Einer für alle - MTU
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An Einzylinder-Prüfständen in Magdeburg<br />
und Friedrichshafen wird der Verbrennungsprozess<br />
von <strong>MTU</strong>-Diesel- und<br />
Gasmotoren optimal weiterentwickelt.<br />
18 I <strong>MTU</strong> Report 03/11<br />
Die MotorenEntwickler bei <strong>MTU</strong> setzen verstärkt auf EinzylinderPrüfstände<br />
<strong>Einer</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong><br />
Die Verbrennung des Kraftstoffs ist das,<br />
was den Dieselmotor im Innersten antreibt.<br />
Jetzt und in Zukunft ist sie Quelle und Ausgangspunkt<br />
vieler wichtiger technologischer<br />
Potenziale im gesamten Triebwerk. Dazu<br />
gehört <strong>alle</strong>s, was die Betreiber besonders<br />
interessiert: günstiger Verbrauch, geringer<br />
Verschleiß, eine hohe Lebensdauer, und<br />
nicht zuletzt ein möglichst niedriger Geräuschpegel.<br />
Deshalb wird der Verbrennungsprozess<br />
auf den Einzylinder-Prüfständen<br />
der <strong>MTU</strong> besonders intensiv unter die<br />
Lupe genommen. Und dies mit deutlich steigendem<br />
Aufwand: Seit Mitte 2011 erweitern<br />
vier neue Einzylinder-Prüfstände am Standort<br />
Magdeburg die bestehenden Anlagen in<br />
Friedrichshafen.<br />
„Sehen Sie den Unterschied?“ – Prüfstandsfahrer<br />
Ivica Tolic hält zwei Kolbenböden ins Neonlicht<br />
vom EinzylinderPrüfstand 112 in Friedrichshafen.<br />
Die Frage ist rein rhetorisch, denn mit bloßem<br />
Auge sind beide Varianten nicht zu unterscheiden.<br />
Derartig kleine Unterschiede bei Kolben,<br />
Kolben böden, Zylinderlaufbuchsen, Injektoren<br />
und anderen ZylinderBauteilen sind auf den<br />
neun EinzylinderPrüfständen an den Tognum<br />
Standorten Friedrichshafen und Magdeburg das<br />
tägliche Brot der Techniker und Ingenieure. Hier<br />
werden ZylinderKonzepte, Verbrennungsverfahren<br />
und Werkstoffe messtechnisch bis ins letzte<br />
Detail untersucht. Unzählige Varianten von Zylinderbauteilen<br />
werden erprobt, die Messdaten teilweise<br />
in Echtzeit analysiert und an Bildschirmen<br />
dargestellt – ein HightechLabor <strong>für</strong> Diesel und<br />
Gasmotoren.<br />
Wortwörtlich werden auf EinzylinderPrüfständen<br />
Motoren getestet, die mit einem einzigen Zylinder<br />
ausgestattet sind. Dies sind reine Versuchsmotoren,<br />
wogegen im <strong>MTU</strong>Produktportfolio<br />
ausschließlich Vollversionen der entsprechenden<br />
Motorbaureihen mit sechs und mehr Zylindern<br />
angeboten werden. Die EinzylinderMotoren liefern<br />
sowohl Ergebnisse <strong>für</strong> Grundlagenuntersuchungen<br />
im Bereich Vorserienentwicklung als<br />
auch die Brennverfahren <strong>für</strong> konkrete Serienprojekte.<br />
Sie stellen damit einen wichtigen Beitrag<br />
bei der Entwicklung von Motoren dar. Anschließend<br />
werden die Motoren dann im Bereich Serien <br />
entwicklung auf VollmotorPrüfständen bis zur<br />
Serienreife weiterentwickelt.<br />
Warum spielen gerade der einzelne Zylinder und<br />
seine Bauteile eine so gewichtige Rolle bei der<br />
Motorenentwicklung? „Im Zylinder findet die Verbrennung<br />
statt, die wiederum eine Schlüsselrolle<br />
<strong>für</strong> Leistung, Verbrauch und Emissionen spielt“,<br />
erläutert Alexander Wasgindt, Teamleiter Verbrennungsentwicklung<br />
bei <strong>MTU</strong>. Generell geht es<br />
Technologie<br />
«Die Verbrennung ist ein<br />
wichtiger Baustein, um den<br />
gesamten Motor optimal zu<br />
gestalten.»<br />
Alexander Wasgindt, Teamleiter Verbrennungsentwicklung<br />
dabei heute darum, die Motoren noch sauberer<br />
und sparsamer zu machen. Die gesamte Klavia tur<br />
von Einspritz und Verbrennungsverfahren, von<br />
der Voreinspritzung bis zur Abgasrückführung,<br />
wird dabei durchgespielt. Nicht nur <strong>alle</strong> Bauteile,<br />
sondern auch <strong>alle</strong> Randbedingungen und Einstellungen<br />
werden beliebig variiert, sei es die Kühlung,<br />
die Aufladung oder die Ölschmierung. „Die<br />
Verbrennung,“ so Wasgindt, „ist ein wichtiger<br />
Baustein, um den gesamten Motor optimal zu<br />
gestalten.“<br />
Modernste Prüfstandstechnik erlaubt höchst präzise Steuerungs- und Messabläufe beim Testen<br />
von Verbrennungskonzepten.<br />
<strong>MTU</strong> Report 03/11 I 19
Auf den <strong>MTU</strong>-Einzylinder-Prüfständen werden verschiedene Bauteil-Varianten, wie Kolben,<br />
die sich oft nur durch mikroskopische Unterschiede auszeichnen, erprobt.<br />
Warum dann EinzylinderPrüfstände? Wäre es<br />
letztlich nicht doch besser und vor <strong>alle</strong>m messtechnisch<br />
verlässlicher, den kompletten 8, 12<br />
oder 20ZylinderMotor zu testen, der beim<br />
Kunden zum Einsatz kommt? „Das ist bei der<br />
großen Zahl von Versuchsreihen bei der Verbrennungsentwicklung<br />
schlicht unwirtschaftlich, nicht<br />
ökologisch und nicht effizient“, so Wasgindt. Denn<br />
ob Einzylinder oder Vollmotor – in den Zylindern<br />
spielt sich dasselbe ab. EinzylinderMessdaten<br />
sind somit weitgehend repräsentativ <strong>für</strong> den Verbrennungsvorgang<br />
in <strong>alle</strong>n Zylindern eines Motors.<br />
Die abgespeckte Motorversion bietet dabei mehrere<br />
Vorteile: So liegt es auf der Hand, dass sie<br />
erheblich weniger Kraftstoff bei den Versuchsläufen<br />
verbraucht und damit die Umwelt schont. Ein<br />
weiterer Vorteil besteht in dem weit geringeren<br />
Zeit, Material und Kostenaufwand beim Durchtesten<br />
verschiedener Bauteilvarianten.<br />
Einzylinderprüfstände werden wichtiger<br />
Die Bedeutung von EinzylinderPrüfständen hat<br />
in den vergangenen Jahren beträchtlich zugenommen.<br />
Treibende Kraft sind dabei die immer<br />
schärfer werdenden gesetzlich vorgeschriebenen<br />
Emissionsgrenzwerte. Dabei ist man vor <strong>alle</strong>m<br />
bei der Emissionsmessung in immer kleinere<br />
Größen ordnungen bei immer größerer Genauigkeit<br />
vorgestoßen. Bis vor zehn Jahren durfte<br />
ein Motor über zehn Gramm Stickoxide pro Kilowattstunde<br />
ausstoßen, mittlerweile ist es weniger<br />
als ein Gramm pro Kilowatt stunde. „Noch<br />
vor fünf Jahren hätte man das gar nicht messen<br />
können“, betont Dr. Michael Thoma vom Bereich<br />
Messtechnik.<br />
Mit Blick auf die rein innermotorische Brennraumgestaltung<br />
und die Gestaltung der Einspritztechnologie<br />
kann man die strengen Grenzwerte<br />
«Früher mussten wir diese<br />
Daten <strong>für</strong> die Berechnung<br />
sehr aufwändig dokumentieren<br />
und aufbereiten. Jetzt<br />
haben wir das Ergebnis in<br />
Echtzeit auf dem Bildschirm<br />
und können so den Verbrennungsprozess<br />
schneller<br />
bewerten.»<br />
Alexander Wasgindt, Teamleiter Verbrennungsentwicklung<br />
nur unterschreiten, indem <strong>alle</strong> technischen Möglichkeiten<br />
ausgeschöpft und mit höchster Präzision<br />
umgesetzt werden. Das Zusammenspiel<br />
der Konstruktion des Brennraums mit weiteren<br />
Technologien, wie Einspritzung, Elektronik, Abgasrückführung<br />
bis hin zu außermotorischen<br />
Maßnahmen hat die Zahl der Variablen bei Versuchsreihen<br />
enorm vergrößert. Auf EinzylinderPrüfständen<br />
müssen <strong>alle</strong> diese Faktoren<br />
berücksichtigt werden. „Praktisch bedeutet das:<br />
Wir müssen viel mehr Messreihen fahren als früher“,<br />
betont Alexander Wasgindt.<br />
Angesichts der enorm gestiegenen Zahl von<br />
Messreihen bringen die neuen EinzylinderPrüfstände,<br />
die Mitte des Jahres 2011 am Tognum<br />
Standort Magdeburg eingerichtet wurden, eine<br />
deutliche Entlastung. Zusätzlich zu einem EinzylinderPrüfstand<br />
<strong>für</strong> die Baureihe 8000 wurden<br />
hier vier weitere EinzylinderPrüfstände eingerichtet,<br />
von denen einer als Gasmotorprüfstand<br />
ausgelegt ist. Durch eine variable Mischung von<br />
Erdgas, Kohlendioxid und Propan können verschiedenste<br />
Gasqualitäten von kohlendioxidreichem<br />
Biogas bis zu hochwertigem Erdgas<br />
nachgebildet und die Verbrennung so <strong>für</strong> ein<br />
weites Feld möglicher Anwendungen optimiert<br />
werden. „Gerade die gasmotorischen Brennverfahren<br />
werden wir hier in Magdeburg in Zukunft<br />
noch intensiver untersuchen und weiterentwickeln“,<br />
betont Dr. Jan Piatek, Leiter der EinzylinderPrüfstände.<br />
Da es um die Entwicklung<br />
umweltfreundlicher Zukunftstechnologien geht,<br />
unterstützt das Land SachsenAnhalt die neuen<br />
Prüfstände.<br />
Simulation am Computer<br />
Eine wichtige Rolle bei der Verbrennungsentwicklung<br />
spielt zunehmend die Berechnung des<br />
Verbrennungsvorgangs am Computer. Prüfstands<br />
versuch und Berechnung – auch Simulation genannt<br />
– bilden das klassische Geschwisterpaar<br />
der modernen, wissenschaftlichen Methodik in<br />
der Motorenentwicklung. Zusammen geben sie<br />
schneller und genauer Einblicke in die Verbrennung.<br />
Der Versuch liefert hierbei reale Messdaten.<br />
Die Simulation erlaubt zusätzlich einen rechnerischen<br />
Blick in die Tiefen der Verbrennung, um<br />
besser zu verstehen, welche physikalischen Zusammenhänge<br />
zwischen dem messtechnisch<br />
unzugänglichen Geschehen im Motor und den<br />
messbaren Motordaten bestehen. „So wissen<br />
die Verbrennungsentwickler genau, wo sie an<br />
Technologie<br />
die Geometrie des Verbrennungsraums sowie die<br />
Eigenschaften des Kraftstoff/LuftGemisches.<br />
So hochentwickelt die Verbrennungssimulation<br />
mittlerweile ist, so werden die Messdaten der<br />
EinzylinderPrüfstände doch häufig genutzt, um<br />
die Rechenergebnisse zu prüfen. Wie eng Entwicklungsprüfstände<br />
und Simulation mittlerweile<br />
zusammenarbeiten, zeigt wieder ein Blick auf<br />
den Steuer und Überwachungsstand von Prüfstand<br />
112: Auf zwei der Bildschirme wird der<br />
aktuelle Brenn und Temperaturverlauf berechnet<br />
und dargestellt. Die Software da<strong>für</strong> wurde von<br />
Die Berechnung am Computer erschließt ein tieferes Verständnis von Verbrennungsvorgängen.<br />
setzen müssen, um die Verbrennung gemäß den<br />
Entwicklungszielen zu verbessern“, erläutert Ralf<br />
Speetzen, Teamleiter <strong>für</strong> Hydraulik und Verbrennungsanalyse.<br />
Bei diesen Berechnungsaufgaben geht es um komplexe<br />
physikalischmathematische Modelle, die nur<br />
durch eine hohe Rechnerleistung zu bewältigen<br />
sind. Bei der Eingabe der Startwerte am Computer<br />
wird eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigt, um<br />
Druck, Wärme und Emissionen innerhalb des Verbrennungsvorgangs<br />
zu berechnen. Dazu gehören<br />
<strong>alle</strong> physikalischen Eckwerte, wie Zusammensetzung,<br />
Dichte, Viskosität und andere Eigenschaften<br />
des Kraftstoffs, der Ablauf des Einspritzvorgangs,<br />
der Rechenabteilung entwickelt und zur Verfügung<br />
gestellt. „Früher mussten wir diese Daten<br />
<strong>für</strong> die Berechnung sehr aufwändig dokumentieren<br />
und aufbereiten, jetzt haben wir das Ergebnis<br />
in Echtzeit auf dem Bildschirm und können so<br />
den Verbrennungsprozess schneller bewerten“,<br />
so Wasgindt.<br />
Text: Wolfgang Stolba<br />
Bilder: Foto Fuchs, Robert Hack<br />
Ihre Fragen beantwortet:<br />
Alexander Wasgindt<br />
alexander.wasgindt@mtuonline.com<br />
Tel. +49 7541 903157<br />
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