<br />

Gegensätze vor Gericht ausgetragen. So beschied das Landesarbeitsgericht<br />

Düsseldorf in einer Pressemitteilung vom 14.11.2005, dass die<br />

Mitbestimmung auch bei US-amerikanischen Verhaltenskodex in Deutschland<br />

einzuhalten ist.<br />

Im Sinne des ressourcenorientierten Ansatzes, verknüpft mit den Überlegungen<br />

zur interkulturellen Kompetenz, geht es daher um eine bewusstere Nutzung<br />

kultureller Diversität, um z.B. Synergiepotenziale in den Beziehungen<br />

und der Zusammenarbeit freizusetzen. Dazu ist aber eine gezielte und reflektierte<br />

Auseinandersetzung über die verschiedenen, sich aber beeinflussenden<br />

Mikro- und Makrokultursysteme in den neuen Kulturräumen notwendig,<br />

um nachhaltig Marktchancen durch Internationalisierung besser zu<br />

realisieren.<br />

Somit sind an Unternehmen und Mitarbeiter neue Anforderungen<br />

gestellt. Kultur und der prozesshafte Umgang mit Kulturunterschieden<br />

über die Befähigung zur interkulturellen Kompetenz in der alltäglichen<br />

Interaktion müssen durch die persönliche Reflexion der<br />

Beteiligten dynamisiert werden und damit seine deterministische<br />

Stereotype verlieren, auch wenn im Kern die Unterschiede bestehen<br />

bleiben (sollen). Eine Kulturkonvergenz sollte daher nicht herbeigezwungen<br />

werden. Auch eine vermeintliche Konvergenz im Hinblick<br />

auf Konsumpräferenzen, Kleidungsverhalten und Essgewohnheiten<br />

kann die Unterschiede in Werten und Normen nicht verwischen und<br />

bleibt äußerst fragwürdig. Gewinnende Schritte an der Oberfläche<br />

durch Beherrschung jeweiliger typischer Landesrituale und -zeremonien<br />

können Fehlverhalten im Bereich der Tiefenstruktur kaum<br />

wieder ausgleichen. Ähnliches gilt für das zu beobachtende Phäno-


171<br />

men in Unternehmen, landeskulturelle Erkenntnisse in ein Bemühen<br />

umzusetzen, diese zu einer neuen sekundären Ebene der Verhaltenssteuerung<br />

zu instrumentalisieren. Darüber hinaus reichen interkulturelle<br />

Einzelmaßnahmen zur Gestaltung und Bewältigung kultureller<br />

Situationen bei weitem nicht aus, sondern die Unternehmung als<br />

Ganzes ist herausgefordert, Internationalität zu verinnerlichen und<br />

damit über die Nutzung von Fähigkeiten und Potenzialen ihre Internationalisierungsfähigkeit,<br />

d.h. über die Verknüpfung von Markt-<br />

und Ressourcenstrategie, zu stärken.<br />

4 Transkulturelle Kompetenz als weiterführender Ansatz?<br />

Mit dem Ansatz zur transkulturellen Kompetenz soll eine Vorgehensweise<br />

erläutert werden, die die zunehmende gegenseitige Durchdringung von Kulturen<br />

durch Medien, Reisen, Arbeitsprozesse usw. differenzierter für eine<br />

Betrachtung zugänglich macht. Es soll bewusst nicht von einer kulturellen<br />

Konvergenz gesprochen werden. Ralston et al. haben schon diese Problematik<br />

aufgegriffen. 13 Während es bei dem Konvergenzansatz perspektivisch zu<br />

einer Angleichung von Denk- und Wertemustern kommen kann, wollen die<br />

Autoren mit ihrem Ausdruck der crossvergence zum Ausdruck bringen, dass<br />

Unterschiede auch beibehalten oder kombiniert werden können. Mit Hilfe<br />

der transkulturellen Kompetenz soll dieser Gedanke verfeinert werden, um<br />

einen systematischeren Zugang zu diesen Entwicklungen und Phänomenen<br />

zu bekommen.<br />

Der Begriff der interkulturellen Kompetenz bildet insoweit einen schillernden<br />

Ansatz, da neben den üblichen Erfassungs- und Messproblemen14 er<br />

selbst eine Wertorientierung darstellt. Diese lautet, dass es im Wesentlichen<br />

gilt, Spiralen von Missverständnissen zu vermeiden und dass die beteiligten<br />

Akteure eine win-win-Situation anstreben sollten. So entsteht ein ethisch und<br />

moralisch leitender Impetus, der im internationalen Wettbewerb nicht<br />

zwangsläufig bei allen Akteuren, auch aus ihrem Kulturverständnis heraus<br />

13 Ralston et al. 1996.<br />

14 Dennoch gibt es inzwischen mehr als 30 Instrumente zur Einschätzung der interkulturellen<br />

Kompetenz von Mitarbeitern, s.a. SIETAR Europe. Zu den wichtigeren gehören u.a. The<br />

International Profiler, Intercultural Development Inventory, Intercultural Personality Test.


172<br />

die Richtschnur des Handelns bildet. Dies zeigt sich sehr anschaulich in der<br />

von Hofstede gewählten Kulturdimension, die mit Langfristorientierung<br />

beschrieben wird. Parallel dazu hat sich z.B. die europäische <strong>Wirtschaft</strong> aber<br />

bei Geschäftsbeziehungen mit China ganz intensiv mit den Erscheinungen<br />

von Raubkopien und Imitationen von Gütern zu befassen.<br />

Insoweit kann inhaltlich mit dem Begriff der interkulturellen Kompetenz<br />

mehr verknüpft werden. Wird sie benutzt als Manipulationsstrategie, also<br />

wissen, wie etwas gemacht wird, bietet sie zumindest einem der Beteiligten<br />

Vorteile. Interkulturelle Kompetenz kann sich aber auch nur beziehen auf<br />

den sichtbaren Teil des sog. Eisberges. Diese Eisberg-Metapher veranschaulicht<br />

sehr ausdrucksvoll, was in vielen Unternehmen als interkulturelle<br />

Kompetenz interpretiert wird. Vorrangig geht es dabei um die Vermittlung<br />

eines Kultur-Knigges, um Dos and Dont’s, und damit um eine Orientierung<br />

in Form einer Instrumentalisierung, die in konkreten Handlungssituationen<br />

auch eine gewisse Komik in sich verbergen kann.<br />

Interkulturell meint, dass unter Bezug auf ein Gemeinsames auch Unterschiede<br />

erkennbar werden und sich etwaige Konflikte daran orientieren, wo<br />

Grenzen eben auch positiv modelliert werden. Interkulturalität lässt sich<br />

somit von einem gemeinsamen Verständnis über Kultur und Kulturleistung<br />

leiten. 15 Dies wird durch eine letztlich prägende mechanistische Sichtweise<br />

ermöglicht, die zur gemeinsamen Beurteilungsgrundlage implizit wird.<br />

Jedoch steht ein gemeinsames Verständnis über Kultur und die sie auslösenden<br />

Handlungswirksamkeiten aus.<br />

Im transkulturellen Raum, also dem Raum jenseits der eigenen Kultur werden<br />

Werthaltungen ersichtlich, die nicht nur die Andersartigkeit von Werten<br />

deutlich machen. Sie zeigen ebenso fremde Vorstellungen davon, was überhaupt<br />

ein Wert sei, was eine Orientierungsinstanz sei, was überhaupt eine<br />

Orientierung sei. 16 Hinzu kommt, dass Werte je nach Perspektive eine positive<br />

oder negative Interpretation bekommen, wie z.B. die erwähnten Imitationen<br />

von Gütern. Das Nachahmen ist durchaus vereinbar mit der chinesischen<br />

Kultur, aber eben nicht mit den Regeln des Welthandelsabkommens.<br />

So kommt es zu Diskrepanzen im Umgang mit der Interpretation von Werten.<br />

Dem Ansatz der interkulturellen Kompetenz kann soweit eine gewisse<br />

15 Vgl. Hubig, 2002, S.29.<br />

16 Vgl. Hubig 2002, S.29


173<br />

Naivität im Hinblick auf internationale Wettbewerbspolitik nicht abgesprochen<br />

werden. Er erfasst nicht das vielfältige Geschehen im internationalen<br />

<strong>Wirtschaft</strong>sleben, was auch durch seine Geschichte zu erklären ist (Kets de<br />

Vries 2004). Darüber hinaus bekommt seine Entwicklung auch idealtypische<br />

Züge, durch den Aufbau von Lernstrategien und Trainingskonzepten. 17 Im<br />

Sinne von Max Weber kann sie als ein kognitives Kulturverständnis interpretiert<br />

werden, wohl wissend, dass natürlich in den vorherrschenden Ansätzen<br />

auch die affektive und soziale Komponente enthalten ist.<br />

Wertungen über die Besonderheiten und die wirtschaftlichen Auswirkungen<br />

von Kulturen sowie über die speziellen Institutionsgefüge selbst erfolgen<br />

auch immer aus einer kulturgebundenen Sicht. 18 Viele der Normen und Regeln<br />

sind häufig impliziter Natur, daher weder dem unmittelbaren Individuum<br />

und den übrigen beteiligten Akteuren bewusst. Dies führt dann zu den<br />

viel zitierten Überraschungen in den Handlungssituationen.<br />

Mit dem Ansatz der transkulturellen Kompetenz sollen diese vielfältigen<br />

Ereignisse und Erscheinungsformen im Handeln der Akteure zugänglich<br />

gemacht werden. Die Konstruktion des Handlungsfeldes durch die Akteure<br />

erfolgt vor dem Hintergrund, dass in unterschiedlichen Kulturen unterschiedliche<br />

Vorstellungen von Natur, Subjekt, Rationalität und Gefühl vorhanden<br />

sind, während der Bezug zu unterschieden auch Gemeinsamkeiten<br />

voraussetzt. Dies kann im <strong>Wirtschaft</strong>sleben aber auch schnell zu einer Desorientierung<br />

führen, wie das Beispiel eines deutschen Geschäftsmannes<br />

zeigt. Während er gelernt hatte, im interkulturellen Kontext mit chinesischen<br />

Geschäftspartnern geht es um Langfristigkeit und darum, zu beachten, dass<br />

der Gegenüber nicht sein Gesicht verliert, hatte die chinesische Seite nach<br />

dem vierten Besuch alle Informationen, die sie benötigte. Die Geschäftsbeziehungen<br />

wurden danach abgebrochen.<br />

Das Erlernen und die Vermittlung transkultureller Kompetenz wird daher<br />

andere Wege gehen müssen, da die Praxis immer weiter sein wird als das<br />

mühsam rekonstruierte Teilwissen aus den gemachten Erfahrungen. Ob interkulturelle<br />

Kompetenz in transkulturelle Kompetenz überführt werden<br />

sollte, um einen vorrangig systemischen Zugang zu der Problematik zu erreichen,<br />

kann und soll an dieser Stelle abschließend nicht beurteilt werden.<br />

17 Vgl. Diettrich/Reinisch 2005, S. 275ff..<br />

18 Vgl. Leipold 2006, S. 9.


174<br />

Literatur<br />

Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung e.V. (Hrsg.),<br />

Kompetenzentwicklung 2005, Münster 2005.<br />

Augustin, H.; Bünger, A., Verlagerung ins Ausland allein genügt nicht, in:<br />

zfo 2/1998, S. 107 <strong>–</strong> 112.<br />

Bergmann, Rainer, Interkulturelles Lernen als organisationale Fähigkeit <strong>–</strong><br />

ein ressourcenorientierter Ansatz, Dresden 2000.<br />

Buhr, Regina, Unternehmen als Kulturräume, Berlin 1998.<br />

Daft, D., Back to classic Coke. Financial Times, March 27, pp 20, New York<br />

2000.<br />

Diettrich, Andreas; Reinisch, Holger, (2005): Internationale und interkulturelle<br />

Kompetenzen, In: Arbeitsgemeinschaft Weiterbildungsforschung<br />

e.V. (Hrsg.), Kompetenzentwicklung 2005, S. 275 <strong>–</strong> S. 349.<br />

Dörrenbächer, Christoph; Riedel, Christian, Ein kleiner Streifzug durch die<br />

Literatur zur Internationalisierung von Unternehmen, in: Dörrenbächer,<br />

Christoph, Plehwe, Dieter, (Hrsg.), Grenzenlose Kontrolle? 2000, S. 15<br />

<strong>–</strong> 41.<br />

Hofstede, Geert: Lokales Denken, globales Handeln. Kulturen, Zusammenarbeit<br />

und Management, München 1997<br />

Hubig, Christoph, Transkulturelle Wertkonflikte im Spannungsfeld zwischen<br />

abstrakter Harmonisierung und Anwendungsdissensen, In: K. Röttgers,<br />

P. Koslowski (Hrsg.), 2002, S.27 <strong>–</strong> 45.<br />

Kets de Vries, Manfred F.R. (Ed.), The New Russian Business Leaders,<br />

Northampton 2004.<br />

Kinkel, St., Jung-Erceg, P., Buhmann, M. Erfolgskritische Standortfaktoren<br />

für unterschiedliche Internationalisierungsstrategien, in: FB/IE 51<br />

(2002) 1, S. 4 <strong>–</strong> 13.<br />

Leipold, Helmut, Kulturvergleichende Institutionenökonomik, Stuttgart 2006<br />

Müller, Stefan; Kornmeier, Martin, Strategisches Internationales Management,<br />

München 2002.


175<br />

Perlmutter, Howard V., The Tortuous Evolution of the Multinational Corporation.<br />

In: Columbia Journal of World Business, 4. Jg., Nr.1, 1969, S.<br />

9-18<br />

Pressemitteilung, Die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf, Der<br />

Pressedezernent vom 14.11.2005.<br />

Ralston, David A., Yu Kai-Cheng, u.a. The Cosmopolitan Chinese Manager:<br />

Findings of a Study on Managerial Values Acoss Six Regions of<br />

China. In: Journal of International Management 2(2), S. 79 -109, 1996.<br />

Röttgers, Kurt, Koslowski, Peter (Hrsg.), Transkulturelle Wertekonflikte,<br />

Heidelberg 2002.<br />

Rothlauf, Jürgen, Interkulturelles Management, München, Wien 1999.<br />

Rugman A., Hodgetts, R. The End of Global Strategy, in: European Management<br />

Journal Vol. 19, No. 4, S. 333 <strong>–</strong> 343 August 2001.<br />

Scherm, Ewald; Süß, Stefan, Internationales Management, München 2001.<br />

Schmitt, Matthias, Der grenzüberschreitende Transfer von Personalpraktiken<br />

innerhalb multinationaler Unternehmen, München und Mering 2002.<br />

Svoboda, Michael, On Integrating Deutsche Bank and Bankers Trust <strong>–</strong> A<br />

Human Resource Perspective, in: Peter Friedrichs, Ulrich Althauser<br />

(Hrsg.), Personalentwicklung in der Globalisierung <strong>–</strong> Strategien der Insider,<br />

Neuwied 2001, S. 237 <strong>–</strong> 253.<br />

Welge, M.K., Das Management globaler Geschäfte, München 1998.


Tobias Menz ♣<br />

Demographischer Wandel und Umweltqualität<br />

1 Einleitung<br />

Ziel dieses Artikels ist es herauszufinden, welchen Einfluss der demographische<br />

Wandel in den nächsten Jahrzehnten tendenziell auf die Entwicklung<br />

des Umweltverbrauchs1 haben wird. Dabei soll keine Niveaubetrachtung<br />

durchgeführt werden, sondern lediglich der demographische Einfluss auf die<br />

Veränderungsraten des Umweltverbrauchs betrachtet werden.<br />

Im zweiten Abschnitt werden demographische und ökologische Unterschiede<br />

der einzelnen Regionen dargestellt, um besonders interessante Fälle herauszustellen.<br />

Im dann folgenden dritten Abschnitt wird der Untersuchungsrahmen<br />

herausgearbeitet - also der gesamtgesellschaftliche Umweltverbrauch<br />

als Funktion zweier Variablen dargestellt, auf die der demographische Wandel<br />

einen eindeutigen Einfluss hat. Unter Zuhilfenahme realistischer Prognosen<br />

bezüglich der Entwicklung dieser beiden Variablen wird anschließend im<br />

vierten Abschnitt die Richtung des demographischen Einflusses auf den<br />

gesamtgesellschaftlichen Umweltverbrauch dargestellt. Das fünfte Kapitel<br />

fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen und gibt einen Ausblick über<br />

sinnvolle Erweiterungen.<br />

♣ An dieser Stelle möchte ich Heinz Welsch, Udo Bonn und Martin Duensing für viele<br />

hilfreiche Kommentare und Verbesserungsvorschläge danken.<br />

1 Umweltverbrauch bezeichnet allgemein jegliche Form von Umweltverschmutzung, die<br />

durch menschliche Aktivitäten entsteht. Beispiele sind Luft- und Wasserverschmutzungen,<br />

Waldabholzungen oder das Entstehen von Müll.


178<br />

2 Demographischer Wandel und Umweltverschmutzung<br />

in den Regionen<br />

2.1 Regionale Unterschiede des demographischen Wandels<br />

Standardmäßig wird der demographische Wandel als Übergang einer vorindustriellen<br />

Gesellschaft mit hohen Geburten- und Sterberaten zu einer nachindustriellen<br />

Gesellschaft mit niedrigen Geburten- und Sterberaten definiert2 .<br />

Charakteristisch für seinen Verlauf ist, dass die Sterberaten vor den Geburtenraten<br />

zu sinken beginnen und es daher während des gesamten Prozesses<br />

zu einem signifikanten Bevölkerungswachstum kommt.<br />

Der demographische Wandel ist ein langfristig ablaufender Prozess, der in<br />

seinen verschiedenen Phasen unterschiedliche Auswirkungen auf Bevölkerungsgröße<br />

und Bevölkerungsstruktur hat. Da er regional zeitversetzt abläuft,<br />

befinden sich die verschiedenen Regionen heutzutage in unterschiedlichen<br />

demographischen Situationen. Die Entwicklungsländer gehören zu den Ländern,<br />

die im Prozess des demographischen Wandels noch am wenigsten weit<br />

fortgeschritten sind. Kennzeichnend für diese Länder sind hohe Bevölkerungswachstumsraten<br />

sowie Erwerbsfähigenquoten, die von niedrigem Niveau<br />

aus ansteigen. In den späteren Phasen des Prozesses, in denen sich<br />

heute die Industrieländer befinden, wächst die Gesamtbevölkerung nur noch<br />

moderat, während die Erwerbsfähigenquote von hohem Niveau aus abnimmt3<br />

. Zur besseren Einbettung der späteren Analyse soll an dieser Stelle<br />

ein kurzer Blick auf die prognostizierte Entwicklung der Bevölkerungswachstumsraten<br />

und der Erwerbsfähigenquoten dreier Ländergruppen geworfen<br />

werden:<br />

2 Vgl. Chesnai 1992, S. 27 ff.<br />

3 Eine genaue graphische Darstellung des demographischen Wandels findet sich beispielsweise<br />

in Bloom & Williamson 1998, S. 423.


Durchschnittliche jährliche Bevölkerungswachstumsraten<br />

2005 - 2015 2015 - 2030 2030 - 2050<br />

HIC 0.52% 0.35% 0.12%<br />

MIC 0.79% 0.50% 0.09%<br />

LIC 1.72% 1.38% 0.76%<br />

Tab. 1 Bevölkerungswachstumsraten 4 nach Regionen 5<br />

179<br />

Während die Bevölkerung in der Gruppe der LIC, also der ärmsten Länder<br />

der Welt, im Zeitraum bis 2015 noch mit gut 1,7% jährlich wachsen wird,<br />

wird das Bevölkerungswachstum in den Ländern mittleren Einkommens<br />

(MIC) nur knapp 0,8% und in den reichsten Ländern (HIC) nur rund 0,5%<br />

betragen. Bis zum Jahr 2050 wird der Bevölkerungsdruck den Prognosen<br />

zufolge in allen drei Regionen stark nachlassen, so dass die Bevölkerung in<br />

den beiden wohlhabenderen Ländergruppen ab 2030 nur noch moderat<br />

wachsen wird. Auch die Bevölkerung der ärmsten Länder folgt diesem<br />

Trend, wird jedoch über den gesamten Zeitraum noch deutlich positive Bevölkerungswachstumsraten<br />

aufweisen.<br />

Abbildung 1 zeigt, dass sich nicht nur die Bevölkerungsgröße, sondern auch<br />

die Bevölkerungsstruktur der Ländergruppen unterschiedlich entwickeln<br />

wird. Während die Erwerbsfähigenquote, also der Anteil der Bevölkerung<br />

zwischen 15 und 65 Jahren, in den reichsten Ländern der Welt wahrscheinlich<br />

bis zum Jahre 2050 stetig sinken wird, wird sie in den mittelreichen<br />

Ländern laut den Prognosen zumindest kurzfristig noch ansteigen, um erst<br />

danach zu sinken. Einen klaren Kontrast bietet dagegen die Situation in den<br />

Entwicklungsländern, für die über den gesamten Zeitraum hinweg ansteigende<br />

Erwerbsfähigenquoten vorhergesagt werden.<br />

4 Mittlere Bevölkerungsprognose der Vereinten Nationen (UN 2004).<br />

5 Die Gruppe der High Income Countries (HIC) umfasst nach Definition der Weltbank alle<br />

Länder mit einem Bruttonationaleinkommen pro Kopf von mehr als 10.000 US-Dollar<br />

(ausgedrückt in US-Dollar des Jahres 2004, nicht kaufkraftparitätenbereinigt). Die Gruppe<br />

der Middle Income Countries (MIC) beinhaltet alle Länder in der Einkommensspanne von<br />

826-9999 US-Dollar und die Gruppe der Low Income Countries (LIC) enthält alle Länder<br />

mit einem Pro-Kopf-Einkommen von maximal 825 US-Dollar.


180<br />

Erwerbsfähigenquote in %<br />

70%<br />

68%<br />

66%<br />

64%<br />

62%<br />

60%<br />

58%<br />

2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050<br />

Abb. 1 Erwerbsfähigenquoten nach Regionen 6<br />

HIC MIC LIC<br />

2.2 Regionale Unterschiede der Umweltverschmutzung<br />

Umweltverschmutzung ist ein breit gefächertes Problem, wobei die durch die<br />

Emissionen verschiedener Gase verursachte Luftverschmutzung einen besonders<br />

problematischen Aspekt der Umweltverschmutzung darstellt. Dabei<br />

ist grundsätzlich zwischen lokal, regional und global wirkender Luftver-<br />

schmutzung zu unterscheiden. Im Rahmen dieses Beitrags werden daher drei<br />

repräsentative luftverschmutzende Gase betrachtet: Kohlendioxid ( CO ) als 2<br />

typische globale Umweltverschmutzung, Schwefeldioxid ( SO ) als regio-<br />

2<br />

nale Umweltverschmutzung und Kohlenmonoxid (CO) als Beispiel für eine<br />

lokale Umweltverschmutzung7 . Bezogen auf die Emissionen dieser Gase<br />

gibt es starke regionale Unterschiede, wie folgende Tabelle verdeutlicht:<br />

6 Basierend auf der mittleren Bevölkerungsprognose der Vereinten Nationen (UN 2004).<br />

7 Vgl. Tietenberg 2006, S. 396 ff. und S. 404 ff.


Anteil an der Welt-<br />

bevölkerung<br />

Anteil an den<br />

weltweiten Koh-<br />

lendioxidEmissi- onen<br />

Anteil an den<br />

weltweiten<br />

Schwefeldioxid<br />

Emissionen<br />

Anteil an den<br />

weltweiten<br />

181<br />

Kohlenmonoxid<br />

Emissionen<br />

HIC 15.8% 51.4% 32.3% 16.4%<br />

MIC 48.4% 42.3% 56.0% 40.8%<br />

LIC 35.8% 6.3% 11.7% 42.9%<br />

Tab. 2 Emissionen nach Ländergruppen im Jahr 2000 8<br />

Die Tabelle zeigt die Verteilung der Emissionen für Kohlendioxid, Schwefeldioxid<br />

und Kohlenmonoxid für das Jahr 2000. Vergleicht man die Anteile<br />

der einzelnen Ländergruppen an den weltweiten Emissionen, stellt man fest,<br />

dass mehr als die Hälfte der weltweiten CO -Emissionen aus den reichsten<br />

2<br />

Ländern der Welt stammen, während SO in besonderem Maße von der<br />

2<br />

Gruppe der MIC und CO von den LIC emittiert wird.<br />

3 Entwicklung eines Untersuchungsrahmens<br />

3.1 Einfache Bestimmungsfaktoren des Umweltverbrauchs<br />

Ziel dieses Abschnittes ist es, den gesamtgesellschaftlichen Umweltverbrauch<br />

als Funktion zweier Variablen darzustellen, auf die der demographische<br />

Wandel einen eindeutigen Einfluss hat. Dazu wird in einem ersten<br />

Schritt der Umweltverbrauch einer Gesellschaft folgendermaßen dargestellt:<br />

(1) UV = B ⋅ PKUV<br />

Der gesamtgesellschaftliche Umweltverbrauch (UV) ergibt sich als Produkt<br />

der Bevölkerungsgröße (B) und des Pro-Kopf-Umweltverbrauchs (PKUV).<br />

Da im Rahmen dieser Untersuchung von jeglichen Interdependenzen der<br />

8 Quellen: UN (2004), IEA (2004), RIVM/MNP (2005) und TNO (2001).


182<br />

Variablen B und PKUV abgesehen wird9 , lautet die relevante Fragestellung,<br />

welchen Einfluss der demographische Wandel jeweils auf die beiden Größen<br />

haben wird. Da es jedoch ein Hauptanliegen dieses Artikels ist, den marginalen<br />

Einfluss des demographischen Wandels auf den Umweltverbrauch zu<br />

untersuchen, und nicht eine Niveaubetrachtung des Umweltverbrauchs vorzunehmen,<br />

ist es sinnvoll, Gleichung (1) in Wachstumsraten anzugeben:<br />

(2) rUV = rB<br />

+ rPKUV<br />

+ rB<br />

⋅rPKUV<br />

Der gesamtgesellschaftliche Umweltverbrauch wächst also mit der Bevölkerungswachstumsrate<br />

zuzüglich der Wachstumsrate des Pro-Kopf-Umweltverbrauchs<br />

und dem Produkt aus beiden Größen.<br />

3.2 Bevölkerungsgröße, Umweltverbrauch und Demographischer<br />

Wandel<br />

Gemäß der Formulierung in Gleichung (2) würde ein 10%iges Bevölkerungswachstum<br />

zu einem 10%igen Wachstum der Gesamtemissionen führen.<br />

Diese Annahme stellt eine Vereinfachung des Zusammenhangs zwischen<br />

Bevölkerungsgröße und Umweltverbrauch dar, da Änderungen im Konsumentenverhalten<br />

oder in der Produktionstechnologie, die eventuell durch das<br />

Bevölkerungswachstum induziert werden, ausgeblendet werden. Diese Vorgehensweise<br />

ist jedoch legitim, wenn ein primäres Interesse an rein qualitativen<br />

Aussagen besteht10 . Lediglich die Tatsache, dass positives Bevölkerungswachstum<br />

einen steigernden Effekt auf den gesamtgesellschaftlichen<br />

Umweltverbrauch hat, sollte durch empirische Untersuchungen bestätigt<br />

werden. Dies wurde für viele Verschmutzungsarten tatsächlich nachgewiesen11<br />

.<br />

Es bleibt also die Frage zu beantworten, welchen Einfluss der demographische<br />

Wandel auf die Bevölkerungswachstumsrate hat. Hierbei hilft ein Blick<br />

auf die historische Entwicklung der Weltbevölkerung. Im Zeitraum von<br />

9 In der Realität sind durchaus Interdependenzen beider Variablen vorstellbar. Aus Gründen<br />

des Umfangs und der dann stark zunehmenden Komplexität soll in diesem Beitrag jedoch<br />

davon abgesehen werden.<br />

10 So ist es für die hier gewünschten qualitativen Aussagen von geringer Bedeutung, ob der<br />

Umweltverbrauch bei einem Bevölkerungswachstum von 2% um 1%, 2% oder 3% zunimmt.<br />

11 Vgl. Preston 1996, S.103 f. oder Lutz et al. 2001, S. 113 ff.


183<br />

10.000 v. Chr. bis 4000 v. Chr. wuchs die globale Bevölkerung jedes Jahr<br />

lediglich mit einer Rate von 0,01% 12 , während sich das Bevölkerungswachstum<br />

im Zeitraum von 4000 v. Chr. bis 1700 n. Chr. auf jährlich rund 0,08%<br />

erhöhte. Ab diesem Zeitpunkt kam es jedoch zu einem wesentlich stärkeren<br />

Bevölkerungswachstum, so dass in den letzten 300 Jahren die globale Bevölkerung<br />

im Jahresschnitt mit 0,8% wuchs 13 . Der starke Anstieg der globalen<br />

Bevölkerungswachstumsraten hängt also eng mit dem beginnenden demographischen<br />

Wandel in den heutigen Industrieländern zusammen (typischerweise<br />

beginnt der demographische Wandel mit der einsetzenden Industrialisierung).<br />

Daher scheint es legitim, sowohl die vergangenen als auch die<br />

zukünftigen Bevölkerungswachstumsraten direkt als Folge des demographischen<br />

Wandels zu sehen 14 . Der marginale Einfluss des demographischen<br />

Wandels auf die Bevölkerungsgröße kann also an den prognostizierten Bevölkerungswachstumsraten<br />

der Tabelle 1 abgelesen werden.<br />

3.3 Pro-Kopf-Umweltverbrauch und Demographischer Wandel<br />

Gesucht ist eine Bestimmungsgröße des Pro-Kopf-Umweltverbrauchs, auf<br />

die der demographische Wandel, durch seine Auswirkungen auf die Bevölkerungsstruktur,<br />

einen qualifizierbaren Einfluss hat. In Anlehnung an die<br />

breit gefächerte Literatur zur Environmental Kuznets Curve (EKC) bietet<br />

sich das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen als Bestimmungsgröße des<br />

Pro-Kopf-Umweltverbrauches an15 :<br />

(3) PKUV = PKUV (y)<br />

In dieser Form wird die Annahme getroffen, das durchschnittliche Pro-Kopf-<br />

Einkommen (y) sei die alleinige Bestimmungsgröße des Pro-Kopf-Umweltverbrauchs.<br />

Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass alle durch die Einkommenssteigerungen<br />

induzierten Effekte (wie sich ändernde Vermeidungs-<br />

12 Eigene Berechnungen auf Basis von McEvedy & Jones 1978, S. 343 ff.<br />

13 Eigene Berechnungen auf Basis von McEvedy & Jones 1978, S. 343 ff. und UN(2004).<br />

14 Nach Durchlaufen des demographischen Wandels wird laut Theorie ein Zustand erreicht,<br />

in dem die Bevölkerung nur noch minimal wächst bzw. Nullwachstum erreicht wird (vgl.<br />

Dinkel 1989, Abschnitt 2.3.).<br />

15 Einen guten Einblick in die aktuelle Lage zur EKC Forschung findet sich in Lieb 2003.


184<br />

optionen oder Präferenzen bezüglich der Umweltqualität) bereits durch die<br />

Entwicklung des Pro-Kopf-Einkommens wiedergegeben werden.<br />

Empirische Schätzungen des in Gleichung (3) dargestellten Zusammenhangs<br />

legen nahe, dass bezüglich des Verhältnisses von Pro-Kopf-Einkommen und<br />

Pro-Kopf-Umweltverbrauch zwischen den einzelnen Verschmutzungsarten<br />

unterschieden werden muss. Für lokale und regionale Umweltverschmutzungen<br />

(wie Kohlenmonoxid und Schwefeldioxid) wurde die Existenz einer<br />

Environmental Kuznets Curve empirisch nachgewiesen. Die EKC besagt,<br />

dass steigende Pro-Kopf-Einkommen bis zu einem gewissen Niveau zu<br />

einem steigenden Pro-Kopf-Umweltverbrauch führen, Einkommenssteigerungen<br />

über dieses Niveau hinaus jedoch mit einem sinkenden Pro-Kopf-<br />

Umweltverbrauch einhergehen. Ursachen für die Existenz der EKC können<br />

unter anderem eine steigende Nachfrage nach Umweltqualität (Umweltqualität<br />

als normales Gut), steigende Skalenerträge der Vermeidung oder der<br />

Strukturwandel sein (u.a. Lieb 2003). Folgende Abbildung zeigt eine exemplarische<br />

EKC:<br />

Eine exemplarische Environmental Kuznets Curve<br />

Pro Kopf<br />

Umweltverbrauch<br />

Pro Kopf Einkommen<br />

Laut empirischen Untersuchungen liegt der Maximalwert der EKC für<br />

Schwefeldioxidemissionen bei ungefähr 10.000 US-Dollar pro Kopf und für<br />

Kohlenmonoxidemissionen bei rund 16.000 US-Dollar pro Kopf 16 . In Bezug<br />

auf die Fragestellung dieser Untersuchung wird ersichtlich, dass der<br />

demographische Wandel einen vollkommen unterschiedlichen Einfluss auf<br />

16 Lieb (2003), S. 10 ff. gibt einen Überblick über eine Vielzahl empirischer Schätzungen.<br />

Die hier angegebenen Maximalwerte geben einen ungefähren Mittelwert der stark variierenden<br />

Schätzungen an.


185<br />

den Pro-Kopf-Umweltverbrauch haben kann, je nachdem ob sich die entsprechende<br />

Region auf dem steigenden oder fallenden Ast der EKC befindet.<br />

Durch den demographischen Wandel bedingte Einkommenssteigerungen<br />

(Einkommensminderungen) haben einen erhöhenden (senkenden) Einfluss<br />

auf den Pro-Kopf-Umweltverbrauch, sofern sich die Region auf dem steigenden<br />

Ast der EKC befindet (wie dies in ärmeren Ländern der Fall ist). In<br />

Regionen, die sich auf dem fallenden Ast der EKC befinden (reichere Länder)<br />

haben zusätzliche Einkommenssteigerungen (Einkommensminderungen)<br />

dagegen einen senkenden (steigernden) Einfluss auf den Pro-Kopf-<br />

Umweltverbrauch.<br />

Eine EKC konnte jedoch nicht für globale Luftverschmutzungen bestätigt<br />

werden <strong>–</strong> hier wird meistens ein positiver Zusammenhang zwischen Pro-<br />

Kopf-Einkommen und Pro-Kopf-Emissionen angenommen. Einkommenssteigerungen<br />

führen also über alle Einkommensniveaus hinweg zu steigenden<br />

Pro-Kopf-Emissionen. Durch den demographischen Wandel induzierte<br />

Einkommenssteigerungen (Einkommensminderungen) haben daher in allen<br />

Regionen einen verstärkenden (senkenden) Einfluss auf die CO -Pro-Kopf-<br />

2<br />

Emissionen.<br />

Bevor eine genaue Analyse des Einflusses des demographischen Wandels<br />

auf die Pro-Kopf-Emissionen möglich ist, muss untersucht werden, wie sich<br />

die Bevölkerungsstruktur auf das Pro-Kopf-Einkommen auswirkt. Dazu sei<br />

eine nicht näher spezifizierte, linear-homogene Produktionsfunktion mit den<br />

beiden Produktionsfaktoren Kapital (K) und Erwerbsbevölkerung (L) sowie<br />

dem technologischen Parameter (A) angenommen und durch die Gesamtbevölkerung<br />

(P) dividiert, um die Höhe der Pro Kopf Produktion, respektive<br />

des Pro-Kopf-Einkommens (y) zu bestimmen.<br />

A F K L A F K L L A F K L L L<br />

(4) y A f k )<br />

P<br />

P L<br />

L P P<br />

~<br />

⋅ ( , ) ⋅ ( , ) ⋅ ⋅ ( , )<br />

=<br />

=<br />

=<br />

= ⋅ (<br />

⋅<br />

Nach einer Erweiterung mit der Variable (L) und einigen Umformungen<br />

wird deutlich, dass das Pro-Kopf-Einkommen von drei Größen abhängt:<br />

Erstens dem technologischen Parameter A, zweitens der Kapitalausstattung<br />

je Erwerbstätigen ( k ~ ) und drittens der Erwerbsfähigenquote (L/P). Interessant<br />

ist also die Beantwortung der Frage, welchen Einfluss die Bevölkerungsstruktur<br />

auf diese drei Größen haben wird. Der Einfluss der Bevölkerungsstruktur<br />

auf die Kapitalakkumulation hängt vom Spar- und Investitionsverhalten<br />

und von der Offenheit der internationalen Kapitalmärkte ab und


186<br />

ist schwierig herauszuarbeiten17 . Auch die Frage, welchen Einfluss die Bevölkerungsstruktur<br />

auf den Parameter A und damit auf den technischen Fortschritt<br />

hat, ist nicht abschließend geklärt, obwohl oftmals angenommen wird,<br />

eine Alterung der Gesellschaft habe einen negativen Einfluss auf die gesellschaftliche<br />

Innovationsfähigkeit18 . Daher wird im Folgenden die vereinfa-<br />

~<br />

chende Annahme getroffen, das Einkommen je Erwerbstätigen ( A ⋅ f ( k ) = ~ y )<br />

entwickle sich unabhängig von der Bevölkerungsstruktur. Gemäß Gleichung<br />

(4) hat die Bevölkerungsstruktur jedoch über die Erwerbsfähigenquote (L/P)<br />

einen entscheidenden Einfluss auf das Pro-Kopf-Einkommen. In vereinfachter<br />

Form kann Gleichung (4) folgendermaßen ausgedrückt werden, wobei<br />

der Term (BS) für die Bevölkerungsstruktur steht:<br />

(5) y = y(<br />

~ y,<br />

BS)<br />

Ähnlich wie schon bei Gleichung (1) geschehen, ist es sinnvoll, Gleichung<br />

(4) in Wachstumsraten auszudrücken:<br />

(6) ry = r~<br />

y + rL<br />

− rP<br />

Das Pro-Kopf-Einkommen wächst mit der exogen gegebenen Wachstumsrate<br />

des Einkommens je Erwerbstätigen zuzüglich der Wachstumsrate der<br />

Erwerbsbevölkerung und abzüglich der Bevölkerungswachstumsrate. Der<br />

Einfluss, den der demographische Wandel über die Bevölkerungsstruktur auf<br />

die Wachstumsrate des Pro-Kopf-Einkommens hat, ist folgender: Wächst die<br />

Erwerbsbevölkerung schneller als die Gesamtbevölkerung, so hat der demographische<br />

Wandel einen steigernden Einfluss auf das Wachstum des Pro-<br />

Kopf-Einkommens, während er im umgekehrten Fall einen dämpfenden<br />

Einfluss aufweist. Dieses Phänomen des positiven Einflusses auf das Pro<br />

Kopf Wachstum ist in der Literatur als Demographic Gift bekannt und ist<br />

auch empirisch bestätigt worden 19 . Die folgende Tabelle zeigt das durchschnittliche<br />

jährliche Demographic Gift für die drei Ländergruppen bis 2050<br />

an 20 :<br />

17 Siehe Grömling (2004), S. 80.<br />

18 Vgl. Rürup (2000) oder (Siebert) 2002. Gefunden in: Grömling (2004), S. 81.<br />

19 Vgl. Bloom & Wiiliamson 1998, S. 430 oder Battini, Callen & McKibbin 2006, S. 13.<br />

20 Im Folgenden wird auch ein negativer Einfluss des demographischen Wandels auf das Pro-<br />

Kopf-Einkommen der Einfachheit halber als Demographic Gift bezeichnet.


Durchschnittliches jährliches Demographic Gift<br />

2005 - 2015 2015 - 2030 2030 - 2050<br />

HIC -0.20% -0.43% -0.24%<br />

MIC 0.19% -0.21% -0.33%<br />

LIC 0.46% 0.30% 0.13%<br />

Tab. 3 Demographic Gift nach Ländergruppen 21<br />

187<br />

Für die Gruppe der Industrieländer besagen die Prognosen, dass in den<br />

nächsten Jahrzehnten die Erwerbsbevölkerung langsamer wachsen wird als<br />

die Gesamtbevölkerung und infolgedessen das Wachstum des Pro-Kopf-<br />

Einkommens gemindert wird. In der Gruppe der MIC hat der demographische<br />

Wandel in den nächsten Jahren einen steigernden Einfluss auf das Pro-<br />

Kopf-Einkommen, da der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung mit großer<br />

Sicherheit anwachsen wird. Ab 2015 wird laut Vorhersage die Veränderung<br />

der Bevölkerungsstruktur das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens jedoch<br />

auch in dieser Region mindern. In den ärmsten Ländern dagegen bleibt das<br />

Demographic Gift wahrscheinlich den gesamten Zeitraum über positiv, was<br />

zu entsprechend höheren Wachstumsraten des Pro-Kopf-Einkommens in<br />

diesen Regionen führen wird. Inwieweit die einzelnen Länder dieses Demographic<br />

Gift tatsächlich realisieren können, hängt von den entsprechenden<br />

institutionellen Rahmenbedingungen der Länder (z.B. der Ausgestaltung des<br />

Arbeitsmarktes) ab.<br />

4 Untersuchungsergebnisse<br />

4.1 Demographischer Wandel und Pro-Kopf-Umweltverbrauch<br />

Wie in Abschnitt 3.3 beschrieben, steigen die Pro-Kopf-Emissionen von<br />

CO mit dem Einkommen. Ein positives Demographic Gift hätte zur Folge,<br />

2<br />

21 Basierend auf der mittleren Bevölkerungsprognose der Vereinten Nationen (UN 2004).


188<br />

dass das Pro-Kopf-Einkommen in dieser Periode schneller wachsen würde,<br />

was wiederum einen steigernden Einfluss auf die Pro-Kopf-Emissionen<br />

hätte. Umgekehrt verhält es sich jedoch bei einem negativen Demographic<br />

Gift. In diesem Fall würde das Pro-Kopf-Einkommen langsamer wachsen,<br />

was im Endeffekt zu langsamer wachsenden CO -Emissionen führen wür-<br />

2<br />

de.<br />

Um den marginalen Einfluss des demographischen Wandels auf die Pro-<br />

Kopf-Emissionen lokaler und regionaler Gase zu bestimmen, muss für die<br />

Ländergruppen beachtet werden, ob sie sich zum gegebenen Zeitpunkt auf<br />

dem aufsteigenden oder dem absteigenden Ast der EKC befinden. Dazu sind<br />

realistische Schätzungen der zukünftigen BIP Wachstumsraten der einzelnen<br />

Ländergruppen vonnöten, um das jeweilige Pro-Kopf-Einkommen der Ländergruppen<br />

bis 2050 vorhersagen zu können. Zu diesem Zweck wird folgende<br />

Vorgehensweise gewählt: Die Wachstumsrate des Einkommens je<br />

Erwerbstätigen nach Gleichung (6) wird für alle Ländergruppen als exogen<br />

gegeben angenommen. Annahmegemäß betrage sie für die Gruppe der HIC<br />

jährlich 2,0%, für die MIC 2,5% und für die LIC 3,0% 22 . Somit ergibt sich<br />

die prognostizierte BIP Wachstumsrate aus diesem exogenen Wachstum des<br />

Einkommens je Erwerbstätigen zuzüglich des in Tabelle 3 angegebenen<br />

Demographic Gift23 . In Bezug auf ihre Position auf der EKC ergeben sich<br />

daher für die einzelnen Ländergruppen folgende Sachverhalte: Die Gruppe<br />

der HIC hatte 2004 ein Pro-Kopf-Einkommen von 30.970 US-$ 24 . Somit<br />

befinden sich diese Länder eindeutig auf dem absteigenden Ast der EKC für<br />

SO und CO, woran sich auch in Zukunft wenig ändern dürfte. Für die<br />

2<br />

Gruppe der MIC wurde 2004 ein Pro-Kopf-Einkommen von durchschnittlich<br />

6.480 US-$ angegeben, wobei der Maximalwert der EKC für SO 2 bei<br />

circa 10.000 US-$ liegt. Dieses Einkommensniveau werden die MIC laut<br />

oben getroffenen Annahmen 2022 erreichen. Vor dem Jahr 2022 hätte ein<br />

positives (negatives) Demographic Gift in den MIC einen erhöhenden (mindernden)<br />

Einfluss auf die SO -Pro-Kopf-Emissionen, da diese Länder sich<br />

2<br />

22 Ähnliche Annahmen finden sich in Bongaarts 1992, S. 305 ff.<br />

23 Das Demographic Gift wird in diesem Fall für den kleinstmöglichen Zeitraum berechnet.<br />

Aufbauend auf den Bevölkerungsprognosen der UN sind dies 5 Jahresperioden von 2005-<br />

2010, 2010-2015 usw.<br />

24 Alle Einkommensdaten übernommen von der Weltbank (2005).


189<br />

auf dem steigenden Ast der EKC befinden. Nach 2022 würde jedoch ein<br />

positives (negatives) Demographic Gift einen senkenden (verstärkenden)<br />

Einfluss auf die Entwicklung der SO -Emissionen haben, da sich die Länder<br />

2<br />

dann bereits auf dem absteigenden Ast der EKC befinden. Für die Pro-Kopf-<br />

Emissionen von CO liegt der Maximalwert bei 16.000 US-$, welchen die<br />

MIC erst im Jahr 2043 erreichen werden. Eindeutige Aussagen bezüglich des<br />

Einflusses des demographischen Wandels auf die Pro-Kopf-Emissionen<br />

von SO (CO) sind daher in der Periode von 2015-2030 (2030-2050) nicht<br />

2<br />

möglich. Deutlicher ist die Situation wiederum für die Gruppe der LIC, die<br />

2004 durchschnittlich über ein Pro-Kopf-Einkommen von 2.260 US-$ verfügten.<br />

Trotz der höheren angenommen Wachstumsraten und der günstigen<br />

demographischen Entwicklung werden diese Länder das Einkommensniveau<br />

von 10.000 US-$ bis 2050 annahmegemäß nicht erreichen und sich daher für<br />

SO und CO ständig auf dem ansteigenden Ast der EKC befinden.<br />

2<br />

Aufbauend auf dem in Tabelle 3 dargestellten Demographic Gift und den<br />

vorherigen Überlegungen bezüglich der Position der Länder auf der EKC,<br />

wird deutlich, dass der Einfluss des demographischen Wandels auf die Pro-<br />

Kopf-Emissionen davon abhängt, welches der drei Gase betrachtet wird. Für<br />

CO ist der Einfluss des demographischen Wandels in den HIC über den<br />

2<br />

gesamten Zeitraum dämpfend, da er das Einkommenswachstum mindert. In<br />

den MIC wirkt er kurzfristig noch erhöhend, ab 2015 jedoch auch senkend.<br />

Nur in den LIC hat der demographische Wandel einen verstärkenden Effekt<br />

auf die CO -Pro-Kopf-Emissionen, da er einkommenserhöhend wirkt. Für<br />

2<br />

SO dagegen liegt in fast allen Regionen ein durchgehend verstärkender<br />

2<br />

demographischer Einfluss auf die Pro-Kopf-Emissionen vor. In den LIC<br />

beschleunigt der demographische Wandel das Einkommenswachstum und<br />

damit das Emissionswachstum, während er in den HIC das Einkommenswachstum<br />

und damit die Emissionsminderung dämpft. Lediglich für die MIC<br />

muss differenziert werden: So kann in den Perioden von 2005-2015 und<br />

2030-2050 ein erhöhender Einfluss des demographischen Wandels auf die<br />

Pro-Kopf-Emissionen erwartet werden. Für die Periode von 2015-2030<br />

dagegen können keine eindeutigen Aussagen getroffen werden, da die MIC<br />

in diesem Zeitraum das Maximum der EKC erreichen werden. Ähnlich wie<br />

für Schwefeldioxid stellt sich die Situation bei den Kohlenmonoxidemissionen<br />

dar. In den HIC und den LIC wirkt der demographischen Wandel in<br />

dieselbe Richtung wie für SO <strong>–</strong> erhöht also die Pro-Kopf-Emissionen. Le-<br />

2


190<br />

diglich in den MIC ändert sich die Situation dahingehend, dass für die Periode<br />

von 2015-2030 der Einfluss des demographischen Wandels auf die Pro-<br />

Kopf-Emissionen an CO eindeutig negativ wird und für die Periode von<br />

2030-2050 nicht mehr eindeutig bestimmbar ist. Folgende Tabelle fasst diese<br />

Ergebnisse zusammen:


Tab. 4 Demographischer Wandel und Pro-Kopf-Umweltverbrauch<br />

Marginaler Einfluss des demographischen Wandels<br />

auf die Kohlendioxidemissionen pro Kopf<br />

2005 - 2015 2015 - 2030 2030 - 2050<br />

HIC - - -<br />

MIC + - -<br />

LIC + + +<br />

Marginaler Einfluss des demographischen Wandels<br />

auf die Schwefeldioxidemissionen pro Kopf<br />

2005 - 2015 2015 - 2030 2030 - 2050<br />

HIC + + +<br />

MIC + ? +<br />

LIC + + +<br />

Marginaler Einfluss des demographischen Wandels<br />

auf die Kohlenmonoxidemissionen pro Kopf<br />

2005 - 2015 2015 - 2030 2030 - 2050<br />

HIC + + +<br />

MIC + - ?<br />

LIC + + +<br />

191<br />

+ (-) → Erhöhender (Senkender) Einfluss des demographischen Wandels auf<br />

die Pro-Kopf-Emissionen . Einfluss ist ungewiss bei “?“<br />

4.2 Demographischer Wandel und gesellschaftlicher Umweltverbrauch<br />

Entscheidend für die Entwicklung der Gesamtemissionen ist laut Gleichung<br />

(1) auch die Entwicklung der Bevölkerungsgröße. Gemäß Tabelle 1 ist der<br />

marginale Einfluss des Bevölkerungswachstums in allen drei Regionen den<br />

gesamten Zeitraum über positiv. Für die Fälle, wo der demographische


192<br />

Wandel über die Bevölkerungsstruktur einen steigernden Einfluss auf die<br />

Pro-Kopf-Emissionen haben wird, ist der Einfluss auf die Gesamtemissionen<br />

daher eindeutig positiv, da auch die Bevölkerungsgröße zunimmt 25 . In<br />

den Fällen, in denen der demographische Wandel einen senkenden Einfluss<br />

auf die Pro-Kopf-Emissionen haben wird, ist es allerdings schwierig genaue<br />

Aussagen über die Entwicklung der Gesamtemissionen zu treffen, da unbekannt<br />

ist, welcher der beiden Effekte hier überwiegt 26 . Unter Berücksichtigung<br />

dieser zusätzlichen Unsicherheit fasst Tabelle 5 die erwarteten Effekte<br />

des demographischen Wandels auf die Gesamtemissionen der drei Gase<br />

zusammen. Die Tabelle ist folgendermaßen zu lesen: Eindeutige Effekte<br />

werden direkt mit einem “+“ bzw. “-“ gekennzeichnet. In Fällen, in denen<br />

man aufgrund der Größenverhältnisse annehmen kann, dass einer der beiden<br />

Effekte (Einfluss über die Bevölkerungsstruktur bzw. über die Bevölkerungsgröße)<br />

den anderen dominiert, wird dies mit einem “(+)“ bzw. “(-)“<br />

gekennzeichnet. Größenmäßig nicht eindeutige Effekte werden mit einem<br />

“?“ dargestellt:<br />

25 Siehe Gleichung (3).<br />

26 So ist unklar, ob der positive erste Term von Gleichung (3) die negativen Terme 2 und 3<br />

derselben Gleichung betragsmäßig übertrifft.


Marginaler Einfluss des demographischen Wandels<br />

auf die Kohlendioxidemissionen<br />

2005 - 2015 2015 - 2030 2030 - 2050<br />

HIC (+) ? (-)<br />

MIC + (+) (-)<br />

LIC + + +<br />

Marginaler Einfluss des demographischen Wandels<br />

auf die Schwefeldioxidemissionen<br />

2005 - 2015 2015 - 2030 2030 - 2050<br />

HIC + + +<br />

MIC + (+) +<br />

LIC + + +<br />

Marginaler Einfluss des demographischen Wandels<br />

auf die Kohlenmonoxidemissionen<br />

2005 - 2015 2015 - 2030 2030 - 2050<br />

HIC + + +<br />

MIC + (+) ?<br />

LIC + + +<br />

Tab. 5 Demographischer Wandel und Gesamtemissionen<br />

193<br />

Im Vergleich zur Tabelle 4 fällt auf, dass in einigen Feldern der Einfluss des<br />

demographischen Wandels durch das Miteinbeziehen der Bevölkerungsgröße<br />

nicht mehr senkend, sondern verstärkend sein wird. Dies liegt an der<br />

gemachten Annahme, dass wachsende Bevölkerungen ceteris paribus mehr<br />

Gase emittieren werden. Um zu verdeutlichen, wie die Tabelle in den nicht<br />

eindeutigen Fällen zu lesen ist, sei hier ein Beispiel genauer erklärt. In der<br />

Periode von 2005-2015 weist Tabelle 3 für die HIC einen negatives Demographic<br />

Gift von 0,2% aus. Dies wird einen dämpfenden Einfluss auf die


194<br />

Entwicklung der Pro-Kopf-Emissionen an CO haben. Im selben Zeitraum<br />

2<br />

wächst aber die Bevölkerung mit jährlich 0,52%. Daher wird hier vermutet,<br />

dass der Skaleneffekt der größeren Bevölkerung in diesem Fall noch überwiegt<br />

und die Gesamtemissionen durch den demographischen Wandel<br />

schneller wachsen werden.<br />

Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass der Einfluss des demographischen<br />

Wandels für die beiden lokalen und regionalen Luftverschmutzungen<br />

in allen Regionen in fast allen Perioden durchweg positiv zu sein scheint.<br />

Lediglich auf die CO -Emissionen ab 2030 kann ein senkender Einfluss des<br />

2<br />

demographischen Wandels vermutet werden.<br />

5 Zusammenfassung und Ausblick<br />

Hauptanliegen dieses Artikels war es, zu verdeutlichen, dass der demographische<br />

Wandel in den verschiedenen Regionen der Welt unterschiedliche<br />

Einflüsse auf den Umweltverbrauch haben wird. Da die Regionen sich sowohl<br />

im Hinblick auf ihre Demographie, als auch im Hinblick auf ihre dringlichsten<br />

Umweltverschmutzungen und ihre jeweilige Position auf der Environmental<br />

Kuznets Curve (EKC) unterscheiden, muss der Einfluss des demographischen<br />

Wandels auf den Umweltverbrauch sowohl nach Regionen<br />

als auch nach Arten des Umweltverbrauches getrennt werden. An dieser<br />

Stelle folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse für die jeweils relevantesten<br />

Umweltverschmutzungen der drei Ländergruppen:<br />

• CO wird heutzutage größtenteils in der Gruppe der HIC emittiert.<br />

2<br />

Nimmt man auch für die Zukunft einen positiven Zusammenhang<br />

zwischen Pro-Kopf-Einkommen und CO -Pro-Kopf-Emissionen<br />

2<br />

an, kann festgestellt werden, dass der marginale Einfluss des demographischen<br />

Wandels auf die CO -Gesamtemissionen in den HIC<br />

2<br />

in den nächsten 10 Jahren wahrscheinlich positiv und erst ab 2030<br />

negativ sein wird.<br />

• Die Gruppe der MIC emittiert in besonders großem Ausmaß 2<br />

SO .<br />

Da sich diese Ländergruppe bis 2022 auf dem aufsteigenden Ast der<br />

EKC befindet, werden die Gesamtemissionen bei weiter ansteigender<br />

Gesamtbevölkerung wahrscheinlich in Zukunft noch steigen.


195<br />

Der Einfluss des demographischen Wandels ist hier eindeutig erhöhend,<br />

was auch nach 2030, jedoch mit anderen Vorzeichen, der Fall<br />

sein wird. Da sich die Region dann auf dem fallenden Teil der EKC<br />

befinden wird, sind sinkende Pro-Kopf-Emissionen eine Folge der<br />

Einkommenssteigerungen. Dies wird, bei sehr mäßigem Bevölkerungswachstum,<br />

voraussichtlich zu sinkenden Gesamtemissionen<br />

führen. Allerdings wird der demographische Wandel hier diese, für<br />

die Umwelt positive, Entwicklung verlangsamen, da er das Einkommenswachstum<br />

(durch sinkende Erwerbsfähigenquoten) mindern<br />

wird.<br />

• Die Gruppe der LIC ist der größte Emittent von CO. Aufgrund der<br />

relativ hohen Bevölkerungswachstumsraten und der Tatsache, dass<br />

sich diese Ländergruppe den gesamten Zeitraum über auf dem ansteigenden<br />

Ast der EKC befindet, werden die CO-Emissionen in<br />

dieser Ländergruppe vermutlich stark ansteigen. In der gesamten<br />

Periode ist der Einfluss des demographischen Wandels auf die Gesamtemissionen<br />

an CO noch erhöhend.<br />

Dieser Beitrag kann nur einen ersten Anhaltspunkt liefern, und es sind einige<br />

sinnvolle Erweiterungen vorstellbar. Eine wertvolle Erweiterung wäre die<br />

feinere Gliederung der regionalen Aufteilung, um möglichst Länder mit<br />

ähnlicher Demographie und ähnlichem Wohlstandsniveau zusammenzuführen.<br />

Die in dieser Untersuchung vorgenommen Aufteilung ist gerade in der<br />

Gruppe der MIC problematisch, da es beispielsweise für die Position auf der<br />

EKC erhebliche Unterschiede macht, ob das betrachtete Land ein Einkommensniveau<br />

von 1.000 oder 9.000 US-$ aufweist. Zweitens könnten die in<br />

dieser Arbeit einfach als linear angenommenen Beziehungen zwischen Bevölkerungsgröße<br />

und Umweltverbrauch sowie Pro-Kopf-Einkommen und<br />

CO -Emissionen empirisch geschätzt werden, beziehungsweise auf beste-<br />

2<br />

hende Schätzungen aufgebaut werden. Dies würde es ermöglichen, unter<br />

Zuhilfenahme einer sinnvollen Prognose zur Entwicklung des Pro-Kopf-<br />

Einkommens, den demographischen Einfluss auf die Emissionen der drei<br />

Gase direkt in Emissionseinheiten zu schätzen, also auch quantitative Aussagen<br />

zulassen.<br />

Über den oben behandelten Zusammenhang hinaus, kann der demographische<br />

Wandel (über die Bevölkerungsstruktur) auch einen Einfluss auf die<br />

Umweltpräferenzen oder Konsummuster der Bevölkerung haben. Ein solcher


196<br />

Zusammenhang hätte ebenfalls Auswirkungen auf den Pro-Kopf-Umweltverbrauch<br />

und sollte näher untersucht werden.<br />

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IPC.pdf.


Bettina Reich<br />

Die Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte nach IFRS<br />

1 Einleitung<br />

Vor dem Hintergrund des Wandels von einer Industriegesellschaft zu einer<br />

Dienstleistungs-, Hochtechnologie- und Informationsgesellschaft und damit<br />

zu einer zugleich globalisierten und weltweit vernetzten <strong>Wirtschaft</strong> verliert<br />

materielles Vermögen im Hinblick auf die Erreichung und Sicherung von<br />

Wettbewerbsvorteilen sowie die Erhöhung des Unternehmenswertes immer<br />

mehr an Bedeutung. Dagegen steigt die Fokussierung auf immaterielles<br />

Vermögen in stetig zunehmendem Maße als bedeutende Ressource, die den<br />

zukünftigen Wert und Erfolg von Unternehmen determiniert. Insofern haben<br />

Unternehmen auch ein begründetes Interesse, dieses zu bilanzieren. Dabei ist<br />

immaterielles Vermögen nach deutschem Bilanzrecht allerdings nur auszuweisen,<br />

wenn dieses entgeltlich erworben wurde. Infolgedessen differieren<br />

seit Beginn der 90er Jahre in zunehmendem Maße die bilanziellen Buchwerte<br />

des Eigenkapitals von den Marktwerten der nach HGB (Handelsgesetzbuch)<br />

bilanzierenden Unternehmen in ganz erheblichem Umfang. Dabei<br />

liegt diese asymmetrische Entwicklung neben subjektiven Einschätzungsspielräumen<br />

im Hinblick auf die Rechnungslegung vor allem auch in der<br />

Existenz nicht bilanzierter immaterieller Vermögensgegenstände begründet.<br />

So bezeichnete Moxter schon frühzeitig die immateriellen Vermögensgegenstände<br />

als „ewige Sorgenkinder des Bilanzrechts“ 1 .<br />

Die Bilanzierung nach IFRS (International Financial Reporting Standards -<br />

vormals IAS (International Accounting Standards)) bietet aber gegenüber der<br />

Bilanzierung nach HGB die Möglichkeit, sowohl entgeltlich erworbene immaterielle<br />

Vermögenswerte als auch selbst geschaffene immaterielle Vermö-<br />

1 Moxter, A. (1979), S. 1102.


200<br />

genswerte zu aktivieren. Dabei sind gemäß der EU-Verordnung Nr.<br />

1606/2002 seit dem 1. Januar 2005, von einigen Ausnahmen 2 abgesehen,<br />

kapitalmarktorientierte Unternehmen 3 mit Sitz in einem Mitgliedstaat der<br />

Europäischen Union verpflichtet, ihre Konzernabschlüsse nach den Vorschriften<br />

der IFRS aufzustellen (§ 315a Abs. 1 und 2 HGB). Daneben besteht<br />

infolge der Umsetzung des EU-Mitgliedstaatenwahlrechts im Rahmen des<br />

BilReG (Bilanzrechtsreformgesetz) ein Wahlrecht für die Anwendung der<br />

IFRS für die Erstellung von Konzernabschlüssen nicht-kapitalmarkt-orientierter<br />

Unternehmen (§ 315a Abs. 3 HGB) und von Einzelabschlüssen kapitalmarktorientierter<br />

sowie nicht-kapital-marktorientierter Unternehmen<br />

(§325 Abs. 2a HGB), wobei die IFRS-Einzelabschlüsse wiederum ausschließlich<br />

Informationszwecken dienen. Dabei impliziert die Umstellung<br />

auf die Rechnungslegung nach IFRS im Vergleich zu der bisherigen Rechnungslegung<br />

nach HGB vielschichtige und weitreichende Änderungen sowie<br />

vielfältigere Möglichkeiten im Hinblick auf die Bilanzierung von immateriellem<br />

Vermögen und vermag infolge einer Annäherung der Buchwerte des<br />

Eigenkapitals an dessen Marktwerte möglicherweise eine vorherrschende<br />

Informationslücke zu schließen.<br />

2 Wesensbestimmung immateriellen Vermögens<br />

Der Begriff des immateriellen Vermögens wird sowohl in der Wissenschaft<br />

als auch in der unternehmerischen Praxis äußerst differenziert betrachtet und<br />

damit unterschiedlich weit abgegrenzt, so dass sich bisher weder auf nationaler<br />

noch auf internationaler Ebene eine eindeutige Wesensbestimmung<br />

herauskristallisiert hat. Dementsprechend finden Ausführungen in Form von<br />

sowohl sprachlich als auch inhaltlich mehr oder minder stark voneinander<br />

2 Eine Übergangsfrist bis 2007 gilt für europäische Unternehmen, die ihren Konzernabschluss<br />

aufgrund einer Notierung in einem Nicht-EU-Land noch nach anderen international<br />

anerkannten Rechnungslegungsnormen, wie z.B. US-GAAP (United States Generally Accepted<br />

Accounting Principles), aufstellen und veröffentlichen sowie für Unternehmen, die<br />

den organisierten Markt ausschließlich wegen emittierter Fremdkapitaltitel in Anspruch<br />

nehmen.<br />

3 Als kapitalmarktorientierte Unternehmen sind Unternehmen zu verstehen, die einen organisierten<br />

Markt i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG (Wertpapierhandelsgesetz) durch von ihnen oder<br />

einem ihrer Tochterunternehmen ausgegebene Wertpapiere i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 WpHG in<br />

Anspruch nehmen.


201<br />

abweichenden Termini, wie u.a. Intangibles4 , immaterielle Vermögensgegenstände5<br />

, immaterielle Vermögenswerte6 und immaterielle Werte7 sowie<br />

immateriale Güter8 oder Intangible Assets9 als auch Intellectual Capital10 für<br />

die Begrifflichkeit des immateriellen Vermögens synonyme respektive inhaltsverwandte<br />

Anwendung.<br />

Dabei wird aber im Allgemeinen eine sowohl in der deutschen als auch in<br />

der internationalen Rechnungslegungsliteratur anerkannte negative Abgrenzung<br />

des immateriellen Vermögens vom sonstigen Vermögen vorgenommen.<br />

11 Danach umfasst zunächst das rein immaterielle Vermögen das nichtkörperliche<br />

Vermögen, das nicht greifbar ist und sich durch dessen geistige<br />

und rechtliche Form kennzeichnen lässt, im Gegensatz zum materiellen<br />

Vermögen, das wiederum das körperliche, stoffliche und damit greifbare<br />

Vermögen inkludiert. 12 Daneben wird dann das materialisierte immaterielle<br />

Vermögen, das sich aus immateriellen und materiellen Bestandteilen zusammensetzt,<br />

als immaterielles Vermögen klassifiziert, wenn dem materiellen<br />

Vermögen als Trägermedium lediglich eine untergeordnete Bedeutung<br />

zukommt und dieses vielmehr Transport- und Dokumentations- sowie<br />

Speicherungs- oder Lagerungszwecke übernimmt. Insofern impliziert bspw.<br />

auf einem Datenträger gespeicherte Software immaterielles Vermögen. Ferner<br />

liegt beim nominellen oder finanziellen Vermögen, wie z.B. Forderungen<br />

und Verbindlichkeiten, analog zum immateriellen Vermögen auch nichtkörperliches<br />

Vermögen vor. Das immaterielle Vermögen ist aber im Gegensatz<br />

zum finanziellen Vermögen nicht monetär geprägt. 13<br />

4 Vgl. Zimmermann/Schütte (2004), S. 315; Weber, C.-P. (2002), S. 323; Küting/Dürr<br />

(2003), S. 1.<br />

5 Vgl. § 266 Abs. 2 HGB.<br />

6 Vgl. DRS 12; IAS 38; Kaplan/Norton (2004), S. 3.<br />

7 Vgl. Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ (2001), S. 989.<br />

8 Vgl. Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 1; Dawo, S. (2003), S. 5; Keitz, I. v.(1997), S. 6.<br />

9 Vgl. Daum, J. H. (2002), S. 17.<br />

10 Vgl. Brandes/Schabel/Wache (2005), S. 17; Daum, J. H. (2002), S. 7; Sullivan, P. H.<br />

(2000), S. 8f.<br />

11 Vgl. Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ (2004), S. 225.<br />

12 Vgl. Bitz/Schneeloch/Wittstock (2003), S. 145.<br />

13 Vgl. Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ (2004), S. 225.


202<br />

Des Weiteren wird unabhängig vom Rechnungslegungssystem regelmäßig<br />

zwischen dem Unternehmensbetrieb dauerhaft dienendem immateriellen<br />

Vermögen des Anlagevermögens, wie z.B. Markennamen für Produkte, und<br />

dem zur Veräußerung bestimmten immateriellen Vermögen des Umlaufvermögens<br />

(Vorräte), wie bspw. im Kundenauftrag entwickelte Software, unterschieden.<br />

14 Vor dem Hintergrund der Bedeutung des dem Unternehmen<br />

langfristig dienenden immateriellen Anlagevermögens wird das immaterielle<br />

Umlaufvermögen aber nachfolgend vernachlässigt und damit ausschließlich<br />

das immaterielle Anlagevermögen als Untersuchungsgegenstand behandelt.<br />

15<br />

Darüber hinaus wird in Abhängigkeit von der Form des Zugangs des immateriellen<br />

Vermögens zum Unternehmen zwischen dem originären immateriellen<br />

Vermögen, das das Unternehmen von Dritten erworben hat, und dem<br />

derivativen immateriellen Vermögen, das von einem Unternehmen selbst<br />

geschaffen wurde, differenziert. 16<br />

Weiterhin ist das immaterielle Vermögen von dem Geschäfts- oder Firmenwert<br />

(GfW) respektive Goodwill abzugrenzen, der als Differenz aus dem<br />

Ertragswert bzw. bei einem Unternehmenserwerb dem Kaufpreis und dem<br />

Nettosubstanzwert eines Unternehmens zu verstehen ist. Insofern umfasst<br />

das immaterielle Vermögen neben dem nicht separat aktivierten immateriellen<br />

Vermögen, das zum einen dem immateriellen Vermögen und zum anderen<br />

auch dem Geschäfts- oder Firmenwert zugeordnet ist, das separat aktivierte<br />

immaterielle Vermögen. 17 Dabei kann aber der bilanzrechtlich differenziert<br />

als Vermögensgegenstand, Bilanzierungshilfe, Rechnungsabgrenzungsposten<br />

oder Aliud beurteilte Geschäfts- oder Firmenwert auch<br />

weitere nicht zum immateriellen Vermögen zählende Bestandteile aufweisen.<br />

18<br />

Außerdem stellen Aufwendungen, wie Ausgaben für Forschung und Entwicklung,<br />

selbst kein immaterielles Vermögen dar, sondern können vielmehr<br />

14 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 252.<br />

15 Im Folgenden findet der Begriff des immateriellen Vermögens vereinfachend für den<br />

Terminus des immateriellen Vermögens des Anlagevermögens Anwendung.<br />

16 Vgl. Bitz/Schneeloch/Wittstock (2003), S. 146; Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 57f.<br />

17 Vgl. Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ (2004), S. 227.<br />

18 Vgl. Bitz/Schneeloch/Wittstock (2003), S. 146.


203<br />

zu potentiellem immateriellem Vermögen in Form von Forschungs- oder<br />

Teilergebnissen führen und sind im Rahmen eines pagatorisch abgesicherten<br />

Rechnungslegungssystems als Aufwendungen zum Erwerb, zur Schaffung<br />

oder auch zur Verbesserung von immateriellem Vermögen zu aktivieren<br />

respektive als Aufwand zu erfassen. 19<br />

Schließlich lässt sich das immaterielle Vermögen nach dem Arbeitskreis<br />

„Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ neben unterschiedlichen anderen<br />

Umschreibungen in Form von Kategorisierungen20 operational und umfassend<br />

sowie unabhängig von dessen Aktivierungsfähigkeit in die einstufigen<br />

sieben Kategorien Innovation-Capital, Human-Capital, Customer-Capital<br />

und Supplier-Capital, Investor-Capital sowie Process-Capital und Location-<br />

Capital systematisieren. 21 Danach umfasst das Innovation-Capital das immaterielle<br />

Vermögen im Bereich der Produkt- und Dienstleistungs- sowie Verfahrensinnovationen<br />

eines Unternehmens, wie z.B. Software, Patente, Filme,<br />

ungeschützte Rezepturen. Das Human-Capital beinhaltet dann das immaterielle<br />

Vermögen im Personalbereich eines Unternehmens, wie u.a. Kompetenz<br />

und Wissen von Personal und Management und Betriebsklima. Dagegen<br />

expliziert das Customer-Capital das immaterielle Vermögen im Absatzbereich<br />

eines Unternehmens, wie bspw. Marken, Marktanteile, Kundenlisten,<br />

Kundenzufriedenheit und auch Abnahmeverträge. Das Supplier-Capital<br />

bezeichnet analog das immaterielle Vermögen im Beschaffungsbereich eines<br />

Unternehmens, wie z.B. Verträge über den Bezug knapper Rohstoffe. Das<br />

Investor-Capital erfasst wiederum das immaterielle Vermögen im Finanzbereich<br />

eines Unternehmens, wie z.B. Konditionen der Eigen- und Fremdkapitalbeschaffung.<br />

Indessen beschreibt das Process-Capital das immaterielle<br />

Vermögen im Organisationsbereich vor dem Hintergrund der Ablauf- und<br />

Aufbauorganisation eines Unternehmens, wie bspw. Vertriebsnetz, Qualitätssicherung<br />

und Kommunikationsnetz. Schließlich fasst das Location-<br />

Capital das immaterielle Vermögen im Hinblick auf den Standort eines Unternehmens<br />

zusammen, wie z.B. Standortvorteile in Form von Steuervorteilen.<br />

22<br />

19 Vgl. Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ (2001), S. 991.<br />

20 Vgl. im deutschen Schrifttum z.B. Reuleaux, S. (1987), S. 48-56.<br />

21 Vgl. Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ (2003), S. 1234.<br />

22 Vgl. Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ (2004), S. 226 f; Arbeitskreis<br />

„Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ (2001), S. 990 f.


204<br />

3 Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte nach IFRS<br />

3.1 Definition und Ansatz immaterieller Vermögenswerte nach IFRS<br />

Die zentrale Anwendungsvorschrift für immaterielle Vermögenswerte IAS<br />

38 Intangible Assets ist im März 1998 im Zuge langwieriger Diskussionen<br />

des IASC (International Accounting Standards Commitee) aus den Exposure<br />

Drafts E 50 Intangible Assets und E 60 Intangible Assets hervorgegangen,<br />

wurde dann im Zuge eines Proposed Improvement Project umfassend überarbeitet<br />

und im März 2004 vom IASB (International Accounting Standards<br />

Board) -vormals IASC- verabschiedet, so dass IAS 38 nunmehr gänzlich den<br />

aus dem Jahre 1978 resultierenden IAS 9 Research and Development Costs<br />

ersetzt. 23 Demnach ist ein immaterieller Vermögenswert gemäß IAS 38.8<br />

definiert als ein „identifizierbarer, nicht monetärer Vermögenswert ohne<br />

physische Substanz“, über den das Unternehmen aufgrund von Ereignissen in<br />

der Vergangenheit eine Verfügungsmacht besitzt und aus dem in Zukunft ein<br />

wirtschaftlicher Nutzenzufluss resultiert. Dabei besteht nach IAS 38 eine<br />

Ansatzpflicht für einen Sachverhalt als immaterieller Vermögenswert, wenn<br />

dieser im Zuge einer umfangreichen zweistufigen Prüfung sowohl die abstrakte<br />

Aktivierungsfähigkeit als auch die konkrete Aktivierungsfähigkeit<br />

erfüllt. 24 Infolgedessen verlangt der Ansatz eines Postens als immaterieller<br />

Vermögenswert das Vorliegen der Definitionskriterien gemäß IAS 38.8-17<br />

sowie der Ansatzkriterien gemäß IAS 38.21-23. 25 Dabei begründen die im<br />

Rahmenwerk in F. 49a verankerten Vermögenswertkriterien und die in F. 83<br />

23 Vgl. Wulf, I. (2004), S. 8; Lutz-Ingold, M. (2005), S. 153f; Heyd/Lutz-Ingold (2005), S.<br />

20f. Daher umfasst IAS 38 alle Arten von immateriellen Vermögenswerten, die nicht in<br />

anderen Einzelstandards, wie IAS 2 Inventories, IAS 11 Construction Contracts, IAS 12<br />

Income Taxes, IAS 17 Leases, IAS 19 Employee Benefits, IAS 39 Financial Instruments,<br />

IFRS 3 Business Combinations, IFRS 4 Insurance Contracts oder IFRS 5 Non-current Assets<br />

Held for Sale and Discontinued Operations, konkret behandelt werden sowie keine<br />

Abbau- und Schürfrechte und Ausgaben für die Erschließung oder die Förderung und den<br />

Abbau von Mineralien, Öl, Erdgas und ähnlichen nicht regenerativen Ressourcen (vgl. IAS<br />

38.2-3).<br />

24 Vgl. Esser/Hackenberger (2004), S. 403; Dawo, S. (2003), S. 193; Schmidbauer, R. (2004),<br />

S. 1443.<br />

25 Vgl. IAS 38.18.


205<br />

dargelegten Ansatzkriterien, die aufgrund des dem Rahmenwerk fehlenden<br />

Verpflichtungscharakters in IAS 38 wiederholt und hinsichtlich der Anforderungen<br />

an immaterielle Vermögenswerte konkretisiert und damit um weitere<br />

Kriterien ergänzt werden, auch die abstrakte und konkrete Aktivierungsfähigkeit<br />

immaterieller Vermögenswerte. 26 Insofern müssen immaterielle Vermögenswerte<br />

zusätzlich zu den Definitions- und Ansatzkriterien der Vermögenswerte,<br />

die nach den Vorschriften der IFRS der Investitionsrechnung<br />

folgend als Strömungsgrößen einen Zeitraumbezug aufweisen und damit<br />

dynamisch und nutzwertorientiert gesehen werden, 27 weitere postenspezifische<br />

Kriterien erfüllen. Dementsprechend muss es sich im Hinblick auf die<br />

abstrakte Aktivierungsfähigkeit immaterieller Vermögenswerte zunächst um<br />

einen Vermögenswert im Sinne einer nicht monetären Ressource ohne physische<br />

Substanz handeln, die ein Ergebnis von Ereignissen in der Vergangenheit<br />

darstellt. 28 Daneben ist die Identifizierbarkeit (Identifiability) eines Vermögenswertes<br />

immer dann gegeben, wenn dieser separierbar ist, d.h. alleine<br />

oder im Zusammenhang mit einem Vertrag, einem Vermögenswert oder<br />

einer Schuld vom Unternehmen verkauft, übertragen, lizenziert, vermietet<br />

oder getauscht werden kann, oder aus vertraglichen oder anderen gesetzlichen<br />

<strong>Recht</strong>en, wie z.B. Lizenzen oder Patenten, entsteht, unabhängig davon,<br />

ob diese <strong>Recht</strong>e übertragbar oder separierbar sind. 29 Demnach muss ein<br />

immaterieller Vermögenswert individuell bestimmbar und damit vom Geschäfts-<br />

oder Firmenwert eindeutig unterscheidbar sein. 30 Des Weiteren liegt<br />

die Verfügungsmacht (Control) eines Unternehmens über einen Vermögenswert<br />

dann vor, wenn sich das Unternehmen den aus dem Vermögenswert<br />

in Zukunft resultierenden wirtschaftlichen Nutzenzufluss verschaffen<br />

und den Zugriff Dritter darauf beschränken kann. Die Verfügungsmacht<br />

eines Unternehmens kann sowohl eine rechtliche als auch eine ausreichende<br />

wirtschaftliche Beherrschung implizieren, wobei diese aber bspw. nicht über<br />

26 Vgl. Dawo, S. (2003), S. 193; Schmidbauer, R. (2004), S. 1443; Heyd/Lutz-Ingold (2005),<br />

S. 33.<br />

27 Vgl. Buchholz, R. (2004a), S. 221f.; Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 28; Pellens/Fülbier<br />

(2000), S. 124.<br />

28 Vgl. IAS 38.8; Esser/Hackenberger (2004), S. 403; Dawo, S. (2003), S. 193.<br />

29 Vgl. IAS 38.12.<br />

30 Vgl. IAS 38.11; Born, K. (2005), S. 121; Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 4; Dawo, S. (2003),<br />

S. 194.


206<br />

den künftigen wirtschaftlichen Nutzenzufluss aus dem Know-How der Mitarbeiter<br />

besteht. 31 Darüber hinaus muss das Unternehmen aus dem Vermögenswert<br />

in Zukunft auch einen wirtschaftlichen Nutzenzufluss (Future Economic<br />

Benefit) generieren können, der wiederum aus Erlösen aus dem Verkauf<br />

von Produkten oder Dienstleistungen, Kosteneinsparungen oder anderen<br />

Vorteilen der unternehmensinternen Verwendung resultieren kann. 32<br />

Schließlich erfolgt die Aktivierung eines immateriellen Vermögenswertes<br />

nur dann, wenn zusätzlich auch die konkrete Aktivierungsfähigkeit erfüllt<br />

ist. 33 Diese ist dann gegeben, wenn dem Unternehmen in Zukunft der erwartete<br />

wirtschaftliche Nutzen aus dem immateriellen Vermögenswert wahrscheinlich<br />

zufließt (Probability) und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten<br />

des immateriellen Vermögenswertes zuverlässig bestimmt werden<br />

können (Reliability). 34 Dabei ist die Wahrscheinlichkeit des erwarteten künftigen<br />

wirtschaftlichen Nutzenzuflusses nicht quantifiziert, gleichwohl soll<br />

dessen Abschätzung auf vernünftigen und nachvollziehbaren Annahmen<br />

sowie der bestmöglichen Einschätzung des Managements des bilanzierenden<br />

Unternehmens hinsichtlich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen während<br />

der Nutzungsdauer des immateriellen Vermögenswertes beruhen. 35<br />

Zudem sind unternehmensexterne Werthaltigkeitshinweise gegenüber unternehmensinternen<br />

Kalkulationen aus Objektivierungsgründen stärker zu gewichten.<br />

36 Darüber hinaus sind dann die Anschaffungskosten bei einzeln<br />

erworbenen immateriellen Vermögenswerten aufgrund der dem Kaufpreis<br />

innewohnenden objektivierenden Wirkung gewöhnlich eindeutig feststellbar.<br />

37 Vor dem Hintergrund der mangelnden Praktikabilität der Ansatzkriterien<br />

der Wahrscheinlichkeit des in Zukunft erwarteten wirtschaftlichen Nut-<br />

31 Vgl. IAS 38.13-16; Wulf, I. (2004), S. 8; Buchholz, R. (2004a), S. 223.<br />

32 Vgl. IAS 38.17.<br />

33 Die Abgrenzung der abstrakten Aktivierungsfähigkeit von der konkreten Aktivierungsfähigkeit<br />

ist unscharf, so dass die nachfolgend explizierten Ansatzkriterien der konkreten<br />

Aktivierungsfähigkeit in der Literatur vereinzelt auch bereits der abstrakten Aktivierungsfähigkeit<br />

zugeordnet werden (vgl. z.B. Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 255f; Heyd/Lutz-<br />

Ingold (2005), S. 27).<br />

34 Vgl. IAS 38.21; Wagenhofer, A. (2005), S. 205.<br />

35 Vgl. IAS 38.22; Esser/Hackenberger (2004), S. 405; Schmidbauer, R. (2004), S. 1443.<br />

36 Vgl. IAS 38.23; Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 255; Dawo, S. (2003), S. 199.<br />

37 Vgl. IAS 38.25-26 und 38.34; Schmidbauer, R. (2004), S. 1443; Dawo, S. (2003), S. 201f.


207<br />

zenzuflusses und der zuverlässigen Bestimmung der Herstellungskosten bei<br />

selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerten wird deren zeitlicher<br />

Entstehungsprozess zur Feststellung der konkreten Aktivierungsfähigkeit<br />

hilfsweise sowohl in eine Forschungsphase als auch in eine Entwicklungsphase<br />

unterteilt. 38<br />

Dabei ist die Forschung als eigenständige und planmäßige Suche nach neuen<br />

wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen zu verstehen. 39 Die Forschungsaktivitäten<br />

innerhalb der Forschungsphase umfassen z.B. Aktivitäten<br />

zur Erlangung neuer Erkenntnisse (Grundlagenforschung) oder die Suche,<br />

Bewertung und Auswahl von Forschungserkenntnissen (angewandte Forschung).<br />

40 Das bilanzierende Unternehmen kann in der Forschungsphase<br />

jedoch nicht zuverlässig nachweisen, dass aus den Forschungsaktivitäten in<br />

Zukunft ein wahrscheinlich wirtschaftlich vorteilhafter immaterieller Vermögenswert<br />

resultiert. 41 Demzufolge besteht grundsätzlich ein Ansatzverbot<br />

für die produktfernen Forschungskosten (Research Costs), die damit sofort<br />

als Aufwand zu erfassen sind. 42 Dagegen gilt die Entwicklung als die der<br />

Forschung nachgelagerte vor Beginn der kommerziellen Produktion oder<br />

Nutzung stattfindende Anwendung von Forschungsergebnissen oder anderem<br />

Wissen auf einen Plan oder Entwurf für die Produktion von neuen oder<br />

beträchtlich verbesserten Materialien, Vorrichtungen, Produkten, Verfahren,<br />

Systemen oder Dienstleistungen. 43 Dabei setzen sich die Entwicklungsaktivitäten<br />

innerhalb der Entwicklungsphase bspw. aus der Fertigung von Prototypen<br />

und Modellen sowie Pilotanlagen zusammen. 44 Demnach unterliegen<br />

die objektbezogenen Entwicklungskosten (Development Costs) einer Ansatzpflicht,<br />

wenn das bilanzierende Unternehmen die kumulative Erfüllung<br />

der bestimmten ergänzenden Aktivierungskriterien erstmalig nachweisen<br />

38 Vgl. IAS 38.51-52; Wulf, I. (2004), S. 9. Die Bilanzierung selbst erstellter Webauftritte für<br />

den unternehmensinternen oder unternehmensexternen Gebrauch behandelt die Interpretation<br />

SIC-32 Intangible Assets <strong>–</strong> Web Site Costs, die auch die Differenzierung der Forschungsphase<br />

von der Entwicklungsphase hinsichtlich der Websitekosten expliziert.<br />

39 Vgl. IAS 38.8.<br />

40 Vgl. IAS 38.56; Ammann/Müller (2004), S. 136; Kirsch, H. (2005a), S. 59.<br />

41 Vgl. IAS 38.55; Buchholz, R. (2004b), S. 80.<br />

42 Vgl. IAS 38.54; Buchholz, R. (2004b), S. 80.<br />

43 Vgl. IAS 38.8.<br />

44 Vgl. IAS 38.59.


208<br />

kann. 45 Danach ist zunächst die technische Realisierbarkeit der Fertigstellung<br />

des immateriellen Vermögenswertes zu erfüllen, damit dieser zur internen<br />

Nutzung oder zum Verkauf zur Verfügung steht. Daneben muss die<br />

Absicht zur Fertigstellung des immateriellen Vermögenswertes vorliegen,<br />

um diesen intern zu nutzen oder zu verkaufen. Des Weiteren muss auch die<br />

Fähigkeit bestehen, den immateriellen Vermögenswert intern zu nutzen oder<br />

zu verkaufen. Darüber hinaus ist die Art und Weise, wie der immaterielle<br />

Vermögenswert einen voraussichtlichen künftigen wirtschaftlichen Nutzen<br />

erzielen wird, nachzuweisen, z.B. durch die Existenz eines Marktes für den<br />

immateriellen Vermögenswert oder dessen Produkte oder im Falle der internen<br />

Nutzung durch den Nutzen des immateriellen Vermögenswertes. Ferner<br />

ist die Verfügbarkeit adäquater technischer, finanzieller und sonstiger Ressourcen<br />

auszuweisen, um die Entwicklung abzuschließen und den immateriellen<br />

Vermögenswert zu nutzen oder zu verkaufen. Schließlich muss die<br />

Fähigkeit bestehen, die dem immateriellen Vermögenswert während seiner<br />

Entwicklung zurechenbaren Ausgaben zuverlässig zu bewerten. 46 Diese<br />

zusätzlichen Ansatzkriterien führen einerseits zu einer de facto restriktiveren<br />

Behandlung der selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerte gegenüber<br />

den erworbenen immateriellen Vermögenswerten, 47 andererseits wird<br />

dem bilanzierenden Unternehmen bei der Erfüllung seiner Nachweispflicht<br />

aber auch ein weitreichender Entscheidungsspielraum beim Ansatz eines<br />

selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswertes eröffnet. 48 So kann der<br />

Ansatzzeitpunkt unternehmensindividuell begründet in das eine oder andere<br />

Geschäftsjahr verlagert werden. 49 Daneben werden die Herstellungskosten<br />

eines selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswertes in der Entwicklungsphase<br />

solange als Aufwand verrechnet, bis das Unternehmen die sechs<br />

Ansatzkriterien eindeutig nachweisen kann. Dabei ist die Nachaktivierung<br />

von bereits als Aufwand erfassten Entwicklungskosten untersagt. 50 So impliziert<br />

auch die Auslegung der speziellen Ansatzkriterien einen erheblichen<br />

Einschätzungsspielraum mit Einfluss auf die extern weder einzuschätzende<br />

45 Vgl. 38.57; Dawo, S. (2003), S. 203.<br />

46 Vgl. 38.57; Kirsch, H. (2005a), S. 55; Wagenhofer, A. (2005), S. 208.<br />

47 Vgl. Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 39.<br />

48 Vgl. Dawo, S. (2003), S. 205; Wulf, I. (2001), S. 128; Müller, S. (2003), S. 129.<br />

49 Vgl. Wulf, I. (2005), S. 6.<br />

50 Vgl. IAS 38.65 und das dazugehörige Beispiel.


209<br />

noch zu quantifizierende Sachverhaltsgestaltung und damit im Ergebnis ein<br />

faktisches Ansatzwahlrecht für Entwicklungskosten. 51 In dem Fall, in dem<br />

das Unternehmen aufgrund der interdependenten Beziehung zwischen den<br />

Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten die Forschungsphase nicht von der<br />

Entwicklungsphase abgrenzen kann, werden die gesamten Projektkosten als<br />

in der Forschungsphase angefallener Aufwand erfasst. 52<br />

Ferner besteht ein explizites Ansatzverbot für selbst geschaffene Markennamen,<br />

Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten und ihrem Wesen nach ähnliche<br />

Sachverhalte, da diese nicht oder nur selten die Ansatzkriterien erfüllen<br />

und somit deren Entwicklungskosten nicht hinreichend von den sonstigen<br />

Aufwendungen des Unternehmens, also von dem originären Geschäfts- oder<br />

Firmenwert, unterschieden werden können. 53 Durch das Fehlen eines aktiven<br />

Marktes für diese bestimmten selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerte<br />

mit hohem Wert- und Erfolgspotenzial ist deren zuverlässige<br />

Bewertbarkeit, die das IASB höher gewichtet als deren Relevanz, nicht gegeben.<br />

54 Daneben sind auch Ausgaben für die Gründung und den Anlauf<br />

eines Geschäftsbetriebes sowie für Aus- und Weiterbildungsaktivitäten,<br />

Werbekampagnen und Maßnahmen der Verkaufsförderung sowie für die<br />

Verlegung oder Reorganisation von Unternehmensteilen oder des gesamten<br />

Unternehmens als Aufwand in der Periode zu erfassen, in der sie anfallen. 55<br />

In Abgrenzung zum selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswert unterliegt<br />

auch ein selbst geschaffener Geschäfts- oder Firmenwert einem Ansatzverbot,<br />

da dieser zum einen nicht identifizierbar, also separierbar, ist und<br />

zum anderen nicht auf vertraglichen oder gesetzlichen <strong>Recht</strong>en beruht. 56<br />

Dagegen besteht aber nach IFRS 3 Business Combinations eine Ansatzpflicht<br />

für im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbene<br />

immaterielle Vermögenswerte, die infolge der Erwerbsmethode (Purchase<br />

Method) im Zuge der Kaufpreisallokation nun auch separat zu erfassen sind,<br />

51 Vgl. Wulf, I. (2004), S. 9; Esser/Hackenberger (2004), S. 405f; Dawo, S. (2003), S. 205f;<br />

Birgel, K. (2005), S. 135.<br />

52 Vgl. IAS 38.53; Leibfried/Pfanzelt (2004), S. 491; Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 260.<br />

53 Vgl. IAS 38.63-64; Wulf, I. (2005), S. 7; Wagenhofer, A. (2005), S. 211.<br />

54 Vgl. IAS 38.78; Wulf, I. (2005), S. 7.<br />

55 Vgl. IAS 38.69.<br />

56 Vgl. IAS 38.48-50.


210<br />

wenn diese zum einen die Definition eines immateriellen Vermögenswertes<br />

gemäß IAS 38 erfüllen und zum anderen deren beizulegender Zeitwert (Fair<br />

Value) zuverlässig bewertet werden kann. 57 Dabei entspricht der beizulegende<br />

Zeitwert dem Betrag, zu dem zwischen sachverständigen, vertragswilligen<br />

und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern ein Vermögenswert<br />

getauscht werden könnte. 58 So umfassen die aktivierungsfähigen immateriellen<br />

Vermögenswerte auch die bisher einem Ansatzverbot unterliegenden<br />

immateriellen Vermögenswerte, wie z.B. Markennamen und Kundenlisten.<br />

59 Diese sind aber nicht zuverlässig bewertbar und damit nicht<br />

separat anzusetzen, wenn jene aus gesetzlichen oder anderen vertraglichen<br />

<strong>Recht</strong>en entstehen und nicht separierbar sind oder separierbar sind, aber<br />

vergleichbare Markttransaktionen nicht vorliegen und Schätzungen somit auf<br />

unbestimmbaren Variablen beruhen. 60 Die sich daraus ergebenden ganz<br />

erheblichen Einschätzungsspielräume wirken sich dann über die Folgebewertung<br />

auch auf die nachfolgenden Jahre aus. 61 Die nicht identifizierbaren<br />

oder zuverlässig bewertbaren immateriellen Vermögenswerte fließen<br />

schließlich in den entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert ein. 62<br />

So ist der aus einem Asset Deal, also dem Erwerb einer Gruppe von Vermögenswerten,<br />

resultierende Geschäfts- oder Firmenwert im Einzelabschluss zu<br />

aktivieren. Daneben ist der aus einem Unternehmenserwerb (Share Deal)<br />

resultierende Geschäfts- oder Firmenwert im Zuge der Kapitalkonsolidierung<br />

wiederum in der Konzernbilanz anzusetzen. 63<br />

57 Vgl. IFRS 3.45.<br />

58 Vgl. IAS 38.8.<br />

59 Vgl. IFRS 3, Illustrative Examples A1 und B1.<br />

60 Vgl. IAS 38.38; Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 52f; Wulf, I. (2005), S. 7.<br />

61 Vgl. Wulf, I. (2005), S. 7f.<br />

62 Vgl. Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 54.<br />

63 Vgl. IFRS 3.51.a; Hayn/Waldersee (2004), S. 110f; Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S.<br />

625ff.


3.2 Bewertung immaterieller Vermögenswerte nach IFRS<br />

211<br />

3.2.1 Erstbewertung immaterieller Vermögenswerte nach IFRS<br />

Die Erstbewertung respektive Zugangsbewertung aktivierungsfähiger immaterieller<br />

Vermögenswerte erfolgt in Abhängigkeit von der jeweiligen<br />

konkreten Erwerbsform zum Zugangszeitpunkt auf Basis der Anschaffungsoder<br />

Herstellungskosten. 64 Demnach sind einzeln erworbene immaterielle<br />

Vermögenswerte bei Zugang grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten zu<br />

bewerten. 65 Dabei implizieren die Anschaffungskosten neben dem Kaufpreis<br />

auch die Anschaffungsnebenkosten, wie Einfuhrzölle, nicht erstattungsfähige<br />

Umsatzsteuern sowie alle direkt zurechenbaren Kosten, wie bspw. Arbeitnehmervergütungen,<br />

Honorare und Aufwendungen für Testläufe, um einen<br />

immateriellen Vermögenswert in seine bestimmungsgemäße Betriebsbereitschaft<br />

zu versetzen, und eventuell vom Kaufpreis abzuziehende Anschaffungspreisminderungen,<br />

wie Rabatte, Boni und Skonti. 66 Insofern zählen<br />

dann z.B. Kosten für die Markteinführung sowie für Werbung und Verkaufsförderung,<br />

Kosten der Geschäftserweiterung und Mitarbeiterschulung sowie<br />

Verwaltungskosten und andere Gemeinkosten aber auch Kosten für die Inbetriebnahme<br />

sowie Anlaufverluste nicht zu den Anschaffungskosten. 67<br />

Infolgedessen können entgeltlich erworbene immaterielle Vermögenswerte<br />

bei Zugang generell zuverlässig mit ihrem Kaufpreis in Form von Zahlungsmitteln<br />

oder Zahlungsmitteläquivalenten bewertet werden. 68 Des Weiteren<br />

besteht für durch eine Zuwendung der öffentlichen Hand erworbene<br />

immaterielle Vermögenswerte, wie bspw. Flughafenlanderechte, ein Bewertungswahlrecht.<br />

So können diese bei Zugang entweder mit dem beizulegenden<br />

Zeitwert im seltenen Falle des Vorliegens eines aktiven Marktes69<br />

oder aber dem Nominalwert der Gegenleistung als symbolischer Wert<br />

64 Vgl. IAS 38.24; Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 256; Dawo, S. (2003), S. 207.<br />

65 Vgl. IAS 38.25; Kirsch, H. (2005a), S. 58; Wagenhofer, A. (2005), S. 214.<br />

66 Vgl. IAS 38.27-28; Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 59f; Lutz-Ingold, M. (2005), S. 197.<br />

67 Vgl. IAS 38.29-30.<br />

68 Vgl. IAS 38.25-26; Dawo, S. (2003), S. 208; Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 58f.<br />

69 Ein aktiver Markt ist definiert als ein Markt, auf dem homogene Produkte gehandelt werden,<br />

vertragswillige Käufer und Verkäufer in der Regel jederzeit gefunden werden und<br />

Preise der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (vgl. IAS 38.8).


212<br />

zuzüglich aller direkt zurechenbaren Kosten bewertet werden. 70 Daneben<br />

sind durch Tausch erworbene immaterielle Vermögenswerte gegen nicht<br />

monetäre Vermögenswerte oder eine Kombination von monetären und nicht<br />

monetären Vermögenswerten bei Zugang grundsätzlich mit dem beizulegenden<br />

Zeitwert der hingegebenen Vermögenswerte anzusetzen. Dies gilt jedoch<br />

nicht, wenn dem Tausch wirtschaftliche Substanz im Hinblick auf die voraussichtliche<br />

Änderung der zukünftigen Cash Flows infolge des Tausches<br />

fehlt oder weder der beizulegende Zeitwert der erhaltenen immateriellen<br />

Vermögenswerte noch der der hingegebenen Vermögenswerte zuverlässig<br />

bewertbar ist. Dann sind die erworbenen immateriellen Vermögenswerte mit<br />

dem Buchwert der hingegebenen Vermögenswerte anzusetzen. 71<br />

Dagegen sind selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte bei Zugang<br />

mit ihren Herstellungskosten zu bewerten. Dabei umfassen die Herstellungskosten<br />

ab dem Zeitpunkt, ab dem die Ansatzkriterien für alle immateriellen<br />

Vermögenswerte sowie die sechs ergänzenden Ansatzkriterien für selbst<br />

geschaffene immaterielle Vermögenswerte erstmalig kumulativ erfüllt sind,<br />

wegen des Aktivierungsverbotes von Forschungskosten grundsätzlich nur<br />

Entwicklungskosten sowie alle direkt zurechenbaren Kosten, wie z.B. Kosten<br />

für Materialien und Dienstleistungen, Arbeitnehmervergütungen, Registrierungsgebühren<br />

eines <strong>Recht</strong>sanspruches sowie Abschreibungen auf Patente<br />

und Lizenzen und damit neben den Einzelkosten auch produktionsbezogene<br />

Gemeinkosten zur Schaffung, Herstellung und Vorbereitung immaterieller<br />

Vermögenswerte für die bestimmungsgemäße Betriebsbereitschaft. 72 Daher<br />

zählen dann bspw. Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten sowie sonstige<br />

Gemeinkosten aber auch identifizierbare Ineffizienzen und Anlaufverluste<br />

sowie Kosten für die Mitarbeiterschulung nicht zu den Herstellungskosten. 73<br />

Im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbene immaterielle<br />

Vermögenswerte sind zum Erwerbszeitpunkt mit ihrem beizulegenden Zeitwert<br />

zu bewerten. 74 Dabei bemisst sich der beizulegende Zeitwert im seltenen<br />

Falle des Vorliegens eines aktiven Marktes im Zuge der Kaufpreisallo-<br />

70 Vgl. IAS 38.44 i.V.m. IAS 20.23; Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 60f.<br />

71 Vgl. IAS 38.45-46.<br />

72 Vgl. IAS 38.65-66; Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 63ff; Esser/Hackenberger (2004), S. 407f.<br />

73 Vgl. IAS 38.67; Kirsch, H. (2005a), S. 58f.<br />

74 Vgl. IAS 38.33.


213<br />

kation nach dem aktuellen Marktpreis oder bei zwischenzeitlich nicht wesentlich<br />

veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nach dem geschätzten<br />

Marktpreis des letzten vergleichbaren Geschäftsvorfalles. 75 In<br />

Ermangelung eines aktiven Marktes wird der beizulegende Zeitwert für die<br />

meisten immateriellen Vermögenswerte alternativ zur Marktpreisbewertung<br />

dann regelmäßig über eine Vielzahl anderer zugelassener Bewertungsmaßstäbe<br />

und Bewertungsverfahren, wie bspw. Marktpreisschätzungen, 76 Multiplikatorverfahren,<br />

77 Discounted-Cash-Flow-Verfahren 78 und Gruppenbewertung,<br />

79 ermittelt, so dass bis auf wenige Ausnahmefälle eine zuverlässige<br />

Bewertbarkeit und damit ein separater Ansatz möglich ist. 80 Der entgeltlich<br />

erworbene Geschäfts- oder Firmenwert ist zu seinen Anschaffungskosten als<br />

Differenz der Anschaffungskosten für das erworbene Unternehmen und den<br />

identifizierbaren Vermögenswerten abzüglich der identifizierbaren Schulden<br />

und Eventualschulden zu bewerten. 81<br />

3.2.2 Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte nach IFRS<br />

Nach der Erstbewertung ist die Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte<br />

im Zuge eines eingeschränkten Bewertungsmethodenwahlrechts generell<br />

entweder nach der Anschaffungskostenmethode oder der Neubewertungsmethode<br />

vorzunehmen. 82 So sieht die Anschaffungskostenmethode<br />

(Cost Model) eine Bewertung zu fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten<br />

vor. Diese entsprechen den bei Zugang angesetzten historischen<br />

Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich aller bis zum Zeitpunkt<br />

der Folgebewertung kumulierten planmäßigen und außerplanmäßigen Abschreibungen<br />

zuzüglich aller kumulierten Zuschreibungen. 83 Indessen erfolgt<br />

nach der Neubewertungsmethode (Revaluation Model) eine regelmäßige<br />

75 Vgl. IAS 38.39.<br />

76 Vgl. IAS 38.40.<br />

77 Vgl. IAS 38.41.a.<br />

78 Vgl. IAS 38.41.b.<br />

79 Vgl. IAS 38.36-37.<br />

80 Vgl. Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 69ff; Lutz-Ingold, M. (2005), S. 203f.<br />

81 Vgl. IFRS 3.51.b; Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 71.<br />

82 Vgl. IAS 38.72; Kirsch, H. (2005b), S. 27; Wagenhofer, A. (2005), S. 215.<br />

83 Vgl. IAS 38.74; Kirsch, H. (2005a), S. 60f.


214<br />

Bewertung mit dem Neubewertungsbetrag. Dieser ist als beizulegender<br />

Zeitwert zum Zeitpunkt der Neubewertung abzüglich aller bis zum Zeitpunkt<br />

der Folgebewertung kumulierten planmäßigen und außerplanmäßigen Abschreibungen<br />

zuzüglich aller kumulierten Zuschreibungen definiert und auf<br />

einem aktiven Markt zu bestimmen. Dabei kann der Neubewertungsbetrag<br />

als paritätischer beizulegender Zeitwert unter oder über den historischen<br />

Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegen. 84 Deshalb können bei Vorliegen<br />

eines aktiven Marktes auch selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte,<br />

die nur mit einem Teil ihrer Herstellungskosten aktiviert wurden,<br />

sowie durch eine Zuwendung der öffentlichen Hand erworbene immaterielle<br />

Vermögenswerte, die zum Nominalwert angesetzt wurden, mit ihrem Neubewertungsbetrag<br />

bewertet werden. 85 Die aus einer Neubewertung resultierende<br />

Wertsteigerung als Erhöhung des Buchwertes ist erfolgsneutral in das<br />

Eigenkapital als Neubewertungsrücklage einzustellen, wobei die Wertsteigerung<br />

erfolgswirksam als Ertrag zu erfassen ist, die die zuvor aufgrund einer<br />

Neubewertung erfolgswirksam als Aufwand erfasste Wertminderung desselben<br />

immateriellen Vermögenswertes aufhebt. 86 Dagegen ist die mit einer<br />

Neubewertung einhergehende Wertminderung als Verringerung des Buchwertes<br />

erfolgsneutral mit der Neubewertungsrücklage zu verrechnen, wobei<br />

eine die Neubewertungsrücklage übersteigende Wertminderung erfolgswirksam<br />

als Aufwand zu erfassen ist. 87 Die Neubewertungsrücklage kann bei<br />

Stilllegung oder Veräußerung eines immateriellen Vermögenswertes erfolgsneutral<br />

den Gewinnrücklagen zugeführt werden. Ein Teil der Neubewertungsrücklage<br />

kann als Unterschiedsbetrag zwischen der Abschreibung<br />

auf der Basis des neu bewerteten Buchwertes und der Abschreibung, die auf<br />

der Basis der historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten erfasst<br />

worden wäre, bei Nutzung eines immateriellen Vermögenswertes auch erfolgsneutral<br />

in die Gewinnrücklagen gebucht werden. 88 Da ein aktiver Markt<br />

für immaterielle Vermögenswerte nur in seltenen Fällen vorliegt, ist die<br />

Anschaffungskostenmethode von größerer praktischer Bedeutung. 89 Sodann<br />

84 Vgl. IAS 38.75; Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 77; Kirsch, H. (2005a), S. 60f.<br />

85 Vgl. IAS 38.77.<br />

86 Vgl. IAS 38.85.<br />

87 Vgl. IAS 38.86.<br />

88 Vgl. IAS 38.87.<br />

89 Vgl. Wulf, I. (2005), S. 8f; Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 262.


215<br />

sind sowohl eine Nutzungsdauer als auch eine Abschreibungsmethode zu<br />

bestimmen.<br />

Folglich muss ein Unternehmen unabhängig von der gewählten Bewertungsmethode<br />

feststellen, ob ein immaterieller Vermögenswert eine begrenzte<br />

Nutzungsdauer (Finite Useful Life) oder eine unbegrenzte Nutzungsdauer<br />

(Indefinite Useful Life) hat. Dabei ist die Nutzungsdauer (Useful<br />

Life) der Zeitraum, in dem ein immaterieller Vermögenswert aufgrund einer<br />

Analyse aller relevanten Faktoren voraussichtlich positive Cash Flows generieren<br />

wird. 90 Die Ermittlung der Nutzungsdauer wird von vielen Faktoren,<br />

wie z.B. technischen, technologischen, kommerziellen oder anderen Arten<br />

der Veralterung, bestimmt und in den erläuternden Beispielen veranschaulicht.<br />

91 Ferner können auch wirtschaftliche und rechtliche Faktoren die Nutzungsdauer<br />

eines immateriellen Vermögenswertes beeinflussen. 92 Die Nutzungsdauer<br />

eines auf einem vertraglichen oder gesetzlichen <strong>Recht</strong> basierenden<br />

immateriellen Vermögenswertes darf aber die Gültigkeitsdauer des<br />

zugrunde liegenden <strong>Recht</strong>s nicht überschreiten. 93 So sind immaterielle Vermögenswerte<br />

mit begrenzter Nutzungsdauer ab dem Zeitpunkt ihrer bestimmungsgemäßen<br />

Betriebsbereitschaft planmäßig über ihre Nutzungsdauer<br />

abzuschreiben. 94 Die verwendete Abschreibungsmethode muss dann grundsätzlich<br />

dem tatsächlichen Verbrauch des wirtschaftlichen Nutzens eines<br />

immateriellen Vermögenswertes entsprechen. Sofern dieser tatsächliche<br />

Verbrauch nicht zuverlässig bestimmt werden kann, ist die lineare Abschreibungsmethode<br />

anzuwenden. 95 Daneben sind auch die degressive Abschreibungsmethode<br />

sowie die leistungsabhängige Abschreibungsmethode zulässig,<br />

wenn deren kumulierter Abschreibungsbetrag zumindest dem der linearen<br />

Abschreibungsmethode entspricht. Dabei ist die verwendete Abschreibungsmethode<br />

während der Nutzungsdauer stetig anzuwenden, sofern sich<br />

der erwartete Nutzungsverlauf nicht ändert. 96 Dazu sind die Nutzungsdauer<br />

90 Vgl. IAS 38.88; Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 73; Kirsch, H. (2005a), S. 61.<br />

91 Vgl. IAS 38.89-90 und IAS 38, Illustrative Examples; Kirsch, H. (2005a), S. 62.<br />

92 Vgl. IAS 38.95.<br />

93 Vgl. IAS 38.94.<br />

94 Vgl. IAS 38.89 und 38.97; Kirsch, H. (2005a), S. 61.<br />

95 Vgl. IAS 38.97.<br />

96 Vgl. IAS 38.98.


216<br />

und die verwendete Abschreibungsmethode wenigstens am Ende eines jeden<br />

Geschäftsjahres zu überprüfen und gegebenenfalls an die Veränderungen<br />

anzupassen. 97 Der Restwert (Residual Value) eines immateriellen Vermögenswertes<br />

ist am Ende der Nutzungsdauer grundsätzlich mit Null anzusetzen,<br />

es sei denn, dass eine Verpflichtung eines Dritten zum Erwerb besteht,<br />

oder aber ein aktiver Markt existiert, auf dem der Restwert dann ermittelt<br />

werden kann. 98 Indessen dürfen immaterielle Vermögenswerte mit unbegrenzter<br />

Nutzungsdauer, wie z.B. ein im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses<br />

erworbener Geschäfts- oder Firmenwert, im Zuge des<br />

Impairment Only Approach nicht planmäßig abgeschrieben werden, 99 sondern<br />

sind gemäß IAS 36 Impairment of Assets jährlich und auch bei Anzeichen<br />

für eine Wertminderung einem Werthaltigkeitstest (Impairment Test)<br />

zu unterziehen, indem der erzielbare Betrag (Recoverable Amount) mit dem<br />

Buchwert (Carrying Amount) verglichen wird. 100 Dabei ist der erzielbare<br />

Betrag als der höhere der beiden Beträge aus dem beizulegenden Zeitwert<br />

abzüglich Verkaufskosten (Fair Value less Cost to Sell) und dem Nutzungswert<br />

(Value in Use) definiert. 101 Der beizulegende Zeitwert abzüglich Verkaufskosten<br />

ist der in einem verbindlichen Kaufvertrag festgelegte Kaufpreis<br />

abzüglich direkt zurechenbarer Verkaufskosten, in Ermangelung eines verbindlichen<br />

Kaufvertrages bei Vorliegen eines aktiven Marktes der aktuelle<br />

Marktpreis respektive der Marktpreis der jüngsten Transaktion abzüglich<br />

Veräußerungskosten oder im Falle des Fehlens eines verbindlichen Kaufvertrages<br />

und eines aktiven Marktes der auf den besten verfügbaren Informationen<br />

beruhende fiktive Marktpreis abzüglich Veräußerungskosten. 102 Der<br />

Nutzungswert ist der mit einem angemessenen und risikoadjustierten Zinssatz<br />

erzielte Barwert der geschätzten zukünftigen Cash Flows aus der fortgesetzten<br />

Nutzung zuzüglich eines eventuell am Ende der Nutzungsdauer vorhandenen<br />

Restwertes. 103 Zudem ist eine Wertminderung unabhängig von der<br />

97 Vgl. IAS 38.104.<br />

98 Vgl. IAS 38.100.<br />

99 Vgl. IAS 38.89 und 38.107; IFRS 3.55; Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 89 und 172.<br />

100 Vgl. IAS 38.108 i.V.m. IAS 36.9-10; Kirsch, H. (2005a), S. 63.<br />

101 Vgl. IAS 36.18.<br />

102 Vgl. IAS 36.25-27.<br />

103 Vgl. IAS 36.6 und 36.30-57; Kirsch, H. (2005a), S. 64.


217<br />

Nutzungsdauer eines immateriellen Vermögenswertes bei Vorliegen von<br />

entsprechenden unternehmensinternen sowie unternehmensexternen Indikatoren<br />

zu überprüfen. 104 Falls der erzielbare Betrag geringer ist als sein Buchwert,<br />

ist eine außerplanmäßige Abschreibung in Höhe des Wertminderungsaufwandes<br />

(Impairment Loss) auf den erzielbaren Betrag vorzunehmen. 105<br />

Der erzielbare Betrag ist für einzelne immaterielle Vermögenswerte, die<br />

einzeln zurechenbare Cash Flows generieren, zu bestimmen. Sofern ein immaterieller<br />

Vermögenswert nur zusammen mit einem anderen oder einer<br />

Gruppe anderer Vermögenswerte Cash Flows erzeugt, ist dann wiederum der<br />

erzielbare Betrag für eine zahlungsmittelgenerierende Einheit (Cash Generating<br />

Unit) zu ermitteln, es sei denn, der beizulegende Zeitwert abzüglich der<br />

Verkaufskosten ist höher als sein Buchwert oder der Nutzungswert entspricht<br />

Schätzungen zufolge nahezu dem ermittelbaren beizulegenden Zeitwert<br />

abzüglich der Verkaufskosten. 106 Bei Schätzungsänderungen infolge der<br />

Bestimmung des erzielbaren Betrages als Anzeichen einer Wertaufholung ist<br />

eine Zuschreibung auf den erneut zu ermittelnden erzielbaren Betrag vorzunehmen.<br />

107 Dabei ist die Zuschreibungshöhe bei einem einzelnen immateriellen<br />

Vermögenswert auf den Buchwert, der vorherige außerplanmäßige<br />

Abschreibungen vernachlässigt, sowie bei einem einer zahlungsmittelgenerierenden<br />

Einheit angehörenden immateriellen Vermögenswert auf den niedrigeren<br />

der beiden Beträge aus dem erzielbaren Betrag und dem Buchwert,<br />

der vorherige außerplanmäßige Abschreibungen vernachlässigt, begrenzt. 108<br />

Ein im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbener Geschäfts-<br />

oder Firmenwert unterliegt jedoch einem Zuschreibungsverbot. 109<br />

3.3 Ausweis immaterieller Vermögenswerte nach IFRS<br />

Im Zuge einer Angabepflicht über immaterielle Vermögenswerte sind die zu<br />

deren umfassendem Verständnis erforderlichen Informationen im Anhang<br />

anzugeben. Dabei kann die Berichterstattung den bilanziellen Ausweis er-<br />

104 Vgl. IAS 36.12.<br />

105 Vgl. IAS 36.59; Born, K. (2005), S. 253.<br />

106 Vgl. IAS 36.22.<br />

107 Vgl. IAS 36.114; Kirsch, H. (2005a), S. 69.<br />

108 Vgl. IAS 36.117 und 36.122-123; Brücks/Wiederhold (2004), S. 183.<br />

109 Vgl. IAS 36.124; Kirsch, H. (2005a), S. 69.


218<br />

läutern und ergänzen und damit objektivierungsbedingte Beschränkungen in<br />

der Abbildung immaterieller Vermögenswerte ausgleichen. 110 So sind für<br />

Gruppen immaterieller Vermögenswerte als Zusammenfassung art- und<br />

funktionsähnlicher immaterieller Vermögenswerte, getrennt nach selbst<br />

geschaffenen und sonstigen immateriellen Vermögenswerten, und innerhalb<br />

dieser Gruppen wiederum unterteilt nach begrenzter und unbegrenzter Nutzungsdauer<br />

Angaben über Nutzungsdauern, Abschreibungssätze und <strong>–</strong>methoden,<br />

Bruttobuchwerte und kumulierte planmäßige und außerplanmäßige<br />

Abschreibungen zu Beginn und zum Ende der Periode sowie GuV-Posten,<br />

die Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte enthalten, zu machen.<br />

Daneben ist eine Überleitung des Buchwertes zu Beginn und zum Ende der<br />

Periode zu erstellen. Diese hat die Zugänge getrennt nach unternehmensinterner<br />

Entwicklung, separatem Erwerb und Erwerb im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses,<br />

Stilllegungen/Abgänge, Wertänderungen durch<br />

Neubewertungen und außerplanmäßige Abschreibungen gemäß IAS 36 aber<br />

auch Wertminderungen und Wertaufholungen gemäß IAS 36 sowie Abschreibungen,<br />

Währungsdifferenzen und sonstigen Buchwertänderungen zu<br />

erfassen. 111 Des Weiteren sind für immaterielle Vermögenswerte mit unbegrenzter<br />

Nutzungsdauer die Buchwerte und die Gründe sowie Faktoren für<br />

die Annahme einer unbegrenzten Nutzungsdauer offen zu legen. Darüber<br />

hinaus sind für wesentliche immaterielle Vermögenswerte die Beschreibungen,<br />

Buchwerte und verbleibenden Abschreibungszeiträume anzugeben.<br />

Ferner sind für durch eine Zuwendung der öffentlichen Hand erworbene und<br />

mit dem beizulegenden Zeitwert angesetzte immaterielle Vermögenswerte<br />

die anfänglich beigelegten Zeitwerte, Buchwerte und angewandten Bewertungsmethoden<br />

zu veröffentlichen. Auch sind das Bestehen und die Buchwerte<br />

immaterieller Vermögenswerte, die mit Nutzungsbeschränkungen oder<br />

der Sicherung von Verbindlichkeiten einhergehen, und die Beträge vertraglicher<br />

Verpflichtungen für den Erwerb immaterieller Vermögenswerte zu<br />

nennen. 112 Sofern immaterielle Vermögenswerte nach der Neubewertungsmethode<br />

bewertet werden, sind für jede Gruppe immaterieller Vermögenswerte<br />

der Stichtag der Neubewertung, der Buchwert der nach der Neubewertungsmethode<br />

bewerteten immateriellen Vermögenswerte und der Buchwert,<br />

110 Vgl. Dawo, S. (2003), S. 267; Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 271.<br />

111 Vgl. IAS 38.118-119; Kirsch, H. (2005a), S. 387; Wagenhofer, A. (2005), S. 219f.<br />

112 Vgl. IAS 38.122f.


219<br />

mit dem die immateriellen Vermögenswerte nach der Anschaffungskostenmethode<br />

angesetzt worden wären, die Höhe der Neubewertungsrücklage zu<br />

Beginn und zum Ende der Periode unter Angabe der Wertänderungen und<br />

Ausschüttungsbeschränkungen an die Anteilseigner sowie die Methoden und<br />

Annahmen zur Schätzung des beizulegenden Zeitwertes darzulegen. 113<br />

Schließlich ist noch über die Summe der Ausgaben für Forschung und Entwicklung<br />

der Periode zu berichten. 114 Da sich die zusätzlich zu beachtenden<br />

Angabepflichten des IAS 36 und IFRS 3 nicht wesentlich von den erläuterten<br />

Vorschriften des IAS 38 unterscheiden, kann auf eine explizite Darstellung<br />

dieser Angabepflichten verzichtet werden.<br />

Schließlich wird den Unternehmen auch eine Beschreibung jedes vollständig<br />

abgeschriebenen, aber noch genutzten immateriellen Vermögenswertes empfohlen.<br />

Des Weiteren wird den Unternehmen eine kurze Beschreibung wesentlicher<br />

immaterieller Vermögenswerte empfohlen. Dabei kann ein Unternehmen<br />

wiederum Informationen über wesentliche, noch vom Unternehmen<br />

beherrschte immaterielle Vermögenswerte offen legen, die nicht als Vermögenswerte<br />

angesetzt sind, da diese nicht die Ansatzkriterien immaterieller<br />

Vermögenswerte erfüllen. 115 Infolgedessen können dann auch selbst geschaffene<br />

immaterielle Vermögenswerte, die die Aktivierungsvoraussetzungen<br />

nicht erfüllen und damit nicht aktiviert wurden, kurz beschrieben werden.<br />

Dementsprechend kann ein Unternehmen im Anhang neben dem bilanziellen<br />

Ausweis zusätzliche Informationen über nicht aktivierte immaterielle<br />

Vermögenswerte anführen.<br />

Außerdem erwähnt das IASB einen durch das Management zu erstellenden<br />

Bericht über die Unternehmenslage (Financial Review by Management).<br />

Dieser einem Lagebericht ähnelnde Bericht könnte u.a. einen Überblick über<br />

die gemäß IFRS nicht in der Bilanz ausgewiesenen Ressourcen und damit<br />

auch über die nicht aktivierten immateriellen Vermögenswerte geben. 116 Die<br />

Erstellung eines Lageberichts ist aber nicht explizit vorgeschrieben. 117<br />

113 Vgl. IAS 38.124.<br />

114 Vgl. IAS 38.126f.<br />

115 Vgl. IAS 38.128; Heyd/Lutz-Ingold (2005), S. 115.<br />

116 Vgl. IAS 1.9; Dawo, S. (2003), S. 289.<br />

117 Vgl. Wulf, I. (2004), S. 10; Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 308.


220<br />

Demzufolge müssen nach IFRS bilanzierende deutsche Unternehmen ihren<br />

Abschluss um einen Lagebericht ergänzen, der den erweiterten handelsrechtlichen<br />

Anforderungen der § 289 und § 315 HGB zu genügen hat und die<br />

Konkretisierungen in DRS (Deutscher Rechnungslegungs Standard) 15 Lageberichterstattung<br />

berücksichtigen muss. 118 Dabei entsprechen die Angaben<br />

im Lagebericht über immaterielle Vermögenswerte den Angaben im<br />

Lagebericht über immaterielle Vermögensgegenstände nach HGB, auf deren<br />

Darstellung im Rahmen dieses Beitrags verzichtet wird.<br />

Das aktuelle Active Research Project „Management Commentary“ (MC) des<br />

IASB setzt die Diskussion um eine Entwicklung von Empfehlungen für<br />

Informationen neben dem bilanziellen Ausweis fort. Dabei lässt die Diskussion<br />

wiederum die Entwicklung einer Vielzahl von Standards erwarten, die<br />

neben dem bilanziellen Ausweis auch die Berichterstattung durch das Management<br />

im Hinblick auf die Unternehmenslage und damit auch über immaterielle<br />

Vermögenswerte regeln soll. 119<br />

4 Resümee und Ausblick<br />

Im Zuge der Entwicklung von einer Industriegesellschaft zu einer Dienstleistungs-,<br />

Hochtechnologie- und Informationsgesellschaft gewinnt immaterielles<br />

Vermögen gegenüber materiellem Vermögen als Schlüsselgröße für<br />

die Wettbewerbsfähigkeit und den Wert vieler Unternehmen in stetig zunehmendem<br />

Maße an Bedeutung. Insofern wächst auch im Hinblick auf die<br />

EU-Verordnung Nr. 1606/2002 die Bedeutung der Bilanzierung immateriellen<br />

Vermögens nach international geltenden Vorschriften, um die wachsende<br />

Informationslücke und damit die Diskrepanz zwischen Buchwert des Eigenkapitals<br />

und Marktwert von Unternehmen zu schließen. So finden in dem<br />

vom Gläubigerschutz geprägten handelsrechtlichen Rechnungslegungssystem<br />

jedoch grundsätzlich nur entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände<br />

Berücksichtigung. Dagegen können in dem vorrangig auf<br />

Informationsvermittlung ausgerichteten Rechnungslegungssystem nach IFRS<br />

neben entgeltlich erworbenen immateriellen Vermögenswerten auch selbst<br />

118 Vgl. Ruhnke, K. (2005), S. 668; Wulf, I. (2004), S. 10; Hayn/Waldersee (2004), S. 41.<br />

119 Vgl. IASB (2005), S. 4; Gerpott/Thomas (2005), S. 2424.


221<br />

geschaffene immaterielle Vermögenswerte bei Vorliegen der Aktivierungsvoraussetzungen<br />

angesetzt werden. Demnach vermag de lege lata die Bilanzierung<br />

immaterieller Vermögenswerte nach IFRS grundsätzlich entscheidungsrelevante<br />

und damit dem True-and-Fair-View entsprechende Informationen<br />

zu vermitteln. Indessen sind die internationalen Angabepflichten und<br />

Angabeempfehlungen nicht ausreichend, um objektivierungsbedingten Beschränkungen<br />

und den durch offene sowie verdeckte Wahlrechte implizierten<br />

Ermessensspielräumen im Rahmen der Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte<br />

entgegenzuwirken. Infolgedessen kommt einer Berichterstattung<br />

im Sinne weitergehender Informationen eine entscheidende Bedeutung<br />

zu. Dabei könnte die Offenlegung von immateriellen Vermögenswerten<br />

wiederum im Rahmen von Intellectual-Capital-Berichten vorgenommen<br />

werden. Darüber hinaus wäre für immaterielle Vermögenswerte neben einer<br />

qualitativen Offenlegung auch eine allgemein akzeptierte quantitative Standardisierung<br />

erstrebenswert.<br />

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224<br />

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Heft 3, S. 315.


Udo Bonn<br />

Theorie Optimaler Währungsräume und ökonomische<br />

Konvergenz<br />

1 Einleitung<br />

Der vorliegende Artikel stellt die konträren Ansichten bezüglich eines „Optimalen<br />

Währungsraums“ gegenüber, um deren Implikationen für ökonomische<br />

Konvergenz/ Divergenz abzuleiten. Ziel dieses Artikels ist es zu ergründen,<br />

ob die im Artikel 2 EGV (Vertrag zur Gründung der Europäischen<br />

Gemeinschaft) angestrebte Konvergenz durch monetäre Integration gefördert<br />

wird.<br />

Dieser Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Ausgehend von der o.g. Fragestellung<br />

werden im Abschnitt 2 die Anfänge der klassischen OCA- Theorie (Optimal<br />

Currency Area) betrachtet. Es werden die statisch geprägten Ansichten der<br />

Monetaristen und Ökonomisten gegenübergestellt. Wesentlich hierbei ist die<br />

Tatsache, dass die Ökonomisten die Ansicht vertraten, dass bestimmte Kriterien<br />

für einen Optimalen Währungsraum ex- ante erfüllt sein müssten. Kritisiert<br />

wird diese auf makroökonomischen Kosten einer monetären Integration<br />

basierende Strömung von den Vertretern der monetaristischen Richtung.<br />

Diese zweifeln die makroökonomischen Kosten an und stellen die mikroökonomischen<br />

Nutzengewinne in den Vordergrund. Durch die monetären<br />

Effizienzgewinne und dem Druck, welcher von der einheitlichen Währung<br />

ausgeht, werden nach Ansicht der Monetaristen konvergente Entwicklungen<br />

gefördert. Im Ergebnis kann somit zwischen der „Krönungstheorie“ (Einführung<br />

einer einheitlichen Währung erst nach vorhergehender Integration) und<br />

der „Katalysator-“ oder „Vehikeltheorie“ (gemeinsame Währung als Beschleuniger<br />

des Konvergenzprozesses ohne Notwendigkeit eines bestimmten,<br />

weitreichenden Integrationsgrades) differenziert werden.


228<br />

Nach der Unterscheidung dieser Richtungen wird in Unterabschnitt 2.3 die<br />

Quintessenz für ökonomische Konvergenz abgeleitet. Aufgrund der statisch<br />

geprägten Vorgehensweise sind die Schlussfolgerungen allerdings mit Vorsicht<br />

zu genießen.<br />

Im dritten Abschnitt werden die neueren Entwicklungen der OCA- Theorie<br />

beschrieben. Hier lassen sich ebenfalls zwei verschiedene Strömungen hinsichtlich<br />

der (langfristigen) Implikationen der monetären Integration für<br />

ökonomische Konvergenz differenzieren. Auf der einen Seite ist die Haltung<br />

der Europäischen Kommission der „Katalysatortheorie“ zuzurechen, welche<br />

durch Frankel und Rose eine theoretische und empirische Untermauerung<br />

erfuhr. 1 Auf der anderen Seite argumentiert Krugman, dass die monetäre<br />

Integration zu Spezialisierungstendenzen und somit zu divergenten Entwicklungen<br />

führen wird. 2<br />

Anschließend werden im vierten Abschnitt die in der Literatur gängigen<br />

empirischen Methoden bezüglich der Bewertung der Kriterien Optimaler<br />

Währungsräume kurz erläutert. Diese fokussieren sich auf die Bewertung der<br />

Kosten unterschiedlicher Konjunkturverläufe. Fraglich ist, ob diese Vorgehensweise<br />

ausreicht, um den Einfluss der monetären Integration auf ökonomischer<br />

Konvergenz im Sinne des Art. 2 EGV deutlich zu machen. Aus<br />

diesem Grund wird an jener Stelle eine neue Idee zur Quantifizierung der<br />

Wirkung der monetären Integration auf Konvergenz mittels eines Konvergenzindikators<br />

vorgeschlagen.<br />

Im letzten Abschnitt dieses Papiers werden die Ergebnisse und Schlussfolgerungen<br />

kurz zusammengefasst.<br />

2 Die historischen Wurzeln der OCA- Theorie<br />

Die bis zum heutigen Tage andauernde Diskussion zur Theorie Optimaler<br />

Währungsräume basiert auf der ersten Veröffentlichung Mundells, welche<br />

sich mit den Konsequenzen eines Nachfrageschocks bei festen und flexiblen<br />

1 Vgl. Frankel/Rose 1998a; Frankel/Rose 1998b.<br />

2 Vgl. Krugman 1993.


229<br />

Wechselkursen auseinandersetzt. 3 Ein Optimaler Währungsraum liegt vor,<br />

wenn der aus einer einheitlichen Währung erzielbare Nutzen die makroökonomischen<br />

Kosten aus dem Verzicht autonomer Geldpolitik übersteigt. Die<br />

ersten Artikel in den 60er Jahren4 fokussierten sich hierbei auf mögliche<br />

Kriterien für einen Optimalen Währungsraum, welche primär unter strukturellen<br />

Ähnlichkeiten der Volkswirtschaften zu subsumieren sind, um ökonomische<br />

Schocks zu absorbieren. Die makroökonomischen Kosten sind als<br />

Anpassungslasten aufgrund von Starrheiten (z.B. Rigiditäten bei Löhnen und<br />

Preisen) nach Schocks zu definieren, welche nicht durch autonome Geldpolitiken<br />

abgefedert werden können. Im Ergebnis ergeben sich Schwankungen<br />

makroökonomischer Variablen. Die Anhänger dieser (makroökonomisch<br />

geprägten) Richtung werden gemeinhin als Ökonomisten bezeichnet, die es<br />

als sinnvoll erachten, erst dann eine gemeinsame Währung einzuführen,<br />

wenn der wirtschaftliche Integrationsprozess schon weit fortgeschritten ist.<br />

Aus diesem Grund wird in diesem Zusammenhang auch von der „Krönungstheorie“<br />

gesprochen. Ökonomische Integration bezeichnet den Abbau<br />

von Handelshemmnissen sowie institutionellen und wirtschaftspolitischen<br />

Unterschieden zwischen den Teilnehmerländern. Diese vor allem in den 60er<br />

Jahren bedeutende Strömung wird unter Punkt 2.1 genauer beleuchtet.<br />

Die anschließende Entwicklung ab den 70er Jahren war vor allem von der<br />

„Lucas-Kritik“ 5 geprägt. Die Vertreter dieser Richtung vertraten die Meinung,<br />

dass die makroökonomischen Kosten tendenziell als gering einzuschätzen<br />

wären, da der reale Wechselkurs aufgrund rationaler Erwartungsbildung<br />

der <strong>Wirtschaft</strong>ssubjekte kein Steuerungsinstrument sein könne. Der<br />

langfristige Tradeoff zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit (die sog. Phillipskurve6<br />

), mit dem in den 60er Jahren noch argumentiert worden war,<br />

wurde bestritten. In diesem Rahmen wurden vor allem die monetären Effizienzgewinne<br />

in den Vordergrund gestellt, welche unten noch genauer beleuchtet<br />

werden. Tendenziell kann deshalb auch von einer mikroökonomisch<br />

geprägten Richtung gesprochen werden. In dieser Zeit entwickelte sich die<br />

3 Vgl. Mundell 1961.<br />

4 In diesem Zusammenhang sind neben des Artikels von Mundell 1961 vor allem auch die<br />

Publikationen von McKinnon. 1963 und Kenen 1969 zu nennen.<br />

5 Vgl. Lucas 1976.<br />

6 Eine auf empirischen Werten zurückgehende Beobachtung von Phillips 1958 in Großbritannien<br />

im Zeitraum von 1861 bis 1957.


230<br />

(statische) Kosten- Nutzen- Analyse eines Optimalen Währungsraumes.<br />

Anhänger dieser Sichtweise werden als Monetaristen bezeichnet, die von der<br />

Integrationskraft einer einheitlichen Währung ausgehen (sog. Katalysatoroder<br />

Vehikeltheorie). Dieser Theoriestrang wird im Abschnitt 2.2 detaillierter<br />

dargestellt.<br />

Neuere Entwicklungen in der OCA- Theorie beleuchten die langfristigen<br />

Auswirkungen der monetären Integration. Zum Einen spielt die Endogenität<br />

der Kriterien für einen Optimalen Währungsraum eine Rolle, die ebenfalls<br />

im Zusammenhang mit der Lucas- Kritik steht. Zum Anderen spielen Aspekte<br />

der Neuen Wachstumstheorie eine Rolle (zunehmende Skalenerträge).<br />

Beide Betrachtungsweisen, die für ökonomische Konvergenz/Divergenz<br />

entscheidend sind, werden im Abschnitt 3 vorgestellt.<br />

2.1 Die Sicht der Ökonomisten<br />

Wie bereits oben angedeutet basierten die Untersuchung bezüglich eines<br />

Optimalen Währungsraumes noch auf den Beobachtungen Phillips, wonach<br />

davon ausgegangen wurde, dass ein langfristiger Tradeoff zwischen der<br />

Inflationsrate und der Arbeitslosigkeit existierte. 7<br />

Die ersten Entwicklungen in den 60er Jahren sind im historischen Kontext<br />

fester Wechselkurssysteme (Bretton- Woods) zu sehen. Mundells Basis für<br />

die Untersuchung Optimaler Währungsräume kann als Reaktion auf Friedmans<br />

Argumentation zugunsten flexibler Wechselkurse betrachtet werden. 8<br />

Er zeigte anhand eines Beispiels, dass (asymmetrische) Nachfrageschocks<br />

nicht unmittelbar schmerzhafte Anpassungsprozesse nach sich ziehen müssten.<br />

9 Er identifizierte Kriterien, nach denen es sehr wohl von Vorteil sein<br />

könnte, einen festen Wechselkurs einzuführen. Bei ausreichender Lohnflexibilität<br />

und Arbeitskräftemobilität könnten nachteilige Anpassungsprozesse<br />

7 Vgl. Phillips 1958.<br />

8 Vgl. Friedman 1953. Zitiert nach Horvath/Komarek 2002. Er argumentierte zugunsten<br />

flexibler Wechselkurse, um exogene Schocks besser absorbieren zu können. Eine Volkswirtschaft<br />

könnte zu ihrem anfänglichen binnen- und außenwirtschaftlichen Gleichgewicht<br />

zurückkehren, ohne einen schmerzhaften Anpassungsprozess durchlaufen zu müssen (hohe<br />

Inflation oder Arbeitslosigkeit), der unter festen Wechselkursen immer vorhanden sei.<br />

9 Auf die genauere Darstellung dieses Beispiels sei an dieser Stelle aus Platzgründen verzichtet.<br />

Hier sei auf entsprechende Quellen [siehe De Grauwe 2003 oder Horvath/Komarek<br />

2002] verwiesen.


231<br />

vermieden werden. Außerdem wäre bei hoher fiskalischer Integration die<br />

Möglichkeit gegeben, Schocks durch Transferzahlungen abzufedern.<br />

An dieser Stelle könnte argumentiert werden, dass z.B. das Kriterium der<br />

Arbeitsmobilität innerhalb der Europäischen Union (EU) in der Realität<br />

kaum erfüllbar sein kann, da einerseits die zeitliche Dimension eines<br />

Schocks kaum ex-ante bestimmbar ist, da sich die Frage, ob ein Schock<br />

kurzfristiger oder dauerhafter Natur ist, nur schwer beantworten lässt. Es<br />

kann kaum erwartet werden, dass eine Familie in einem Jahr in einem Land<br />

und im nächsten Jahr wieder in einem anderen Land arbeitet. Andererseits<br />

können selbst im Falle eines dauerhaften Schocks Gründe angeführt werden,<br />

welche die Mobilität in Frage stellen. Nicht nur sprachliche oder kulturelle<br />

Probleme, sondern eventuell auch Missmatch-Probleme bezüglich der Arbeitsplatzerfordernisse<br />

oder der Wechsel des sozialen Umfeldes (z.B.<br />

Schulwechsel für die Kinder) sind an dieser Stelle zu nennen.<br />

Eine ausreichende Lohnflexibilität scheint aufgrund langfristiger Verträge<br />

und Gewerkschaftsmacht ebenfalls unwahrscheinlich. Transferleistungen<br />

stoßen ebenso auf ihre Grenzen, da die nationalen Politiker z.B. Wiederwahlrestriktionen<br />

unterliegen.<br />

Als wichtiges Kriterium für einen Optimalen Währungsraum muss deshalb<br />

der Diversifikationsgrad der Produktion10 und der damit verbundene intraindustrielle<br />

Handel genannt werden. Dieser macht asymmetrische Schocks<br />

tendenziell unwahrscheinlich, da aufgrund der Breite der Produktion (Produktion<br />

heterogener Güter; z.B. Autos in Deutschland und Frankreich) die<br />

Branchen (damit die Länder) in ähnlicher Art und Weise von Schocks betroffen<br />

sind, so dass keine unterschiedlichen geldpolitischen Maßnahmen in den<br />

einzelnen Ländern zur Abfederung der Schocks notwendig sind, sondern<br />

symmetrischen Schocks bei einheitlicher Geldpolitik durch adäquate geldpolitische<br />

Impulse begegnet werden kann. Allerdings reicht dies nicht alleinig<br />

aus, um vor asymmetrischen Schocks gefeit zu sein, da Nachfrageschocks<br />

(z.B. Verschiebung der Nachfrage von deutschen zu französischen<br />

Autos) möglich sind, auch wenn keine Spezialisierungen auf bestimmte<br />

Güter stattgefunden haben.<br />

10 Vgl. Kenen 1969.


232<br />

Nickel11 hat insgesamt 10 Kriterien für einen Optimalen Währungsraum<br />

aufgestellt: 1. Grad der außenwirtschaftlichen Offenheit, 2. Größe des Landes,<br />

3. Ähnlichkeit der Produktionsstruktur, 4. Grad der Diversifikation innerhalb<br />

eines Landes, 5. Politischer Wille, 6. Preis- und Lohnflexibilität, 7.<br />

Grad der Faktormobilität, 8.Ähnlichkeit von Inflationsraten, 9. Ähnlichkeit<br />

der Arbeitsmarktsituation und 10. Grad der fiskalpolitischen Integration.<br />

Diese lassen sich in vier Hauptkategorien zusammenfassen12 :<br />

1. Ausmaß des Handels<br />

2. Ähnlichkeit von Schocks und Konjunkturzyklen<br />

3. Grad der Arbeitskräftemobilität<br />

4. Wille zur Risikoteilung (Wahrscheinlichkeit fiskalpolitischer Transfers)<br />

Möglich sind, neben den Kosten der Wechselkursanpassung, auch noch<br />

Kosten möglicherweise verloren gegangener Seigniorage (Münzgewinn).<br />

Diese Einnahme resultiert aus dem Drucken von Geld seitens des Staates und<br />

ist vor allem für Länder mit höheren Inflationsraten relevant. 13<br />

Insgesamt kann festgehalten werden, dass ein Optimaler Währungsraum<br />

nach dieser Sichtweise dann vorhanden ist, wenn die oben angeführten Kriterien<br />

erfüllt sind, also die (makroökonomischen) Kosten der monetären Integration<br />

(eingeschränkter Einsatz bzw. Verlust des nationalen geldpolitischen<br />

Instrumentariums) gering sind, d.h. wenn nicht mit Divergenzen makroökonomischer<br />

Größen bei Schocks zu rechnen ist.<br />

2.2 Die monetaristische Sicht<br />

Gegen die oben geschilderte Sicht sind bereits in den 70er Jahren erste Einwände<br />

erhoben worden. Die makroökonomischen Kosten wurden als tendenziell<br />

gering eingeschätzt und der Nutzen (auf der mikroökonomischen Ebene)<br />

aus einem Beitritt zu einer einheitlichen Währung wurde hervorgehoben.<br />

11 Vgl. Nickel 2002.<br />

12 Vgl. Frankel/Rose 1998b.<br />

13 Vgl. Dornbusch 1988.


233<br />

Dieser Kosten-Nutzen-Vergleich ist allerdings als statisch zu bezeichnen.<br />

Langfristige Auswirkungen sind nicht explizit ableitbar.<br />

Ingram14 wies explizit auf die Kapitalmarktintegration hin, da entsprechende<br />

Kapitalflüsse asymmetrische Schocks glätten könnten. Auch Mundell wies<br />

auf den Nutzen der besseren Kapitalallokation und Diversifikation hin. 15<br />

Die Argumente gegen die makroökonomischen Kosten beruhen vor allem<br />

auf der bereits angesprochenen „Lucas- Kritik“. So wurde ein permanenter<br />

Einfluss des Wechselkurses auf Output und Arbeitslosigkeit bestritten. Im<br />

Gegenteil wurde sogar behauptet, dass ein flexibler Wechselkurs zur makroökonomischen<br />

Destabilisierung aufgrund starker Schwankungsmöglichkeiten<br />

beitragen kann. 16 Zur detaillierten Darstellung der Auseinandersetzung<br />

mit den o.g. Kosten sei auf die entsprechende Literatur verwiesen. 17<br />

An dieser Stelle soll auf den hervorgehobenen Nutzen einer einheitlichen<br />

Währung eingegangnen werden. Dieser Nutzen fokussiert sich auf die mikroökonomische<br />

Ebene. Der monetäre Effizienzgewinn des Beitrittslandes<br />

resultiert dabei vor allem aus den entfallenden Unsicherheits-, Konfusions-,<br />

Kalkulations- und Transportkosten. 18<br />

Neben diesen Vorteilen können indirekte Vorteile resultieren. Durch die<br />

Eliminierung der Wechselkursschwankungen wird die Preistransparenz erhöht,<br />

so dass auch eine bessere Vergleichbarkeit für die Konsumenten entsteht,<br />

welche die Konsumentenrente erhöhen kann. Außerdem können möglicherweise<br />

politische und ökonomische Vorteile aus einer neuen „Weltwährung“<br />

entstehen.<br />

14 In Kawai 1987.<br />

15 Vgl. Mundell 1973a und Mundell 1973b zitiert nach Horvath/Komarek 2002.<br />

16 Vgl. Adams 2005. Dies hängt vor allem von der Größe und vom Offenheitsgrad des Landes<br />

ab. Je kleiner ein Land, desto größer ist tendenziell der Offenheitsgrad und desto höher<br />

sind die Kosten flexibler Wechselkurse, die zu einer höheren Volatilität der einheimischen<br />

Preise führt. Als Nutzengewinn einer einheitlichen Währung kann in diesem Fall die Preisstabilisierung<br />

und aufgrund des Offenheitsgrades die (möglicherweise) zunehmende Symmetrie<br />

der Konjunkturzyklen (hierzu später mehr) gesehen werden.<br />

17 Vgl. De Grauwe 2003, S. 24-57.<br />

18 Vgl. Krugman/Obstfeld 2004, S. 792.


234<br />

Da also kaum makroökonomische Nachteile zu verzeichnen sind, muss die<br />

ökonomische Integration (gemessen im Ausmaß des Außenhandels zwischen<br />

den Staaten) nicht allzu sehr ausgeprägt sein.<br />

Ganz im Gegenteil <strong>–</strong> die Gewinne aus der monetären Integration werden<br />

nach Ansicht der Monetaristen den Handel positiv beeinflussen und somit<br />

die ökonomische Integration wesentlich beschleunigen. Deshalb wird in<br />

diesem Zusammenhang auch von der „Katalysatortheorie“ gesprochen.<br />

Auf die Frage, ob diese Vorteile auch langfristig zur ökonomischen Konvergenz<br />

im Sinne des Art. 2 EGV beitragen können, wird im nächsten Abschnitt<br />

eingegangen.<br />

2.3 Die Kosten-Nutzen-Analyse eines optimalen Währungsraums und<br />

das Ziel der ökonomischen Konvergenz<br />

Die oben geschilderten Ansichten lassen erkennen, dass die Kosten-Nutzen-<br />

Analyse beider Lager unterschiedlich ausfallen wird. Ganz entscheidend ist<br />

hierbei die Beurteilung der Effektivität der Wechselkursveränderung. Die<br />

Ökonomisten fokussieren sich hierbei vor allem auf die makroökonomischen<br />

Anpassungslasten bei fixen Wechselkursen und auftretenden (asymmetrischen)<br />

Schocks. Zwischen den Staaten auftretende Divergenzen bei makroökonomischen<br />

Variablen sind nach Ansicht der Ökonomisten unter festen<br />

Wechselkursen möglich, wenn die Kriterien Optimaler Währungsräume<br />

nicht erfüllt sind. Ein fester Wechselkurs sollte somit erst dann eingeführt<br />

werden, wenn der Integrationsprozess weit fortgeschritten ist. Im Gegensatz<br />

dazu stellen die Monetaristen fest, dass ein flexibler Wechselkurs diese Divergenzen<br />

nicht beseitigen kann (möglicherweise sogar erhöht). Da deshalb<br />

die Kosten vernachlässigbar sind, überwiegt der (mikroökonomisch geprägte)<br />

Nutzen der monetären Integration. Nach dieser Ansicht liegt also ein<br />

Optimaler Währungsraum vor, da die monetäre Integration kaum einen makroökonomischen<br />

Einfluss haben dürfte.<br />

Langfristige Auswirkungen bzgl. ökonomischer Konvergenz/Divergenz<br />

makroökonomischer Größen sind aus beiden Sichtweisen nicht ableitbar, da<br />

diese Kosten-Nutzen-Bewertungen statisch sind und keine langfristigen<br />

Implikationen für ökonomische Konvergenz beinhalten. Hierzu sind neuere<br />

Entwicklungen der OCA-Theorie zu betrachten, die im Folgenden dargestellt<br />

werden.


3 Die neue OCA-Theorie<br />

235<br />

Waren die traditionellen Ansätze der OCA-Theorie noch mit dem Start (und<br />

entsprechend mit dem „Ob“) einer Währungsunion verbunden, so richten<br />

sich die neueren Sichtweisen auf die Entwicklung nach dem Eintritt und den<br />

langfristigen Folgen eines Währungsverbundes. Außerdem bleibt anzumerken,<br />

dass sich die Neue OCA-Theorie wieder verstärkt den (möglichen)<br />

Kosten zuwendet.<br />

Auch hier ist wieder zwischen zwei unterschiedlichen Richtungen zu unterscheiden.<br />

Einerseits ist die Sicht der Europäischen Kommission zu nennen,<br />

die davon ausgeht, dass die Währungsunion (verbunden mit zunehmendem<br />

Handel) zu einer Beschleunigung der Integration führt. 19 Auf der anderen<br />

Seite existiert die Krugmansche Ansicht, dass die monetäre Integration divergente<br />

Entwicklungen hervorruft. Beide Stränge sollen nachfolgend dargestellt<br />

werden. 20<br />

Die Sichtweise der Europäischen Kommission erfuhr durch Frankel und<br />

Rose21 eine theoretische und empirische Untermauerung. Frankel und Rose<br />

argumentierten, dass die Kriterien für einen Optimalen Währungsraum nicht<br />

ex-ante erfüllt sein müssten, sondern, basierend auf der Lucas-Kritik, sich<br />

endogen ergeben würden, und somit erst ex-post erfüllt wären. Die Erfüllung<br />

der Kriterien resultieren aus dem Anpassungsdruck der Mitgliedsstaaten<br />

(z.B. Flexibilisierung der Arbeitsmärkte), da das Mittel der Geldpolitik bzw.<br />

das Instrument des Wechselkurses nicht mehr zur Verfügung steht, um bspw.<br />

Wettbewerbsfähigkeit durch Währungsabwertung zu erfahren. Der zunehmende<br />

intra-industrielle Handel durch die o.g. Diversifikationseffekte und<br />

erzielbaren Effizienzgewinne würde außerdem zu einer Angleichung der<br />

Konjunkturzyklen, damit zu einer Abnahme an asymmetrischen Schocks und<br />

letztlich zu einer Abnahme der Kosten des Beitritts führen, da die einheitliche<br />

Geldpolitik adäquat auf Schocks reagieren könnte.<br />

19 Vgl. De Grauwe 2003.<br />

20 Vgl. Krugman 1993.<br />

21 Vgl. Frankel/Rose 1998a; Frankel/Rose 1998b.


236<br />

Im Ergebnis würde die einheitliche Währung den Anpassungsdruck der Teilnehmerländer<br />

erhöhen und zur Konvergenz beitragen bzw. diese beschleunigen.<br />

An dieser Stelle muss aber daraufhin gewiesen werden, dass zwar in<br />

diesem Sinne ein Optimaler Währungsraum vorliegen kann, fraglich ist aber,<br />

ob die hier bezeichnete Konvergenz mit dem Ziel des Art. 2 EGV kompatibel<br />

ist. Konvergenz im hiesigen Sinne bezieht sich lediglich auf partielle<br />

Variablen, die den Konjunkturverlauf charakterisieren, um die Kosten einer<br />

einheitlichen Geldpolitik gering zu halten. Fraglich ist jedoch, ob dies ausreichend<br />

ist, um dem Ziel des Art. 2 EGV Rechnung zu tragen. Hierauf wird<br />

im Abschnitt 4 detaillierter eingegangen.<br />

Eine gänzlich andere Haltung vertritt Krugman. 22 Dieser geht davon aus,<br />

dass u.a. aufgrund unvollständigen Wettbewerbs und steigender Skalenerträge<br />

Spezialisierungen zu beobachten sein werden, die langfristig zu vermehrten<br />

asymmetrischen Schocks und Divergenz zwischen den Teilnehmerstaaten<br />

einer Währungsunion führen müssten. Daraus resultierten letztlich im<br />

Zeitablauf zunehmende Kosten eines Beitritts. Man könnte quasi behaupten,<br />

dass die Ansicht Krugmans der „Krönungstheorie“ zuzuordnen ist. Man<br />

könnte die Frage aufwerfen, warum diese Ansicht mit der Krönungstheorie<br />

in Verbindung gebracht werden kann, da auch zu einem späteren Zeitpunkt<br />

Divergenzen zu beobachten sein müssten. Dieser Einwand ist zwar nicht<br />

unberechtigt, jedoch gilt es zu bedenken, dass die Anhänger der Krönungstheorie<br />

eine einheitliche Währung nur dann für angebracht halten, wenn<br />

bereits eine weit fortgeschrittenen Integration (ökonomisch und politisch) zu<br />

beobachten ist. Somit könnte man einwenden, dass wenn schon Divergenzen<br />

auftreten sollten, dann zum spätmöglichsten Zeitpunkt. Dies ist natürlich das<br />

schlichteste Argument. Wesentlich tiefgründiger kann argumentiert werden,<br />

dass bei einer fortgeschrittenen Integration (inklusive fiskalpolitischer Integration)<br />

das Mittel interstaatlicher Transfers zur Verfügung stünde, welches<br />

zu jenem Zeitpunkt weit fortgeschrittener Integration in der Lage wäre, mögliche<br />

divergente Entwicklungen (resultierend aus der Integration) abfedern<br />

zu können.<br />

22 Vgl. Krugman 1993.


4 Die empirischen Methoden zur Analyse Optimaler<br />

Währungsräume und das Ziel der ökonomischen<br />

Konvergenz<br />

237<br />

In der letzten Dekade ist eine Flut von Beiträgen zur OCA-Theorie veröffentlicht<br />

worden. Insbesondere zur Bewertung, ob die Teilnehmerstaaten des<br />

Europäischen Währungsgebietes einen Optimalen Währungsraum bildeten.<br />

Zusammenfassend kann an dieser Stelle sicherlich festgehalten werden, dass<br />

die o.g. Kriterien (Lohn- und Preisflexibilität; Arbeitskräftemobilität) nicht<br />

als erfüllt zu betrachten sind. Dennoch kann dem schließlich die Argumentation<br />

der Endogenität der Kriterien von Frankel und Rose entgegengehalten<br />

werden. Fraglich bleibt, inwiefern jene Untersuchungen generell in der Lage<br />

sind, des in Art. 2 EGV genannten Ziels Rechnung tragen zu können. Erinnern<br />

diese Auseinandersetzungen doch an zwei Fußballexperten, die vor<br />

einem Spiel diskutieren, welche Mannschaft aufgrund partieller Fakten das<br />

Spiel gewinnen wird. Letztlich ist aber nicht diese (partiell geprägte) Diskussion<br />

das entscheidende Element, sondern das tatsächlich erzielte Resultat<br />

(die ganzheitlichen, langfristigen Auswirkungen). Übertragen heißt dies,<br />

dass die Vorteilhaftigkeit der Währungsunion anhand des zur Debatte stehenden<br />

Ziels bewertet werden muss, welches aufgrund des 30-jährigen monetären<br />

Integrationsprozesses möglich sein sollte. Im vorliegenden Fall bedeutet<br />

dies, dass das in Art. 2 EGV festgeschriebene Ziel zu erreichen ist. Im<br />

Rahmen der Literatur zur OCA-Theorie gibt es eine Vielzahl an Untersuchungsmethoden<br />

zu den Kriterien des Optimalen Währungsraums, wobei<br />

diese nur indirekte Aussagen über langfristige, ökonomische Konvergenz/Divergenz<br />

und damit zum eigentlichen Ziel zulassen. Hier sind beispielsweise<br />

„Schock“-Studien 23 , Korrelationsanalysen (Korrelation der Konjunkturzyklen,<br />

um zunehmende oder abnehmende Synchronisation, d.h.<br />

verbesserte oder verschlechterte Absorptionsfähigkeit von Schocks festzustellen.<br />

24 ) und die Entwicklung eines „OCA-Indikators“ 25 zu nennen. 26<br />

23 Siehe bspw. Bayoumi/Eichengreen 1994.<br />

24 Vgl. Frankel/Rose 1998b.<br />

25 Vgl. Bayoumi/Eichengreen 1997.<br />

26 An dieser Stelle sei auf eine detaillierte Darstellung der Flut an Techniken und Literatur<br />

zur OCA-Theorie verzichtet. Es sei in diesem Zusammenhang auf die Übersicht in Adams<br />

2005, S. 27-34 verwiesen.


238<br />

Diese Wege zur Bewertung der letztendlichen Zielerfüllung im Sinne des<br />

Art. 2 EGV sind aber indirekte Wege, und zum Teil könnte auch die ein oder<br />

andere Methode in Frage zu stellen sein. 27 Anzumerken bleibt auch, dass es<br />

durchaus denkbar ist, dass zwar in zunehmender Weise symmetrische<br />

Schocks vorliegen könnten, diese jedoch möglicherweise unterschiedliche<br />

reale Effekte in den einzelnen Ländern hervorrufen28 und damit zur Divergenz<br />

beitragen können. Kosten in diesem Sinne beziehen sich lediglich auf<br />

die Absorptionsfähigkeit von Schocks. D.h., dass zwar im Zeitverlauf tatsächlich<br />

ein Optimaler Währungsraum vorliegen kann, jedoch kann bis zu<br />

jenem Zeitpunkt bereits deutliche Divergenz einzelner Variablen zu beobachten<br />

sein, so dass die ökonomistische Sicht einer einheitlichen Währung<br />

nach vollständiger ökonomischer und politischer Integration sinnvoll wäre.<br />

Deshalb wird an dieser Stelle als der direkteste Weg zur Analyse der monetären<br />

Integration im Hinblick auf reale Konvergenz/Divergenz die σ-Konvergenz<br />

verschiedener makroökonomischer Größen im Zeitverlauf betrachtet,<br />

um den Zielen des Art. 2 EGV gerecht zu werden. An dieser Stelle sei<br />

erwähnt, dass in diesem Falle sowohl gewichtete (mit Bevölkerungsanteilen)<br />

als auch ungewichtete Daten verwendet werden können, welche aber differente<br />

Aussagen (individuelle oder länderspezifische Konvergenz/Divergenz)<br />

liefern können. 29<br />

Neben der partiellen Analyse makroökonomischer Variablen30 ist auch die<br />

Konstruktion eines „Konvergenzindikators“ in folgender Form möglich, um<br />

eine Gesamtbewertung von Konvergenz/Divergenz vorzunehmen:<br />

k<br />

∑ oder<br />

KI = α SD(X )<br />

t i i,t<br />

i=1<br />

k<br />

∑ mit<br />

KI = α VC(X )<br />

t i i,t<br />

i=1<br />

Abb. 1 Formale Darstellung des inversen Konvergenzindikators.<br />

Quelle: Eigene.<br />

27 Vgl. Frankel/Rose 1998b.<br />

28 Vgl. De Grauwe 2003.<br />

29 Vgl. Welsch/Bonn 2006 und Bonn 2005.<br />

k<br />

∑<br />

i=1<br />

α = 1<br />

30 Die partielle Analyse bezieht sich überwiegend auf die Entwicklung des BIP/Kopf oder auf<br />

die Analyse des Verlaufs der Konjunkturzyklen (Arbeitslosenquote, Inflationsraten etc.),<br />

nicht aber auf Gesamtkonvergenz im Sinne des Art. 2 EGV.<br />

i


239<br />

Hierbei sind KIt der inverse Konvergenzindikator (d.h., dass Konvergenz<br />

vorliegt, wenn der Indikator fällt) zum Zeitpunkt t (zwischen t0 und tn), αi das<br />

Gewicht der Standardabweichung (SD) bzw. des Variationskoeffizienten<br />

(VC) der makroökonomischen Variable Xi (mit insgesamt k Größen), welches<br />

sich in der Summe über alle betrachteten Standardabweichungen bzw.<br />

Variationskoeffizienten zu eins aufaddiert. Das Gewicht spiegelt die Präferenz<br />

zur gewünschten Konvergenz der entsprechenden makroökonomischen<br />

Variable wider.<br />

An dieser Stelle muss die Frage aufgeworfen werden, welche makroökonomischen<br />

Größen vom Konvergenzindikator erfasst werden müssen/sollen.<br />

Legt man den Artikel 2 EGV zugrunde, so lassen sich bestimmte Größen<br />

extrahieren. Zum Einen werden die „...harmonische und ausgewogene Entwicklung<br />

des <strong>Wirtschaft</strong>slebens...“ und ein hoher „...Grad an Konvergenz der<br />

<strong>Wirtschaft</strong>sleistungen...“ hervorgehoben. 31 Diese Formulierungen lassen<br />

zwar einen erheblichen Spielraum zu, jedoch sollte der Begriff „<strong>Wirtschaft</strong>sleistungen“<br />

das Bruttoinlandprodukt pro Kopf (BIP/Kopf) implizieren.<br />

Deshalb lassen sich m.E. diese Formulierungen als anzustrebende Konvergenz<br />

der BIP/Kopf-Größen oder/und auch als Konvergenz der Wachstumsraten<br />

der BIP/Kopf-Größen interpretieren. Andere Größen werden zum<br />

Teil explizit erwähnt. So werden „...nichtinflationäres...Wachstum“ und<br />

„...Beschäftigungsniveau...“ direkt aufgegriffen.<br />

Deshalb seien als Beispiel an dieser Stelle der Einfachheit halber die (ungewichteten)<br />

Variationskoeffizienten der Inflationsraten, Arbeitslosenquoten<br />

und des BIP/Kopf in PPS [Purchasing Power Standard; Kaufkraftstärke zu<br />

konstanten PPPs] 32 im Zeitraum von 1974 bis 2003 der EU-15 herangezogen.<br />

33<br />

Aus Vereinfachungsgründen sei außerdem von einer Gleichgewichtung der<br />

Präferenzen bezüglich der Konvergenz der einzelnen Variablen ausgegan-<br />

31 Vgl. Art 2 EGV (s.o.).<br />

32 Zu näheren Ausführungen hierzu siehe Bonn 2005.<br />

33 Datenbasis: AMECO-Datenbank (makroökonomische Datenbank auf Jahresbasis der<br />

Europäischen Kommission) erreichbar unter: http://europa.eu.int/comm/economy_finance/<br />

indicators/annual_macro_economic_database/ameco_en.htm. Eigene Berechnungen des<br />

VC und KIs.


240<br />

gen, wobei es sicherlich Gründe geben könnte, die Konvergenz einer bestimmten<br />

Variable zu bevorzugen. 34<br />

KI<br />

0,90<br />

0,80<br />

0,70<br />

0,60<br />

0,50<br />

0,40<br />

0,30<br />

0,20<br />

0,10<br />

0,00<br />

1974<br />

1977<br />

1980<br />

1983<br />

1986<br />

1989<br />

KI 1974-2003<br />

Jahr<br />

1992<br />

1995<br />

1998<br />

2001<br />

Abb. 2 Konvergenzindikator 1974-2003. Quelle: Eigene.<br />

y = 0,0036x + 0,5576<br />

R 2 = 0,1064<br />

Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass es über den gesamten<br />

Zeitraum von 1974 bis 2003 keine eindeutige Wirkung der monetären Integration<br />

auf ökonomische Konvergenz gegeben hätte, da die einfache Regression<br />

mit einem äußerst schwachen Bestimmtheitsmaß wenig aussagekräftig<br />

scheint. Um der Fragestellung der monetären Integration auf Konvergenz/Divergenz<br />

Rechnung zu tragen, bedarf es einer gesonderten Analyse<br />

der einzelnen Integrationsphasen. Im Folgenden werden vier Zeitperioden<br />

unterschieden. Zunächst wird der Zeitraum von 1974-1978 betrachtet. Nach<br />

dem Ende des Bretton-Woods-Systems gab es den höchsten Grad an Flexi-<br />

34 Dies könnte z.B. mit dem unterschiedlichen Einfluss einzelner makroökonomischer Variablen<br />

auf die Lebenszufriedenheit begründet werden. Siehe hierzu bspw. Di Tella/MacCulloch/Oswald<br />

2001; Welsch/Bonn 2005 oder Welsch 2006.<br />

KI<br />

Linear (KI)


KI<br />

0,60<br />

0,55<br />

0,50<br />

0,45<br />

0,40<br />

0,35<br />

0,30<br />

KI 1974-1978<br />

KI<br />

Linear (KI)<br />

y = 0,0279x + 0,4235<br />

R 2 1974 1975 1976 1977 1978<br />

Jahr<br />

= 0,6975<br />

241<br />

bilität der Wechselkurse innerhalb der EU-15-Länder. 35 Die Schaffung des<br />

Europäischen Währungssystems (EWS) im Jahre 1979 stellt die erste grundlegende<br />

monetäre Integrationsstufe dar. Der zweite Zeitraum bezieht sich<br />

deshalb auf die Periode von 1979 bis 1991. Mit dem Beschluss des Maastrichter<br />

Vertrages (Dezember 1991; Unterzeichnung im Februar 1992) und<br />

der darin enthaltenen Konvergenzkriterien folgte der nächste Integrationsschritt.<br />

Die letzte Integrationsstufe erfolgte mit der Arbeitsaufnahme der<br />

Europäischen Zentralbank (EZB) im Jahre 1999.<br />

Abb. 3 Konvergenzindikator nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems<br />

bis zum Beginn des EWS. Quelle: Eigene.<br />

35 Mit Ausnahme der Teilnehmer der sog. „Währungsschlange“ (permanente Teilnehmer:<br />

Deutschland, Belgien, Niederlande und Luxemburg) ließen die Länder die Wechselkurse<br />

frei floaten.


242<br />

0,90<br />

0,80<br />

0,70<br />

0,60<br />

0,50<br />

0,40<br />

0,30<br />

KI 1979-1991<br />

1979<br />

1980<br />

1981<br />

1982<br />

1983<br />

1984<br />

1985<br />

Abb. 4 Abbildung 3: Konvergenzindikator von 1979 bis 1991. Quelle: Eigene.<br />

KI<br />

KI<br />

0,75<br />

0,70<br />

0,65<br />

0,60<br />

0,55<br />

1986<br />

Jahr<br />

KI 1992-1998<br />

Abb. 5 Konvergenzindikator von 1992-1998. Quelle: Eigene.<br />

1987<br />

1988<br />

1989<br />

1990<br />

1991<br />

KI<br />

Linear (KI)<br />

y = 0,0203x + 0,4997<br />

R 2 = 0,5464<br />

KI<br />

Linear (KI)<br />

y = -0,0127x + 0,7296<br />

R 2 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998<br />

Jahr<br />

= 0,6145


KI<br />

0,62<br />

0,60<br />

0,58<br />

0,56<br />

0,54<br />

0,52<br />

0,50<br />

0,48<br />

0,46<br />

Abb. 6 Konvergenzindikator von 1999-2003. Quelle: Eigene.<br />

243<br />

Die Zerlegung in die einzelnen Zeitperioden macht den Einfluss der monetären<br />

Integration auf Konvergenz/Divergenz deutlich. Zu Beginn der Betrachtungsperiode<br />

(1974-1978) war noch Divergenz zu beobachten, die mit Beginn<br />

der monetären Integration abnahm (1979-1991). Die weiter zunehmende<br />

monetäre Integration führte schließlich zu (Gesamt-) Konvergenz<br />

(1992-1998), die sich weiter erhöhte (1999-2003).<br />

Diese Darstellung kann natürlich zunächst nur einen ersten Eindruck der<br />

monetären Integration auf (Gesamt-) Konvergenz geben. Interessant ist, dass<br />

ab 1986 Konvergenz beobachtet werden kann. Dies steht möglicherweise im<br />

Zusammenhang mit dem Abbau der Devisenkontrollen und damit verbunden<br />

dem Verlust der Fähigkeit mittels geldpolitischer Maßnahmen binnenwirtschaftliche<br />

Ziele zu erreichen. 36 An dieser Stelle müssen zukünftig noch<br />

detaillierte Analysen mit Differenzierung in Ländergruppen des gleichen<br />

Wechselkursregimes und Analysen mit gewichteten Daten vorgenommen<br />

werden. Außerdem ist es sicherlich sinnvoll, die eine oder andere makroökonomische<br />

Größe in den Konvergenzindikator mit aufzunehmen und unterschiedliche<br />

Präferenzen (Gewichtungsfaktor αi) bezüglich der Konvergenz<br />

bestimmter Größen zuzulassen. Insgesamt wird aber deutlich, dass die obi-<br />

36 Vgl. Krugman/Obstfeld 2004, S. 778.<br />

KI 1999-2003<br />

KI<br />

Linear (KI)<br />

y = -0,018x + 0,6086<br />

R2 1999 2000 2001 2002 2003<br />

Jahr<br />

= 0,8571


244<br />

gen Ergebnisse die Ansicht der Monetaristen bzw. die Anhänger der „Katalysatortheorie“<br />

empirisch bestärkt.<br />

5 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />

Das Ziel des vorliegenden Artikels bestand darin, einen Beitrag zur Diskussion<br />

Optimaler Währungsräume im Hinblick auf das Ziel der ökonomischen<br />

Konvergenz (s. Art. 2 EGV) zu leisten.<br />

Folgende Resultate sind dabei wesentlich:<br />

- Theoretisch sprechen sowohl Argumente für als auch gegen die<br />

Hypothese, dass durch monetäre Integration ökonomische Konvergenz<br />

erreicht wird;<br />

- die gängigen empirischen Methoden zur Überprüfung dieser Hypothese<br />

lassen allenfalls indirekte bzw. partielle Schlüsse bezüglich<br />

des Ziels der ökonomischen Konvergenz zu;<br />

- der oben entwickelte (inverse) Konvergenzindikator zeigt seit 1992<br />

einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem monetären Integrationsgrad<br />

und der ökonomischen (Gesamt-) Konvergenz;<br />

- erste Ergebnisse sprechen für die Haltung der Vertreter der „Katalysatortheorie“<br />

(monetaristische Sichtweise).<br />

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Sarah Müller<br />

Epistemologische Überzeugungen zu Wissen und<br />

Wissenserwerb im europäischen Vergleich<br />

1 Einleitung<br />

Bereits seit Mitte der 1950er Jahre beschäftigen sich Untersuchungen mit<br />

dem Thema der epistemologischen Überzeugungen. Was in der englischsprachigen<br />

Literatur als „personal epistemology“, „epistemological beliefs or<br />

theories“, „ways of knowing“ oder „epistemic cognition“ bezeichnet wird,<br />

kann als individuelle Auffassungen über Wissen und Wissenserwerb definiert<br />

werden, als „[…] individuals’ beliefs about the nature of knowledge<br />

and the processes of knowing“ 1 .<br />

Zahlreiche empirische Studien weisen darauf hin, dass der Mensch individuelle<br />

Überzeugungen bzw. Systeme zu Wissen und Wissenserwerb besitzt, die<br />

unmittelbaren Einfluss auf das Verstehen, Problemlösen und Handeln haben2<br />

. Diese sind ihm nicht notwendigerweise bewusst. Weiter wird die Annahme<br />

bestärkt, dass diese Überzeugungen einem Entwicklungsprozess unterliegen,<br />

der mit einer dualistischen Auffassung, einem Schwarz-Weiß-<br />

Denken von Welt beginnt3 . Wissen wird als richtig oder falsch angesehen,<br />

und Autoritäten besitzen die Antworten. Im Verlauf der Entwicklung bemerkt<br />

das Individuum, dass es selbst zwischen den Autoritäten Meinungskonflikte<br />

gibt. Auf der Suche nach der einen richtigen Antwort findet es<br />

heraus, dass sich verschiedene Meinungsstandpunkte erschließen lassen<br />

1 Vgl. Hofer/Pintrich 1997, S. 117.<br />

2 Vgl. z.B. Schommer 1994a, S. 26.<br />

3 Vgl. z.B. Perry 1999, S. 10 und S. 66 f.; Schommer 1994a, S. 26 f.


248<br />

(Vielfalt) und dass jede Überzeugung haltbar ist 4 . Die eigene Meinung ist<br />

nun nicht mehr minderwertig, sondern ebenso gültig und haltbar wie andere<br />

Auffassungen. Später erkennt das Individuum, dass Wissen immer in Abhängigkeit<br />

von Kontexten betrachtet werden muss und nur im Zusammenhang<br />

gesehen richtig oder falsch ist (Relativismus) 5 . Eine sehr differenzierte<br />

Position im weit fortgeschrittenen Entwicklungsprozess ist erreicht, wenn<br />

realisiert wird, dass es viele Möglichkeiten von Wissen gibt und dass man<br />

sich aktiv für eine entscheiden muss.<br />

1.1 Begriffsklärung<br />

Der Begriff der epistemologischen Überzeugungen kann definiert werden als<br />

„persönliche Einstellungen und Annahmen über die Natur des Wissens und<br />

Wissenserwerbs“ 6 . Die Bezeichnung „epistemologische Überzeugung“ ist<br />

seitens der Semantik bereits untrennbar verbunden mit dem Begriff „Wissen“<br />

bzw. „Erkenntnis“ (griech. episteme). Es geht hierbei um die Natur des<br />

Wissens und die subjektiven Kriterien für die Wahrheit von Wissen. Das<br />

Individuum steht vor einem erkenntnistheoretischen Problem, wenn es sich<br />

fragt: Wie kann ich sagen, dass ich etwas weiß, wenn sich selbst Experten<br />

darüber nicht einig sind? Sind die Meinungen von Experten besser als meine<br />

eigenen? Kann ich überhaupt etwas mit vollständiger Sicherheit wissen?<br />

Man kann davon ausgehen, dass die individuellen epistemologischen Überzeugungen<br />

einen erheblichen Einfluss auf den Lernprozess haben7 . Sie beinhalten<br />

grundlegende Annahmen einer lernenden Person darüber, „welche<br />

Kriterien des Wissens und Lernens es gibt, wo die Grenzen des Lernens<br />

liegen, wie viel Sicherheit ein bestimmter Wissensbestand geben kann und<br />

wie Lernen und Wissenserwerb generell ‚funktioniert’“ 8 .<br />

Es wird also deutlich, dass epistemologische Überzeugungen immer persönlich<br />

und damit auch subjektiv sind. Hier ergibt sich die Frage nach dem Zusammenhang<br />

mit Subjektiven Theorien. Subjektive Theorien können als ein<br />

4 Vgl. z.B. Perry 1999, S. 10 f. und S. 105 ff.<br />

5 Vgl. Perry 1999, S. 11 und S. 170 ff.<br />

6 Hofer/Pintrich 1997, S. 117.<br />

7 Vgl. Hofer/Pintrich 2002.<br />

8 Drechsel 2001, S. 40.


249<br />

Bündel von Annahmen, Motiven, Vermutungen, Vorstellungen und Kognitionen<br />

einer Person betrachtet werden, die sich inhaltlich auf ihre Selbst- und<br />

Weltsicht beziehen9 . Dahinter steht die Vorstellung, dass jedes Individuum<br />

psychologisches Wissen und Annahmen darüber entwickelt und Erfahrungen<br />

gemacht hat, wie andere Menschen handeln, was sie wahrnehmen, denken,<br />

fühlen und beabsichtigen, warum und mit welchen Folgen sie das tun10 .<br />

Während Subjektive Theorien allgemeine Überzeugungssysteme sind, beziehen<br />

sich epistemologische Überzeugungen auf spezifische Überzeugungen,<br />

nämlich zu Wissen und Wissenserwerb.<br />

Epistemologische Überzeugungen zeichnen sich folglich analog zu Subjektiven<br />

Theorien durch folgende Merkmale aus11 : Es sind relativ stabile kognitive<br />

Strukturen, die durch Erfahrungen veränderbar sind. Sie sind meistens<br />

unbewusst und unreflektiert, können aber unter bestimmten Bedingungen<br />

dem Bewusstsein der Person zugänglich gemacht werden. Sie sind ähnlich<br />

strukturiert wie wissenschaftliche Theorien und erfüllen vergleichbare Funktionen.<br />

Darüber hinaus besitzen epistemologische Überzeugungen zumindest<br />

teilweise handlungsleitende und handlungssteuernde Funktionen. Insbesondere<br />

die handlungsleitende und -steuernde Funktion scheint im Kontext von<br />

Lernen und Lehren bedeutsam und folgenreich. Dann nämlich steuern Subjektive<br />

Theorien (wie auch epistemologische Überzeugungen) das Verhalten<br />

von Lehrenden gegenüber Lernenden, bestimmen also, „wie der Lehrer unterrichtliche<br />

Situationen auffasst, welche Handlungsmöglichkeiten er in<br />

Betracht zieht und welche er letztlich auswählt, wie er die Effekte seines<br />

Eingreifens bewertet und wie er nachträglich sein gesamtes Handeln begründet<br />

oder rechtfertigt“ 12 .<br />

9 Vgl. Christmann/Groeben/Schreier 1999, S. 138.<br />

10 Vgl. Dann 1994.<br />

11 Vgl. Dann 1994, S. 166 f.; Groeben Wahl/Schlee/Schelle 1988; Helmke 2003, S. 52.<br />

12 Wahl 1979, S. 209.


250<br />

1.2 Bedeutung epistemologischer Überzeugungen für das professionelle<br />

Handeln von Lehrenden<br />

„Given their power, understanding students' beliefs about knowledge can<br />

provide insights into their learning and motivation” 13 . Damit bilden epistemologische<br />

Überzeugungen von Lernenden für Lehrerinnen und Lehrer<br />

einen wichtigen Ansatzpunkt, um das Lernen der Schülerinnen und Schüler<br />

zu fördern14 .<br />

Doch nicht nur die epistemologischen Überzeugungen der Lernenden gilt es<br />

für professionelles Handeln der Lehrenden zu berücksichtigen, sondern auch<br />

die epistemologischen Überzeugungen von Lehrenden selbst. Lernende erfahren<br />

nämlich im Unterricht alle Aspekte der Lehrvorstellungen der Lehrenden,<br />

und es wird angenommen, „what is learned will be determined as<br />

much by those beliefs and intentions than by activities used“ 15 .<br />

Verschiedene empirische Studien lassen auf einen Zusammenhang zwischen<br />

den individuellen Überzeugungen einer Lehrkraft und dem Lehrerhandeln<br />

schließen16 . Man nimmt an, dass die epistemologischen Überzeugungen der<br />

Lehrenden <strong>–</strong> vielfach unbewusst <strong>–</strong> ihr Handeln im Unterricht steuern. Sie<br />

bilden folglich einen „didaktischen Referenzrahmen“ 17 , der die Lehrerentscheidungen<br />

im Unterricht beeinflusst und damit den Unterrichtsverlauf<br />

prägt.<br />

Bisher liegen nur wenige Studien zu den epistemologischen Überzeugungen<br />

von Lehrkräften vor. Angesichts der Bedeutung epistemologischer Überzeugungen<br />

für das Lehren ist es notwendig, weitere Untersuchungen durchzuführen<br />

und folgende Fragestellungen zu klären: Welche Vorstellungen haben<br />

Lehrerinnen und Lehrer zu Wissen und Wissenserwerb? Wie sind diese<br />

epistemologischen Überzeugungen von Lehrerinnen und Lehrern strukturiert?<br />

Wie und unter welchen Bedingungen werden epistemologische Überzeugungen<br />

generiert? Von welchen (kulturellen) Faktoren werden diese<br />

13 Buehl/Alexander 2001, S. 385.<br />

14 Vgl. Köller/Baumert/Neubrand 2000, S. 232.<br />

15 Pratt 1992, S. 217.<br />

16 Vgl. z.B. Pratt 1992, S. 208.<br />

17 Helmke 2003, S. 52.


251<br />

Überzeugungen beeinflusst? Lassen sich für alle Lehrende <strong>–</strong> unabhängig von<br />

ihrem Tätigkeitsbereich <strong>–</strong> einheitliche Überzeugungen feststellen?<br />

Anhand empirischer Erhebungen zu den epistemologischen Überzeugungen<br />

von österreichischen und deutschen Lehrkräften sollen im Folgenden erste<br />

Antworten auf die oben aufgeworfenen Fragen gegeben werden. Zuvor jedoch<br />

soll der Stand der Forschung dargelegt werden.<br />

2 Theorien und Modelle zu epistemologischen<br />

Überzeugungen<br />

Die meisten der vorliegenden Theorien und Modelle zu epistemologischen<br />

Überzeugungen stimmen mit der Beschreibung von epistemologischen Überzeugungen<br />

als subjektive Konzepte zu Wissen und Wissenserwerb überein.<br />

Gemeinsam nehmen sie an, dass sich diese Überzeugungen von Personen<br />

im Verlauf der Zeit verändern und zunehmend komplexer werden 18 .<br />

Über diesen Grundkonsens hinaus gibt es jedoch erhebliche Differenzen in<br />

der Beschreibung des Konstrukts. Dabei lassen sich die Theorien danach<br />

unterschieden, ob sie von domänenspezifischen oder domänenübergreifenden<br />

Überzeugungen und ob sie von einem eindimensionalen oder mehrdimensionalen<br />

Modell ausgehen.<br />

2.1 Domänenspezifische vs. Domänenübergreifende Modelle<br />

Hinsichtlich der Domänenspezifität von epistemologischen Überzeugungen<br />

lassen sich verschiedene Positionen identifizieren: Eine Annahme lautet,<br />

dass epistemologische Überzeugungen von Wissensdomänen vollständig<br />

oder weitgehend unabhängig sind19 . Eine andere Auffassung nimmt eine<br />

Domänenspezifität an, der zufolge Individuen in verschiedenen Domänen<br />

bzw. Fachgebieten unterschiedliche epistemologische Überzeugungen vertreten<br />

können20 . Eine weitere, bislang allerdings noch wenig untersuchte<br />

Auffassung lautet, dass es einen Kernbereich domänenübergreifender Über-<br />

18 Vgl. Rebmann 2005.<br />

19 Vgl. Perry 1999; Schommer-Aikins 2002.<br />

20 Vgl. Hofer/Pintrich 1997.


252<br />

zeugungen gibt, der durch domänenspezifische Überzeugungen ergänzt<br />

wird 21 . In Bezug auf die Domänen können im schulischen und hochschulischen<br />

Bereich Unterrichtsfächer bzw. unterschiedliche Studienrichtungen<br />

nach so genannten „well-structured domains“ 22 oder „ill-structured domains“<br />

23 unterschieden werden. Ein Fach wird danach beurteilt, welche der<br />

beiden Strukturen vorherrscht. So bezeichnet man die Fächer als well-structured,<br />

denen bei Aufgaben und Problemen allgemein gültige Lösungen zur<br />

Verfügung stehen, wie z.B. in Mathematik oder Physik. Andere Fächer wie<br />

beispielsweise Literatur oder Geschichte, in denen es für Probleme oder<br />

Aufgaben keine allgemein gültigen Lösungen gibt, werden als ill-structured<br />

bezeichnet.<br />

2.2 Eindimensionale vs. Mehrdimensionale Modelle<br />

So genannte eindimensionale Modelle24 gehen von typischen Entwicklungsstufen<br />

aus. Höhere Entwicklungsstufen lassen sich durch zunehmende Differenzierung<br />

und komplexere Vorstellungen charakterisieren. Mehrdimensionale<br />

Konzepte gehen davon aus, dass sich die Ausprägungen auf den einzelnen<br />

Dimensionen unabhängig voneinander verändern. Das bedeutet, dass<br />

Veränderungen auf einer Dimension nicht zwangsläufig von Veränderungen<br />

auf anderen Dimensionen begleitet werden. Sie nehmen zudem an (z.B. im<br />

Gegensatz zu Perry), dass es auf einer oder sogar auf allen Dimensionen zu<br />

rekursiven Entwicklungen kommen kann, die eben nicht auf ein bestimmtes<br />

Entwicklungsende hin abzielen25 .<br />

Ein empirisch gut untersuchtes mehrdimensionales Konzept liegt von<br />

Schommer vor26 . Ihr Konzept der Epistemological Beliefs besteht aus fünf<br />

Dimensionen, die sich auf das Wesen von Wissen und auf Wissenserwerb<br />

beziehen. Diese Dimensionen werden bezeichnet als (1) source, (2) certainty<br />

and (3) structure of knowledge und (4) control and (5) speed of knowledge<br />

21 Vgl. Trautwein/Lüdtke/Beyer 2004.<br />

22 Buehl/Alexander 2001; Kitchener 1983.<br />

23 Buehl/Alexander 2001; Kitchener 1983.<br />

24 Vgl. z.B. King/Kitchener 2002; Perry 1999.<br />

25 Vgl. Schommer-Aikins 2002, S. 110 f.<br />

26 Vgl. Schommer 1994a; 1994b; Schommer-Aikins 2002.


253<br />

acquisition. Wie aus den Bezeichnungen der Dimensionen deutlich wird,<br />

gelingt es Schommer in ihrem Modell, die direkte Vernetzung von Wissen<br />

und Wissenserwerb darzustellen. Die Dimensionen 1 bis 3 beziehen sich auf<br />

das Wesen von Wissen, die Dimensionen 4 und 5 auf den Prozess des Lernens.<br />

Jede dieser Dimensionen ist als Kontinuum von einer extrem naiven bis zu<br />

einer differenzierten Position zu verstehen27 . So versteht sich die Dimension<br />

(4) control als Kontinuum von „Die Fähigkeit zu lernen ist angeboren“ bis<br />

„Die Fähigkeit zu lernen wird durch Erfahrungen erworben“. Die Dimension<br />

(5) speed reicht von der naiven Sicht „Lernen geht schnell oder gar nicht“ bis<br />

zur differenzierten Sichtweise „Lernen ist ein allmählicher Prozess“. Die<br />

Extrempositionen des Kontinuums der Dimension (3) structure, ebenfalls<br />

dargestellt als naive Position einerseits und differenzierte andererseits, können<br />

folgendermaßen formuliert werden: „Wissen besteht aus isolierten Einzelbausteinen“<br />

und „Wissen ist komplex und zusammenhängend“. Die Dimension<br />

(2) certainty bildet das Kontinuum von „Wissen ist absolut“ bis<br />

„Wissen unterliegt einem konstanten Entwicklungsprozess“ ab. Obwohl die<br />

Dimension (1) source von Schommer empirisch nicht nachgewiesen werden<br />

konnte, wurde für sie ein Kontinuum definiert, das von der naiven Sicht „es<br />

gibt eine allwissende Autorität, die Wissen weitergibt“ bis zur differenzierten<br />

Position „Wissen wird durch subjektive und objektive Erfahrungen erworben“<br />

reicht.<br />

3 Empirische Erhebung<br />

3.1 Forschungsziele und Hypothesen<br />

Zahlreiche Untersuchungen bestärken die Annahme, dass die individuellen<br />

Überzeugungen bzw. die Systeme zu Wissen und Wissenserwerb unmittelbar<br />

Einfluss auf das Verstehen, Problemlösen und Handeln haben28 . Des Weite-<br />

27 Vgl. im Folgenden Schommer 1994b, S. 301.<br />

28 Vgl. z.B. Schommer 1994a, S. 26.


254<br />

ren wird die Auffassung bekräftigt, dass diese Überzeugungen einem Entwicklungsprozess<br />

unterliegen29 .<br />

Epistemologische Überzeugungen wurden bisher überwiegend bei Studierenden<br />

untersucht30 . Überzeugungen zu Wissen und Wissenserwerb von<br />

Lehrerinnen und Lehrern, die unmittelbar mit dem Lernprozess in Berührung<br />

stehen, wurden bislang vergleichsweise wenig berücksichtigt.<br />

Der vorliegende Beitrag untersucht folgende Forschungsanliegen:<br />

• Wie weit sind die allgemeinen epistemologischen Überzeugungen<br />

der Lehrenden entwickelt?<br />

• Lassen sich für die epistemologischen Überzeugungen von Lehrenden<br />

aus Deutschland und Österreich einheitliche Kriterien feststellen?<br />

• Sind die allgemeinen epistemologischen Überzeugungen der Lehrenden<br />

unterschiedlich weit entwickelt in Abhängigkeit von der<br />

Schulform, in der sie unterrichten?<br />

• Sind die allgemeinen epistemologischen Überzeugungen der lehrenden<br />

ähnlich weit entwickelt, da sie aus einem Kulturkreis stammen<br />

oder gibt es länderspezifische Unterschiede?<br />

• Sind die epistemologischen Überzeugungen der Lehrenden domänenspezifisch?<br />

Und besitzen Lehrende unterschiedliche epistemologische<br />

Überzeugungen über das selbst unterrichtete Fach und<br />

über das nicht selbst unterrichtete Fach?<br />

3.2 Methodisches Vorgehen<br />

Um diese Fragestellungen zu klären, wurde dieser Studie das mehrdimensionale<br />

Modell von Schommer zugrunde gelegt. Als Erhebungsinstrument diente<br />

ein Fragebogen, der im Rahmen zweier Examensarbeiten31 entwickelt und<br />

zur Erfassung subjektiver Theorien, pädagogischem Inhaltswissen und epistemologischen<br />

Überzeugungen eingesetzt wurde. Aus den ursprünglich 79<br />

29 Vgl. z.B. Perry 1999. S. 10 f.<br />

30 Vgl. Baxter Magolda 2002; Perry 1999; Schommer 1994b.<br />

31 Vgl. Müller 2005; Müsing 2005.


255<br />

Items wurden lediglich 46 in die Analyse einbezogen, da sie sich explizit auf<br />

epistemologische Überzeugungen beziehen. Items, die beispielsweise äußere<br />

Einflussfaktoren erfassen, wurden ausgelassen.<br />

In dieser Untersuchung wurden Lehrende verschiedener Schulformen aus<br />

Österreich und Deutschland zu ihren epistemologischen Überzeugungen<br />

befragt. Es nahmen insgesamt 301 Lehrende teil. Die Stichproben gestalteten<br />

sich wie folgt:<br />

In Deutschland wurden insgesamt 233 Lehrende von elf verschiedenen Schulen32<br />

aus dem Weser-Ems-Gebiet befragt. Davon waren 127 männlich und<br />

102 weiblich33 . Im Durchschnitt waren die Lehrenden knapp 46 Jahre alt<br />

und verfügten im Mittel über rund 17 Dienstjahre. In Österreich wurden<br />

insgesamt 148 Lehrende der AHS34 und BHS35 an neun Schulen in Graz und<br />

Klagenfurt befragt36 . Davon waren 41 männlich und 107 weiblich. Die<br />

durchschnittliche Berufserfahrung lag bei knapp 18 Jahren.<br />

Bei den deutschen Lehrkräften wurde eine Version des Fragebogens eingesetzt,<br />

die allgemeine epistemologische Überzeugungen erfassen sollte, während<br />

der Fragebogen in Österreich auf domänenspezifische Überzeugungen<br />

abzielte; dazu wurden die Fächer Deutsch und Mathematik gewählt als typische<br />

Vertreter einer ill-structured bzw. einer well-structured dimension.<br />

3.3 Validierung des Fragebogens<br />

Der Validierungsprozess ist entscheidend, um die Qualität eines Fragebogens<br />

sicher zu stellen. Ungeeignete Items werden in diesem Prozess selektiert.<br />

Itemschwierigkeit und Trennschärfe<br />

Für alle Items wurde zu Beginn der Schwierigkeitsindex berechnet. Die<br />

statistische Schwierigkeit von Fragebogenitems wird als ihre Popularität<br />

bezeichnet. Eine Frage, die prozentual sehr häufig in die Schlüsselrichtung<br />

32 Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und berufsbildende Schulen.<br />

33 Vier Personen machten keine Angabe zu ihrem Geschlecht.<br />

34 Allgemeinbildende höhere Schulen.<br />

35 Berufsbildende höhere Schulen.<br />

36 Vgl. Umschaden 2005.


256<br />

beantwortet wird, gilt als populär37 . Für den Popularitätsindex können Werte<br />

zwischen Null und Eins erreicht werden. Items, die weder zu leicht noch zu<br />

schwer waren (p>.20 und p


257<br />

kontextunabhängig oder uneindeutig und von Kontext abhängig betrachtet<br />

werden. Ebenfalls beinhaltet dieser Faktor Einstellungen über die Struktur<br />

von Wissen, d.h. ob es in klar voneinander abgegrenzte Einheiten einzuteilen<br />

ist oder ob es als komplexe Verknüpfung von Informationen und Bereichen<br />

angesehen wird. Weiter fließt in diesen Faktor die Einstellung ein, ob die<br />

Fähigkeit zu lernen angeboren ist oder sich ständig weiter entwickelt. In den<br />

Faktor gehen zudem Items ein, die den Nutzen und die Anwendung von<br />

Lernstrategien fokussieren. Dieser Faktor stimmt in weiten Teilen mit der<br />

Beschreibung des Faktors Struktur von Wissen aus Schommers Modell überein.<br />

Daher wurde diese Skala „Struktur des Wissens“ genannt.<br />

Der zweite Faktor klärt 24,83% der Varianz auf und besitzt mit α=.49 eine<br />

noch mittlere innere Konsistenz. Auf diesem Faktor laden Items, die die<br />

Einstellung thematisieren, inwieweit der Lernerfolg von harter Arbeit abhängt.<br />

Außerdem finden sich Items, die die Einstellungen darstellen, dass<br />

man einen Sachverhalt auf Anhieb versteht oder gar nicht, und dass es sich<br />

lohnt über einen problematischen Sachverhalt länger nachzudenken. Dieser<br />

Faktor stimmt weitestgehend mit Schommers Faktor Stabilität/Sicherheit<br />

überein und wurde daher ebenfalls „Stabilität von Wissen“ genannt.<br />

Als Fazit lässt sich feststellen, dass es in der empirischen Analyse nicht möglich<br />

war, die von Schommer proklamierten fünf Dimensionen epistemologischer<br />

Überzeugungen in einer Stichprobe aus dem deutschsprachigen Kulturraum<br />

zu replizieren. Viele Items mussten gestrichen werden, da sie den testtheoretischen<br />

Gütekriterien nicht genügten und wurden in folgende Berechnungen<br />

nicht mehr einbezogen.<br />

3.4 Ergebnisdarstellung und Interpretation<br />

Hinsichtlich der oben aufgeworfenen Forschungsfragen wurden Hypothesen<br />

formuliert, die mithilfe der empirischen Daten überprüft werden sollen.<br />

Hypothese 1: Die allgemeinen epistemologischen Überzeugungen der Lehrenden<br />

sind weit entwickelt, d.h. differenziert.<br />

Betrachtet man zusammenfassend die Gruppe der teilnehmenden Lehrerinnen<br />

und Lehrer in Deutschland, deren allgemeine epistemologische Überzeugungen<br />

erhoben wurden, kann man mithilfe der berechneten Mittelwerte<br />

Aussagen über die Entwicklung der epistemologischen Überzeugungen treffen<br />

hinsichtlich der beiden Skalen Struktur und Stabilität. Dabei sind die


258<br />

Items so gepolt, dass eine naive epistemologische Überzeugung durch einen<br />

niedrigen Wert wiedergegeben wird, eine differenzierte Überzeugung durch<br />

einen hohen Wert. Der maximale Wert liegt bei 6,0 erreicht werden. Die<br />

Mittelwerte bestätigen, dass die allgemeinen epistemologischen Überzeugungen<br />

weit entwickelt sind. Jede Skala erreicht einen hohen Zustimmungsgrad:<br />

die Mittelwerte beider Skalen liegen über 4,0 (Skala Struktur 4,25,<br />

Skala Stabilität 4,05). Infolgedessen lässt sich feststellen, dass die teilnehmenden<br />

Lehrenden in ihren allgemeinen epistemologischen Überzeugungen<br />

durchschnittlich sehr weit entwickelt sind und somit eine differenzierte Sicht<br />

einnehmen.<br />

Hypothese 2: Die allgemeinen epistemologischen Überzeugungen der Lehrenden<br />

sind unterschiedlich weit entwickelt in Abhängigkeit von der Schulform,<br />

in der sie unterrichten.<br />

Wenn man davon ausgeht, dass die Art der Wissensvermittlung entscheidend<br />

von der Schulform bestimmt wird, schließt sich die Vermutung an, dass die<br />

epistemologischen Überzeugungen der Lehrenden ebenfalls unterschiedlich<br />

weit entwickelt sind <strong>–</strong> je nach Schulform, in der sie unterrichten. Um dieses<br />

zu prüfen, wurde eine einfaktorielle Varianzanalyse durchgeführt. Die Ergebnisbetrachtung<br />

zeigt ein sehr homogenes Bild: bezüglich der Skala Stabilität<br />

wurden Mittelwerte von 3,79 bis 4,23 erreicht, für die Skala Struktur<br />

lagen die Mittelwerte bei 4,23 bis 4,29. Das Maximum lag wieder bei 6,0.<br />

Keine Schulform fällt auf, indem sie hinsichtlich der Skalen Ausreißer bildet.<br />

Dies gibt Grund zur Annahme, dass die epistemologischen Überzeugungen<br />

der Lehrenden unabhängig von ihrem Tätigkeitsbereich, d.h. von der<br />

Schulform, entwickelt sind. Aussagen über die Entwicklung der epistemologischen<br />

Überzeugungen der Lehrerinnen und Lehrer in Abhängigkeit von der<br />

Schülerklientel können folglich nicht getroffen werden.<br />

Hypothese 3: Die epistemologischen Überzeugungen der Lehrenden aus<br />

Österreich und Deutschland sind ähnlich weit entwickelt, da sie aus einem<br />

Kulturkreis stammen.<br />

Man kann davon ausgehen, dass das kulturelle Umfeld die epistemologischen<br />

Überzeugungen in entscheidender Weise beeinflusst und an ihrer Entwicklung<br />

maßgeblich beteiligt ist 39 . So liegt es nahe, für Österreich und<br />

39 Vgl. z.B. Qian/Pan 2002.


259<br />

Deutschland ähnlich entwickelte Überzeugungen anzunehmen, die durch den<br />

deutschsprachigen Kulturkreis bestimmt sind. Die Ergebnisse stellen sich<br />

folgendermaßen dar:<br />

z-Wert Stabilität z-Wert Struktur<br />

Österreich 3,21 2,18<br />

Deutschland 2,92 2,96<br />

Tab. 1 z-Werte der deutschen und österreichischen Lehrenden in den Faktoren<br />

„Stabilität“ und „Struktur“ des Wissens. Quelle: Eigene.<br />

Mithilfe der z-Transformation ist es möglich, Werte aus Verteilungen mit<br />

unterschiedlichem Mittelwert und Streuung, wie sie hier vorliegen, vergleichbar<br />

zu machen 40 . Die Werte zeigen, dass hinsichtlich des Faktors Stabilität<br />

die epistemologischen Überzeugungen der österreichischen Lehrenden<br />

weiter entwickelt sind als die ihrer deutschen Kollegen. Bezüglich des Faktors<br />

Struktur besitzen die deutschen Lehrkräfte differenziertere Überzeugungen.<br />

Da nicht eindeutig gesagt werden kann, durch welche Faktoren dieser<br />

Unterschied hervorgerufen wird, muss die Hypothese 3 vorerst als nicht<br />

bestätigt angesehen werden. Der Einfluss der Kultur muss in nachfolgenden<br />

Studien weiter überprüft werden.<br />

Hypothese 4: Lehrende besitzen unterschiedliche epistemologische Überzeugungen<br />

über das selbst unterrichtete Fach (Eigendomäne) und über das<br />

nicht selbst unterrichtete Fach (Fremddomäne).<br />

In der vorliegenden Studie wurden die epistemologischen Überzeugungen<br />

von Deutsch- und Mathematiklehrenden erhoben. Es soll überprüft werden,<br />

ob Lehrende dieser unterschiedlichen Bereiche ebenfalls unterschiedlich<br />

entwickelte Überzeugungen besitzen. Des Weiteren geben bereits durchgeführte<br />

Studien Anlass zu der Annahme, dass Lehrende sich in ihren epistemologischen<br />

Überzeugungen über das selbst unterrichtete Fach (Eigendomäne)<br />

und über das nicht selbst unterrichtete Fach (Fremddomäne) unterscheiden<br />

41 . Die Ergebnisse der durchgeführten Varianzanalyse sind in Tabelle 2<br />

40 Vgl. Wirtz/Nachtigall 2004.<br />

41 Vgl. z.B. Buehl/Alexander 2001.


260<br />

dargestellt. Naive epistemologische Überzeugungen sind mit einem niedrigen<br />

Wert gekennzeichnet, differenzierte Überzeugungen mit einem hohen<br />

Wert. Das zu erreichende Maximum lag bei 5,0.<br />

Deutschlehrende<br />

Mittelwert<br />

Struktur<br />

Eigendomäne (Deutsch) 2,29 2,70<br />

Fremddomäne (Mathematik) 2,58 2,82<br />

Mathematiklehrende<br />

Eigendomäne (Mathematik) 2,66 2,54<br />

Fremddomäne (Deutsch) 3,02 3,02<br />

Mittelwert<br />

Stabilität<br />

Tab. 2 Mittelwertunterschiede der Lehrenden (Eigen- und Fremddomäne)<br />

hinsichtlich der Faktoren „Struktur“ und „Stabilität“ des Wissens.<br />

Quelle: Eigene.<br />

Die Betrachtung der Mittelwerte zeigt, dass sowohl Deutschlehrende als<br />

auch Mathematiklehrende in ihrem nicht selbst unterrichteten Fach (Fremddomäne)<br />

hinsichtlich des Faktors „Struktur des Wissens“ von komplexeren<br />

epistemologischen Überzeugungen ausgehen. Sie gehen also davon aus, dass<br />

die Bedeutung einer Information eher uneindeutig ist und vom Kontext abhängig<br />

ist. Des Weiteren besitzen sie die Überzeugung, dass Wissen aus<br />

zusammenhängenden Informationen besteht und es einer ständigen Weiterentwicklung<br />

unterliegt.<br />

Hinsichtlich des Faktors „Stabilität des Wissens“ zeigt sich ein ähnliches<br />

Bild. Ausgehend von den Mittelwerten kann man sagen, dass sowohl die<br />

Deutsch- als auch die Mathematiklehrenden bezüglich des nicht selbst unterrichteten<br />

Faches (Fremddomäne) überzeugt sind, dass die epistemologischen<br />

Überzeugungen dort komplexer sind. Sie sind überzeugt, dass der Lernerfolg<br />

weitgehend von harter Arbeit abhängt, und dass es sich lohnt über einen<br />

problematischen Sachverhalt länger nachzudenken. Diese Ergebnisse bestätigen<br />

die Hypothese, dass epistemologische Überzeugungen domänenspezifisch<br />

sind.


4 Fazit<br />

261<br />

In der vorliegenden Studie wurden <strong>–</strong> ausgehend von einem mehrdimensionalen<br />

Konzept der epistemologischen Überzeugungen und einer herrschenden<br />

Domänenspezifität <strong>–</strong> die individuellen Überzeugungen von Lehrenden aus<br />

Österreich und Deutschland erfasst. Die empirischen Daten wurden hinsichtlich<br />

des Unterrichtsfaches der Lehrenden ausgewertet, um Aussagen über die<br />

Domänenspezifität machen zu können. Dabei wurde das Fach Deutsch als<br />

typisches Beispiel für eine so genannte ill-structured domain gewählt: dazu<br />

gehören Fächer, in denen es für Probleme oder Aufgaben keine allgemein<br />

gültigen Lösungen gibt. Das Fach Mathematik wurde als typisches Beispiel<br />

für eine so genannte well-structured domain gewählt: dort kann bei Aufgaben<br />

und Problemen auf allgemein gültige Lösungen zurückgegriffen werden.<br />

Hinsichtlich der anfangs aufgeworfenen Forschungsfragen lassen sich folgende<br />

Ergebnisse festhalten:<br />

• Wie weit sind die allgemeinen epistemologischen Überzeugungen<br />

der Lehrenden entwickelt?<br />

� Die allgemeinen epistemologischen Überzeugungen der<br />

teilnehmenden Lehrenden sind durchschnittlich sehr weit<br />

entwickelt. Die Lehrenden vertreten eine differenzierte<br />

Sicht der epistemologischen Überzeugungen.<br />

• Lassen sich für die epistemologischen Überzeugungen von Lehrenden<br />

aus Deutschland und Österreich einheitliche Kriterien feststellen<br />

oder gibt es schulform- oder länderspezifische Unterschiede?<br />

� Die epistemologischen Überzeugungen der Lehrenden sind<br />

unabhängig von ihrem Tätigkeitsbereich, d.h. von der<br />

Schulform, entwickelt. Aussagen über die Entwicklung der<br />

Überzeugungen in Abhängigkeit von der Schülerklientel<br />

können nicht getroffen werden.<br />

� Es lassen sich keine Aussagen über einheitliche Kriterien<br />

der epistemologischen Überzeugungen treffen, die sich auf<br />

den gemeinsamen Kulturkreis zurückführen lassen. Die<br />

empirischen Daten geben Anlass zur Vermutung, dass län-


262<br />

derspezifische Unterschiede existieren, die an dieser Stelle<br />

allerdings nicht genauer definiert werden können.<br />

• Sind die epistemologischen Überzeugungen der Lehrenden domänenspezifisch?<br />

� Die empirischen Daten zeigen, dass sich eine domänenspezifische<br />

Struktur der epistemologischen Überzeugungen<br />

feststellen lässt.<br />

� Die Lehrenden unterscheiden zwischen den epistemologischen<br />

Überzeugungen in dem von ihnen selbst unterrichteten<br />

Fach (Eigendomäne) und dem nicht selbst unterrichteten<br />

Fach (Fremddomäne).<br />

Abschließend lässt sich sagen, dass noch erheblicher Forschungsbedarf besteht,<br />

was die epistemologischen Überzeugungen von Lehrenden betrifft. Es<br />

existieren bislang nur wenige Studien, die sich mit den Auswirkungen der<br />

epistemologischen Überzeugungen auf das unterrichtliche Handeln der Lehrenden<br />

befassen. Um empirische Daten unmittelbar vergleichen zu können,<br />

muss ein einheitliches Erhebungsinstrument entwickelt und validiert werden.<br />

Die in dieser Studie nachgewiesenen Faktoren „Stabilität“ und „Struktur“<br />

des Wissens können das Konzept von Schommer, das dieser Studie zugrunde<br />

liegt, allerdings nur in Teilen bestätigen.


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Chege, Victoria<br />

The Interaction of Race and Gender in EU Equality Law<br />

1 Introduction<br />

Studies on the multidimensionality reveal that grounds of discrimination are<br />

as interrelated as the multiple identities of individuals are inseparable. 1 Due<br />

to this interplay, the different grounds serve as background features, the<br />

presence or absence of which either intensifies or mitigates the effect of<br />

discrimination faced. 2 Racial discrimination can hence take place in a gender<br />

context, while gender discrimination can take place in a background already<br />

made vulnerable by racial discrimination. In effect therefore, different subsets<br />

of people will experience discrimination differently, and a general approach<br />

that ignores differences among groups will deny some of effective<br />

1 See Crenshaw, Background Paper for the Expert Meeting on the Gender-Related Aspects<br />

of Race Discrimination Zagreb, Croatia (2000) (http://www.wicej.addr.com/wcar_docs/crenshaw.html);<br />

Crenshaw, Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: a Black<br />

Feminist Critique of Anti-discrimination Law Doctrine, Feminist Theory, and Anti-racist<br />

Politics, University of Chicago Legal Forum 139 (1989) (cited from the reprint in D. Kelly<br />

Weisberg (ed.), Feminist Legal Theory. Foundations (Temple, 1993), 383 <strong>–</strong> 395;<br />

Crenshaw, Mapping the Margins: Intersectionality, Identity Politics, and Violence Against<br />

Women of Color, 43 Stanford Law review, (1991) 1241 <strong>–</strong> 1299; Makonnen, Multiple,<br />

Compound and Intersectional Discrimination: Bringing the Experience of the Most Marginalized<br />

to the Fore, Institute For Human Rights Åbo Akademi University (2002); Duclos,<br />

Disappearing Women: Racial Minority Women in Human Rights Cases, 6 Canadian Journal<br />

Women and Law (1993), 25-51; Pothier, Connecting Grounds of Discrimination to<br />

Real Peoples Experience, 13 Canadian Journal Women and Law (2001), 37 <strong>–</strong> 73; Hannett,<br />

Equality at the Intersections: The Legislative and Judicial failure to Tackle Multiple Discrimination,<br />

23 Oxford Journal of Legal Studies (2003), 65 <strong>–</strong> 86.<br />

2 See Crenshaw, Background Paper for the Expert Meeting (2000) Section III ff<br />

(http://www.wicej.addr.com/wcar_docs/crenshaw.html).


268<br />

protection. 3 For anti discrimination law to be effective in its aim, it must<br />

hence reflect the social reality of individuals and address their multiple identities<br />

4 and not just one particular aspect of thereof. Such an approach that<br />

integrates all aspects related to a ground has been related to substantive notion<br />

of equality. 5<br />

Integrating ground related aspects implies taking a multidimensional approach<br />

which involves an analysis of the effects of separate grounds adding<br />

to each <strong>–</strong> additive discrimination 6 <strong>–</strong> or of an invisible interaction of grounds<br />

which would disproportionately disadvantage those at the intersection of two<br />

or more grounds <strong>–</strong> intersectional discrimination. 7<br />

For law to bite there must be a corresponding prohibition. 8 For a multidimensional<br />

approach, this would require the prevalence of several prohibited<br />

grounds, and the admissibility of interactions between them. Anglo American<br />

law fulfilled the former requirement, but was criticised for failing to<br />

adequately facilitate latter. 9 EU law likewise fulfils the former requirement.<br />

3 Crenshaw makes this point in her works on the interactions of race and gender . See op. cit<br />

n.1.<br />

4 Schiek, Broadening the Scope and the Norms of EU Gender Equality Law: Towards a<br />

Multidimensional Conception of Equality Law, 12 Maastricht Journal of European and<br />

Comparative Law (2005), 427-466, 459 f.<br />

5 Schiek, 12 Maastricht Law Journal (2005), 459 f.<br />

6 See for example Hannett, 23 Oxford Journal of Legal Studies (2003), 65; Makonnen,<br />

Multiple, Compound and Intersectional Discrimination (2002).<br />

7 See especially the works of Crenshaw, op. cit. fn. 1.<br />

8 See for example Miné, Concepts of Direct and Indirect Discrimination (Revised text of a<br />

presentation delivered at the conference on “The Fight Against Discrimination. New Directives<br />

of 2000 Concerning Equality, 31 March to 1 April, Trier)<br />

(http://www.era.int/web/en/resources/5_2341_603_file_en.576.pdf#search=%22concepts%<br />

20of%20direct%20and%20indirect%20discrimination%22).<br />

9 In the USA, although Title VII of the Civil Rights Act, 1964 prohibits discrimination on<br />

grounds of race, colour, religion, sex or national origin, courts had problems addressing<br />

multiple and intersectional claims. Despite the existence of the Sex Discrimination Act<br />

1975, the Equal Pay Act 1970, the Race Relations Act 1976, the Disability Act 1995, multidimensional<br />

claims in the UK were not really addressed. See the works of Shoben, Compound<br />

Discrimination: The Interaction of Race and Sex in Employment Discrimination, 55<br />

New York University Law Review, (1980) 793 <strong>–</strong> 833; Hannett, 23 Oxford Journal of Legal<br />

Studies (2003), 65.


269<br />

Grounds prohibited include nationality, 10 sex, 11 race and ethnicity, 12 religion<br />

or belief, 13 disability, 14 age, 15 sexual orientation. 16 In respect to the admissibility<br />

of the interaction of grounds, it might be necessary to point out that<br />

recitals 14 and 3 of the Race and Framework directives respectively mention<br />

the fact that women are often victims of multiple claims; Article 17 and 19<br />

of the Framework and Race directives also require an assessment of the<br />

impact of the measures undertaken under the respective instruments on<br />

women. The gender mainstreaming aim of the EU has itself been construed<br />

to imply recognition of the fact that other inequalities carry a gender dimension.<br />

17 Taken together, this could imply that EU law acknowledges the possibility<br />

of the interaction of grounds, albeit from the perspective of gender<br />

equality. But does also mean that EU law is structured in such a manner as to<br />

facilitate the integration of ground related aspects?<br />

The fact that multiple discrimination is only mentioned in relation to gender<br />

is the first indication of doubt. But a more illuminating answer would necessitate<br />

a more detailed look at the structure and content of EU equality law.<br />

To stay within the permissible scope, only the inseparability of race and<br />

gender which has been specifically pointed out in both legal 18 and sociologi-<br />

10 See for example Article 12 EC, the provisions of the fundamental freedoms, especially<br />

Article 39 EC.<br />

11 Directive 2002/73/EC amending Directive 76/207/EEC on the equal treatment between<br />

men and women [2002] OJ 269/15.<br />

12 The Race Directive 2000/43/EC establishes the principle of equal treatment of persons<br />

irrespective of race and ethnic origin [2000] OJ L 180/22.<br />

13 The Framework Directive 2000/78/EC lays down the principle of equal treatment of persons<br />

irrespective of religion or belief, sexual orientation, age and disability [2000] OJ<br />

L303/16.<br />

14 Ibid.<br />

15 Ibid.<br />

16 Ibid.<br />

17 Nielsen, EU Law and Multiple Discrimination, CBS Law Studies WP 2006 <strong>–</strong> 01, Copenhagen<br />

Business School, Law Department, p. 3. (http://ir.lib.cbs.dk/paper/ISBN/<br />

8791759013)<br />

18 See especially Crenshaw, op.cit. 1; Duclos, 6 Canadian Journal Women and Law (1993),<br />

25-51, esp. 33 ff.


270<br />

cal literature 19 is the main focus here. Both grounds have been said to share<br />

similar stereotypes, 20 and law is being urged to address their possible interactions.<br />

21<br />

The article will briefly examine the provisions of gender and racial discrimination<br />

in EU equality law. This will be followed by a discussion of the contents<br />

of the directive in the light of the question of multidimensionality.<br />

Lastly, an evaluation of the findings and some suggestions will be made.<br />

2 Gender, Race in EU Equality Law<br />

2.1 Legal Base<br />

Article 2 EC and Article 3 (2) place the attainment of gender equality as a<br />

task of the EU and an objective that has to be mainstreamed in all the Community<br />

activities. There are several other provisions aimed at achieving gender<br />

equality in the EU. Article 141 establishes the principle of equal pay<br />

between men and women. Several other secondary law instruments pursue<br />

the principle of equal treatment between men and women in different areas.<br />

22 Of great relevance to this work is the Gender Reform Directive which<br />

purposes to put into effect the principle of equal treatment between men and<br />

19 See Adib/Guerrier, The Interlocking of Gender with Nationality, Race, Ethnicity and<br />

Class: the Narratives of Women in Hotel Work, 10 Gender, Work, Organisation (2003),<br />

413. Browne/Misra, The Intersections of Gender and race in the Labour Market, 29 Annu.<br />

Rev. Sociol. (2003), 487<strong>–</strong>513.<br />

20 Duclos, 6 Canadian Journal Women and Law (1993), 25-51, esp. 33 ff..<br />

21 Crenshaw op. cit. 1; Hannet 23 Oxford Journal of Legal Studies (2003), 65<br />

22 See for example the Equal pay Directive 75/117/EEC [1975] OJ L45/198; Social Security<br />

Directive 79/7/EEC [1979] OJ L 6/24; Occupational Social Security Directive 86/378/EEC<br />

[1986] OJ L 225/40 (amended by Directive 96/97/EC [1997] OJ L 14/13); Self Employed<br />

Directive 86/613/EEC [1986] OJ L 359/56; the Pregnant Workers Directive 92/85/EEC<br />

[1992] OJ L 348/1; the Working Time Directive 93/104/EC [ 1993] OJ L 307/18; Parental<br />

Leave Directive 96/34/EC [ 1996] OJ L 145/11 (amended by 97/75/EC [1997] OJ L 10/24;<br />

Burden of Proof Directive 97/80/EC [1998] OJ L 14/6; Part <strong>–</strong> time Workers Directive<br />

97/81/EC [1998] OJ L 14/9.


271<br />

women within its scope of application. 23 It is equally important to note that<br />

on the basis of Article 13 EC, the provisions of gender equality were extended<br />

beyond the labour market through the adoption of the Goods and<br />

Services Directive. 24<br />

The prohibition to discriminate on grounds of race and ethnicity is contained<br />

in the Race Directive which purposes to lay down a general framework for<br />

combating discrimination on the grounds of racial or ethnic origin, with a<br />

view of putting into effect in the Member State the principle of equal treatment.<br />

25<br />

Since they purpose to put into effect the principle of equal treatment, both<br />

EU gender and racial provisions strive for substantive equality or equality in<br />

fact. 26 Addressing the multidimensionality of human identity has been argued<br />

to be inherent in the concept of substantive equality. 27<br />

2.2 Contents of Gender and Race Provisions<br />

The section below will not try to reproduce the considerable work already<br />

done on the directives. 28 Rather, it will stick to those elements that are considered<br />

to be of relevance to the topic at hand.<br />

23 Gender Equal Treatment Directive 76/207/EEC [1976] OJ L 39/40 (amended by Directive<br />

2002/73/EC [2002] OJ L 269/15.<br />

24 Goods and Services Directive OJ [20004] L 373/37.<br />

25 Article 1 Race Directive.<br />

26 See Schiek, A New Framework on Equal Treatment of Persons in EC law? ELJ Vol. 8<br />

(2002), 290 <strong>–</strong> 314, 304.<br />

27 Schiek, 12 Maastricht Journal (2005), 427-466, 459 f.<br />

28 For allok at the directives see Schiek, ELJ Vol. 8, (2002), 290; Waddington/Bell, More<br />

Equal than Others: Distinguishing European Union Equality Directives, 38 CML Rev.<br />

(2001) 587 <strong>–</strong> 611; Masselot, The New Equal Treatment Directive: Plus Ça Change… 12<br />

Feminist Legal Studies (2004), 93 <strong>–</strong> 104; Nielsen, EU Law and Multiple Discrimination,<br />

CBS Law Studies WP 2006; Torella, The Goods and Services Directive: Limitations and<br />

Opportunities, Feminist Legal Studies (2005), DOI 10.1007/s1069 <strong>–</strong> 005 <strong>–</strong> 9007 <strong>–</strong> 5.


272<br />

2.2.1 Scope of Application<br />

The material scope of application envisaged in the gender and race provisions<br />

is not consistent. 29 In employment related areas, the scope might be<br />

similar; however race has a wider scope beyond the labour market which<br />

extends to education, health care. 30<br />

In relation to the personal scope of application, the race provisions do not<br />

cover differential treatment arising from nationality 31 and will not affect<br />

differential treatment that arises from the legal status of third country nationals<br />

and stateless persons. 32 This particular exemption is not envisaged under<br />

the gender provisions.<br />

2.2.2 Exceptions<br />

Both the gender and race provisions contain ground related exceptions to the<br />

non discrimination principle. Only those exceptions relating to occupational<br />

activities and positive action33 will be examined here. The occupational<br />

exceptions under the Race Directive apply to all occupational activities.<br />

However, they do not go beyond the labour market. 34 The relevant employment<br />

provisions of the Gender Reform Directive are only restricted to access<br />

to employment, and do not envisage promotion per se. 35 The gender exceptions<br />

are also extended beyond the labour market by the Goods and Services<br />

Directive.<br />

29 Schiek, ELJ Vol. 8, 2002, 290; Waddington/Bell, More Equal than Others: Distinguishing<br />

European Union Equality Directives, 38 CML Rev. (2001) 587 <strong>–</strong> 611.<br />

30 For a comparison of the scopes see Articles 3 Race, Gender Reform and Goods and Services<br />

Directives; Schiek, ELJ Vol. 8, 2002, 290; Waddington/Bell, More Equal than Others:<br />

Distinguishing European Union Equality Directives, 38 CML Rev. (2001) 587 <strong>–</strong> 611.<br />

31 Article 3 (2) Race Directive.<br />

32 Ibid.<br />

33 For positive action as an exception see Masselot, 12 Feminist Legal Studies (2004), 93 <strong>–</strong><br />

104; Waddington/Bell, 38 CML Rev. (2001) 587 <strong>–</strong> 611, 601.<br />

34 Article 4 Race Directive<br />

35 Article 2 (6) Gender Reform Directive.


273<br />

Positive action is provided for in all the equality instruments. 36 The aim of<br />

positive action pursued by all directives is full equality in practice <strong>–</strong> a substantive<br />

notion of equality. 37<br />

2.2.3 Concepts<br />

Direct discrimination has been defined as less favourable treatment (on the<br />

particular ground) under comparable situations. Indirect discrimination requires<br />

that an apparently neutral provision, criterion, or practice leads to<br />

disadvantageous treatment, unless it can be objectively justified and the<br />

principle of proportionality respected. 38 Impact of such measures on a group<br />

can be established through statistical or any other means, 39 which reflects a<br />

departure from the case law of the ECJ established under gender equality<br />

where statistics were a must for establishing disparate effect. 40 The definitions<br />

of direct and indirect discrimination under both provisions necessitate a<br />

comparator or comparable situation. Hypothetical comparisons seem to be<br />

permitted. 41<br />

The concept of goods and services envisaged under gender equality has been<br />

linked to the concept of goods and services as envisaged in the EC Treaty. 42<br />

2.2.4 Enforcement<br />

Equal treatment bodies are envisaged under both gender and race provision;<br />

43 sanctions are required to be effective, proportionate and dissuasive. 44<br />

36 Article 5, Article 2 (8), Article 6 Race, Gender Reform, and Goods and Services Directives<br />

respectively. According to Article 2 (8) Gender Reform Directive, positive action measures<br />

pursued under this directive must be adopted within the meaning of Article 141 (4) EC.<br />

37 Barnard/Hepple, Substantive Equality, Cambridge Law Journal 59 (3) (2000), 562 <strong>–</strong> 585,<br />

576 f.<br />

38 See Article 2 Race and Gender Reform Directives respectively.<br />

39 See recitals 15 and 10 of Race and Gender Reform Directives respectively.<br />

40 See ECJ Kirsammer Hack C <strong>–</strong> 189/91 ECR 1993, 1 <strong>–</strong> 6215. See also Schiek, ELJ Vol. 8,<br />

(2002), 290, 296. Waddington /Bell, 38 CML Rev. (2001) 587, 594.<br />

41 Also Schiek, ELJ Vol. 8, (2002), 290, 296; Waddington/Bell, 38 CML Rev. (2001) 587 <strong>–</strong><br />

611, 591 f.<br />

42 Recital 11 Directive 2004/113/EC O.J. L 373/38.


274<br />

Real and effective compensation is also envisaged under the Gender Reform<br />

Directive. 45 Victimization has been prohibited. 46 The gender provisions are<br />

extended beyond the labour market by Article 10 of the Goods and Services<br />

Directive.<br />

3 Assessment<br />

3.1 The Inconsistent Scope <strong>–</strong> Under Inclusiveness?<br />

Under inclusiveness as a term has been specifically used in academic literature<br />

to refer to a situation where the scope of legal protection did not correspond<br />

to actual disadvantage undergone, 47 especially where only one of the<br />

grounds of discrimination experienced was protected. By analogy, under<br />

inclusiveness will be applied here to such instances where different levels of<br />

protection is envisaged in the instruments in such a manner as to exclude the<br />

possibility of combining claims.<br />

In employment and occupation related areas, the material scope of the provisions<br />

seem to cover the same elements. This is of course of relevance, since<br />

employment and occupation related areas are fields in which the interplay of<br />

race and gender have forced many racial minority women in different EU<br />

Member States into the lowest paying jobs, irrespective of their qualifications.<br />

48 It is hence all the more important for multidimensional claims that<br />

this area has a consistent material scope. This cannot be maintained in re-<br />

43 See Article 13 Race Directive; Article 8 (a) Gender Reform Directive.<br />

44 See Article 15; Article 8 (d) Race and Gender Reform Directives respectively.<br />

45 See Article 6 (2) of the Gender Reform Directive.<br />

46 See Article 9 and 7 of the Race and Gender Reform Directives respectively.<br />

47 Hannett, 23 Oxford Journal of Legal Studies (2003), 65, 77 ff.<br />

48 Ashiagbor, Feminist Perspectives on Employment Law, (Cavendish, 1999) 139 <strong>–</strong> 160, 143<br />

-147; Rommelspacher, Gender, Race, Class: Ausgrenzung and Emanzipation. In Sozial Extra:<br />

Zeitschrift für soziale Arbeit und Sozialpolitik (2005), Bd. 29, 7 <strong>–</strong> 8, 26 <strong>–</strong> 29; Wilpert,<br />

Migrant Women and their Daughters: Two Generations of Turkish Women in the Federal<br />

Republic of Germany. In: International Migration Today (1988) 2, 168 <strong>–</strong> 186.


275<br />

spect to the scope beyond the labour market. Unlike that of gender equality,<br />

the material scope of racial equality extends to education and health care.<br />

Any multidimensional claims will be excluded by this under inclusive<br />

scope. 49<br />

The personal scope of application of both provisions is likewise problematic.<br />

In relation to third country nationals living in the EU, full racial equality<br />

might not the goal of the EU legislator, as Article 3 (2) of the Race Directive<br />

seems to imply. However, it is the goal of the legislator to achieve full gender<br />

equality, as reflected by Article 2 and Article 3 (2) EC. To what extent<br />

will the differences in the personal scope of application affect this latter<br />

goal?<br />

From an EU perspective, third country nationals will be regarded to be persons<br />

who do not have the nationality of any of the EU member states, and<br />

are hence not EU citizens in the meaning of Article 17 (1) EC. 50 The origin<br />

of third country nationals in the EU varies from Member State to Member<br />

State, but most of them appear to have racial or ethnic origins: in the Netherlands,<br />

the majority are said to come from Algeria, Morocco, Turkey and the<br />

former Yugoslavia; in France, these are mostly from Algeria and Morocco.<br />

In Germany, the majority of third country nationals come from Turkey followed<br />

by those from the former Yugoslavia. 51 One particular aspect that will<br />

be mentioned here pertains to rules regulating access to employment. Article<br />

19 of Council Regulation 1612/68 52 endorsed the principle of according EU<br />

nationals priority over third counrty nationals when filling employment<br />

vacancies. Such a rule is also envisaged in the equal treatment provisions of<br />

49 See also Fredman, Double Trouble: multiple Discrimination and EU law, European Anti<br />

Discrimination Law Review, Issue No.2, (October 2005), 13 <strong>–</strong> 18, 17. Chege, Multidimensional<br />

Discrimination: Are the EC Equality Directives Well Adapted for Intersectional<br />

Discrimination? In: Beratung <strong>–</strong> Evaluation <strong>–</strong> Transfer (ed. Klusmeyer/Meyerholt/ Wengelowski)<br />

(Oldenburg 2005), 305 <strong>–</strong> 323, 309 f.<br />

50 Compare with Article 2 Directive Concerning the Status of Third Country Nationals who<br />

are Long Term Residents (Long term Resident Directive) 2003/109/EC [2004] OJ L 16/44.<br />

51 Schneider, Towards a European Migration Policy: from Maastricht to Amsterdam, from<br />

Tampere to The Hague, in Migration, Integration and Citizenship, A Challenge for<br />

Europe’s Future Volume II, 7 <strong>–</strong> 33, 16.<br />

52 [1968] OJ L 257/2, [1968] Spec. Ed, 475.


276<br />

the Long Term Resident Directive that came into effect early this year. 53<br />

Accordingly, taking Germany as an example, Germans, EU citizens and<br />

privileged third country nations 54 are accorded priority in access to the labour<br />

market. 55 Employment of third country nationals will only ensue if<br />

none of the above mentioned nationals can fill up the place. 56 Though such a<br />

rule is directed equally at all foreigners, its effect on racial minority women<br />

ought not to be ignored, especially since their structural background is at the<br />

same time vulnerable to existing gender discrimination the labour market.<br />

This particular rule has been spotted out in intersectional studies on the<br />

German labour market as one of the factors responsible for the disadvantageous<br />

position of racial minority women in the German labour market. 57<br />

It can hence be argued that the exclusionary effects of the provisions of racial<br />

discrimination in relation to third country nationals affect the attainment<br />

of the goal of gender equality due to the inevitable interaction of the two<br />

grounds. In that respect, it is hardly appropriate to talk about EU law acknowledging<br />

or facilitating an integrated approach.<br />

3.2 Exceptions to the Non discrimination principle<br />

3.2.1 Occupational Activities<br />

The logic behind the above identified inconsistencies in the ground related<br />

exceptions from the prohibition to discriminate is hard to reconcile with,<br />

especially when the indivisible nature of human identity is considered. What<br />

the provisions are in effect saying is that whereas less favourable treatment<br />

of women beyond the labour market might in some cases be justified, less<br />

53 Article 11 Long Term Resident Directive 2003/109/EC [2004] OJ L 16/44.<br />

54 I.e. those from the European Economic Area<br />

55 See for example §§ 18 and 39 Aufentaltsgesetzt Vom 14.3.2005, BGBl I 2005 Nr. 16 vom<br />

17.3.2005. Also Bericht der Beauftragte der Bundersregierung für Migration, Flüchtlinge<br />

und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, August<br />

(2005) 73 f (Report of the Federal Ministry for Migration, Refugees and Integration Concerning<br />

the Position of Foreign Women and Men in Germany).<br />

56 Bericht der Beauftragte der Bundersregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration<br />

über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, 73.<br />

57 Rommelspacher, 29 Sozial Extra 2005, 26 <strong>–</strong> 29.


277<br />

favourable treatment on grounds of race beyond the labour market will never<br />

be justified; whereas less favourable treatment of women on grounds of sex<br />

during promotion will always be discriminatory, less favourable treatment on<br />

grounds of race during promotion could in some cases be justified. This<br />

approach does not reflect the social reality of individuals. Intersectional<br />

discrimination is a result of an inseparable interplay of grounds; victims are<br />

never able to tell which part of their identity is being affected, because they<br />

experience discrimination in their capacity as human beings. 58 Here again,<br />

the structure might not facilitate multidimensional claims, since the interplay<br />

of grounds was ignored while determining the scope of exceptions relating to<br />

occupational activities.<br />

One other example where the interplay of grounds could be crucial to multidimensional<br />

claims is probably to be found in the concepts of goods and<br />

services. Under gender equality, the concepts of goods and services have<br />

been linked to similar concepts as envisaged under the EC Treaty. 59 It has<br />

been argued that such an approach might exclude some activities carried out<br />

by public bodies from the scope of the Goods and Services provisions. 60<br />

This being the case, some activities might well be caught by the Race Directive,<br />

but not by the gender provisions, which would lead to unequal protection,<br />

in cases where gender and race interact. This point could be refuted by<br />

the argument that according to the case law of the ECJ, the concepts of fundamental<br />

freedoms will be defined from a Community law perspective; 61<br />

hence the meaning of goods and services under the Race Directive must<br />

comply with the concept of goods and services as applied under the EC<br />

Treaty and case law of the European Court of Justice (ECJ). This argument<br />

would however not suffice to explain why education, which only qualifies as<br />

a service where it is financed by private means and where there is an economic<br />

benefit involved, 62 is included in the Race Directive, but not in the<br />

gender provisions. That a difference in the application of concepts might<br />

lead to less protection on the ground of gender and hence to shortcomings<br />

58 See for example Pothier, 13 Canadian Journal Women and Law (2001), 37 <strong>–</strong> 73, 59.<br />

59 Recital 11 Directive 2004/113/EC O.J. L 373/38.<br />

60 Torella, Feminist Legal Studies (2005), DOI 10.1007/s1069 <strong>–</strong> 005 <strong>–</strong> 9007 <strong>–</strong> 5.<br />

61 ECJ Lawrie Blum Case 66/85 [1986] ECR 2121.<br />

62 ECJ Wirth Case C <strong>–</strong> 109/92 [1993] ECR 1 <strong>–</strong> 6447.


278<br />

when addressing multidimensional discrimination, most especially intersectional<br />

discrimination, cannot be excluded.<br />

3.2.2 Positive Action and Intra Group Differences<br />

One particular aspect to be considered under positive action as a group based<br />

model of equality, 63 is the need to recognise intra group differences.<br />

Crenshaw argues that ignoring intra group differences either leads to a generalization<br />

of the experiences of a particular sub group as pertaining to the<br />

whole group (over inclusion), 64 or on the other hand, to the ignoring of the<br />

experience of some sub groups as being only characteristic for that specific<br />

sub group but irrelevant to the whole group at large. 65 For example, it has<br />

been established that the intersection of race and gender exclude racial minority<br />

women from the public sector and instead confines them to the lowest<br />

employment strata and racially segregated jobs, irrespective of their qualifications.<br />

66 Therefore, positive action aimed at addressing the under representation<br />

of women in the public sector might be beneficial to women in general,<br />

but not to racial minority women who might still remain confined to<br />

low status jobs due to racial discrimination. Likewise, positive action measures<br />

aimed at increasing either the representation of women and or of the<br />

different races in the public sector might still not profit those ethnic minority<br />

women wearing a Hijab unless it recognizes the multidimensional effects of<br />

a Hijab ban. 67<br />

For it to effectively address the multiple identity of individuals, positive<br />

action must be focused on intra group differences as well as on the needs of<br />

the most disadvantaged. 68 Construing positive action to the needs of the<br />

63 McCrudden, Discrimination and Human Rights, the Case for Racism (Oxford University<br />

Press, (2001) 251 <strong>–</strong> 307.<br />

64 Crenshaw, Background Paper for the Expert Meeting (2000) Section II<br />

(http://www.wicej.addr.com/ wcar_docs/crenshaw.html).<br />

65 Ibid.<br />

66 Op. cit. n. 48.<br />

67 For a discussion of the headscarf issue see Schiek, Just a piece of Cloth? German Courts<br />

and Employees with Headscarves, 33 Industrial Law Journals Issue 1, March 2004, 68<strong>–</strong>73;<br />

Chege, Beratung <strong>–</strong> Evaluation <strong>–</strong> Transfer (Oldenburg 2005), 305<strong>–</strong>323.<br />

68 Compare Fredman, Anti Discrimination Law Review No. 2 (2005), 13, 18.


279<br />

most disadvantaged necessitates a substantive approach. This substantive<br />

approach is provided for in the wording of the positive action provisions of<br />

both gender and racial equality, which refer to full equality in practice. 69<br />

However, the case law of the ECJ on positive action bounces between both<br />

the formal and substantive approaches to equality. In Lommers, the ECJ<br />

acknowledged that positive action measures purposed to eliminate and reduce<br />

actual instances of inequality which existed in the reality of social<br />

life. 70 A substantive approach is also evident in Marschall, 71 where the ECJ<br />

upheld the preferential treatment of a woman over a man, in circumstances<br />

where women were under represented. A formal approach is evidenced in<br />

the rebuttal of rules giving automatic preference to the under represented sex<br />

by the ECJ, 72 especially when where no objective assessment of the individual<br />

candidates had been undertaken. 73 As Masselot says in reference to gender<br />

equality, women are not the only beneficiaries of positive action. 74 This<br />

amounts to a formal symmetric approach which does not seek to achieve<br />

equality of results. A substantive reading of positive action measures would<br />

consider social reality as reflected by intra group differences, and in this way<br />

seek to improve the position of the most disadvantaged within the various<br />

groups. Unfortunately, positive action measures are not obligatory upon<br />

Member States. 75<br />

3.2.3 Conceptual Structure<br />

As stated above, the concepts of discrimination in the provisions under study<br />

are similar and this should not be taken for granted: under the case law of the<br />

ECJ on gender equality, statistics were a must for establishing disparate<br />

69 Barnard/Hepple, Cambridge Law Journal 59 (3) (2000), 562 <strong>–</strong> 585, 576 f.<br />

70 ECJ Lommers C <strong>–</strong> 476/99 [2002] ECR I <strong>–</strong> 2891, no 32.<br />

71 ECJ Marschall Case C <strong>–</strong> 409/95 [1997] ECR 1 <strong>–</strong> 6363.<br />

72 ECJ Kalanke C <strong>–</strong> 450/93, [1995] ECR I <strong>–</strong> 3051; ECJ Marschall C <strong>–</strong> 409/95 [1997] ECR I <strong>–</strong><br />

6363; ECJ Badeck C <strong>–</strong> 158/97 [2000] ECR I <strong>–</strong> 1875.<br />

73 ECJ Marschall C <strong>–</strong> 409/95 [1997] ECR I <strong>–</strong> 6363; ECJ Badeck C <strong>–</strong> 158/97 [2000] ECR I <strong>–</strong><br />

1875.<br />

74 Masselot, 12 Feminist Legal Studies (2004), 93 <strong>–</strong> 10, 101 f.<br />

75 Ibid.


280<br />

effect, 76 though they were never relied upon under the case law of nationality<br />

discrimination, where the potential of the measure to disadvantage migrants<br />

mattered. 77 Though a positive development in itself, having consistent<br />

concepts might not be enough for multidimensional claims, especially where<br />

the often criticised comparator concept, 78 as well as the need to establish<br />

disparate effect could be still relevant to the legal mind. Both have proved<br />

problematic in those jurisdictions where law attempted to address multidimensional<br />

claims. 79 In De Graffenreid, 80 one of the most often cited cases of<br />

intersectional discrimination, the employment related claims of discrimination<br />

against black women as a group were discharged by a finding that both<br />

black men and white women had been employed by the respondent, which<br />

excluded a finding of racial or gender discrimination. Establishing indirect<br />

discrimination was also never easy in multidimensional cases, since numbers<br />

affected were at times too few to establish disparate effect. 81 Pontier cites the<br />

case of Emily Carasco whose claims of discriminatory pay could not be<br />

substantiated due to the fact that there were not many women of colour employed<br />

by the university, hence there was no discernible pattern of salary for<br />

women of colour upon which reliance could be placed. 82<br />

In EU law, the fact that reference to hypothetical comparisons seems to be<br />

accepted now, 83 and that there seems to be an apparent departure from reliance<br />

on statistics 84 might help overcome some of the weaknesses related<br />

with the comparator concepts and with establishing disparate effect. In dis-<br />

76 ECJ Kirsammer Hack C <strong>–</strong> 189/91 ECR 1993, 1 <strong>–</strong> 6215. See also Schiek, ELJ Vol. 8,<br />

(2002), 290, 296.<br />

77 ECJ O’ Flynn, C <strong>–</strong> 237/94 [1996] ECR 1 <strong>–</strong> 2417.<br />

78 Also Fredman, Discrimination and Human Rights, the Case for Racism (Oxford University<br />

Press, (2001) 9 <strong>–</strong> 44.<br />

79 See Hannet, 23 Oxford Journal of Legal Studies (2003), 65.<br />

80 De Graffenreid v. General Motors Assembly Div. 413 F. Supp. 142 (US Federal Court of<br />

Appeal).<br />

81 Hannet, 23 Oxford Journal of Legal Studies (2003), 65, 74; Davies, Should Diagonal<br />

Discrimination Claims be Allowed? 25 Legal Studies 2 (2005), 181-200.<br />

82 See Pothier, 13 Canadian Journal Women and Law (2001) 37, endnote 76.<br />

83 See op.cit. n. 41.<br />

84 See op.cit. n. 40.


281<br />

cussing the concept of indirect discrimination in the new directives and the<br />

related issue of statistics, Schiek’s suggests that the new provisions give<br />

courts room to rely on qualitative sociological studies and other sources, by<br />

laying less emphasis on statistics. 85 Adopting such an approach would be<br />

one way to ease multidimensional claims without necessarily relying on<br />

statistics and comparisons<strong>–</strong> though of course its success would depend on the<br />

existence of studies on multidimensionality, which might not be available in<br />

all EU member states.<br />

3.2.4 Enforcement<br />

Case law from the Anglo American jurisdictions reveals that a reliance on a<br />

single issue approach often led to the failure of many cases of multidimensional<br />

discrimination, especially where evidence for each ground was<br />

weighed separately. Hence, in the above mentioned De Graffenreid case86 evidence collected under separate grounds could not substantiate the claims<br />

of the black women.<br />

The creation of equal treatment bodies is a novel provision in EU law. 87 The<br />

directives make no mention of any working relationship between the bodies,<br />

which might imply that the bodies are separate and distinct with powers to<br />

handle only specific ground related cases of discrimination. Separate and<br />

distinct bodies are certainly relevant for single ground discrimination cases,<br />

but might fail to facilitate multiple claims especially if their structure does<br />

not permit cooperation and exchange of ground related information. 88 This<br />

problematic will only be complicated by the fact that the Framework Directive<br />

does not envisage the setting up of such bodies.<br />

The provisions requiring sanctions to be effective, proportionate, and dissuasive<br />

will be turned to here. The question is, should sanctions take into account<br />

the burden of disadvantage suffered? This question has not been well<br />

85 Schiek, ELJ Vol. 8, (2002), 290, 296.<br />

86 De Graffenreid v. General Motors Assembly Div. 413 F. Supp. 142 (US Federal Court of<br />

Appeal).<br />

87 Bell, The EU Racial Equality Directive, 8 European Law Journal (2002), 383 <strong>–</strong> 399, 386.<br />

88 Ashiagbor makes this point in respect to the UK equality bodies. See Ashiagbor, Feminist<br />

Perspectives on Employment Law, (Cavendish, 1999) 139-160, 156.


282<br />

answered elsewhere. The OHRC reports that the question of multidimensionality<br />

of grounds is often not put into consideration when determining<br />

remedies. 89 At the same time, it has been argued that remedies must recognise<br />

the interplay between the various grounds of discrimination. 90 This is<br />

especially so because persons suffering adverse treatment are said to be reluctant<br />

to report discrimination cases, especially when the remedies to be<br />

awarded might not offset the disadvantages involved under such circumstance.<br />

91<br />

Specifically for EU gender equality law, the ECJ has related real equality of<br />

opportunity to an appropriate system of sanctions. 92 It has said compensation<br />

must be adequate in relation to the damage sustained 93 and criticised the<br />

setting of upper limits in advance for compensation, since the damages may<br />

be higher than the upper limit. 94<br />

Can this be construed to apply to multidimensional claims as well? Could<br />

perhaps a woman who has experienced racial and gender discrimination rely<br />

on this case law when claiming damages and remedies? The gender mainstreaming<br />

task of the EC might imply so. But definite answers to such questions<br />

might probably depend on the outcome of cases before the ECJ.<br />

89 Ontario Human Rights Commission (OHRC), An Intersectional Approach to Discrimination:<br />

Addressing Multiple Grounds in Human Rights Claims, Discussion paper, (Queens<br />

Printer for Ontario 2005). Accessed on the 4th of October 2005 (http://www.ohrc-onca/english/consultations/intersectionality-discussions-paper.shtml)<br />

90 See for example Duclos’ assessment of Olarte v. DeFilippis and Commodore Business<br />

Machines Ltd. ((1983), 4 C.H.R.R. D/1705) in Duclos, 6 Canadian Journal Women and<br />

Law (1993), 25, 39 f.<br />

91 See Duclos, 6 Canadian Journal Women and Law (1993), 25 <strong>–</strong> 51, 37 <strong>–</strong> 40.<br />

92 ECJ Von Colson Case 14/83 [1983] ECR 1891 para. 22.<br />

93 Ibid. para. 23.<br />

94 ECJ Draemphael Case C <strong>–</strong> 180/95 [1997] ECR 1 <strong>–</strong> 2195 para 37.


4 Evaluation and Suggestions<br />

283<br />

In answering the question set in the beginning, one can say that in some<br />

instances, the interaction of grounds is not facilitated by the present EU<br />

equality framework. Within the scope of this work, this has been identified<br />

most especially in the inconsistent scope of application envisaged in the<br />

instruments, as well as the inconsistencies as regards the exceptions to the<br />

prohibition to discriminate. In other instances, it is not so much the structure<br />

itself as the approach and policy taken that will be decisive. This especially<br />

relates to areas like the concepts, enforcement mechanisms, or positive action.<br />

Here, the framework might have the potential to address multidimensional<br />

claims, but the legal mind must be willing to attach a substantive reading<br />

to it.<br />

The prevalent inconsistencies make it hard for ground related aspects to be<br />

integrated in a multidimensional approach, though it might be possible for<br />

persons affected to make additive claims. But additive claims cannot substitute<br />

intersectional claims. 95<br />

Some suggestions that have made to make the EU legal framework adapted<br />

for multidimensional claims include the adoption of a consistent material<br />

scope by the national implementing measures, as in fact some national jurisdictions<br />

have been pointed out to have done. 96 Since this does not secure a<br />

uniform application of EU law, action is still required at the EU level. It has<br />

also been suggested that a non exhaustive list of grounds be employed. 97<br />

There could be indications that ECJ the tends towards finding the list of<br />

prohibited grounds as being exhaustive <strong>–</strong> at least in relation to Directive<br />

2000/78/EC which prohibits five grounds of discrimination. In Sonia Chacon<br />

Navas 98 it found sickness could not be a ground in addition to those con-<br />

95 Compare Schiek, 12 Maastricht Journal (2005), 427-466, 459 f; Chege, Beratung <strong>–</strong> Evaluation<br />

<strong>–</strong> Transfer (ed. Klusmeyer/Meyerholt/Wengelowski) (Oldenburg 2005), 305 <strong>–</strong> 323,<br />

319 f.<br />

96 Fredman, Anti Discrimination Law Review, Issue No.2, October 2005, 13 <strong>–</strong> 18.<br />

97 Fredman, Anti Discrimination Law Review, Issue No.2, October 2005, 13 <strong>–</strong> 18.<br />

98 ECJ Chacon Navas Case C 13/05 [2006] Judgement of 11 July 2006 n.y.r.


284<br />

tained in Article 1 of Directive 2000/78/EC, since the list contained therein<br />

was exhaustive, and the Community legislator had no powers to pass legislation<br />

combating discrimination on grounds other than those mentioned in<br />

Article 13 EC. This of course raises such matters of concern like whether the<br />

legislator could be considered to be lacking powers to combat intersectional<br />

discrimination in particular, and whether the list of grounds in Article 13 EC<br />

could be found to be exhaustive in such a manner as to exclude such claims.<br />

As already said, there are indications that the Community acknowledges<br />

multiple claims; intersectional discrimination is not a matter of adding<br />

grounds though, but represents an entirely unique experience of discrimination.<br />

The gender mainstreaming task of the EU, which implies incorporating gender<br />

considerations in all other grounds of discrimination, is also another step<br />

towards incorporating a multidimensional approach, 99 though of course it<br />

might be criticised for maintaining a hierarchy in grounds. 100 Gender mainstreaming<br />

as a means of addressing multidimensional claims is supported by<br />

the fact that women are often victims of multidimensional discrimination, as<br />

recitals 14 and 3 of the Race and Framework directives, as well as several<br />

other studies point out. 101 There are concerns that mainstreaming should be<br />

extended to all other equalities. 102<br />

Should endless permutation be permitted then? Fears of unrestricted combinations<br />

led to a restriction of grounds to sex plus in the USA 103 and some<br />

authors have actually argued for a restriction of the permitted interactions. 104<br />

It is of course hard to provide an answer to this question is here; most probably<br />

it would require one to balance the objectives of full equality in practice<br />

as reflected by the social reality of persons living in the EU, the relevance of<br />

the principle of equal treatment in the EU as a fundamental principle of<br />

99 See Schiek, 12 Maastricht Journal (2005), 427-466, 466; Nielsen, EU Law and Multiple<br />

Discrimination (2006), 3.<br />

100 For a hierachy in grounds see Schiek, ELJ Vol. 8, (2002), 290, 308.<br />

101 See generally Makonnen, Multiple, Compound and Intersectional Discrimination (2002).<br />

102 Schiek, 12 Maastricht Journal (2005), 427-466, 466.<br />

103 Judge v. Marsh 649 F Supp 770 (DDC 1986).<br />

104 Shoben, Compound Discrimination (1980), 820 f.


285<br />

Community law 105 and a fundamental human right 106 against the ability and<br />

concerns of the legal mind to cope with legal issues related to multidimensional<br />

claims.<br />

105 Case C-13/94 P.v. S. and Cornwall County Council 1996 ECR 1 <strong>–</strong> 2143, para 18.<br />

106 Case 149/77 Defrenne v Sabena [1978]ECR 1365, para. 26 and 27; Case C-13/94 P.v. S.<br />

and Cornwall County Council 1996 ECR 1 <strong>–</strong> 2143, para 19. See also Koukoulis-<br />

Spiliotopoulos, The Amended Equal Treatment Directive (2002/73): an Expression of<br />

Constitutional Principles/Fundamental Rights 12 Maastricht Journal of European and<br />

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286<br />

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Duclos, Disappearing Women: Racial Minority Women in Human Rights<br />

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(2005), 327 <strong>–</strong> 368.<br />

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presentation delivered at the conference on “The Fight Against Discrimination.<br />

New Directives of 2000 Concerning Equality, 31 March to<br />

1 April, Trier) (http://www.era.int/web/en/resources/5_2341_-<br />

603_file_en.576.pdf#search=%22concepts%20of%20direct%20and%2<br />

0indirect%20discrimination%22).<br />

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on the 4th of October 2005 (http://www.ohrc-on-ca/english/consultations/intersectionality-discussions-paper.shtml)


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Schiek, A New Framework on Equal Treatment of Persons in EC law? ELJ<br />

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Romy Morana, Judy Libra<br />

Internationalisierung regionaler Produktkreisläufe<br />

1 Einleitung<br />

Die globale Textilkette ist mit vielfältigsten sozialen und ökologischen Problemen<br />

verbunden. Eine Möglichkeit die vorhandenen Umweltprobleme zu<br />

verringern, ist die Einführung von Produktkreisläufen. Die bisher entwickelten<br />

und in der Praxis eingeführten Kreisläufe beschränken sich i.d.R.,<br />

historisch bedingt, auf eine Region oder ein Land. Es scheint nun an der Zeit<br />

diese hinsichtlich einer Internationalisierung zu überprüfen.<br />

In diesem Beitrag wird die globale Textilkette mit ihren sozialen und ökologischen<br />

Auswirkungen kurz skizziert, um die Notwendigkeit für die Einführung<br />

von Produktkreisläufen zu begründen. Es folgt deren theoretische Charakterisierung.<br />

Darauf aufbauend werden zwei unterschiedliche Kreisläufe<br />

aus der Praxis hinsichtlich ihrer Funktionsweise und Probleme vorgestellt.<br />

Eine Möglichkeit diese erfolgreicher wirken zu lassen, könnte in der internationalen<br />

Ausweitung ihres bisherigen Aktionsfeldes liegen. Die Chancen<br />

einer solchen Ausweitung werden am Ende dieses Beitrages diskutiert.<br />

2 Ökologische und soziale Auswirkungen der Textilkette<br />

Textilien gehören zu unserem Alltag wie Wasser und Brot. Aber während<br />

diese beiden Lebensmittel i.d.R. regional hergestellte Produkte sind, werden<br />

Textilien weltweit an sehr unterschiedlichen Orten hergestellt. Der Weg den<br />

die Textilproduktion dabei von der Rohstoffentnahme bis zur Entsorgung<br />

beschreitet, wird unter dem Begriff "textile Wertschöpfungskette“ beschrieben.<br />

Unter diesem Sammelbegriff „werden vielfältige Wertschöpfungsketten


290<br />

für Textilien zusammengefasst. Die Vielfalt der Verzweigungen der textilen<br />

Kette veranschaulicht die folgende Abbildung 1..<br />

Rohstoffe<br />

Rohstoffe<br />

Rohstoffe<br />

Basischemie<br />

Basischemie<br />

Rohstoffe<br />

Basischemie<br />

Herstellung v.<br />

Textilchemikalien<br />

Herstellung v.<br />

Reinigungsmitteln<br />

Abb. 1 Die textile Wertschöpfungskette.<br />

Quelle: Vgl. Myers/Stolton 1999.<br />

Mit der internationalen textilen Wertschöpfungskette sind erhebliche ökologische,<br />

1 soziale 2 und ökonomische 3 Probleme verbunden. Die Umweltprobleme<br />

beginnen bei der Gewinnung der Rohstoffe und enden mit der Entsorgung<br />

der Alttextilien. Grundsätzlich lässt sich für die gesamte textile Kette<br />

ein hoher Ressourcenverbrauch, einhergehend mit hohen Stoff- und Energie-<br />

1 Enquete-Kommission.1994.<br />

2 Vgl. Graafland 2002; Preuss 2001 Enquete-Kommission.1994.<br />

3 Vgl. Morana 2006, Back 2003,. Seuring/Goldbach 2005; .<br />

Basischemie<br />

Faserherstellung<br />

Textilherstellung<br />

Textilveredelung<br />

Kleidungsherstellung<br />

Gebrauch<br />

von Kleidung<br />

Sammlung -<br />

Sortierung<br />

Recycling<br />

Abfallbehandlung<br />

Agrarchemikalien<br />

Landwirtschaft


291<br />

umsätzen sowie die Verwendung einer Fülle von problematischen Hilfs-,<br />

Farb- und Ausrüstungsstoffen, feststellen. Darüber hinaus entstehen auf jeder<br />

Wertschöpfungsstufe Produktionsabfälle unterschiedlichster Art, Menge und<br />

Umweltrelevanz. Auch die Textilien selbst stellen am Ende ihrer Nutzungszeit<br />

ein Abfallproblem dar. Da Textilien aus Natur- und/oder Synthesefasern<br />

hergestellt werden, ist bei einer differenzierteren Betrachtung der Umweltbelastungen<br />

zwischen diesen beiden Herstellungspfaden zu unterscheiden. 4<br />

Durch die Globalisierung und die passive Lohnveredelung hat sich die Produktion<br />

in den letzten Jahrzehnten in Billiglohnländern verlagert. Rund 90%<br />

der in Deutschland verkauften Bekleidungsstücke werden in Freihandelszonen<br />

wie China, Südostasien, Mittelamerika oder in Osteuropa unter vergleichbaren<br />

sozialen Bedingungen hergestellt. Diese Länder zeichnen sich<br />

u.a. dadurch aus, dass die Entlohnung für die Textilarbeiter (i.d.R. Frauen)<br />

extrem niedrig ist. Auch existieren vielfach keine sozialen <strong>Recht</strong>e wie Kündigungsschutz,<br />

soziale Absicherung und gewerkschaftliche Selbstorganisation.<br />

Wenn doch soziale <strong>Recht</strong>e vorhanden sind, sind diese vielfach beschnitten<br />

oder werden in ihrer Ausübung massiv behindert. 5<br />

3 Produktkreisläufe<br />

Die Einführung von Produktkreisläufen ist eine Möglichkeit die soeben skizzierten<br />

ökologischen Probleme zu verringern. Unter Produktkreisläufen werden<br />

"anthropogen (künstlich) gestaltete, zielgerichtete Systeme mit mindestens<br />

zwei Akteuren, in denen durch physische Rückkoppelungsprozesse<br />

nicht mehr zweckgerichtet einsetzbare Produkte (produktbezogener Abfall)<br />

wieder als Inputfaktoren (Produkt-, Komponenten-, Stoffebene) dem Produktions-<br />

und Verwendungsprozess zugeführt werden" 6 , verstanden. Hauptanliegen<br />

bei der Einführung von Produktkreisläufen ist es, durch ein Recycling<br />

der Produkte die Ressourcenentnahme zu vermindern und das Abfallaufkommen<br />

quantitativ und qualitativ zu senken. Produkte und Stoffe durchlaufen<br />

in Produktkreisläufe idealtypisch 6 Phasen. Diese Phasen sind die<br />

4 Vgl. Umweltbundesamt 1998, S. 194.<br />

5 Vgl. Ferenschild/Hax-Schoppenhorst 1998, S. 71.<br />

6 Vgl. Kirchgeorg 1999, S. 78, Morana 2006.


292<br />

Produktion, Distribution, Konsumtion, Kollektion, Reduktion und Induktion.<br />

7 In der Reduktionsphase findet ein Recycling der Altprodukte statt.<br />

Unter dem Begriff des Recycling werden die Formen der Wieder- und Weiterverwendung<br />

sowie der Wieder- und Weiterverwertung zusammengefasst. 8<br />

Unter Wiederverwendung wird die erneute Benutzung eines gebrauchten<br />

Produkts für den gleichen Verwendungszweck wie zuvor unter Nutzung<br />

seiner Gestalt ohne beziehungsweise mit beschränkter Veränderung einiger<br />

Teile. (z.B. Second-Hand-Verkauf) verstanden.<br />

Eine Weiterverwendung liegt vor, wenn ein gebrauchtes Produkt für einen<br />

anderen Verwendungszweck benutzt wird. Es kann unverändert oder mit<br />

beschränkten Veränderungen des Produkts genutzt werden. (z.B. Putzlappenherstellung).<br />

Die Wiederverwertung ist der wiederholte Einsatz von Altstoffen und Produktionsabfällen<br />

oder Hilfs- und Betriebsstoffen in einem gleichartigen wie<br />

dem bereits durchlaufenen Produktionsprozess. Durch Wiederverwertung<br />

entstehen aus den Ausgangsstoffen weitgehend gleichwertige Werkstoffe<br />

(z.B. Herstellung von Polyester aus Polyester).<br />

Unter Weiterverwertung wird der Einsatz von Altstoffen und Produktionsabfällen<br />

oder Hilfs- und Betriebsstoffen in einem von ihnen noch nicht<br />

durchlaufenen Produktionsprozess verstanden. Durch Weiterverwertung<br />

entstehen Werkstoffe oder Produkte mit anderen Eigenschaften (Sekundärwerkstoffe)<br />

und/oder anderer Gestalt (z.B. Herstellung von Filz).<br />

4 Textilkreisläufe<br />

Die Idee Produktkreisläufe im Textilbereich einzuführen, ist nicht neu. So<br />

kann die Sammlung von Altkleidern (Lumpen) auf eine jahrhundert lange<br />

Tradition zurückblicken. Hauptzweck war es dabei die gesammelten Lumpen<br />

ein weiteres Mal zu verkaufen und zu nutzen oder aber für andere Zwecke (z.<br />

B. der Putzlappenherstellung) einzusetzen. Diese klassische Alttextilsammlung<br />

weist jedoch einige Probleme auf. Diese begründen sich einmal in der<br />

7 Vgl. Kirchgeorg 1999; Guide, D./Van Wassenhove, L. 2001<br />

8 Vgl. VDI 1993, S. 6.


293<br />

Art und Weise, wie die Alttextilien gesammelt werden. So ist die gesammelte<br />

Ware häufig verunreinigt und nicht mehr tragbar, weil in den Straßenboxen<br />

und Sammelcontainer sich neben den gewünschten Alttextilien oftmals<br />

auch Hausmüll und andere Abfallarten finden. Daneben begründen sich<br />

die Probleme in der Qualität und Nutzung der Neutextilien. Es ist festzustellen,<br />

dass die Qualität der Alttextilien, vor allem von Bekleidung, abnimmt.<br />

Dies hat ebenfalls zwei Ursachen. Zum einem führt die abnehmende Qualität<br />

der Neuware, bedingt durch den harten Preiskampf in der Branche, zu einer<br />

Abnahme der Qualität von Alttextilien. Zum anderen führt eine längere Nutzung<br />

der Textilien (bedingt durch das Stagnieren der Nettoeinkommen privater<br />

Haushalte) ebenfalls zu einer verminderten Qualität der Alttextilien.<br />

Für die Wiederverwertung von Alttextilien kommt als weitere Schwierigkeit<br />

hin zu, dass eine Wiederverwertung nur dann möglich ist, wenn sortenreine<br />

Gewebe und keine Mischgewebe vorliegen. Diese speziellen Textilien müssen<br />

dann bei der Sammlung auch erkannt werden. Ist das nicht der Fall, können<br />

die gesammelten Alttextilen nur noch weiterverwertet werden, wenn<br />

eine Wiederverwendung nicht mehr möglich ist. Für die Wiederverwendung<br />

und die Wiederverwertung der Alttextilien sind die traditionell gesammelten<br />

Alttextilien aus den eben genannten Gründen daher nicht so gut geeignet<br />

oder mit einem hohen Sortieraufwand verbunden.<br />

Vor diesen Hintergrund wurden in Deutschland zwei Produktkreisläufe eingeführt,<br />

deren Ziel es ist, Alttextilien von Endverbrauchern über den Handel<br />

zurückzunehmen und dem Textilkreislauf wieder zuzuführen. Die Sammlung<br />

von Alttextilien durch den Handel hat den Vorteil, eine sortenreine und wenn<br />

gewünscht auch saubere und funktionsfähige Erfassung der Alttextilien zu<br />

gewährleisten. Dies ist möglich, weil der Handel die angebotenen Alttextilien<br />

hinsichtlich der zu Grunde gelegten Annahmekriterien begutachten<br />

kann. Die zurückgenommenen Alttextilien können dann wie bei dem folgenden<br />

Beispiel ECOLOG wieder verwertet oder wie bei dem Beispiel GETEX<br />

wieder verwendet werden.<br />

4.1 ECOLOG<br />

4.1.1 Konzept<br />

ECOLOG ist die Bezeichnung für ein Textilrecycling-Netzwerk, das den<br />

Einsatz sortenreiner Polyestertextilien, die Rücknahme der Alttextilien und<br />

deren Recycling garantiert. Das Netzwerk wurde 1994 von VAUDE, einem


294<br />

international agierenden Anbieter für Outdoor- und Sportbekleidung, initiiert.<br />

Die Koordination und Verwaltung des Netzwerkes führt die ECOLOG<br />

Recycling-Network GmbH durch. In diesem Netzwerk haben sich verschiedene<br />

Akteure der textilen Wertschöpfungskette zusammengeschlossen:<br />

drei Bekleidungshersteller, ein Prüfinstitut, diverse Händler, Konsumenten<br />

und ein Recyclingunternehmen von Polyester-Textilien (siehe Abbildung 2).<br />

In diesem Netzwerk sind sowohl Akteure aus der Outdoor-Branche als auch<br />

aus dem Bereich der Arbeitsschutzbekleidung vertreten. Ziel dieser Kooperation<br />

ist die Durchführung eines sortenreinen Polyesterkreislaufs für Textilien.<br />

Hierzu gehört neben der Produktentwicklung und dem Angebot<br />

100%iger Polyestertextilien auch die unendgeldliche Rücknahme ausgedienter<br />

Produkte durch den Handel und deren Verwertung zu einem Granulat,<br />

welches als Rohstoff für die Polyesterproduktion eingesetzt wird. Polyestertextilien<br />

können ohne Qualitätseinbußen wieder verwertet werden, wenn<br />

sortenreine Produkte vorliegen. Der Kunde erkennt ECOLOG-Textilien<br />

anhand eines Labels. Dieses Label garantiert, das die Textilien gänzlich, d.h.<br />

vom Oberstoff über den Reißverschluss bis hin zur Klimamembrane aus<br />

sortenreinem Polyester bestehen. Darüber hinaus werden die Kunden durch<br />

weiteres schriftliches Informationsmaterial, so genannte Tanks, über die<br />

Produkteigenschaften, also auch über die Recyclingfähigkeit informiert. In<br />

dieser Produktinformation finden sich auch Hinweise zur Rückgabemöglichkeit<br />

der Textilien beim Fachhändler. Die ECOLOG Textilien finden ihren<br />

Weg über den Fach-, den Versandhandel oder durch Direktversand zum<br />

Kunden. Nach der Gebrauchsphase hat der Kunde die Möglichkeit, ausgediente<br />

Bekleidungstextilien auf dem Postweg entweder direkt an die<br />

ECOLOG GmbH zu senden oder unentgeltlich an insgesamt 500 bundesweit<br />

verteilten Annahmestellen im Einzelhandel abzugeben. Die Möglichkeit der<br />

Rückgabe ist zeitlich nicht befristet und die Vorlage eines Kaufbelegs ist<br />

nicht notwendig. Die Annahmestellen sind in der Regel Fachhändler. Diese<br />

Einzelhändler sammeln die Alttextilien und senden sie auf dem Postweg an<br />

die zentrale Koordinations- und Sammelstelle von ECOLOG. Diese dient als<br />

zentrales Zwischenlager und gibt, sofern ausreichende Mengen vorliegen,<br />

die gesammelten Alttextilien an einen Recyclingbetrieb weiter. In den Recyclingbetrieben<br />

werden die alten Polyestertextilien zerrissen, geschreddert,<br />

aufgeschmolzen und zu einem Regranulat verarbeitet. 9<br />

9 Vgl. Morana/Seuring 2003; Morana 2006.


Abb. 2 Stoff-, Informations- und Finanzströme im ECOLOG Netzwerk<br />

Quelle: eigene<br />

Muster-<br />

vorlage r<br />

Zertifikat Zertifikat<br />

Zertifizierer<br />

Zertifikat Zertifikat<br />

Hersteller<br />

Lizenzgebühr<br />

Lizenzgebühr<br />

Label Label<br />

Koordinator<br />

Recycler<br />

Händler Konsumenten<br />

Alttextilien<br />

Finanzflüsse<br />

Warenflüsse<br />

Informationsflüsse<br />

295<br />

Dabei wird die Methode des Schmelzrecyclings angewandt, die im Gegensatz<br />

zum mechanischen Recycling, die Sortenreinheit der Sekundärrohstoffe<br />

voraussetzt. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass sich harte Komponenten<br />

wie Reißverschlüsse ebenso recyceln lassen wie Gewebe. Aus dem so gewonnen<br />

Regranulat lassen sich wieder neue Materialien herstellen, wie beispielsweise<br />

Reißverschlüsse und Druckknöpfe.<br />

Das Recyclingkonzept von ECOLOG sieht in Abhängigkeit von der jährlich<br />

gelieferten Masse an Alttextilien drei Verwertungswege vor. Werden nur geringe<br />

Rücknahmemengen erreicht (bis 10 t/Jahr), so wird das Regranulat aus<br />

Alttextilien von Netzwerkpartnern aus der Kurzwarenindustrie für feste<br />

Komponenten wie Knöpfe, Perlen oder Kordelstopper eingesetzt. Die Alttextilien<br />

werden also weiterverwertet. Liegen größere Mengen an gesammelten


296<br />

Alttextilien (mind. 10 t/Jahr) vor, werden daraus Isolationswatte und Vliese<br />

hergestellt, die beispielsweise als Trägermaterial für die Wetterschutzmembrane<br />

Sympatex dienen. Wenn mehr als 500 t/Jahr an Polyestertextilien zurückgenommen<br />

werden, kann das Regranulat für die Herstellung von Polyestergewebe<br />

eingesetzt werden. Die Alttextilien werden also wiederverwertet.<br />

Ausgaben für Forschung und Entwicklung werden von den beteiligten Herstellern<br />

selbst getragen. So müssen z. B. Reißverschlüsse und Druckköpfe<br />

aus 100% Polyester entwickelt werden, welche die gleichen Eigenschaften<br />

aufweisen, wie Kurzwaren aus Metall oder aus Polyestergemischen. Die<br />

Kosten für den Alttextilversand zu ECOLOG GmbH sowie die Bereitstellungskosten<br />

(Lagerkosten) tragen i.d.R. die Annahmestellen. Zusätzlicher<br />

Lagerraum ist zur Zeit, wegen der geringen Rücknahmemengen, nicht nötig.<br />

Finanziert wird das ECOLOG-Netzwerk durch Lizenzeinnahmen. 10<br />

4.1.2 Chancen und Probleme<br />

Der ECOLOG-Produktkreislauf ist konzeptionell betrachtet, stimmig und<br />

sehr gut geeignet, Alttextilien in den Kreislauf zurückzuführen. Die notwendigen<br />

organisatorischen und logistischen Voraussetzungen für die Rückführung<br />

und das Recycling der Alttextilien sind vorhanden. Der ECOLOG-<br />

Kreislauf ermöglicht eine saubere und sortenreine Erfassung. Weiter ist<br />

festzuhalten, dass er einen geschlossenen Produktkreislauf darstellt, der die<br />

Rohstoffentnahme vermindern könnte, mit wenig Transportaufkommen<br />

verbunden ist und das Abfallaufkommen qualitativ und quantitativ entlastet<br />

könnte.<br />

Leider ist der ECOLOG-Kreislauf in der Praxis nicht erfolgreich. Im Jahr<br />

2002 <strong>–</strong> 10 Jahre nach der Einführung des ECOLOG Kreislaufs <strong>–</strong> belief sich<br />

die zurückgenommene Menge an Alttextilien auf ca. 40 kg/Jahr. Aufgrund<br />

der geringen Rücknahmemengen wurde das vorhandene Material nicht recycelt.<br />

Die zurückgenommenen Alttextilmengen wurden daher allein für Versuchszwecke<br />

eingesetzt.<br />

Die Gründe hierfür sind vielfältig. So führten Qualitätsprobleme und eine<br />

stagnierende Nachfrage nach ökologischer Arbeitsschutz- und Wetterschutzbekleidung<br />

dazu, dass sich Hersteller aus der aktiven Unterstützung des<br />

ECOLOG-Systems zurückzogen. Die Gewinnung weiterer Hersteller erwies<br />

10 Vgl. Morana/Seuring 2003; Morana 2006.


297<br />

sich als problematisch, da viele nicht geneigt waren, den zusätzlichen finanziellen<br />

Aufwand zu übernehmen. Des Weiteren befürchten viele Hersteller,<br />

bei einer Teilnahme Betriebsgeheimnisse zu offenbaren. Der Vorteil einer<br />

ökologischen Imageverbesserung erscheint aufgrund der Unbekanntheit des<br />

ECOLOG-Labels und des Nachfragerückgangs schwer vermittelbar. 11<br />

Ein weiteres Problem ist, dass das ECOLOG-Label vielen Fachverkäufern<br />

unbekannt ist. Sie können daher auch nicht potentielle Käufer über die Recyclingfähigkeit<br />

und Rückgabemöglichkeit informieren. Erschwerend<br />

kommt hinzu, dass diejenigen Fachverkäufer, denen das Label zwar bekannt<br />

ist, es häufig unterlassen, ihre Kunden auf die Recyclingfähigkeit und Rückgabefähigkeit<br />

der Produkte hinzuweisen. Diese Tatsache wird dadurch unterstrichen,<br />

dass das von der ECOLOG Recycling GmbH zur Verfügung gestellte<br />

Werbematerial nicht oder nur spärlich verwendet wird. Es scheint,<br />

dass die Vorteile (Kundenservice, Kundenbindung und Neukundengewinnung)<br />

die eine Produktrücknahme für die Händler bringt, nicht stark genug<br />

sind, um sie zu motivieren, ihre Kunden entsprechend zu informieren.<br />

Ein weiteres Dilemma ist, dass einige Händler, die von den Kunden zurückgebrachten<br />

Alttextilien an soziale Einrichtungen weitergegeben, anstatt sie<br />

an die ECOLG GmbH zurückzusenden.<br />

Obwohl für die Mehrheit der Kunden die Recyclingfähigkeit einen Zusatznutzen<br />

darstellt, haben viele nicht die Absicht, ihre ECOLOG-Alttextilien zu<br />

den Annahmestellen zurückzubringen. Ein großer Anteil der Privatkunden<br />

gibt die entgegengenommenen Bekleidungsstücke an karitative Einrichtungen<br />

weiter oder bei mangelnder Qualität in den Hausmüll. Eine Begründung<br />

hierfür könnte die Tatsache sein, dass die Rückgabe erhebliche Transaktionskosten<br />

(z.B. Informations-, Planungs- und Zeitkosten) für die Endbesitzer<br />

verursachen. Monetäre Anreize, die diese Kosten ausgleichen, gibt es nicht<br />

und nicht-monetäre Anreize, wie soziale Anerkennung oder ein gutes ökologisch<br />

Gewissen, wiegen diese Kosten nicht immer auf. 12<br />

Ein weiteres Problem trat bei der Analyse der Kunden von Arbeitsschutzkleidung<br />

zu Tage: Kein Akteur fühlte sich für die Rückgabe der ausgedienten<br />

Arbeitsschutzbekleidung verantwortlich. Die Informationen über die<br />

Rückgabemöglichkeit und Recyclingfähigkeit gingen innerhalb der Wirt-<br />

11 Vgl. Niehues 2000, S. 30-34.<br />

12 Vgl. Morana 2006.


298<br />

schaftsunternehmen verloren. Auch diese Kunden gaben ihre Alttextilien<br />

lieber an karitative Einrichtungen weiter. Die Weitergabe der Bekleidung<br />

geht in der Regel nicht mit einem Weitergeben der Informationen über die<br />

Rückgabemöglichkeit einher.<br />

Als letzte Schwierigkeit sei noch auf die Lebensdauer der ECOLOG Produkte<br />

eingegangen. ECOLOG-Produkte haben eine lange Lebensdauer, bei Outdoor-Jacken<br />

im Durchschnitt 10 Jahre, bei Arbeits- und Wetterschutzbekleidung<br />

5 Jahre. Das birgt einerseits die Gefahr, dass die Kunden die Rückgabefähigkeit<br />

vergessen, anderseits bedeutet diese Tatsache, dass die eine Planung<br />

bezüglich des Zeitpunktes, des Anfallortes und Alttextilmenge für die<br />

ECOLOG Recycling GmbH erschwert wird.<br />

4.2 GETEX<br />

4.2.1 Konzept<br />

GETEX ist ein regionales System zur Sammlung von Alttextilien, dessen<br />

Ziel der kostengünstige Bezug von sauberen und vorsortierten Alttextilien<br />

für den Wiederverkauf ist. Die Alttextilien werden in sogenannten Ankaufstellen<br />

von Alttextilverkäufern aufgekauft. Im Jahre 2002 gab es im Bundesgebiet<br />

800 Ankaufstellen. Die Endverbraucher (First-Hand Konsumenten)<br />

erhalten als Gegenleistung Wertgutscheine, deren Höhe sich nach der Art der<br />

gekauften Kleidung und ihrem Zustand bemisst. Der Wert dieser Wertgutscheine<br />

liegt bundeseinheitlich zwischen 3 € und 60 € pro Kleidungsstück.<br />

Voraussetzung für die Annahme der Alttextilien ist, das sich diese in einem<br />

einwandfreien Zustand befinden, dass heißt, dass sie unversehrt und sauber<br />

sind. Die Wertgutscheine können bei bestimmten Einzelhändlern, sogenannten<br />

Akzeptanzstellen eingelöst werden. Sie berechtigen zu einem 10%igen<br />

Discount. Vorraussetzung ist, dass eine Leistung bezogen wird, deren Wert<br />

mindestens das 10-fache des Wertgutscheins beträgt. 13<br />

13 Vgl. o.V. 1999; Morana 2006.


Akzeptanzstellen<br />

Neuware<br />

Gutscheine Gutscheine<br />

First-Hand<br />

Konsument<br />

Gutscheine<br />

Altkleider Altkleider Altkleider<br />

Finanzströme<br />

Warenströme<br />

Informationsströme<br />

Ankaufstelle<br />

Franchisenehmer<br />

Second-Hand<br />

Konsument<br />

Abb. 3 Stoff-, Waren- und Informationsflüsse im System GETEX<br />

Quelle: eigene<br />

299<br />

Im Jahr 2002 gab es bundesweit 2000 Akzeptanzstellen, in Form von Einzelhandels-<br />

und Dienstleistungsgeschäften unterschiedlichster Art und Branchen.<br />

Das GETEX-System basiert auf einem Franchise-System. Die in den Ankaufstellen<br />

gesammelten Alttextilien werden an Franchise-Unternehmen<br />

weitergegeben, welche ihrerseits die erhaltenen Alttextilien an die GETEX-<br />

System GmbH zu fest fixierten Preisen weiterverkaufen. Im Jahr 2002 hat<br />

die GETEX-System GmbH ca. 24 000 t Altkleider aufgekauft.<br />

Das Bundesgebiet umfasst 17 verschiedene Sammelgebiete, welche durch<br />

jeweils einen Franchisenehmer betreut werden. Franchisenehmer sind in der<br />

Regel Transportunternehmen, da diese über einen eigenen Fuhrpark, die<br />

Lagerkapazitäten und das logistische Know-how für das Abholen und den<br />

Transport der Altkleider an die GETEX-System GmbH verfügen. Diese<br />

Altkleider<br />

Entsorgung<br />

Franchisegebühr<br />

Altkleider<br />

GETEX<br />

GmbH<br />

Altkleiderhändler


300<br />

Franchisenehmer sammeln die in ihrem Gebiet aufgekaufte Ware, lagern<br />

diese und transportieren sie anschließend an die Zentrale in Norddeutschland.<br />

Dort werden die Alttextilien weiter sortiert und an ausländische Altkleiderhändler<br />

verkauft.<br />

4.2.2 Chancen und Probleme<br />

Das Gesamtergebnis für den Franchisenehmer ist trotz vieler kleiner Mängel<br />

insgesamt zufriedenstellend. Die organisatorische Umsetzung der handelsbasierten<br />

Alttextilsammlung ist gut. Auch die GETEX-System GmbH ringt mit<br />

der Tendenz der abnehmenden Bekleidungsqualität, welche zu einer verringerten<br />

Lebensdauer der Bekleidungstextilien und damit zu einer Abnahme<br />

der wieder verwendbaren Alttextilmenge führt. Auch hat die öffentliche<br />

Diskussion über den Sinn des Altkleiderexportes eher negative Auswirkungen<br />

auf die Motivation der Konsumenten ihre Alttextilien in die Altkleidersammlung<br />

zugeben. Darüber hinaus hat diese Diskussion in einigen Ländern<br />

zum Verbot des Altkleiderimportes geführt. Diese Tatsache beschränkt die<br />

Absatzmöglichkeiten.<br />

Das GETEX Beispiel zeigt, dass es in der Praxis Anreize gibt, die den Einzelhandel<br />

motivieren, 1. Alttextilien zurückzunehmen und 2. ihre Kunden<br />

über diese Rückgabemöglichkeit zu informieren und 3. das bereitgestellte<br />

Werbematerial zu verwenden. Allerdings, das zeigt das Beispiel auch, fallen<br />

eine Reihe von z. T. zu niedrig kalkulierten und unvorhersehbaren Transaktionskosten<br />

bei der Alttextilsammlung an. So müssen die Ankauf- und Akzeptanzstellen<br />

erheblich mehr Beratungstätigkeit leisten, als ursprünglich<br />

von ihnen angenommen. Dieser Umstand führte zu einigem Unbehagen auf<br />

Seiten der Ankauf und Akzeptanzstellen.<br />

Der Nutzen wurde von den befragten Einzelhändlern (Werbung, Neukundenakquisition,<br />

Kundenbindung) sehr unterschiedlich wahrgenommen. Das<br />

Nutzen-/Kosten-Verhältnis für die Ankaufstellen ist von vielen Faktoren<br />

abhängig, z.B. von der Betreuung durch den Franchisenehmer (z.B. seine<br />

Werbeintensität), vom Kundenverhalten, von der Dichte des GETEX-Netzes<br />

(insbesondere der des Akzeptanznetzes) und von der Höhe der Kostenerstattung.<br />

Das Gutscheinsystem weist ebenso noch einige Probleme auf, z.B. sind die<br />

Einlösemodalitäten den Kunden häufig unbekannt, obwohl die Einlösemodalitäten<br />

auf der Rückseite der Gutscheine aufgeführt werden. Das Sammelergebnis<br />

fällt regional sehr unterschiedlich aus. Ob diese an einem regional


301<br />

unterschiedlichen Endverbraucherverhalten oder an der Netzwerkorganisation<br />

liegt, ist unbekannt.<br />

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Funktionieren dieses Rücknahmesystems<br />

ist dessen Bekanntheitsgrad. Dieser hängt auch von der Intensität<br />

der durchgeführten Werbung ab. Die Verantwortung für die Werbung<br />

wird geteilt und liegt bei verschiedenen Netzwerkpartnern auf überregionaler,<br />

regionaler und lokaler Ebene. Die Verantwortung für die Durchführung<br />

der Werbung wird sehr unterschiedlich wahrgenommen. Dies wird dadurch<br />

begünstigt, dass die Möglichkeiten einer gegenseitigen Verhaltenskontrolle<br />

eingeschränkt sind.<br />

Durch die Einlösung der Wertgutscheine profitieren vor allem diejenigen<br />

Akzeptanzstellen, die ein großes Warenangebot aufweisen und somit den<br />

Kunden viele Möglichkeiten bieten ihre GETEX-Gutscheine einzulösen. Das<br />

sind in der Regel Warenhäuser. Die Möglichkeit Wertgutscheine in Warenhäusern<br />

einzulösen, senkt die Transaktionskosten (z.B. die Planungskosten)<br />

der Konsumenten.<br />

Das GETEX-System weist eine hohe Transparenz bezüglich der weiteren<br />

Verwendung der gesammelten Alttextilien auf. Dem Alttextilbesitzer ist<br />

bekannt, dass die Alttextilien mit dem Ziel des Wiederverkaufs aufgekauft<br />

werden.<br />

Ein weiterer Vorteil des untersuchten Beispiels ist die Möglichkeit, dass Alttextilien<br />

unabhängig vom Label oder dem Händler (bei dem sie erworben<br />

wurden), vom Endverbraucher verkauft werden können. Dies senkt die Informations-<br />

und Planungskosten für den Endverbraucher. In der Textilbranche<br />

ist die Fluktuation von kleinen Textilherstellern und Händlern hoch, so<br />

dass die Gefahr besteht, dass das Geschäft, in dem ein Produkt erworben<br />

wurde, nach Ablauf der Nutzungsdauer nicht mehr existiert. 14<br />

14 Vgl. Morana 2006.


302<br />

5 Möglichkeit der Internationalisierung der<br />

Produktkreisläufe<br />

Es liegt zunächst auf der Hand, das beide Produktkreisläufe sich auf den<br />

deutschsprachigen Raum beschränken. Beide Produktkreisläufe wurden von<br />

deutschen Unternehmen gegründet und konnten auf einen reichen Erfahrungsschatz<br />

der vorhandenen Absatzgebiete zurückblicken. Es stellt sich nun<br />

die Frage, ob nicht nach mehr als 10 jährigen Bestehen diese regional begrenzten<br />

Produktkreisläufe auf andere Länder ausgeweitet werden sollten. In<br />

beiden vorgestellten Produktkreisläufen ist eine Ausweitung des Sammelgebietes<br />

auf den Europäischen Raum denkbar. Während die GETEX-System<br />

GmbH die Ausdehnung ihres Sammelgebietes von Grund auf neu aufbauen<br />

müsste, könnte VAUDE auf Kontakte und Erfahrungen in seinem bestehenden<br />

internationalen Vertriebsgebiet (dazu gehören z.B. Italien, Niederlande,<br />

Russland und China) aufbauen.<br />

Die Ausweitung des Sammelgebietes hätte den Vorteil, dass sich die Sammelmengen<br />

erhöhen würden. Dies wäre vor allem für den ECOLOG-Produktkreislauf<br />

wünschenswert, da dieser dann aus der Versuchsphase in die<br />

Weiterverwertungsphase aufsteigen könnte. Begleitet werden sollte eine<br />

Ausweitung von einer geeigneten Kommunikationskampagne. Dennoch ist<br />

zu bedenken, das mit dieser Ausweitung möglicherweise auch einige Nachteile<br />

verbunden sind. An dieser Stelle können nur kurz einige Gedanken vorgetragen<br />

werden. Bei einer Ausweitung wäre es notwendig, in jedem Land<br />

ein zentrales Sammellager einzurichten, das seinerseits die gesammelten Alttextilien<br />

nach Deutschland versenden müsste. Damit würden aber auch die<br />

Transportkosten und die mit dem Transport verbundenen Umweltbelastungen<br />

steigen. In jedem Land müsste für beide Produktkreisläufe nicht nur eine<br />

zentrale Ansprechperson eingesetzt werden, sondern auch das bisher vorhandene<br />

Werbematerial den jeweiligen landestypischen Gewohnheiten angepasst<br />

werden. Zu überprüfen wäre auch, ob das (eher negative) Informationsund<br />

Rückgabeverhalten von Händlern und Kunden im deutschsprachigen<br />

Raum auf andere Länder zu übertragen ist. Zu diesen generellen Bedenken<br />

gesellen sich die im vorangegangen Kapitel aufgeführten Schwierigkeiten.<br />

Für ECOLOG scheint es daher ratsam mit einer Ausweitung seines Produktkreislaufes<br />

noch zu warten, bis ein Großteil der vorhandenen nationalen<br />

Probleme gelöst worden ist.


303<br />

Hingegen sprechen keine weiteren Argumente, als die in diesem Abschnitt<br />

oben aufgeführten allgemeinen Schwierigkeiten, gegen eine Ausweitung des<br />

GETEX-Systems auf andere Länder. Nach dem das System in Deutschland<br />

aufgebaut ist, stabil funktioniert und genügend Erfahrungen im deutschsprachigen<br />

Raum gesammelt werden konnten, steht einer Ausweitung nichts<br />

mehr im Wege.<br />

Literatur<br />

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oder: Stoffstrommanagement in der Praxis, in: Symbole und Substanzen,<br />

S. 37-68, Marburg, 2003.<br />

Enquete-Kommission: „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deutschen<br />

Bundestages (Hrsg., 1994): Die Industriegesellschaft gestalten <strong>–</strong><br />

Perspektiven für einen nachhaltigen Umgang mit Stoff<strong>–</strong> und Materialströmen,<br />

Bonn.<br />

Ferenschild, S./Hax-Schoppenhorst, T. (1998): Misereor e.V. Weltkursbuch<br />

<strong>–</strong> Globale Auswirkungen eines "Zukunftsfähigen Deutschlands", Basel,<br />

Boston, Berlin.<br />

Graafland, J. (2002): Sourcing ethics in the textil sector: the case of C&A,<br />

in: Business Ethics: A European Review, Vol 11, No. 2, S. 282-294.<br />

Guide, D./Van Wassenhove, L. (2001): Business Aspects of Closed-Loop<br />

Supply Chains, in: Business Aspects of Closed-Loop Supply Chains,<br />

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Kirchgeorg, M. (1999): Marktstrategisches Kreislaufmanagement, Wiesbaden.<br />

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Product, London: Intermediate Technology Publications.<br />

Morana, R./Seuring, S. (2003): Organizing a Closed-Loop Supply Chain -<br />

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M./Schneidewind, U. (Hrsg.): Strategy and Organization in Supply<br />

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Morana, R. (2006): Management von Closed-loop Supply Chains, Analyserahmen<br />

und Fallstudien aus dem Textilbereich, Wiesbaden 2006.


304<br />

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Nr. 9 (2000), S. 30-34.<br />

o.V. (1999): GETEX- Zahlungsmittel ?, in: Sekundär-Rohstoffe, Nr. 1999,<br />

S. 103 ff.<br />

Preuss, L. (2001): In Dirty Chains? Purchasing and Greener Manufacturing,<br />

in: Journal of Business Ethics, Vol. 34, Nr. 3-4, S. 345-359.<br />

Seuring, S. Goldbach M. (2006) Managing Sustainability Perfomance in the<br />

textil Chain in: Schaltegger Wagner. Managing the Business Case for<br />

Sustainability The Integration of Social, Environmental and Economic<br />

2006 Sheffield.<br />

Umweltbundesamt (1997): Technischer Fortschritt und Bewusstseinswandel<br />

sind die Schlüssel für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung, Zukunftsstudie<br />

des Umweltbundesamtes „Nachhaltiges Deutschland“<br />

zeigt Wege zu einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung, Pressemitteilung<br />

Nr. 18/97, unter: url:http//www.umweltbundesamt.de/ubainfo-daten/p-1897-d.htm,.<br />

VDI (1993): Richtlinie 2243: Konstruieren recyclinggerechter technischer<br />

Produkte <strong>–</strong> Grundlagen und Gestaltungsregeln, Düsseldorf.


Anne Rubens-Laarmann<br />

Tageszeitungen im Umbruch <strong>–</strong> Implikationen für das<br />

regionale Anzeigenmarketing<br />

1 Einführung<br />

Die Tageszeitung ist traditionell ein Medium mit hoher Bedeutung sowohl<br />

auf dem Rezipienten- als auch auf dem Werbemarkt. Dabei ist insbesondere<br />

für Deutschland eine Dominanz der lokalen und regionalen Zeitungen zu<br />

konstatieren: Hier haben ca. 90% aller Zeitungen einen regionalen Bezug <strong>–</strong><br />

weltweit liegt die Quote hingegen nur bei 75%. 1 Aktuell existieren in<br />

Deutschland 341 regionale Tageszeitungsausgaben mit einer Gesamtauflage<br />

von über 15 Millionen Exemplaren. Die durchschnittliche Auflagengröße<br />

beträgt dabei zwischen 5.000 und 20.000 Exemplaren. 2 Dementsprechend<br />

liegt die Reichweite der regionalen Tageszeitungen mit 63,6% weit über der<br />

der überregionalen Abozeitungen (5,7%) und Kaufzeitungen (22,4%). 3<br />

Vor allem für Werbetreibende mit einem lokalen und regionalen Einzugsgebiet<br />

ist die Zeitung ein Basismedium. Überregionale Anbieter, insbesondere<br />

aus dem Bereich der Markenartikel, nutzen die Zeitung hingegen zumeist nur<br />

als Ergänzungsmedium. Der Großteil der Budgets wird hier für Werbung in<br />

den elektronischen Medien sowie in Zeitschriften aufgewendet. 4 Die Zeitung<br />

1 Vgl. Heinrich 2001, S. 271.<br />

2 Vgl. BDZV 2005, S. 388 ff. Als “Ausgabe” sind die Angebote zu verstehen, die auf ein<br />

bestimmtes Verbreitungsgebiet abgestimmt sind. Häufig bringt ein Verlag mehrere Ausgaben<br />

heraus, die über den gleichen überregionalen Teil verfügen. So sind die aktuell 341<br />

Ausgaben in gut 130 „publizistische Einheiten“ zusammenzufassen.<br />

3 Vgl. Goldbeck 2005, S. 157 ff.<br />

4 Vgl. Heinrich 2001, S. 270.


306<br />

ist ist in diesem Bereich kaum wettbewerbsfähig, da eine landesweite Schaltung<br />

von Anzeigen trotz einer Vielzahl von Anzeigenkooperationen noch<br />

immer kompliziert und vergleichsweise teuer ist. 5 Lediglich überregionale<br />

Handelsketten setzen verstärkt auf die Zeitung, um aktuelle Abverkaufswerbung<br />

möglichst zeitnah zum täglichen Einkauf an die Leserinnen und Leser<br />

zu bringen.<br />

Im regionalen Anzeigenmarkt ist vor allem zu unterscheiden zwischen den<br />

Geschäftsanzeigen und dem Rubrikenmarkt. Hier ist aus Sicht der Verlage<br />

seit mehreren Jahren eine Negativentwicklung zu beobachten: Während die<br />

Geschäftsanzeigen zunehmend in Anzeigenblätter oder die Direktwerbung<br />

abwandern, finden sich Rubrikenanzeigen (Stellen, Immobilien, Auto, Partnerschaft)<br />

häufig im Internet, das die Funktion des Zusammenbringens von<br />

Angebot und Nachfrage offenbar besser erfüllt als die Zeitung. 6<br />

Während die Reichweiten auf dem Rezipientenmarkt seit Jahren kontinuierlich,<br />

aber nur langsam sinken, sind die Verluste im Anzeigengeschäft<br />

schwerwiegend: Die traditionelle Regel, wonach zwei Drittel der Einnahmen<br />

der Verlage aus der Werbung und nur ein Drittel aus Vertriebserlösen generiert<br />

werden, trifft heute nicht mehr zu. Im Durchschnitt stammen heute<br />

bereits 47% der Erlöse aus dem Vertrieb, in Ostdeutschland ist es sogar mehr<br />

als die Hälfte der Einnahmen. 7<br />

5 Vgl. Spitzer-Ewersmann 2005, S. 84; Lamberty 2005, S. 130; Rosendahl 2005, S. 134 f.<br />

6 Neben den geringeren Kosten der Informationsbeschaffung für die Rezipienten bestehen<br />

auch für die Inserenten Rationalisierungspotenziale. Deutlich wird dies z.B. anhand des<br />

Online-Stellenmarktes, vgl. Breyer-Mayländer 2004, S. 38 ff.<br />

7 Vgl. Spitzer-Ewersmann 2005, S. 82.


Abb. 1 „Krisenmanagement im Zeitungsverlag“<br />

Quelle: Breyer-Mayländer 2003, S. 117.<br />

307<br />

Die Zeitungsverlage haben inzwischen reagiert und sich im Laufe der letzten<br />

Jahre von reinen Verlagsunternehmen zu Medienunternehmen gewandelt. 8<br />

Eine Vielzahl von Veränderungen an der Leistung Zeitung sowie neuen<br />

Angeboten und Geschäftsfeldern wurde ins Leben gerufen, um die beschriebenen<br />

Verluste zu kompensieren. Auf diese Weise ergeben sich für die Werbekunden<br />

neue Möglichkeiten, ihre Kunden zielgruppen- und situationsgerecht<br />

zu erreichen. Die Dienstleistung „Werbung“ ist dadurch aber auch um<br />

ein Vielfaches komplexer geworden.<br />

8 Vgl. Schulz 2005, S. 117.


308<br />

Dieser Beitrag hat sich zum Ziel gesetzt, aktuelle Entwicklungslinien im<br />

Anzeigengeschäft regionaler Tageszeitungen nachzuzeichnen und im Hinblick<br />

auf die Konsequenzen für das Marketing im regionalen und lokalen<br />

Raum zu untersuchen. Die betroffenen Anzeigenkunden sind darauf angewiesen,<br />

innerhalb ihres Einzugsgebietes mit ihrer Kommunikation eine möglichst<br />

hohe Haushaltsabdeckung zu erzielen. Es ist davon auszugehen, dass<br />

diese Marktpartner der Zeitung neuen Angeboten zunächst kritisch gegenüberstehen.<br />

Ohne diese Angebote kann die Zeitung jedoch im intermedialen<br />

Wettbewerb langfristig nicht bestehen.<br />

Ziel des Beitrags soll es sein, ein auf die Bedürfnisse regionaler Kunden<br />

abgestimmtes Anzeigenmarketing zu entwerfen. Speziell bei kleineren regionalen<br />

Inserenten ist neben dem Ergebnis (Anzeige in der Zeitung) der Prozess<br />

der Betreuung durch die Anzeigenberater ein kritischer Erfolgsfaktor.<br />

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der oben geschilderten Angebotserweiterungen.<br />

Der Verkauf von Anzeigenraum ist daher als Dienstleistung<br />

zu verstehen. Dementsprechend wird das Dienstleistungsmarketing als<br />

Rahmenkonzept genutzt, um ein kundenorientiertes Anzeigenmarketing für<br />

die Region zu skizzieren.<br />

2 Zur Situation der Tageszeitung<br />

Der Tageszeitungsmarkt unterliegt spätestens seit dem „Ausgangsjahr der<br />

Werbekrise” 9 2001 einer Vielzahl von Veränderungen. Diese sind zum einen<br />

am Produkt selbst zu beobachten:<br />

• Um der wachsenden Mobilität der Leser gerecht zu werden, stellen<br />

viele Verlage auf die sogenannten „Tabloid“-Formate um. 10 Die<br />

Zeitungen werden hierdurch handlicher und sind unterwegs besser<br />

zu lesen. Vorbehalte, wonach ein kleineres Format mit einer geringeren<br />

Qualitätswahrnehmung durch die Rezipienten einher geht,<br />

haben sich bisher nicht bestätigt. Dies zeigt besonders die Ent-<br />

9 Vgl. ZAW 2005, S. 13. Seit 2004 steigen die Netto-Werbeeinnahmen wieder leicht, vgl. S.<br />

199.<br />

10 In Deutschland ist das wohl bekannteste Beispiel hierfür die WELT Kompakt, die in<br />

Ballungsräumen zusätzlich zur etablierten großformatigen Ausgabe zu einem niedrigeren<br />

Preis herausgegeben wird.


309<br />

wicklung in Großbritannien, wo die Times seit 2004 im kleineren<br />

Format erscheint und hierdurch Leser hinzugewonnen hat. 11 Eine<br />

Aufnahme in die Mediapläne der Werbetreibenden gestaltet sich<br />

hingegen noch schwierig. 12<br />

• Entwicklungen sind auch im Bereich der Inhalte und der formalen<br />

Präsentationsform zu beobachten. So werden besonders die „Problemzielgruppen“<br />

Jugendliche und Frauen heute verstärkt angesprochen,<br />

außerdem ist der Anteil an Serviceinhalten („news to use“)<br />

und Unterhaltung („news to amuse“) gestiegen. Das Layout ist heute<br />

stärker durch farbige Infografiken und Bilder geprägt. 13<br />

• Das Trägermedium Papier wird durch neue Distributionsformen ergänzt.<br />

Viele Verlage bieten inzwischen neben ihrer Website auch<br />

Online-Abonnements (E-Paper) an, wobei sich allerdings noch kein<br />

Geschäftsmodell wirklich durchsetzen konnte. 14<br />

• Die Rezipienten werden <strong>–</strong> zumeist auf elektronischem Weg <strong>–</strong> verstärkt<br />

in die Produktion der Zeitung eingebunden. Der Trend zu<br />

Online-Tagebüchern (Weblogs) und gemeinschaftlich betriebenen<br />

Websites (Wikis) wird von den Verlagen aufgegriffen und im<br />

Rahmen eines „Citizen Journalism“ zu Community-Zeitungen ausgebaut.<br />

15<br />

Neben diesen Innovationen im Kerngeschäft werden verstärkt neue Geschäftsfelder<br />

erschlossen:<br />

• Schon seit Jahrzehnten produzieren die Verlage neben ihrem<br />

Stammmedium Zeitung auch Anzeigenblätter oder engagieren sich<br />

im Rundfunkbereich. 16 Hier sollen insbesondere Markteintrittsbar-<br />

11 Vgl. Korosides 2006, o.S.; Gärtner 2005, S. 23 f.<br />

12 Vgl. Pöhlmann 2005, S. 87.<br />

13 Vgl. Siegert 2003, S. 158; Möllmann 1998, S. 149, 164.<br />

14 Vgl. Bauer 2005; Riefler 2001, S. 194 ff.; ZAW 2005, S. 223 f.<br />

15 Vgl. Borstelmann 2005, S. 214 ff.; die Inhalte finden sich z.T. auch in der gedruckten<br />

Zeitung wieder: So legt die Rheinische Post alle 14 Tage ihrer Ausgabe das Magazin „Opinio“<br />

bei, in dem die besten Beiträge der Online-Community abgedruckt werden.<br />

16 Vgl. Sjurts 2002, S. 10; Kiefer 2001, S. 93 f.


310<br />

rieren für potenzielle Wettbewerber im regionalen Raum aufgebaut<br />

werden.<br />

• Aktuell sind insbesondere die überregionalen Qualitätszeitungen bemüht,<br />

ihre starken Marken zu dehnen, indem weitere Produkte und<br />

Leistungen herausgebracht werden, die die Interessen der Leser widerspiegeln.<br />

Hierdurch soll insbesondere die Leser-Blatt-Bindung<br />

gestärkt werden. So bietet die ZEIT eine Erlebniswelt aus Reisen,<br />

Foren, Kochwettbewerben, Kinopreviews etc. an. Die Süddeutsche<br />

Zeitung kompensiert einen Großteil der weggefallenen Anzeigeneinnahmen<br />

durch ihre „SZ Bibliothek“ und „SZ Cinemathek“, in<br />

denen Bücher und DVDs abgesetzt werden. 17<br />

• Das Ausnutzen von Synergieeffekten steht beim Aufbau von Postzustellungsdiensten<br />

durch die Verlage im Vordergrund. Das Zustellernetz<br />

der Zeitungen soll dabei auch für Postsendungen eingesetzt<br />

werden, wenn das Briefmonopol der Deutschen Post AG 2008 fällt.<br />

Hier sehen die Verlage die Chance, ihre ureigenen Kompetenzen<br />

und Erfahrungen gewinnbringend zu nutzen. 18 Eine andere Möglichkeit<br />

der Nutzung von Synergien besteht darin, die in den meisten<br />

Verlagen vorhandene telefonische Anzeigennannahme zum<br />

Call-Center umzurüsten.<br />

Es wird somit deutlich, dass die Verlage auf dem Lesermarkt auf die Stärkung<br />

der Leser-Blatt-Bindung und auf die Gewinnung neuer Zielgruppen<br />

setzen. Darüber hinaus werden Markteintrittsbarrieren geschaffen und neue<br />

Geschäftsfelder erschlossen. Parallel zeigt sich allerdings, dass die Einbrüche<br />

im Anzeigengeschäft, welche zunächst der schlechten <strong>Wirtschaft</strong>slage<br />

zugeschrieben wurden, sich offenbar mit anziehender Konjunktur nicht wieder<br />

erholen. Die Bemühungen, durch Vereinheitlichung der Preise und Formate<br />

sowie die Transparenz der Belegungseinheiten die Zeitung für überregionale<br />

Kunden attraktiver zu machen, erscheint zunächst sinnvoll, um die<br />

Zeitung auch im intermedialen Wettbewerb um die Werbebudgets konkurrenzfähig<br />

zu halten. 19 Die Werbetreibenden, speziell im Bereich der Marken-<br />

17 Vgl. Lutz 2005, S. 120 ff.; Esser/Schreier 2005, S. 128 ff.; ZAW 2005, S. 221 f.<br />

18 Vgl. Laskowski 2005, S. 146 ff.<br />

19 So werden einfachere Preislisten, einheitliche Formate und die Abschaffung der Abhängigkeiten<br />

von der Farbe oder Belegungseinheit gefordert, vgl. Rosendahl 2005, S. 134. Als


311<br />

und Imageanzeigen, profitieren dabei hauptsächlich vom entstehenden<br />

„Glaubwürdigkeitsverbund“ von Werbung und redaktionellem Teil des Mediums.<br />

20<br />

Auch wenn von einigen Autoren im überregionalen Bereich Potenziale für<br />

die Zukunft der regionalen Tageszeitung gesehen werden, so hängen die<br />

Verlage doch am „Tropf der Image-Kampagnen großer, zum Teil national<br />

aufgestellter Markenartikler und Handelshäuser“ 21 . Das eigentliche Kerngeschäft<br />

sind jedoch die regionalen Anzeigen. Hier hat die Zeitung zwar durch<br />

die Anzeigenblätter und die Direktwerbung ebenfalls Konkurrenz bekommen,<br />

eine Vernachlässigung der regionalen Kunden würde für die Verlage<br />

jedoch mittel- und langfristig bedeuten, dass ihnen die Kernzielgruppe ihres<br />

Anzeigengeschäfts verloren geht <strong>–</strong> und ob eine Substitution dieser Einnahmen<br />

über den überregionalen Markt stattfindet, kann aus heutiger Sicht keinesfalls<br />

als gesichert gelten.<br />

3 Das regionale Anzeigengeschäft<br />

3.1 Die Zielgruppe<br />

Die Geschäftskunden aus dem Verbreitungsgebiet einer Zeitung werden<br />

traditionell preispolitisch bevorzugt: Während nicht ortsansässige Anzeigenkunden<br />

sowie Kunden, die über eine Mediaagentur ihren Werbeplatz buchen,<br />

den so genannten „Grundpreis“ bezahlen, liegt der „Ortspreis“ für die regionalen<br />

Kunden und Direktbucher ca. 15% darunter. 22 Diese Preisdifferenzierung<br />

reicht jedoch im intermedialen Wettbewerb nicht aus: Die (absoluten)<br />

Kosten der Anzeigenschaltung sind in der Tageszeitung wesentlich höher als<br />

in den Anzeigenblättern, die häufig mit ihrer verteilten Auflage eine höhere<br />

Haushaltsabdeckung erzielen. Gleiches gilt für die Direktwerbung. Es stellt<br />

problematisch können sich dabei die neu entstehenden Tabloid-Formate erweisen, da die<br />

Werbekunden bei kleinerem Format und höherer Seitenhzahl um die Wirkung ihrer Anzeige<br />

fürchten, vgl. Bughin/Poppe 2005, o.S.<br />

20 Vgl. Heinrich 2002, S. 582; BDZV 2005, S. 400.<br />

21 Spitzer-Ewersmann 2005, S. 82.<br />

22 Kritik dazu von Lamberty 2005, S. 130.


312<br />

sich daher besonders für die Kunden, die lediglich Angebots- und Preisinformationen<br />

kommunizieren möchten und weniger vom redaktionellen Umfeld<br />

der Zeitung profitieren, die Frage, ob nicht ein Abwandern in andere<br />

Medien oder in die Direktwerbung für sie günstiger wäre.<br />

Bei den Anzeigenkunden, die regional und direkt bei der Zeitung ihre Anzeigen<br />

in Auftrag geben, handelt es sich hauptsächlich um mittelständische<br />

Unternehmen: Es sind Einzelhändler, die keiner großen Kette angehören,<br />

Handwerksbetriebe oder Industriebetriebe aus dem KMU-Bereich.<br />

Diese Unternehmen haben mit den KMU-typischen Problemen hinsichtlich<br />

ihres Marketing zu kämpfen: 23<br />

• Sie verfügen über geringe Ressourcen und somit eine geringe Finanzkraft<br />

für Marketingaktivitäten<br />

• Aufgrund mangelnder Marketingprofessionalität wird auch die<br />

Marktkommunikation häufig eher aus einem „Bauchgefühl“ heraus<br />

betrieben und kaum strategisch fundiert.<br />

Daraus resultiert, dass das wahrgenommene Risiko der Betroffenen im Hinblick<br />

auf nicht vertraute Marketinginstrumente und <strong>–</strong>maßnahmen eher gering<br />

ist und die Neigung, ihre Kommunikationspolitik zu ändern, nicht sehr ausgeprägt<br />

sein dürfte. Die in Abschnitt 2 vorgestellten Maßnahmen zur Modernisierung<br />

der Leistung Zeitung können zur Bindung der regionalen Anzeigenkunden<br />

nur einen geringen Beitrag leisten. Auch neue Distributionswege<br />

für die Anzeigen wie z.B. über die Website, das E-Paper oder sogar regionale<br />

Mobile Services24 sind für diese Zielgruppe nur bedingt geeignet. Es<br />

handelt sich dabei um stark erklärungsbedürftige Leistungen, die aus Sicht<br />

der Informationsökonomie über einen hohen Anteil an Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften<br />

verfügen, während die klassische Anzeigenschaltung<br />

aufgrund des ausdifferenzierten Systems der Medienforschung heute eher ein<br />

Suchgut darstellt. 25 Die gängige „Währung“ ist hier die Kontaktchance mit<br />

den Rezipienten, und diese wird so sorgfältig nach Kriterien erhoben, die<br />

von den Werbetreibenden sogar zum Teil mitbestimmt werden, dass kaum<br />

23 Vgl. Meyer 2000, S. 3.<br />

24 Vgl. zu mobilfunkgestützten Angeboten von Regionalzeitungen Ellers 2005, S. 77 f.<br />

25 Zur informationsökonomischen Gütertypologie vgl. grundlegend Kaas 1995, S. 3 f.


313<br />

Unsicherheit über die Medienleistung besteht. 26 Bei neuen Angeboten auf<br />

dem Werbemarkt sieht dies anders aus: Die werbetreibenden Unternehmen<br />

sind vor Vertragsabschluss nicht in der Lage, die Qualität der Angebote zu<br />

beurteilen, und auch im Nachhinein fehlen ihnen häufig die Kontrollmöglichkeiten.<br />

Ein hoher Anteil an Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften sowie die<br />

hohe Bedeutung des Informationssubstituts „Mediadaten“ deutet darauf hin,<br />

dass es sich beim Anzeigenverkauf um eine Dienstleistung handelt. Das bedeutet,<br />

dass sich das Anzeigenmarketing an den Prämissen des Dienstleistungsmarketing<br />

orientieren muss, um langfristig auch wenig professionalisierte<br />

Kunden nicht zu verlieren. Dabei kann nicht nur über die absoluten<br />

Insertionskosten argumentiert werden, denn hier hat die Tageszeitung gegenüber<br />

den Wettbewerbern im regionalen Raum strukturelle Nachteile. 27<br />

3.2 Der Anzeigenverkauf als Dienstleistung<br />

Dienstleistungen sind zunächst als selbständige, marktfähige Leistungen zu<br />

charakterisieren. 28 Sie verfügen über eine Reihe von konstitutiven Merkmalen:<br />

Sie sind (a) immateriell und daher (b) nicht lagerfähig. Die Qualität des<br />

Ergebnisses hängt zunächst von der (c) Leistungsfähigkeit des Anbieters ab.<br />

Doch auch der Nachfrager trägt zum Gelingen der Leistung bei, da er sich<br />

selbst oder ein in seinem Besitz befindliches Gut als (d) „externen Faktor“<br />

einbringen muss. Dies führt zu einer (e) mangelnden Standardisierbarkeit<br />

von Dienstleistungsangeboten. 29<br />

Das Kriterium der Immaterialität hat zur Folge, dass sich der Kauf von<br />

Dienstleistungen für die Kunden risikoreicher darstellt als der Kauf von<br />

Sachleistungen, da die Leistungseigenschaften nicht greifbar und daher auch<br />

schlecht zu evaluieren sind. Zeitungen sind zwar materielle Produkte, ihr<br />

wichtigster Bestandteil sind jedoch die Inhalte, wohingegen das Papier, auf<br />

dem sie geliefert werden, für die Rezipienten uninteressant ist. Printmedien<br />

26 Vgl. Kiefer 2001, S. 245.<br />

27 Vgl. Toerpel 2005, S. 136.<br />

28 Vgl. Meffert/Bruhn 2000, S. 30.<br />

29 Vgl. genauer hierzu: Meffert/Bruhn 2000, S. 51 ff.; aufgrund der besonderen Eigenschaften<br />

von Medien wurden die Immaterialität und die Nicht-Lagerfähigkeit hier als zwei getrennte<br />

Merkmale betrachtet; ähnlich: Pepels 1995, S. 21 ff.


314<br />

werden somit durch die Inhalte zum ökonomischen Gut, nicht durch ihren<br />

materiellen Träger. 30 In der Literatur werden sie daher als veredelte Dienstleistungen<br />

betrachtet. 31 Wichtig ist es somit für die Anzeigenkunden nicht,<br />

ihre Anzeige auf Papier gedruckt zu sehen, sondern die damit verbundene<br />

Verbreitung sowie die daraus entstehenden Kontaktchancen mit ihrer Zielgruppe.<br />

Diese sollte möglichst deckungsgleich mit der Nutzerschaft des<br />

Mediums sein. 32<br />

Die Lagerfähigkeit von Medienprodukten hängt zum einen von ihrer Bindung<br />

an materielle Träger ab33 , zum anderen korreliert sie negativ mit der<br />

Erscheinungshäufigkeit (Periodizität) des Mediums. Eine Tageszeitung ist<br />

zwar, was das Material angeht, länger als 24 Stunden aufzubewahren, ihr<br />

ökonomischer Wert sinkt jedoch mit dem Erscheinen der nächsten Ausgabe<br />

rapide. Die Erscheinungshäufigkeit ist auch für die Werbekunden von Bedeutung:<br />

So sind Imageanzeigen in der Regel auch nach vier Wochen noch<br />

aktuell, während Anzeigen mit tagesaktuellen Angeboten die Medienrezipienten<br />

punktgenau erreichen müssen. Den Anzeigenkunden kommen dabei<br />

kurzfristige Anzeigenschlusstermine entgegen. Die Garantie des Erscheinens<br />

der Anzeige zum gewünschten Zeitpunkt ist ohnehin unumgänglich.<br />

Die Leistungsfähigkeit der Anbieter ist bei Medien von großer Bedeutung,<br />

denn von den beteiligten Personen hängen die Inhalte, die Präsentation und<br />

die Inszenierung der Medienprodukte ab. Dem Personal kommt daher in<br />

Medienunternehmen eine überdurchschnittlich große Bedeutung zu. 34 Speziell<br />

bei etablierten Medien ist der persönliche Verkauf das wichtigste<br />

Kommunikationsinstrument gegenüber den Werbekunden. 35 Die Anzeigenberater<br />

der regionalen Zeitungen sind somit erfolgsentscheidend. Dies gilt<br />

insbesondere für den Verkauf innovativer Insertionsformen sowie aller Leistungen,<br />

die über die wöchentliche „Routineanzeige“ hinausgehen.<br />

30 Vgl. Sjurts 2002, S. 8; Kiefer 2001, S. 143.<br />

31 Vgl. Siegert 2002, S. 179; Pepels 1995, S. 26; Möllmann 1998, S. 7; Weigand 2003,<br />

S. 274; die Synchronität von Dienstleistungserstellung und -konsum ist hier nicht gegeben.<br />

32 Hierzu speziell nach Mediagattungen stellvertretetend für andere: Kotler/Keller 2006,<br />

S. 575 f.<br />

33 Vgl. Haller 1995, S. 51.<br />

34 Vgl. Siegert 2002, S. 181.<br />

35 Vgl. Siegert 2003, S. 160 ff.


315<br />

Der externe Faktor kann der Dienstleistungskonsument selbst oder ein ihm<br />

gehörendes Objekt sein. Dieser wird im Laufe des Leistungserstellungsprozesses<br />

verändert. Das Ergebnis der Leistungserstellung hängt somit auch<br />

vom externen Faktor ab. Der externe Faktor auf dem Werbemarkt ist die<br />

Anzeige, mit der der Werberaum gefüllt wird. Mit der Abgabe eines Anzeigenauftrags<br />

geht die Anzeige in den Verfügungsbereich des Medienunternehmens<br />

über; die Kunden sind darauf angewiesen, dass die Anzeige inhaltlich<br />

und räumlich gemäß ihrer Wünsche erscheint und sie nicht durch redaktionelle<br />

Inhalte konterkariert wird.<br />

Die hohe Individualität vieler Dienstleistungen ist mit einem hohen Anspruch<br />

an die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des Personals verknüpft,<br />

was zu schwankenden Ergebnissen in der Dienstleistungsqualität führt. Eine<br />

Standardisierung soll daher eine Vermarktung als Massenprodukt ermöglichen.<br />

Zu unterscheiden ist dabei in die Standardisierung der gesamten<br />

Dienstleistung, einzelner Teilkomponenten oder des Kundenverhaltens. 36 Im<br />

Medienbereich ist eine inhaltliche Standardisierung nur in geringem Umfang<br />

möglich (z.B. durch gleich bleibende Sendepläne oder Ressortplätze), da<br />

jedes Medienprodukt ein Unikat darstellen muss. 37 Die individuellen Wünsche<br />

der Anzeigenkunden (z.B. nach Farbe, Form, Platzierung) sind nur bis<br />

zu einem gewissen Grad zu erfüllen, da jeder Platz in einer Zeitung nur einmal<br />

vergeben werden kann. 38<br />

3.3 Der Prozess der Anzeigenschaltung<br />

Die Integration des externen Faktors in die Erstellung einer Dienstleistung<br />

impliziert, dass vor dem Kauf lediglich ein Leistungsversprechen, jedoch<br />

nicht die Leistung selbst vorliegen kann. Die Erstellung ist als Prozess zu<br />

verstehen, der mit einem unterschiedlichen Maß an zeitlicher und räumlicher<br />

Verbundenheit von Anbieter und Nachfrager ablaufen kann. Am Ende steht<br />

das Ergebnis der Leistungserstellung. Um diesen Spezifika gerecht zu werden,<br />

wird zumeist eine phasenorientierte Betrachtung der Dienstleistungser-<br />

36 Vgl. Meffert/Bruhn 2004, S. 243.<br />

37 Vgl. Baumgarth 2004, S. 2254.<br />

38 Zur individuellen Wünschen der Inserenten vgl. auch Abschnitt 4.2.


316<br />

stellung vorgenommen: Es lassen sich dabei Potenzial-, Prozess- und Ergebnisphase<br />

unterscheiden. 39<br />

In der Potenzialphase bietet der Dienstleistungsanbieter zunächst lediglich<br />

seine Leistungsfähigkeit und -bereitschaft an. Das Potenzial setzt sich dabei<br />

aus einer Kombination interner Faktoren zusammen. 40 Diese internen Faktoren<br />

können Personen, Informationen oder Güter sein. 41 Im Anzeigenverkauf<br />

ist zumeist der zuständige Anzeigenberater die wichtigste Ansprechperson.<br />

Er verfügt über die Möglichkeit, den Kunden Anzeigenraum zukommen zu<br />

lassen. Die Leistungserstellung beginnt in der klassischen Dienstleistungstheorie<br />

in dem Moment, wo der Nachfrager einen externen Faktor einbringt,<br />

welcher zusammen mit den internen Faktoren in einen Prozess integriert<br />

wird. Diesen Prozess verdeutlicht Abbildung 2.<br />

Einkauf<br />

Veräußerung von Kontaktchancen<br />

zu den Lesern<br />

Entwicklung redaktioneller Konzepte und Werbekonzepte<br />

Journalistische und<br />

künstlerische Produktion<br />

Zusammenstellung der Inhalte<br />

Verbreitung<br />

Produktion von Aufmerksamkeitsgemeinschaften<br />

Segmentierung, Typisierung und Nachweis von spezifischen Publika<br />

Abb. 2 Die Phasen der Medienerstellung<br />

Quelle: leicht modifiziert nach Siegert (2002), S. 179.<br />

Selektion von<br />

Fremdleistungen<br />

39 Vgl. stellvertretend für andere Meffert/Bruhn 2004; Haller 1995; Meyer/Mattmüller 1987,<br />

S. 191 ff.<br />

40 Vgl. Haller 1995, S. 54.<br />

41 Vgl. Hilke 1989, S. 11 ff.; Haller 1995, S. 54.


317<br />

Für die Werbekunden der Medienunternehmen ergibt sich (zumindest nach<br />

Gesetzeslage) die Besonderheit, dass sie mit dem Prozess der Medienerstellung<br />

praktisch nicht in Berührung kommen: Ihnen werden Werberaum und<br />

Werbekonzepte angeboten, die eine Kontaktchance zu bestimmten Zielgruppen<br />

darstellen. Dabei ist es unerheblich, ob die redaktionellen Inhalte zum<br />

Zeitpunkt des Werbeplatzverkaufs bereits existieren <strong>–</strong> auf die Produktion<br />

und Zusammenstellung dürfen Werbekunden gemäß dem rechtlich festgeschriebenen<br />

Trennungsgebot keinen Einfluss ausüben. 42 Der Prozess der<br />

Erstellung der Dienstleistung „Transport von Werbebotschaften“ beginnt<br />

somit erst spät im Prozess der Medienerstellung.<br />

Für die Anzeigenberater ergibt sich daraus die Anforderung, einerseits die<br />

Vorgaben des Verlages beachten zu müssen, andererseits möglichst flexibel<br />

auf die Kundenwünsche einzugehen. Dies kann sich vor allem dann als<br />

kompliziert erweisen, wenn die Verlage neue Werbekonzepte an den Markt<br />

bringen, da diese für die Kunden als erklärungsbedürftige Dienstleistung<br />

anzusehen sind. Da besonders im mittelständischen Bereich die Werbebudgets<br />

eher gering sind, muss es Ziel der Anzeigenberatung sein, das wahrgenommene<br />

Risiko der Kunden möglichst weit zu reduzieren.<br />

Das Ergebnis dieses Prozesses ist der Vertragsabschluss über eine oder mehrere<br />

Anzeigenschaltungen. Die Kunden erhalten somit die Möglichkeit, ihre<br />

Werbebotschaften an ein disperses Publikum zu verbreiten und gleichzeitig<br />

von der Aufmerksamkeit, die die Rezipienten dem redaktionellen Teil entgegenbringen,<br />

zu profitieren.<br />

42 Vgl. hierzu die Landespressegesetze; bezahlte Inhalte sind in jedem Fall durch den Verlag<br />

als solche zu kennzeichnen <strong>–</strong> in der Regel mit dem Wort „Anzeige“. Auch der ZAW zeigt<br />

Formen nicht erlaubter „redaktioneller“ Inhalte mit werblichem Charakter auf, vgl. ZAW<br />

1974, S. 47, 83; zitiert nach Streng, 1996, S. 103. Die Trennung von Redaktion und Werbung<br />

erodiert jedoch zunehmend.


318<br />

4 Ansatzpunkte des Anzeigenmarketing für regionale<br />

Kunden<br />

4.1 Die regionale Identität als verbindendes Element<br />

Nach Jahrzehnten des multinational und global geprägten Marketing sowie<br />

der damit verbundenen Standardisierung von Produkten und Leistungen tritt<br />

seit einigen Jahren auch die Region als marketingrelevanter Raum in den<br />

Fokus des Interesses. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Marketing für die<br />

Region selbst und dem Marketing für regionale Produkte und Dienstleistungen.<br />

43 Innerhalb einer Region wird häufig die gemeinsame Identität von<br />

Anbietern und Abnehmern in der Region betont („aus der Region <strong>–</strong> für die<br />

Region“). Diese Identität dient dazu, den Mitgliedern einer Gruppe (hier: der<br />

Region) das Gefühl einer sozialen Einheit zu geben, welche auch von außen<br />

wahrgenommen wird. 44 Es handelt sich somit um eine bewusste Abgrenzung.<br />

Die Tageszeitung wird als Symbol dieser regionalen Identität wahrgenommen.<br />

45 Speziell für Unternehmen, deren Einzugsgebiet ebenfalls nur regional<br />

ist, ist sie daher ein geeigneter Kommunikationskanal. Aus Sicht der Verlage<br />

erscheint es daher sinnvoll, die gemeinsame Identität im Marketing für ihre<br />

Anzeigenkunden zu betonen. Die etablierten Marketinginstrumente der<br />

Preisdifferenzierung sowie des direkten Verkaufs über die Anzeigenberater<br />

wurden bereits angesprochen. Auch die Leistungspolitik wird schon seit<br />

langem auf die Kunden ausgerichtet: So gibt es Sonderveröffentlichungen,<br />

z.B. zu bestimmten Einkaufsgegenden, oder es werden Unternehmen aus der<br />

Region vorgestellt.<br />

Speziell in jüngster Zeit haben sich Kundenbindungsprogramme in Form<br />

sogenannter „Abo-Cards“ etabliert. Ziel ist es dabei aus Sicht der Verlage,<br />

43 Vgl. hierzu Balderjahn 2004, S. 2357 ff.; Enke/Geigenmüller 2004, S. 2375 ff.<br />

44 Dies kann eine Stärke, aber in Zeiten zunehmender Mobilität insbesondere der jüngeren<br />

Generationen auch eine Schwäche im intermedialen Wettbewerb sein; vgl. Breyer-<br />

Mayländer 2005, S. 139. Zur Gruppenidentität generell: Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S.<br />

444.<br />

45 Vgl. hierzu die Ergebnisse der empirischen Untersuchung von Möllmann 1998, S. 197 ff.


319<br />

sowohl die Rezipienten als auch die Anzeigenkunden an sich zu binden.<br />

Abonnenten können in der Regel mit Hilfe der Karte bei den teilnehmenden<br />

Unternehmen Rabatte erhalten. 46 Hier werden beinahe automatisch die mittelständischen<br />

Unternehmen der Region einbezogen, da heute praktisch alle<br />

großen Handelsketten über eine eigene Kundenkarte verfügen bzw. einem<br />

Mehrpartnerprogramm angehören. 47 Während einige Verlage das Programm<br />

als Erfolg einstufen, werden in anderen Verlagen die Anfangsinvestitionen<br />

als zu hoch angesehen. 48<br />

4.2 Gezieltes Beziehungsmanagement<br />

Die Dienstleistung „Anzeigenschaltung“ wird wie gesehen zunehmend erklärungsbedürftig.<br />

Die entstandenen Zusatzangebote vieler Verlage dürfen nicht<br />

dazu führen, dass die Zeitung als „Bauchladen“ 49 wahrgenommen wird, die<br />

sich von ihren Kernkompetenzen immer weiter entfernt. Die entstandenen<br />

cross-medialen Angebote (Zeitung und E-Paper, Zeitung und Mobile Service<br />

etc.) stellen für die Anzeigenkunden zunächst Mehrkosten dar. Die damit<br />

verbundenen Vorteile müssen ersichtlich werden, damit die Inserenten das<br />

nötige Vertrauen in die Maßnahmen gewinnen. Dies hängt zum einen mit der<br />

schwierigen Abschätzbarkeit der Werbewirkung zusammen, zum anderen<br />

sind die Entscheidungstatbestände (Mediaselektion, Auswahl von Zeiten,<br />

Platzierungen etc.) häufig komplex. 50 Medienunternehmen unterstützen<br />

daher ihre Kunden bei der Entscheidungsfindung, helfen z.B. bei der Erstellung<br />

von Mediaplänen. Die persönliche Nähe sowie das Vertrauensverhältnis<br />

zwischen Verkäufer und Kunde fördern die Kundenbindung. Eine hohe<br />

wahrgenommene Kompetenz des Anbieters kann dabei als Surrogat für Informationen<br />

über den Nutzen und die <strong>Wirtschaft</strong>lichkeit der Leistung dienen.<br />

51<br />

46 Vgl. Strahlendorf 2005, S. 13.<br />

47 Vgl. Klingsporn 2005, S. 100 ff.<br />

48 Vgl. o.V. 2005, S. 145.<br />

49 o.V. 2005, S. 145.<br />

50 Vgl. Büchelhofer et al. 1994, S. 475; Schuster 1995, S. 259.<br />

51 Vgl. Belz 1998, S. 23.


320<br />

Anzeigenberater betreuen ihre Kunden häufig über viele Jahre, daher sind<br />

die Voraussetzungen für eine solche vertrauensvolle Anbieter-Kunden-Beziehung<br />

gegeben. Über eine Beteiligung der Berater am Anzeigenumsatz<br />

geben die Verlage Anreize zum aktiven Verkauf. Als problematisch könnte<br />

sich jedoch die Einführung neuer Geschäftsmodelle wie sie oben geschildert<br />

wurden erweisen. Sind diese aus Sicht der Anzeigenberater zu komplex, um<br />

sie den mittelständischen Unternehmen der Region zu verkaufen, so besteht<br />

die Gefahr, dass die Personalzufriedenheit sinkt. 52 Es muss daher Aufgabe<br />

des Managements der Verlage sein, für neue Leistungen am Anzeigenmarkt<br />

<strong>–</strong> seien es Kombitarife von Zeitung und Werbebanner oder die neu eingeführte<br />

Kundenkarte <strong>–</strong> zunächst eine interne Akzeptanz zu schaffen. Denkbar<br />

sind in diesem Zusammenhang unterschiedliche Instrumente des internen<br />

Marketing: So können personalpolitische Instrumente (Personalauswahl,<br />

Entgeltpolitik) ebenso eingesetzt werden wie interne Kommunikationsinstrumente<br />

(Trainings). 53 Diese Maßnahmen sind notwendig, damit die Anzeigenkunden<br />

den Nutzen des Mediums Zeitung auch langfristig sehen. Die<br />

Anzeigenberater werden auf diese Weise zu Medienberatern.<br />

Die hohe Bedeutung von persönlichen Geschäftsbeziehungen fördert zwar<br />

die Bindung der Anzeigenkunden, kann aber auch kontraproduktive Effekte<br />

haben: Wie auch in anderen Branchen besteht die Gefahr, dass im Rahmen<br />

der Auftragsakquisition „unternehmensfremde Nebenleistungen“ oder „problematische<br />

Gegengeschäfte“ 54 zum Einsatz kommen. Bekannt sind in diesem<br />

Zusammenhang Anreize wie Geschenke, Reisen o.ä. für die Kunden. Im<br />

Zeitungsmarkt besteht hingegen die Tendenz, mit den Kunden Einigungen<br />

über Zusatzleistungen zu treffen, die intern, vor allem in der Redaktion, nicht<br />

geteilt werden. Dabei kann es sich um die Forderung nach einer redaktionellen<br />

Kopplungsvereinbarung55 handeln oder auch um die Drohung, im<br />

Fall negativer Berichterstattung über das eigene Unternehmen Werbeauf-<br />

52 Vgl. Stauss 1995, Sp. 1047.<br />

53 Vgl. Stauss 1995, Sp. 1050; Ziel sollte in jedem Fall eine marktorientierte Unternehmenskultur<br />

und damit verbunden eine stabil verankerte Kundenorientierung sein, vgl. Homburg/Krohmer<br />

2003, S. 1083 ff.<br />

54 Belz 1998, S. 125.<br />

55 Vgl. Koschnik 2003, S. 1545; es findet sich auch der euphemistische Begriff der „Medienkooperation“,<br />

vgl. Wolff 1999, S. 25. Beide Begriffe umschreiben die Ergänzung einer<br />

Anzeige durch einen redaktionellen Beitrag zum Unternehmen <strong>–</strong> es handelt sich somit um<br />

eine Form von PR durch die Journalisten.


321<br />

träge zurückzuziehen. 56 Mit intensiver werdendem Wettbewerb im regionalen<br />

Raum steigt die Wahrscheinlichkeit dieser Instrumentalisierung des redaktionellen<br />

Teils der Zeitung, insbesondere, weil in Anzeigenblättern diese<br />

Praxis verstärkt zu beobachten ist. Für die Anzeigenberater gilt <strong>–</strong> ebenfalls<br />

analog zu anderen Branchen <strong>–</strong> dass ein hoher Professionalisierungsgrad<br />

ethisches Verhalten fördert. 57 Die oben erwähnten Instrumente des internen<br />

Marketing sind von den Verlagen auch im Kontext dieses Problemfeldes<br />

einsetzbar. Die strategische Bedeutung sollte dabei nicht unterschätzt werden,<br />

da die Glaubwürdigkeit der regionalen Tageszeitungen ein wettbewerbsrelevantes<br />

Merkmal darstellt.<br />

5 Fazit<br />

Es wurde in diesem Beitrag darauf verzichtet, die Optimierungspotenziale im<br />

regionalen Anzeigenmarketing anhand der klassischen Marketinginstrumente<br />

aufzuzeigen. Hier hat sich (zumindest in Bezug auf die Kernleistung Zeitung)<br />

in den vergangenen Jahren einiges getan:<br />

• In der Leistungspolitik sind besonders neue Anzeigenformate und -<br />

platzierungen zu erwähnen. Hier besteht für die Kunden eine Vielzahl<br />

von Möglichkeiten, seine Anzeigen jenseits der rechteckigen,<br />

in Millimetern gemessenen Form zu gestalten. 58 Außerdem werden<br />

zunehmend redaktionelle Umfelder geschaffen, in denen die Kunden<br />

entsprechend der Interessen ihrer Zielgruppen inserieren können<br />

<strong>–</strong> zu nennen sind vor allem Sonderthemen zu den Bereichen Urlaub,<br />

Haus, Garten, Mode etc.<br />

56 Vgl. Stahmer 1995, S. 164; Rogall 2000, S. 58.<br />

57 Vgl. Belz 1998, S. 123.<br />

58 Vgl. Strickler 2005, S. 63 f.; es ist jedoch darauf zu achten, dass diese Sonderwerbeformen<br />

die Informationsfunktion der Zeitung nicht zu stark dominiert, da sonst (analog zu den oben<br />

erwähnten „redaktionellen Zugaben“) ein Glaubwürdigkeitsproblem entstehen kann,<br />

vgl. Donnerstag/Mika 2005, S. 254 ff.


322<br />

• In der Kommunikationspolitik setzen die Verlage verstärkt auf Eigenwerbung<br />

und Öffentlichkeitsarbeit, auch in crossmedialer<br />

Form. 59<br />

• Die Distributionspolitik bezieht sich größtenteils auf die Übermittlung<br />

der Anzeigeninhalte an die Medienunternehmen. Hier kann der<br />

Kunde in der Regel zwischen der persönlichen Abholung durch den<br />

Anzeigenberater und verschiedensten Formen der elektronischen<br />

Datenübermittlung wählen.<br />

• In die Preispolitik kommt ebenfalls Bewegung: So werden den Inserenten<br />

crossmediale Angebote gemacht und in der Zeitung selbst<br />

stehen insbesondere die Farbzuschläge auf dem Prüfstand. 60<br />

Dieser Beitrag plädiert vielmehr dafür, die im Dienstleistungsmarketing<br />

ebenfalls schon länger thematisierten Instrumentalbereiche „Personal“ und<br />

„Prozess“ stärker zu berücksichtigen. Im Rahmen der Ausweitung der Leistungen<br />

für die Werbekunden und der Nutzung neuer Geschäftsfelder tritt der<br />

Prozess der Dienstleistungserstellung immer stärker in den Vordergrund;<br />

dabei kann die Leistung wesentlich stärker als bisher individualisiert und auf<br />

den einzelnen Anzeigenkunden zugeschnitten werden. Die einfache „Standardanzeige“<br />

verliert demgegenüber an Bedeutung.<br />

Die Anzeigenberater bilden die Schnittstelle zwischen den Kunden und dem<br />

Verlag. Von ihrem Engagement und Commitment hängt es ab, ob sich neue<br />

Angebote im Anzeigenmarkt auch durchsetzen. Da Veränderungen auch<br />

immer innerhalb des Unternehmens kommuniziert werden müssen, erscheint<br />

hier die Entwicklung eines internen Marketingkonzepts angebracht.<br />

Die Bindung regionaler Anzeigenkunden wird sich mittel- und langfristig als<br />

strategischer Erfolgsfaktor für die Verlage erweisen. Die Zeitung verliert<br />

zwar vor allem junge Leser, ist in der regionalen Medienlandschaft jedoch<br />

noch immer vorherrschend. Setzt sich die Entwicklung fort, so ist das Medium<br />

Zeitung in absehbarer Zeit für die Markenartikelindustrie kein attrakti-<br />

59 In der PR haben Medienunternehmen gegenüber anderen Branchen generell den Vorteil,<br />

dass sie die Kommunikationskanäle kontrollieren können. Dafür ist die Zahl der in Frage<br />

kommenden Medien allerdings begrenzt, da die Wettbewerbermedien hier nicht genutzt<br />

werden können, vgl. Rubens-Laarmann 2006, S. 365; Siegert 2003, S. 193.<br />

60 Vgl. Spitzer-Ewersmann 2005, S. 84.


323<br />

ver Werbepartner mehr. 61 Um ihre Position im regionalen Raum zu sichern,<br />

ist vor allem eine Orientierung an der eigenen Identität und am eigenen<br />

Selbstverständnis nötig. 62 nötig. Anstatt ausschließlich dem Druck der Werbekunden<br />

nach zielgruppenspezifischen Umfeldern nachzugeben und sich<br />

auf diese Weise an andere Medien anzupassen, sollten im Rahmen der Markenführung<br />

verstärkt die eigenen Ressourcen und Kompetenzen hervorgehoben<br />

werden. Ohne diese Identität wird die Zeitung für ihre Anzeigenkunden<br />

auch im regionalen Verbreitungsgebiet austauschbar mit Anzeigenblättern<br />

und Direktwerbung. Tageszeitungsmarketing muss daher auch bedeuten,<br />

der Beliebigkeit entgegenzuwirken.<br />

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61 Vgl. Toerpel 2005, S. 136 f.<br />

62 Vgl. zur identitätsorientierten Markenführung Meffert/Burmann/Koers 2002.


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Jörg Hammermeister<br />

All business is local <strong>–</strong> Möglichkeiten der strategischen<br />

Differenzierung durch regionale Markenführung <strong>–</strong><br />

Am Beispiel von Marken der Unternehmen EWE,<br />

InBev und Rügenwalder<br />

1 Einführung<br />

Der Ausspruch “Think global, act local” gewinnt für die strategische Markenführung<br />

zunehmend an Bedeutung. Regionen werden sich im zusammenwachsenden<br />

Europa im stärkeren Maße als früher identitätsstiftend in der<br />

Lebenswelt der Menschen verankern. Dadurch ist auch das Konsumentenverhalten<br />

zunehmend determiniert. Der Stellenwert der regionalen Marken<br />

wird darum in Zukunft zunehmen, da der Markenwert von einer Zugehörigkeit<br />

zu einer Region beeinflusst wird. Das gelingt Markenartikelunternehmen<br />

mit regionalen Marken im Portfolio dann, wenn eine Region bzw. ein Image<br />

von einer Region als Ursprung einer Marke positiv wahrgenommen wird.<br />

Der Markenursprung kann dabei als Bestandteil der Markenpersönlichkeit<br />

und damit auch des Markenimages verstanden werden. 1 Die Identifikation<br />

des Markenursprungs ist einserseits über den Markennamen selbst, der Verpackung<br />

oder über die Markenkommunikation umsetzbar. Dieser Beitrag<br />

fokussiert die Relevanz, die besonderen Ausprägungen und die Anforderungen<br />

an die regionale Markenführung, um den besonderen Transfer zwischen<br />

Region als Identitätsstifter und regionaler Marke nachzuzeichnen. Anhand<br />

ausgewählter Beispiele aus der Metropolregion Bremen-Oldenburg werden<br />

die gemachten Ausführungen abschließend illustriert und verdichtet.<br />

1 Vgl. Enke/Geigenmüller 2004, S. 2379.


330<br />

2 Theoretisch-begriffliche Basis: Bedeutung und<br />

Grundformen des regionalen Bezugs bei Marken<br />

Wenn viele Deutsche in den Urlaub reisen, kann ihnen, dem allgemeinen<br />

klischeehaften Bild nach, an ihrem Urlaubsort nichts Besseres passieren, als<br />

eine Kneipe zu finden, die deutsches Bier <strong>–</strong> am besten noch vom Fass <strong>–</strong><br />

ausschenkt. 2 Auf dem Flug mit der Lufthansa an den Urlaubsort wird ihnen<br />

deutsches Essen serviert, vor Ort wird als Speise Kasseler mit Sauerkraut<br />

präferiert. Am Pool oder Strand cremt man sich mit Nivea-Sonnenmilch ein,<br />

redet über Lichtschutzfaktoren und genießt das Magnum-Eis von Langnese.<br />

Musikalisch fragt man sich beim Hören deutscher Radiosender, ob der alte<br />

Holzmichel noch lebt und lauscht nebenbei halbstündlich dem Verkehrsfunk<br />

im deutschen Radio. So geben selbst solche Produkte bzw. Marken ein Gefühl<br />

von regionaler-heimatlicher Verbundenheit, die ansonsten mit der Nähe<br />

zur Region bzw. zur Heimat wenig zu tun haben. 3 Gerhard Polt hat in seiner<br />

satirischen Filmkomödie „Man spricht Deutsh“ 4 von 1988 dieses Ur-Bild<br />

vom Deutschen im Italien-Urlaub sehr treffend dargestellt.<br />

Betrachtet man dieses Klischee vom deutschen Urlauber aus der reinen Marketingperspektive,<br />

liegt als Grund für dieses (hier überzeichnete Verhalten)<br />

nahe zu vermuten, dass Menschen stets Komplexitätsreduktion und Orientierung<br />

suchen <strong>–</strong> egal wo sie sind. 5 Konsumenten scheinen in unübersichtlichen,<br />

anonymen Märkten die Herkunftsregion als Schlüsselinformation für<br />

Qualität heranzuziehen. Dadurch vereinfachen sie ihre Kaufentscheidung.<br />

Dabei spricht man vom information chunk-Effekt. Gute Erfahrungen und<br />

Verbundenheit mit einer Region - in diesem Fall mit Deutschland - übertragen<br />

sich auf die Produkte bzw. Marken (Halo-Effekt). Für die strategische<br />

Markenführung kann vermutet werden, dass die Akzentuierung eines regionalen<br />

Markenursprungs ein Alleinstellungsmerkmal darstellt, welches im<br />

Vergleich zu allen (meist nationalen und internationalen) Wettbewerbsmarken<br />

zu mehr Nähe, Vertrauen und Sympathie beim Verbraucher führen kann.<br />

2 Vgl. Musiol 2005, S. 1.<br />

3 Vgl. ebd., S. 1.<br />

4 „Deutsch“ hier als Eigenname von Polt ohne das „s“ verwendet.<br />

5 Vgl. ebd.


331<br />

Neben Vertrauen, Sympathie und Nähe bieten sich auch Umweltschutz,<br />

Qualität, Tradition, Frische, Arbeitsplätze oder Heimatliebe als Positionierungsargumente<br />

für die regionale Markenplattform an.<br />

Regionale Marke i.e.S.<br />

(aufgrund Beschränkungen<br />

verschiedenster Art)<br />

Regionaler Markt<br />

Regionale Marke i.w.S.<br />

(regional aufgeladene Marke<br />

mit universellem Markenkern)<br />

Überregionaler Markt<br />

Abb. 1 Klassifizierung von regionalen Marken <strong>–</strong> Teil 1<br />

Quelle: Eigene in Anlehnung an Geigenmüller 2003, S. 75.<br />

Marken können also grundsätzlich je nach Selbstverständnis, Ressourcen,<br />

Kompetenzen und Expansionsstrategie durch ihren geographischen Geltungsbereich<br />

klassifiziert werden (vgl. Abbildung 1). 6<br />

Die regionale Marke im engeren Sinn beschränkt sich auf ihre Ursprungsregion<br />

bzw. ein festgelegtes regionales Vertriebsareal z.B. aufgrund konkreter<br />

Produkteigenschaften/-beschränkungen oder ökonomischen Erwägungen7 .<br />

Die regionale Marke im weiteren Sinn dehnt sich auch auf den überregiona-<br />

6 Vgl. Enke/Geigenmüller 2004, S. 2379.<br />

7 Als mögliche Ursache für die Beschränkung auf eine Region kann das Verhältnis zwischen<br />

Warenwert und den Distributionskosten genannt werden (vgl. Enke/Geigenmüller,<br />

S. 2379). Das regionale Absatzgebiet bestimmt sich demnach so, das diese Relation für einen<br />

Hersteller noch gerade Nutzen stiftend sein muss.


332<br />

len Markt aus, vorausgesetzt sie besitzt einen universellen Markenkern (als<br />

Angebot für Nachfrage überregional geeignet) und sie unterliegt keinerlei<br />

Beschränkungen (regional aufgeladene überregionale Marke). In der letzteren<br />

Form sind eindeutige Parallelen zur Internationalisierungsstrategie zu<br />

sehen.<br />

Es bleibt an dieser Stelle noch die Frage zu beantworten, wie aus Marketingsicht<br />

Regionen überhaupt definiert werden können: Anja Geigenmüller8 teilt<br />

die Region in Ihrer Doktorarbeit über regionale Marken und Konsumverhalten<br />

in drei Bereiche auf: die Real-, die Aktivitäts-/Programm- und in die<br />

Wahrnehmungs-/Identitätsregion. Die reale Region besteht aus einem physisch<br />

abgrenzbaren Raum, wie z.B. die Weser-Ems-Region. Die Aktivitäts-<br />

/Programmregion bestimmt sich eher als funktionaler Raum, somit können<br />

beispielsweise verschiedene <strong>Wirtschaft</strong>sräume definiert werden. Der letzte<br />

Teil scheint der schwierigste eingrenzbare Bereich zu sein. Die Wahrnehmungs-<br />

und Identitätsregionen stellen sozialpsychologische Konstrukte bzw.<br />

Sinnordnungen dar. Hier kann auch ein räumlicher Bezug hergestellt werden,<br />

Als Beispiel für eine Wahrnehmungsregion kann das Ruhrgebiet oder das<br />

Erzgebirge angeführt werden. 9 Somit unterscheidet sich die Definition von<br />

Regionen untereinander doch recht stark. Keine davon gibt eine genaue Definition<br />

davon, wie groß eine Region genau sein kann. Für diesen Aufsatz<br />

kann festhalten werden, dass Regionen nicht nur physische Eigenschaften<br />

haben, sondern auch über die Wahrnehmung einzelner Personen oder Gruppen<br />

definiert werden können.<br />

3 Theoretisch-konzeptionelle Basis: Markenherkunft als<br />

relevante Komponente der Markenidentität<br />

3.1 Grundlagen<br />

Die Grundlage des Kommunikationsprozesses und die Basis aller strategischen<br />

und operativen Marketingentscheidungen bildet die Markenidentität.<br />

Insbesondere können wichtige Schritte für das Ableiten der Markenstrategie,<br />

8 Vgl. Geigenmüller 2003, S. 73.<br />

9 Vgl. ebd., S. 72 ff.


333<br />

der Positionierung und der Botschaft der Marke geplant und umgesetzt werden.<br />

10 Adjouri unterscheidet hinsichtlich der Markenidentität zwei Ebenen:<br />

Die Ausdrucksebene der Marke bildet sich aufgrund der wahrnehmbaren<br />

Elemente und umfasst somit die formalen Aspekte der Marke, die Inhaltsebene<br />

hingegen wird durch alle Assoziationen mit der Marke beschrieben. 11<br />

Die Markenidentität wird durch Bedeutungen dargestellt, welche wiederum<br />

verschiedene Images bei unterschiedlichen Zielgruppen entstehen lassen. 12<br />

Im Gegensatz zum Markenimage sind diese Bedeutungen weder subjektiv<br />

noch an eine Zielgruppe gebunden.<br />

Basierend auf Überlegungen zur Identität von Personen, wurden bereits Anfang<br />

der 1990er Jahre in Theorie und Praxis verschiedene Ansätze zur identitätsorientierten<br />

Markenführung entwickelt. Sie wurden vor allem durch<br />

Arbeiten von Aaker13 und Kapferer14 geprägt. Allen gemeinsam sind die<br />

zentrale Bedeutung der Identität der Marke und die Idee, dass die Kaufverhaltensrelevanz<br />

einer Marke grundlegend auf eine starke Markenidentität<br />

zurückgeführt wird. 15 Durch die Gestaltung einer Identität werden der Marke<br />

Orientierung, Zweck und Bedeutung zugewiesen. Nach Aaker besteht die<br />

Markenidentität aus dem Identitätskern sowie einer erweiterten Markenidentität.<br />

Der Kern entspricht dem zentralen zeitlosen Wesen der Marke, die<br />

erweiterte Identität bezieht sich auf temporäre Anpassungen in Zusammenhang<br />

mit der Verwendung des Konzeptes in neuen Absatzmärkten oder bei<br />

neuen Produkten. 16<br />

Unter der Marke als Produkt werden zum Beispiel Anwendungsbereiche<br />

oder Verwendungsmöglichkeiten aber auch das Herkunftsland betrachtet.<br />

Die Marke als Organisation beschreibt Attribute, die mit dem Unternehmen<br />

(z.B. lokal versus global ausgerichtet) in Zusammenhang gebracht werden.<br />

Markenpersönlichkeiten und -beziehungen charakterisieren die Marke als<br />

Person und alle sichtbaren bildlichen Elemente die Marke als Symbol wie<br />

10 Vgl. Adjouri 2002, S. 89.<br />

11 Vgl. ebd., S.100.<br />

12 Vgl. ebd., S.104.<br />

13 Vgl. Monographie Aaker 1996.<br />

14 Vgl. Monographie Kapferer 1992.<br />

15 Vgl. Meffert/Burmann 2002a, S. 31.<br />

16 Vgl. Aaker 1996, S.68.


334<br />

z.B. die Markenhistorie. Aus diesen vier Kategorien bilden sich in der Regel<br />

die drei Identitätskreise.<br />

Der Ansatz von Meffert und Burmann unterscheidet sich von den Überlegungen<br />

Aakers in der Hinsicht, dass sie dem Selbstbild der Marke17 ein<br />

Fremdbild gegenüberstellen. Das Aussagekonzept der Marke wird durch das<br />

Unternehmen gestaltet, während ein Akzeptanzkonzept die Sichtweise der<br />

Konsumenten widerspiegeln soll. Diese beiden Konzepte beeinflussen sich<br />

wechselseitig. So wird die absatzmarktbezogene Sichtweise mit einer innengerichteten<br />

Perspektive verbunden. Die Verbindung führt dazu, dass sich die<br />

Markenidentität als Wechselwirkung zwischen internen (Selbstbild der Marke)<br />

und externen (Fremdbild der Marke) Anspruchsgruppen bildet und eine<br />

spezifische Persönlichkeit zum Ausdruck bringt18 , die umso stärker ist, je<br />

mehr Selbst- und Fremdbild übereinstimmen. Angestrebt wird die bestmögliche<br />

Übereinstimung von Selbst- und Fremdbild der Markenidentität,<br />

um das Vertrauen der Konsumenten in die Marke zu erhöhen.<br />

Innerhalb der Markenidentität zeigen nun die Forschungsergebnisse von<br />

Blinda, dass die Basis der Markenidentität die Herkunft der Marke darstellt<br />

(siehe auch Abbildung 2): Auf dieser bauen demnach die Kompetenzen, die<br />

Werte, die Persönlichkeit, die Vision und die Leistungen einer Marke auf.<br />

Die Markenherkunft übt zudem einen direkten als auch indirekten Einfluss<br />

auf diese Komponenten der Markenidentität aus. Darüber hinaus beeinflusst<br />

die Markenherkunft das Markenimage und die Entscheidung der Konsumenten<br />

für ein Gut. Die hohe Relevanz begründet sich dadurch, dass eine<br />

Marke von externen wie auch internen Zielgruppen zunächst im Kontext<br />

ihres Urspungs wahrgenommen und interpretiert wird.<br />

17 Das Selbstbild der Markenidentität ähnelt dem Ansatz Aakers, die Komponenten der<br />

Markenidentität werden teils anders operationalisiert. Für die detaillierte Betrachtung sei<br />

auf die Literatur verwiesen. Vgl. Meffert/Burmann 2002b, S. 35-72.<br />

18 Vgl. ebd, S. 47.


Interne Zielgruppe Externe Zielgruppe<br />

Markenidentität Markenimage<br />

Markenpersönlichkeit<br />

Markenwerte<br />

Markenvision<br />

Art der Markenleistungen<br />

(Kern-)Kompetenzen der Marke<br />

Markenherkunft<br />

Positionierung<br />

Glaubwürdigkeit<br />

Symbolischer Nutzen<br />

der Marke<br />

Funktionaler Nutzen<br />

der Marke<br />

Markenmerkmale<br />

(Marken-. Käufer-,<br />

Verwendereigenschaften)<br />

Markenbekanntheit<br />

Abb. 2 Komponenten der Markenidentität und des Markenimage<br />

Quelle: Blinda 2003, S. 27.<br />

335<br />

Blinda definiert die Markenherkunft wie folgt: „Die Markenherkunft stellt<br />

die Gesamtheit aller geographischen, kulturellen und institutionellen Einflüsse<br />

dar, die festlegen von wo, wem oder was eine Marke entstammt.“ 19<br />

Ich möchte mich in meinem Beitrag dieser Definition anschließen.<br />

Im Folgenden werden die Explikationsmodelle der Markenherkunft bis zum<br />

aktuellen Forschungsstand reflektiert und diskutiert.<br />

3.2 State of the Art der Markenherkunftsforschung<br />

Zunächst werden drei bekannte Modelle vorgestellt und auf ihre Stärken und<br />

Schwächen analysiert. Anschließend wird das aktuelle Herkunftsverständnis<br />

dargestellt, mit welchem alle Einflüsse der Markenherkunft erklärt werden<br />

19 Vgl. Blinda 2003, S. 39, auch zu konkreten Zusammenhängen der Markenherkunft auf die<br />

anderen Markenkomponenten, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann.


336<br />

sollen. Die folgenden Ausführungen geben die in diesem Zusammenhang<br />

zentralen Forschungsergebnisse von Blinda 20 in geraffter Form wieder.<br />

3.2.1 Country of Origin-Ansatz (COO)<br />

Der Country of Origin-Ansatz setzt an der Produktebene an. Mittels des<br />

Ansatzes können die Produkte bestimmten Ländern zugeordnet werden. Das<br />

bedeutet, dass die Produkte anhand stereotypischer Eigenschaften und/oder<br />

Kompetenzen mit einzelnen Ländern assoziativ in Verbindung stehen. Als<br />

Beispiel kann Frankreich genannt werden, das für guten Wein steht oder<br />

auch Russland, dem man hohe Kompetenzen in der Kaviarherstellung zuschreibt.<br />

Aber hier enden auch schon die möglichen Vorteile dieses Ansatzes.<br />

Durch die Vielzahl von Schwächen, die dieser Ansatz birgt, ist er nur<br />

sehr beschränkt nutzbar, um die Herkunft einer Marke zu erklären. Nachteile<br />

sind, dass mit der Betrachtungsweise und Zuordnung nicht erklärt werden<br />

kann, warum beispielsweise Autos in einem bestimmten Land produziert<br />

werden, ihre Eigenschaften aber eine andere Herkunft implizieren (sollen)<br />

(z.B. der PKW Fox der Marke VW, der in Brasilien produziert wird, aber als<br />

deutsches Auto gilt). Ein weiterer Nachteil dieses Ansatzes ist, dass er seinen<br />

Untersuchungsfokus nicht auf die Markenebene, sondern ausschließlich<br />

auf die Produktebene richtet. Somit können keine einzelnen Marken, sondern<br />

nur eine Produktgruppe erklärbar gemacht werden. Nachteilig ist außerdem,<br />

dass nur die nationale Herkunftsebene betrachtet wird. Es kann nicht zwischen<br />

verschiedenen Regionen eines Landes unterschieden werden. Zudem<br />

muss an diesem Ansatz kritisiert werden, dass er keine Erklärung für kulturelle<br />

oder institutionelle Einflüsse abbildet. Die kontinuierlich voranschreitende<br />

Globalisierung und die immer stärker werdende Homogenität der Güter<br />

lässt diesen Ansatz veraltet erscheinen.<br />

3.2.2 Brand Origin-Ansatz (BO)<br />

Der Brand Origin-Ansatz stellt in mehrfacher Hinsicht eine Weiterentwicklung<br />

des Country of Origin-Ansatzes dar: Die Betrachtungsweise ist von der<br />

Produkt- zur Markenebene hin verändert. Somit stehen jetzt einzelne Marken<br />

im Vordergrund und nicht weiterhin die Produktgruppen. Darüber hinaus<br />

wird die Herkunftsebene genauer. Das heißt, die Marke kann nicht nur dem<br />

Land, sondern auch einer Region oder einem Ort zugewiesen werden. Die<br />

20 Vgl. ebd., S. 40 ff.


337<br />

Integration von Herkunftshinweisen beeinflusst nun das Markenimage. Im<br />

Gegensatz dazu nahm bei dem COO-Ansatz das Länderimage Einfluss auf<br />

die Qualitätsbewertung der Produkte. Ein weiterer wichtiger Punkt bei dem<br />

BO-Ansatz ist, dass die Konsumentenwahrnehmung in den Vordergrund<br />

rückt. Hierbei ist nun nicht der eigentliche Produktionsort der Marke wichtig,<br />

sondern wie der Konsument die Markenherkunft wahrnimmt. Somit kann<br />

erklärt werden, warum z.B. der New Beatle der Marke VW von Volkswagen<br />

als deutsches Auto wahrgenommen wird, obwohl der eigentliche Produktionsstandort<br />

Mexiko ist. Beispielsweise werden die Produkte des schwedischen<br />

Konzerns IKEA als typisch schwedisch wahrgenommen, obwohl mittlerweile<br />

93% der Produkte außerhalb Schwedens produziert werden. 21 Mit<br />

dem Country of Origin-Ansatz wäre diese Beobachtung nicht erklärbar.<br />

Allerdings weist dieser Erklärungsversuch auch Schwächen auf, die Lücken<br />

entstehen lassen: Brand Origin bezieht sich nur auf die geographische Herkunft<br />

einer Marke, lässt aber die kulturelle und institutionelle Herkunft einer<br />

Marke weiterhin außer Acht. Die Sichtweise des Konsumenten spielt nach<br />

diesem Verständnis eine übergeordnete Rolle. Durch die Sichtweise oder<br />

Wahrnehmung der Herkunft eines Produktes durch den Konsumenten spielt,<br />

wie am IKEA-Beispiel gezeigt, die tatsächliche Herkunft keine Rolle. Für<br />

die identitätsbasierende Markenführung hat die tatsächliche Herkunft aber<br />

eine nicht zu vernachlässigende Relevanz.<br />

3.2.3 Culture of Brand Origin-Ansatz (CBO)<br />

Der Culture of Brand Origin-Ansatz bezieht im Gegensatz zu den beiden<br />

anderen Explikationen auch die kulturelle Herkunft einer Marke mit ein. Da<br />

es sich um eine Weiterentwicklung des BO-Ansatzes handelt, sind Zusammenhänge<br />

gegenüber dem ersten Ansatz zu erkennen. Dieses Markenherkunftsverständnis<br />

geht davon aus, dass die Konsumenten aufgrund internationaler<br />

Unternehmensaktivitäten Probleme damit haben, einzelne Länder als<br />

das Herkunftsland bestimmter Marken zu identifizieren. Weiterhin geht es<br />

davon aus, dass der Konsument stattdessen die kulturelle Herkunft als ein<br />

wesentliches Herkunftsmerkmal einer Marke identifiziert. Als Beispiel kann<br />

die Biermarke BECK´S angeführt werden. BECK`S gilt in den USA als<br />

deutsches Bier. Das Bier repräsentiert eigentlich das Land Deutschland und<br />

nicht dessen Kultur. Viele Amerikaner setzen jedoch Deutschland mit der<br />

21 Vgl. IKEA 2006, S. 14.


338<br />

Region Bayern und mit dessen Kultur und/oder Traditionen gleich. Dieses<br />

macht sich der Braukonzern InBev zunutze, in dem sie jedes Jahr zur Zeit<br />

des Oktoberfestes in den USA ein BECK´S Oktoberfestbier anbietet (vgl.<br />

Abbildung 3). Bei diesem Beispiel versucht die Marke BECK´S einen kulturellen<br />

Hinweis, in diesem Fall auf die bayerische Kultur, in ihr Markenbild<br />

mit einzubauen. Wiederum wird anhand dieses Falls deutlich, dass nicht die<br />

tatsächliche (geographische) Herkunft eine Rolle spielt, sondern erneut die<br />

Sichtweise des Konsumenten. Es handelt sich folglich wieder um einen<br />

imageorientierten Ansatz. Auch bei diesem Erklärungsversuch werden keine<br />

institutionellen Herkunftsmerkmale berücksichtigt. In diesem Kontext existiert<br />

eine klare Trennung zwischen der regionalen und der kulturellen Herkunft.<br />

Eine große Zahl von Konsumenten aber betrachten die Kultur und das<br />

Land als Einheit und nehmen keine Trennung vor.<br />

Abb. 3 Etikett Oktoberfestbier von BECK´S in den USA<br />

Quelle: InBev 2006a.


339<br />

3.2.4 Brand Identity Origin-Ansatz (BIO)<br />

Die drei oben grob skizzierten Ansätze erscheinen aufgrund der Kritikpunkte<br />

nicht vollkommen geeignet für die vorher aufgeführte Definition der Markenherkunft.<br />

Abhilfe bietet nach aktuellem Stand der Forschung der Brand<br />

Identity Origin- Ansatz. Mithilfe dieses Erklärungsversuchs gelingt es<br />

BLINDA auch die institutionellen Einflüsse auf die Markenherkunft mit einzubringen.<br />

Dies ist in den Ansätzen zuvor nicht gelungen. In der folgenden<br />

Abbildung 4 sieht man nun eine gute Zusammenfassung des Brand Identity<br />

Origin-Ansatzes und seiner Bereiche. Das Brand Identity Origin-Modell<br />

vereint somit alle drei Herkunftsmerkmale (kulturelle, institutionelle und<br />

geographische Merkmale) der vorhergehenden Erklärungsansätze zur Markenherkunft<br />

in sich. Hiermit ist es möglich, die Herkunft einer Marke und<br />

die Auswirkungen des Herkunftseffekts auf die Marke umfassend zu greifen<br />

und zu untersuchen.<br />

Geographische Herkunft<br />

Ressourcen und Kompetenzen<br />

Land Region Ort<br />

Unternehmenskompetenzen<br />

Konzernzugehörigkeit<br />

Ressourcen und Kompetenzen<br />

Brand Identity Origin-<br />

Ansatz<br />

Unternehmensmitarbeiter<br />

Institutionelle Herkunft<br />

Abb. 4 Übersicht Brand Identity Origin-Ansatz<br />

Quelle: Blinda, 2003 S. 27.<br />

Kulturelle Herkunft<br />

Geschichte Werte, Normen der<br />

Bevölkerung<br />

Unternehmenshistorie<br />

Unternehmenskultur


340<br />

4 Abstraktion von regionalen Markenstrategien anhand<br />

von Beispielen aus der Metropolregion Bremen-<br />

Oldenburg<br />

4.1 Methodik und Datensammlung<br />

Aufbauend auf den vorherigen Grundlagenkapiteln wird nun ein Transfer der<br />

theoretischen Ergebnisse auf Praxisbeispiele aus der Metropolregion Bremen-Oldenburg<br />

vorgenommen. Hieraus sollen induktiv allgemeine praktisch-konzeptionelle<br />

Implikationen respektive eine weitergehende Systematisierung<br />

für die regionale Markenführung abgeleitet werden. Es werden dabei<br />

die Aussagen- und Argumentationskonzepte der Dachmarke EWE mit den<br />

Regionaltochtermarken EWE TEL und nordcom des EWE-Konzerns (Oldenburg),<br />

der Dachmarke Rügenwalder Mühle der Carl Müller GmbH Co.<br />

KG Wurstfabrik (Bad Zwischenahn) und der Regionalmarke Haake-Beck<br />

des InBev-Konzerns (Bremen) systematisch untersucht und strukturiert. Im<br />

Fokus stehen folgende zentrale Fragen:<br />

− Welchen Geltungsbereich hat die Marke?<br />

− Was sind die wichtigsten Argumentationsstränge in der<br />

Kommunikation? Wie werden die Marken positioniert?<br />

− Wie ist der Stil/die Tonalität der Kommunikation?<br />

Dabei wurde bei der Datensammlung neben den Quellen Mitarbeiterzeitungen<br />

und Fach-/Presseartikel maßgeblich auf den Internetauftritt und die Mediendatenbank<br />

der Unternehmen zurückgegriffen.<br />

4.2 Fallbeispiele des EWE-Konzerns: EWE, EWE TEL und nordcom<br />

4.2.1 EWE<br />

„Als fünftgrößtes deutsches Energieunternehmen ist EWE in der Ems-Weser-Elbe-Region,<br />

in Brandenburg, auf der Ostseeinsel Rügen und in Westpolen<br />

tätig. Der EWE-Konzern bietet ein breites Spektrum an Dienstleistungen<br />

rund um Strom, Erdgas, Telekommunikation, Informationstechnologie


341<br />

und Umwelt. Zum Konzern gehören neben der EWE AG mit Hauptsitz in<br />

Oldenburg weitere Tochter- und Beteiligungsunternehmen22 . Der EWE-<br />

Konzern beschäftigt mehr als 5 400 Mitarbeiter und setzte im Geschäftsjahr<br />

2005 7,4 Mrd. Euro um. Eigentümer der EWE AG sind die Landkreise und<br />

Städte zwischen Ems, Weser und Elbe über den Ems-Weser-Elbe Versorgungs-<br />

und Entsorgungsverband. (…) EWE gehört zu den großen Unternehmen<br />

in der Region und trägt deshalb Verantwortung nicht nur als Energiedienstleister,<br />

sondern auch als bedeutender Arbeitgeber, Auftraggeber,<br />

Investor und Partner der Kommunen und Landkreise. Gegen den Trend<br />

schafft EWE neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze und bildet über den eigenen<br />

Bedarf hinaus aus. Mehr als 200 Jugendliche absolvieren im Konzern eine<br />

gewerblich-technische oder kaufmännische Berufsausbildung. Auch gesellschaftlich<br />

übernimmt EWE Verantwortung und fördert sinnvolle Aktivitäten,<br />

attraktive Veranstaltungen und talentierte Menschen in und aus der Region.<br />

Die EWE Stiftung unterstützt weitere Projekte aus Kunst und Kultur, Wissenschaft<br />

und Forschung, Bildung und Erziehung.“ 23<br />

Mit diesen einleitenden Worten stellt sich der EWE-Konzern auf seiner Internetpräsenz<br />

vor. Dabei wird sofort deutlich, dass die Regionalität neben<br />

Versorgungssicherheit durch ein hochwertiges Leitungsnetz sowie Kunden-,<br />

Familien-, Mitarbeiter- und Umweltorientierung zentraler Bestandteil der<br />

Markenidentität der Dachmarke EWE ist. Hier werden geographische, kulturelle<br />

als auch institutionelle Markenherkünfte eingesetzt, um die Dachmarke<br />

EWE regional aufzuladen. Im EWE-Leitbild steht die Region sogar auf gleicher<br />

Höhe neben Kunden, Markt und Mitarbeiter. 24<br />

Auch in der übrigen Markenkommunikation finden sich eindeutige Hinweise<br />

im Aussagen- und Argumentationskonzept darauf, dass die Dachmarke EWE<br />

auf ihre regionale Markenherkunft hinweist (im hier geltenden Verständnis<br />

von Brand Identity Origin). Die folgende Abbildung 5 gibt einen Einblick<br />

über die aktuelle Imagekampagne anlässlich des 75-jährigen Firmenjubiläums<br />

von EWE.<br />

22 u.a. IuK-Töchter EWE TEL und nordcom (Anmerkung J.H.)<br />

23 EWE 2006a.<br />

24 Vgl. EWE 2006b.


342<br />

Positionierungsargument Tradition/Historie Positionierungsargument Sicherheit<br />

Positionierungsargument Norddeutschland Positionierungsargument Nähe<br />

Abb. 5 Imagekampagne Print EWE 2005: „In der Region <strong>–</strong> für die Region!“ 25<br />

Quelle: EWE 2006c.<br />

Die Positionierungsargumente in der regionalen Markenführung spiegeln<br />

sich in der Dachmarke EWE idealtypisch wider: Tradition/Historie, Sicherheit,<br />

Norddeutschland/Heimat, Nähe/Geborgenheit sowie Leistungsfähigkeit,<br />

Innovation und Nachhaltigkeit. Zu diesem Zweck wird zwischen dem Regionenimage<br />

und dem Leistungsbündel eine Passung hergestellt, indem die<br />

Facetten der norddeutschen Region „energiegeladen“ dargestellt werden<br />

(Wind, Wasser, Sonne und Umwelt). Hierdurch ist im Akzeptanzkonzept der<br />

Marke eine Markentonalität angelegt, die einen positiven symbolisch-emotionalen<br />

Imagetransfer der natürlichen Umweltressourcen auf die Versorgung<br />

mit Strom, Erdgas, Wasser und IT-Lösungen beim Konsumenten vorbereitet.<br />

Das Gelingen dieser Irradiation gilt zweifelsohne als eine notwendige Voraussetzung<br />

zur regionalen Aufladung von Marken in der Kommunikation.<br />

Abgerundet wird diese regionale Markenidentität einerseits durch die Förderung<br />

von erdgasbetriebenen Fahrzeugen und die EWE-NaturWatt GmbH.<br />

25 Vernachlässigt wird an dieser Stelle die Darstellung der Imagekampagne für die Region<br />

Brandenburg/Rügen Nord-Vorpommern.


343<br />

Seit 1998 liefert EWE-NaturWatt ausschließlich Strom aus Sonne, Wind und<br />

Wasser für gut zwei Euro mehr im Vergleich zum allgemeinen Tarif. Andererseits<br />

wird mit einem Demarketing-Ansatz 26 auf die Schonung der natürlichen<br />

und finanziellen Ressourcen hingewiesen: Das EWE-Energie-Sparbuch<br />

für Verbraucher bietet dafür zahlreiche Tipps zum Energiesparen.<br />

Eine im Frühjahr 2005 durchgeführte Markenstudie 27 kam zu dem Ergebnis,<br />

dass die Dachmarke EWE als sehr vertraut und nah am Kunden wahrgenommen<br />

wird. Diese Nähe werde vor allem durch zahlreiche EWE-Service-<br />

Punkte in der Region, durch die seit Anfang des Jahres 2006 an alle Haushalte<br />

im EWE-Gebiet verteilten EWE-Infobriefe sowie eine Vielzahl von<br />

Sponsoringaktivitäten im Bereich Kultur, Sport, Bildung und Wissenschaft<br />

erzielt (vgl. Abbildung 6). Die meisten Kunden schätzten diese Aktivitäten,<br />

würden ihren Förderungsgedanken für die Region erkennen und dankten es<br />

dem Unternehmen mit einer positiven Markenbewertung. EWE wird sogar in<br />

Zukunft noch intensiver als bisher den Kunden in den Fokus aller Überlegungen<br />

mit einer Neuausrichtung der Marketing- und Vertriebsstrategie<br />

stellen. 28 Darunter fiele z.B. ein strategisches Vertriebssteuerungskonzept,<br />

welches es erlauben soll, noch effektiver auf Privat- und Geschäftskunden<br />

akquisitorisch und bindend zuzugehen. Den unterschiedlichen Bedürfnissen<br />

beider Geschäftsbereiche solle somit mehr Rechnung getragen werden.<br />

26 Das Demarketing zielt auf eine Reduzierung der Nachfrage nach bestimmten Gütern ab<br />

(z.B. Tabakwaren, Rohöl oder Strom).<br />

27 Vgl. EWE 2006d, S. 14 u.15.<br />

28 Vgl. EWE 2006e, S. 6-8.


344<br />

Kundenorientierung/-information<br />

(Bsp. u.a. ServicePunkte und Infobrief)<br />

Soziales Engagement<br />

Sucht- und Gewaltprävention in Schulen<br />

(EWE-Cup)<br />

Kultur<br />

(Bsp. Filmfest Oldenburg)<br />

Sport<br />

(Bsp. u.a. [Spitzen]-Sportler im<br />

Bereich Segeln, Surfen,<br />

Basketball [EWE-Baskets],<br />

Handball sowie Kinderfußball)<br />

Wissenschaft<br />

(Bsp. Trendforum<br />

Interne Kommunikation)<br />

Nachhaltigkeit<br />

(Bsp. u.a. EWE-NaturWatt, Förderung von<br />

Erdgasfahrzeugen u. Energiesparbuch)<br />

Abb. 6 Auswahl von Präsenz und Förderung in der Region<br />

Quelle: EWE 2006f, Hunte Report 2006, S. 11 und eigene.


345<br />

4.2.2 EWE TEL und nordcom<br />

Analog zur Muttermarke EWE haben sich die IuK29-Tochtermarken EWE<br />

TEL und nordcom ähnlich markenstrategisch regional aufgestellt.<br />

„Die EWE TEL GmbH ist der junge Telekommunikations-Dienstleister mit<br />

Sitz im Nordwesten. Das 100-prozentige Tochterunternehmen der EWE<br />

Aktiengesellschaft ist mit einem klaren Ziel angetreten: schneller, besser und<br />

näher zu sein. Schneller bei den Kunden, besser in den Lösungen und näher<br />

an den Bedürfnissen der Menschen in der Region. Gestartet im September<br />

1996 ist EWE TEL mit 910 Mitarbeitern heute ein wichtiger Arbeitgeber in<br />

der Region. Zu EWE TEL gehört auch die starke Bremer Marke nordcom30<br />

.“ 31<br />

Bei der Gründung der EWE TEL GmbH 1996 ging es vor allem darum, für<br />

einen vollständigen Telekommunikationswettbewerb in einer Region zu<br />

sorgen, in der andere Telekommunikations-Unternehmen vielleicht erst spät<br />

oder auch gar nicht investiert hätten. 32Aufbauend auf dem Steuerungs- und<br />

Überwachungsnetz der Strom- und Gasleitungen der EWE konnte schon<br />

damals auf ein eigenes Netz zurückgegriffen werden, das bis heute stetig<br />

ausgebaut wird. An diesem Ansatz der Dynamik und Schnelligkeit nach der<br />

Liberalisierung des Telekommunikations-Marktes entfaltet sich ein besonderes<br />

regionales Alleinstellungsmerkmal: Wir tun Gutes für die Region. Produktpolitisch<br />

drückt sich die regionale Verbundenheit z.B. durch den Telefontarif<br />

„Hallo Nachbar“ aus, der mittlerweile auch markenübergreifend<br />

kostenfreie Gespräche zwischen EWE TEL- und nordcom-Kunden ermöglicht.<br />

Im Gegensatz zum Wettbewerb wurde damit ein besonders einfaches<br />

und transparentes Tarifmodell entwickelt und kommuniziert. Das Engagement<br />

für die Region zeigt sich u.a. in dem Sponsoring für den Fußballverein<br />

SV Werder Bremen, dem Evangelischen Krankenhaus in Oldenburg, den<br />

EWE TEL Speedy´s und zahlreichen anderen geförderten Institutionen (vgl.<br />

Abbildung 7). Bei der Analyse der EWE TEL-Kommunikationsinhalte fiel<br />

insgesamt jedoch auf, dass die Marke mit Regionalität nicht in dem Maß<br />

29 IuK = Information- und Kommunikationstechnologie.<br />

30 Hinzu kommen im Portfolio noch die regionalen Marken BREKOM, osnatel, htp und<br />

teleos.<br />

31 EWE TEL 2006a.<br />

32 Vgl. EWE TEL 2006b, S. 2. Allein in dieser kurzen Zielformulierung wird zweimal ein<br />

regionaler Bezug hergestellt.


346<br />

aufgeladen ist, wie es bei der Marke EWE der Fall ist. Aus markenstrategischer<br />

Sicht erscheint eine Verstärkung der Betonung auf die regionale Ausrichtung<br />

der Marke EWE TEL empfehlenswert, gerade wenn für die Zukunft<br />

folgendes Ziel definiert ist: „EWE TEL wird sicher weiter eine Vorreiterrolle<br />

in der regionalen Telekommunikations-Branche einnehmen; längerfristig<br />

verfolgen wir das Ziel, die Telekom zu überholen und stärkster Anbieter in<br />

der Region zu werden.“ 33<br />

Hallo Nachbar-Tarif<br />

(kostenfreies Telefonieren<br />

zwischen EWE TEL-Kunden,<br />

auch markenübrgreifend zu<br />

nordcom-Kunden)<br />

Positionierungsargument:<br />

Vertrauen und Nähe<br />

Relaunch Oktober 2006<br />

(Logo jetzt in Bremer<br />

Landesfarben rot und weiß)<br />

Sponsoring (Bsp. u.a. SV Werder Bremen) EWE TEL Speedy´s beim<br />

Drachenbootrennen<br />

vermittelt durch<br />

besseren<br />

Kundenservice<br />

und<br />

Engagement in<br />

Bremen<br />

Neue Shopgestaltung<br />

(ebenfalls in Bremer<br />

Landesfarben rot und weiß<br />

mit Stehplatzberatung u.<br />

Infodisplays für mehr<br />

Kundennähe)<br />

EWE TEL<br />

nordcom<br />

Sponsoring<br />

(u.a. Bremen Roosters<br />

[Basketball] und Viertelfest)<br />

Abb. 7 Einblick in die regionale Verankerung von EWE TEL und nordcom<br />

Quelle: EWE TEL 2006c, S. 4, 6, 12 u. 13, Pressehaus Bremen und eigene.<br />

Die regionale Bremer und Bremerhavener Marke nordcom 34 bekam im Oktober<br />

2006 sogar aus Gründen einer stärkeren regionalen Aufwertung ein<br />

neues Gesicht. Das Corporate Design wurde verändert. Aus der bisherigen<br />

Erkennungsfarbe blau/sand wurde ein rot/weiß. Somit finden sich nun auch<br />

33 EWE TEL 2006d, S. 5.<br />

34 Der Markenname allein macht den regionalen Geltungsbereich schon deutlich.


347<br />

die Bremer Landesfarben in dem neuen Markenauftritt (vgl. Abbildung 7).<br />

Alles in allem sollte mehr Dynamik und regionale Verbundenheit in den<br />

Bremer Markt gebracht werden. Sogar in den Shops wurden dafür die Sitzgelegenheiten<br />

in der Beratung durch Stehtische abgelöst und mehr Möglichkeiten<br />

der Kundeninformation auf großflächigen Displays an den Wänden<br />

geschaffen. Die Positionierungsargumente, die hinter diesem Markenrelaunch<br />

stecken, sind mehr Nähe und Vertrauen, um auf dem Bremer Markt<br />

der Lokalmatador in der Telekommunikation zu werden. Hierfür bekam die<br />

Marke nordcom eine deutlich symbolisch-emotionalere Markenidentität nach<br />

dem Identity Brand Origin-Ansatz: Eine Marke, die zu Bremen gehören soll.<br />

Der neue Claim unterstreicht diesen tieferen regionalen Anspruch: „Vertrauen<br />

verbindet.“ In der Relaunchkampagne heißt es: „Darüber spricht ganz<br />

Bremen: die neue nordcom und Ihre Leistungen!“ 35 Die auch bisher in Bremen<br />

präsente Marke EWE TEL (Shops, etc.) wurde dafür mehr in der Kommunikation<br />

nach außen auf dem Bremer Markt zurückgenommen. Die Rollenverteilung<br />

der Marken im EWE- Markenportfolio wurde dadurch für<br />

mehr Durchschlagskraft am Markt konsistenter. 36 nordcom bietet zudem<br />

seine Leistungspakete zu geringen Preisen am Bremer Markt an.<br />

4.3 Fallbeispiel Haake-Beck<br />

„Ein weiter Horizont, klare Konturen und eine frische Brise <strong>–</strong> erleben Sie die<br />

Ursprünglichkeit des Nordens! Hier kommt man zur Ruhe, kann sich zurücklehnen<br />

und den Augenblick genießen. Haake Beck <strong>–</strong> das ist der Genuss<br />

des Nordens: ehrlich, offen und frisch. Entdecken Sie den Geschmack einer<br />

Landschaft, die so ehrlich ist wie ihre Menschen. Ein Geschmack, den man<br />

kennt und den man mag. Trotzdem kommt keine Langeweile auf, denn das<br />

Angebot von Haake-Beck ist so individuell und einzigartig wie die Menschen<br />

im Norden. Was sie verbindet, ist der Genuss...“. 37<br />

Mit dieser Aussage stellt das Unternehmen InBev Deutschland (Bremen)<br />

seine regionale Biermarke Haake-Beck im Rahmen einer neuen Kampagne<br />

seit Mai 2006 vor und positioniert sie damit als ein „echtes“ Urgestein aus<br />

35 nordcom 2006.<br />

36 Vgl. dazu auch allgemein zur konsistenten Markenportfolioplanung Raabe 2004,<br />

S. 853-877.<br />

37 InBev 2006b.


348<br />

dem Norden in einzigartiger „Steinie“-Flasche mit den Markenwerten Echtheit,<br />

Ehrlichkeit und Authentizität (vgl. Abbildung 8). 38<br />

Auch dieses eher in Bezug auf Tonalität emotional als funktional angelegte<br />

Aussagen- und Argumentationskonzept der Marke macht deutlich, dass<br />

Norddeutschland mit seiner Kultur und seinen Institutionen die Markenherkunft<br />

zentral prägen (entsprechend dem Brand Identity Origin-Ansatz). So<br />

greift die Marke im Rahmen von vielen speziellen Events den Torfkahn oder<br />

die Weser auf (vgl. Abbildung 8).<br />

Event<br />

Haake-Beck-<br />

BadeinselRegatta®<br />

auf der Weser<br />

Kampagne „Echt“<br />

Positionionierungsargumente:<br />

Echtheit, Ehrlichkeit und Authentizität<br />

Abb. 8 Kampagne der Regionalbiermarke Haake-Beck<br />

Quelle: InBev 2006a u. 2006b, S. 26.<br />

Sponsoring des regionalen<br />

Sympatieträgers SV Werder Bremen<br />

Event<br />

Haake-Beck-<br />

TorfkahnRennen®<br />

an Land<br />

Auch ist die Marke auf vielen bekannten Festen in Norddeutschland präsent,<br />

wie z.B. auf dem Stoppelmarkt in Vechta, den Stadtfesten in Aurich und<br />

Oldenburg sowie dem Brokser Heiratsmarkt in Bruchhausen-Vilsen oder<br />

dem Freimarkt Bremen.<br />

38 Vgl. InBev 2006c, S. 26.


349<br />

4.4 Fallbeispiel Rügenwalder Mühle<br />

Die Rügenwalder Mühle ist eine nationale Dachmarke, unter der deutschlandweit<br />

verschiedene Monomarken vertrieben werden: Rügenwalder Teewurst,<br />

Schinkenspicker, Pommersche und Pommern Spiess (vgl. Abbildung<br />

9). Die Marke gehört zu der Klasse der Konsumgüter. Die Wurzeln des Unternehmens<br />

befinden sich in Rügenwalde, einem kleinen Ort in Pommern.<br />

Dort wurde 1834 der Betrieb „Rügenwalder Mühle“ von Carl Müller gegründet.<br />

Sein Sohn entwickelte schließlich 1903 die bekannte Streichmettwurst.<br />

39 Bis 1945 konnte sich in Rügenwalde eine Fleischwarenindustrie<br />

etablieren, deren bekanntestes Produkt die Teewurst war. 1927 wurde der<br />

Begriff Rügenwalder Teewurst als geographische Herkunftsbezeichnung<br />

rechtlich geschützt. Nach dem zweiten Weltkrieg begann sich der Betrieb in<br />

Niedersachsen neu anzusiedeln: 1946 erst in Westerstede, dann 1956 in Bad<br />

Zwischenahn, wo das Unternehmen bis heute produziert. Mit einem Umsatz<br />

von 135 Millionen Euro (2005) ist die Rügenwalder Mühle einer der größten<br />

Arbeitgeber in der Region neben EWE. Rund 400 Beschäftigte arbeiteten<br />

Ende 2005 für Rügenwalder. 40<br />

Diese Unternehmenshistorie macht deutlich, dass die Markenidentität der<br />

Marke Rügenwalder Mühle stark durch ihre geschichtliche Markenherkunft<br />

geprägt ist. Das Unternehmen beruft sich heute noch auf seine Wurzeln und<br />

bewirbt seine Historie, damit es sich von anderen Fleischfabrikanten durch<br />

regionale Aufladung der Marken distanzieren und absetzen kann.<br />

In der Markenkommunikation finden sich dementsprechend deutliche Hinweise<br />

darauf, dass Rügenwalder kontinuierlich auf seine Historie hinweist.<br />

Nimmt man z.B. die Fernsehspots, so kann man in jedem dieser Spots deutliche<br />

Beispiele regionaler Aufladung erkennen. So ist die „Rügenwalder Mühle“<br />

im Mittelpunkt der Werbung (vgl. Abbildung 9): Es wird eine typisch<br />

ländliche und idyllische Landschaft in der Markenkommunikation mit aufgenommen,<br />

in der die Menschen außerdem historische Landkleidung tragen.<br />

Diese ländliche, natürliche Umgebung, die mit dem Ort Rügenwalde in Verbindung<br />

gebracht wird, soll dem Konsumenten Vertrauen in die Marke geben<br />

<strong>–</strong> in die gute heile Welt von früher. Das natürliche und ländliche Umfeld<br />

wird in der Kommunikation betont und soll auf das Produkt übertragen wer-<br />

39 Vgl. Rügenwalder 2006.<br />

40 Vgl. Gerber 2006, S. 36.


350<br />

den, damit der Konsument automatisch Qualität und Natürlichkeit mit dieser<br />

Marke assoziiert. Dies wird mit dem Hinweis auf die lange Tradition des<br />

Unternehmens verstärkt. Hier werden also auch bewusst geographische,<br />

kulturelle und auch institutionelle Markenherkünfte symbolisch-emotional<br />

vermischt und genutzt, um die Marke regional aufzuladen.<br />

Dachmarkenstrategie<br />

Bsp. für Innovation<br />

Posititionierungsargumente: von natürlich und traditionell über hausgemachte Qualität bis hin zur heilen Welt<br />

und den schönen Kindheitserinnerungen an die „gute, alte Zeit“ in „Rügenwalde“<br />

Abb. 9 Markenstrategie und -kommunikation Rügenwalder Mühle<br />

Quelle: Rügenwalder 2006, Absatzwirtschaft 2003, S. 78, Gerber 2006,<br />

S. 37 und Lebensmittelzeitung 2006, S. 1.<br />

Eine weitere Bestätigung findet sich auf der Internetpräsenz des Unternehmens<br />

und mit Blick auf die Verpackungsgestaltung. Auch hier wird bewusst<br />

mit der Geschichte und der Qualität des Unternehmens geworben. Die „Rügenwalder<br />

Mühle“ ist überall deutllich als Key Visual zu erkennen. Sie<br />

transportiert neben der regionalen Verortung ins idyllischen Rügenwalde als<br />

„heile Welt-Dorf von früher“ zugleich das Positionierungsargument einer<br />

handwerklichen, traditionellen und hausgemachten Qualität, schöne Kindheitserinnerungen<br />

und Natürlichkeit.


351<br />

Das wirklich interessante an diesem Beispiel ist im Vergleich zu den oben<br />

aufgeführten Beispielen des EWE-Konzerns, dass Rügenwalder mit keiner<br />

real existierenden Region wirbt, sondern mit einer Region, die in der heutigen<br />

Zeit namentlich nur noch in Vorstellungsbildern gegenwärtig ist. Durch<br />

die gemeinsame Markentonalität der Dachmarke Rügenwalder Mühle über<br />

alle Monomarken hinweg wird ein identischer funktionaler und emotionaler<br />

Nutzen aufgebaut und wiederum die Dachmarke konsequent gespeist. An<br />

diesem Fallbeispiel zeigt sich eine weitere Anforderung bei der regionalen<br />

Markenführung: die ständige Aktualisierung der Marke durch integrierte<br />

Markenkommunikation und Innovation. Für die Rügenwalder Mühle sei an<br />

dieser Stelle das Beispiel „Frische-Becher“ (September 2005 mit Line Extension<br />

Oktober 2006) für die Marke Rügenwalder Teewurst oder die Rügenwalder<br />

Teewurst „Aktiv“ für Gesundheitsbewusste (Juli 2006) genannt<br />

(vgl. Abbildung 9). Das Unternehmen hat für seine konsequente Dachmarkenstrategie<br />

bisher diverse Marken-Awards erhalten.<br />

5 Synthese der Kommunikationsanalyse und Abstraktion<br />

von Herkunftstypen für die regionale Markenführung<br />

Die oben aufgeführten Beispiele zeigen einen Ausschnitt von Differenzierungsmöglichkeiten,<br />

die für die regionale Markenführung vorstellbar sind.<br />

Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, diese zu strukturieren<br />

und allgemeingültige Anforderungen für die regionale Markenführung abzuleiten.<br />

41<br />

Das vorangehende Fallbeispiel des Unternehmens EWE mit den vorgestellten<br />

regionalen Marken EWE, EWE TEL und nordcom zeigt, dass hier eine<br />

regionale Markenaufladung im Sinne eines regionengebundenen Herkunftskonzepts<br />

(Typ I) vorliegt. Die Marke ist mit der Region fest verankert und<br />

kommuniziert diese Verbundenheit unmissverständlich durch intensive<br />

Kommunikation und Engagement für die Region. Elemente der Region werden<br />

in die Marke transferiert und finden sich in dem Markenauftritt wieder.<br />

Die geographische Lage sowie kulturelle, institutionelle und historische<br />

Eigenheiten der Region fließen in die Marke mit ein - sind hier sozusagen<br />

41 Vgl. zu Vorarbeiten Gerlach 2006, S. 63 ff.


352<br />

„eins“ mit der Marke. Dieses regionengebundene Herkunftskonzept ist eher<br />

auf regionalen und nationalen Absatzmärkten sinnvoll - allein schon aufgrund<br />

eines vorgegebenen regional beschränkten Geltungsbereichs. Das<br />

Konzept kann generell auf alle Gütergruppen angewandt werden. Als besonders<br />

geeignet erscheinen z.B. versorgungsnahe Gebrauchsgüter mit Vertrauens-<br />

und Erfahrungseigenschaften für das Wohnen/den Haushalt.<br />

Das Fallbeispiel Haake-Beck kann unter einem unspezifischen Herkunftskonzept<br />

(Typ II) subsumiert werden. Hiernach gibt es keine spezifischen<br />

geographischen Abgrenzungen einer Region. Hier wird nur mit allgemeinen<br />

Regionentypen geworben, z.B. der Norden wie in diesem Fall. Der Geltungsbereich<br />

der Marke ist durch das Produkt nicht a priori technisch und<br />

ökonomisch eingeschränkt. Durch ein solches Konzept wird es dem Konsumenten<br />

möglich gemacht, sich mit dem Produkt oder der Marke allgemein<br />

zu identifizieren. Er kann seine persönlichen Erfahrungen beispielsweise<br />

über die norddeutsche Region auf die Marke übertragen und in seinem persönlichen<br />

Wahrnehmungsraum konkret verorten. Der Konsument kann dadurch<br />

die Marke mit der eigenen kleineren Heimregion verbinden. Ein Beispiel<br />

hierfür ist auch die Marke „Landliebe“. Das Konzept kann grundsätzlich<br />

auf Konsumgüter jeglicher Art angewandt werden, insbesondere in Produktgruppen,<br />

die eine besondere regionale Verbindung aufbauen können,<br />

etwa Ernährungsprodukte. Auf der anderen Seite können aber nicht alle<br />

Produkte mit jeder beliebigen unspezifischen Region verbunden werden.<br />

Den Erfolg des Fallbeispiels Rügenwalder Mühle kann man einem nostalgiegebundenen<br />

Herkunfts-Konzept (Typ III) zuordnen: Das Konzept beruht<br />

auf vor allem nur in Vorstellungsbildern existenten Regionen, die oftmals<br />

einen historischen Bezug aufweisen und in der Gegenwart nicht mehr in<br />

dieser Form real zuzuordnen sind. Neben der Rügenwalder Mühle ist dafür<br />

das Markenkonzept von Marlboro ein Beispiel („Der wilde Cowboy-Westen“).<br />

Die Markenherkunft ist hauptsächlich in der guten, alten Vergangenheit<br />

verankert. Aus dieser stammen auch die Werte und Bilder, die genutzt<br />

werden, um die Marke regional zu unterfüttern. Verbrauchern wird es dadurch<br />

möglich, sich mit Marken vergangenheitsbezogen zu identifizieren<br />

und sich die „Heimat von früher“ heute im persönlichen Wahrnehmungsraum<br />

zu Eigen zu machen. Tradition wird im positiven Sinn mit Erfahrung<br />

und Qualität verbunden. Für ein solches Konzept eignen sich vornehmlich<br />

Fast Moving Consumer Goods mit entsprechend großem Werbedruck und<br />

regelmäßig neuen Produkten, die nicht nur in einer bestimmten Region „ver-


353<br />

standen“ werden. Das ist nach Musiol unabdingbar und er schildert zugleich,<br />

was im entgegensetzten Fall passieren kann: „Denken Sie nur an den Bären<br />

von Bärenmarke. Der dachte auch einmal, dass ihm die wunderschöne Alpenwelt<br />

ganz allein gehört und seine Heimat ist. Dann kam eine lila Kuhl mit<br />

großem Portemonnaie und schon gehörten ihr die Alpen.“ 42<br />

Komplettierend zu diesen möglichen Typen von regionalen Markenkonzepten<br />

muss noch ein kompetenzbezogenes Herkunftsverständnis (Typ IV)<br />

genannt werden. Bei diesem Konzept wird das Wissen und die Erfahrung<br />

einer bestimmten Region ganz speziell für die Markenkompetenz genutzt. Es<br />

handelt sich dabei in erster Linie um Gebiete mit einer langen Tradition in<br />

bestimmten unternehmerischen Bereichen. So genießt Solingen Kompetenz<br />

in der Stahlverarbeitung oder Meißen in der Porzellanmanufaktur. Es kann<br />

sich dabei um eine kleine Region, z.B. eine Stadt oder ein Ballungszentrum<br />

handeln, aber auch um größere Regionen wie das Silicon Valley, das für<br />

erstklassiges Computer-Know-How steht. Das Konzept kann auf jegliche Art<br />

von Gütern angewandt werden. Allerdings muss die Regionenkompetenz<br />

breit bekannt sein. Erfreuen sich diese Regionen auch internationaler Bekanntheit,<br />

kann dieses Konzept auch international bzw. global angewandt<br />

werden. Die französische Region Champagne ist sehr bekannt für ihren besonderen<br />

Sekt: den Champagner. Die Region Oldenburg-Bremen ist beispielsweise<br />

bekannt für ihren Grünkohl und dem Kohl- und Pinkelessen in<br />

der kühleren Jahreszeit, der/das jedoch schon in Hannover kaum mehr geläufig<br />

ist.<br />

Folgende Abbildung 10 fasst die Systematisierung der Differenzierungspotenziale<br />

durch regionale Markenführung im Kontinuum zwischen dem Pol<br />

„Aus der Region <strong>–</strong> für die Region“ und „regionales und überregionales Spezialitätenmarketing“<br />

zusammen.<br />

Diese in diesem Rahmen nur kurz erläuterbaren Herkunftskonzepte können<br />

nicht ganz trennscharf voneinander betrachtet bzw. genutzt werden. Es wird<br />

bei allen auf eine regional aufgeladene Marke aufgebaut. Auch können unter<br />

Umständen mehrere Konzepte gleichzeitig genutzt werden.<br />

42 Musiol 2006, S. 2.


354<br />

Regionale Marke i.e.S.<br />

„Aus der Regionfür<br />

die Region“<br />

Regionengebundener<br />

Markenherkunfts-Typ I<br />

Regionenunspezifischer<br />

Markenherkunfts-Typ II<br />

Abb. 10 Klassifizierung von regionalen Marken <strong>–</strong> Teil 2<br />

Quelle: Eigene.<br />

6 Fazit<br />

Nostalgieorientierter<br />

Markenherkunfts-Typ III<br />

Kompetenzorientierter<br />

Markenherkunfts-Typ IV<br />

Regionale Marke i.w.S.<br />

Regionales und<br />

überregionales<br />

Spezialitätenmarketing<br />

Für den Aufbau starker Marken ist ein zielgerichtetes Markenmanagement<br />

notwendig. Ein erfolgreiches Markenmanagement zeichnet sich durch die<br />

Schaffung eines positiven, relevanten und unverwechselbaren Image einer<br />

Marke bei den Konsumenten aus. Zu dem Aufbau starker Marken gibt es<br />

verschiedene Ansätze. Im vorliegenden Artikel wurde der identitätsbasierte<br />

Ansatz als Möglichkeit zum strategischen Aufbau starker Marken thematisiert.<br />

Die Herkunft steht dabei im Mittelpunkt der Untersuchung. Anhand<br />

dieser Herkunft wurden über die Analyse von Fallbespielen aus der Metropolregion<br />

Bremen-Oldenburg Möglichkeiten aufgezeigt, wie Marken regional<br />

eingefärbt werden können und dazu genutzt werden, um sie von anderen<br />

Marken dadurch erfolgreich zu differenzieren. Gerade in Zeiten zunehmender<br />

Globalisierung und globaler Marken liegt in der regionalen symbolisch-


355<br />

emotionalen Markenführung ein großes Potenzial. Von Seiten der Medien<br />

bieten sich hierfür mittlerweile gute Möglichkeiten an, seine Marke „nur“<br />

oder speziell in einem regional begrenzten Raum zu bewerben, z.B. mit dem<br />

Angebot für Nordrhein-Westfalen „Ganz groß raus kommen“ der ARD Werbung<br />

Sales & Services43 oder durch Möglichkeiten der Regionalbelegungen<br />

im Stern nach den Nielsen-Gebieten44 . Auch langjährig in der Region verankerte<br />

Werbeagenturen können sehr gute Impulse bei der regionalen Aufladung<br />

einer Marke schöpfend aus langer Erfahrung geben.<br />

Wer markenstrategisch „König“ sein möchte, sollte nicht nur das ganze Land<br />

oder die Welt im Blick haben, sondern an die Kraft in und aus der Region<br />

denken. Versteht man Marketing im Sinne einer konsequenten Marktorientierung<br />

mit gesellschaftlicher Verantwortung, so ist das eingangs verwendete<br />

Motto dieses Artikels „Daheim bin ich König“ natürlich nicht aus Unternehmenssicht<br />

zu interpretieren. Der Kunde ist der König. Diese einzige<br />

Quelle für den ökonomischen Erfolg eines Unternehmens muss man sich<br />

stets vor Augen halten - gerade bei einer rein regional ausgerichteten Marke.<br />

Die Menschen richten sich immer in einer Region ein und suchen darin nach<br />

Orientierungshilfen, die insbesondere auch von regionalen Marken auf vielfältige<br />

Art ausgehen können. Aber auch darüber hinaus liefert ein regionaler<br />

Bezug für überregional distribuierte Marken strategische Differenzierungsvorteile.<br />

Literatur<br />

Aaker, D.A. (1996): Building Strong Brands. New York.<br />

Absatzwirtschaft (2003): Schinkenspicker macht Appetit auf mehr. In: Absatzwirtschaft<br />

marken 2003, S. 78.<br />

Adjouri, N. (2002): Die Marke als Botschafter <strong>–</strong> Markenidentität bestimmen<br />

und entwickeln. Wiesbaden.<br />

ARD Werbung Sales & Services (2006): Groß rauskommen mit regionaler<br />

TV-Werbung. Internet: http://www.wdr-mediagroup.com/ showfile.phtml/bro_tvregional_rz.pdf?foid=3596.<br />

Zugriff am 18.09.2006.<br />

43 Vgl. dazu ARD Werbung Sales & Services 2006.<br />

44 Vgl. dazu G+J media 2005.


356<br />

Blinda, L. (2003): Relevanz der Markenherkunft für die identitätsbasierte<br />

Markenführung. In: Burmann, C.: (Hrsg.): LiM-Arbeitspapiere Nr. 2.<br />

Lehrstuhl für innovatives Management. Bremen. 2003.<br />

Enke, M./Geigenmüller, A. (2004): Markenführung für regionale Marken.<br />

In: Bruhn, M. (Hrsg.): Handbuch Markenführung, 2. Aufl., Bd. 3,<br />

Wiesbaden, S. 2376-2390.<br />

EWE (2006a): EWE-Folder zum Leitbild. Oldenburg.<br />

EWE (2006b): EWE-Unternehmensporträt. Internet: http://www.ewe.de/<br />

3165_1170.php. Zugriff am 15.09.2006.<br />

EWE (2006c): EWE-Imagekampagne Print 2005 „In der Region- für die<br />

Region!“. Internet: http://www.ewe.de/3165_3714.php. Zugriff am<br />

15.09.2006.<br />

EWE (2006d): EWE <strong>–</strong> eine starke Marke in der Region (verfasst von Katja<br />

Kramer). In: EWE (Hrsg.): InTeam: Das Magazin von uns für uns. Nr.<br />

1, Februar 2006, S. 14-15.<br />

EWE (2006e): EWE überarbeitet Vertriebs- und Marketingstrategie. In:<br />

EWE (Hrsg.): InTeam: Das Magazin von uns für uns. Nr. 6, Juli 2006,<br />

S. 6-8.<br />

EWE (2006f): EWE-Internetauftritt insgesamt. Internet: http://www.ewe.de.<br />

Zugriff am 15.09.2006.<br />

EWE TEL (2006a): EWE TEL <strong>–</strong> starker Partner rund um Telefonie und<br />

Internet. Internet:<br />

http://www.ewetel.de/tel/unternehmen/ewetel_gk_5517.php. Zugriff<br />

am 16.09.2006.<br />

EWE TEL (2006b): Herzlichen Glückwunsch, EWE TEL! (verfasst von<br />

Gerd Lottmann). In: EWE TEL (Hrsg.): HOTLINE: Das Mitarbeitermagazin<br />

von EWE TEL, nordcom, osnatel, BREKOM und htp. Nr. 4,<br />

September 2006, S. 2-3.<br />

EWE TEL (2006c): HOTLINE: Das Mitarbeitermagazin von EWE TEL,<br />

nordcom, osnatel, BREKOM und htp. Nr. 4, September 2006. Oldenburg.<br />

EWE TEL (2006d): Interview mit Heiko Harms zu: EWE TEL feiert den<br />

zehnten Geburtstag. In: EWE (Hrsg.): InTeam: Das Magazin von uns<br />

für uns. Nr. 7, August/September 2006, S. 4-5.


357<br />

G+J media (2005): Regionalbelegungen im stern 2005. Internet:<br />

http://www.gujmedia.de/_content/20/26/202691/Regionalbelegung_ste<br />

rn_2006.pdf, Zugriff 22.10.2006.<br />

Geigenmüller, A. (2003): Regionale Marken und Konsumentenverhalten:<br />

Konsequenzen für die Markenführung. In: Enke, M. (Hrsg.): Integratives<br />

Marketing: Wissenstransfer zwischen Theorie und Praxis. Wiesbaden<br />

2003.<br />

Gerber, R. (2006): Das Geheimnis der Teewurst. In: Werben & Verkaufen,<br />

Nr. 31, 2006, S. 36-37.<br />

Gerlach, M. (2006): Möglichkeiten zur Differenzierung durch regional aufgeladene<br />

Marken (Diplomarbeit). Oldenburg.<br />

Hunte Report (2006): VfL ist für richtungsweisende Woche gerüstet. In:<br />

Hunte Report, 18.10.2006, S. 11.<br />

IKEA (2006): Daten und Fakten 2006: Der IKEA Konzern 2006. Internet:<br />

http://www.ikea.com/ms/de_CH/about_ikea/facts_figures/Figures06/F<br />

F06_DE_low.pdf, Zugriff am 16.01.2007, S. 1-16.<br />

InBev (2006a): Internationale Bieretiketten. Internet.<br />

http://www.becks.de/unternehmen/index.asp?m1=0&m2=2, Zugriff am<br />

01.09.2006.<br />

InBev (2006b): Marke Haake-Beck. Internet: http://www.beckundco.de/<br />

unternehmen/index.asp?m1=3. Zugriff am 17.09.2006.<br />

InBev (2006c): Der Sommer mit Haake-Beck. In: InBev (Hrsg.): Einblicke.<br />

Magazin für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von InBev Deutschland,<br />

Nr. 1, 2006, S. 26-27.<br />

Kapferer, J.-N. (1992): Die Marke <strong>–</strong> Kapital des Unternehmens. Landsberg/<br />

Lech.<br />

Lebensmittelzeitung (2006): Anzeige Rügenwalder: Erfolg im Becher, Teil<br />

2! In. Lebensmittelzeitung, Nr. 41, 13. Oktober 2006, S. 1.<br />

Meffert, H./Burmann, C. (2002a): Wandel in der Markenführung <strong>–</strong> vom<br />

instrumentellen zum identitätsorientierten Markenverständnis. In: Meffert,<br />

H./Burmann, C../Koers, M. (Hrsg): Markenmanagement <strong>–</strong> Grundfragen<br />

der identitätsorientierten Markenführung. Wiesbaden, S.17-33.<br />

Meffert, H./Burmann, C. (2002b): Theoretisches Grundkonzept der identitätsorientierten<br />

Markenführung In: Meffert, H./Burmann, C./Koers, M.


358<br />

(Hrsg): Markenmanagement <strong>–</strong> Grundfragen der identitätsorientierten<br />

Markenführung. Wiesbaden, S.35-72.<br />

Musiol, K.G. (2005): Heimat <strong>–</strong> und wo sind Sie zu Hause? Beitrag für Musiols<br />

Kolumne in Markenartikel Januar 2005. Internet: http://www.iconadded-value.de/deutsch/presse/pdf/musiol_2005/heimat_und_wo_sind_sie_zu_h<br />

ause.pdf. Zugriff am 09.07.2006, S. 1-2.<br />

nordcom (2006): nordcom-Citycard “Reden ist Silber. Schweigen ´schön<br />

blöd!“. Bremen.<br />

Raabe, T. (2004): Markenbereinigungsstrategie. In: Bruhn, M. (Hrsg.):<br />

Handbuch Markenführung, 2. Aufl., Bd. 1, Wiesbaden, S. 853-877.<br />

Rügenwalder (2006): Rügenwalder Internetauftritt insgesamt. Internet:<br />

http://www.ruegenwalder.de, Zugriff am 18.09.2006.


Autorinnen und Autoren<br />

Bonn, Udo, Dipl.- Oec.<br />

Udo Bonn ist seit September 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand<br />

an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Volkswirtschaftslehre,<br />

Fachgebiet <strong>Wirtschaft</strong>stheorie bei Prof. Dr. H. Welsch.<br />

Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Geldpolitik,<br />

sowie der Entwicklung der EU-Länder nach der einheitlichen Geldpolitik.<br />

Hierbei liegt der Fokus auf konvergente/divergente ökonomische Entwicklungen<br />

und deren Messbarkeit.<br />

Kontakt: udo.bonn@uni-oldenburg.de, URL://www.uni-oldenburg.de/wt-<br />

/403.html. Institut für Volkswirtschaftslehre und Statistik, Carl von Ossietzky<br />

Universität Oldenburg, Postfach 2503, 26111 Oldenburg<br />

Chege, Victoria LL.M, LL.M Eur.<br />

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Europäisches <strong>Wirtschaft</strong>srecht<br />

an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg mit den Forschungsschwerpunkten<br />

Gleichheit und Diskriminierung im <strong>Recht</strong> der EG; Europäisches<br />

<strong>Wirtschaft</strong>srecht. Studium der <strong>Recht</strong>swissenschaften <strong>–</strong> Schwerpunkt<br />

Völkerrecht.<br />

Kontakt: victoria.chege@uni-oldenburg.de, Institut für <strong>Recht</strong>wissenschaften,<br />

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg<br />

Duensing, Martin, Dip.-Vw.<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Volkswirtschaftslehre und<br />

Statistik, AB Finanzwissenschaft, an der Carl von Ossietzky Universität<br />

Oldenburg mit den Forschungsschwerpunkten Besteuerung und Familienökonomie.<br />

Studium der Volkswirtschaftslehre. Berufliche Erfahrungen als<br />

Mitarbeiter an HWWA in Hamburg in Kooperation mit der Gesellschaft für<br />

Technische Zusammenarbeit (GTZ).


360<br />

Kontakt: martin.duensing@uni-oldenburg.de, URL://www.uni-oldbenburg.de/fiwi,<br />

Institut für Volkswirtschaftslehre und Statistik, Carl von Ossietzky<br />

Universität Oldenburg, Postfach 2503, 26111 Oldenburg<br />

Eiselt, Andreas, Dipl.-Kfm.<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre/Rechnungswesen<br />

der Universität Oldenburg mit den Forschungsschwerpunkten<br />

nationale und internationale Rechnungslegung, Bilanzpolitik<br />

und Jahresabschlussanalyse. Studium der Betriebswirtschaftslehre mit juristischem<br />

Schwerpunkt. Berufliche Erfahrungen als Prüfungsassistent bei einer<br />

mittelständischen <strong>Wirtschaft</strong>sprüfungsgesellschaft.<br />

Kontakt: andreas.eiselt@uni-oldenburg.de, www.uni-oldenburg.de/rewe,<br />

Institut für Betriebswirtschaftslehre und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik, Universität<br />

Oldenburg, Postfach 2503, 26111 Oldenburg<br />

Fink, Matthias, Dr. rer. soc. oec.<br />

Universitätsassistent und Habilitand am Institut für Betriebswirtschaftslehre<br />

der Klein- und Mittelbetriebe und Senior Researcher am RiCC <strong>–</strong> Forschungsinistitut<br />

für Kooperationen und Genossenschaften der <strong>Wirtschaft</strong>suniversität<br />

Wien. Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Entrepreneurship an der Carl von<br />

Ossietzky Universität Oldenburg. Studium der Betriebswirtschaftslehre an<br />

der <strong>Wirtschaft</strong>suniversität Wien. Stipendiat der Österreichischen Akademie<br />

der Wissenschaften.<br />

Kontakt: matthias.fink@wu-wien.ac.at, URL: http://www.wuwien.ac.at/kmb/.<br />

Institut für Betriebswirtschaftslehre der Klein- und Mittelbetriebe,<br />

<strong>Wirtschaft</strong>suniversität Wien, Augasse 2-6, A-1090 Wien, Österreich<br />

Graue, Bettina, Dr. jur.<br />

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Arbeitsrecht der Carl von<br />

Ossietzky Universität Oldenburg mit den Forschungsschwerpunkten Arbeitsrecht,<br />

Öffentliches Dienstrecht, Europarecht, Gleichstellungsrecht. Studium<br />

der <strong>Recht</strong>swissenschaften an der Universität Bremen. Tätigkeiten in der<br />

Gerichtsbarkeit und Lehre an der Universität Bremen, Fachhochschule für


361<br />

öffentliche Verwaltung Bremen und im Rahmen von Fort- und Weiterbildungen<br />

für Betriebs- und Personalräte, Frauenbeauftragte und Mitarbeiter/<br />

innen.<br />

Kontakt: bettina.graue@uni-oldenburg.de; Institut für <strong>Recht</strong>swissenschaften,<br />

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Uhlhornsweg, 26111 Oldenburg<br />

Hammermeister, Jörg, Dipl.-Oec.<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Absatz und Marketing an<br />

der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg mit dem Forschungsschwerpunkt<br />

Integrierte Markenführung. Studium der <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften<br />

und Betriebswirtschaftslehre. Berufliche Erfahrungen als Angestellter der<br />

BMW AG, als Mitarbeiter der ecco Unternehmensberatung GmbH und als<br />

Lehrbeauftragter in diversen Studiengängen.<br />

Kontakt: joerg.hammermeister@uni-oldenburg.de, URL://www.uni-oldbenburg.de/marketing,<br />

Institut für Betriebswirtschaftslehre und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik,<br />

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Postfach 2503, 26111<br />

Oldenburg<br />

Heinicke, Thomas, Dr. iur., LL.M.<br />

<strong>Recht</strong>sreferendar beim OLG Oldenburg und Tutor an den Lehrstühlen für<br />

Arbeitsrecht und für Öffentliches <strong>Wirtschaft</strong>srecht an der Universität Oldenburg.<br />

Studium der <strong>Recht</strong>swissenschaft in Düsseldorf, Köln und Kapstadt.<br />

Promotion an der Universität zu Köln zu einem umweltverfassungsrechtlichen<br />

Thema.<br />

Kontakt: heinickes@web.de, URL:www.uni-oldenburg.de/fk2/InstRW/arre/-<br />

18958.html, Institut für <strong>Recht</strong>swissenschaften, Postfach 2503, 26111 Oldenburg<br />

Höner, Dirk, Dipl.-Kfm.<br />

Doktorand am Lehrstuhl für Unternehmensführung und betriebliche Umweltpolitik<br />

an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Studium der<br />

Betriebswirtschaftslehre an der Universität Oldenburg und der University of<br />

Calgary, Kanada. Praktische Erfahrungen in der externen Unternehmensbe-


362<br />

ratung und in der Meta-Beratung sowie Lehrbeauftragter im Bereich Unternehmensführung.<br />

Mitglied der Forschergruppe Consulting Research (CORE)<br />

an der Universität Oldenburg.<br />

Kontakt: dirk.hoener@consulting-research.de<br />

Kastrup, Julia, Diplom-Oecotrophologin<br />

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Berufs- und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik<br />

der Universität Hamburg; von Februar 2002 bis Mai 2006 am Fachgebiet<br />

Berufs- und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik an der Carl von Ossietzky Universität<br />

Forschungsschwerpunkte: Berufliche Umweltbildung und Umweltkommunikation<br />

in Unternehmen, Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung<br />

sowie Bedarfsanalysen in der beruflichen Bildung. Studium der<br />

Oecotrophologie an der Fachhochschule Münster. Berufliche Erfahrungen<br />

als wissenschaftliche Beraterin bei der Behörde für Stadtentwicklung und<br />

Umwelt der Freien und Hansestadt Hamburg im Rahmen der Initiative<br />

„Hamburg lernt Nachhaltigkeit“ sowie als persönliche Assistentin des geschäftsführenden<br />

Vorstandes und Mitarbeiterin im Projektmanagement beim<br />

Bundesdeutschen Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management e. V.<br />

(B.A.U.M.).<br />

Kontakt: jkastrup@ibw.uni-hamburg.de, URL:// http://www.ibw.uni-hamburg.de<br />

/personen/mitarbeiter/Kastrup/index_kastrup.html, Institut für Berufs- und<br />

<strong>Wirtschaft</strong>spädagogik, Universität Hamburg, Sedanstraße 19, 20146 Hamburg<br />

König, Susanne, Dr. rer. Pol. (Dipl.-Kffr./Dipl.-Hdl.)<br />

Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Organisation und Personal an<br />

der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Sie hat sich in mehreren empirischen<br />

Forschungsprojekten mit Fragen der Personalauswahl und -entwicklung<br />

beschäftigt. Weitere Forschungsschwerpunkte: Verhandlungskulturen,<br />

industrielle Beziehungen, psychologische Vertragsforschung, Gleichstellungspolitik,<br />

Folgen des demographischen Wandels für den Arbeitsmarkt.<br />

Kontakt: susanne.koenig@uni-oldenburg.de, URL://www.uni-oldenburg.de-<br />

/orgpers/, Institut für Betriebswirtschaftslehre und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik,<br />

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Postfach 2503, 26111 Oldenburg


363<br />

Kraus, Sascha, Dr. rer. soc. oec.<br />

Assistent und Habilitand am Lehrstuhl für Entrepreneurship an der Carl von<br />

Ossietzky Universität Oldenburg. Studium der Betriebswirtschaftslehre an<br />

den Universitäten Köln und Siegen, der University of California, Los Angeles<br />

(USA) und der Hogeschool Zeeland (NL). Promotion an der Universität<br />

Klagenfurt. Lehrbeauftragter an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder,<br />

der <strong>Wirtschaft</strong>suniversität Wien und der Hochschule Vechta.<br />

Kontakt: sascha.kraus@uni-oldenburg.de, URL: http://www.uni-oldenburg.de/fk2/entrepreneurship.<br />

Institut für Betriebswirtschaftslehre und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik,<br />

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Postfach 2503,<br />

26111 Oldenburg<br />

Mahlmann, Heidemarie, Dipl. Pädagogin<br />

Mitarbeiterin im Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung (ZWW) und<br />

in der Stabsstelle Personal- und Organisationsentwicklung der Universität<br />

Oldenburg.<br />

Kontakt: heidemarie.mahlmann@uni-oldenburg.de<br />

Menz, Tobias, Dipl.-Vw.<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für <strong>Wirtschaft</strong>stheorie am Institut<br />

für Volkswirtschaftslehre und Statistik der Carl von Ossietzky Universität<br />

Oldenburg mit den Forschungsschwerpunkten Demographischer Wandel und<br />

Umweltökonomie. Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität<br />

Konstanz inklusive zweier Austauschsemester an der Université du Québec à<br />

Montréal in Kanada.<br />

Kontakt: tobias.menz@uni-oldenburg.de, URL:www.uni-oldenburg.de-<br />

/wt/12164.html, Institut für Volkswirtschaftslehre und Statistik, Carl von<br />

Ossietzky Universität Oldenburg, 26111 Oldenburg<br />

Mester, Britta Alexandra, Ass. jur.<br />

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches <strong>Recht</strong>, Handels-<br />

und Gesellschaftsrecht sowie <strong>Recht</strong>sinformatik an der Carl von Os-


364<br />

sietzky Universität Oldenburg. Referentin im Rahmen des Erasmus/Sokrates<br />

Programms „Dozentenmobilität“ an der Partneruniversität Le Havre in<br />

Frankreich, Lehrveranstaltungen, Veröffentlichungen und Vorträge bei nationalen<br />

und internationalen Konferenzen u.a. zu den Themen: Datenschutz,<br />

individuelles und kollektives Arbeitsrecht, Wettbewerbsrecht, Online-<strong>Recht</strong>.<br />

Vorsitzende des Fachausschusses Arbeitsrecht der Deutschen Gesellschaft<br />

für <strong>Recht</strong> und Informatik (DGRI), 2003-2005 Frauenbeauftragte des Institut<br />

für <strong>Recht</strong>swissenschaften, seit 9/2003 Datenschutzbeauftragte der Carl von<br />

Ossietzky Universität Oldenburg..<br />

Kontakt: britta.mester@uni-oldenburg.de, URL://www.uni-oldbenburg.de,<br />

Institut für <strong>Recht</strong>swissenschaften, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg,<br />

Postfach 2503, 26111 Oldenburg<br />

Meyerholt, Ulrich, Dr. jur., Diplom Kaufmann<br />

Akademischer Rat am Lehrstuhl für Öffentliches <strong>Wirtschaft</strong>srecht. Arbeitsschwerpunkte<br />

liegen im Umweltrecht, im <strong>Wirtschaft</strong>sverwaltungsrecht, im<br />

Allgemeinen und Besonderen Verwaltungsrecht und im Presserecht. Forschungsthemen<br />

liegen im Bereich Umweltrecht, <strong>Wirtschaft</strong>srecht und Presserecht.<br />

Kontakt: Ulrich.Meyerholt@uni-oldenburg.de. Institut für <strong>Recht</strong>swissenschaften<br />

der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Postfach 2503,<br />

26111 Oldenburg.<br />

Morana, Romy, Dr.rer.pol.<br />

Freiberuflich tätig mit den Forschungsschwerpunkten Kreislaufwirtschaft,<br />

Produktkreisläufe und Betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement. Nach einer<br />

Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau Studium der Betriebswirtschaft<br />

an der Technischen Universität Berlin sowie eines interdisziplinären<br />

Aufbaustudium Umweltwissenschaften an der Freien Universität Berlin.<br />

Berufliche Erfahrungen in der Umweltberatung kleiner und mittelständischer<br />

Unternehmen und als Lehrbeauftragter in diversen Studiengängen und Hochschulen.<br />

Kontakt: Morana @gruen-der-zeit.de


365<br />

Müller, Sarah, Dipl.-Hdl.<br />

Ausbildung zur Bankkauffrau. Studium des Lehramts an berufsbildenden<br />

Schulen (<strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften, Englisch). Seit September 2005 wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin und Doktorandin im Fachgebiet Berufs- und<br />

<strong>Wirtschaft</strong>spädagogik an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.<br />

Arbeitstitel der Promotion: Methoden zur Erfassung epistemologischer Überzeugungen<br />

von Studierenden <strong>–</strong> eine empirische Vergleichsstudie.<br />

Kontakt: sarah.mueller@uni-oldenburg.de, URL://www.uni-oldenburg.de/bwp,<br />

Institut für Betriebswirtschaftslehre und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik, Carl<br />

von Ossietzky Universität Oldenburg, Postfach 2503, 26111 Oldenburg<br />

Rehling, Mette, Dipl.-Kffr.<br />

Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Organisation und Personal an<br />

der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Lehr- und Forschungsschwerpunkte:<br />

Personalentwicklung, insbesondere Evaluation und Controlling<br />

von Personalentwicklung, Organisationstheorien.<br />

Kontakt: mette.rehling@uni-oldenburg.de, URL://www.uni-oldenburg.de/orgpers/,<br />

Institut für Betriebswirtschaftslehre und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik,<br />

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Postfach 2503, 26111<br />

Oldenburg<br />

Reich, Bettina, Dipl.-Oec./Dipl.-Kffr.<br />

Studium der <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften und Betriebswirtschaftslehre mit<br />

juristischem Schwerpunkt an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg<br />

sowie Auslandsstudium an der Universität Paris-Sorbonne im Rahmen eines<br />

Programms mit der Industrie- und Handelskammer Paris. Seit 2000 Mitarbeiterin<br />

und seit 2002 Doktorandin am Fachgebiet Öffentliches <strong>Wirtschaft</strong>srecht<br />

von Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Götz Frank an der Carl von Ossietzky<br />

Universität Oldenburg. Stipendiatin der Heinz-Neumüller-Stiftung im Jahre<br />

2004. Forschungsschwerpunkte: Markenführung und <strong>Recht</strong>.<br />

Kontakt: bettina.reich@artis.uni-oldenburg.de, http://www.uni-oldenburg.de/<br />

fk2/InstRW/oeffwr/1225.html, Institut für <strong>Recht</strong>swissenschaften, Carl von<br />

Ossietzky Universität Oldenburg, Postfach 2503, 26111 Oldenburg


366<br />

Rubens-Laarmann, Anne, Dipl.-Kauffr.<br />

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Weiterbildung, Lehrstuhl<br />

für Organisationsforschung, Weiterbildungs- und Sozialmanagement, Universität<br />

Dortmund. Studium der Betriebswirtschaftslehre mit juristischem<br />

Schwerpunkt; Forschungsschwerpunkte: Medienmarketing, Unternehmenskommunikation,<br />

Marketing und Gesellschaft. Berufliche Erfahrung als wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin am Fachgebiet Marketing der Carl von Ossietzky<br />

Universität Oldenburg, im Bereich Marktforschung, Marketingberatung<br />

und Verlagswesen sowie als Lehrbeauftragte in der Weiterbildung an den<br />

Universitäten Oldenburg und Vechta.<br />

Kontakt: anne.rubens@uni-dortmund.de; URL://www.zfw.uni-dortmund.de,<br />

Zentrum für Weiterbildung, Universität Dortmund, Hohe Str. 141, 44139<br />

Dortmund<br />

Schulz, Ann-Christine, Dipl.-Vw.<br />

Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin an der Stiftungsprofessur<br />

für Entrepreneurship der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Studium<br />

der Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und<br />

an der University of Glasgow (Schottland). Beratende Tätigkeiten für das<br />

Ministerium für <strong>Wirtschaft</strong>, Arbeit und Verkehr des Landes Schleswig-<br />

Holstein. Lehraufträge in Volkswirtschaftslehre und Entrepreneurship.<br />

Kontakt: ann.c.schulz@uni-oldenburg.de, URL://www.uni-oldenburg.de/fk2/<br />

entrepreneurship/<br />

Schulze, Herbert, Dr.rer.pol<br />

Wissenschaftlicher Angestellter im Bereich Organisation und Personal, Carl<br />

von Ossietzky Universität Oldenburg. Lehr- und Forschungsschwerpunkte:<br />

Human Resource Management, Internationales und interkulturelles Personalmanagement.<br />

Studium der Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Bremen<br />

und Hamburg. Mehrjährige Tätigkeit in einem deutschen Großkonzern,<br />

mehrjährige Erfahrung mit zahlreichen studentischen Projekten in Unternehmen.<br />

Kontakt: herbert.schulze@uni-oldenburg.de


367<br />

Siehlmann, Günter, Dr. phil.<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Berufs- und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik<br />

an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg mit den Forschungsschwerpunkten<br />

Bildung für nachhaltige Entwicklung, Schulentwicklung,<br />

betriebliche Weiterbildung und Beratung. Studium der <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften<br />

und Erziehungswissenschaften. Berufliche Erfahrungen als Geschäftsführer<br />

einer Bildungseinrichtung, Trainer und Berater für Unternehmen<br />

und Schulen.<br />

Kontakt: guenter.siehlmann@uni-oldenburg.de, URL://www.uni-oldenburg.de/bwp,<br />

Institut für Betriebswirtschaftslehre und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik,<br />

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Postfach 2503, 26111 Oldenburg<br />

Simmel, Annika, (Ass. jur.; Dipl. Kauffrau cand.)<br />

Referentin beim Senator für <strong>Wirtschaft</strong> und Häfen in Bremen mit den Arbeitschwerpunkten<br />

Bilanz- und Finanzrecht, Aufsicht nach dem Börsen- und<br />

dem Unternehmensbeteiligungsgesetz, Betreuung von Aufsichtratsmandaten,<br />

<strong>Recht</strong>sangelegenheiten und betriebswirtschaftliche Beratung. Bis Juli 2006<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Weiterbildung und Bildungsmanagement<br />

(we.b), Prof. Dr. Anke Hanft und dem Institut für Bürgerliches<br />

<strong>Recht</strong> und Handels- und Gesellschaftsrecht, Prof. Dr. Jürgen Taeger<br />

an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg im Projekt Mawest.<br />

Kontakt: annikasimmel@gmx.de<br />

Tredop, Dietmar, Dipl.-Hdl.<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Berufs- und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik<br />

an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg mit den Forschungsschwerpunkten<br />

Weiterbildungs-Controlling, Schulautonomie, <strong>Wirtschaft</strong>sdidaktik.<br />

Studium der <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften, Soziologie und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik/-didaktik.<br />

Kontakt: dietmar.tredop@uni-oldenburg.de, URL://www.uni-oldenburg.de/bwp/7488.html,<br />

Institut für Betriebswirtschaftslehre und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik,<br />

Fachgebiet BWP Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Postfach<br />

2503, 26111 Oldenburg


368<br />

Wengelowski, Peter, Dr. rer. pol.<br />

Lehrbeauftragter an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät<br />

II, Institut für Betriebswirtschaftslehre und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik, Professur<br />

für Organisation und Personal. Hauptamtlicher Dozent und Projektmanager<br />

an der Leibniz-Akademie Hannover. Freiberuflicher Berater in vielfältigen<br />

Change-Projekten. Forschungsgebiete: Human and Organization Development,<br />

Wissensmanagement, internationales Management und kontextorientierte<br />

Unternehmenssteuerung.<br />

Kontakt: peter.wengelowski@uni-oldenburg.de.<br />

Westhaus, Magnus, Dr. rer. pol.<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Produktion und Umwelt an<br />

der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg mit den Forschungsschwerpunkten<br />

Supply Chain Controlling, Supply Chain Management und Controlling.<br />

Studium der <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften und Betriebswirtschaftslehre.<br />

Berufliche Erfahrungen als Angestellter im logistischen Dienstleistungsbereich<br />

und als Lehrbeauftragter in diversen Studiengängen.<br />

Kontakt: magnus.westhaus@uni-oldenburg.de, URL://www.uni-oldenburg.de/produktion,<br />

Institut für Betriebswirtschaftslehre und <strong>Wirtschaft</strong>spädagogik,<br />

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Postfach 2503, 26111<br />

Oldenburg<br />

Wulf, Inge, Dr. rer. pol.<br />

Vertreterin der Professur „Betriebswirtschaftslehre/Unternehmensrechnung“<br />

an der Technischen Universität Clausthal. Nach kaufmännischer Ausbildung<br />

und Praxis in der Industrie, Studium der <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften in Oldenburg<br />

und Exeter (1990-1995), anschließend Promotion zum Thema „Stille<br />

Reserven im Jahresabschluss nach US-GAAP und IAS“ im Jahr 2001 an<br />

der Universität Oldenburg (Univ.-Prof. Dr. Laurenz Lachnit), seit 2001 Wissenschaftliche<br />

Assistentin bei Univ.-Prof. Dr. Laurenz Lachnit an der Professur<br />

für Betriebswirtschaftslehre/Rechnungswesen der Carl von Ossietzky<br />

Universität Oldenburg. Die Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen<br />

Konzernbilanzierung und Internationale Rechnungslegung einschließlich<br />

Abschlusspolitik und <strong>–</strong>analyse sowie Wissensbilanzierung; derzeit Habi-


369<br />

litationsvorhaben zum Thema „Abbildung von immateriellen Potenzialen<br />

und Managemententscheidungen“.<br />

Kontakt: inge.wulf@tu-clausthal.de, Tel. (05323) 72-7646, URL://www.ingewulf.de.

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