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PS_1974-1975_079

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Kurt Weill (1900-1950): Suite aus der Dreigroschenoper

Kurt Weill, geboren 1900 in Dessau, Schiiler Engelbert Humperdincks und Ferruccio

Busonis, darf als einer der beliebtesten Musiker unseres Jahrhunderts angesehen

werden. Das heiBt: viele mogen seinen Namen nie gehort haben, wohl

aber kennt nahezu jeder Sterbliche das entziickende Motiv der Moritat aus seiner

Dreigroschenoper. Dabei ist zu bemerken, daB diese kleine We,ise, wenn sie

als solche, aus dem Zusammenhang gerissen, in dem sie entstanden ist, gesungen

oder gepfiffen wird, wie es gewohnlich geschieht, viel von ihrem Reiz einbiiBt.

Dies weil mit dieser einfachen, aus den vier Noten E-G-A-A autgebauten musikalischen

Idee unzertrennbar die Erscheinung des modernen Bankelsangers verbunden

ist, welcher seine armsel ige Leier drehend und mit naselnder Stimme singend

iiber die Biihne zieht. Die magere, schlaksige, in ein ze rlumptes schwarzes

Gewand gekleidete Gestalt mit der schiet getragenen Melone, welche zum ersten

Male aut der Biihne des Theaters am Schiffbauerdamm in Berlin auftrat, war diejenige

Bertolt Brechts: eine prachtige Theatermarionette, welche mit ihrem Gesang

den Zuhorern die ganze Melancholie der Welt mitteilen zu woll en schien.

Es folgten Filme , darunter der beriihmte, von Pabst 1931 gedrehte, und zahllose

Biihnenauffiihrungen: in ltalien z. B. jene von Strehler aus dem Jahre 1956, durch

welche die Dreigroschenoper, iibrigens in Anwesenheit Brechts, in unserem Lande

eingefiihrt wurde.

Die Atmosphare, in der die Oper vor nunmehr bald 50 Jahren entstand, konnen

wir anhand des Berichtes eines Augenzeugen, des Musikwissenschattlers Hans

Heinz Stuckenschmidt, rekonstruieren :

" Als ich Weil l in se iner Wohnung nahe dem Charlottenburger Schloss besuchte,

lag frisch beschriebenes Notenpapier aut dem Fliigel. 'lch mache da etwas, das

Erfolg haben konnte', meint er lachelnd, mit traurigen Augen hinter den dicken

Brillenglasern. Ein Jahr spater, im August 1928, sassen wir alle, sass das intellektuelle

Berlin, im Theater am Schiffbauerdamm und horten die 'Dreigrochenoper'.

1hr lnhalt ist Kritik an Mangeln der Gesellschatt. Ni cht von der Spitze her, nicht

direkt, nicht durch einfache Spiegelung der oberen Zustande. Sondern von unten ,

indirekt, durch den Trick, dass die unteren Schichten in ihren asozialen Teilen und

deren Ouerverbi ldungen nach oben gezeigt werden.

Die Handlung ist nichts weniger als opernhatt. Lyrische Dialoge fehlen fast ganz.

Nur die Schliisse kommen musikdramatischen Vervahren bewusst und mit parodisticher

Absicht entgegen. Steigerung und Arienseligkeit schieden aus . Doch .Einzelheiten

verlangten nach Gesang ; sie mussten vermehrt werden. Das Stiick war

tiir Sch auspieler geschrieben, die des Gesanges unkunding sind. Der Ton sol it e

popular sein , dem Milieu entsprechend, den Darstellern miihelos gelautig .

Weill loste die Autgabe genia!. Die Musik ist volkstiimlich, neu und stllistisch

geschlossen. Nie wird die Tradition der Oper be lehnt. Auch wo Fugen klingen ,

denkt man noch an Jahrmarkt, Heilsarmee und Leierkasten. St iicke wie die Moritat

vom Mackie Messer, die Tangoballade, die Seerauberjenny, der Kanonensong

und das Li ed von der Unzulanglichkeit menschlichen Strebens sind kl assische

Beispi ele ein er neuen sozi alen Kunst" .

Igor Strawinsky (1882-1971): Ci rcu s Polka und Scherzo à la Russe

In die Zeit zwischen 1942 und 1944 fall en in der Reihenfolge der Straw insky'sch en

Werke zwei klassische Gel eg enheitskompositionen: die Circus Polka, welche, wie

der Nam e besagt, tiir ein Zirkusorchester geschrieben wurde, und das Scherzo

àla Russe. Letzteres geht aut ein nicht ausg etiihrtes Filmmusikprojekt zuriick,

welches der Meister in der Folge tiir Jazzorchester und schlieBl ich in seiner endgiiltigen

Form fiir Symphoniebesetzung umschrieb.

Wenngl eich di e Circus Po lka nu r eine Gelegenh eit sko mposition ist, so dart sie

doch als eines der gelungensten Werke Strawinskys angesehen werd en. Die Id ee

zu di eser Pol ka war von Balanchine ausg egangen, w elcher mit der Ausarbeitung

ei nes Balletts fiir el efantenberittene Girls betraut w ord en war und sich mit der

Bitte an Strawinsky wandte, die Komposition der hi ezu erforderlichen Mus,ik zu

iibernehmen. Die nicht zuletzt wegen des glanzenden humour der Strawinsky'schen

Komposit ion zwe ifellos verdiente Anerkennung blieb nicht aus , doch gab sich der

Komponist damit nicht zufoieden : er erstellte eine Version des Werkes fiir normales

Orchester, welche er in zahlreichen Stadten mit stets zunehmendem Erfolg

zur Auffiihrung brachte.

Das ebenso kurze Scherzo à la Ru sse - beide Komposition en dauern nur vier

Minuten - enthalt Stellen, aus denen man mitunter nostalgische Anklange an

die erste Schaffensperiode des Kiinstlers herauszuhoren meint .

Enzo Restagno

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