Gedanken zur Fehler- und Sicherheitskultur in deutschen - Medical ...
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Tab. 2 Klassifikation von mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Fehler</strong>n im Fallbeispiel nach dem <strong>Fehler</strong>modell<br />
von James Reason [20]<br />
Latente <strong>Fehler</strong> Aktive <strong>Fehler</strong><br />
Unstrukturierte <strong>und</strong> nicht auf Leitsymptome<br />
konzentrierte Anamnesevorgaben<br />
Undeutliche Darstellung kritischer Laborwerte<br />
des Blutgasanalysegeräts<br />
chung notwendig gewesen. Da die Symptomatik<br />
auf den ersten Blick als wenig komplex<br />
erschien, wurde die komplette Untersuchung<br />
des Patienten zugunsten e<strong>in</strong>er zu<br />
starken Konzentration auf das Symptom<br />
Synkope vernachlässigt. Wie Untersuchungen<br />
speziell zum Symptomenkomplex Synkope<br />
zeigen, ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit für<br />
unerwünschte Ereignisse zwischen dem<br />
ersten <strong>und</strong> dem dritten Tag nach Entlassung<br />
aus der Notaufnahme am höchsten.<br />
Erst am 7. Tag erreicht die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
wieder die Gr<strong>und</strong>l<strong>in</strong>ie [6]. Die Mediz<strong>in</strong>er<br />
müssen folglich auch bei Patienten mit<br />
offensichtlich banaler vasovagaler Synkope<br />
wachsam für mögliche Komplikationen<br />
<strong>und</strong> Komorbiditäten se<strong>in</strong> (s. oben).<br />
Mediz<strong>in</strong>ische <strong>Fehler</strong> treten durch die<br />
Komb<strong>in</strong>ation von fehlerhaften Strukturen<br />
mit fehlerhaften Handlungen auf. Obwohl<br />
meist ke<strong>in</strong> direkter Schaden am Patienten<br />
entsteht, lohnt es sich, die H<strong>in</strong>tergründe<br />
dieser <strong>Fehler</strong> zu analysieren, weil sie H<strong>in</strong>weise<br />
auf Schwachstellen <strong>in</strong> den Sicherheitssystemen<br />
liefern können. Außerdem<br />
s<strong>in</strong>d Schäden <strong>und</strong> unerwünschte Ereignisse<br />
H<strong>in</strong>weise auf suboptimal ablaufende<br />
Prozesse, deren Verbesserung positive<br />
Resultate auf allen Ebenen der Patientenbehandlung<br />
e<strong>in</strong>schließlich ökonomischer<br />
Aspekte aufweist [10].<br />
Vermeiden von <strong>Fehler</strong>n<br />
<strong>in</strong> der Notaufnahme<br />
Zur Vermeidung von <strong>Fehler</strong>n <strong>in</strong> der Notaufnahme<br />
schlagen wir die Implementierung<br />
von Maßnahmenbündeln vor, die<br />
Elemente aus den Kategorien Prozessstruktur,<br />
Arbeitskultur <strong>und</strong> Qualitätsmessung<br />
enthalten sollten (. Abb. 4). Nach<br />
E<strong>in</strong>führung dieser Maßnahmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Abteilung kann die <strong>Fehler</strong>kultur zu e<strong>in</strong>er<br />
systematischen Betrachtung entwickelt<br />
werden <strong>und</strong> somit den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
systematische <strong>Sicherheitskultur</strong> ermöglichen.<br />
Aus jeder der Kategorien des vorge-<br />
Übersehen kritischer Laborwerte <strong>und</strong> auffälliger<br />
EKG-Veränderungen<br />
Vergessen der Temperaturmessung<br />
Wenig Überwachungskapazitäten, Crowd<strong>in</strong>g Unvollständige Anamnese<br />
6 | Notfall + Rettungsmediz<strong>in</strong> 2011<br />
Leitthema<br />
schlagenen Gesamtpakets werden im Folgenden<br />
e<strong>in</strong>ige Elemente vorgestellt, um<br />
die Interdependenzen der e<strong>in</strong>zelnen Elemente<br />
zu verdeutlichen.<br />
Qualitätsmessung<br />
Um die Qualität der <strong>in</strong>nerkl<strong>in</strong>ischen Notfallbehandlung<br />
zu beschreiben, mangelt es<br />
noch an etablierten Indikatoren. Dormann<br />
et al. stellten erstmals <strong>in</strong> Deutschland mögliche<br />
Kennzahlen <strong>und</strong> Qualitäts<strong>in</strong>dikatoren<br />
e<strong>in</strong>er mediz<strong>in</strong>ischen Notaufnahme vor.<br />
Sie haben anhand der Kodierungen im Kl<strong>in</strong>ik<strong>in</strong>formationssystem<br />
den Grad der Übere<strong>in</strong>stimmung<br />
von Aufnahme- <strong>und</strong> Entlassungsdiagnose<br />
analysiert <strong>und</strong> daraus e<strong>in</strong>en<br />
Performance-Indikator entwickelt [2].<br />
Das Ausmaß der diagnostischen Übere<strong>in</strong>stimmung<br />
soll <strong>in</strong>direkt e<strong>in</strong>e Beurteilung<br />
der Qualität von Anamnese, körperlicher<br />
Untersuchung <strong>und</strong> von Basismaßnahmen<br />
<strong>in</strong> der Notaufnahme ermöglichen [2]. Die<br />
Ergebnisse der Untersuchungen zeigten<br />
u. a. e<strong>in</strong>e diagnostische Übere<strong>in</strong>stimmung<br />
von 71%. Allerd<strong>in</strong>gs hängt die Validität des<br />
Indikators im E<strong>in</strong>zelfall von der Kodierqualität<br />
<strong>und</strong> generell von den jeweils anzuwendenden<br />
Kodierrichtl<strong>in</strong>ien ab [2]. Das<br />
E<strong>in</strong>beziehen der Krankenhaushauptdiagnose<br />
würde diesen Indikator auch unter<br />
wirtschaftlichen Gesichtspunkten <strong>in</strong>teressant<br />
machen, weil diese für die Zuordnung<br />
des Falls zu e<strong>in</strong>er DRG-Fallpauschale <strong>und</strong><br />
für die spätere Abrechnung maßgeblich<br />
ist. Derartige Kennzahlen können für die<br />
Analyse von <strong>Fehler</strong>n allerd<strong>in</strong>gs nur orientierend<br />
se<strong>in</strong>, da von diagnostischer Übere<strong>in</strong>stimmung<br />
nur schwer auf mediz<strong>in</strong>ische<br />
<strong>Fehler</strong> rückgeschlossen werden kann. Das<br />
Werkzeug wäre allerd<strong>in</strong>gs gut für die Überwachung<br />
von Qualität im Rahmen der Notfallbehandlung<br />
geeignet. Wenn diese Kennzahlen<br />
für Notaufnahmen e<strong>in</strong>heitlich <strong>und</strong><br />
flächendeckend erhoben <strong>und</strong> publiziert<br />
werden würden, ließen sich möglicherweise<br />
Rückschlüsse auf die Versorgungsquali-<br />
tät ziehen. Damit würde vermutlich auch<br />
e<strong>in</strong>e höhere Sensibilität für die betrieblichen<br />
Abläufe <strong>und</strong> täglichen Herausforderungen<br />
<strong>in</strong> der Notaufnahme geschaffen.<br />
Gleichzeitig sollten die vorgestellten Indikatoren<br />
als Anregung dienen, die eigenen Abläufe<br />
zu h<strong>in</strong>terfragen <strong>und</strong> weitere Indikatoren<br />
zu entwickeln, um die Abläufe <strong>und</strong> speziell<br />
die e<strong>in</strong>gesetzten diagnostischen Maßnahmen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notaufnahme möglichst<br />
transparent darstellen zu können.<br />
So könnte nach dem Muster des Projekts<br />
„Qualitätsverbesserung <strong>in</strong> der postoperativen<br />
Schmerztherapie“ (QUIPS) e<strong>in</strong><br />
Benchmark<strong>in</strong>g mit anderen Krankenhäusern<br />
aufgebaut werden, das es ermöglicht,<br />
die Leistungen <strong>und</strong> Ergebnisse e<strong>in</strong>zelner<br />
Abteilungen zu vergleichen [13]. Die verwendeten<br />
Qualitäts<strong>in</strong>dikatoren müssen dabei<br />
Schlüsselprozesse der Notaufnahme abbilden<br />
<strong>und</strong> vergleichbar se<strong>in</strong> [5]. Diese Herausforderung<br />
ist aufgr<strong>und</strong> der historisch<br />
gewachsenen Heterogenität der <strong>deutschen</strong><br />
Krankenhäuser besonders groß.<br />
E Vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> steigender<br />
Patientenzahlen von Notaufnahmen<br />
<strong>in</strong> Deutschland wäre e<strong>in</strong><br />
überregionaler Vergleich im S<strong>in</strong>ne<br />
e<strong>in</strong>es Benchmark<strong>in</strong>g wünschenswert.<br />
Weitere Möglichkeiten liegen <strong>in</strong> der Erhebung<br />
von Patientensicherheits<strong>in</strong>dikatoren<br />
(z. B. Verbrauch von Händedes<strong>in</strong>fektionsmittel,<br />
Todesrate bei DRGs mit niedriger<br />
Mortalität oder iatrogener Pneumothorax)<br />
wie auch die Durchführung von Patientenbefragungen<br />
(. Abb. 4).<br />
Die Qualitätsmessung kann auf das<br />
e<strong>in</strong>gangs genannte Fallbeispiel unter Berücksichtigung<br />
verschiedener Qualitätsdimensionen<br />
angewandt werden. Mithilfe<br />
e<strong>in</strong>er Messung der Prozessqualität, z. B.<br />
durch den E<strong>in</strong>satz von Monitor<strong>in</strong>gprotokollen,<br />
wären die auffälligen Vitalparameter<br />
der Patient<strong>in</strong> wahrsche<strong>in</strong>lich entdeckt<br />
<strong>und</strong> richtig <strong>in</strong>terpretiert worden.<br />
Nur dann hätten auch die möglicherweise<br />
lebensrettenden weiteren Maßnahmen<br />
<strong>in</strong> die Wege geleitet werden können.<br />
Prozessstruktur<br />
Maßnahmen im Bereich der notfallmediz<strong>in</strong>ischen<br />
Prozessstruktur beschäftigen<br />
sich beispielsweise mit der Verbreitung von