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Theater der Zeit - Mobile Academy

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Passion<br />

Grundlage dieser Rudimente kulturelle Bedeutungen entstehen können.<br />

Da wird es doch erst interessant.<br />

Menninghaus Nur, wenn man gleich nach <strong>der</strong> kulturellen Deutung fragt<br />

und dabei an<strong>der</strong>e Dimensionen, die auch mitspielen können, beiseitelässt.<br />

Weigel Ich habe noch keinen evolutionsgeschichtlichen Ansatz entdeckt,<br />

<strong>der</strong> mir die Genese und Bedeutung kultureller Phänomene genauer<br />

erklärt, als die Kulturwissenschaft es längst getan hat. Um sie empirisch<br />

untersuchen zu können, werden emotionale und kognitive Phänomene<br />

auf <strong>der</strong>art basale Ebenen reduziert, die wenig aussagekräftig sind und<br />

hinter das kulturwissenschaftliche Wissen zurückfallen.<br />

Menninghaus Die Evolutionstheorie ist auf gewisse Weise wie die Philosophie<br />

an sehr elementaren Fragen orientiert. Es besteht immer die Gefahr,<br />

dass man damit kein konkretes Phänomen <strong>der</strong> hochvariablen Kulturen<br />

erfassen kann.<br />

Weigel Die Philosophie spricht jenseits <strong>der</strong> Geschichte, o<strong>der</strong> sagen wir:<br />

aus einer Position über <strong>der</strong> Geschichte, während die Evolution versucht,<br />

so weit vor die Geschichte zurückzugehen, dass die Geschichte und die<br />

Erfahrungen <strong>der</strong> historischen <strong>Zeit</strong> damit neutralisiert werden. Das Darwin-<br />

Jahr hat für unsere Fächer gewirkt wie eine Dampfwalze. Ich sehe Kollegen,<br />

die ihr ganzes methodisches Instrumentarium wegwerfen und<br />

durch banale Erklärungen von Empathie und Emotionen ersetzen.<br />

Menninghaus Vielleicht kommen wir auf die Frage <strong>der</strong> gemeinsam geteilten<br />

Musik und <strong>der</strong> kollektiven Gefühle zurück. Gibt es da noch einen<br />

Übergang zu den Passionen? Können z. B. kollektiv geteilte Feindbil<strong>der</strong><br />

Passionen sein, o<strong>der</strong> sind Passionen nur die kollektiv geteilten positiven<br />

religiösen Gefühle?<br />

Weigel Denk an Marschmusik. Musik ist eine »Sprache«, in <strong>der</strong> Passion<br />

ebenso wie Aggression zum Ausdruck gebracht werden kann. Aber wie<br />

kommt es, dass Musik bestimmte Gefühle auslöst, Tränen, vor allem<br />

sehnsuchtsbesetzte Tränen, in <strong>der</strong> Oper zum Beispiel? Weil dort Emotionen<br />

manifest werden, die latent etwas mit dem Unerfüllten zu tun<br />

haben, mit dem ewig Unerfüllten. Die Unterscheidungen und Klassifikationen<br />

<strong>der</strong> Gefühle, die die Evolutionstheorie vornimmt, sind sehr<br />

grob. Nach vielen Jahren <strong>der</strong> Beschäftigung damit finde ich sie für die<br />

Geschichte <strong>der</strong> menschlichen Kultur wenig aussagekräftig.<br />

Menninghaus Da werden wir uns wohl nicht einigen … Ich habe gerade<br />

den Louvre benutzt, um die ältesten Schrifttafeln <strong>der</strong> Welt zu sehen,<br />

fünftausend Jahre alt. Diese Schrifttafeln wurden übersetzt, da findet<br />

man bereits sehr elaborierte Mythen. Auch in vierzigtausend Jahre alten<br />

figurativen Kunstwerken kann man vermutlich etwas von dem finden,<br />

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