Qualitätsanforderungen an zahnärztliche Gerichtsgutachten
Qualitätsanforderungen an zahnärztliche Gerichtsgutachten
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514 Fortbildung – Allgemeine Zahnheilkunde<br />
<strong>Qualitäts<strong>an</strong>forderungen</strong> <strong>an</strong><br />
<strong>zahnärztliche</strong> <strong>Gerichtsgutachten</strong><br />
H. U. Brauer 1 , M. Dick 2 , W. Walther 3<br />
1 Esslingen, 2 Magdeburg, 3 Karlsruhe<br />
Rechtliche Ausein<strong>an</strong>dersetzungen zwischen Zahnärzten und Patienten nehmen<br />
stetig zu. Für die Klärung dieser Rechtsstreitigkeiten wird vom Gericht<br />
ein zahnmedizinischer Sachverständiger für die Be<strong>an</strong>twortung der Fragen<br />
des Beweisbeschlusses beauftragt. Es stellt sich die Frage, was ein gutes<br />
<strong>zahnärztliche</strong>s Gutachten auszeichnet. Im Folgenden werden Anforderungen<br />
<strong>an</strong> das zahnmedizinische Gutachten zusammengetragen und eine Checkliste<br />
für das „gute“ Gutachten vorgestellt. Mit diesem Werkzeug hat der sachverständig<br />
tätige Zahnarzt nach Erstellung seines Gutachtens, die Möglichkeit<br />
dieses nochmals zu reflektieren. Andererseits k<strong>an</strong>n mit der Checkliste die<br />
Qualität <strong>zahnärztliche</strong>r Gutachten tr<strong>an</strong>sparent gemacht werden.<br />
Schlüsselwörter<br />
Gutachten – Haftungsrecht –<br />
Qualitätssicherung<br />
Rechtliche Ausein<strong>an</strong>dersetzungen zwischen<br />
Zahnarzt und Patient, insbesondere nach Anfertigung<br />
von Zahnersatz und impl<strong>an</strong>tologischen<br />
Beh<strong>an</strong>dlungen, nehmen zu [6, 8, 23, 27,<br />
37]. Für den Anstieg gibt es mehrere Ursachen<br />
(Tab. 1). Für die Klärung des Rechtstreits wird<br />
vom Gericht in aller Regel ein zahnmedizinischer<br />
Sachverständiger für die Be<strong>an</strong>twortung<br />
der Fragen des Beweisbeschlusses beauftragt.<br />
Das <strong>Gerichtsgutachten</strong> dient der Hauptaufgabe,<br />
einen strittigen zahnmedizinischen Sachverhalt<br />
mit zahnmedizinischer Fachkunde zu klären<br />
[4, 17]. Der Sachverständige soll ein möglichst<br />
überzeugendes Gutachten abliefern, da<br />
der Schlüssel zu einem guten richterlichen Votum<br />
ein gutes Sachverständigengutachten ist<br />
[15]. Es stellt sich die Frage, was ein gutes Gutachten<br />
auszeichnet. Zur besseren Übersicht<br />
sind die folgenden Abschnitte gegliedert <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d<br />
übergeordneter Qualitätskriterien.<br />
Tab. 1 Ursachen für den Anstieg der Rechtsstreitigkeiten [2, 8, 10, 21, 27]<br />
• gestiegene fin<strong>an</strong>zielle Eigenbeteiligung der Patienten<br />
• gesteigerte Erwartungshaltung durch Werbung<br />
• höherer Stellenwert der Ästhetik<br />
• evtl. Einsatz risikobehafteter Beh<strong>an</strong>dlungsmittel<br />
• gesunkene „Hemmschwelle“ der Patienten, ausgelöst durch Medien und Politik<br />
• Zunahme <strong>an</strong> Rechtschutzversicherungen<br />
Formaler Aufbau<br />
Allgemein sind im Kopf des medizinischen<br />
Gutachtens Name, eventuell Stellung (Funktion)<br />
sowie Fachrichtung des Sachverständigen<br />
<strong>an</strong>zugeben. Die Datierung des Gutachtens<br />
sollte nicht vergessen werden. Es folgen Angaben<br />
über den Rechtsstreit und Auftraggeber.<br />
Damit das Gutachten auch losgelöst von den<br />
Akten verständlich ist, empfiehlt es sich, die<br />
Beweisfrage wörtlich wiederzugeben [7, 23].<br />
Es folgt die Aufzählung der Grundlagen, auf<br />
die sich das Gutachten stützt [7, 23]. Dazu gehören<br />
zunächst die Gerichtsakten, bei denen<br />
durch einen Zusatz (Angabe der Seitenzahlen)<br />
festzuhalten ist, in welchem Zeitpunkt und<br />
Umf<strong>an</strong>g diese Akten dem Sachverständigen<br />
vorgelegen haben und die Nennung der Untersuchung<br />
des Patienten [7]. Es folgt die Schilderung<br />
des Sachverhalts und zwar ohne Wertungen,<br />
in gedrängter Form. Grundlage hierfür<br />
bildet das Kr<strong>an</strong>kenblatt [7, 34]. Am Ende des<br />
Gutachtens sollte eine Zusammenfassung mit<br />
der vollständigen Be<strong>an</strong>twortung der Beweisfragen<br />
erfolgen [7, 23, 27, 34]. Abschließend<br />
ist das Gutachten eigenhändig vom Gutachter<br />
zu unterschreiben [7, 24, 27]. Bei besonders<br />
umf<strong>an</strong>greichen und komplexen Gutachten<br />
dient ein Inhaltsverzeichnis der besseren<br />
Übersicht [27].<br />
Verständlichkeit und Sprache<br />
In einem guten Sachverständigengutachten<br />
herrscht eine klar verständliche Ausdrucksweise<br />
[7, 15, 28, 30, 31]. Übersichtlichkeit erreicht<br />
m<strong>an</strong> durch kurze Sätze sachlichen Inhalts<br />
[14]. Aus juristischer Sicht wird insbesondere<br />
Verständlichkeit für den verständigen<br />
Laien gefordert [19, 34]. Verständlichkeit bedeutet<br />
nicht, dass auf medizinische Fachsprache<br />
gänzlich verzichtet werden müsste. Allerdings<br />
sollten Richter und Prozessbeteiligte die<br />
gutachterlichen Ausführungen ohne klinische<br />
ZWR ̶ Das Deutsche Zahnärzteblatt 2008; 117 (10)
Wörterbücher verstehen können [34], daher<br />
sollte m<strong>an</strong> sich um die Erklärung medizinischer<br />
Fachausdrücke bemühen [7, 14, 25].<br />
Ebenso sind nicht medizinische Fremdwörter<br />
möglichst sparsam einzusetzen [34]. Auch Abkürzungen,<br />
wie OK, UK, SKD, RKP etc., sind zu<br />
vermeiden [14], da sie regelmäßig mit Missverständnissen<br />
behaftet sind [27]. Die gutachterlichen<br />
Erörterungen sollten laienverständlich<br />
und in klarer, prägn<strong>an</strong>ter und eindeutiger<br />
Ausdrucksweise herausgearbeitet werden [15,<br />
25]. Die künstliche Aufblähung des Gutachtens<br />
durch vermeidbare, <strong>an</strong>amnestische Angaben,<br />
die sich schon im Vorgutachten finden oder gar<br />
die aus der Akte abgeschriebene Anam nese<br />
und die Wiederholung entbehrlicher Aktenauszüge<br />
ist zu vermeiden [14].<br />
Anamnese und Befund<br />
Das Gutachten muss von den richtigen und<br />
möglichst vollständigen Tatsachen ausgehen<br />
[33]. Grundlagen eines Gutachtens sollten in<br />
erster Linie die dem Gutachter vorgelegten,<br />
zeitnah entst<strong>an</strong>denen, ärztlichen Dokumente<br />
sein. Nicht Hauptgrundlage der Begutachtung<br />
sollten dagegen Vorbringungen der Parteien<br />
(Klageschrift, Klageerwiderung etc.), Zeugenaussagen,<br />
nachträglich und im Rahmen des<br />
Verfahrens entst<strong>an</strong>dene Gedächtnisaufzeichnungen<br />
etc. sein [15]. Zur Erstellung eines medizinischen<br />
Sachverständigengutachtens ist in<br />
aller Regel eine Untersuchung des Patienten<br />
zur Erhebung der Anamnese und des Befunds<br />
unerlässlich [25]. Das Bemühen des Sachverständigen<br />
bei der Anamneseerhebung und Untersuchung<br />
muss sein, den Wahrheitsgehalt<br />
der subjektiven Aussagen zu erhellen und einen<br />
je nach Fragestellung umfassenden aktuellen<br />
Befund zu erheben [27].<br />
Lediglich im Aktengutachten stützt sich die<br />
Klärung der Beweisfragen ausschließlich auf<br />
die Akte [14, 25]. Auf die Fragestellung als Ausg<strong>an</strong>gsbasis<br />
folgt bei Aktengutachten die Vorgeschichte<br />
im Indikativ „nach Aktenlage“. Das<br />
Aktengutachten k<strong>an</strong>n demnach nur eine Interpretation<br />
oder Neuinterpretation unkontrolliert<br />
und unergänzt übernommener Vorgänge<br />
und ärztlicher Befunde sein [14]. Um der Doppelfunktion<br />
des Sachverständigen als Arzt und<br />
Gutachter gerecht zu werden, gehört es zu seiner<br />
wichtigsten Aufgabe, medizinisch bedeutsame<br />
Sachverhalte und Befunde mit größter<br />
Sorgfalt zu erheben, sie unverfälscht zu dokumentieren<br />
und in einer klar vom Befundteil<br />
getrennten Stellungnahme argumentativ so zu<br />
verwerten, dass die Entwicklung, wie er zu seiner<br />
Meinung gekommen ist, einleuchtet [19].<br />
Der Befund, so fordern auch Günther und Heifer,<br />
muss umfassend, detailliert und gegebenenfalls<br />
wiederholt erhoben werden. Die Nie-<br />
ZWR ̶ Das Deutsche Zahnärzteblatt 2008; 117 (10)<br />
Fortbildung ̶ Allgemeine Zahnheilkunde<br />
derschrift des Befunds hat ausführlich zu sein<br />
[14]. Bei <strong>zahnärztliche</strong>n Gutachten fordert<br />
Oehler einen intraoralen Befund, der mit einem<br />
Untersuchungsformular mit Zahnschema<br />
erhoben werden sollte [27]. Ein extraoraler Befund<br />
und auch ein über den Kiefer- und Gesichtsbereich<br />
hinausreichender Befund sollte<br />
ebenfalls erhoben werden, falls dieser für die<br />
Fragestellung relev<strong>an</strong>t ist. Die Datums<strong>an</strong>gabe<br />
der gutachterlichen Untersuchung sollte im<br />
Gutachten nicht fehlen [27]. Falls notwendig<br />
wird die Untersuchung ergänzt durch Röntgenaufnahmen<br />
und Situationsabformungen<br />
für Modelle. Extra- und intraorale Fotodokumentationen<br />
können die gutachterliche Untersuchung<br />
ergänzen. Da Entscheidungskriterien<br />
und Befundbeurteilungen zwischen Zahnärzten<br />
nicht endgültig st<strong>an</strong>dardisiert werden können,<br />
ist eine st<strong>an</strong>dardisierte Kontrolle einer<br />
<strong>zahnärztliche</strong>n Beh<strong>an</strong>dlung durch festgelegte<br />
Parameter allein nicht möglich [36]. Somit<br />
k<strong>an</strong>n beispielsweise die von Münsterm<strong>an</strong>n<br />
[26] entworfene Checkliste zur Nachbegutachtung<br />
bei prothetischen Leistungen lediglich als<br />
Gedächtnisstütze bei der gutachterlichen Untersuchung<br />
fungieren. Wichtigster Kontrollparameter<br />
für die <strong>zahnärztliche</strong> Therapie scheint<br />
der Patient zu sein. Daher muss bei der Beurteilung<br />
der Patient mit seinen Vorstellungen<br />
und Wünschen seiner Beh<strong>an</strong>dlung beteiligt<br />
und in die Entscheidung integriert werden.<br />
Ohne das persönliche Patienteninterview ist<br />
eine sachliche Überprüfung <strong>zahnärztliche</strong>r Beh<strong>an</strong>dlung<br />
nicht möglich [36].<br />
Beurteilung<br />
Durch das Gutachten muss der Sachverständige<br />
sowohl dem Zahnarzt als auch dem Juristen<br />
eine verständliche Darlegung der wertenden<br />
Kriterien vermitteln [6]. Als konkrete Stellungnahme<br />
müssen sich die im Gutachten erarbeiteten<br />
Voraussetzungen verteidigen lassen.<br />
Das Gutachten und insbesondere die Beurteilung<br />
im Gutachten stellt eine verbindliche<br />
Äußerung dar, die nur sehr schwer rückgängig<br />
gemacht werden k<strong>an</strong>n [17]. Der medizinische<br />
Gutachter ist dabei <strong>an</strong> den Beweisbeschluss<br />
gebunden [2, 23]. Die gutachterliche Beurteilung<br />
k<strong>an</strong>n daher nur so gut sein wie die gestellten<br />
Beweisfragen. Deshalb sollte vor Annahme<br />
des Gutachtens geprüft werden, ob die<br />
Fragen verständlich, vollständig, eindeutig<br />
und <strong>an</strong>gemessen sind [4, 25]. Im Falle, dass die<br />
Fragen des Beweisbeschlusses Lücken, Ungereimtheiten<br />
oder Unverständliches enthalten,<br />
ist laut Zivilprozessordnung § 407a Abs. 3 Satz<br />
1 der Sachverständige verpflichtet, auf diese<br />
Mängel im Beweisthema aufmerksam zu machen<br />
und auf eine Ergänzung bzw. Richtigstellung<br />
desselben zu drängen [34]. Bezüglich des<br />
515
516 Fortbildung – Allgemeine Zahnheilkunde<br />
sachlichen Inhalts muss die Beurteilung die zu<br />
begutachtende Versorgungsstufe, den Zeitpunkt<br />
der Beh<strong>an</strong>dlung berücksichtigen und<br />
die Methodenfreiheit im Blick behalten [1, 33].<br />
Im Allgemeinen sollten der Begutachtung als<br />
gesichert geltende, medizinische Erkenntnisse<br />
zugrunde gelegt werden. Oftmals k<strong>an</strong>n der<br />
Sachverständige nur mit den Begriffen der<br />
mehr oder minder großen Wahrscheinlichkeit<br />
operieren [22]. Sofern die Be<strong>an</strong>twortung einer<br />
Gutachtenfrage die Einbeziehung medizinischer<br />
Hypothesen und die Darstellung kontroverser<br />
Ansichten erfordert, sollte dies aus der<br />
Argumentation zweifelsfrei hervorgehen. Der<br />
Gutachter selbst steht vor der Schwierigkeit,<br />
subjektive Beschwernisse ebenso wie objektive<br />
Kr<strong>an</strong>kheitssymptome, labortechnische<br />
und apparative Untersuchungsbefunde berücksichtigen<br />
zu müssen, deren Brauchbarkeit<br />
und prognostische Bedeutung mit einem absoluten,<br />
allgemeinverbindlichen Maßstab eigentlich<br />
nicht zu fassen sind [24]. Besonders<br />
Fragen nach der Prognose sind in der Medizin<br />
mit einer großen Unsicherheit behaftet und<br />
unterliegen zumeist der subjektiven Einschätzung<br />
[32]. Auch wenn der Anspruch der absoluten<br />
medizinischen Wahrheit nicht erfüllbar<br />
ist, sollte die Be<strong>an</strong>twortung der Fragen nach<br />
der Leistungsfähigkeit und vor allem nach ursächlichen<br />
Zusammenhängen unter dem Primat<br />
exakter Wissenschaftlichkeit erfolgen<br />
[24]. Der Beh<strong>an</strong>dlungsst<strong>an</strong>dard ist naturgemäß<br />
nicht gesetzlich festgelegt [13]. Der Beh<strong>an</strong>dlungsst<strong>an</strong>dard,<br />
so definierte Ankerm<strong>an</strong>n,<br />
ist „die nach gesicherter medizinischer Erkenntnis<br />
und Erfahrung erreichte und erreichbare<br />
Qualität der <strong>zahnärztliche</strong>n Versorgung<br />
innerhalb einer B<strong>an</strong>dbreite akzeptierter Variationen“<br />
[1]. Dieser Beh<strong>an</strong>dlungsst<strong>an</strong>dard entwickelt<br />
sich durch neue Materialien, Verfahren<br />
und Gesetzesregeln kontinuierlich weiter [12].<br />
Für die Frage nach dem allgemein <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nten<br />
St<strong>an</strong>d des ärztlichen H<strong>an</strong>delns gilt dies<br />
cum gr<strong>an</strong>o salis [15]. D.h. die Frage des fachärztlichen<br />
St<strong>an</strong>dards ist stets aus der Sicht ex<br />
<strong>an</strong>te zu beurteilen, sodass sich der Sachverständige<br />
bei der Begutachtung räumlich, zeitlich<br />
und sachlich in die Beh<strong>an</strong>dlung zurückversetzen<br />
muss. Gerade auch deshalb, da der<br />
heutige Qualitätsst<strong>an</strong>dard der Beh<strong>an</strong>dlungsfehler<br />
von morgen sein k<strong>an</strong>n [35]. Zahnärztliche<br />
Eingriffe sind im juristischen Sinne tatbest<strong>an</strong>dsmäßige<br />
Körperverletzungen [2, 38] und<br />
bedürfen zu ihrer Rechtfertigung die Einwilligung<br />
des Patienten [14, 27, 38]. Die Patientenaufklärung<br />
bildet das Gegengewicht zur medizinischen<br />
Autorität [2]. Dabei sollte die Aufklärung<br />
des Patienten im Allgemeinen sowohl<br />
über den Befund, die Therapie, mögliche Alternativen,<br />
das jeweilige Risiko der Therapie,<br />
das Risiko bei Unterlassung der Therapie als<br />
auch über die Kosten erfolgen [17]. Häufig<br />
muss der Sachverständige Stellung nehmen,<br />
ob eine Aufklärung stattgefunden hat bzw. ob<br />
diese ausreichend erfolgt war. Hier sollte der<br />
Sachverständige sich bewusst machen, dass er<br />
keine juristische Wertung abgeben soll, sondern<br />
vielmehr aus <strong>zahnärztliche</strong>r Sicht darlegen,<br />
wie m<strong>an</strong> als Zahnarzt im streitgegenständlichen<br />
Fall bei gleichem Kenntnisst<strong>an</strong>d<br />
zum damaligen Zeitpunkt verfahren und aufgeklärt<br />
hätte. Die Praxis zeigt, dass von Patienten<strong>an</strong>wälten<br />
scheinbar routinemäßig infrage<br />
gestellt wird, ob eine Aufklärung überhaupt<br />
stattgefunden hat und diese ausreichend war,<br />
mit dem Ziel der Beweislastumkehr. Bei der<br />
Bewertung durch den Sachverständigen ist generell<br />
eine emotionale und eine sachgerechte,<br />
dem <strong>zahnärztliche</strong>n Eingriff adäquate Bewertung<br />
zu unterscheiden [17]. Im guten Gutachten<br />
ist nur Platz für eine sachgerechte, dem<br />
<strong>zahnärztliche</strong>n Eingriff adäquate Bewertung.<br />
Eine Beurteilung im Sinne von einem in dubio<br />
pro aegroto ist unzulässig [18, 25, 31]. Die Beurteilung<br />
selbst muss nachvollziehbar sein.<br />
Sachverständigengutachten sind wie gerichtliche<br />
Urteile nicht verständlich, wenn Zwischenschritte<br />
in einem durchgehenden Ged<strong>an</strong>keng<strong>an</strong>g<br />
fehlen [31]. Der gerichtliche Sachverständige<br />
sollte zu einem klaren Ergebnis<br />
kommen, auf das sich das Gericht im Urteil<br />
stützen k<strong>an</strong>n. Es dürfen mit der Erstattung des<br />
Gutachtens keine neuen Zweifel aufgeworfen<br />
werden [31]. Aus Sicht der <strong>zahnärztliche</strong>n Profession<br />
ist es von Bedeutung, dass die Zahnmedizin<br />
in der Beurteilung in ihrer tatsächlichen<br />
Komplexität und Kompliziertheit dargestellt<br />
wird [17, 18]. Bei der Vermutung, dass<br />
ein psychosomatisches Geschehen (Mit-)Auslöser<br />
für das Scheitern einer <strong>zahnärztliche</strong>n<br />
Beh<strong>an</strong>dlung ist, darf dies der Gutachter keinesfalls<br />
verschweigen, sondern muss darauf<br />
aufmerksam machen. Bei strittigen Sachverhalten<br />
sollten die Sachverhalte getrennt bewertet<br />
werden. Bei Fragen nach der Kausalität<br />
wird die (Fehl-)Deutung einer vorh<strong>an</strong>denen<br />
zeitlichen Verbindung zwischen 2 Ereignissen<br />
als Post-hoc-ergo-propter-hoc-Trugschluss bezeichnet<br />
[39]. Als weitere typische Fehler in<br />
der gutachterlichen Beurteilung sind ein überhebliches<br />
Urteil und die Überschätzung der<br />
eigenen Expertenschaft zu nennen [18].<br />
Sachlichkeit<br />
Der Sachverständige beurteilt prospektiv oder<br />
retrospektiv eine <strong>zahnärztliche</strong> Beh<strong>an</strong>dlungsstrategie<br />
und/oder ein <strong>zahnärztliche</strong>s Beh<strong>an</strong>dlungsergebnis<br />
[18]. Der Gutachter muss sich<br />
um Objektivität bemühen [31]. Diese Verpflichtung<br />
zur Objektivität als Grundlage jeder<br />
ZWR ̶ Das Deutsche Zahnärzteblatt 2008; 117 (10)
gutachterlichen Tätigkeit wird in der Eidesnorm<br />
für Sachverständige in der Zivilprozessordnung<br />
§ 410 Abs. 1 Satz 2 beschrieben. Der<br />
Sachverständige muss seine eigene emotionale<br />
Befindlichkeit erkennen und reflektieren [33].<br />
Objektivität geht vor St<strong>an</strong>dessolidarität. Die<br />
vermeintliche Kollision zwischen Kollegialitätsgebot<br />
einerseits und Verpflichtung zur Objektivität<br />
<strong>an</strong>dererseits ist inzwischen aufgelöst<br />
worden [9]. Allerdings geht Objektivität auch<br />
vor Rivalität, da in der Praxis nicht selten Gutachter<br />
auftreten, die dem beklagten Zahnarzt<br />
besonders kritisch gegenüberstehen und nur<br />
„patientenfreundliche“ Gutachten kennen. Die<br />
Anfertigung eines Gutachtens bleibt eine ver<strong>an</strong>twortungsvolle,<br />
oftmals schwierige ärztliche<br />
Aufgabe. Dabei sollte der Patient, der Anspruch<br />
auf verständnisvolle Zuwendung, <strong>an</strong>gemessene<br />
Untersuchung und fachkompetente,<br />
objektive Beurteilung hat, im Mittelpunkt bleiben<br />
[24]. Deshalb k<strong>an</strong>n das medizinische Gutachten<br />
kein Selbstzweck oder der Profilierung<br />
des Arztes dienlich sein, sondern hilft einer Behörde<br />
oder einem Gericht bei der Aufgabe, darüber<br />
eine bindende Feststellung zu treffen,<br />
was im jeweiligen Fall als medizinische Wahrheit<br />
<strong>an</strong>zusehen ist [24]. Selbstverständlich haben<br />
im Gutachten reine Mutmaßungen und<br />
Unterstellungen keinen Platz [5, 18, 34]. Einer<br />
externen Nachprüfung kaum zugänglich ist das<br />
gutachterliche Votum bei der Bewertung dessen,<br />
was einem sorgfältig beh<strong>an</strong>delndem Arzt<br />
schlechterdings nicht unterlaufen darf (grober<br />
Beh<strong>an</strong>dlungsfehler), der Bewertung von Missgriffen,<br />
deren Vorkommnis bereits prima facie<br />
(Anscheinsverdacht) auf m<strong>an</strong>gelnde Sorgfalt<br />
hinweist und bei der Be<strong>an</strong>twortung der Frage<br />
nach der medizinischen Notwendigkeit der<br />
Dokumentation. Bei diesen Punkten wird der<br />
Gutachter zw<strong>an</strong>gsläufig seine persönliche Erfahrung<br />
zugrunde legen [15].<br />
Zusammenfassung der Beurteilung<br />
Am Ende eines Gutachtens sollte eine Zusammenfassung<br />
mit der vollständigen Be<strong>an</strong>twortung<br />
der Beweisfragen erfolgen [7, 17, 23, 27,<br />
34]. Die Zusammenfassung gibt in gestraffter<br />
Form Antwort auf die Beweisfragen [17] und<br />
darf nicht in Widerspruch zu den vor<strong>an</strong>geg<strong>an</strong>genen<br />
Ausführungen stehen [7, 27, 34]. Derartige<br />
Gutachten werden als irreführende Gutachten<br />
bezeichnet [27, 34]. Sofern die vom Auftraggeber<br />
gestellten Fragen allzu widersinnig<br />
erscheinen bzw. allzu weit von den konkreten<br />
Problemen entfernt liegen, empfiehlt es sich,<br />
das Gutachten zunächst mit den eigenen in sich<br />
logischen Schlussfolgerungen zu beenden, um<br />
d<strong>an</strong>n gesondert auf die spezifischen, gestellten<br />
Fragen einzugehen [15]. Der Sachverständige<br />
trägt zur Entscheidungsfindung bei, besitzt je-<br />
ZWR ̶ Das Deutsche Zahnärzteblatt 2008; 117 (10)
518 Fortbildung – Allgemeine Zahnheilkunde<br />
Tab. 2 Die Checkliste für das „gute“ <strong>zahnärztliche</strong> Gutachten [3]<br />
CHECKLISTE ☑<br />
Das „gute“ <strong>zahnärztliche</strong> Gutachten im Zivilprozess Seite 1<br />
Gutachten Gericht: Aktenzeichen:<br />
I. Formaler Aufbau<br />
I.1 Ist das Gutachten insgesamt übersichtlich und ist dieses klar gegliedert? █<br />
I.2 Weist das Gutachten einen gewissen Umf<strong>an</strong>g auf? █<br />
I.3 Ist bei sehr umf<strong>an</strong>greichen, komplexen Gutachten ein Inhaltsverzeichnis<br />
vorh<strong>an</strong>den?<br />
I.4 Sind Verfasser, Rechtssache, Auftraggeber, Patient und Datum gen<strong>an</strong>nt? █<br />
I.5 Ist das Gutachten eigenhändig unterschrieben? █<br />
I.6 Sind die Grundlagen, auf die sich das Gutachten stützt, vollständig<br />
aufgelistet?<br />
I.7 Ist das Beweisthema bzw. sind die Fragen des Beweisbeschlusses wiedergegeben?<br />
I.8 Ist eine kurze Sachverhaltsschilderung erfolgt? █<br />
I.9 Sind die vom Patienten geäußerten Beschwerden im Gutachten wiedergegeben?<br />
II. Verständlichkeit und Sprache<br />
II.1 Ist das Gutachten für den verständigen Laien verständlich? █<br />
II.2 Ist die Sprache im Gutachten einfach und präzise? █<br />
II.3 Sind wenig (nicht medizinische) Fremdwörter vorh<strong>an</strong>den? █<br />
II.4 Sind keine Abkürzungen verwendet bzw. falls doch sind diese erläutert? █<br />
II.5 Sind medizinische Fachbegriffe übersetzt bzw. diese verständlich erklärt? █<br />
II.6 Ist die Anamnese aus Sicht des Untersuchten wiedergegeben? █<br />
II.7 Ist ein Zahnschema zur Ver<strong>an</strong>schaulichung vorh<strong>an</strong>den? █<br />
II.8 Sind gegebenenfalls Skizzen zur Ver<strong>an</strong>schaulichung vorh<strong>an</strong>den? █<br />
III. Anamnese und Befund<br />
III.1 Wurde der Patient vom Gutachter untersucht? Falls nicht zutreffend<br />
weiter unter IV.<br />
III.2 Ist das Datum der gutachterlichen Untersuchung vermerkt? █<br />
III.3 Wurde der Zahnstatus vollständig erhoben? █<br />
III.4 Wurden weitere Befunde (Modelle, Röntgen etc.) erhoben und ausführlich<br />
dokumentiert?<br />
III.5 Wurden zur besseren Ver<strong>an</strong>schaulichung Fotos gemacht? █<br />
IV. Sachlichkeit<br />
IV.1 Ist der Gutachter unvoreingenommen? █<br />
IV.2 Hat eine emotionsfreie Befunderhebung stattgefunden? █<br />
IV.3 Gründet sich das Gutachten nicht auf bloßen Mutmaßungen und Behauptungen?<br />
doch keine Entscheidungskompetenz [19]. Die<br />
abschließende Wertung der verschiedenen Dokumente<br />
gegenein<strong>an</strong>der ist ausdrücklich nicht<br />
Sache des Gutachters.<br />
Literaturzitate<br />
Die Angabe von Literaturbelegen ist nötig, um<br />
das Gutachten evidenzbasiert und nachprüfbar<br />
zu machen, wenn es um Innovationen,<br />
verlassene Verfahren, Schulenstreits und zum<br />
Ausschluss einer Diskrep<strong>an</strong>z mit vorh<strong>an</strong>denen<br />
█<br />
█<br />
█<br />
█<br />
█<br />
█<br />
█<br />
Leitlinien geht [15]. Günstig ist es, Aussagen<br />
zu den <strong>an</strong>deren bewertungsrelev<strong>an</strong>ten Aspekten<br />
mit Belegen zu versehen [15]. Wenn allgemeingültiges<br />
und präsentes Wissen wiedergegeben<br />
wurde, sind Literaturzitate jedoch nicht<br />
nötig [23]. Bei der Behauptung, eine bestimmte<br />
Untersuchungsmethode sei selbstverständliche,<br />
allgemeine Pflicht und das Unterlassen<br />
schlechterdings nicht verständlich, ist ein Auszug<br />
aus einem trivialen Alltags-St<strong>an</strong>dard-<br />
Lehrbuch <strong>an</strong>gebracht [15]. Selbstverständlich<br />
ist die Anzahl der zitierten Literaturstellen<br />
kein Qualitätskriterium, sondern ihre Treffsicherheit<br />
für das spezifische Problem [15]. Eing<strong>an</strong>g<br />
in das Gutachten sollte nur jene Fachliteratur<br />
finden, die zum Ereigniszeitpunkt bereits<br />
veröffentlicht war [7, 28, 34]. Andererseits<br />
k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> kritisch <strong>an</strong>merken, dass <strong>an</strong>gesichts<br />
des Umf<strong>an</strong>gs der medizinischen Literatur<br />
selbst die unsinnigsten Behauptungen durch<br />
Literaturbelege untermauert werden können<br />
[20]. In nicht seltenen Fällen geht der Gutachter<br />
offenbar davon aus, dass sich der Leser allein<br />
durch die Tatsache, dass ein oder mehrere<br />
Literaturzitate aufgeführt werden, entsprechend<br />
beeindrucken lässt und damit Diagnostik<br />
und Beurteilung des Gutachtens von vornherein<br />
nicht mehr infrage stellt [29]. Im Zusammenh<strong>an</strong>g<br />
mit Literaturzitaten soll auch<br />
die zunehmende Bedeutung von Leitlinien im<br />
Arzthaftungsrecht Erwähnung finden. Aus<br />
haftungsrechtlicher Sicht ist der fachärztliche<br />
St<strong>an</strong>dard für die Qualität der ärztlichen Beh<strong>an</strong>dlung<br />
maßgebend. Dieser St<strong>an</strong>dard wird<br />
durch Fakten ausgefüllt, die in der Regel der<br />
medizinische Sachverständige feststellt [13].<br />
Medizinische Leitlinien, als innerprofessionell<br />
durch ärztliche Fachgremien verfasste, nach<br />
dem Grad ihrer Verbindlichkeit abgestufte<br />
H<strong>an</strong>dlungsempfehlungen zur diagnostischen<br />
und therapeutischen Vorgehensweise für bestimmte<br />
Situationen, geraten hierbei zunehmend<br />
ins juristische Interesse [13]. Es ist absehbar,<br />
dass Leitlinien zunehmend die Rechtsfindung<br />
einer stark <strong>an</strong> autoritativen Texten<br />
orientierten Justiz beeinflussen werden [11,<br />
13]. Schon jetzt muss konstatiert werden, dass<br />
Leitlinien häufiger von Juristen als von Medizinern<br />
eingesehen werden. Daher k<strong>an</strong>n es im<br />
<strong>zahnärztliche</strong>n Gutachten sinnvoll sein, Stellungnahmen<br />
der Deutschen Gesellschaft für<br />
Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK),<br />
zumal diese online für jederm<strong>an</strong>n zugänglich<br />
sind, in die Beurteilung im <strong>zahnärztliche</strong>n<br />
Gutachten aufzunehmen.<br />
Checkliste<br />
Die vorgestellten <strong>Qualitäts<strong>an</strong>forderungen</strong> <strong>an</strong><br />
<strong>zahnärztliche</strong> Sachverständigengutachten sind<br />
in der Checkliste von Brauer zusammengefasst<br />
ZWR ̶ Das Deutsche Zahnärzteblatt 2008; 117 (10)
(Tab. 2). Um zu prüfen, ob diese Anforderungen<br />
vollständig sind, wurden exemplarisch<br />
Richter von Amts-, L<strong>an</strong>d- und Oberl<strong>an</strong>desgerichten<br />
sowie Fach<strong>an</strong>wälte für Medizinrecht<br />
um eine Expertise zu Qualitätsmerkmalen<br />
zahnmedizinischer Sachverständigengutachten<br />
gebeten. Als Hauptqualitätskriterium<br />
stellte sich bei dieser Befragung eindeutig der<br />
Wunsch nach einem verständlichen Gutachten<br />
heraus. Hierbei wurden mehrfach Zahnschemata<br />
sowie erklärende Skizzen gefordert.<br />
Die erstellte Checkliste wurde <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d von 25<br />
Sachverständigengutachten, die von erfahrenen<br />
Gutachtern verfasst wurden, auf Praktikabilität<br />
überprüft. Die Checkliste erwies sich<br />
als vollständig, praktikabel und trennscharf<br />
[3].<br />
Diskussion<br />
Der vorliegende Beitrag stellt die Qualitätskriterien<br />
<strong>zahnärztliche</strong>r Sachverständigengutachten<br />
im Zivilprozess zusammen. Aus Sicht der<br />
Zahnärzteschaft ist es unabdingbar, sich mit<br />
dem Thema Gutachten zu beschäftigen, da<br />
rechtliche Ausein<strong>an</strong>dersetzungen zwischen<br />
Zahnarzt und Patient zugenommen haben und<br />
vermutlich weiter steigen werden. Darüber hinaus<br />
gibt das Sachverständigengutachten Auskunft<br />
über das <strong>zahnärztliche</strong> Selbstverständnis<br />
[4, 17]. Der <strong>zahnärztliche</strong> Berufsst<strong>an</strong>d hat somit<br />
ein Interesse <strong>an</strong> einer sachgerechten Darstellung<br />
des aktuellen zahnmedizinischen<br />
Wissenst<strong>an</strong>ds und einer adäquaten Beurteilung<br />
<strong>zahnärztliche</strong>r Beh<strong>an</strong>dlungsmaßnahmen<br />
und Therapieergebnisse durch den Sachverständigen.<br />
In großen Teilen der Bevölkerung<br />
herrscht die rein mech<strong>an</strong>istische Vorstellung<br />
der Zahnmedizin vor [16]. Das berufsständische<br />
Interesse muss darauf abzielen, die Zahnmedizin<br />
in der Öffentlichkeit in ihrer tatsächlichen<br />
Komplexität und Kompliziertheit darzustellen<br />
und nicht naiv technisch zu vereinfachen.<br />
Sachverständigengutachten als innerprofessionelle<br />
Stellungnahmen können einen<br />
Beitrag leisten, den zahnmedizinischen Eingriff<br />
vor dem öffentlichen Bewusstsein entsprechend<br />
zu vertreten. Gutachten als „Aushängeschild“<br />
der Profession sollten klar strukturiert<br />
und fehlerfrei sein sowie sich durch logische<br />
Argumentation und Stringenz auszeichnen.<br />
Zusammenfassung<br />
Ein <strong>zahnärztliche</strong>s <strong>Gerichtsgutachten</strong> sollte für<br />
den verständigen Laien vor allem verständlich<br />
und nachvollziehbar sein. Dies hilft allen beteiligten<br />
Parteien. Daher sollte bei der Erstellung<br />
des Gutachtens nachgedacht werden, ob ein<br />
Zahnschema und Skizzen zum besseren Verständnis<br />
beitragen können. Im guten Gutachten<br />
ZWR ̶ Das Deutsche Zahnärzteblatt 2008; 117 (10)<br />
Fortbildung ̶ Allgemeine Zahnheilkunde<br />
Tab. 2 Die Checkliste für das „gute“ <strong>zahnärztliche</strong> Gutachten [3]<br />
CHECKLISTE ☑<br />
Das „gute“ <strong>zahnärztliche</strong> Gutachten im Zivilprozess Seite 2<br />
V. Beurteilung<br />
V.1 Enthält sich der Gutachter juristischer Ausführungen? █<br />
V.2 Wurden Versorgungsstufe, Zeitpunkt der Beh<strong>an</strong>dlung und Methodenfreiheit<br />
beachtet?<br />
V.3 Liegt keine Beurteilung in dubio pro aegroto vor? █<br />
V.4 Ist die Beurteilung, insbesondere bei schwierigen Ged<strong>an</strong>kengängen,<br />
nachvollziehbar?<br />
V.5 Hat die Beurteilung ein eindeutiges Ergebnis? █<br />
V.6 Wurde die tatsächliche Kompliziertheit zugrunde gelegt und dargestellt?<br />
V.7 Gründet sich die Beurteilung nicht auf einer rein mech<strong>an</strong>istischen<br />
Betrachtungsweise?<br />
V.8 Wurde, falls zutreffend, auf eine psychosomatische Erkr<strong>an</strong>kung aufmerksam<br />
gemacht?<br />
V.9 Wurden die Erwartungen des Patienten in der Beurteilung berücksichtigt? █<br />
V.10 Wurde bei strittigen Sachverhalten eine getrennte Beurteilung gegeben?<br />
V.11 Liegt bei Fragen nach der Kausalität kein Post-hoc-ergo-propter-hoc-<br />
Trugschluss vor?<br />
V.12 Überschätzt der Sachverständige nicht seine eigene Expertenschaft? █<br />
V.13 Setzt sich der Gutachter mit „Vorgutachten“ ausein<strong>an</strong>der? █<br />
V.14 Wurden Meinungsstreitigkeiten in der Literatur, falls vorh<strong>an</strong>den, dargestellt?<br />
V.15 Weist die Beurteilung einen adäquaten Umf<strong>an</strong>g auf? █<br />
VI. Zusammenfassung<br />
VI.1 Ist eine Zusammenfassung vorh<strong>an</strong>den und ist diese knapp gehalten? █<br />
VI.2 Sind die Fragen des Beweisbeschlusses präzise und schlüssig be<strong>an</strong>twortet?<br />
VI.3 Stimmt die Zusammenfassung mit den vor<strong>an</strong>geg<strong>an</strong>genen Ausführungen<br />
überein?<br />
VII. Literaturzitate<br />
VII.1 Wurde wissenschaftliche Literatur zitiert? █<br />
VII.2 Wurde Bezug auf das Erfahrungswissen des Sachverständigen genommen?<br />
VII.3 Wurden Leitlinien, Empfehlungen, Richtlinien etc. im Gutachten berücksichtigt?<br />
VII.4 War die zitierte Literatur zum strittigen Zeitpunkt bereits veröffentlicht? █<br />
VII.5 Wurde aus allgemeinen St<strong>an</strong>dardwerken zitiert? █<br />
VII.6 Sind die Literaturfundstellen adäquat? █<br />
untermauern entsprechende Literaturbelege<br />
die Beurteilungen des Sachverständigen. Anh<strong>an</strong>d<br />
der vorgestellten Checkliste hat ein <strong>zahnärztliche</strong>r<br />
Sachverständiger nach Erstellung<br />
seines Gutachtens die Möglichkeit dieses nochmals<br />
zu reflektieren. Dies dient einerseits der<br />
Qualitätssicherung durch ein Werkzeug, das<br />
die Qualität <strong>zahnärztliche</strong>r Gutachten tr<strong>an</strong>sparent<br />
macht und <strong>an</strong>dererseits dazu, dass der<br />
Sachverständige sein Gutachten selbstbewusst<br />
abliefern k<strong>an</strong>n.<br />
█<br />
█<br />
█<br />
█<br />
█<br />
█<br />
█<br />
█<br />
█<br />
█<br />
█<br />
█<br />
519
520 Fortbildung – Allgemeine Zahnheilkunde<br />
The Quality St<strong>an</strong>dard of Dental Expert Opinions in Civil Action<br />
Lawsuits concerning dental litigation are increasing. The court puts the dental<br />
expert in charge to clarify the court order. The question does arise what<br />
is a good expert opinion. The following paper describes the quality st<strong>an</strong>dard<br />
of dental expert opinions. A checklist is presented for the better expert opinion.<br />
By this checklist the dental expert could reflect his work <strong>an</strong>d the quality<br />
of dental expert opinions could be made tr<strong>an</strong>sparent.<br />
Key Words<br />
Expert Opinion – Litigation – Quality St<strong>an</strong>dard<br />
Literaturverzeichnis<br />
1 Ankerm<strong>an</strong>n E. Beh<strong>an</strong>dlungsst<strong>an</strong>dard und -spielraum<br />
in der Zahnmedizin aus haftungsrechtlicher<br />
Sicht. Dtsch Zahnärztl Z 1991; 46: 253–256<br />
2 Bergm<strong>an</strong>n KO. Die Arzthaftung – Ein Leitfaden für<br />
Ärzte und Juristen. Berlin, Heidelberg: Springer,<br />
2004<br />
3 Brauer HU. Das <strong>zahnärztliche</strong> Gutachten im Zivilprozess<br />
– Konzeption einer Checkliste für das<br />
„gute“ <strong>zahnärztliche</strong> Sachverständigengutachten.<br />
Masterarbeit Studieng<strong>an</strong>g „Integrated Dentistry“,<br />
Universität Magdeburg, 2007<br />
4 Brauer HU. Allgemeine Grundlagen der zahnmedizinischen<br />
Begutachtung. ZMK 2008; 24: 126–130<br />
5 BVerfG. Meinungsäußerungsfreiheit und ärztliche<br />
Gutachtertätigkeit. MedR 2003; 21: 296–297<br />
6 Crasselt C, Hülsm<strong>an</strong>n M. Juristische Probleme in<br />
der restaurativen Zahnheilkunde. ZWR – Das deutsche<br />
Zahnärzteblatt 2004; 113: 463–467<br />
7 DGGG. Empfehlung zur Abfassung von Gutachten<br />
in Arzthaftungsprozessen. Leitlinie der Deutschen<br />
Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe<br />
(DGGG). Online im Internet: http://www.uniduesseldorf.de/AWMF/ll-na/015-026.htm;<br />
St<strong>an</strong>d<br />
01.03.2008<br />
8 Diedrichs G. Gerichtliche Ausein<strong>an</strong>dersetzungen<br />
nach prothetischer Beh<strong>an</strong>dlung. Dtsch Zahnärztl Z<br />
1995; 50: 143–146<br />
9 Ehlers A. Einführung. In: Ehlers A (Hrsg). Medizinisches<br />
Gutachten im Prozess. 3. Auflage, München:<br />
CH Beck, 2005<br />
10 Figgener L. Ästhetische Zahnmedizin im Blickpunkt<br />
des Rechts. Dtsch Zahnärztl Z 1995, 50: 435–436<br />
11 Figgener L. Forensic aspects of guidelines. J Forensic<br />
Odontostomatol 2003; 21: 14–16<br />
12 Graskemper JP. The st<strong>an</strong>dard of care in dentistry:<br />
Where did it come from? How has it evolved? J Am<br />
Dent Assoc 2004; 135: 1449–1455<br />
13 Grams HA. Arzthaftungsrecht: Die Relev<strong>an</strong>z medizinischer<br />
Leitlinien nimmt zu. Dtsch Ärztebl 2005;<br />
102: A814<br />
14 Günther H, Heifer U. Rechtsmedizin und Begutachtung<br />
in der <strong>zahnärztliche</strong>n Praxis. Stuttgart, New<br />
York: Thieme, 1984<br />
15 H<strong>an</strong>sis ML. Begutachtung vorgeworfener ärztlicher<br />
Beh<strong>an</strong>dlungsfehler – „das gute Gutachten“. Med<br />
Sach 2006; 102: 10–15<br />
16 Heners M. Die Bedeutung allgemein <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nter<br />
Regeln und ihrer Kriterien für die Qualitätsdiskussion<br />
in der Zahnmedizin. Dtsch Zahnärztl Z 1991;<br />
46: 262–266<br />
17 Heners M. Der sachgerechte Aufbau des Gutachtens<br />
als Spiegel der Abstraktionsfähigkeit. Kurs<br />
gut 1 der Kursreihe „Karlsruher Aufbautraining<br />
zum <strong>zahnärztliche</strong>n Sachverständigen“ am 17.02.–<br />
18.02.2006 <strong>an</strong> der Akademie für Zahnärztliche<br />
Fortbildung Karlsruhe, 2006<br />
18 Heners M, Walther W. Kurs „Praxis der Begutachtung<br />
- Training für den erfahrenen Sachverständigen“<br />
am 30.09.–01.10.2005 <strong>an</strong> der Akademie für<br />
Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe, 2005<br />
19 Hennies G. Allgemeine Rechtsgrundlagen der medizinischen<br />
Begutachtung In: Marx HH, Klepzig H<br />
(Hrsg). Basiswissen medizinische Begutachtung.<br />
Stuttgart, New York: Thieme, 1998<br />
20 Höffler D. Das Gutachten aus Sicht der konservativen<br />
Medizin. In: Ehlers A (Hrsg). Medizinisches<br />
Gutachten im Prozess. 3. Auflage, München: CH<br />
Beck, 2005<br />
21 Köhler S, Ortm<strong>an</strong>ns-Müller E. Haftungsrechtliche<br />
Fragen in der Zahnarztpraxis. Dental Spiegel 2000;<br />
6: 18–21<br />
22 König-Ouvrier I. Gerichtliche Gutachten: Festlegung<br />
ist häufig nicht möglich. Dtsch Ärztebl 2003;<br />
100: A612<br />
23 Kunze I, Mönkebüscher M. Das Gutachten im Arzthaftungsprozess:<br />
Die Pflichten der ärztlichen Gutachter.<br />
Dtsch Ärztebl online; 19.08.2005<br />
24 Marx HH. Die Begutachtung als ärztliche Aufgabe.<br />
In: Marx HH, Klepzig H (Hrsg). Basiswissen medizinische<br />
Begutachtung. Stuttgart, New York: Thieme,<br />
1998<br />
25 Marx P, Gaidzik PW, Hausotter W, Lösche W, Widder<br />
B, Meier U. Allgemeine Grundlagen der neurologischen<br />
Begutachtung. Akt Neurol 2004; 31: 1–9<br />
26 Münsterm<strong>an</strong>n R. Zahnärztliche Beh<strong>an</strong>dlung und<br />
Begutachtung – Fehlervermeidung und Qualitätssicherung.<br />
Stuttgart, New York: Thieme, 2001<br />
27 Oehler K. Der <strong>zahnärztliche</strong> Sachverständige - Beh<strong>an</strong>dlungsfehler<br />
in Begutachtung und Rechtsprechung.<br />
Köln: Deutscher Zahnärzte-Verlag, 2004<br />
28 Ott WE. Das medizinische Gutachten – insbesondere<br />
das Fehler- und Kausalitätsgutachten im<br />
Arzthaftpflichtrecht. Schweizerische Ärztezeitung<br />
2006; 87: 1170–1173<br />
29 Pförringer W. Das Gutachten aus Sicht der operativen<br />
Medizin. In: Ehlers A (Hrsg). Medizinisches<br />
Gutachten im Prozess. 3. Auflage, München: CH<br />
Beck, 2005<br />
30 Rohde ER. Grundlagen für Konfliktlösungen und<br />
Streitentscheidungen – Zahnmedizinische Gutachten<br />
in juristischen Urteilen. In: Deutscher Zahnärzte-<br />
Kalender 1998. München, Wien: Carl H<strong>an</strong>ser, 1998<br />
31 Roller S. Medizinische Sachverständigengutachten<br />
aus sozialrichterlicher Sicht. SGb 1998; 9: 401–404<br />
32 Rompe G. Die (Un-)Sicherheit der Prognose in der<br />
ärztlichen Begutachtung - aus Sicht des medizinischen<br />
Sachverständigen. Med Sach 2005; 101:<br />
65–67<br />
33 Rumler-Detzel P. Anforderungen <strong>an</strong> ein ärztliches<br />
Gutachten aus Sicht der Zivilgerichte. VersR 1999;<br />
28: 1209–1211<br />
34 Schlund GH. Das medizinische Gutachten im Zivilprozess.<br />
In: Ehlers A (Hrsg): Medizinisches Gutachten<br />
im Prozess. 3. Auflage, München: CH Beck,<br />
2005<br />
35 Schmid F, Püschm<strong>an</strong>n H, Neu J. Auswertung von 157<br />
Schlichtungsverfahren gegen MKG-Chirurgen aus<br />
den Jahren 2000 - 2005 der Schlichtungsstelle für<br />
Arzthaftpflichtfragen der Norddeutschen Ärztekammern.<br />
Mund Kiefer GesichtsChir 2007; 11: 45–51<br />
36 Sidal N. Gutachterliche Therapiebewertungen in<br />
der <strong>zahnärztliche</strong>n Prothetik. Med Diss, Universität<br />
Homburg, 1997<br />
37 Sigel K. Festsitzender Zahnersatz als Gegenst<strong>an</strong>d<br />
von Sachverständigengutachten – Eine Untersuchung<br />
des Zeitraumes 1970–1994. Med Diss, Universität<br />
Tübingen, 1998<br />
38 Stöhr K. Aufklärungspflichten in der Zahnheilkunde.<br />
MedR 2004; 22: 156–160<br />
39 Türp JC, Schwarzer G. Zur Wirksamkeit therapeutischer<br />
Maßnahmen: Der Post-hoc-ergo-propter-hoc-<br />
Trugschluss. Schweiz Monatsschr Zahnmed 2003;<br />
113: 36–46<br />
Korrespondenzadresse<br />
Prof. Dr. Winfried Walther<br />
Direktor der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung<br />
Karlsruhe<br />
Sophienstr. 41, 76133 Karlsruhe<br />
E-Mail: winfried_walther@azfk.de<br />
ZWR ̶ Das Deutsche Zahnärzteblatt 2008; 117 (10)