30.12.2012 Aufrufe

Dokument - WSE

Dokument - WSE

Dokument - WSE

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Strausberger Mief<br />

1891 Große Straße und Wilhelmstraße<br />

erhielten Abflussröhren<br />

für Regen- und Traufwasser.<br />

1899 Endstation Mühlenfließ: Ins<br />

Fließ entsorgten viele Hausbesitzer<br />

der Nordstadt ihre<br />

Abwässer. Wegen übler Gerüche<br />

beantragte Gerbermeister<br />

Marzahn die Verlegung des<br />

Mühlenfließes unter die Erdoberfläche.<br />

Ein Leser schrieb an die<br />

Strausberger Zeitung: „Wer jetzt<br />

abends die Straßen der Stadt<br />

passiert, dessen Geruchsorgane<br />

werden unangenehm berührt.“<br />

1900 Ein Teil der städtischen<br />

Abwässer floss über einen Graben<br />

im Garten der Landarmenund<br />

Korrigentenanstalt in den<br />

Straussee. Dieser Graben wurde<br />

„Stadtkloak“ genannt.<br />

Fäkalien gelangten über das<br />

Mühlenfließ zum Herrensee und<br />

verunreinigten diesen.<br />

1901 Das „Ortsstatut über die<br />

Kanalisation in Strausberg“<br />

wurde von den Stadtverordneten<br />

verabschiedet. Es legte die unterirdische<br />

Regenwasserableitung<br />

in der Altstadt fest.<br />

1902 Die Tagespresse plädierte<br />

dafür, auch das Abwasser unterirdisch<br />

abzuleiten. Mit einem<br />

„Patentsauger“ wurden die<br />

Fäkalien nun aus den Gruben<br />

abgefahren. Für die Abfuhr erließ<br />

die Polizei eine Anordnung,<br />

die den Einsatz nur nachts<br />

bis früh 9 Uhr erlaubte.<br />

30. April 1914 Der Entwurf einer<br />

Kanalisation wurde landespolizeilich<br />

genehmigt. Die<br />

Abwasserkanalisationsleitung<br />

sollte unter dem Gleiskörper der<br />

Bahnstrecke Berlin–Cüstrin<br />

bei Kilometer 28,86 hindurchgeführt<br />

werden. Eine Kläranlage<br />

ging in Strausberg allerdings erst<br />

15 Jahre später in Betrieb.<br />

KAPITEL 1 | Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des ersten Weltkrieges<br />

Der lange Weg zum Glück in Strausberg<br />

Wie sah es nun rund 20 Kilometer weiter östlich<br />

von Neuenhagen, in Strausberg, aus? Die<br />

Stadt hatte bereits 1911 ein funkelnagelneues eigenes<br />

Wasserwerk in Betrieb genommen. Was fortschrittlich<br />

klingt, war jedoch das gute Ende eines sich über ein<br />

Jahrzehnt zäh hinziehenden Ringens mit der Skepsis<br />

und Verschuldungsangst der Einwohner. Zur Jahrtausendwende<br />

gab es zwei Versorgungswege in Strausberg.<br />

Hausbesitzer, Gewerbetreibende und Landwirte<br />

unterhielten eigene Brunnen auf ihren Privatgrundstücken,<br />

deren Wasser zum Teil von schlechter Qualität<br />

war. Zusätzlich existierte eine öffentliche Wasserversorgung,<br />

wobei das Lebenselixier von Quellen<br />

durch hölzerne Rohrleitungen zu öffentlichen Brunnen<br />

in der Stadt floss. Das dort zwischengespeicherte<br />

Nass stand als Trink- und Löschwasser für die Bevölkerung<br />

bereit.<br />

Einige Modernisierer hätten dies gern geändert.<br />

In einem Vortrag über „Wasserleitung und Kanalisation“<br />

erläuterte der Berliner Stadtbauinspektor<br />

Max Knauff am 30. Oktober 1901 im Strausberger<br />

„Städtefeld’schen Saal“ die Möglichkeiten einer zentralen<br />

Wasserversorgung vor Ort. So könne man dafür<br />

Seewasser verwenden oder Tiefbrunnen bohren.<br />

Hingerissen waren die einheimischen Zuhörer davon<br />

nicht gerade. Zwar sahen viele von ihnen die<br />

Notwendigkeit eines Wasserwerkes, zumal die Brunnen<br />

in einen immer schlechteren Zustand gerieten<br />

und sowohl die Wilhelm- als auch die Große Straße<br />

mit einer neuen Kanalisation für Regen-, Traufund<br />

Wirtschaftsabwässer ausgestattet wurde, die<br />

über das Straussee-Mühlenfließ in den Herrensee<br />

abflossen. Die Kosten für das Mammutprojekt einer<br />

zentralen Trinkwasserversorgung schreckten die<br />

Strausberger aber ab. Zwar erhielten die städtischen<br />

Behörden den Auftrag, Bohrversuche anzustellen,<br />

die Anschlussbereitschaft der Gebäudebesitzer zu<br />

recherchieren sowie einen Kostenvoranschlag und<br />

einen Tarif für die Wasserversorgung zu errechnen.<br />

Anschließend wurde das Projekt allerdings erst einmal<br />

auf Eis gelegt.<br />

Dringlicher schien doch die Lösung für das Problem<br />

der Abwasser- und Fäkalienentsorgung. Denn<br />

zu den rund 8.000 Einwohnern Strausbergs produzierten<br />

hunderte Nutztiere täglich übel riechende<br />

Exkremente. Schweine, Rinder, Schafe und Pferde<br />

lebten auf den Gehöften ihrer Besitzer. Abhilfe sollte<br />

neuste Technik schaffen. Am 17. April 1902 traf<br />

ein von der Maschinenfabrik Hermann Wegener<br />

aus Britz entwickelter „Patentsauger“ in Strausberg<br />

ein. Dieser Kesselwagen sollte zur Entleerung von<br />

Dung- und Fäkalgruben genutzt werden und fasste<br />

ein Volumen von 1.200 Litern. Sein Inhalt wurde<br />

mit einem Schlauch aus den Gruben der Haushalte<br />

entnommen. Er konnte auf den Ackerflächen<br />

rund um Strausberg zur Düngung abgelassen oder<br />

auch durch Verbrennung mithilfe des von den Fäkalien<br />

produzierten Biogases im Inneren des Kessels<br />

dezimiert werden. Nur zwei Jahre betrieb die Stadt<br />

das fahrende Entsorgungsgerät selbst, dann verkaufte<br />

sie es für 2.100 Mark an den Ackerwirt Witthuhn<br />

aus Hohenstein, der nun die Entleerungsdienstleistung<br />

auf eigene Kappe weiter anbot. Die Abfuhrkosten<br />

diktierte ihm die Stadt. Für die Leerung einer<br />

städtischen Grube am Tage sollte er 2,50 Mark<br />

pro Kubikmeter kassieren, bei Nacht 3 Mark und in<br />

der Vorstadt 5 Mark.<br />

Von solchem Service konnten die Strausberger<br />

dagegen bei der Wasserversorgung nur träumen,<br />

wenngleich sich der Magistrat der Stadt nach der<br />

Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des ersten Weltkrieges | KAPITEL 1<br />

BLITZ LICHT WISSENS WERT<br />

Diese Ansicht nach Merian (um 1650) gab die Stadt als Postkarte im Jahre 1957 heraus. Zu sehen sind von links<br />

nach rechts die Ratsmühle, die Ratsziegelei am heutigen Lindenplatz, die St. Nikolauskirche, die St. Marienkirche,<br />

das alte Rathaus, das Wriezener Doppeltor und das Dominikanerkloster.<br />

20 21<br />

Der Konkurs<br />

des Maurermeisters<br />

Maurermeister Liesegang erhielt<br />

am 12. März 1910 den Zuschlag<br />

für den Bau des Strausberger<br />

Wasserturms. Er hatte ein<br />

Angebot über 34.793 Mark<br />

abgegeben und damit mehr als<br />

1.000 Mark weniger als sein<br />

Mitbewerber Baumeister Schürbel<br />

verlangt. Ein halbes Jahr danach<br />

musste Liesegang Konkurs<br />

anmelden, was in Strausberg für<br />

großen Aufruhr sorgte. Denn er<br />

hatte bei der hiesigen Spar- und<br />

Darlehensbank, ohne eine Absicherung<br />

vorweisen zu können,<br />

hohe Kredite aufgenommen.<br />

Die Bank geriet so sehr in<br />

Bedrängnis, dass Strausberger<br />

Bürger um ihr Erspartes fürchteten.<br />

Kassenführer Freithoff,<br />

zugleich Stadtverordnetenvorsteher,<br />

wurde als Bankvorstand<br />

entlassen, da er die Kredite ohne<br />

Rücksprache genehmigt hatte.<br />

Am 2. Oktober 1910 setzte nun<br />

Baumeister Schürbel die Bauarbeiten<br />

am Turm fort. Auch er<br />

löste während der Bauphase<br />

gewissermaßen einen finanziellen<br />

Eklat aus. Weil er den Tariflohn<br />

seiner Arbeiter kurzerhand<br />

um 10 Pfennig kürzte, traten<br />

diese in Streik. Seine Bestimmung<br />

erfüllte der Turm übrigens<br />

bis kurz nach der Wende fast<br />

reibungslos, dann wurde er<br />

zugunsten modernerer<br />

Technik stillgelegt.<br />

Der imposante Wasserturm<br />

auf dem Marienberg<br />

symbolisiert auch heute<br />

noch Kraft und Stärke der<br />

städtischen Versorgung.<br />

Seit Mitte der 90er wird der<br />

35 Meter große Koloss nicht<br />

mehr für den nötigen<br />

Wasserdruck gebraucht.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!