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_ <strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> 08<br />
40. Jahrgang<br />
Herausgegeben von der<br />
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten der Bundesrepublik<br />
Deutschland (<strong>ARD</strong>)<br />
unter Mitwirkung der<br />
<strong>ARD</strong>-Werbung<br />
Verantwortlich für den Herausgeber<br />
Fritz Raff,<br />
Intendant des Saarländischen Rundfunks
_ redaktion<br />
Horst O. Halefeldt (hhalefeldt@hr-online.de),<br />
Gudrun Augustin (gaugustin@hr-online.de),<br />
Susanne Hennings (shennings@hr-online.de),<br />
Renate Mohl (bis 30. 6. 2008)<br />
Doris Rehme-Lauer (drehme@hr-online.de),<br />
Jutta Weismüller (jweismueller@hr-online.de),<br />
Deutsches Rundfunkarchiv (DRA).<br />
_ produktion und vertrieb<br />
Jutta Weismüller (jweismueller@hr-online.de),<br />
Cornelia Springer (cspringer@hr-online.de),<br />
_ geschäftsführung<br />
Deutsches Rundfunkarchiv (DRA).<br />
Hans-Gerhard Stülb, Deutsches Rundfunkarchiv (DRA).<br />
_ anschrift von redaktion und geschäftsführung<br />
Bertramstr. 8, 60320 Frankfurt am Main,<br />
Telefon (0 69) 15 68 72 11, Fax (0 69) 15 68 71 00<br />
_ umschlag<br />
E-Mail: ardjahrbuch@hr-online.de<br />
Julia Eichhorn und Ludmilla Schmidt, Saarbrücken<br />
_ layout, typografie und grafik-design<br />
_ reproduktionen<br />
_ gesetzt<br />
_ druck<br />
Peter Wolf KommunikationsDesign, Hainburg.<br />
Dinges & Frick GmbH, Wiesbaden.<br />
in BSK Garamond und Thesis.<br />
Wilhelm & Adam Werbe- und Verlagsdruck GmbH,<br />
Heusenstamm. _ verlag<br />
_ auslieferung<br />
Hans-Bredow-Institut, Hamburg 2008.<br />
Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden.<br />
_ alle rechte vorbehalten.<br />
Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers.<br />
_ isbn 978-3-8329-4022-5<br />
_ Der Umschlag des <strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong>s ist aus einem Wett-<br />
bewerb hervorgegangen, den die <strong>ARD</strong> mit einer Meisterklasse<br />
der HBK Saar, Fachbereich Kommunikationsdesign, unter<br />
fachlicher Betreuung von Prof. Indra Kupferschmid und Prof.<br />
Ivica Maksimovic veranstaltet hat.
_ Artikel<br />
Viel mehr als nur »Programm«<br />
Die Vielfalt der <strong>ARD</strong> und die Zukunft des öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunks – eine Standortbeschreibung<br />
Von Fritz Raff _ 13<br />
Föderal ist nicht egal<br />
Das »deutsche Modell« des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks<br />
Von Verena Wiedemann _ 16<br />
Ein nur noch seltenes Paar<br />
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Jugend –<br />
Strategien gegen den Generationenabriss<br />
Von Volker Giersch _ 23<br />
Mehr Markt für die europäische<br />
Telekommunikation?<br />
Zum aktuellen Diskussionsstand<br />
Von Eva-Maria Michel _ 30<br />
Ein neues Spannungsfeld<br />
<strong>ARD</strong>-Programme auf Plattformen Dritter<br />
Von Karola Wille _ 37<br />
Wunschprogramm zum Mitnehmen<br />
Die <strong>ARD</strong> Mediathek<br />
Von Heidi Schmidt _ 41<br />
Ständig steigende Qualität<br />
Digitales Fernsehen auf dem Weg zu hoch<br />
aufgelösten Bildern<br />
Von Michael Spading und Dirk Lüdemann _ 48<br />
Drei Medien unter einem Dach<br />
Wie Hörfunk, Fernsehen und Internet in der <strong>ARD</strong><br />
zusammenwachsen<br />
Von Reinhart Binder _ 56<br />
Die neuen Weltempfänger<br />
Revolutionäre Umbrüche in der<br />
Unterhaltungselektronik<br />
Von Rüdiger Malfeld _ 64<br />
Ständig auf dem Laufenden<br />
Zur Situation der <strong>ARD</strong>-Infowellen<br />
Von Mercedes Riederer _ 69<br />
Politische Information im Ersten<br />
Eine Innensicht<br />
Von Thomas Baumann _ 76<br />
Journalisten sind nicht immun<br />
Zur Inszenierung von Politik in den Medien<br />
Von Thomas Meyer _ 82<br />
Pressefreiheit unter Druck<br />
Recherche-Journalismus als Qualitätsanker<br />
Von Thomas Leif _ 87<br />
Kontrolle, Propaganda und ein schönes Lächeln<br />
Journalistischer Alltag in China<br />
Von Ariane Reimers _ 96<br />
Olympia im Bild<br />
Die Sommerspiele und Paralympics in Peking<br />
Von Walter Johannsen _ 103<br />
Olympia zum Hören<br />
Die Sommerspiele in Peking im Radio und Online<br />
Von Alexander Bleick und Jürgen Werwinski _ 107<br />
Ein »Tatort« für die Ohren<br />
Ein Zwischenbericht vom Gemeinschaftsprojekt<br />
»<strong>ARD</strong> Radio Tatort«<br />
Von Ekkehard Skoruppa _ 111<br />
Vom »Boot« bis zum »Baader-Meinhof-Komplex«<br />
Zur Situation des Fernsehfilms im Ersten<br />
Von Verena Kulenkampff _ 117<br />
»Männer und Frauen sind gleichberechtigt«<br />
Quote, Qualität und Gleichstellung in der <strong>ARD</strong><br />
Von Barbara Lessel-Waschbüsch _ 122<br />
Über den eigenen Bedarf hinaus<br />
Nachwuchsförderung und Ausbildung in der <strong>ARD</strong><br />
Von Helmut Reitze _ 129<br />
Reise zu den Synapsen<br />
Weiter bilden – weiter denken: die <strong>ARD</strong>.ZDF<br />
medienakademie<br />
Von Stefan Hanke _ 135<br />
Ein Neubau fällt nicht vom Himmel<br />
Zur Vorgeschichte von Radio Bremen Neu<br />
Von Heinz Glässgen _ 141<br />
Steiniger Weg<br />
Das erste Fusionskind des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks, der SWR, wird zehn Jahre alt<br />
Von Peter Boudgoust _ 149<br />
»Ihr gutes öffentliches Recht« – die Imagekampagne<br />
von <strong>ARD</strong> und ZDF Von Peter Meyer und Rolf-<br />
Dieter Ganz _ 154<br />
Inhalt <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 5
6<br />
_ Chronik und Berichte<br />
Chronik 2007 _ 159<br />
<strong>ARD</strong> und Rundfunkanstalten _ 159<br />
Wettbewerbe und Veranstaltungen _ 187<br />
Rundfunkpolitik 2007 _ 201<br />
Von Verena Wiedemann _ 201<br />
Beilegung des Beihilfeverfahrens _ 202 I Bundes-<br />
verfassungsgericht bestätigt Entwicklungsgarantie _<br />
202 I Öffentlich-rechtlicher Rundfunk auch inter-<br />
national gestärkt _ 203 I <strong>ARD</strong> legt Digitalstrategie vor _<br />
204 I Verlage und VPRT kontra Internet-Gemeinde _<br />
205 I Rundfunkgremien übernehmen zusätzliche<br />
Verantwortung _ 206 I Diskussion über Aufgaben<br />
und Rolle der Gremien _ 206 I Öffentlich-rechtliche<br />
Programmverantwortung wahrehmen _ 207 I<br />
Anmeldung des Finanzbedrafs bei der KEF _ 208 I<br />
Verteidigung der Pressefreiheit _ 208 I Verteidigung<br />
der Rundfunkkompetenzen der Länder gegenüber<br />
Brüssel _ 208<br />
Rundfunkfinanzen 2007 _ 209<br />
Gesamtergebnis: dank erfolgreicher Sparmaßnahmen<br />
größerer Überschuss im dritten Jahr der Gebühren-<br />
periode _ 210 I Ertragslage: Gebührenerträge kaum<br />
noch zu steigern, Werbeumsätze leicht gesunken _<br />
211 I Aufwands entwicklung: Abbau von Planstellen,<br />
keine Tarifsteigerungen, weniger aufwändige sportliche<br />
Großereignisse _ 214 I Finanzierungsstruktur:<br />
Eigenkapitalquote erhöht, aber weiter unter der vergleichbarer<br />
Unternehmen _ 214 I Aktiva _ 215 I<br />
Passiva _ 215<br />
Produktion und Technik 2007 _ 216<br />
DVB-T treibt Digitalisierung voran _ 217 I Sender,<br />
Leitungsverbindungen und Studios 2007 _ 218 I<br />
Politische Offensiven für das Digitalradio _ 220 I Radio<br />
via Internet: Podcasts, Live-Streams, Webchannels<br />
und mehr _ 220 I Programmverbreitung via Kabel und<br />
Satellit: Verhandlungen und Verbesserungen _<br />
221 I Weitere Verbesserung der UKW-Versorgung _ 221<br />
I Videofiletransfer im Regelbetrieb _ 222 I Funkhäuser<br />
und Studios: Ein neues Domizil für Radio Bremen<br />
_ 223 I Erneuerung von Sendezentralen: Die neue<br />
Fernsehzentrale des BR in Freimann _ 223 I Erneuerung<br />
von Studios: Multimedial von Siegen bis Frankfurt<br />
(Oder) _ 224 I Hörfunkproduktion und -sendung:<br />
Weiter im Zeichen der Digitalisierung _ 225 I Fernsehproduktion<br />
und -sendung: Breitbildformat und erste<br />
Schritte Richtung HDTV _ 226 I Außenübertragungen:<br />
Die ersten HDTV-Ü-Wagen in der <strong>ARD</strong> _ 226 I Groß-<br />
Inhalt <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 0 8<br />
ereignisse: Vom G8-Gipfel bis zur Kanu-WM _ 227 I IRT:<br />
Maßgebliche Beteiligung an der WRC-07 _ 228 I RBT:<br />
Kontinuierliche Optimierung _ 228<br />
Gemeinschaftseinrichtungen 2007 _ 229<br />
Degeto Film GmbH: Erfolgreiche Auftragsproduktionen<br />
für die <strong>ARD</strong> und 32 Prozent des Programms für das<br />
Erste _ 229 I Deutsches Rundfunkarchiv: Modernisie-<br />
rung der Datenbanken kommt voran, Nutzung nimmt<br />
weiter zu _ 230 I Gebühreneinzugszentrale: Wirtschaft-<br />
lichkeit erneut unter Beweis gestellt _ 231 I <strong>ARD</strong>.ZDF<br />
medienakademie: Der Start ist gelungen _ 232<br />
Medienforschung 2007 _ 233<br />
Sehdauer erstmals seit sieben Jahren verringert _ 234 I<br />
<strong>ARD</strong>/ZDF-Studie »Migranten und Medien 2007«: Keine<br />
mediale Parallelgesellschaft _ 234 I Das Erste und die<br />
Dritten der <strong>ARD</strong> vorn _ 234 I Das Informationsangebot<br />
des Ersten und dessen Nutzung haben zugenommen _<br />
236 I Die neuen politischen Diskussionssendungen<br />
im Ersten sind ein voller Erfolg _ 236 I Unterhaltung<br />
und Fiktion: Großes Zuschauerinteresse für anspruchs-<br />
volle Filme _ 237 I Sport: Finale der Handballwelt-<br />
meisterschaft ein Zuschauermagnet _ 239 I Image:<br />
Das Erste der Deutschen Lieblingssender _ 239 I<br />
Dritte Programme: In der Summe an der Spitze _ 239<br />
I Dritte Programme: Innovationen zahlten sich aus _<br />
240 I Dritte Programme: Erfolgreich mit zahlreichen<br />
Informationsangeboten _ 240 I <strong>ARD</strong>/ZDF-Online-<br />
Studie 2007: Fast 41 Millionen Online-Nutzer _ 241 I<br />
Dritte Programme: Guter Rat bringt Quoten _ 242 I<br />
Dritte Programme: Erfolg mit Wissenschafts- und<br />
Glaubensthemen _ 242 I Dritte Programme: Heimat-<br />
klänge zwischen Kultur und Unterhaltung mit hoher<br />
Resonanz _ 242 I Dritte Programme: Unterhaltungs-<br />
sendungen jeder Art weiter beliebt _ 243 I Media<br />
Analyse 2008 Radio I: Radionutzung blieb mehr oder<br />
weniger stabil _ 243 I Radiomarkt: <strong>ARD</strong>-Programme<br />
weiterhin Marktführer _ 244 I Radiomarkt: Kultur- und<br />
Infoprogramme weiter erfolgreich _ 244 I Radiomarkt:<br />
Unterschiede von Region zu Region _ 245 I DW-Radio<br />
und DW-TV: Asien als weiterer Schwerpunkt neben<br />
der arabischen Welt und dem Balkan _ 247<br />
Hörfunk 2007 _ 250<br />
Mehr Information, mehr Interaktivität: 1LIVE positio-<br />
nierte sich neu _ 251 I Neue Töne bei WDR4 _ 251 I<br />
Zeitgemäßes Kulturradio: SWR2 neu strukturiert _ 251 I<br />
Die Hörfunkprogramme der <strong>ARD</strong> 2007 _ 252 I SR 1<br />
Europawelle mit einem Plus an Information _ 252 I<br />
Bremen Vier schärfte sein Profil _ 253 I 103.7 Unser-<br />
Ding rundum erneuert _ 253 I B5 plus – der digitale<br />
Ereigniskanal _ 254 I Ein besonderes Angebot für das<br />
junge Bayern: Bavarian Open Radio auf Sendung _
254 I Voll im Trend: Neues bei DASDING (SWR), Fritz<br />
(RBB) und N-JOY (NDR) _ 254 I Information und Kultur:<br />
SWR cont.ra, Nordwestradio, Deutschlandradio Kultur<br />
und MDR 1 RADIO THÜRINGEN optimiert _ 255 I<br />
Programmwochen und Schwerpunktprogramme _ 256<br />
I Radiomultikulti und hr1 mit neuen Akzenten _ 257<br />
I Neue Sendungen: Die ganze kulturelle Bandbreite:<br />
vom »Lyrischen Intermezzo« bis zur »Movieshow« _<br />
258 I Aktuelles und thematische Schwerpunkte: Top-<br />
Thema G8-Gipfel: <strong>ARD</strong>-Radio berichtet umfassend<br />
über Armut und Klimawandel _ 260 I Akzente und<br />
Jahrestage: »Mythos RAF«: Spurensuche 30 Jahre<br />
nach dem Deutschen Herbst _ 262 I Hörspiel und<br />
Medienkunst: Günter Eichs »Träume« 1951 und 2007 _<br />
265 I Auslandsprogramme: DW-RADIO – Im Dialog mit<br />
der Welt _ 268<br />
Fernsehen 2007 _ 269<br />
Das Erste _ 269<br />
Die Fernsehprogramme der <strong>ARD</strong> 2007 _ 270 I Politik,<br />
Gesellschaft, Kultur: Innovation und Qualität _ 271 I<br />
Sport: Wintermärchen Handball _ 272 I Fernsehfilm:<br />
»Die Frau vom Checkpoint Charlie« _ 273 I Spielfilm:<br />
TV-Events und Kinohighlights im Ersten _ 274 I Unter-<br />
haltung: Pelzig und Pocher _ 275 I Kirche: Geschichte<br />
des Judentums erzählt _ 276 I Familie: Die Maus auf<br />
Deutschlandreise _ 277 I Ausland: Der Papst und die<br />
Queen _ 277 I Vorabend: Living History _ 277<br />
Die Dritten Programme<br />
Bayerisches Fernsehen: Neues Programmschema<br />
_ 278 I hr-fernsehen: »Noch mehr Hessen« _ 279 I<br />
MDR FERNSEHEN: Kultur, Kirche, Köpfe _ 280 I NDR<br />
Fernsehen in Zusammenarbeit mit Radio Bremen:<br />
Anwalt des Zuschauers _ 281 I rbb Fernsehen: Neues<br />
Programmschema _ 281 I SWR Fernsehen und SR<br />
Fernsehen: Rekordquoten mit Sport-Highlights _ 282 I<br />
WDR Fernsehen: »Schön hier!« _ 283<br />
Satelliten-, Digital- und Auslandsprogramme<br />
3sat: Wissensabende und Schwerpunkte _ 284 I ARTE:<br />
»Summer of Love« _ 284 I PHOENIX: Zehn Jahre »Das<br />
ganze Bild« _ 285 I KI.KA: Erfolgreiches Geburtstags-<br />
jahr _ 286 I BR-alpha: Zehn Jahre Bildungsprogramm _<br />
287 I <strong>ARD</strong> Digital: Mehr vom Fernsehen _ 287 I Eins-<br />
Extra: Mehr Information _ 287 I EinsFestival: Vom<br />
Feinsten _ 287 I EinsPlus: Mehr fürs Leben _ 288 DW-TV:<br />
Optimierung der regionalen Angebote _ 288<br />
Online 2007 _ 289<br />
Fast 63 Prozent der Deutschen sind online _ 289 I<br />
Multimedialität: Angebote für die zeit- und ortssouveräne<br />
Nutzung _ 290 I Information: Große internationale<br />
Politik in Deutschland und eine Landtagswahl _<br />
291 I Drei Weltmeisterschaften und ein Webmagazin<br />
zum Thema Doping _ 291 I Zeitgeschichte: Deutscher<br />
Herbst und Kalter Krieg _ 291 I <strong>ARD</strong> Online: ein Ort für<br />
Kultur _ 292 I Weltreligionen im Netz _ 293 I Neue<br />
Formate: Hundert Sekunden und mehr _ 293 I DW-<br />
WORLD.de: Umfassende Umstrukturierung _ 294<br />
_ Organisation und Personalien<br />
Stand 1. August 2008<br />
Personalien von A bis Z _ 298<br />
<strong>ARD</strong> _ 299<br />
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten der Bundesrepublik<br />
Deutschland _ 299<br />
<strong>ARD</strong>-Einrichtungen _ 300<br />
Degeto _ 300 I <strong>ARD</strong>.ZDF medienakademie _ 300 I<br />
Deutsches Rundfunkarchiv _ 300 I Gebühreneinzugszentrale<br />
_ 300 I Institut für Rund funktechnik _ 301 I<br />
Rundfunk-Betriebstechnik _ 301 I SportA Sport rechte-<br />
und Marketing-Agentur GmbH _ 301<br />
Gemeinsame Programme _ 302<br />
<strong>ARD</strong>-Gemeinschaftsprogramm Das Erste _ 302 I <strong>ARD</strong><br />
Digital _ 302 I EinsExtra _ 302 I EinsFestival _ 302 I<br />
EinsPlus _ 303 I KI.KA – Der Kinderkanal von <strong>ARD</strong><br />
und ZDF _ 303 I PHOENIX. Der Ereignis- und<br />
Dokumentationskanal von <strong>ARD</strong> und ZDF _ 303 I 3sat –<br />
Satellitenfernsehen des deutschen Sprachraums _ 303<br />
Auslandskorrespondenten _ 304<br />
Karte _ 304 I Liste _ 306<br />
<strong>ARD</strong>-Rundfunkanstalten _ 308<br />
Karte: Sendegebiete, Funkhäuser, Studios und<br />
Büros _ 308 I Bayerischer Rundfunk _ 309 I Hessischer<br />
Rundfunk _ 313 I Mitteldeutscher Rundfunk _ 315 I<br />
Norddeutscher Rundfunk _ 318 I Radio Bremen _ 322 I<br />
Rundfunk Berlin-Brandenburg _ 324 I Saarländischer<br />
Rundfunk _ 327 I Südwestrundfunk _ 329 I Westdeutscher<br />
Rundfunk _ 333 I Deutsche Welle _ 336<br />
<strong>ARD</strong>-Beteiligungen _ 338<br />
Deutschlandradio _ 338 I ARTE Deutschland und ARTE<br />
G.E.I.E. _ 340<br />
<strong>ARD</strong>-Werbung und Werbegesellschaften _ 341<br />
Arbeitsgemeinschaft der <strong>ARD</strong>-Werbegesellschaften _<br />
341 I Bayerische Rundfunkwerbung _ 341 I hr wer-<br />
bung _ 341 I MDR-Werbung _ 342 I NDR Media _ 342<br />
I Radio Bremen Media _ 342 I RBB Media _ 342 I SWR<br />
Media Services _ 343 I Werbefunk Saar _ 341 I WDR<br />
media group _ 343<br />
Inhalt <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 7
8<br />
_ Statistik 2007<br />
Finanzstatistik 2007 _ 347<br />
Landesrundfunkanstalten<br />
Vermögensrechnung: Statistische Zusammenfassung<br />
_ 348 I Landesrundfunkanstalten einzeln _ 350<br />
Ertrags- und Aufwandsrechnung/Finanzrechnung:<br />
Statistische Zusammenfassung _ 352 I Bayerischer<br />
Rundfunk _ 354 I Hessischer Rundfunk _ 356 I Mitteldeutscher<br />
Rundfunk _ 358 I Norddeutscher Rundfunk<br />
_ 360 I Radio Bremen _ 362 I Rundfunk Berlin-<br />
Brandenburg _ 364 I Saarländischer Rundfunk _ 366 I<br />
Südwestrundfunk _ 368 I Westdeutscher Rundfunk _<br />
370 I Grafik: Erträge und Aufwendungen 2006 _ 373<br />
Gesamtübersichten: Erträge aus Teilnehmergebühren<br />
_ 374 I Empfangsgeräte nach Einzugsgebieten _<br />
375 I Aufwendungen für die GEZ _ 376 I Aufwendun -<br />
gen für Befreiungsbearbeitung und Beauftragtendienst<br />
_ 376 I Anteil der Verwaltungskosten an den<br />
Gesamtkosten _ 376 I Ausstrahlungskosten _ 377 I<br />
Investitionen _ 377 I Besetzte Planstellen _ 378 I<br />
Finanzausgleich der <strong>ARD</strong> _ 378<br />
Deutsche Welle<br />
Ertrags- und Aufwandsrechnung _ 379 I<br />
Vermögensrechnung _ 380 I Investitionen _ 382<br />
Deutschlandradio<br />
Ertrags- und Aufwandsrechnung _ 383 I<br />
Vermögensrechnung _ 384 I Investitionen _ 386<br />
Werbestatistik 2007 _ 387<br />
Umsätze Werbefunk _ 388 I Umsätze Werbefernsehen<br />
_ 388 I Grafik: Programmanteile Werbefunk und<br />
Werbefernsehen 1998 – 2007 _ 390<br />
Hörfunkstatistik 2007 _ 391<br />
Landesrundfunkanstalten<br />
Bayerischer Rundfunk _ 392 I Hessischer Rundfunk _<br />
392 I Mitteldeutscher Rundfunk _ 394 I Norddeutscher<br />
Rundfunk _ 394 I Radio Bremen _ 396 I Rundfunk<br />
Berlin-Brandenburg _ 396 I Saarländischer Rundfunk _<br />
397 I Südwestrundfunk _ 398 I Westdeutscher<br />
Rundfunk _ 398 I Gesamtübersicht _ 400<br />
Deutschlandradio<br />
Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk _ 400<br />
Deutsche Welle<br />
Deutsches und Fremdsprachenprogramm _ 401<br />
Fernsehstatistik 2007 _ 402<br />
Erstes Deutsches Fernsehen<br />
Gesamtprogramm nach Erstsendungen und Wiederholungen<br />
_ 405 I Programmzulieferungen von <strong>ARD</strong>aktuell<br />
_ 405 I Gesamtprogramm nach Programm-<br />
Inhalt <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 0 8<br />
entstehung _ 406 I Grafik: Erstes Fernsehprogramm<br />
nach Erstsendungen, Wiederholungen und Programment<br />
stehung _ 406 I Grafik: Informationsanteil im<br />
Ersten und in den Dritten Programmen der <strong>ARD</strong> _ 407 I<br />
Dritte Fernsehprogramme<br />
Gesamtprogramme nach Ressorts _ 408 I Gesamtprogramme<br />
nach Programmentstehung _ 408 I Grafik:<br />
Dritte Fernsehprogramme nach Programmentste-<br />
hung _ 410<br />
Satellitenprogramm PHOENIX<br />
<strong>ARD</strong>-Anteil _ 408<br />
Satellitenprogramm KI.KA<br />
<strong>ARD</strong>-Anteil _ 409<br />
Satellitenprogramm 3sat<br />
<strong>ARD</strong>-Anteil nach Ressorts _ 410<br />
Europäischer Kulturkanal ARTE<br />
<strong>ARD</strong>-Anteil nach Ressorts _ 411<br />
Bayerischer Rundfunk<br />
BR-alpha nach Ressorts und nach Erstsendungen/<br />
Wiederholungen _ 411<br />
Deutsche Welle<br />
DW-TV nach Sprachen _ 412 I DW-TV nach Inhalten _<br />
412 I DW-TV nach Programmentstehung _ 412<br />
Medienforschungsdaten 2007 _ 413<br />
Hörfunknutzung 2007<br />
Bundesweit _ 414 I BR-Sendegebiet _ 416 I HR-<br />
Sendegebiet _ 416 I MDR-Sendegebiet _ 417 I NDR-<br />
Sendegebiet _ 417 I Radio-Bremen-Sendegebiet _ 418 I<br />
RBB-Sendegebiet _ 418 I SR-Sendegebiet _ 419 I SWR-<br />
Sendegebiet _ 419 I WDR-Sendegebiet _ 420<br />
Fernsehen 2007<br />
Empfangspotenziale der Fernsehprogramme bundesweit<br />
2002 – 2007 _ 421 I Ebenen des Fernsehempfangs<br />
und Anzahl empfangbarer Programme 2003 – 2007 _<br />
421 I Nutzung bundesweit, BRD West, BRD Ost,<br />
2003 – 2007 _ 422 I Nutzung einzelner Programme<br />
in einzelnen Zeitabschnitten _ 423 I Grafik:<br />
Marktanteile einzelner Programme in der Prime<br />
Time _ 423 I Nutzung einzelner Programme in einzelnen<br />
Altersgruppen _ 424 I Marktanteile der Dritten<br />
Programme in den einzelnen Sendegebieten _ 424<br />
_ Dokumente<br />
Zehnter Staatsvertrag zur Änderung<br />
rundfunkrechtlicher Staatsverträge<br />
(Zehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag)<br />
vom 19. Dezember 2007<br />
(Auszug) _ 427
Zur Überarbeitung der EU-Fernsehrichtlinie<br />
Eine Bewertung<br />
Von Eva-Maria Michel _ 437<br />
Novelle EU-Fernsehrichtline<br />
Richtlinie2007/65/EG des Europäischen Parlaments<br />
und des Rates zur Änderung der Richtlinie 89/552/<br />
EWG zur Koordinierung bestimmter Rechts- und<br />
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die<br />
Ausübung der Fernsehtätigkeit<br />
vom 11. Dezember 2007<br />
(Text von Bedeutung für den EWR) _ 440<br />
Radio-Bremen-Gesetz (RBG)<br />
vom 23. Januar 2008 _ 452<br />
<strong>ARD</strong>-Leitlinien 2009/2010 und Bericht der <strong>ARD</strong><br />
über die Erfüllung ihres Auftrags _ 463<br />
Bericht der <strong>ARD</strong> über die Erfüllung ihres Auftrags<br />
sowie die Qualität und Quantität ihrer Angebote<br />
2007/2008 _ 464 I Leitlinien und Programmschwerpunkte<br />
2009/10 _ 480<br />
_ Register<br />
Personen _ 493 I Sachen _ 504 I Titel _ 514 I<br />
Abkürzungen _ 523 I Bildnachweis _ 526<br />
Inhalt <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 9
Artikel
D<br />
ie <strong>ARD</strong> ist mehr als Das Erste. Dieser<br />
Leitsatz wurde viel zitiert, als der SR<br />
Anfang 2007 die Geschäftsführung<br />
unserer Arbeitsgemeinschaft übernahm.<br />
Und natürlich stellt dieser Satz nicht die<br />
hervorragende Arbeit des Gemeinschaftsprogramms<br />
der <strong>ARD</strong> infrage. Das ist und bleibt ein<br />
als marktführend wahrgenommenes Aushängeschild<br />
der <strong>ARD</strong>. Aber der Satz sollte deutlich<br />
machen: Die <strong>ARD</strong> ist noch viel mehr, nämlich<br />
Fernsehen in neun Dritten Programmen, drei<br />
Digitalkanälen und vier in Kooperation betriebenen<br />
Programmen, Hörfunk auf mehr als 50<br />
Wellen, Internetauftritte, Fernsehtexte, Kulturträger<br />
mit zahlreichen Klangkörpern und und<br />
und . . .<br />
Davon gibt auch dieses <strong>Jahrbuch</strong> 2008 breit<br />
Kunde, das die Vielfalt der föderalen <strong>ARD</strong> und<br />
ihrer Landesrundfunkanstalten widerspiegelt.<br />
Dass diese Vielfalt nicht im politikfreien Raum<br />
entsteht, weiß jeder, der den medienpolitischen<br />
Diskurs der letzten Monate und Jahre verfolgt<br />
hat. Diese Vielfalt ist nur möglich, weil sie erkämpft<br />
und verteidigt wurde in dem Wissen,<br />
dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine<br />
gesellschaftliche Schlüsselrolle einnimmt, die<br />
mit einem Auftrag verbunden ist, der verfassungsrichterlich<br />
im Jahr 2007 erst wieder bestätigt<br />
wurde. Diese Aufgabe wahrzunehmen ist<br />
höchstes Ziel und oberste Pflicht. Und dafür<br />
lohnt es sich auch, in Zeiten von medienpoli-<br />
Viel mehr als nur »Programm«<br />
Die Vielfalt der <strong>ARD</strong> und die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks –<br />
eine Standortbeschreibung<br />
Von Fritz Raff<br />
Foto oben: WDR 3 widmete am 22. 8. 2008<br />
dem 2007 verstorbenen Komponisten Karlheinz<br />
Stockhausen einen ganzen Radiotag.<br />
tischem Dissens, Flagge zu zeigen, Standfestigkeit<br />
zu beweisen und für seine Sicht der »freien<br />
Presse« Konflikte auszufechten.<br />
_ Der öffentlich-rechtliche Rundfunk<br />
in der digitalen Welt<br />
Im Streit um den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />
wurde dabei von allen Seiten scharf auf<br />
den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geschossen.<br />
Und zu der Zeit, da dieser Text entsteht, ist<br />
der Vertrag von den Ministerpräsidenten auch<br />
noch nicht beschlossen. Ganz im Gegensatz<br />
zum 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der<br />
mit der Gebührenfestsetzung für die Jahre 2009<br />
bis 2012 Planungssicherheit bei den Landesrundfunkanstalten<br />
schafft. Hier ist bei allen Beteiligten<br />
der Wille spürbar, wenigstens auf Basis der<br />
zurückhaltenden Empfehlung der Kommission<br />
zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten<br />
(KEF) dem öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk die Mittel an die Hand zu geben,<br />
seine gesellschaftliche Aufgabe weiter zu erfüllen.<br />
Anders ist das beim Konflikt darüber, was<br />
der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet<br />
dürfen soll, dürfen muss und was nicht.<br />
Massive Ambitionen kommerzieller Anbieter,<br />
mit dem World Wide Web Geld zu verdienen,<br />
standen und stehen hier dem berechtigten<br />
Wunsch der Gebührenzahler gegenüber, nicht<br />
von kommerziellen Interessen geleitete Informationen<br />
jederzeit und überall abrufen zu<br />
können und auch an den anderen Angeboten<br />
aus Kultur, Bildung, Sport und Unterhaltung<br />
im Internet partizipieren zu können. Denn nur<br />
wenn diese Angebote im Netz auch kostenfrei<br />
Editorial <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 13
14<br />
zur Verfügung stehen, wird die Schere zwischen<br />
Arm und Reich, zwischen denen, die sich alle<br />
Medien leisten können, und denen, die vielleicht<br />
ein Informationsangebot nicht anklicken,<br />
weil sie nicht genug Geld haben, nicht noch<br />
weiter auseinanderklaffen. Der öffentlich-rechtliche<br />
Rundfunk hat hier auch die soziale Aufgabe,<br />
dafür zu sorgen, dass jeder an der Vielfalt<br />
teilhaben kann. Denn eine Gesellschaft, in der<br />
Bildung und Kultur, aber auch Sport und Unterhaltung<br />
zu Luxusgütern werden, ist eine ärmere<br />
Gesellschaft, die in Deutschland niemand<br />
wirklich wollen kann.<br />
Hier zeigt sich schon, dass die Verleger mit<br />
ihrer »Münchner Erklärung« aus dem Juli 2008,<br />
in der sie behaupteten, sich durch den öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk in ihrer Exis tenz bedroht<br />
zu fühlen, deutlich danebengegriffen haben.<br />
Zur Ehrenrettung der Verleger sei bemerkt,<br />
dass wichtige Verlagsgruppen und der Bundesverband<br />
Deutsche Zeitungsverleger (BDZV)<br />
nicht zu den Unterzeichnern der Erklärung gehörten.<br />
Aber die anderen wiederholten hier alte<br />
Maximalforderungen, als hänge die Zukunft des<br />
Zeitungsmarkts davon ab, die Öffentlich-Rechtlichen<br />
ins mediale Mittelalter zurückzukatapultieren.<br />
Natürlich war auch den Verlegern klar,<br />
dass ihre Forderungen weder durchsetzbar noch<br />
gewünscht und zudem durch das Urteil des<br />
Bundesverfassungsgerichts vom 11. 9. 2007 auch<br />
erledigt sind. Insofern war die Erklärung schnell<br />
als Manöver im Sommerloch durchschaut.<br />
Aber dennoch: Wer so argumentiert wie in<br />
der Münchner Erklärung, der verkennt, dass die<br />
wahren Gefahren aus anderen Richtungen drohen.<br />
Die »Enteignung der freien Presse« droht<br />
nicht durch <strong>ARD</strong>, ZDF und Deutschlandradio.<br />
Sie droht durch die Global Player, durch<br />
Hedgefonds und durch die Googles, Yahoos<br />
und YouTubes dieser Welt. Und ohne hier ein<br />
Feindbild entwerfen zu wollen, muss doch klar<br />
sein, dass wir hier – Politik, Verleger und öffentlich-rechtlicher<br />
Rundfunk – gemeinsam aufgefordert<br />
sind, Antworten zu finden, wie sich die<br />
deutsche Medienlandschaft weiterentwickeln<br />
soll und kann.<br />
_ Die Themen der Zukunft<br />
Die gesamtgesellschaftliche Verantwortung der<br />
<strong>ARD</strong> betrifft auch die Sicherung der Meinungsvielfalt<br />
in Deutschland. Das ist von besonderer<br />
Bedeutung mit Blick auf den Wandel der<br />
Gesellschaft, sowohl in ihrer Altersstruktur als<br />
auch in ihrer (multi-)kulturellen Zusammensetzung.<br />
Mit Erfolg hat die <strong>ARD</strong> deshalb 2008<br />
»Türkisch für Anfänger«: Die dritte Staffel<br />
startet im November 2008 im Ersten.<br />
die bislang noch kurze Tradition der Themenwochen<br />
mit einer Woche zum demografischen<br />
Wandel fortgesetzt. Im Jahr 2009 wird mit dem<br />
Themenschwerpunkt »Gesellschaftliches Engagement«<br />
ein weiteres wichtiges Thema reflektiert.<br />
Ein anderes Beispiel für Vielfalt: Die <strong>ARD</strong><br />
setzt ganz klar auf Integration. Denn die Anzahl<br />
der Menschen mit Migrationshintergrund<br />
in unserer Gesellschaft wächst ständig an. Deshalb<br />
bestimmt der Gedanke der Integration seit<br />
jeher unser publizistisches Selbstverständnis<br />
und unseren Programmauftrag. Hier müssen wir<br />
in Zukunft unser Engagement noch verstärken.<br />
Und ohne die Probleme des Zusammenlebens<br />
zu verschweigen, lässt sich die <strong>ARD</strong> deutlich<br />
von der Erkenntnis leiten, dass die Vielfalt und<br />
auch die Unterschiede der Kulturen ein großes<br />
Plus und eine wichtige Ressource unserer Gesellschaft<br />
sind.<br />
Eine wichtige, nein, die wichtigste Ressource<br />
der Gesellschaft ist natürlich die Jugend, weshalb<br />
die <strong>ARD</strong> sich nachhaltig Gedanken macht<br />
um die Erreichbarkeit der nachwachsenden<br />
Generation durch den öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk. Hier waren wir in der Vergangenheit<br />
nicht konsequent genug, und wir sind gerade<br />
erst dabei, umzusetzen, was wir in den letzten<br />
Monaten und Jahren zunehmend erkannt haben.<br />
Auch das ist ein Grund, warum verstärkt<br />
Angebote im Internet in den Fokus unserer Arbeit<br />
rücken, denn die letzte <strong>ARD</strong>/ZDF-Online-<br />
Studie hat belegt, dass die 14- bis 19-Jährigen<br />
mit 120 Minuten täglich inzwischen mehr Zeit<br />
im Netz verbringen als mit Fernsehen (100 Minuten)<br />
oder Radiohören (97 Minuten). Beson-<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
ders attraktiv für Jugendliche sind multimediale<br />
Anwendungen. Wer die Jugend und damit die<br />
Zukunft nicht verlieren will, der muss hier Antworten<br />
finden und Angebote machen. Gerade<br />
junge Menschen brauchen Orientierung. Sie<br />
sind – da sind wir sicher – beim öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunk gut aufgehoben, der auch<br />
ein inhaltliches Korrektiv zum rein kommerziellen<br />
Sektor darstellt, der für die jungen Leute<br />
auf den ersten Blick oftmals die größere Anziehungskraft<br />
hat.<br />
In diesem Zusammenhang weise ich gerne<br />
darauf hin, dass eine Untersuchung des Hans-<br />
Bredow-Instituts (Hamburg) zur Weiterentwicklung<br />
des Jugendmedienschutzsystems gerade<br />
das binnenplurale Kontrollsystem des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks in Deutschland in<br />
vollem Umfang bestätigt hat. Dieser Bericht<br />
bewertet den Umgang mit dem Jugendschutz in<br />
den Programmen der <strong>ARD</strong> und des ZDF durchgehend<br />
positiv.<br />
Aber wir dürfen uns nicht auf diesen Lorbeeren<br />
ausruhen. Denn Jugendschutz ist nur<br />
eine Seite der Medaille. Der nützt aber nichts,<br />
wenn die Jugend nicht durch das Angebot erreicht<br />
wird, das sie informieren, bilden und<br />
unterhalten soll. Deshalb ist die zielgerichtete<br />
Ansprache der Jugend für die <strong>ARD</strong> von großer<br />
strategischer Bedeutung. Dass die Gremienvorsitzendenkonferenz<br />
der <strong>ARD</strong> dieses Thema<br />
auch als eines von hoher Priorität für sich definiert<br />
hat, zeigt, dass hier auf verschiedenen<br />
Ebenen ein Paradigmenwechsel stattgefunden<br />
hat (vgl. Volker Giersch: Ein nur noch seltenes Paar).<br />
_ Die <strong>ARD</strong> als Bereicherung der Gesellschaft<br />
Aus all diesen Überlegungen wird eines klar:<br />
Obwohl wir in den letzten beiden Jahren sehr<br />
viel über Technik, neue Ausspielwege und<br />
die Digitalisierung der Medienwelt diskutiert<br />
haben, sind es nicht die Veränderungen der<br />
Technologien und des Nutzerverhaltens, die<br />
die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
in der Zukunft bestimmen. Es sind nach wie<br />
vor die publizistische Aufgabe und der gesellschaftliche<br />
Auftrag. Diese Aufgabe und diesen<br />
Auftrag müssen wir unter sich wandelnden<br />
Bedingungen erfüllen, in einer immer stärker<br />
kommerzialisierten Medienlandschaft mit hunderten<br />
Special-Interest-Kanälen und unzähligen<br />
Content-Angeboten. Hier kann nur ein leistungsfähiger<br />
öffentlich-rechtlicher Rundfunk<br />
Garant sein für gut recherchierte, verlässliche,<br />
von kommerziellen Interessen freie Informationen.<br />
Mir ist nicht bange, dass der öffentlichrechtliche<br />
Rundfunk für seine publizistische<br />
Relevanz selbst Sorge tragen kann. Und egal<br />
ob anspruchsvolle Kulturprogramme oder ausführliche<br />
Berichte aus den Regionen, egal ob<br />
Reportagen über Randbereiche der Gesellschaft<br />
oder Unterhaltungsangebote für ältere Menschen,<br />
egal ob wichtige politische Debatten, die<br />
die Gesellschaft als Ganzes betreffen, oder die<br />
Vermittlung klassischer Musik für Kinder – klar<br />
ist: All dies würde in einer rein kommerziellen<br />
Medienlandschaft nicht stattfinden. Die bundesdeutsche<br />
Gesellschaft wäre deshalb ohne die<br />
Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
viel ärmer. Stattdessen hat sie – und dieses<br />
Selbstbewusstsein sollte niemand mit Arroganz<br />
verwechseln – eines der besten Rundfunkangebote<br />
der Welt. Dieses Angebot gehört uns allen.<br />
Wir sollten es hegen und, wo nötig, verteidigen<br />
im Sinne aller, die es nutzen und davon profitieren.<br />
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist<br />
ein Teil des gemeinsamen Reichtums der Gesellschaft.<br />
Er sichert Entscheidungsfreiheit für je-<br />
Kulturradio (RBB) lud am 22. 7. 2008 zum<br />
Kinderkonzert in den Großen Sendesaal im<br />
Haus des Rundfunks. Vor dem Beginn konnten<br />
Kinder im »Open House« Instrumente<br />
kennenlernen und selber ausprobieren.<br />
dermann und jede Frau, indem er Informationsgleichheit<br />
herstellt, und er trägt vielleicht auch<br />
manchmal – etwa wenn die deutsche Fußball-<br />
Nationalmannschaft spielt – zu Momenten der<br />
Brüderlichkeit bei. Das sollten wir uns erhalten.<br />
Editorial <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 15
16<br />
Föderal ist nicht egal<br />
Das »deutsche Modell« des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
Von Verena Wiedemann<br />
Auf den ersten Blick haben viele der Artikel in diesem<br />
<strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> wenig miteinander zu tun. Erst auf den<br />
zweiten Blick erschließt sich, dass sie Schlaglichter<br />
werfen auf die Stärken des föderalen Rundfunksystems<br />
der Bundesrepublik Deutschland und damit die<br />
Leistungsfähigkeit, aber auch die Gefährdungen dieses<br />
Systems deutlich werden lassen. Dabei reicht das Spek-<br />
trum von neuen und bewährten Programmangeboten<br />
wie den erfolgreichen Inforadios, den 2008 gestarteten<br />
»Radio Tatorten« und den vielfach ausgezeichneten<br />
Fernsehfilmen der <strong>ARD</strong>-Anstalten über Fragen der<br />
Berufsethik, der journalistischen Aus- und Fortbildung<br />
und der Arbeitsbedingungen für Journalisten im In- und<br />
Ausland bis hin zu den jüngsten technischen und poli-<br />
tischen Entwicklungen. Alles in allem also eine aktuelle<br />
Standortbestimmung der <strong>ARD</strong>.<br />
Foto oben: »Bilderbuch: Rudolstadt – Kräuter,<br />
Tanz und Ankersteine« am 24. 8. 2008 Uhr im<br />
Ersten; Feststimmung beim Tanz- und Folkfest<br />
M<br />
it heute neun Landesrundfunkanstal<br />
ten und mehreren<br />
Gemeinschafts einrichtungen,<br />
allen voran der Programmdirektion<br />
Erstes Deutsches Fernsehen, arbeitet das<br />
Rundfunksys tem der <strong>ARD</strong> seit nunmehr 58<br />
Jahren in einer Struktur, die dem Organisationsprinzip<br />
des föderal verfassten Gemeinwesens<br />
der Bundesrepublik Deutschland entspricht.<br />
Während die hohen Regionalanteile in den<br />
Nachrichten, in der Unterhaltung, beim Sport<br />
und in den Kulturprogrammen der Dritten<br />
Fernsehprogramme und im Hörfunk die tiefe<br />
regionale Verankerung der Programmmacher<br />
dokumentieren, bündelt die <strong>ARD</strong> ihre Kräfte<br />
zugleich für ihre nationalen Fernsehprogramme,<br />
allen voran für das Gemeinschaftsvollprogramm<br />
Das Erste, aber auch in ihren digitalen Spartenkanälen<br />
EinsExtra, EinsPlus und EinsFestival.<br />
Und sie bringt ihre journalistische und kreative<br />
Kompetenz in die in Kooperation betriebenen<br />
Fernsehprogramme ein, angefangen bei den<br />
gemeinsam mit dem ZDF veranstalteten Programmen<br />
KI.KA und PHOENIX bis hin zum<br />
deutschfranzösischen Kultursender ARTE<br />
und dem in Kooperation mit dem ZDF, dem<br />
österreichischen und dem Schweizer öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunk veranstalteten Kulturprogramm<br />
für den deutschen Sprachraum 3sat.<br />
Wie leistungsfähig dieses »deutsche Modell«<br />
des öffentlichrechtlichen Rundfunks ist, zeigt<br />
sich unter anderem darin, dass es zunehmend<br />
der BBC Modell steht. Denn obwohl der öffentlichrechtliche<br />
Rundfunk in Deutschland –<br />
zumindest im Norden und im Westen – eigent<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
lich auf die BBC zurückgeht, zeigen jüngste<br />
Entwicklungen bei der BBC einen Trend, von<br />
den Strukturprinzipien der <strong>ARD</strong> zu lernen.<br />
Dies gilt zum einen für das neue Aufsichts und<br />
Kontrollsystem der BBC, den BBC Trust, der<br />
in seiner jetzigen Struktur erstmals nicht mehr<br />
Teil des Managements ist, sondern als eine<br />
wirklich unabhängige Binnenkontrolle funktioniert<br />
und damit dem System der Rundfunkräte<br />
in Deutschland bei allen weiter bestehenden<br />
Unterschieden an dieser Stelle nachempfunden<br />
ist. Zum anderen geht aber auch die neue<br />
Senderpolitik der BBC in diese Richtung.<br />
Denn die Rundfunkanstalt baut ihre regionalen<br />
Sendezentren inzwischen systematisch aus und<br />
verstärkt ihre regionale Berichterstattung und<br />
Programmproduktion deutlich. Die BBC, die<br />
als nationales Rundfunksystem von Anbeginn<br />
auf die Hauptstadt konzentriert war und ist,<br />
wird nämlich von den Zuschauern und Zuhörern<br />
in jüngerer Zeit vermehrt kritisiert. Die<br />
britischen Rundfunkgebührenzahler fordern<br />
immer dezidierter zusätzlich zu den nationalen<br />
BBCProgrammen eine klare Fokussierung des<br />
Programmangebots auch auf ihre regionalen<br />
Anliegen und Befindlichkeiten.<br />
Es lohnt sich deshalb, diesen Strukturen<br />
der <strong>ARD</strong> etwas genauer nachzugehen und den<br />
Blick darauf zu richten, welche besonderen<br />
Stärken in ihnen liegen. Dabei hilft eine Analyse<br />
des ehemaligen Bundesverfassungsrichters<br />
Wolfgang HoffmannRiem. Anlässlich eines<br />
Vortrags in Straßburg im Juli 2008 wies er darauf<br />
hin, dass sich die Frage der publizistischen<br />
Leistungen des öffentlichrechtlichen Rundfunks<br />
nicht allein anhand der Qualität einzelner<br />
Beiträge beurteilen lässt, sondern auch das<br />
Zusammenspiel der Beiträge mit den anderen,<br />
für die publizistische Wirkung maßgeblichen<br />
Faktoren mit betrachtet werden muss.<br />
Welches nun sind diese weiteren Faktoren?<br />
Neben dem Prinzip der programmlichen Nähe<br />
zum Publikum, das Authentizität und Relevanz<br />
der Inhalte sichert, zählen dazu auch<br />
_ hohe berufsethische Standards und handwerkliches<br />
Können – beides Qualitäten, die<br />
nicht zuletzt eine solide journalistische Aus<br />
und Fortbildung voraussetzen –;<br />
_ starke und glaubwürdige Programmmarken,<br />
die die Auffindbarkeit der Angebote garantieren<br />
und persönliche Orientierung ermöglichen;<br />
_ personell angemessen besetzte und miteinander<br />
vernetzte (Fach)Redaktionen und die<br />
zu ihrer Unterstützung notwendige technische<br />
und administrative Infrastruktur;<br />
_ eine bedarfsgerechte und unabhängige Finanzierung,<br />
die weder durch staatliche noch<br />
durch marktliche Einflüsse determiniert ist,<br />
_ sowie schließlich eine binnenplurale Aufsicht,<br />
die die Erwartungen der Allgemeinheit<br />
repräsentiert und deshalb legitimiert ist, an der<br />
Gestaltung der Maßstäbe und Kriterien für die<br />
dem Gemeinwohl verpflichteten öffentlichrechtlichen<br />
Programmangebote mitzuwirken<br />
und ihre Einhaltung zu kontrollieren.<br />
Wie diese Prinzipien und Anforderungen in<br />
der <strong>ARD</strong> umgesetzt und gelebt werden, lässt<br />
sich anhand zahlreicher Beispiele aus Beiträgen<br />
des vorliegenden <strong>ARD</strong><strong>Jahrbuch</strong>s veranschaulichen.<br />
So unterschiedlich die Themen dieses<br />
<strong>Jahrbuch</strong>s auch sind, wie ein roter Faden zieht<br />
sich durch die einzelnen Kapitel die gemeinsame<br />
Erfahrung der Autoren, die sie mit den<br />
besonderen Stärken dieses Rundfunksystems<br />
gemacht haben, auch wenn sie aus ganz unterschiedlichen<br />
Berufszweigen und Aufgabenfeldern<br />
der <strong>ARD</strong> kommen.<br />
»Zwölfzweiundzwanzig – Zu Gast bei Ingo<br />
Kahle«: das Interview im Inforadio vom RBB,<br />
hier mit Moderator Ingo Kahle (r.) und<br />
Außenminister Frank-Walter Steinmeier<br />
_ Nachrichtenradios<br />
Ein Beispiel für die Informationskompetenz<br />
der <strong>ARD</strong> sind ihre Nachrichtenprogramme im<br />
Hörfunk, über die die Hörfunkchefredakteurin<br />
des BR, Mercedes Riederer, im Artikel »Ständig<br />
auf dem Laufenden« berichtet. BR, HR,<br />
MDR, NDR und RBB veranstalten diese Wellen<br />
seit Jahren mit großem Erfolg, auch wenn<br />
die Hörerquote dieser Programme nicht an die<br />
der massenattraktiven Landes und Popwellen<br />
heranreicht. Die am meisten eingeschaltete Infowelle<br />
der <strong>ARD</strong>, das Inforadio des RBB, hat<br />
Föderal ist nicht egal <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 17
246 000 Hörer pro Tag (Montag – Sonntag). Der<br />
BR erreicht mit seinem Informationsprogramm<br />
B5 aktuell einen Marktanteil zwischen vier<br />
und fünf Prozent. Bei diesen Informationsangeboten<br />
geht es vor allem um regionale bzw.<br />
landesbezogene Nachrichten und Ereignisse.<br />
Nationale und internationale Themen werden<br />
soweit möglich auf die Lebensbedingungen<br />
im regionalen Sendegebiet heruntergebrochen<br />
oder dazu in Bezug gesetzt. Die Redaktionen<br />
arbeiten täglich daran, ihre Programme für die<br />
Hörer attraktiv darzubieten und mit speziellen<br />
Angeboten auf die Hörerinteressen in ihren<br />
Bundesländern zuzuschneiden.<br />
Trotz ihrer regionalen Schwerpunkte bilden<br />
diese Programme jedoch ein gemeinsames Netz,<br />
das sich als <strong>ARD</strong>Angebot über die Republik<br />
erstreckt. Im gesamten Bundesgebiet erreichen<br />
die fünf Infowellen täglich 1,55 Millionen Hörer<br />
(Montag – Sonntag). In der Kumulation zeigt<br />
sich also eine besondere Qualität der einzelnen<br />
Infowellen. Jede ist für sich selbständig und auf<br />
ihr Sendegebiet bezogen. Gleichzeitig sind sie<br />
Teil der Gesamtveranstaltung <strong>ARD</strong>, über Satellit,<br />
Kabel und Internet für alle Gebührenzahler<br />
empfangbar und damit Mosaiksteine einer täglichen<br />
flächendeckenden Informationsberichterstattung<br />
in Deutschland für die Region und das<br />
ganze Land.<br />
_ »Tatort« und »Radio Tatort«<br />
Je mehr sich der Markt der audiovisuellen Angebote<br />
in der digitalen Welt diversifiziert und<br />
differenziert, desto wichtiger wird es, dass die<br />
einzelnen öffentlichrechtlichen Angebote<br />
auffindbar bleiben. Deshalb werden starke Programmmarken<br />
immer wichtiger. Mit dem »Tat<br />
ort« hat die <strong>ARD</strong> eine PremiumMarke geschaffen,<br />
die in vielerlei Hinsicht einzigartig ist. Sie<br />
kennzeichnet nicht nur den wohl bekanntesten<br />
Fernsehkrimi in Deutschland. Einzigartig ist<br />
diese Marke auch deshalb, weil sie bundesweit<br />
eingeführt und etabliert ist, jedoch regionale<br />
Inhalte vermittelt und föderale Strukturen spiegelt.<br />
Denn »Hauptdarsteller« des »Tatorts« sind<br />
seit nunmehr 38 Jahren neben den berühmten<br />
Kommissaren vor allem auch die Drehorte der<br />
<strong>ARD</strong>. Vom großstädtischen Hamburg bis zum<br />
idyllischen Bodensee finden sich alle Regionen,<br />
Dialekte und Mentalitäten wieder, redaktionell<br />
betreut von Programmmachern, die ihre Sendegebiete<br />
und ihr regionales Publikum seit Jahren<br />
kennen und studieren. Der »Tatort« lenkt so<br />
den sonntäglichen Blick einer ganzen Republik<br />
in die Fläche Brandenburgs ebenso wie ins beschauliche<br />
Saarbrücken.<br />
Wie Ekkehard Skoruppa in seinem Beitrag<br />
»Ein Tatort für die Ohren« nachweist, funktioniert<br />
dieses Prinzip auch im Hörfunk. Im<br />
Januar 2008 haben neun Kultur und Wortprogramme<br />
der <strong>ARD</strong> den »Tatort« mit der zeitgleichen<br />
Ausstrahlung dieser neuen Hörkrimi<br />
Reihe für den Hörfunk adaptiert. Dem föderalen<br />
Prinzip der <strong>ARD</strong> entsprechend haben alle<br />
Häuser ein oder sogar mehrere dieser Hörspiel<br />
Krimis realisiert, die, ebenso wie das Vorbild<br />
im Fernsehen, jeweils in den Regionen der sie<br />
produzierenden Landesrundfunkanstalten spielen.<br />
Mit seiner großen Resonanz bei Publikum<br />
und Presse hat der »Radio Tatort« vielleicht<br />
sogar zu einer Renaissance des Genres Hörspiel<br />
beigetragen.<br />
_ <strong>ARD</strong>-Fernsehfilm<br />
Wie beim »Tatort« tragen die verschiedenen<br />
Senderfarben auch bei der Produktion von<br />
Fernsehfilmen für das Gemeinschaftsprogramm<br />
insgesamt sowie bei KinoKoproduktionen zur<br />
Vielfalt des <strong>ARD</strong>Filmangebots bei. Zu diesem<br />
Befund kommt Verena Kulenkampff in<br />
ihrem Beitrag zur Situation des Fernsehfilms<br />
im Ersten »Vom Boot bis zum BaaderMeinhof<br />
Komplex«. Sie schildert die Leistungsbilanz<br />
der <strong>ARD</strong> bei der Produktion von Filmen in<br />
unterschiedlichen Genres. Insoweit spricht der<br />
Artikel für sich.<br />
Karoline Eichhorn als Kriminalhaupt kommissarin<br />
Nina Bröndle und Ueli Jäggi als<br />
Kriminaloberrat Xaver Finkbeiner in »Mordlauf«,<br />
einem »Radio Tatort« vom SWR<br />
18 Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />
18
»Mogadischu« rekonstruiert die Entführung<br />
der Lufthansa-Maschine »Landshut« in die<br />
Hauptstadt Somalias 1977. Der Film, der noch<br />
2008 ins Erste kommt, ist eine teamWorx-<br />
Produktion, koproduziert von Degeto und<br />
SWR in Kooperation mit dem BR, gefördert<br />
vom FilmFernsehFonds Bayern und der MFG<br />
Filmförderung Baden-Württemberg.<br />
Deutlich wird hier jedoch auch einer der<br />
»sekundären« Effekte der <strong>ARD</strong> für die Gesellschaft,<br />
in diesem Fall der Einfluss, den die<br />
Produktionsleistung der <strong>ARD</strong> auf die deutsche<br />
Filmwirtschaft entfaltet. Fernsehfilme werden<br />
in der <strong>ARD</strong> kaum mehr als Eigenproduktionen<br />
mit hauseigenem, festangestelltem Personal hergestellt,<br />
sondern als Auftragsproduktionen nach<br />
Ausschreibung an privatrechtlich organisierte<br />
Produktionsfirmen vergeben. Es sind keineswegs<br />
ausschließlich die Produktionstöchter der<br />
<strong>ARD</strong>, an die diese Aufträge gehen. Im Gegenteil,<br />
von diesem Auftragsvolumen profitieren<br />
vor allem unabhängige Produzenten.<br />
Und auch in diesem Zusammenhang zeigt<br />
sich wieder die Bedeutung des föderalen<br />
Rundfunksystems der <strong>ARD</strong>. Denn die dezentrale<br />
Auftragsvergabe fördert zugleich auch<br />
die Dezentralität der Produktionsstandorte in<br />
Deutschland. So werden neben Produktionsfirmen<br />
in München, Köln und Hamburg auch<br />
die kreativen Wirtschaftsstandorte Berlin und<br />
Babelsberg, Leipzig oder Frankfurt gefördert,<br />
mit allen positiven Folgen für die Ansiedlung<br />
weiterer, flankierend tätiger Unternehmen.<br />
_ <strong>ARD</strong>-Themenwochen<br />
Beim Blick auf die Leistungsfähigkeit des föderalen<br />
<strong>ARD</strong>Systems sollte, obwohl kein eigener<br />
Schwerpunkt im vorliegenden <strong>Jahrbuch</strong>,<br />
sondern lediglich im Berichtsteil erwähnt, eine<br />
Anstrengung nicht unerwähnt bleiben, die die<br />
<strong>ARD</strong> im Jahr 2006 ins Leben gerufen hat und<br />
die sie aufgrund des großen Erfolgs bei Publi<br />
kum und Kritik dauerhaft in ihr Programmkonzept<br />
implementiert hat: die einmal jährlich im<br />
Frühjahr stattfindenden Themenwochen, bei<br />
denen sich nicht nur das Gemeinschaftsprogramm,<br />
sondern auch die Dritten Fernsehprogramme,<br />
die Hörfunkprogramme und die Online<br />
und Videotextangebote der <strong>ARD</strong> jeweils<br />
eine Woche lang sowohl informativ als auch<br />
unterhaltend und fiktiv einem gesellschaftlich<br />
relevanten Schwerpunktthema widmen.<br />
Im Zusammenwirken aller regionalen und<br />
nationalen Programmangebote gelingt es der<br />
<strong>ARD</strong>, das jeweilige Thema in seiner ganzen<br />
Bandbreite horizontal und vertikal zu durchdringen:<br />
Zum einen in der Tiefe des Themas<br />
durch die Vielzahl der Beiträge, die aus den<br />
Landesrundfunkanstalten und den Gemeinschaftseinrichtungen<br />
zugeliefert werden. Zum<br />
anderen, weil die <strong>ARD</strong> mit ihren Programmen<br />
die Gesellschaft in ihrer ganzen Breite anspricht<br />
und mit diesem Thema nachhaltig erreichen<br />
kann. Bezeichnenderweise sind die Dritten<br />
Programme dabei insbesondere mit Sendungen<br />
Im Rahmen der Themenwoche 2008 berichtete<br />
»Brandenburg aktuell« über die »Fabrik<br />
für Ältere« in Finsterwalde: Rosemarie<br />
Bresching bei der Vorbereitung von Anschlüssen<br />
für den Transformatorenbau.<br />
erfolgreich, die das jeweilige Thema mit spezifisch<br />
regionalem Bezug beleuchten. So war die<br />
Themenwoche 2008 »Mehr Zeit zu leben« mit<br />
insgesamt 340 Sendestunden und 811 Beiträgen<br />
im Fernsehen sowie 287 Sendestunden und<br />
1 271 Beiträgen im Hörfunk ein publizistisches<br />
Großereignis. Nach den Ergebnissen der GfK<br />
Forschung sind die angebotenen Sendungen<br />
Föderal ist nicht egal <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 19
20<br />
im Fernsehen von 55,4 Prozent der Gesamtbevölkerung<br />
bewusst genutzt worden. In einer begleitend<br />
durchgeführten Studie beim Publikum<br />
gaben 90 Prozent der Befragten an, sie fänden<br />
es wichtig, dass die <strong>ARD</strong> derartige aktuelle Themen<br />
aufgreift. 77 Prozent der Befragten waren<br />
der Meinung, die <strong>ARD</strong> leiste mit der Themenwoche<br />
einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft.<br />
_ <strong>ARD</strong> Mediathek<br />
Die von der <strong>ARD</strong> im Jahr 2008 gestartete<br />
Mediathek, deren Entwicklung die Online<br />
Koordinatorin der <strong>ARD</strong>, Heidi Schmidt, im<br />
Artikel »Wunschprogramm zum Mitnehmen«<br />
beschreibt, ist ein weiteres Beispiel für den<br />
besonderen Charakter und die Qualität der<br />
journalistischen Leistungen, die die föderalen<br />
öffentlichrechtlichen Strukturen der <strong>ARD</strong><br />
ermöglichen. Die Mediathek eröffnet als virtuelles<br />
Portal einen zentralen Zugang zu den<br />
audiovisuellen OnlineAngeboten der einzelnen<br />
Landesrundfunkanstalten. Hier wird kein zentrales,<br />
speziell geschaffenes Angebot mit nationalem<br />
Inhalt dargeboten. Vielmehr geht es darum,<br />
die vielfältigen regionalen Abrufangebote<br />
aus Hörfunk und Fernsehen der Landesrundfunkanstalten<br />
für das Publikum auf einfachem<br />
Wege auffindbar und nutzbar zu machen. Auf<br />
diese Weise kann die journalistische Arbeit über<br />
regionale Ereignisse, die Reinhart Binder in seinem<br />
Beitrag »Drei Medien unter einem Dach«<br />
beschreibt und die zunehmend nicht nur in<br />
den Sendezentralen, sondern auch in den<br />
Landes und Regionalstudios trimedial erfolgt,<br />
über die Mediathek auch einem nationalen Publikum<br />
übersichtlich, zeit und ortsunabhängig<br />
frei zugänglich gemacht werden.<br />
_ Journalistische Ausbildung<br />
Um den Qualitätsanspruch einzulösen, den die<br />
<strong>ARD</strong> mit ihren Angeboten verbindet, ist ein<br />
hohes Maß an journalistischer Kompetenz der<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erforderlich.<br />
In welcher Breite und Tiefe die <strong>ARD</strong> Nachwuchsförderung<br />
und Ausbildung betreibt, thematisiert<br />
der Intendant des HR, Helmut Reitze,<br />
in seinem Beitrag »Über den Bedarf hinaus«.<br />
Ausbildung zum Beleuchter im<br />
BildungsCentrum des MDR<br />
Neben der klassischen Journalistenausbildung<br />
über Volontariate bildet die <strong>ARD</strong> auch in 20<br />
weiteren Ausbildungsberufen aus und ermöglicht<br />
jedes Jahr fast 2 000 Schülern mit Hilfe<br />
von Praktika einen ersten Einblick in das Berufsleben.<br />
Damit die journalistischen Standards nicht<br />
nur erworben, sondern auch langfristig weiterentwickelt<br />
werden, müssen die Mitarbeiter<br />
aber auch ständig fortgebildet werden. Wie dies<br />
im Einzelnen geschieht, darüber gibt Stefan<br />
Hanke, der Leiter der <strong>ARD</strong>.ZDF medienakademie,<br />
in »Reise zu den Synapsen« Auskunft. Die<br />
Medienakademie trägt die <strong>ARD</strong> gemeinsam mit<br />
dem ZDF. Sie ist die größte Fortbildungseinrichtung<br />
der Medienbranche in Deutschland.<br />
Neben rein journalistischen und rundfunktechnischen<br />
Inhalten bietet sie auch themenübergreifende<br />
Seminare für Mitarbeiter aller Arbeitsbereiche<br />
des Rundfunks an.<br />
Das Ergebnis dieser soliden Aus und Fortbildung<br />
lässt sich nicht zuletzt am Publikumserfolg<br />
ablesen. So kann der <strong>ARD</strong>Chefredakteur,<br />
Thomas Baumann, in seinem Artikel über<br />
die »Politische Information im Ersten« darauf<br />
verweisen, dass die »Tagesschau« nach über 55<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
Jahren noch immer die am meisten gesehene<br />
Informationssendung im deutschen Fernsehen<br />
ist. Unter den politischen Magazinen sind mit<br />
»Panorama« und »Monitor« ebenfalls <strong>ARD</strong><br />
Produktionen Marktführer in ihren Programmsegmenten.<br />
Das Publikum weiß die Glaubwürdigkeit<br />
und Kompetenz dieser Programme zu<br />
schätzen.<br />
_ Rundfunktechnische Forschung und Entwicklung<br />
Zu den »externen Effekten« der <strong>ARD</strong> für die<br />
Wirtschaft gehört der Anteil, den sie am technischen<br />
Fortschritt des Rundfunks hat. Wenn<br />
Michael Spading und Dirk Lüdemann in ihrem<br />
Artikel über die »Ständig steigende Qualität«<br />
die Perspektiven des hochauflösenden Fernsehens<br />
(HDTV) beschreiben, dann greifen sie<br />
zurück auf die Forschungsleistung, die das gemeinsam<br />
mit dem ZDF und weiteren Partnern<br />
betriebene Institut für Rundfunktechnik (IRT)<br />
zur Entwicklung dieses Standards beigetragen<br />
hat. So hat das Institut bereits im Jahr 1995 die<br />
erste digitale HDTVÜbertragung über Satellit<br />
nach MPEG2Norm vorgenommen. Die elektronische<br />
Zeitlupe, der Videotext, das Videopro<br />
HDTV-Test im IRT<br />
grammiersystem VPS oder das Verkehrsfunksystem<br />
ARI, all dies sind Entwicklungen des IRT,<br />
mit denen der öffentlichrechtliche Rundfunk<br />
den technischen Fortschritt vorangebracht und<br />
die Möglichkeiten des Publikums zur Nutzung<br />
des Mediums erweitert und vereinfacht hat.<br />
Wie die <strong>ARD</strong> zugleich inhaltlich auf die<br />
sich verändernden technischen Entwicklungen<br />
reagiert, beschreibt Rüdiger Malfeld, Hauptabteilungsleiter<br />
Infrastrukturmanagement im<br />
WDR. Unter der Themenstellung »Die neuen<br />
Weltempfänger« schildert er die revolutionären<br />
Umbrüche in der Unterhaltungselektronik und<br />
ihre Auswirkungen auf die Radionutzung. Er<br />
informiert auch über einige der Antworten, die<br />
die <strong>ARD</strong> hierauf gibt, von Webchannels des<br />
WDR bis hin zu »PodcastviaBroadcast«Angeboten<br />
der Landessender.<br />
Dass es ein föderales Sendersystem wie<br />
die <strong>ARD</strong> auch vermag, die Interessen der<br />
Zuschauer an frei zugänglichen und auffindbaren<br />
Programmen im Angesicht der schnellen<br />
technischen und marktlichen Entwicklungen<br />
gegenüber neuen Marktakteuren und Geschäftsmodellen<br />
durchzusetzen, wird im Beitrag der<br />
Justiziarin des MDR, Karola Wille, deutlich. Sie<br />
berichtet in »Ein neues Spannungsfeld« über<br />
die Strategien, die die <strong>ARD</strong> hierfür einsetzt,<br />
angefangen bei der gemeinsamen Festlegung<br />
der Bedingungen für ihre Programmverbreitung<br />
gegenüber Betreibern digitaler Plattformen bis<br />
hin zu ihrem Engagement zugunsten von standardisierten<br />
offenen Lösungen bei der Rundfunkverbreitung.<br />
Audiomischpult im neuen Funk- und Fernsehhaus<br />
von Radio Bremen<br />
_ Solidargemeinschaft<br />
Heinz Glässgen, Intendant von Radio Bremen,<br />
beschreibt in seinem Beitrag »Ein Neubau fällt<br />
nicht vom Himmel« an einem prominenten<br />
Beispiel, wie die <strong>ARD</strong> als Solidargemeinschaft<br />
ihrer Mitglieder funktioniert. Um die Überlebensfähigkeit<br />
der kleinsten <strong>ARD</strong>Sendeanstalt<br />
und damit eigenständige Landesprogramme<br />
im Bundesland Bremen zu sichern, stellten die<br />
übrigen <strong>ARD</strong>Landesrundfunkanstalten Radio<br />
Bremen die Investitionsmittel für den Bau<br />
Föderal ist nicht egal <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 21
22<br />
und die technische Ausstattung eines der modernsten<br />
Funkhäuser Europas zur Verfügung.<br />
Dieses Projekt hätte allein über den staatsvertraglich<br />
normierten Finanzausgleich zugunsten<br />
von Radio Bremen und SR nicht realisiert werden<br />
können.<br />
_ Zukunftsfähigkeit durch Strukturoptimierung<br />
Damit die <strong>ARD</strong> auch langfristig ihren Auftrag<br />
erfüllen kann, bedarf es der Bereitschaft<br />
zur Veränderung und zur Anpassung an neue<br />
Herausforderungen und Gegebenheiten. Zwei<br />
Beispiele für diese Prozesse schildert Peter<br />
Boudgoust in seinem Beitrag »Steiniger Weg«,<br />
in dem er die Erfahrungen mit den Fusionen<br />
von SWR und RBB auswertet. Wenn erkennbar<br />
wird, so legt er dar, dass eine Verschlankung<br />
»SWR3 latenight«, die Radio-TV-Show mit<br />
Pierre M. Krause, läuft samstags um<br />
Mitternacht im SWR Fernsehen, hier mit<br />
Mambo Kurt (l.), »King of Heimorgel«.<br />
an der richtigen Stelle unter Wahrung des föderalen<br />
Prinzips dazu beiträgt, das Programm<br />
zu optimieren, dann setzt die <strong>ARD</strong> dieses Ziel<br />
auch um. Es zeigt sich, dass es der <strong>ARD</strong> dabei<br />
gelingt, auch in neuen Senderverbünden<br />
als Partner und Interessenvertreter ihrer Hörer<br />
und Zuschauer anerkannt zu werden. Dies belegt<br />
etwa das Beispiel des Hörfunkprogramms<br />
SWR 3. Als erfolgreicher Nachfolger von SWF 3<br />
und SDR 3 ist die Welle seit Jahren Marktführer<br />
im eigenen Sendegebiet.<br />
_ Künftige Herausforderungen<br />
Wie notwendig Veränderungsprozesse sowie<br />
die weitere Erschließung aller Synergien, Erfahrungen<br />
und Stärken des Sendersystems die<br />
<strong>ARD</strong> auch künftig fordern werden, davon gibt<br />
der Beitrag des Rundfunkratsvorsitzenden des<br />
SR und Vorsitzenden der Gremienvorsitzendenkonferenz<br />
(GVK) eine Vorstellung. Volker<br />
Giersch warnt in seinem Beitrag »Ein nur noch<br />
seltenes Paar« davor, die sinkenden Zuschaueranteile<br />
der <strong>ARD</strong>Programme bei jüngeren<br />
Menschen als unumkehrbar zu betrachten. Die<br />
<strong>ARD</strong> habe den Auftrag, alle Bevölkerungsgruppen<br />
zu erreichen und gerade auch junge Menschen<br />
an Qualitätsprogramme heranzuführen.<br />
Er appelliert an die Programmverantwortlichen<br />
der <strong>ARD</strong>, zügig Strategien zu entwickeln, wie<br />
jüngere Zielgruppen in allen Programmangeboten<br />
der <strong>ARD</strong> in Zukunft wieder stärker angesprochen<br />
werden können.<br />
Der Beitrag bezeugt dabei zugleich das Engagement<br />
der Aufsichtsgremien der <strong>ARD</strong> für<br />
die Interessen aller Zuschauer, Zuhörer und<br />
Nutzer. Die Rundfunkräte nehmen ihren Auftrag<br />
ernst, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten darauf<br />
hinzuwirken, dass die <strong>ARD</strong> die Erfüllung<br />
ihres öffentlichrechtlichen Programmauftrags<br />
beständig optimiert. Auch die Gremienaufsicht,<br />
so wird deutlich, profitiert dabei von den<br />
<strong>ARD</strong>Strukturen. Nicht nur die Landesrundfunkanstalten<br />
können durch ihren ständigen<br />
Erfahrungsaustausch und durch ihre Zusammenarbeit<br />
voneinander profitieren, sondern<br />
auch die Aufsichtsgremien der einzelnen Landesrundfunkanstalten.<br />
Gerade das »VoneinanderLernen«,<br />
meint Volker Giersch, sei einer der<br />
Vorteile, die das föderale System biete.<br />
Dr. Verena Wiedemann,<br />
Generalsekretärin der <strong>ARD</strong><br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
Die Konferenz der Gremienvorsitzenden der Landes-<br />
rundfunkanstalten (GVK) hat 2007 beschlossen,<br />
sich intensiver mit dem Thema »Erreichbarkeit der<br />
Jugend« zu befassen, und im März 2008 bereits<br />
eine Tagung zu diesem Thema veranstaltet. Ziel dieser<br />
Aktivitäten war und ist zum einen eine Bestands-<br />
aufnahme, zum anderen die Identifizierung von innova-<br />
tiven Konzepten und Ideen für eine erfolgreiche<br />
Ansprache junger Menschen in den Fernseh- und Hör-<br />
funkprogrammen sowie den Online-Angeboten<br />
der <strong>ARD</strong>. Die Intendantinnen und Intendanten werden<br />
dazu ein Strategiepapier entwickeln. Und auch in die<br />
<strong>ARD</strong>-Leitlinien für die Jahre 2009/2010 ist die Initiative<br />
der GVK schon eingeflossen.<br />
Ein nur noch seltenes Paar<br />
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Jugend –<br />
Strategien gegen den Generationenabriss<br />
Von Volker Giersch<br />
D<br />
ie öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />
verlieren die jüngeren Bevölkerungsgruppen<br />
zunehmend an<br />
die private Konkurrenz – besonders<br />
im Fernsehen. Nicht nur bei den 15- bis 29-Jährigen,<br />
sondern auch bei den 30- bis 49-Jährigen<br />
prägen niedrige und weiter sinkende Marktanteile<br />
das Bild. Das Durchschnittsalter der<br />
<strong>ARD</strong>- und ZDF-Zuschauer ist auf gut 60 Jahre<br />
gestiegen. Tendenz weiter steigend. Es droht ein<br />
Generationen abriss. Überzeugende Strategien,<br />
die auf eine erfolgreiche Ansprache der jüngeren<br />
Altersgruppen zielen, sind bislang kaum<br />
erkennbar. Sie sind aber dringend nötig, denn<br />
der Befund ist gleichermaßen eindeutig wie<br />
alarmierend.<br />
_ Hohes und steigendes Durchschnittsalter<br />
Bei den öffentlich-rechtlichen TV-Programmen<br />
ist inzwischen fast die Hälfte der Zuschauer<br />
über 65 Jahre alt – also im Rentenalter. Nur<br />
rund fünf Prozent sind unter 30. Das durchschnittliche<br />
Zuschaueralter liegt beim Ersten<br />
inzwischen bei 59,8 Jahren, beim ZDF bei 60,6<br />
Jahren und bei den Dritten noch höher: bei<br />
60,9 Jahren. Der Vergleichswert der privaten<br />
Sender liegt mit etwa 45 Jahren weit darunter.<br />
Der durchschnittliche Zuschauer des öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunks ist also um rund 15 Jahre<br />
älter als derjenige der privaten Anbieter.<br />
Sorge macht insbesondere, mit welchem<br />
Tempo das Durchschnittsalter bei den Öffentlich-Rechtlichen<br />
ansteigt. In den vergangenen 15<br />
Jahren nahm es bei der <strong>ARD</strong> um elf Jahre, beim<br />
ZDF um acht Jahre zu. Das <strong>ARD</strong>- und ZDF-<br />
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Jugend <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 23
24<br />
Fernsehpublikum altert damit mehr als dreimal<br />
so stark wie das Fernsehpublikum insgesamt.<br />
Wenn dieser Trend weiter Bestand hat, werden<br />
die Zuschauer der Öffentlich-Rechtlichen in<br />
zehn Jahren im Durchschnitt gut 66 Jahre alt<br />
sein.<br />
Bei RTL und Sat.1 stieg das Durchschnittsalter<br />
nur um rund 3,5 Jahre. Bei ProSieben<br />
ging es sogar um 1,5 Jahre zurück. Insgesamt<br />
ist also eine fortschreitende Spaltung des Fernsehmarkts<br />
zu beobachten: Die Älteren sehen<br />
öffentlich-rechtlich, die Jüngeren privat.<br />
Im Hörfunk ist die Situation weniger dramatisch,<br />
in der Tendenz aber ähnlich. Hier<br />
behaupten die <strong>ARD</strong>-Programme gegen eine<br />
zahlenmäßig große Konkurrenz bei den 14- bis<br />
29-Jährigen immerhin einen Anteil an der<br />
Tagesreichweite von 36,5 Prozent. Bei den 30-<br />
bis 39-Jährigen sind es sogar 44,0 Prozent, bei<br />
den 50-Jährigen und Älteren über 61 Prozent.<br />
Vor zehn Jahren waren es 43,3, 48,4 und 63,2<br />
Prozent. Der Rückgang ist also bei den Jüngeren<br />
stärker als bei den Älteren, aber deutlich<br />
weniger ausgeprägt als im Fernsehen. Allerdings<br />
verfügen die Landesrundfunkanstalten im<br />
Hörfunk auch über ausgesprochene Jugendprogramme<br />
und über Popwellen, die gerade die<br />
mittleren Jahrgänge gut erreichen.<br />
_ Jugendliche nach wie vor über Hörfunk<br />
und Fernsehen erreichbar<br />
Ein viel genannter Grund für das hohe und<br />
weiter steigende Durchschnittsalter bei den<br />
Öffentlich-Rechtlichen liegt im abweichenden<br />
Medienverhalten der Jugend-Jahrgänge. In der<br />
Tat nutzen Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren<br />
die Medien Fernsehen und Hörfunk weit<br />
unterdurchschnittlich – insgesamt 195 Minuten<br />
täglich. Das ist nur etwa halb so lange, wie die<br />
Zuschauer und Zuhörer aller Altersgruppen<br />
diese Medien nutzen. Jugendliche sind mehr<br />
online als vor dem Fernseher. Und sie hören<br />
ebenso viel Musik aus der Retorte (MP3), wie<br />
sie Radio hören.<br />
Dieser Befund gilt allerdings nur für die<br />
»Teens«. Denn mit zunehmendem Alter gleicht<br />
sich das Medienverhalten rasch den Durchschnittswerten<br />
an. Bereits bei den 20- bis 29-Jährigen<br />
steigt der Radio- und Fernsehkonsum auf<br />
330 Minuten täglich an. Das sind bereits gut 80<br />
Prozent des Durchschnittswerts für alle Altersgruppen<br />
(409 Minuten). Bei den 30- bis 39-Jährigen<br />
wird dieser Durchschnittswert mit 391 Minuten<br />
fast erreicht.<br />
Auch wenn man den Fernsehkonsum allein<br />
nimmt, ist der Anstieg der Sehdauer mit zunehmendem<br />
Alter deutlich zu erkennen. Sie wächst<br />
von 100 Minuten bei den 14- bis 19-Jährigen auf<br />
156 Minuten bei den 20- bis 29-Jährigen und 192<br />
Minuten bei den 30- bis 39-Jährigen (Gesamtdurchschnitt<br />
der Erwachsenen 223 Minuten).<br />
Aus diesen Fakten lassen sich zwei Schlüsse<br />
ziehen: Erstens, dass die jüngeren Menschen<br />
über die klassischen Medien Fernsehen und<br />
Hörfunk durchaus zu erreichen sind – wenn<br />
auch nicht ganz so gut wie die älteren. Und<br />
zweitens, dass sich die rasche Alterung des<br />
»öffentlich-rechtlichen Fernsehpublikums« nur<br />
zum kleinen Teil mit dem spezifischen Medienverhalten<br />
der Jugend erklären lässt.<br />
_ Niedrige, weiter sinkende Marktanteile<br />
bei jüngeren Zuschauern<br />
Der Kern des Problems liegt woanders. Er liegt<br />
darin, dass die Öffentlich-Rechtlichen bei den<br />
Zuschauern unter 50 Lebensjahren in beträchtlichem<br />
Ausmaß Marktanteile verlieren. Besonders<br />
ausgeprägt ist der Akzeptanz-Schwund bei<br />
den Unter-30-Jährigen.<br />
Das Erste erreicht in dieser Altersgruppe (14<br />
bis 29 Jahre) nur noch einen Marktanteil von<br />
fünf Prozent (2007). Das ZDF liegt mit 4,1 Prozent<br />
noch darunter. Denselben Wert erzielen<br />
die Dritten zusammen. Zum Vergleich: Marktführer<br />
ProSieben kam auf 17,4 Prozent, RTL auf<br />
16,8 Prozent.<br />
Im Klartext bedeutet das: Wenn Jugendliche<br />
und junge Erwachsene ihr Fernsehgerät anschalten,<br />
entscheiden sie sich nur zu etwa 15<br />
Prozent für öffentlich-rechtliche Programme<br />
und zu mehr als 85 Prozent für die privaten Sender.<br />
Bezogen auf alle Zuschauer kommen die<br />
Öffentlich-Rechtlichen – Das Erste, die Dritten<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />
Moderieren »DASDING.tv«: Domenica Berger<br />
und Rainer Jilg.
und das ZDF – dagegen auf einen Marktanteil<br />
von rund 40 Prozent. Die Quote für die 14- bis<br />
29-Jährigen liegt also bei nur etwa einem Drittel<br />
der Gesamtquote der Öffentlich-Rechtlichen.<br />
Weit unterdurchschnittlich ist der Marktanteil<br />
der öffentlich-rechtlichen TV-Programme<br />
mit rund 24 Prozent übrigens auch in der<br />
Gruppe der 30- bis 39-Jährigen, also bei den<br />
»Middle Agers«. Anlass zur Sorge gibt insbesondere<br />
das Ausmaß, mit dem die Öffentlich-<br />
Rechtlichen bei den jüngeren Zuschauergruppen<br />
in den vergangenen 15 Jahren an Akzeptanz<br />
verloren haben und immer noch verlieren:<br />
_ Bei den 14- bis 19-Jährigen ist der Marktanteil<br />
von <strong>ARD</strong> und ZDF zusammen von beachtlichen<br />
40,1 Prozent in 1992 auf nunmehr<br />
12,4 Prozent in 2007 gesunken, bei den 20- bis<br />
29-Jährigen von 41,2 auf 13,5 Prozent. Das sind<br />
immerhin Marktanteilsverluste in der Größenordnung<br />
von zwei Dritteln und mehr.<br />
_ Selbst bei den noch nicht im dualen System<br />
fernsehsozialisierten 30- bis 49-Jährigen hat sich<br />
der Marktanteil der Öffentlich-Rechtlichen seit<br />
1992 fast halbiert – von 45,8 auf 23,9 Prozent.<br />
Tröstlich ist da allenfalls der Umstand,<br />
dass sich der Akzeptanz-Schwund in den letzten<br />
fünf Jahren etwas verlangsamt hat – vor<br />
allem bei den 14- bis 19-Jährigen. Dennoch ist<br />
der Negativtrend keineswegs gebrochen. Die<br />
Entwicklung der Marktanteile zeigt bei allen<br />
Altersgruppen unter 50 Jahren bis zuletzt nach<br />
unten. Steigende Marktanteile erreichen <strong>ARD</strong><br />
und ZDF erst in den Rentnerjahrgängen. Bei<br />
den Ab-65-Jährigen liegt die Quote inzwischen<br />
bei 65 Prozent. Vor zehn Jahren lag sie noch bei<br />
weniger als 60 Prozent.<br />
Die Hoffnung nun darauf zu setzen, dass<br />
die Alterung der Gesellschaft die Quoten von<br />
<strong>ARD</strong> und ZDF insgesamt stabil halten wird,<br />
wäre allerdings verfehlt. Denn es ist keineswegs<br />
ein Automatismus, dass sich die Menschen<br />
mit fortschreitendem Alter den Öffentlich-<br />
Rechtlichen zuwenden. Vielmehr deuten die<br />
Ergebnisse der Medienforschung darauf hin,<br />
dass jüngere Generationen, deren Sehgewohnheiten<br />
bereits stark von den Privaten geprägt<br />
wurden, auch im Alter für die öffentlich-rechtlichen<br />
Sender nicht mehr so leicht zu erreichen<br />
sind wie jene Jahrgänge, die ausschließlich mit<br />
öffentlich-rechtlichen Programmen aufgewachsen<br />
sind.<br />
Im Ergebnis bedeutet das: Sender, die heute<br />
an Akzeptanz bei der Jugend verlieren, werden<br />
morgen und übermorgen mutmaßlich auch bei<br />
der Gesamtquote zurückfallen.<br />
_ In den Top 50 des Fernsehens nur mit<br />
Sport vertreten<br />
<strong>ARD</strong> und ZDF ziehen im Wettbewerb um die<br />
Jüngeren insbesondere deshalb den Kürzeren,<br />
weil sie zu wenige Programme für diese Zielgruppe<br />
anbieten. In der Hitliste der 50 Sendungen,<br />
die Teens und Twens 2007 in besonders<br />
großer Zahl eingeschaltet haben, kommen die<br />
Öffentlich-Rechtlichen praktisch nicht vor;<br />
Ausnahme: bei der Übertragung herausragender<br />
Sportereignisse (z. B. Fußball- und Handball-<br />
Weltmeisterschaften). Hier gibt es vier Treffer,<br />
alle vom Ersten. Und bei Unterhaltungsformaten<br />
heißt der traurige Befund: Fehlanzeige.<br />
»RTL und ProSieben«, so bilanzierte es der<br />
<strong>ARD</strong>-Vorsitzende Fritz Raff kürzlich, »dominieren<br />
diese Liste mit einer Klarheit, die betroffen<br />
machen kann.«<br />
Erstaunlich ist, dass diese Betroffenheit bislang<br />
keine stärkere Bereitschaft zum Wandel<br />
auslöst. Ist da bereits Resignation im Spiel, oder<br />
ist es bewusstes strategisches Kalkül, vor allem<br />
auf die älteren Zuschauer zu setzen? Befürchten<br />
<strong>ARD</strong> und ZDF, dass ihre Gesamtquote sinken<br />
wird, wenn sie die Programme stärker auf jüngere<br />
Menschen zuschneiden?<br />
Bezogen auf die Hauptprogramme mag ein<br />
solches Risiko durchaus bestehen. Zumindest<br />
ist a priori nicht auszuschließen, dass man mit<br />
einem »jüngeren« Programm in der Übergangszeit<br />
mehr ältere Zuschauer verliert als jüngere<br />
hinzugewinnt. Doch dürfte sich der Schwund<br />
bei den Älteren in engen Grenzen halten, wenn<br />
<strong>ARD</strong> und ZDF gemeinsam und behutsam umsteuern.<br />
Ein Versuch, das Thema Sport in einer Call-in-<br />
Sendung humorvoll umzusetzen:<br />
Arnd Zeigler in »Zeiglers wunderbare Welt des<br />
Fußballs« im WDR Fernsehen<br />
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Jugend <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 25
26<br />
Überdies besteht dann ja auch die Möglichkeit,<br />
eine stärkere Differenzierung im gesamten<br />
Programm-Portfolio zu wagen. Warum nicht<br />
eines oder mehrere Programme so gestalten,<br />
dass sie verstärkt jüngere Menschen ansprechen?<br />
Immerhin bieten <strong>ARD</strong> und ZDF zurzeit<br />
21 deutschlandweit empfangbare Fernsehprogramme<br />
an. Bei kaum einem dieser Programme<br />
liegt das Durchschnittsalter nennenswert unter<br />
60 Jahren. Am niedrigsten ist es mit 49 Jahren<br />
bei EinsFestival, mit 54 Jahren bei PHOENIX<br />
und mit 57 Jahren bei 3sat.<br />
_ Höchste Zeit für eine erfolgreichere Ansprache<br />
der Jüngeren<br />
Keine Frage: Es ist eine riesige Herausforderung,<br />
die jüngeren Zuschauergruppen in großer<br />
Zahl mit qualitätsvollen Informations- und<br />
Unterhaltungsangeboten zu erreichen. Und nur<br />
das kann das Ziel sein. Aber die Möglichkeiten<br />
dazu sind noch keineswegs ausgereizt. MDR-<br />
Intendant Udo Reiter hat völlig Recht, wenn er<br />
sagt: »Man kann nicht auf der einen Seite immer<br />
einen mangelhaften Informationsstand junger<br />
Leute und niedrige pädagogische Ansprüche<br />
mancher Privatprogramme beklagen und andererseits<br />
nichts dagegen tun.«<br />
Das Thema Ansprache der Jugend gehört<br />
deshalb verstärkt in den Fokus der programmstrategischen<br />
Überlegungen der Öffentlich-<br />
Rechtlichen. Und zwar rasch, denn die Zeit<br />
drängt:<br />
_ Erstens droht ansonsten eine Diskussion<br />
darüber, ob die Öffentlich-Rechtlichen ihren<br />
Funktionsauftrag noch hinreichend erfüllen.<br />
Dieser Auftrag verpflichtet sie ja u. a. dazu,<br />
»die demokratischen, sozialen und kulturellen<br />
Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen« und<br />
durch ihre Angebote »den gesellschaftlichen<br />
Zusammenhalt in Bund und Ländern zu fördern«,<br />
wie es im Entwurf zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />
heißt. Diese Aufgaben<br />
lassen sich befriedigend nur dann erfüllen,<br />
wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade<br />
auch die nachwachsenden Generationen in angemessenem<br />
Umfang erreicht. Bei anhaltendem<br />
Schwund der jüngeren Zuschauer wächst jedenfalls<br />
das Risiko, dass über kurz oder lang auch<br />
die Akzeptanz für die Gebührenfinanzierung<br />
schwindet.<br />
_ Zweitens muss es im ureigenen Interesse<br />
von <strong>ARD</strong> und ZDF liegen, junge Menschen<br />
möglichst frühzeitig an ihre Programme zu binden<br />
und die Marken <strong>ARD</strong> und ZDF in deren<br />
Köpfen zu verankern. Je früher die Öffentlich-<br />
Rechtlichen mit einer markenorientierten Strategie<br />
beginnen, desto besser sind die Erfolgsaussichten.<br />
_ Drittens braucht es Zeit, bis eine stärkere<br />
Programmausrichtung auf die Jugend die gewünschte<br />
Wirkung entfaltet. Es wird nicht auf<br />
Anhieb gelingen, entsprechende Programmformate<br />
zu entwickeln und den bestmöglichen<br />
Programm-Mix für eine Verjüngung des Fernsehpublikums<br />
zu finden. Vielfach wird man<br />
sich auf dem Weg von Versuch und Irrtum<br />
herantasten müssen. Je früher und beherzter die<br />
Öffentlich-Rechtlichen damit beginnen, desto<br />
besser die Erfolgsaussichten.<br />
_ Viertens macht es Sinn, Strategien der<br />
Jugendansprache auf Erkenntnissen aus der<br />
Medien- und Jugendforschung aufzubauen.<br />
Auf diesem Forschungsgebiet gibt es hierzulande<br />
bislang noch erhebliche Defizite. Da<br />
Forschungsprojekte Zeit brauchen, sollten sie<br />
schnellstmöglich gestartet werden – am besten<br />
in enger Abstimmung oder gar in Kooperation<br />
zwischen <strong>ARD</strong> und ZDF.<br />
Bildung für die Jüngeren: Homepage von<br />
»Planet Wissen« mit dem Angebot<br />
zum Thema »Olympische Spiele« aus der<br />
»Multimedia-Galaxie«<br />
_ Gesamtstrategie nötig<br />
Positiv ist, dass die Öffentlich-Rechtlichen bei<br />
der gezielten Ansprache junger Leute bereits auf<br />
wichtige eigene Erkenntnisse zurückgreifen können.<br />
Das zeigt die Übersicht über die Jugendangebote<br />
der <strong>ARD</strong>, die die <strong>ARD</strong>-Geschäftsführung<br />
auf Bitte der Gremienvorsitzenden erstellt<br />
hat. Auch die von der GVK im März 2008<br />
veranstaltete Fachtagung zur Jugendansprache<br />
hat bestätigt, dass zahlreiche gute Formate, innovative<br />
Konzepte und kreative Ideen bereits<br />
vorhanden sind, bisher aber nur punktuell zum<br />
Erfolg führen.<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
Die Gremienvorsitzenden halten deshalb<br />
eine <strong>ARD</strong>-Gesamtstrategie zur Ansprache Jugendlicher<br />
und junger Erwachsener für notwendig.<br />
Sie muss medienübergreifend und markenbildend<br />
angelegt sein und den Pool der Ideen,<br />
Erfahrungen und Projekte in der <strong>ARD</strong> konsequent<br />
ausschöpfen.<br />
Klar ist aber auch: Ein Patentrezept für die<br />
erfolgreiche Ansprache der Jugend gibt es nicht.<br />
Dagegen spricht schon die Differenziertheit der<br />
Jugend, die laut Jugendforschung weder alters-<br />
noch verhaltensabhängig in einer »Jugendkultur«<br />
fassbar ist. Umso mehr wird es nötig sein,<br />
an einer Vielzahl von Stellschrauben zu drehen.<br />
_ Behutsame Verjüngung des Gesamtprogramms<br />
Der strategische Schwerpunkt einer stärkeren<br />
Ausrichtung auf jüngere Zielgruppen muss<br />
darin liegen, das gesamte Programmangebot<br />
behutsam zu »verjüngen«. Zum einen bedeutet<br />
das, in die Programme der Öffentlich-Rechtlichen<br />
– insbesondere die zuschauerstarken<br />
Hauptprogramme – mehr Angebote für die jüngeren<br />
Zuschauergruppen aufzunehmen. Zum<br />
anderen gilt es, die Machart und Anmutung des<br />
gesamten Programmangebots stärker als bisher<br />
am Geschmack und an den Präferenzen der Zuschauer<br />
in den jüngeren und mittleren Altersgruppen<br />
auszurichten. Mehr junge Gesichter,<br />
mehr jugendrelevante Themen, neue jugendgerechte<br />
Programmkonzepte, mehr multimediale<br />
Formate heißt das Rezept. Dies sowohl bei Information,<br />
Bildung und Kultur als auch in der<br />
Unterhaltung. »Gerade auch bei ihren fiktionalen<br />
Produktionen müssen sich die Öffentlich-<br />
Rechtlichen verstärkt bemühen, das Lebensgefühl<br />
der Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />
besser anzusprechen«, sagte Fritz Raff auf der<br />
Fachtagung der GVK. Dieser Erkenntnis sollten<br />
bald auch Taten folgen.<br />
Natürlich darf der öffentlich-rechtliche<br />
Rundfunk dabei nicht sein besonderes Profil<br />
verlieren. Es wäre falsch und letztlich kontraproduktiv,<br />
junge Menschen mit Angeboten zu<br />
gewinnen, die nicht spezifisch für den öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk stehen. Sendungen<br />
wie »Bruce« Darnell sind der falsche Weg. Die<br />
Herausforderung liegt vielmehr darin, bei den<br />
Jugendlichen mit Qualität zu punkten. Neben<br />
entsprechenden Programmangeboten gilt es<br />
dazu auch, »Marken« zu entwickeln, die für<br />
Qualität, Originalität und Kreativität stehen.<br />
Keine Frage: Es gibt bereits eine Vielzahl<br />
von qualitätvollen Angeboten, für die sich<br />
»quer«-Moderator Christoph Süß (l.) mit<br />
Wolfgang Krebs als Double des bayerischen<br />
Ministerpräsidenten Günther Beckstein<br />
sowohl Jugendliche als auch »Middle Agers«<br />
interessieren. Zu nennen sind hier etwa die Sendereihe<br />
»Ich mach’s!« von BR-alpha, die über<br />
Fernsehen und Internet 350 Berufsbilder vorstellt,<br />
die WDR/SWR-Kooperationen »Planet<br />
Wissen« (unter Beteiligung von BR-alpha) und<br />
»Planet Schule«, »TV-Klassiker« wie das BR-<br />
Informationsmagazin »quer« oder auch die TV-<br />
und Internetangebote zu Naturwissenschaften,<br />
Sprachen, Kultur und Geschichte. Letztere sind<br />
zum Teil bereits auch als Unterrichtsmaterial<br />
aufbereitet.<br />
Im fiktionalen Bereich fällt auf, dass anspruchsvolle<br />
Filme wie »Die Flucht«, »Contergan«<br />
oder »Die Frau vom Checkpoint Charlie«<br />
überdurchschnittlich hohe Marktanteile von 10<br />
bis 13 Prozent bei den 14- bis 29-Jährigen erreichen<br />
konnten. Diese Filme waren eingebettet in<br />
ein multimediales Begleitangebot zu den historischen,<br />
rechtlichen und gesellschaftspolitischen<br />
Fragen. Gerade auch dieses zusätzliche Informationsangebot<br />
wurde von den Jüngeren intensiv<br />
genutzt (vgl. Medienforschung 2007).<br />
Als positives Signal für eine behutsame »Gesamtverjüngung«<br />
möchte ich 3sat erwähnen.<br />
Obwohl 3sat ein so genanntes Kulturprogramm<br />
ist, liegt der Altersdurchschnitt der Zuschauer<br />
bei 57 Jahren, und das ohne Sport, ohne Telenovelas,<br />
ohne Werberahmenprogramm. Dahinter<br />
stehen Originalität und Kreativität sowie<br />
die Entwicklung der Gesamtanmutung hin<br />
zu einem jüngeren und frischeren Aussehen<br />
(Studio bau, Kulissen, Trailer, Audience Flow,<br />
Farben, Moderatorenauswahl, Sprache etc.).<br />
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Jugend <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 27
28<br />
Der Schlüssel zum Erfolg liegt letztlich darin,<br />
die Jugendansprache als Querschnittaufgabe<br />
zu begreifen. Das heißt, bei jedem Format,<br />
jedem Beitrag zu fragen, wie er relevanter und<br />
attraktiver für die jüngeren Zuschauergruppen<br />
gestaltet werden kann.<br />
_ Mehr multimediale Formate, mehr<br />
jugendorientierte Internetangebote<br />
Ein Erfolg versprechender Weg, jüngere Zuschauergruppen<br />
zu erreichen, sind multimediale<br />
Angebote. Das gilt insbesondere dann, wenn<br />
sie Möglichkeiten zur Interaktivität und zur<br />
unmittelbaren Beteiligung an der Gestaltung<br />
einer Sendung bieten. Zu den innovativen Beispielen,<br />
die es im Bereich der <strong>ARD</strong> bereits gibt,<br />
zählt das SWR-Hörfunkangebot DASDING.<br />
Hier besteht für junge Leute die Möglichkeit,<br />
selbst Radio zu machen und mit ihrem Beitrag<br />
auf der entsprechenden Online-Plattform zu<br />
erscheinen. Ergänzt wird das Angebot noch um<br />
eine wöchentliche Fernsehsendung. Richtung-<br />
Rosemarie Bundz, Moderatorin von<br />
»Südwild« (BR)<br />
weisend ist auch das neue – ebenfalls trimediale<br />
– Format »Südwild« (BR). Es zeigt im Bayerischen<br />
Fernsehen und auf seiner Homepage<br />
»User generated content« (Video-Clips), wobei<br />
die Internet-Nutzer über die Aufnahme in die<br />
TV-Sendung entscheiden.<br />
Gerade solche auf das Nutzungsverhalten<br />
der Jugend zugeschnittenen Internetangebote<br />
versprechen Erfolg. Denn die Jugend legt<br />
großen Wert auf die spezifischen Möglichkeiten,<br />
die das Internet bietet – etwa auf autonome<br />
Recherchemöglichkeiten, Interaktivität,<br />
zeitsouveräne Nutzung, Podcasts, Chats und<br />
Communities. Entsprechend sind auch alle jungen<br />
Hörfunkwellen der <strong>ARD</strong> inzwischen mit<br />
einem begleitenden Online-Portal im Netz, sei<br />
es N-JOY vom NDR, 1LIVE vom WDR, YOU<br />
FM vom HR, MDR SPUTNIK, Bremen Vier<br />
von Radio Bremen, Fritz vom RBB oder 103.7<br />
UnserDing vom SR. Diese spezifischen Jugendwellen<br />
erreichen bereits erfolgreich die jüngere<br />
Zielgruppe (mit einem Durchschnittsalter von<br />
26 bis 35 Jahren) und können über ihre Internetpräsenz<br />
verstärkt dazu beitragen, die Jugend mit<br />
dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk »bekannt<br />
zu machen« und für weitere Angebote – auch<br />
aus dem TV-Bereich – zu interessieren.<br />
Darüber hinaus macht es Sinn, das Internet<br />
künftig verstärkt als Wegweiser hin zu jugendorientierten<br />
Sendungen und Formaten zu nutzen.<br />
Bislang findet sich auf der Startseite der<br />
<strong>ARD</strong> Mediathek nur die Kategorie »Kinder und<br />
Familie«. Hier besteht, ebenso wie auf nahezu<br />
allen Startseiten der einzelnen Landesrundfunkanstalten,<br />
dringend Nachbesserungsbedarf.<br />
Warum nicht ein über die <strong>ARD</strong> Mediathek erreichbares<br />
»Jugendportal« entwickeln, das einen<br />
strukturierten Überblick über all jene Angebote<br />
gibt, die sich an jüngere Zuschauergruppen<br />
richten? Denn attraktive Jugendangebote können<br />
nur dann die gewünschte Akzeptanz erreichen,<br />
wenn sie auch gefunden werden.<br />
Aus all diesen Gründen ist es wichtig, dem<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen ausreichenden<br />
Entwicklungsspielraum im Online-Bereich<br />
zu gewähren. Ein Fernseh- oder Hörfunkprogramm<br />
ohne Internet auftritt wird bei den<br />
Jugendlichen nur geringe Chancen haben.<br />
_ Innovationswerkstätten<br />
Um die Innovationskraft der Öffentlich-Rechtlichen<br />
weiter zu stärken, wäre es denkbar,<br />
»Innovationswerkstätten« bei einzelnen Landesrundfunkanstalten<br />
einzurichten, in denen<br />
insbesondere auch Jugendliche ihre Ideen einbringen<br />
können. Ansatzpunkte dazu gibt es<br />
bereits – u. a. beim SR. Hier wurde die Konzeption<br />
für die SR-Jugendwelle 103.7 Unser Ding<br />
seinerzeit von Jugendlichen für Jugendliche<br />
entwickelt (vgl. <strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> 04/05, S. 78). Das<br />
ist ein guter Weg, der authentische Produkte<br />
verspricht.<br />
_ »Audience Flow« nutzen<br />
Ein weiterer Ansatzpunkt liegt darin, den<br />
»Audience Flow« im Umfeld massenattraktiver<br />
Sendungen zielgerichtet zu nutzen. Die Öffentlich-Rechtlichen<br />
erreichen durchweg eine<br />
hohe Einschaltquote bei Jugendlichen, wenn<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
sie herausragende Sportereignisse übertragen.<br />
Deshalb sollten sie die Chance konsequent<br />
nutzen, im Umfeld solcher Übertragungen jugendorientierte<br />
Sendungen auszustrahlen und<br />
Jugendliche damit für ihre Hauptprogramme zu<br />
interessieren.<br />
In den <strong>ARD</strong>-Leitlinien für 2009/2010 (vgl.<br />
Dokumente), in denen auf Drängen der GVK<br />
das Thema »Jugend« erstmals vertieft behandelt<br />
wird, ist eine solche »jugend-affinere« Gestaltung<br />
des Programms in Aussicht gestellt.<br />
_ Schaffung eines eigenen TV-Jugendkanals<br />
MDR-Intendant Udo Reiter hat öffentlich vorgeschlagen,<br />
einen der <strong>ARD</strong>-Digitalkanäle in einen<br />
Jugendkanal umzuwandeln. Der <strong>ARD</strong>-Vorsitzende<br />
Fritz Raff hält das für einen möglichen<br />
Weg, verbindet damit aber die Frage, ob es Sinn<br />
macht, eine gesellschaftlich relevante Gruppe in<br />
einen weiteren Spartenkanal abzudrängen. Das<br />
ist aber keineswegs eine zwangsläufige Folge.<br />
Natürlich kann und darf ein Jugendkanal<br />
nicht der einzige Weg sein, die jüngeren Zuschauer<br />
zurückzugewinnen. Und natürlich<br />
muss es darüber hinaus immer auch Ziel sein,<br />
jüngere Zuschauer verstärkt ins <strong>ARD</strong>-Hauptprogramm<br />
zu ziehen. Die Frage ist nur, ob<br />
eine Jugend-Strategie hinreichend erfolgreich<br />
sein kann, wenn wir den jüngeren Zuschauern<br />
nicht zugleich auch eine feste Heimat in der öffentlich-rechtlichen<br />
Medienwelt anbieten. Aus<br />
meiner Sicht zumindest ist das eine notwendige<br />
Erfolgsbedingung – natürlich aber keine hinreichende.<br />
_ Off-Air-Veranstaltungen und Kooperationen<br />
mit Bildungseinrichtungen<br />
Veranstaltungen mit Eventcharakter tragen bereits<br />
heute dazu bei, dem öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk ein »jüngeres« Gesicht zu geben.<br />
Aber es gibt durchaus noch Spielraum für<br />
zusätzliche jugendorientierte »Events«. Als<br />
Basis könnten etwa auch traditionelle Fernseh-<br />
und Hörfunkangebote dienen (beispielsweise<br />
»Tatort«-Public-Viewing).<br />
Ein Erfolg versprechender Weg zur Jugendansprache<br />
liegt auch in Partnerschaften mit<br />
Schulen und anderen Bildungseinrichtungen.<br />
Qualitätvolle Inhalte dafür gibt es gerade in den<br />
Bereichen Bildung, Wissen und Information<br />
in großer Zahl. Gelungene Beispiele für eine<br />
solche Zusammenarbeit finden sich im Kontext<br />
der bereits erwähnten Formate »Ich mach’s!«<br />
und »Planet Wissen«. Zudem gehen bereits<br />
fast alle Anstalten mit ihren Hörfunkwellen,<br />
Im Gespräch auf dem GVK-Forum: Oliver<br />
Pocher (l.) und der künftige Programmdirektor<br />
des Ersten, Volker Herres<br />
Orches tern oder Jugendsendungen in die Schulen,<br />
ini tiieren dort Wettbewerbe, Lesefeste oder<br />
Radio nächte, bieten Mitmachmöglichkeiten für<br />
die Jugendlichen oder auch Fortbildungsangebote<br />
für die Lehrer. Vieles davon hat dann wieder<br />
Eventcharakter und vermittelt Wissen mit<br />
Spaßfaktor. Hierauf lässt sich aufbauen.<br />
_ Die GVK will Treiber bleiben!<br />
Das Thema Jugendansprache muss und wird<br />
in der <strong>ARD</strong> in den kommenden Monaten und<br />
Jahren mehr und mehr zu einem Kernthema<br />
werden. Die GVK wird dabei weiterhin Motor<br />
und Treiber sein. Sie will die Gremien der einzelnen<br />
Rundfunkanstalten sensibilisieren und<br />
ihnen Fakten, Argumente und Anregungen an<br />
die Hand geben. Sie will – etwa durch Fachtagungen<br />
wie das diesjährige GVK-Forum in<br />
München – aktiv zum Informations- und Meinungsaustausch<br />
innerhalb der <strong>ARD</strong> beitragen.<br />
Gerade das »Voneinander-Lernen« ist ja einer<br />
der Vorteile, die föderale Systeme bieten. Und<br />
sie will in Gesprächen mit Fachleuten und in<br />
Diskussionen untereinander eigene Ideen entwickeln<br />
und sich auf diese Weise fit machen, das<br />
Thema innerhalb der <strong>ARD</strong> offensiv vorantreiben<br />
zu können.<br />
Gespannt sein darf man jetzt auf das Strategiepapier,<br />
das die Intendanten der GVK im<br />
April dieses Jahres zugesagt haben. Es wäre<br />
wünschenswert, wenn es neben grundsätzlichen<br />
Aussagen bereits auch konkrete Vorschläge enthalten<br />
würde, die sich schon bald programmlich<br />
umsetzen lassen.<br />
Volker Giersch, Vorsitzender der<br />
Konferenz der Gremienvorsitzenden<br />
und des SR-Rundfunkrats<br />
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Jugend <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 29
30<br />
Mehr Markt für die europäische<br />
Telekommunikation?<br />
Zum aktuellen Diskussionsstand · Von Eva-Maria Michel<br />
EU-Entscheidungen sollen auf einer möglichst bürger-<br />
nahen dezentralen Ebene getroffen werden, das<br />
ist das Prinzip der Subsidiarität, auf dem die Europäische<br />
Union basiert. Der 1993 in Kraft getretene Maastrichter<br />
Vertrag verankerte das Subsidiaritätsprinzip im EG-<br />
Vertrag. Danach darf die EU in den Bereichen, die nicht<br />
in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig<br />
werden, »sofern und soweit die Ziele der in Betracht ge-<br />
zogenen Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten<br />
nicht ausreichend erreicht werden können und daher<br />
wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf<br />
Gemeinschaftsebene erreicht werden können«.<br />
Nicht nur für die <strong>ARD</strong> stellt sich nun die Frage, ob bei-<br />
spielsweise die geplante neue europäische Regulie-<br />
rungsbehörde, die mit erheblichen Kompetenzen z. B.<br />
bei der Frequenzverteilung ausgestattet werden<br />
soll, diesem Prinzip entgegensteht.<br />
D<br />
er derzeitige Revisionsprozess des<br />
EU-Regulierungsrahmens für elektronische<br />
Kommunikation stellt einen<br />
weiteren bedeutsamen Schritt hin zur<br />
Liberalisierung der Telekommunikationsdienste<br />
und -netze dar. Der bisherige Regulierungsrahmen<br />
wird geprägt von den Grundprinzipien<br />
der Konkordanz von Infrastruktur- und Inhalteregulierung,<br />
der Zuweisung von Frequenzbereichen<br />
an bestimmte Dienste sowie der<br />
Einzelzuteilung von Frequenzen. Jetzt werden<br />
paradigmatische Veränderungen im Bereich<br />
der Frequenzverwaltung durch die Einführung<br />
eines marktorientierten Ansatzes angestrebt, die<br />
nachhaltige Auswirkun gen auf den öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunk hätten.<br />
_ Der Revisionsprozess begann Ende 2005<br />
Den eigentlichen Revisionsprozess startete die<br />
EU-Kommission im November 2005 mit einem<br />
»Call for Input«, also einem öffentlichen Aufruf,<br />
zur beabsichtigten Überarbeitung des EU-<br />
Richtlinienpaketes Stellung zu nehmen. Der<br />
»Call for Input« wurde vorbereitet durch eine<br />
Reihe von Mitteilungen und Entscheidungen<br />
der Kommission oder von der Kommission<br />
beauftragter Gremien, in denen sich bereits die<br />
Positionen für das Revisionsverfahren abzeichneten.<br />
Nach der Auswertung der eingegangenen<br />
Stellungnahmen hat die Kommission im März<br />
2006 ihre Stellungnahme veröffentlicht. Daran<br />
schloss sich ein öffentliches Konsultationsverfahren<br />
an.<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
_ Die Legislativvorschläge der Kommission<br />
Auf der Grundlage der Ergebnisse des Konsulationsverfahrens<br />
legte die Kommission am<br />
13. 11. 2007 fünf Dokumente in Form von<br />
Legislativvorschlägen vor:<br />
_ einen Bericht über den bisherigen Revisionsprozess<br />
mit den Stellungnahmen der<br />
Marktteilnehmer im Rahmen der öffentlichen<br />
Konsultation und die Zusammenfassung der<br />
vorgeschlagenen Änderungen;<br />
_ eine Verordnung zur Einrichtung einer Europäischen<br />
Behörde für die Märkte der elektronischen<br />
Kommunikation;<br />
_ eine Richtlinie zur Änderung der Rahmenrichtlinie,<br />
Zugangsrichtlinie und Genehmigungsrichtlinie;<br />
_ eine Richtlinie zur Änderung der Universaldiensterichtlinie<br />
und der Datenschutzrichtlinie<br />
und<br />
_ eine Empfehlung zu den für die elektronische<br />
Kommunikation relevanten Produkt-<br />
und Dienstemärkten.<br />
Die Schwerpunkte der Vorschläge der Generaldirektion<br />
Informationsgesellschaft liegen<br />
dabei auf der geplanten Einführung einer Europäischen<br />
Behörde für die Märkte der elektronischen<br />
Kommunikation mit einer weitgehenden<br />
Verlagerung von Kompetenzen auf die<br />
EU-Ebene und auf einer weitreichenden Veränderung<br />
der Frequenzverwaltung in Europa.<br />
Die Kommission begründet ihre Vorschläge vor<br />
allem damit, dass so die vorhandenen Ressourcen<br />
effizienter verwaltet werden könnten.<br />
_ Dienste- und Technologieneutralität bei der Nutzung<br />
von terrestrischen Frequenzen – Jede Frequenz für<br />
jede Übertragung und jede Dienstleistung?<br />
Die Kommission strebt an, dass zukünftig<br />
grundsätzlich jede Frequenz für jede Übertragungstechnologie<br />
und jede Dienstleistung genutzt<br />
werden kann. Allein der Nutzer einer Frequenz<br />
soll bestimmen, welcher Technik er sich<br />
zur Übertragung elektronischer Kommunikationsdienste<br />
bedient. Die Zuweisung bestimmter<br />
Frequenzbänder und die Zuteilung bestimmter<br />
Frequenzen für bestimmte Dienste – beispielsweise<br />
an den Rundfunk – soll dann nicht mehr<br />
möglich sein. Allerdings sind begrenzte Ausnahmen<br />
zur Sicherstellung von Medienpluralismus<br />
und kultureller Vielfalt vorgesehen. Deren<br />
Anwendung wird aber an ein komplexes und restriktives<br />
Verfahren gebunden, durch das die<br />
Entscheidungsfreiheit der Mitgliedstaaten stark<br />
eingeschränkt würde.<br />
Der geltende EU-Regulierungsrahmen vom<br />
7. 3. 2002<br />
»Weniger Regulierung, leichterer Marktzugang<br />
und einheitliche Wettbewerbsbedingungen«<br />
(Erkii Liikanen, früherer<br />
EUKommissar).<br />
Es gibt fünf Harmonisierungsrichtlinien:<br />
_ Rahmenrichtlinie: Damit wird ein harmonisierter<br />
Rahmen für die Regulierung<br />
elektronischer Kommunikationsdienste<br />
und netze sowie zugehöriger Einrichtungen<br />
und Dienste vorgegeben. Sie legt<br />
die Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden<br />
sowie eine Reihe von Verfahren<br />
fest, die die Anwendung des Rechtsrahmens<br />
gewährleisten.<br />
_ Genehmigungsrichtlinie: Durch die<br />
Harmonisierung und Vereinfachung soll ein<br />
Binnenmarkt für elektronische Kommunikationsnetze<br />
und dienste errichtet werden.<br />
Sie gilt für Genehmigungen, die für die<br />
Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze<br />
und dienste erteilt werden.<br />
_ Zugangsrichtlinie: Diese Richtlinie harmonisiert<br />
die Regulierung des Zugangs zu<br />
elektronischen Kommunikationsnetzen<br />
und zugehörigen Einrichtungen sowie<br />
deren Zusammenschaltung durch die Mitgliedstaaten.<br />
Hier werden für Betreiber<br />
und für Unternehmen Rechte und Pflichten<br />
festgelegt. Außerdem werden Ziele für<br />
nationale Regulierungsbehörden in Bezug<br />
auf den Zugang und die Zusammenschaltung<br />
vorgegeben.<br />
_ Universaldiensterichtlinie: Sie regelt<br />
die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze<br />
und dienste für Endnutzer.<br />
Sie begründet die Rechte der Endnutzer<br />
und die entsprechenden Pflichten von<br />
Unternehmen, die öffentlich zugängliche<br />
elektronische Kommunikationsnetze und<br />
dienste bereitstellen.<br />
_ Datenschutzrichtlinie: Sie soll einen<br />
gleichwertigen Schutz der Grundrechte<br />
und Grundfreiheiten, insbesondere des<br />
Rechts auf Privatsphäre, in Bezug auf die<br />
Verarbeitung personenbezogener Daten im<br />
Bereich der elektronischen Kommunikation<br />
sowie den freien Verkehr dieser Daten und<br />
von elektronischen Kommunikationsgeräten<br />
und diensten in der Gemeinschaft<br />
gewährleisten.<br />
Europäische Telekommunikation <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 31
Dienste<br />
MHZ<br />
BAnD<br />
32<br />
So sollen Ausnahmen nur nach einem öffentlichen<br />
Konsultationsverfahren möglich<br />
sein. Sie sollen zeitlich befristet, regelmäßig<br />
überprüft und schließlich im Rahmen von Verfahrensvorgaben<br />
der Kommission umgesetzt<br />
werden, durch die der Bereich der Ausnahmen<br />
definiert wird.<br />
Folgerichtig soll es bei der Zuteilung von<br />
Frequenzen grundsätzlich auch keine Einzelgenehmigungen,<br />
also individuelle Frequenzzuteilungen,<br />
mehr geben. Allgemeingenehmigungen,<br />
d. h. die Öffnung von Frequenzbereichen für<br />
eine Vielzahl von Diensten bei Einhaltung<br />
entsprechender frequenztechnischer Vorgaben,<br />
sollen die Regel sein. Die bestehenden Einzelgenehmigungen<br />
würden spätestens nach fünf<br />
Jahren überprüft und nur unter neuen, dann<br />
strengeren Voraussetzungen beantragt werden<br />
können. Sie müssten künftig zwei Voraussetzungen<br />
erfüllen, nämlich<br />
_ erstens die Verwirklichung von Zielen, die<br />
der Erfüllung gemeinwohlorientierter Interessen<br />
dienen, und<br />
_ zweitens die Erfüllung einer Rundfunkanbietern<br />
auferlegten Verpflichtung. Aber auch hierfür<br />
will die Kommission künftig harmonisierte<br />
Kriterien definieren und Vorgaben für die Verfahren<br />
auf mitgliedstaatlicher Ebene machen.<br />
_ Das Ziel: ein freier Handel mit Frequenzen<br />
Die Kommission fordert in diesem Zusammenhang<br />
die Kompetenz, EU-weit Frequenzbänder<br />
festlegen zu können, die dem Handel unterliegen.<br />
Außerdem will sie in Zukunft die Rahmenbedingungen<br />
für den Weiterverkauf von Frequenzen<br />
von einem Nutzer an den anderen in<br />
diesen Bändern festlegen. Schon der derzeitige<br />
Regulierungsrahmen eröffnet die Option für die<br />
Mitgliedstaaten, Frequenzhandel zuzulassen.<br />
Hiervon haben auch fast alle Mitgliedstaaten<br />
Gebrauch gemacht. So sieht auch das deutsche<br />
Telekommunikationsgesetz die Möglichkeit<br />
des Frequenzhandels vor. Allerdings sind die<br />
dem Rundfunk zugewiesenen Frequenzen<br />
davon ausgenommen.<br />
Gegenwärtige Frequenznutzung<br />
Hörfunk<br />
0,1485 – 0,2835<br />
Langwelle<br />
Hörfunk<br />
KW-Rundfunk:<br />
militärische<br />
Anwen dungen<br />
_ Harmonisierung der Auswahl- und Genehmigungs-<br />
verfahren für grenzüberschreitende Diensteanbieter<br />
Die Kommission will zukünftig das Verfahren<br />
zur Auswahl von Unternehmen, die in harmonisierten<br />
Frequenzbändern grenzüberschreitende<br />
Dienste anbieten, weitgehend selbst gestalten<br />
und unter Einbeziehung der neuen<br />
europäischen Regulierungsbehörde sogar selbst<br />
durchführen.<br />
_ Veränderung des Must-Carry-Regimes<br />
Darüber hinaus will die Kommission die Möglichkeit<br />
der Mitgliedstaaten begrenzen, Betreibern<br />
von Übertragungsplattformen Übertragungsverpflichtungen<br />
aufzuerlegen. Bisher<br />
können die Mitgliedstaaten solche Must-Carry-<br />
Verpflichtungen gemäß Art. 31 der Universaldiensterichtlinie<br />
für »specified radio and television<br />
broadcast channels und services« festlegen.<br />
Nach dem Vorschlag der Kommission soll dies<br />
künftig nur noch für »specified radio and television<br />
broadcast channels and accessibility services«,<br />
also Zugangsdienste für Menschen mit<br />
Behinderungen, möglich sein. Außerdem sollen<br />
Must-Carry-Auflagen künftig alle drei Jahre<br />
einer Überprüfung unterworfen werden.<br />
_ Neue Empfehlung zu relevanten Märkten<br />
Der bestehende EU-Regulierungsrahmen für<br />
elektronische Kommunikation enthält eine<br />
Empfehlung zu relevanten Märkten, die unter<br />
KW-Rundfunk:<br />
militärische<br />
Anwen dungen<br />
Rundfunk /<br />
Amateurfunk<br />
0,5265 – 1,6065 3,950 – 4,000 5,900 – 5,950 7,100 – 7,200<br />
Mittelwelle Kurzwelle Kurzwelle Kurzwelle<br />
Inzwischen auf vielen höheren Gebäuden:<br />
Masten mit Mobilfunkantennen<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />
Jedermannfunk<br />
26,560 – 27,410<br />
CB-Funk<br />
Drahtlose Mikrofone<br />
36,61– 37,75<br />
Drahtlose Mikros
estimmten Umständen der Vorabregulierung<br />
unterworfen werden können. Ziel ist es, diese<br />
Märkte EU-weit zu konkretisieren sowie die<br />
methodischen Instrumente der Vorabregulierung<br />
zu harmonisieren, um so gleiche Voraussetzungen<br />
für alle zu schaffen. Der Markt 18 in<br />
der zurzeit geltenden Empfehlung ist der Markt<br />
für Rundfunkübertragungsdienste. Dieser Markt<br />
soll nun, nach dem Vorschlag der Kommission,<br />
aus der Empfehlung gestrichen werden. Dies<br />
hätte zur Folge, dass in Zukunft als Regulierungsinstrument<br />
allein das allgemeine Wettbewerbsrecht<br />
maßgeblich sein würde und Fehlentwicklungen<br />
allenfalls nachträglich korrigiert<br />
werden könnten.<br />
_ Einrichtung einer neuen europäischen<br />
Regulierungsbehörde<br />
Des weiteren sieht das Telekom-Paket die<br />
Einrichtung einer europäischen Regulierungsbehörde<br />
für die Märkte der elektronischen<br />
Ermöglicht die digitale Dividende: Umstellung<br />
auf DVB-T. Hier: Sendemast in Magdeburg<br />
Kommunikation vor. Begründet wird dies mit<br />
der bislang uneinheitlichen Anwendung der<br />
EU-Vorschriften sowie der aufsichtsrechtlichen<br />
Fragmentierung des Binnenmarktes. Die neue<br />
Behörde soll insbesondere für eine einheitliche<br />
Umsetzung der Regeln durch die nationalen<br />
Behörden sorgen und mit diesen zusammenarbeiten,<br />
sie aber nicht ersetzen.<br />
Im Bereich der Frequenzpolitik soll der<br />
Behörde eine weitgehende Koordinierungs-<br />
Fernsteuerung von<br />
Fahrzeugmodellen<br />
Analoges Fernsehen<br />
(auslaufend)<br />
BOS-Funk: Polizei,<br />
THW, Feuerwehr, Zoll,<br />
Rettungsdienste etc.<br />
UKW-Hörfunk<br />
40,71– 40,99 47 – 68 84 – 87,5 87,5 – 108 108 – 137<br />
RC Modellbau VHF Band I BOSDienste UKW<br />
Flugfunk<br />
funktion bei der Vergabe von Frequenzen und<br />
der Ermittlung von europaweit harmonisierten<br />
bzw. harmonisierbaren Frequenzen zukommen.<br />
Darüber hinaus soll sie die verfahrensmäßige<br />
Umsetzung der Richtlinienvorgaben in den<br />
Mitgliedstaaten überwachen. Dies würde einen<br />
weitgehenden Eingriff in die Verwaltungshoheit<br />
der Mitgliedstaaten und eine weitere Durchbrechung<br />
des Subsidiaritätsprinzips darstellen.<br />
Für die Vergabe von paneuropäisch harmonisierten<br />
Frequenzen an paneuropäische Dienste<br />
wäre die neue EU-Behörde allein zuständig.<br />
_ Die digitale Dividende auf dem Prüfstand<br />
Der marktbasierte Regulierungsansatz der<br />
Kommission zeigt sich insbesondere hinsichtlich<br />
der künftigen Nutzung der so genannten<br />
digitalen Dividende. Ihre Vorschläge hierzu<br />
legte die Kommission zeitgleich mit den Revisionsvorschlägen<br />
zum Telekom-Paket vor. Die<br />
Kommission geht dabei von der Annahme aus,<br />
dass die durch die Digitalisierung der Rundfunkübertragung<br />
frei werdenden Frequenzkapazitäten<br />
im bisher vornehmlich für terrestrisches<br />
Fernsehen genutzten UHF-Bereich – die so<br />
genannte digitale Dividende – eine wichtige<br />
Ressource wirtschaftlichen Wachstums in der<br />
EU sind. Diese digitale Dividende dürfe nicht<br />
allein dem Rundfunk und mitgliedstaatlicher<br />
Verteilungszuständigkeit überlassen werden,<br />
sondern müsse auf EU-Ebene harmonisiert und<br />
auch anderen als Rundfunkdiensten – z. B. für<br />
die Breitbandversorgung im ländlichen Bereich<br />
oder für mobile Dienste – zur Verfügung gestellt<br />
werden.<br />
Die Kommission will das UHF-Band dafür<br />
nach dem digitalen »switch-over« in drei Nutzungsbereiche<br />
(cluster) aufgeteilt sehen:<br />
_ Rundfunkdienste unter der Regelungskompetenz<br />
der Mitgliedstaaten;<br />
_ mobile Multimedia-Dienste, wie beispiels-<br />
weise Mobil-TV, unter Regelungskompetenz der<br />
Mitgliedstaaten und optionaler EU-Koordinierung;<br />
_ Breitbandzugangsdienste auf der Grundlage<br />
einer EU-Harmonisierung.<br />
Drehfunkfeuer, Lande-<br />
kurssender, Instrumen-<br />
tenlandesysteme<br />
DVB-T und T-DAB<br />
174 – 230<br />
Rundfunk<br />
Privates Mobiles<br />
Radio:<br />
Kurzstreckenfunk<br />
446,0 – 446,2<br />
PMR-Funk<br />
Europäische Telekommunikation <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 33
Dienste<br />
MHZ<br />
BAnD<br />
34<br />
Bei Letzteren will die Kommission künftig<br />
in harmonisierten Subbändern nicht nur die<br />
Nutzungsart, sondern auch die Anbieter von<br />
Diensten auswählen.<br />
_ Die Position des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
Die <strong>ARD</strong>, aber auch die UER haben bereits im<br />
Vorfeld der 1. Lesung der Legislativvorschläge<br />
im Europäischen Parlament eingehend Stellung<br />
genommen sowie konkrete Änderungsvorschläge<br />
zu einzelnen Regelungen gemacht.<br />
Dabei wurde grundsätzlich darauf hingewiesen,<br />
dass ein wesentliches Element des im Jahr<br />
2002 verabschiedeten EU-Regulierungsrahmens<br />
für elektronische Kommunikation die Anerkennung<br />
der Tatsache ist, dass Verbindungen<br />
zwischen Inhalte- und Infrastrukturregulierung<br />
bestehen und Telekommunikations- und audiovisuelle<br />
Politik daher im Zusammenhang zu sehen<br />
sind. Das derzeitige Richtlinienpaket trägt<br />
zudem der Bedeutung der Ziele Rechnung,<br />
die mit der audiovisuellen Politik in der Gemeinschaft<br />
verbunden sind – insbesondere die<br />
Sicherung kultureller Vielfalt und von Medienpluralismus.<br />
Aus Sicht der <strong>ARD</strong> ist es deshalb<br />
von fundamentaler Bedeutung, dass dieser Regulierungsansatz<br />
auch weiterhin erhalten bleibt.<br />
Dies gilt insbesondere für den von der Kommission<br />
verfolgten marktorientierten Ansatz für das<br />
Frequenzmanagement.<br />
_ Ausnahmen für Rundfunkdienste müssen<br />
bestehen bleiben<br />
Eine Sicherung der Belange des Rundfunks<br />
könnte am nachhaltigsten durch eine generelle<br />
Ausnahmeregelung für den Rundfunkbereich<br />
gewährleistet werden, d. h. durch die generelle<br />
Herausnahme von Rundfunkdiensten und der<br />
diesen Diensten zugeordneten Frequenzbereiche<br />
aus dem Regelungspaket. Es zeichnet<br />
sich aber ab, dass eine solche horizontale und<br />
regulatorisch eindeutige Ausnahmeregelung<br />
weder im Parlament noch im Europäischen Rat<br />
die notwendige Mehrheit finden wird.<br />
Daher muss zumindest sichergestellt werden,<br />
dass den Zielsetzungen der audiovisuellen<br />
DVB-T<br />
Short Range Devices<br />
Radio, Frequency<br />
Identification<br />
Global System for<br />
Mobile Communication<br />
Politik in den Mitgliedstaaten durch eine Reihe<br />
vertikaler Regelungen jedenfalls in folgenden<br />
Bereichen Rechnung getragen wird:<br />
_ Für den Rundfunk muss durch klare Ausnah<br />
men bei den Prinzipien der Technologie-<br />
und Diensteneutralität der Zugang zum benötigten<br />
Frequenzspektrum erhalten bleiben.<br />
Die Frequenzpolitik und das Frequenzmanagement<br />
sind traditionellerweise Regulierungsgegenstände,<br />
mit denen die Mitgliedstaaten<br />
kultur- sowie medienpolitische Ziele im Bereich<br />
des Rundfunks verfolgen. Deshalb müssen die<br />
in der Rahmenrichtlinie vorgesehenen möglichen<br />
Ausnahmen von den Prinzipien der Dienste-<br />
sowie Technologieneutralität konkreter<br />
gefasst und ein breiterer Ansatz für die Verfolgung<br />
von Zielen der audiovisuellen Politik muss<br />
sichergestellt werden.<br />
_ Rundfunkdienste, die Frequenzen in Übereinstimmung<br />
mit dem Genfer Wellenplan von<br />
2006 nutzen, müssen nachhaltig vor störenden<br />
Interferenzen geschützt werden.<br />
_ Notwendig ist außerdem, die Zuständigkeiten<br />
der Kommission sowie der neuen Europäischen<br />
Behörde für Märkte der elektronischen<br />
Kommunikation im Hinblick auf die in mitgliedstaatlicher<br />
Kompetenz liegenden Belange<br />
der Kultur- sowie der audiovisuellen Politik zu<br />
begrenzen.<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />
Die regionale und sprachliche Vielfalt in den<br />
Programmen muss erhalten bleiben. Im Bild:<br />
Das MDR FERNSEHEN zu Gast bei einem<br />
sorbischen Winteraustrieb in Seidenwinkel<br />
Mobile Communication:<br />
Downlink<br />
(Mobilfunk): Uplink Global System for<br />
Global Positioning<br />
System (Satelliten-<br />
navigation)<br />
T-DAB (terrestrisch)<br />
S-DAB (Satellit)<br />
470 – 862 862 – 870 880 – 915 925 – 960 1 227,6 1 452 – 1 479,5 1 479,5 – 1 492<br />
Rundfunk SRD/RFID GSM 900 GSM 900 GPS<br />
L-Band L-Band
Global Positioning<br />
System (Satellitennavigation)<br />
»Orientierung in der digitalen Welt«<br />
vermittelte die <strong>ARD</strong> auf der IFA 2007.<br />
_ Die EU-Kommission sollte keinen Handel<br />
mit Frequenzen und in den Frequenzbereichen<br />
zulassen, die ein Mitgliedstaat Rundfundiensten<br />
zugewiesen hat. Für den Fall, dass dennoch<br />
Frequenzhandel in diesen Bereichen zugelassen<br />
würde, müssten die Mitgliedstaaten Regelungen<br />
treffen können, mit denen sie auch dann noch<br />
Ziele der Kultur- und Medienpolitik, insbesondere<br />
die Sicherung von kultureller Vielfalt und<br />
des Medienpluralismus, verfolgen können.<br />
_ Das so genannte Spectrum Pricing sollte<br />
nicht für Rundfunkveranstalter mit Public-Service-Verpflichtungen<br />
gelten. Aus Sicht der <strong>ARD</strong><br />
müssen die Mitgliedstaaten nach wie vor die<br />
Möglichkeit haben, Regelungen beizubehalten<br />
oder einzuführen, bei denen das Entgelt für die<br />
Nutzung von Frequenzen ersetzt wird durch<br />
eine Programm-Verpflichtung. Das hieße, Rundfunkveranstalter<br />
verpflichteten sich zur Produktion<br />
bestimmter Inhalte oder zur Erfüllung<br />
spezifischer im öffentlichen Interesse liegender<br />
Ziele, etwa zur Sicherstellung regionaler oder<br />
sprachlicher Vielfalt in den Programmen.<br />
Gerade öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern<br />
werden in der Regel individuelle<br />
Frequenznutzungsrechte eingeräumt, weil sie<br />
Adressaten einer weitgehenden Regulierung<br />
sind, die auf bestimmte inhaltliche Verpflichtungen<br />
sowie der Erfüllung von Zielen, die im<br />
allgemeinen Interesse liegen, abstellen. Hierzu<br />
zählen etwa die Berücksichtigung originärer<br />
euro päischer Inhalte, die mit der Richtlinie<br />
Globales Satelliten-<br />
kommunikationssys-<br />
tem: Sprache, Daten<br />
Global System for<br />
Mobile Communication<br />
(Mobilfunk): Uplink<br />
Global System for<br />
Mobile Communication<br />
(Mobilfunk): Downlink<br />
über audiovisuelle Mediendienste und den nationalen<br />
Gesetzgebungen oder Verpflichtungen<br />
zu Investitionen in unabhängige Produktionen<br />
übereinstimmen.<br />
_ Die Mitgliedstaaten müssen wie bisher die<br />
Möglichkeit haben, individuelle Nutzungsrechte<br />
für Frequenzen mit Auflagen und Verpflichtungen<br />
zu verknüpfen, damit bestimmte<br />
Inhalte und Dienste sichergestellt werden. Darüber<br />
hinaus müssen die Besonderheiten des<br />
audiovisuellen Sektors und die Notwendigkeit<br />
eines angemessenen Zeitraums zur Amortisation<br />
bereits getätigter Investitionen – vor allem<br />
im Bereich des Aufbaus der DVB-T-Sendernetze<br />
– bei der Regulierung berücksichtigt werden.<br />
Gerade die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />
haben durch den Ausbau der digitalen<br />
terrestrischen Sendernetze maßgeblich zum<br />
analog-digitalen Umstieg in der Terrestrik beigetragen.<br />
_ Must-Carry-Regeln sollen sicherstellen, dass<br />
die Verbraucher Zugang zu einer großen und<br />
vielfältigen Bandbreite von Radio- und Fernsehkanälen<br />
haben. Die entsprechenden Regelungen<br />
sind daher ein wesentliches Instrument,<br />
durch das die Mitgliedstaaten Medienpluralismus,<br />
kulturelle Vielfalt sowie Verbraucherschutz<br />
gewährleisten können. Sie stellen überdies den<br />
Zugang zu Plattformen Dritter sicher, deren<br />
Betreiber mittlerweile oftmals eigene Inhalte<br />
anbieten.<br />
Gerade der letztere Aspekt gewinnt zunehmend<br />
an Bedeutung. Nach dem vorgesehenen<br />
neuen Wortlaut des Art. 31 URL würde jedoch<br />
in der Konsequenz die Möglichkeit der<br />
Mitgliedstaaten, Betreibern von Plattformen<br />
Übertragungspflichten aufzuerlegen, wesentlich<br />
beschränkt werden. Dann könnten nicht mehr<br />
wie bisher neben Radio- und Fernsehprogrammen<br />
auch zusätzliche Dienste wie elektronische<br />
Programmführer (EPGs) oder Teletextdienste<br />
in die Must-Carry-Verpflichtung aufgenommen<br />
werden. Gerade solche programmbegleitenden<br />
Dienste werden in der digitalen Welt aber immer<br />
wichtiger.<br />
Deshalb haben <strong>ARD</strong>, UER und BBC gefordert,<br />
die Reichweite des Anwendungsbe-<br />
Schnurlose Telefone<br />
Universal Mobile Telecommunications<br />
System,<br />
Time Division Duplex<br />
UMTS: Uplink<br />
1 575,42 1 613,6 – 1 626,5 1 710 – 1 785 1 805 – 1 880 1 880 – 1 900 1 900 – 1 920 1 920 – 1 980<br />
GPS Iridium GSM GSM DECT-Bereich UMTS TDD UMTS-Kernband<br />
Europäische Telekommunikation <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 35
Dienste<br />
MHZ<br />
BAnD<br />
36<br />
reichs für Must-Carry-Verpflichtungen über<br />
die bisherige Begrifflichkeit »television broadcast<br />
channels« hinaus an die Terminologie der<br />
Richtlinie über audiovisuelle Dienste durch<br />
Anknüpfung an den Begriff »audiovisual media<br />
services« anzupassen. Dies würde sicherstellen,<br />
dass die Regelung in Art. 31 URL zukunftsoffen<br />
gestaltet wäre und auch auf neue Plattformen<br />
und Dienste angewendet werden könnte. Die<br />
Mitgliedstaaten könnten damit auch den Zugang<br />
zu linearen und nichtlinearen Diensten<br />
sicherstellen. Neben Zugangsdiensten für Behinderte<br />
würden auch andere Dienste, die im<br />
Interesse bestimmter Gruppen der Gesellschaft<br />
liegen, etwa die Untertitelung für sprachliche<br />
Minderheiten oder Begleitdienste, die an die<br />
Allgemeinheit gerichtet sind – wie Radiotext,<br />
Teletext, Programminformationen, EPGs –, erfasst<br />
werden.<br />
Der Legislativvorschlag sieht auch eine regelmäßige<br />
Überprüfung der Must-Carry-Regeln<br />
nach drei Jahren vor. Diese Zeitspanne ist aber<br />
angesichts der Dauer gesetzgeberischer Verfahren<br />
zu kurz bemessen. Statt des vorgesehenen<br />
dreijährigen Überprüfungszeitraums sollte<br />
daher lediglich eine allgemeine Verpflichtung<br />
der Mitgliedstaaten zu einer regelmäßigen Kontrolle<br />
aufgenommen werden, damit sich die<br />
Mitgliedstaaten bei der zeitlichen Festlegung<br />
an ihren jeweiligen Verhältnissen orientieren<br />
können.<br />
_ Die Position der Bundesländer<br />
Auch die Bundesländer haben anlässlich der<br />
Beratung der Legislativvorschläge im Bundesrat<br />
am 14. 3. 2008 Stellung genommen. Sie reklamieren,<br />
dass die Ausgestaltung der Medienordnung<br />
in der Kompetenz der Länder liegt, was<br />
im gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für elektronische<br />
Kommunikationsnetze und -dienste<br />
abgesichert werden sollte. Die Positionen der<br />
Länder decken sich also weitgehend mit denen<br />
der Rundfunkanbieter. Das gilt insbesondere<br />
für den Aspekt, dass ein reiner Marktansatz bei<br />
der Zuweisung von Rundfunkübertragungskapazitäten<br />
nicht zum Tragen kommen kann.<br />
Dementsprechend muss es auch aus Sicht der<br />
International Mobile<br />
Telecommunications<br />
(Satellit)<br />
UMTS Terrestrial Radio<br />
Access: TDD-Bereich<br />
UMTS: Downlink<br />
Länder klare Ausnahmen für den Rundfunk<br />
bei den Grundsätzen der Technologie- und<br />
Diensteneutralität, beim Frequenzhandel sowie<br />
beim Prinzip der Allgemeingenehmigung geben.<br />
Die Länder fordern ebenfalls, dass weiter<br />
die Mitgliedstaaten über die digitale Dividende<br />
entscheiden sollen. Diese Kompetenz umfasst<br />
nicht zuletzt eine Entwicklungsperspektive für<br />
den digitalen terrestrischen Rundfunk in Richtung<br />
neuer multimedialer Dienste, verbesserter<br />
Empfangs- sowie Bild- und Tonqualität, aber<br />
auch in Richtung HDTV. Der Bundesrat fordert<br />
zusätzlich den Erhalt und die Erweiterung<br />
des Must-Carry-Regimes in Richtung neuer<br />
digitaler Dienste und die Beibehaltung der<br />
mitgliedstaatlichen Entscheidungsprärogative<br />
im Hinblick auf die allgemeinen öffentlichen<br />
Interessen, die mit Must-Carry-Ver pflichtungen<br />
erfüllt werden.<br />
_ Wie geht es weiter?<br />
Am 7. 7. 2008 haben die federführenden Ausschüsse<br />
des Europäischen Parlaments, der Industrieausschuss<br />
sowie der Binnenmarktausschuss,<br />
im Rahmen der ersten Lesung über die Legislativvorschläge<br />
abgestimmt. Die Beratung und<br />
Abstimmung im Parlament ist für den 23. 9.2008<br />
vorgesehen.<br />
Die Beratung und Beschlussfassung im Europäischen<br />
Rat erfolgte durch den Telekommunikationsministerrat<br />
am 12. 6. 2008 auf der Basis<br />
des Fortschrittsberichts der slowenischen Ratspräsidentschaft.<br />
Die Entscheidung mit der Verabschiedung<br />
eines Gemeinsamen Standpunkts<br />
unter französischer Ratspräsidentschaft ist für<br />
den 27. 11. 2008 vorgesehen. Die Abstimmung<br />
zur zweiten Lesung im EU-Parlament in den<br />
federführenden Ausschüssen soll im Dezember<br />
2008 stattfinden; Anfang 2009 erfolgt dann die<br />
abschließende Abstimmung im Parlament. Der<br />
Zeitpunkt für die Beratung und Entscheidung<br />
im Europäischen Rat steht noch nicht fest.<br />
B l u e t o o t h<br />
und WLAN<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />
Eva-Maria Michel,<br />
Justiziarin und<br />
stellvertretende Intendantin des WDR<br />
Breitband WiMAX,<br />
UMTS, Satelliten-TV<br />
und Kommunikation<br />
W L A N<br />
(Wireless Local Area<br />
Network)<br />
1 980 – 2 010 2 010 – 2 025 2 110 – 2 170 2 400– 2 483,5 3 400– 3 600 5 725– 5 875<br />
IMT 2 000 Sat. UTRA TDD UMTS Kernband ISM C-Band für Sat. ISM<br />
Satellitenfernsehen<br />
10 700 – 12 750<br />
KuBand
Solange Hörfunk- und Fernsehprogramme fast<br />
ausschließlich auf klassischem Weg – also analog über<br />
terrestrische Sender – verbreitet wurden, lag die<br />
Pro grammausstrahlung in der Hand der öffentlich-recht-<br />
lichen Rundfunkanstalten selbst oder in der des<br />
damaligen Betreibers der Infrastruktur, der Post.<br />
Ein wenig konfliktträchtiges Kooperationsverhältnis,<br />
zumal die Post als Staatsbetrieb nicht selbst Rundfunk<br />
veranstalten konnte. Mit dem Siegeszug von Kabel<br />
und Satellit seit den 80er Jahren haben sich die Verhält-<br />
nisse gründlich verändert. Und mit der derzeitigen Digi-<br />
talisierung aller Verbreitungswege entsteht ein<br />
völlig neues Spannungsfeld, denn die Betreiber der alten<br />
und neuen Verbreitungs»plattformen« geben sich nicht<br />
mehr mit der Rolle des Transporteurs zufrieden, sondern<br />
konzipieren neue Angebote mit Telefonie, Internet<br />
und Rundfunk, das so genannte Triple Play. Eine Heraus-<br />
forderung für die <strong>ARD</strong>-Anstalten.<br />
Ein neues Spannungsfeld<br />
<strong>ARD</strong>-Programme auf Plattformen Dritter<br />
Von Karola Wille<br />
D<br />
ie Digitalisierung der Rundfunkverbreitungswege<br />
hat neben vielen neuen<br />
Möglichkeiten der Rundfunkdistribution<br />
auch neue Begrifflichkeiten<br />
hervorgebracht. Eine solche ist die »Plattform«.<br />
Umgangssprachlich laut Wikipedia Synonym<br />
für eine ebene, meistens erhöht liegende Fläche,<br />
wurde »Plattform« schnell zu einem der meistgebrauchten<br />
Begriffe im Zusammenhang mit<br />
der Digitalisierung, ohne dass der Gesetzgeber<br />
zugleich eine Konkretisierung vorgenommen<br />
hätte.<br />
Umgangssprachlich hat sich der Begriff des<br />
Plattformbetreibers für Anbieter von Infrastrukturen<br />
für Rundfunk und Telemedien etabliert.<br />
Hintergrund für die neue Begrifflichkeit ist zum<br />
einen das Entstehen neuer digitaler Infrastrukturen,<br />
die für den Transport von Rundfunk,<br />
Telemedien und kommerziellen Angeboten<br />
geeignet sind. Zum anderen führt die Digitalisierung<br />
dazu, dass sich die klassische Trennung<br />
von Inhalteanbietern und Transporteuren mehr<br />
und mehr auflösen kann und neue Akteure in<br />
Erscheinung treten.<br />
_ Aktuelle Entwicklungen in Deutschland<br />
Mit der Digitalisierung traten neben die klassischen<br />
Anbieter von Infrastrukturen zur Rundfunkverbreitung<br />
wie Breitbandkabelnetz- und<br />
Satellitenbetreiber nun IPTV- und WebTV-<br />
Provider sowie Anbieter von mobilen Distributionsplattformen.<br />
Während Versuche des Satellitenbetreibers<br />
SES ASTRA bislang scheiterten, eine eigene<br />
Vermarktungsplattform zu etablieren und sich<br />
vom reinen Transportgeschäft zu lösen, haben<br />
<strong>ARD</strong>-Programme auf Plattformen Dritter <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 37
38<br />
Der nach dem Kabel wichtigste Verbreitungsweg,<br />
der via Satellit, wird in Deutschland von<br />
dem größten internationalen Betreiber, SES<br />
ASTRA, beherrscht. Foto: die Satellitenflotte<br />
die großen Breitbandkabelnetzbetreiber diesen<br />
Schritt bereits vollzogen. Ihre Geschäftsstrategien<br />
setzen heute überwiegend auf das so<br />
genannte Triple Play, das Angebot von Rundfunkinhalten,<br />
breitbandigem Internetzugang<br />
und Telefonie aus einer Hand. Die Einrichtung<br />
eines Rückkanals ermöglicht Interaktion und<br />
damit das Angebot darauf angewiesener Dienste<br />
wie Telefonie, Internet, E-Mail, E-Commerce<br />
etc. Damit geht ein Paradigmenwechsel einher:<br />
Die Unternehmen entwickeln sich zunehmend<br />
vom bloßen Transporteur von Rundfunksignalen<br />
zu Vermarktern und zum Teil auch zu Anbietern<br />
von eigenen und fremden Rundfunkprogrammen.<br />
Der marktbeherrschende Einfluss<br />
auf das eigene Kabelnetz versetzt sie dabei in<br />
eine komfortable Wettbewerbsposition.<br />
Auf der Suche nach neuen Erlösquellen<br />
treten nun auch die Telekommunikationsunternehmen<br />
in den Wettbewerb um die Rundfunkversorgung<br />
der Kunden ein. In den letzten<br />
Jahren hat sich die verfügbare technische Bandbreite<br />
von Telefonleitungen aufgrund neuer<br />
technischer Verfahren wie ADSL2+, VDSL<br />
drastisch erhöht und ermöglicht nun, das klassi-<br />
sche Produktportfolio, Internet und Telefonie,<br />
mit eigenen und fremden Rundfunkinhalten<br />
anzureichern. Auf diese Weise sind die Unternehmen<br />
in der Lage, ebenfalls ein »Triple Play«<br />
am Markt zu etablieren und auf Augenhöhe<br />
mit den etablierten Kabelnetzbetreibern um<br />
den Zugang zu den Kunden zu werben.<br />
Von Interesse ist auch das Angebot von<br />
Zattoo, einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen.<br />
Auf der Basis einer von Zattoo entwickelten<br />
Technologie erfolgen die Verbreitung<br />
von Programmsignalen über das Internet sowie<br />
deren Empfang durch die Endnutzer auf einer<br />
bereitgestellten peer-to-peer-assistierten Empfangssoftware.<br />
Allerdings unterscheidet sich das<br />
Angebot von der traditionellen Rundfunkversorgung<br />
in technischer Hinsicht. So gibt es für<br />
diese Art der Rundfunkverbreitung z. B. derzeit<br />
keine technischen Standards.<br />
Neben der Verbreitung über DSL-Netze gewinnen<br />
mobile Rundfunkangebote, die über<br />
terrestrische Frequenzen verbreitet werden,<br />
ebenfalls an Bedeutung. Zunächst hat die Mobiles<br />
Fernsehen Deutschland GmbH (MFD)<br />
ab Herbst 2006 begonnen, im so genannten<br />
Drei Kabelfirmen – Unitymedia in Hessen<br />
und NRW, Kabel BW in Baden-Württemberg und<br />
Kabel Deutschland in den übrigen Bundesländern<br />
– dominieren den Markt und setzen<br />
auf Triple Play. Digital im Standard DVB-C (Digital<br />
Video Broadcasting – Cable) auf diesen Plattformen:<br />
alle Radio- und TV-Programme der <strong>ARD</strong><br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />
Digital-TV im Standard IPTV (Internet Protocol<br />
TV) über schnelle Telefonleitungen bieten<br />
große Telefonfirmen wie Arcor, Telekom und<br />
Hansenet (Foto). In Pilotprojekten ist auch die<br />
<strong>ARD</strong> präsent: mit ihrem kompletten Fernsehangebot<br />
und fast allen Hörfunkprogrammen.
DMB-Standard bundesweit den terrestrischen<br />
mobilen Empfang von Hörfunk- und Fernsehprogrammen<br />
über Handy im L-Band anzubieten.<br />
Ende April 2008 hat MFD dieses Angebot<br />
eingestellt, da sich die Nutzerzahlen nicht wie<br />
gewünscht entwickelt haben.<br />
Im ersten Quartal 2007 haben die Landesmedienanstalten<br />
terrestrische digitale Übertragungskapazitäten<br />
zur Durchführung eines bundesweiten,<br />
zeitlich befristeten Versuchsprojekts<br />
mit Rundfunkdiensten und Telemedien zur<br />
Nutzung im DVB-H-Standard ausgeschrieben.<br />
Sie haben sich für die medienrechtliche Frequenzzuweisung<br />
an die Mobile 3.0 GmbH entschieden,<br />
ein Konsortium, an dem indirekt u. a.<br />
die Verlage Holtzbrinck und Burda beteiligt<br />
sind und dem bei der Belegung der insgesamt 16<br />
Im Testbetrieb von Mobile 3.0<br />
ist die <strong>ARD</strong> mit ihrem Hauptprogramm<br />
Das Erste vertreten.<br />
zur Verfügung stehenden Programmäquivalente<br />
ein weitreichendes Auswahlermessen eingeräumt<br />
wurde. Mobile 3.0 strahlt das bundesweit<br />
konzipierte Angebot seit dem 1. 6. 2008 in Hannover,<br />
München, Frankfurt und Hamburg aus.<br />
_ Erkennbare Problemlagen<br />
Diese Entwicklung führt zur Aufgabe der klassischen<br />
Rollenverteilung der analogen Welt mit<br />
Inhalteanbietern auf der einen und Inhaltetransporteuren<br />
auf der anderen Seite. Die Plattformbetreiber<br />
treten vielmehr in direkte Konkurrenz<br />
zu den Programmveranstaltern: um die Gunst<br />
und das Mediennutzungsbudget der Zuschauer<br />
und – im Falle von mobilen Plattformen – um<br />
bisher für den Rundfunk vorrangig vorgesehene<br />
Verbreitungskapazitäten (Frequenzen).<br />
Gleichzeitig verfügen sie über eine Verbreitungsinfrastruktur,<br />
auf die die <strong>ARD</strong> angewiesen<br />
ist, will sie ihre Zuschauer weiter erreichen.<br />
Aus dieser Konstellation entsteht ein Missbrauchspotenzial<br />
seitens der Plattformbetreiber<br />
gegenüber den potenziellen Konkurrenten, den<br />
Rundfunkanstalten. In diesem Spannungsfeld<br />
versucht die <strong>ARD</strong>, auf den neuen digitalen<br />
Plattformen einerseits mit ihren Inhalten prä-<br />
sent zu sein und andererseits eine Abhängigkeit<br />
oder gar ein Diktat von Verbreitungs- und Zugangsbedingungen<br />
zu vermeiden.<br />
_ Für eine Beteiligung der <strong>ARD</strong> maßgebliche<br />
Grundsätze<br />
Die <strong>ARD</strong> ist bestrebt, mit ihren gebührenfinanzierten<br />
Angeboten auf allen für die Rundfunk-<br />
verbreitung relevanten Plattformen und Ver-<br />
breitungswegen präsent zu sein. Nachdem sie<br />
neben der terrestrischen und Satellitenverbreitung<br />
die Kabelnetze schon seit langem nutzt,<br />
beteiligt sie sich seit 2006 auch an Tests mit<br />
IPTV-Providern. <strong>ARD</strong> und ZDF haben dazu<br />
gemeinsam Anforderungen definiert, deren Erfüllung<br />
Voraussetzung für ein Engagement auf<br />
solchen Plattformen ist.<br />
Triple Play über schnelle Telefonleitungen<br />
Sie enthalten zum einen Grundsätze, die<br />
für die Verbreitung von <strong>ARD</strong>-Programmen auf<br />
sämtlichen Plattformen Dritter gelten: Dies<br />
sind insbesondere die unverschlüsselte Verbreitung<br />
der Programme sowie die Verwendung<br />
von offenen DVB-Standards. Die von den Gebührenzahlern<br />
finanzierten Angebote müssen<br />
für alle Zuschauer und Zuhörer frei zugänglich<br />
sein. Der Einsatz von Zugangsberechtigungssystemen<br />
– beispielsweise Smartcards, Freischaltungen,<br />
Authentifizierung etc. – ist ebenso<br />
ausgeschlossen wie die Erhebung angebotsbezogener<br />
Entgelte für die Angebote der Rundfunkanstalten.<br />
Ebenfalls großen Wert legt die <strong>ARD</strong><br />
auf die vollständige und unveränderte Verbreitung<br />
ihres Programmbouquets <strong>ARD</strong> Digital<br />
sowie auf eine diskriminierungsfreie Berücksichtigung<br />
in elektronischen Programmführern<br />
(EPG) und Navigatoren.<br />
<strong>ARD</strong>-Programme auf Plattformen Dritter <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 39
40<br />
Zum anderen dienen die Tests dazu, die<br />
Tauglichkeit der neuen Verbreitungsmöglichkeiten<br />
für den Rundfunk zunächst zu untersuchen,<br />
bevor den Hörern und Zuschauern eine Nutzungsempfehlung<br />
gegeben wird. Dabei wird insbesondere<br />
darauf geachtet, dass eine adäquate<br />
Bild- und Tonqualität geboten wird und alle gewohnten<br />
Zusatzdienste des digitalen Fernsehens<br />
– etwa Videotext, Mehrkanalton, Untertitelung<br />
für Hörgeschädigte, Programminformationen –<br />
genutzt werden können. Besonderen Wert legt<br />
die <strong>ARD</strong> deshalb auf für die Rundfunkverbreitung<br />
standardisierte Lösungen.<br />
Auch bei der Beteiligung an mobilen Distributionsplattformen<br />
geht die <strong>ARD</strong> davon aus,<br />
dass die Signale unverschlüsselt und unabhängig<br />
von Dritten zugänglich sein müssen (Freeto-Air-Signalisierung).<br />
Das Kabel ist seit langem der wichtigste Verbreitungsweg<br />
für TV-Programme. Um<br />
Triple-Play-Angebote zu ermöglichen, wird er<br />
derzeit auf digitale Verfahren umgestellt.<br />
_ Ordnungspolitische Weichenstellung<br />
Der Gesetzgeber hat im 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag,<br />
der zum 1. 9. 2008 in Kraft<br />
getreten ist, erstmals eine Definition des »Plattformbetreibers«<br />
vorgenommen. »Plattformbetreiber«<br />
ist (verkürzt), »wer . . . Rundfunk und<br />
vergleichbare Telemedien mit dem Ziel zusammenfasst,<br />
diese als Gesamtangebot zugänglich<br />
zu machen, oder wer über die Auswahl für die<br />
Zusammenfassung entscheidet. Plattformanbieter<br />
ist nicht, wer Rundfunk oder vergleichbare<br />
Telemedien ausschließlich vermarktet.«<br />
»Plattformbetreiber« in diesem Sinne sind<br />
nach diesem Verständnis beispielsweise Kabelnetzbetreiber,<br />
die eigene Programmpakete<br />
schnüren und den Kunden zugänglich machen<br />
(z. B. Kabel Digital, Unity Digital TV, T-Home<br />
etc.). Wohl aber nicht Kabelnetzbetreiber, die<br />
nur Programmpakete zugänglich machen, die<br />
sie nicht selbst zusammengefasst haben, oder<br />
Unternehmen, die zwar selbst Programmpakete<br />
schnüren, aber nicht selbst zugänglich machen<br />
(Premiere beispielsweise).<br />
Aus Sicht der <strong>ARD</strong> ist die gesetzliche Definition<br />
nicht unproblematisch. Es ist von erheblicher<br />
Bedeutung, wer unter den rundfunkrechtlichen<br />
Plattformbetreiberbegriff fällt und welche<br />
Rechtsfolgen sich hieran knüpfen. Denn der<br />
Gesetzgeber hat seine Regulierungsregelungen<br />
daran auszurichten, dass das oben beschriebene<br />
Missbrauchspotenzial zum Schutz der Informations-<br />
und Meinungsfreiheit minimiert wird<br />
und Vielfalt gesichert bleibt. Ob dieser zum Teil<br />
etwas undifferenziert gestaltete Plattformbegriff<br />
ausreicht, muss die Praxis zeigen. Letztlich geht<br />
es auch bei den neuen Plattform-Regelungen<br />
darum, den Anforderungen an die Sicherung<br />
der Meinungsvielfalt und Gewährung publizistischen<br />
Wettbewerbs gerecht zu werden. Dabei<br />
bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber schnell<br />
reagieren wird, weil in diesem sensiblen Bereich<br />
der Rundfunkverbreitung einmal aufgetretene<br />
Fehlentwicklungen nur schwer wieder rückgängig<br />
zu machen sind.<br />
Erfreulich ist die im 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />
erfolgte technologieneutrale<br />
Ausgestaltung von Must-Carry-Verpflichtungen.<br />
Künftig unterliegen sämtliche Plattformbetreiber<br />
(bei einigen Ausnahmeregelungen) im digitalen<br />
Bereich Übertragungspflichten, die der<br />
Vielfaltssicherung auf allen Plattformen dienen.<br />
Eine besondere Bedeutung hat zudem das<br />
Jahr 2011, für das der 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />
eine Evaluierung der Vorschriften<br />
vorschreibt. Ein weiterer wichtiger Meilenstein<br />
für die Rundfunkverbreitung in Deutschland ist<br />
der Regulierungsrahmen der EU-Kommission<br />
für elektronische Kommunikation, der zurzeit<br />
umfassend überarbeitet wird (so genannter TK-<br />
Review; vgl. Eva-Maria Michel: Mehr Markt für<br />
die europäische Telekommunikation?). Von diesem<br />
Regelwerk, mit dessen Verabschiedung auf europäischer<br />
Ebene möglicherweise schon Ostern<br />
2009 gerechnet werden kann, werden weitere<br />
Weichenstellungen in die digitale Zukunft erwartet.<br />
Prof. Dr. Karola Wille,<br />
Juristische Direktorin des MDR<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
Das große medienpolitische Thema in Deutschland<br />
waren im Sommer 2008 – im Vorfeld der Verab<br />
schiedung des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags –<br />
die OnlineAktivitäten von <strong>ARD</strong> und ZDF. Und kaum<br />
ein Einzelprojekt wurde dabei in der interessierten<br />
Presse so sehr angefeindet und kritisiert wie die im Mai<br />
gestartete <strong>ARD</strong> Mediathek.<br />
Statt dem publizistischen Wettbewerb um die besten<br />
Angebote auch online eine Chance zu geben,<br />
setzen die kommerziellen Konkurrenten des öffentlich<br />
rechtlichen Rundfunks – speziell die an einer<br />
Ausweitung ihrer Webangebote Richtung Audio und<br />
Video interessierten Printkonzerne – auf öffentliche<br />
Kampagnen in ihren eigenen Organen und auf die<br />
Beeinflussung der maßgeblichen politischen Instanzen<br />
in Europa und den Bundesländern in ihrem Sinne.<br />
Wunschprogramm zum Mitnehmen<br />
Die <strong>ARD</strong> Mediathek<br />
Von Heidi Schmidt<br />
Z<br />
ur Internationalen Funkausstellung<br />
(IFA) 2007 hat die <strong>ARD</strong> den »Showcase«<br />
ihrer Mediathek präsentiert. Es<br />
wurden zwei Portale vorgestellt, die<br />
<strong>ARD</strong> Mediathek, die alle Inhalte der <strong>ARD</strong> zentral<br />
bündelt, und die DasErste Mediathek, die<br />
Sendungen und Beiträge aus dem Ersten Fernsehprogramm<br />
erschließt. Beide Versionen fußen<br />
auf derselben technischen Plattform.<br />
Der Showcase anlässlich der IFA und die<br />
sich anschließende Befassung der Gremien im<br />
Rahmen eines freiwilligen Drei-Stufen-Tests waren<br />
von einer regen Berichterstattung unserer<br />
kommerziellen Konkurrenz und der Printmedien<br />
begleitet.<br />
Obwohl die <strong>ARD</strong> mit der <strong>ARD</strong> Mediathek/<br />
DasErste Mediathek nur das gemacht hat, was<br />
andere öffentlich-rechtliche Sender wie ZDF,<br />
ARTE und DW auch anbieten, wurde das<br />
Projekt <strong>ARD</strong> Mediathek in besonderer Weise<br />
wahrgenommen und eine teilweise sehr grundsätzliche<br />
Diskussion über die Rolle des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks in der digitalen Medienwelt<br />
quasi exemplarisch an diesem Projekt<br />
geführt. Dabei war diese Berichterstattung und<br />
Kommentierung vielfach von einem grundsätzlichen<br />
Widerspruch in der Argumentation<br />
geprägt. Die <strong>ARD</strong> wurde dafür kritisiert, dass<br />
sie eine Mediathek anbieten will, und gleichzeitig<br />
dafür, dass sie dies später tue als einige andere.<br />
Sie wurde dafür kritisiert, dass sie so viele<br />
Inhalte anbietet, und gleichzeitig dafür, dass<br />
bestimmte Inhalte nicht umfangreicher angeboten<br />
würden. Außerdem bemühten die Kritiker<br />
Mediathek <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 41
42<br />
vielfach – mit Blick auf Brüssel – das nicht zutreffende<br />
Argument, die öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten dürften nur dort tätig werden,<br />
wo der Markt versagt.<br />
Dies geschah vor dem Hintergrund der Beratungen<br />
der Länder zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag,<br />
der die Umsetzung des so genannten<br />
Brüsseler Kompromisses zum Bereich<br />
Telemedien vorsieht. Verbände kommerzieller<br />
Medien in Deutschland versuchten seit Mitte<br />
des Jahres 2007 intensiv dafür zu sorgen, dass<br />
den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />
im Internet engere Grenzen gesetzt werden (vgl.<br />
Rundfunkpolitik 2007).<br />
_ <strong>ARD</strong> Mediathek: Vielfalt auf einen Blick<br />
Wenn Sie sich darüber informieren wollen, wie<br />
unsere Wahrnehmung funktioniert, warum wir<br />
uns auf bestimmte Dinge konzentrieren und<br />
uns andere entgehen, dann können Sie dies<br />
zum Beispiel in der Fernsehsendung »Quarks<br />
& Co« »Wie man sich täuschen kann« tun, die<br />
zuerst am 1. 4. 2007 im WDR Fernsehen lief.<br />
Für Zuschauer, die die Sendung verpasst haben<br />
oder kein WDR Fernsehen empfangen können,<br />
existiert eine Lösung: »Quarks & Co« gibt es<br />
zum Mitnehmen. Sie können die Sendungen<br />
direkt über die Sendungsseite oder die <strong>ARD</strong><br />
Mediathek abrufen (Screenshot unten) und dort<br />
»Quarks & Co« als Videopodcast abonnieren.<br />
Die <strong>ARD</strong> Mediathek sammelt die online<br />
verfügbaren Wissenssendungen der <strong>ARD</strong>. Dies<br />
ist ein thematischer Schwerpunkt. Insgesamt<br />
spiegelt die <strong>ARD</strong> Mediathek die Vielfalt der<br />
Fernseh- und Hörfunkprogramme der <strong>ARD</strong>, sie<br />
bietet Information, Bildung und Unterhaltung.<br />
Das Spektrum der Angebote reicht von der »Tagesschau«<br />
über die Podcasts der Hörfunkwellen<br />
bis zu den Sachgeschichten aus »Die Sendung<br />
mit der Maus«. Der Fokus des Gesamtangebots<br />
liegt auf dem Bereich Information. Alle Inhalte<br />
sind über Kategorien erfasst und können nach<br />
Stichwörtern recherchiert werden. Wer sich für<br />
bestimmte Themen interessiert, hat die Möglichkeit,<br />
an einer zentralen Stelle <strong>ARD</strong>-weit die<br />
Abrufinhalte zu durchsuchen. So genannte Tag<br />
Clouds helfen dabei.<br />
_ Ein virtuelles Portal<br />
Die <strong>ARD</strong> Mediathek unterscheidet sich unter<br />
zwei Gesichtspunkten von den Portalen der<br />
Konkurrenten der <strong>ARD</strong>. Zum einen ist sie bimedial,<br />
sie erschließt sowohl Sendungen und<br />
Beiträge des Fernsehens als auch des Hörfunks.<br />
Zum zweiten ist sie ein virtuelles Portal.<br />
Dies bedeutet, dass die <strong>ARD</strong> Mediathek<br />
Inhalte aus den Mediatheken und On-demand-<br />
Seiten der Rundfunkanstalten und der <strong>ARD</strong>-<br />
Gemeinschaftseinrichtungen sammelt und<br />
zu diesen einen weiteren, zentralen Zugang<br />
schafft. Dabei verbleiben die Audios und Videos<br />
physisch auf den Servern und Serverparks<br />
der Partner. Die <strong>ARD</strong> Mediathek nutzt nur die<br />
Metadaten, also die beschreibenden Daten, die<br />
jeder Sendung bzw. jedem Beitrag mitgegeben<br />
werden.<br />
Die <strong>ARD</strong> Mediathek ist also dezentral aufgebaut.<br />
Sie nutzt synergetisch die redaktionelle<br />
und technische Leistung der Bereitstellung der<br />
Abrufinhalte bei den Rundfunkanstalten und<br />
Gemeinschaftseinrichtungen. Redakteure in den<br />
Programmdirektionen dort entscheiden, welche<br />
Inhalte sie über die <strong>ARD</strong> Mediathek zugänglich<br />
machen wollen. Dafür gibt es verschiedene<br />
technische Anbindungen. Werden die Inhalte<br />
dann wieder aus den Seiten der Landesrundfunkanstalten<br />
herausgenommen, verschwinden<br />
sie auch aus der <strong>ARD</strong> Mediathek. Ein kleines<br />
Team aus drei Redakteurinnen und Redakteuren<br />
bei <strong>ARD</strong>.de in Mainz gestaltet redaktionell die<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
Homepage der <strong>ARD</strong> Mediathek und die Radio-<br />
und TV-Übersichtsseiten. Es sucht die Highlights<br />
aus, stellt Themen des Tages zusammen,<br />
weist auf besondere Reihen hin.<br />
Die <strong>ARD</strong> Mediathek ist eng verwoben mit<br />
den jeweiligen programmbezogenen Angeboten<br />
oder Sendungsseiten. In der Regel sind die Audios,<br />
Videos und Podcasts in die jeweiligen Sendungsseiten<br />
eingebettet. Ruft man diese Inhalte<br />
über die <strong>ARD</strong> Mediathek auf, so gibt es von<br />
dort immer einen Link zu dieser Heimatseite<br />
der Inhalte.<br />
Über die <strong>ARD</strong> Mediathek und DasErste<br />
Mediathek werden auch die Livestreams aller<br />
Radio programme und die live gestreamten<br />
Fernsehsendungen und Events des Ersten angeboten.<br />
_ Zwei Zugänge – eine Anwendung<br />
Mit dem Angebot von zwei Ausspielwegen –<br />
<strong>ARD</strong> Mediathek und DasErste Mediathek – will<br />
die <strong>ARD</strong> den unterschiedlichen Bedürfnissen<br />
der Nutzer gerecht werden. Wer sich für alle<br />
Online-Inhalte der <strong>ARD</strong> interessiert, findet<br />
diese in der <strong>ARD</strong> Mediathek, wer insbesondere<br />
die Sendungen des Ersten nachschauen möchte,<br />
kann dies gezielt bei der DasErste Mediathek<br />
tun. Dort gibt es zusätzliche Navigationselemente<br />
wie den Programmkalender (Screenshot<br />
unten).<br />
Zum Start der DasErste Mediathek waren<br />
Clips aus rund 50 regelmäßigen Sendungen des<br />
Ersten abrufbar. Neben der Eins-zu-eins-Darstellung<br />
von Beiträgen bietet diese Mediathek<br />
auch Videos, die in unmittelbarem Zusammenhang<br />
mit dem <strong>ARD</strong>-Gemeinschaftsprogramm<br />
stehen: Trailer, Interviews mit Protagonisten,<br />
Zusammenfassungen oder Langfassungen von<br />
Beiträgen, Hintergrundberichte zu Sendungen<br />
oder produzierte Beiträge, die wieder aus dem<br />
Programm gefallen sind. <strong>ARD</strong> Mediathek und<br />
DasErste Mediathek nutzen dieselbe technische<br />
Plattform. Sie bieten quasi zwei Zugänge zu<br />
einem Portal. Dieses Konzept einer synergetischen<br />
technischen Plattform wurde unter der<br />
Federführung der <strong>ARD</strong>.de in Mainz beim SWR<br />
entwickelt. Weitere Partner in der <strong>ARD</strong> können<br />
daran partizipieren und diese Plattform nutzen.<br />
Sie verknüpft die bestehenden Mediatheken der<br />
Landesrundfunkanstalten und der DW, indem<br />
gemeinsame technische Standards und inhaltliche<br />
Leitfäden für die Kennzeichnung der Inhalte<br />
verwendet werden.<br />
_ Die drei Stufen<br />
Als federführender Sender hatte sich der SWR<br />
im September 2007 entschieden, freiwillig für<br />
die <strong>ARD</strong> Mediathek einen so genannten Drei-<br />
Stufen-Test durchzuführen. Dieser Test stellt<br />
in Zukunft das Genehmigungsverfahren für<br />
neue oder wesentlich veränderte Angebote<br />
im Bereich der Telemedien dar. Der SWR<br />
hat den Test mit Blick auf den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />
gemacht, obwohl es sich<br />
bei der <strong>ARD</strong> Mediathek nicht um ein neues<br />
oder wesentlich verändertes Digitalangebot handelt.<br />
Denn die <strong>ARD</strong> Mediathek ist eine Weiterentwicklung<br />
im Zuge des technischen Fortschritts<br />
auf der bereits bestehenden Plattform<br />
<strong>ARD</strong>.de. In einem Telemedienkonzept wurde<br />
für den Rundfunkrat des SWR dargelegt, wie<br />
das Konzept der <strong>ARD</strong> Mediathek aussieht und<br />
welche Kosten dieses Weiterentwicklungsprojekt<br />
verursacht. Außerdem wurden die Fragen nach<br />
Mediathek <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 43
44<br />
Selbstverständlich verbunden: DasErste<br />
Mediathek und tagesschau.de<br />
dem qualitativen Beitrag zum publizistischen<br />
Wettbewerb und zur Meinungsbildung beantwortet.<br />
Dieses sind Kernfragen des Tests, der ab Mai<br />
2009 obligatorisch werden soll. Dem Konzept<br />
stimmte der federführende Rundfunkrat des<br />
SWR zu. Danach schlossen sich Beratungen<br />
in den Rundfunkräten der Landesrundfunkanstalten,<br />
im Programmbeirat Erstes Deutsches<br />
Fernsehen und in der Gremienvorsitzendenkonferenz<br />
der <strong>ARD</strong> an. Erst nach Abschluss dieser<br />
Beratungen wurde die Umsetzung der <strong>ARD</strong><br />
Mediathek weiter vorangetrieben – bis zum<br />
Start im Mai 2008.<br />
Diesen Test haben einige Verbände der kommerziellen<br />
Wettbewerber der <strong>ARD</strong> als nicht<br />
ausreichend kritisiert. Bei dieser Kritik wurde<br />
unter anderem übersehen, dass der Test freiwillig<br />
stattfand, da der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />
erst ab Mai 2009 gelten wird, und<br />
dass es im September 2007 im Entwurf des Gesetzestextes<br />
noch keine fertiggestellte Formulierung<br />
als Grundlage gab. Berücksichtigt wurden<br />
bei dieser probeweisen Durchführung des Tests<br />
auch die Einwendungen Dritter in Form einer<br />
Auswertung der veröffentlichten Kritik an diesem<br />
Projekt der <strong>ARD</strong>.<br />
_ Teilhabe an der Informationsgesellschaft<br />
Die Sender, man kann auch sagen die Anbieter<br />
von Massenkommunikation, reagieren mit den<br />
Mediatheken auf ein verändertes Nutzerverhalten.<br />
Können Inhalte unabhängig von einem<br />
fixen Ausstrahlungstermin verfügbar gemacht<br />
werden, so wird dies von den Nutzern auch als<br />
Service erwartet. Diese Erwartung gibt es unabhängig<br />
von der Tatsache, dass die Mehrzahl der<br />
Zuschauer und Hörer weiter die klassischen Verbreitungswege<br />
der Programme nutzt. Verfolgt<br />
man die Entwicklung der Nutzung multimedialer<br />
Inhalte anhand der <strong>ARD</strong>/ZDF-Online-Stu-<br />
dien, so sieht man, dass die zeitsouveräne Nutzung<br />
audiovisueller Inhalte stetig ansteigt und<br />
das Internet bei den Jungen den klassischen<br />
Medien den Rang abgelaufen hat bzw. gerade<br />
dabei ist. Daraus folgt, dass der öffentlich-rechtliche<br />
Rundfunk in Zukunft nur noch dann<br />
alle Publika erreichen kann, wenn er seine Programme<br />
linear und nicht-linear anbieten kann.<br />
Nach dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />
haben die Onlineangebote der öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunkanstalten die Aufgabe,<br />
allen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe an der<br />
Informationsgesellschaft zu ermöglichen, Orientierungshilfe<br />
zu bieten sowie die technische<br />
und inhaltliche Medienkompetenz aller Generationen<br />
und von Minderheiten zu fördern.<br />
Das kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk<br />
nur leisten, wenn er eine angemessene Teilhabe<br />
an der digitalen Entwicklung hat, wenn er die<br />
Möglichkeit hat, weiterhin auch im Internet<br />
Rundfunk zu machen.<br />
_ Vernetzte Massenkommunikation<br />
Die Teilhabe aller an der Informationsgesellschaft<br />
zu ermöglichen, ist in Zeiten des Umbruchs<br />
eine anspruchsvolle Aufgabe. Denn<br />
Massenkommunikation hat sich verändert. Mit<br />
Die »Tag Clouds« links, Stichwörter zu den<br />
Audio- und Videoclips, erleichtern die Suche.<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
Übersichtlich gegliedert: Die Einstiegsseite<br />
von DasErste Mediathek<br />
dem Internet als universeller Plattform, die alle<br />
Medien abbilden kann, die weltweit vernetzt<br />
ist und die Massenkommunikation direkt mit<br />
Individualkommunikation verbindet, verfügen<br />
wir plötzlich über ein bisher nicht gekanntes<br />
Maß an neuen Möglichkeiten der Kommunikation<br />
und Information. Niklas Luhmann stellt in<br />
»Die Gesellschaft der Gesellschaft« die Theorie<br />
auf, dass die bisherige gesellschaftliche Struktur<br />
und Kultur zunächst nicht ausreichen, um mit<br />
diesen Möglichkeiten eines neuen Verbreitungsmediums<br />
umzugehen.<br />
In Erweiterung der klassischen Massenkommunikation<br />
haben wir in der vernetzten<br />
Massenkommunikation eine potenziell unbegrenzte<br />
Anzahl von Akteuren, es gibt einen<br />
integrierten Rückkanal, eine Vernetzung der<br />
Medien, die Beteiligung von Nicht-Experten<br />
und Non-Linearität, den Zugang zu Inhalten<br />
über Plattformen und Suchmaschinen. Das Internetprotokoll<br />
(TCP/IP) erobert immer mehr<br />
Verbreitungsplattformen, es gibt gemeinsame<br />
Softwareentwicklung im Internet, gemeinsame<br />
Autorenschaft nach dem Wiki-Prinzip und neue<br />
Konzepte von Urheberschaft. Dies sind heute<br />
bestimmende Faktoren bei der Entwicklung<br />
von Massenkommunikation.<br />
_ Sieben Tage und Flexibilität<br />
Mit den Mediatheken reagieren die Rundfunkanstalten<br />
und andere Kommunikationsunternehmen<br />
auch auf die sich verändernde Massenkommunikation.<br />
Die Anbieter von »Content«<br />
machten zudem die Erfahrung, dass ihre Inhalte<br />
plötzlich in den unterschiedlichsten Portalen<br />
erscheinen: Sie werden von Fans dort eingestellt<br />
oder einfach kopiert. Die Konzepte der<br />
Suchmaschinen und Onlineportale orientieren<br />
sich an der thematischen Erschließung dieser<br />
Inhalte; die Konzepte von Rundfunkanbietern<br />
setzen häufig am Ausstrahlungsdatum an.<br />
Am bekanntesten ist das Modell des Seven-<br />
Day-Catch-up oder Sieben-Tage-Abrufs. Dieses<br />
Modell setzt an am kulturell gelernten Prinzip<br />
der Sieben-Tage-Fernsehwoche und gibt den<br />
Nutzern die Möglichkeit, Sendungen innerhalb<br />
von sieben Tagen nach der Ausstrahlung als<br />
Abrufangebot oder als Download zu nutzen.<br />
Populär geworden ist dieses Modell vor allem<br />
durch den iPlayer der BBC (vgl. <strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong><br />
07, S. 210; Screenshot unten). Allerdings lässt der<br />
iPlayer, der sehr erfolgreich ist und jeden Abend<br />
in den Programmen der BBC beworben wird,<br />
innerhalb von sieben Tagen einen Download<br />
zu, der dann nicht nur sieben, sondern maximal<br />
44 Tage genutzt werden kann. Darüber<br />
hinaus kann die BBC News und so genannte<br />
originäre Online-Inhalte unabhängig von dieser<br />
Frist anbieten. ARTE bietet arteplus7 an.<br />
Die <strong>ARD</strong> hat sich darauf verständigt, dass<br />
der Sieben-Tage-Abruf Kernbestandteil ihres<br />
Konzepts zur Verweildauer von Abrufinhalten<br />
im Netz ist. Allerdings ist es aus redaktionellen<br />
Gründen erforderlich, diese Frist für bestimmte<br />
Inhaltekategorien zu überschreiten. Deshalb<br />
hat die <strong>ARD</strong> ein differenziertes Konzept zur<br />
Verweildauer von Informations-, Kultur-, Wissens-<br />
und Unterhaltungssendungen erarbeitet.<br />
Es sieht unter anderem vor, dass Nachrichten,<br />
Magazine und Dokumentationen ein Jahr und<br />
nachhaltige Inhalte, Bildung beispielsweise,<br />
auch länger vorgehalten werden können. Dies<br />
soll zum einen gewährleisten, dass weiterhin<br />
eine Hintergrundberichterstattung möglich ist,<br />
Mediathek <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 45
46<br />
die bei einer Entfernung der Videos und Audios<br />
nach sieben Tagen nicht mehr gewährleistet<br />
wäre. Zum anderen soll damit sichergestellt werden,<br />
dass den Rundfunkteilnehmern Bildungsinhalte<br />
so lange zur Verfügung stehen, wie sie<br />
daraus einen Nutzen ziehen können.<br />
Ob eine Sendung zum Nachhören oder<br />
Nachschauen angeboten wird und wie lange,<br />
dahinter liegt immer eine redaktionelle Entscheidung.<br />
Ob ein Video in die Mediathek<br />
eingestellt wird, hängt auch von der rechtlichen<br />
Situation ab. Die Problematik, die sich aus der<br />
notwendigen Berücksichtigung der Rechte Dritter<br />
ergibt, erschwert in vielen Fällen das Einstellen<br />
in die Mediathek.<br />
Die Inhalte haben ein unterschiedliches redaktionelles<br />
Verfallsdatum. Manche Beiträge<br />
über Benzinpreise sind möglicherweise am<br />
nächsten Tag schon vom nächsten Preisanstieg<br />
überholt. Andere Sendungen haben noch lange<br />
Zeit Wissenswert, wie das Beispiel »Quarks &<br />
Co« zeigt. Spezielle Wissensinhalte können im<br />
Internet über eine längere Dauer ihr Publikum<br />
finden und versammeln dabei manchmal mehr<br />
Nutzer als bei der einmaligen linearen Ausstrahlung.<br />
Dieser Long-Tail-Effekt ist insbesondere<br />
bei Bildungsinhalten zu beobachten. Deshalb<br />
wäre es kontraproduktiv, für alle Inhalte dieselbe<br />
Verweildauer – zum Beispiel sieben Tage<br />
– gesetzlich festzulegen. Damit würde der Nutzen<br />
für die Rundfunkteilnehmer, die für die<br />
Erstellung der Inhalte Gebühren bezahlt haben,<br />
deutlich verringert.<br />
Beiträge wie der des »Weltspiegels« über<br />
die PR-Maschinerie des Dalai Lama bleiben<br />
über Monate hinweg aktuell<br />
_ Der Wert der Informationen<br />
Die erwähnte Sendung »Wie man sich täuschen<br />
kann« ist ein Beispiel dafür. Sie stammt aus<br />
dem Frühjahr 2007, wurde in 2008 wiederholt<br />
und wäre längst dem Zugriff der Gebührenzahler<br />
entzogen, wenn es der <strong>ARD</strong> nur erlaubt<br />
wäre, Inhalte sieben Tage vorzuhalten. Das<br />
wäre schade, denn man kann dort anhand frappierender<br />
Tests sehen, dass man – lenkt man<br />
die Aufmerksamkeit von Probanden auf einen<br />
bestimmten Gegenstand – nicht einmal mehr<br />
das sieht, was man direkt vor der Nase hat. Es<br />
findet eine Selektion statt, eine bestimmte Information<br />
wird wahrgenommen, eine andere<br />
nicht.<br />
Das passiert in der direkten zwischenmenschlichen<br />
Kommunikation. Um wie viel<br />
schwieriger ist es, den Wert von Informationen<br />
in den überschießenden Kommunikationsmöglichkeiten<br />
des Internetzeitalters zu bewerten?<br />
Niklas Luhmann beschreibt in »Die Gesellschaft<br />
der Gesellschaft«, dass die moderne<br />
Computertechnologie die Autorität der Experten<br />
angreift. »Die Art und Weise, wie Wissen in<br />
den Computer kommt, lässt sich zwar schwer<br />
überprüfen. Sie lässt sich aber jedenfalls nicht<br />
in Autorität ummünzen. Das ändert natürlich<br />
nichts daran, dass jeder, der sich in der einen<br />
oder anderen Weise auf Kommunikationen verlässt,<br />
auf Vertrauen angewiesen bleibt. Nur lässt<br />
sich dieses Vertrauen im Zeitalter der elektro-<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
nischen Datenverarbeitung nicht mehr personalisieren,<br />
also auch nicht mehr in sozialen Status<br />
umsetzen; es ist nur noch Systemvertrauen.«<br />
Es wird zunehmend schwieriger, Informationen<br />
und Kommunikation zu selektieren<br />
und zu bewerten. Das Suchergebnis in Google<br />
ignoriert Expertentum und Wert von Inhalten.<br />
Die Portale und Mediatheken der öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunkanstalten unterscheiden<br />
sich davon. Sie sind werbefrei, sie bieten umfassende<br />
Information, thematische Vielfalt von<br />
selbst produzierten Programmen, Transparenz<br />
der Informationsumgebung und Verständlichkeit.<br />
Sie bilden im kommerzialisierten Umfeld<br />
des World Wide Web nicht-kommerzielle Inhaltepools.<br />
_ Public Value und publizistischer Wettbewerb<br />
Das, was in der <strong>ARD</strong> Mediathek zu finden<br />
ist, gibt es in dieser Vielfalt und Mischung in<br />
keinem Angebot eines kommerziellen Konkurrenten.<br />
Das häufig bemühte Argument der Lobbyisten<br />
einiger kommerzieller Anbieter, man<br />
brauche die <strong>ARD</strong> im Internet nicht, es bestünden<br />
genügend publizistischer Wettbewerb und<br />
Vielfalt, trifft nicht zu. Das Gegenteil ist der<br />
Fall: Erst die öffentlich-rechtlichen Angebote<br />
garantieren eine publizistische Vielfalt im Netz.<br />
Würde es im Sinne der Argumentation einiger<br />
Lobbyisten aus der Gruppe derer, die zum Beispiel<br />
gerade mit Millionenbeträgen in kommerzielle<br />
Portale im Internet investieren, dem öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk untersagt, seine<br />
bereits produzierten und linear gesendeten Inhalte<br />
dem Nutzer zur zeitsouveränen Nutzung<br />
in einer <strong>ARD</strong> Mediathek zur Verfügung zu stellen,<br />
hieße dies, publizistischen Wettbewerb zu<br />
unterdrücken, um Kommerz zu fördern.<br />
Ein kurzer Blick in die <strong>ARD</strong> Mediathek<br />
und die teilweise kostenpflichtigen Audio- und<br />
Video-Abrufportale kommerzieller Medienkonzerne<br />
zeigt, wie stark die Unterschiede sind. Bei<br />
einigen sieht es so aus, dass man Nachrichtenangebote<br />
vergebens sucht, Kulturberichterstattung<br />
gar nicht stattfindet und Hintergrundberichterstattung<br />
unbekannt oder höchstens in<br />
Spurenelementen vorhanden ist. Die <strong>ARD</strong> Mediathek<br />
gewährleistet dagegen, dass qualitativ<br />
hochwertige Sendungen auch längerfristig über<br />
das Internet unverändert, unverschlüsselt und<br />
ohne Zusatzkosten zum Rundfunkteilnehmer<br />
gelangen können. Damit wird die Teilhabe an<br />
diesen Inhalten für viele Bevölkerungsgruppen<br />
Einstieg in ein breites Angebot: die Startseite<br />
der <strong>ARD</strong> Mediathek<br />
verbessert, die zum Beispiel zum Zeitpunkt der<br />
linearen Ausstrahlung in Erwerbs- und Familienarbeit<br />
sind.<br />
Die Mediatheken sind ein Kernbaustein<br />
eines modernen digitalen Programmangebots<br />
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. In Zukunft<br />
werden immer mehr Menschen darauf<br />
angewiesen sein, über Informationen zeit- und<br />
ortsunabhängig zu verfügen und diese Informationen<br />
in kurzer Zeit selektieren zu müssen.<br />
Die <strong>ARD</strong> Mediathek kann dazu das passende<br />
digitale Rundfunkangebot machen und sich in<br />
Zukunft noch stärker auf die neuen Kommunikationsbedürfnisse<br />
einstellen.<br />
In der <strong>ARD</strong> Mediathek kann man gezielt<br />
nach Themen suchen, man kann darin stöbern,<br />
man kann sich damit informieren, unterhalten<br />
und bilden. Zum Beispiel lernen, wie leicht<br />
man sich täuschen lässt. Unter Umständen ist<br />
das ein sehr nützliches Wissen, nicht nur für<br />
die Schule oder den Alltag, sondern auch dafür,<br />
in der sehr regen Diskussion über die Entwicklung<br />
der digitalen Medien den klaren Blick zu<br />
behalten.<br />
Heidi Schmidt,<br />
Online-Koordinatorin der <strong>ARD</strong><br />
beim SWR in Mainz<br />
Mediathek <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 47
48<br />
Ständig steigende Qualität<br />
Digitales Fernsehen auf dem Weg zu hochaufgelösten Bildern<br />
Von Michael Spading und Dirk Lüdemann<br />
Die ersten Stufen der Qualitätsverbesserung sind deut-<br />
lich erkennbar. Wer heute digital fernsieht über Kabel,<br />
Satellit oder Antenne – und das sind schon mehr als<br />
17 Mio TV-Haushalte –, erhält schärfere Bilder, einen<br />
besseren Ton und überwiegend das neue Breitbildformat<br />
16 : 9. Je besser sein Empfänger und sein Bildschirm sind,<br />
desto klarer ist der technische Fortschritt zu erkennen.<br />
Doch auch wenn die <strong>ARD</strong> inzwischen ihre Qualitäts-<br />
offensive für das Standard Defi nition TV (SDTV) erfolg-<br />
reich abgeschlossen hat: Es geht noch besser – mit<br />
digitalem High Defi nition TV (HDTV). Diese nächste<br />
Stufe der Qualitätsverbesserung soll 2010 erklommen<br />
werden. Der Weg dahin ist inzwischen vorgezeichnet,<br />
und erste »Showcases« haben den Zuschauern einen<br />
Vorgeschmack gegeben, was mit HDTV möglich ist.<br />
Für <strong>ARD</strong> und ZDF dienen diese Probeläufe dazu, die neue<br />
Technik umfassend zu erproben und erst einzuführen,<br />
wenn alle Ansprüche erfüllt werden können.<br />
M<br />
it der Digitalisierung der Fernsehsignale<br />
seit Mitte der 90er Jahre<br />
haben sich auf der Produktions-<br />
und Ausstrahlungs- wie<br />
auf der<br />
Empfangsseite bereits grundsätzliche Änderungen<br />
ergeben, ohne dass sich die bisher aus dem<br />
analogen Fernsehen bekannte Bildaufl ösung<br />
von 720 x 576 Bildpunkten verändert hat.<br />
Für den Zuschauer fand durch die digitale<br />
und damit störungsärmere Signalverarbeitung<br />
generell eine Optimierung der Bild-/Tonqualität<br />
auf Basis des bisherigen TV-Formats statt, das<br />
auch als Standard Defi nition TV (SDTV) bezeichnet<br />
wird. Bei diesem Verfahren erfolgt die<br />
Signalverarbeitung und Abbildung auf den analogen<br />
Röhrenfernsehgeräten in Form von zwei<br />
aufeinanderfolgenden, getrennten Halbbildern<br />
mit je 25 Hz.<br />
Dieses »Zeilensprung-« oder »Halbbildverfahren«<br />
(Englisch: interlace) wurde im Zusammenhang<br />
mit der Entwicklung des analogen<br />
Fernsehens eingeführt, um die Bildaufl ösung<br />
zu verbessern und gleichzeitig die notwendige<br />
Übertragungsbandbreite zu minimieren. Dabei<br />
wird durch die abwechselnde Übertragung<br />
von Bildern mit jeweils der halben Aufl ösung<br />
– erstes Halbbild alle ungeraden, zweites Halbbild<br />
alle geraden Zeilen mit je 25 Hz – im Zusammenspiel<br />
mit dem Nachleuchteffekt von<br />
Bildröhren und der Trägheit des Auges eine<br />
höhere Aufl ösung als vorhanden vermittelt. Die<br />
Bewegungsinformation mit 2 x 25 Bildern pro<br />
Sekunde beträgt 50 Hz. Obwohl nur Informationen<br />
für 25 Vollbilder pro Sekunde übertragen<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
werden, gelingt so eine nahezu ruckelfreie Darstellung.<br />
Der Erfolg dieses Verfahrens ist allerdings<br />
eng mit den physikalischen Eigenschaften<br />
von Bildröhren verbunden.<br />
Werden keine Bildröhren zur Anzeige verwendet,<br />
sondern moderne Flachdisplays, die<br />
grundsätzlich nur Vollbilder darstellen, müssen<br />
die Halbbilder entsprechend in Vollbilder gewandelt<br />
werden. Dieser Prozess wird De-Inter-<br />
lacing genannt und ist aufwändig, da bei bewegten<br />
Sequenzen prinzipbedingt ein Versatz<br />
zwischen den Zeilen der aufeinanderfolgenden<br />
Halbbilder besteht, woraus sich »Kammeffekte«<br />
und Unschärfen ergeben. Das eingesetzte<br />
Bildverarbeitungsverfahren (Processing) in den<br />
Displays hat hier wesentlichen Einfluss auf die<br />
letztendliche Bildqualität, mehr als die angegebene<br />
Auflösung. Ein Beispiel hierfür zeigen die<br />
unten stehenden Bilder aus einer Testreihe der<br />
Europäischen Rundfunkunion (UER/EBU).<br />
Neben der Qualitätsverbesserung der Sendesignale<br />
wurde es im Rahmen der Digitalisierung<br />
auch möglich, mehr Programme und Tonvarianten<br />
zu übertragen. Basis dafür ist die effizientere<br />
Komprimierbarkeit digitaler Signale, die eine<br />
sehr viel bessere Ausnutzung der Übertragungsbandbreite<br />
ermöglicht, so dass ein herkömmlicher<br />
analoger Übertragungskanal nunmehr<br />
für eine Vielzahl von Programmen im SDTV-<br />
Format nutzbar ist. Dadurch vervielfachte sich<br />
auf nationaler und internationaler Ebene die<br />
Anzahl der Fernsehangebote.<br />
Um eine bessere Orientierung in der Menge<br />
der Angebote zu ermöglichen, wurden zusammen<br />
mit dem digitalen TV so genannte DVB-<br />
Service-Informationen (DVB-SI) eingeführt, die<br />
eine Beschreibung aller Sendungen inklusive<br />
Vorschau bieten. Damit können Navigatoren<br />
Links: interlaced (Zeilensprung/Halbbildverfahren),<br />
rechts progressive (Vollbildverfahren)<br />
und Zusatzdienste wie elektronische Programmführer<br />
(Electronic Programm Guide – EPG) in<br />
den Endgeräten realisiert werden. Die digitale<br />
Verbreitung ermöglicht zudem die Bildung von<br />
Senderfamilien, indem zusammengehörige Angebote<br />
der Programmveranstalter in Bouquets<br />
»gebündelt« werden – eine Funktion, die zukünftig<br />
immer mehr an Bedeutung gewinnen<br />
wird.<br />
Die Möglichkeiten aktueller TV-Displays führt<br />
die <strong>ARD</strong> in ihrem mobilen digitalen Wohnzimmer<br />
vor, hier in einer Version für das Sendegebiet<br />
des NDR.<br />
Um alle bisher genannten Vorteile des digitalen<br />
Fernsehens –<br />
_ bessere Bildqualität,<br />
_ zusätzliche Tonvarianten inklusive Mehrkanalton,<br />
_ mehr Programme/Programmvielfalt,<br />
_ bessere Programminformation/Navigation<br />
und Zusatzdienste –<br />
nutzen zu können, benötigt der Zuschauer pro<br />
Fernseher/Display ein internes oder externes<br />
Zusatzempfangsgerät (Set-Top-Box). Solche Geräte<br />
gibt es nach dem »Digitalisierungsbericht<br />
2008« der Landesmedienanstalten inzwischen in<br />
fast 17,5 Mio TV-Haushalten, was derzeit – Mitte<br />
2008 – einem Digitalisierungsgrad von 46,7 Pro-<br />
zent entspricht. Fast alle seit Beginn der Digitalisierung<br />
verkauften Geräte, darunter mehr<br />
als neun Mio DVB-T-Empfänger, sind nur für<br />
das anfangs beschriebene SDTV-Fernsehformat<br />
ausgelegt.<br />
Mit Bezug auf die Bildauflösung und das<br />
Zeilensprung-/Halbbildverfahren wird dieses<br />
Format auch als 720 x 576/i25 bezeichnet. Es soll<br />
bis etwa 2018/2020 genutzt werden, bevor die<br />
HDTV <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 49
50<br />
vollständige, fl ächendeckende Ablösung durch<br />
ein Nachfolgeformat mit höherer Aufl ösung<br />
(High Defi nition TV – HDTV) erfolgen kann.<br />
Ein wesentlicher Schritt in der Vorbereitung des<br />
neuen Formats war die in 2007 erfolgte Umstellung<br />
vom bisherigen Bildseitenverhältnis<br />
4 : 3 auf 16 : 9, da dieses bereits den zukünftigen<br />
Fernseh- und Displayformaten entspricht.<br />
_ Die <strong>ARD</strong>-Qualitätsoffensive – optimales SDTV<br />
für alle und sofort<br />
Im Zusammenhang mit der steigenden Anzahl<br />
der digitalen Empfangsgeräte und vor dem Hintergrund,<br />
dass seinerzeit die Initiative Digitaler<br />
Rundfunk (IDR) den vollständigen Umstieg auf<br />
die digitale Verbreitung bis 2010 und damit die<br />
Abschaltung der bisherigen analogen Fernseh-<br />
Übertragungswege für die Bundesrepublik<br />
ge plant hat, hat die <strong>ARD</strong> langfristig eine umfassende<br />
SDTV-Qualitätsoffensive vorbereitet,<br />
die bis zum 2. 6. 2008 abgeschlossen worden ist.<br />
Ziel war es, die rasant steigende Anzahl von Zuschauern<br />
mit digitalen SDTV-Empfangsgeräten<br />
bestmöglich zu versorgen. Im Ergebnis werden<br />
alle 18 <strong>ARD</strong>-Fernsehprogramme zuzüglich aller<br />
Regionalfenster, die gemeinsam mit dem ZDF<br />
betriebenen Kanäle sowie alle 63 Radiowellen<br />
– durch optimierte Bandbreitenverteilung<br />
hochqualitativ mit MPEG-2 (bzw. Audio mit<br />
MPEG-1/L-2) komprimiert – im DVB-Verfahren<br />
(Digital Video Broadcasting) über Satellit und<br />
im Kabel digital übertragen. Für die terrestrische<br />
Verbreitung wird in diesem Jahr mit der<br />
vollständigen Umstellung auf DVB-T die Digitalisierung<br />
abgeschlossen (vgl. Rundfunktechnik<br />
2007), wobei hier die Übertragungsbandbreite<br />
an die Gegebenheiten angepasst ist.<br />
Damit sind für alle Zuschauer mit digitalen<br />
Endgeräten wesentliche Vorteile des digitalen<br />
Fernsehens nutzbar. Der jetzt erreichte SDTV-<br />
Stand stellt für Produktion und Übertragung<br />
ein Optimum an Bildqualität und Verbreitungseffi<br />
zienz dar und bildet die Basis für die Jahre<br />
nach Abschaltung der analogen Verbreitung,<br />
also die Jahre 2010 bis 2018/2020.<br />
Welche Bedeutung diese Optimierung der<br />
SDTV-Aussendung hat, lässt sich auch deutlich<br />
daran erkennen, dass in Deutschland bis Ende<br />
2007 neben den genannten digitalen Set-Top-<br />
Boxen bereits mehr als sechs Mio »HD-Ready«-<br />
Displays, aber nur maximal 450 000 HD-Empfangsgeräte<br />
(Set-Top-Boxen inklusive Boxen für<br />
Internet Protocol TV – IPTV) verkauft wurden.<br />
Alle Zuschauer mit digitalen Empfangsgeräten<br />
profi tieren von der Qualitätsverbesserung, vor<br />
allem die Zuschauer mit Flachdisplays, da bei<br />
großen Bildschirmdiagonalen Signalbeeinträchtigungen<br />
schnell sichtbar werden. Für eine gute<br />
Bildqualität ist neben dem Quellsignal auch<br />
die Qualität des beschriebenen De-Interlacing<br />
und der optimale Anschluss der Displays an die<br />
Empfangsgeräte entscheidend.<br />
_ Der Weg in Richtung HDTV<br />
Hintergrund für die bereits jetzt absehbare Begrenzung<br />
der Ausstrahlung im SDTV-Format<br />
ist die erkennbare internationale Weiterentwicklung<br />
des TV-Markts in Richtung hochaufl<br />
ösendes Fernsehen – High Defi nition TV<br />
(HDTV) –, die eine weitere wesentliche Bildverbesserung<br />
bedeutet, die aber auch umfangreiche<br />
Änderungen in allen Bereichen von der Produktion<br />
bis zur Ausstrahlung sowie auch neue<br />
Endgeräte beim Zuschauer erfordert. Daher<br />
und wegen des damit verbundenen Investitionsaufwands<br />
sind für den Umstieg von SDTV zu<br />
HDTV umfangreiche Vorplanungen sowie ein<br />
Migrationskonzept erforderlich, das einen fl ießenden<br />
Übergang zulässt. Wesentlich dabei ist,<br />
dass HDTV nicht abwärtskompatibel zu SDTV<br />
Abschaltung der analogen Satellitensignale<br />
���� ���� ����<br />
Analog<br />
DVB-S: SDTV<br />
ist, so dass hier wiederum eine Simulcastphase<br />
erforderlich wird, die nach derzeitiger Planung<br />
bis etwa 2018/2020 andauert, um auch auf der<br />
Endgeräteseite beim Verbraucher einen Investitionsschutz<br />
sicherzustellen.<br />
Durch die parallele Austrahlung in SDTV<br />
und HDTV ergeben sich jedoch auch wieder<br />
zusätzliche Verbreitungskosten, so dass eine<br />
vollständige reguläre HDTV-Aussendung erst<br />
nach einer Abschaltung der analogen Verbreitung<br />
fi nanzierbar ist.<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />
HDTV
_ HDTV-Formate und Unterschiede zwischen<br />
Halb- und Vollbildverfahren<br />
Die Fotos oben ermöglichen einen plakativen<br />
Vergleich der Bildauflösung vom aktuellen<br />
SDTV- und von zukünftigen HDTV-Formaten.<br />
Ein tatsächlicher Vergleich dieser Formate ist<br />
jedoch nur im Zusammenhang mit den eingangs<br />
beschriebenen Abtast-/Signalformaten<br />
(Zeilensprung/Halbbild bzw. interlaced und<br />
Vollbild bzw. progressive) möglich. In der Praxis<br />
sind deshalb folgende Formate zu unterscheiden<br />
– Ausgangspunkt für den Vergleich<br />
ist hierbei noch einmal das bisher verwendete<br />
SDTV-Format: _ SDTV: 720 x 576/i25 (= 2 x 25 Halbbilder pro<br />
Sekunde mit je 720 x 288 Punkten),<br />
_ HDTV mit 1280 x 720/p50 (= 50 Vollbilder<br />
pro Sekunde mit je 1280 x 720 Punkten),<br />
_ HDTV mit 1920 x 1080/i25 (= 2 x 25 Halbbilder<br />
pro Sekunde mit je 1920 x540 Punkten),<br />
_ HDTV mit 1920 x 1080/p50 (= 50 Vollbilder<br />
pro Sekunde mit je 1920 x 1080 Punkten).<br />
Dabei bietet das HDTV-Format 1920 x 1080/<br />
p50 die höchste Auflösung und Bildqualität.<br />
Aufgrund der sehr hohen Bandbreitenanforderung<br />
ist dieses Vollbild-Format jedoch derzeit<br />
nicht durchgängig von der Produktion über<br />
die Aussendung bis zu Empfang und Darstellung<br />
auf den Flachdisplays einführbar. Ohne<br />
Signalkompression sind hierfür Datenraten von<br />
3 GB/s zu verarbeiten. Die Vollbildverarbeitung<br />
(/p50) hat wesentlichen Einfluss auf die Bildqualität,<br />
aber auch auf die erforderlichen Bitraten.<br />
Bei der theoretisch erreichbaren hohen Auflösung<br />
ist zu berücksichtigen, dass diese aufgrund<br />
des natürlichen Auflösungsvermögens des<br />
menschlichen Auges erst ab einer bestimmten<br />
Bildschirmgröße oder bei geringem Betrachtungsabstand<br />
erkennbar ist.<br />
Um die benötigten Bandbreiten zu verringern,<br />
findet bei einem anderen HDTV-Format<br />
mit der Bezeichnung 1920 x 1080/i25 wieder das<br />
eingangs beschriebene (alte) Zeilensprung-/<br />
Halbbildverfahren Anwendung. Dabei sind jedoch<br />
auch hier die gleichen Einschränkungen<br />
zu berücksichtigen, so dass der praktische<br />
Qualitätsgewinn geringer ausfällt, als die Zahlen<br />
vermuten lassen. Das wird besonders bei<br />
schnell bewegten Bildinhalten und großen<br />
Bildschirmen sichtbar. Der Zusatz /i25 steht<br />
für ein sehr altes Verfahren, um Bandbreite<br />
zu reduzieren, was die Bildqualität sowie die<br />
Produktion, die Kompression/Übertragung<br />
und die Verarbeitung beim Zuschauer negativ<br />
beeinflusst. Grund dafür ist, dass sich Einzel-/<br />
Vollbilder elektronisch besser verarbeiten bzw.<br />
komprimieren lassen als zwei versetzte Halbbilder<br />
nach einem Verfahren vom Beginn des<br />
analogen Fernsehens, das für Röhrenmonitore<br />
optimal war.<br />
Das HDTV-Format 1280 x 720/p50 (mit 50<br />
Vollbildern pro Sekunde) bietet bezüglich der<br />
soeben genannten Faktoren eine gute Alternative,<br />
da die negativen Einflüsse des Zeilensprung-/Halbbildverfahrens<br />
in der gesamten<br />
HDTV <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 51
52<br />
Signalkette entfallen und die Bildpunkte bereits<br />
kleiner sind, als das menschliche Auge aufl ösen<br />
kann – bezogen auf Displays mit bis zu 50 Zoll<br />
Bildschirmdiagonale und üblichen Betrachtungsabständen.<br />
An dieser Stelle noch einmal der Hinweis,<br />
dass auch bei digitalen Signalen die letztendlich<br />
erreichbare Bildqualität auf den Displays wesentlich<br />
von zwei weiteren Faktoren abhängig ist:<br />
_ dem Signalprozessing im Display (besonders<br />
beim De-Interlacing) und<br />
_ der Anbindung der digitalen Empfangsteile<br />
(Set-Top-Boxen oder geräteinterne Empfänger)<br />
an das Display.<br />
Für eine gute Display-Anbindung sind mindestens<br />
drei getrennte YUV-Signale erforderlich<br />
– YUV ist das Farbmodell des analogen<br />
Fernsehens, das die<br />
Lichtstärke Y und die<br />
Farbanteile U und V<br />
zur Darstellung der<br />
Farbinformation benötigt.<br />
Optimal ist eine<br />
digitale Variante per<br />
HDMI (High Defi nition<br />
Multimedia Interface)<br />
in Verbindung<br />
mit einem HDTV-Vollbildformat,<br />
so dass im<br />
Display keine Zusam-<br />
HDMI-Buchse (o.)<br />
und HDMI-Stecker<br />
(u.)<br />
menführung von zwei<br />
Halbbildern erfolgen<br />
muss. Dadurch kann<br />
das De-Interlacing entfallen,<br />
das die Bildqua-<br />
lität besonders negativ beeinfl usst.<br />
Das bedeutet vereinfacht, dass auch ein sehr<br />
hochaufl ösendes Display keine scharfen Bilder<br />
zeigen wird, wenn die Signale von einem analogen<br />
Empfangssignal über eine einfache analoge<br />
Videoleitung zugeführt werden.<br />
_ Die HDTV-Formatentscheidung der <strong>ARD</strong><br />
Die <strong>ARD</strong> hat frühzeitig die HDTV-Entwicklungen<br />
in allen wichtigen Bereichen wie Produktion,<br />
Verbreitung und Endgerätemarkt<br />
verfolgt und umfangreiche Untersuchungen<br />
hinsichtlich der verschiedenen Formate durchgeführt,<br />
um die bestmögliche Bildqualität zu ermitteln<br />
und den Aufwand zur Einführung von<br />
HDTV genau einschätzen zu können. Dabei<br />
ist zu berücksichtigen, dass für die Produktion<br />
und Aussendung in HDTV ausnahmslos alle<br />
Bereiche einer Rundfunkanstalt, von Redaktion<br />
bis Technik, betroffen sind, was bei der vorhergehenden<br />
Digitalisierung durch die Beibehaltung<br />
des SDTV-Fernsehformats nicht in dieser<br />
Konsequenz der Fall war.<br />
Die Tests der unterschiedlichen HDTV-<br />
Formate – anhand der Kriterien Aufl ösung,<br />
Displaygröße, Betrachtungsabstand, Halb- oder<br />
Vollbildformat und Komprimierbarkeit – fanden<br />
unabhängig voneinander bei verschiedenen<br />
Institutionen (UER, Institut für Rundfunktechnik/IRT)<br />
und den Rundfunkanstalten statt:<br />
in umfangreichen Testreihen mit aktuellen<br />
Flachdisplays in verschiedenen Größen und mit<br />
demselben Ergebnis.<br />
In diesen Testreihen wurden die beiden<br />
einsetzbaren HDTV-Formate mit dem Format<br />
1920 x 1080/p50 verglichen. Dabei bestätigte sich,<br />
dass aufgrund des begrenzten Aufl ösungsvermögens<br />
des menschlichen Auges bis zu einer<br />
Bildschirmgröße von 50 Zoll und dem üblichen<br />
Betrachtungsabstand ein Unterschied zu dem<br />
HDTV-Format 1280 x 720 Bildpunkte nicht<br />
wahrnehmbar ist. Im Gegensatz dazu fi elen vor<br />
allem die Probleme auf, die durch das De-Interlacing<br />
bei schnell bewegten Bildern entstehen.<br />
Die hohen Anforderungen an die Displays zur<br />
Minimierung dieses Problems sind besonders<br />
im Preissegment der gängigen Endgeräte schwer<br />
zu erfüllen.<br />
Unten dazu noch einmal ein Ausschnitt aus<br />
einer Testsequenz des IRT, wobei der Halbbildversatz<br />
und der Qualitätsverlust besonders gut<br />
auf der linken Abbildung an der Baumkante<br />
(rechts im Bild) zu erkennen ist.<br />
Die Skalierung der Formate 1920 x 1080 oder<br />
1280 x 720 auf die jeweilige Displayaufl ösung<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
�<br />
����������������������������������������������������������������<br />
���������� �������� ����������� ������� �������<br />
������<br />
������������������<br />
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�������������<br />
������������������������<br />
���������������<br />
������������<br />
HDTV <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 5<br />
���������������������� ���������������������<br />
�������������������<br />
zeigte weniger Einfl uss auf die Bildqualität, da<br />
ohnehin immer eine Anpassung an die physikalisch<br />
vorhandenen Bildpixel erforderlich ist.<br />
Weitere Untersuchungen zu den HDTV-Formaten<br />
fanden auf Produktions-, Kompressionsund<br />
Ausstrahlungsebene statt. Auch hier ergeben<br />
sich durch das alte Zeilensprung-/Halbbild<br />
verfahren Nachteile. So lassen sich – wie<br />
schon erwähnt – progressive Signale leichter<br />
komprimieren, was bei gleicher Bitrate dem<br />
Format 1280 x 720/p50 gegenüber 1920 x 1080/i25<br />
zugutekommt und die Bildqualität verbessert.<br />
Dies<br />
�����������������������������������������<br />
ist besonders mit Hinblick auf die begrenzt<br />
verfügbare Übertragungsbandbreite und die<br />
damit verbundenen Kosten zu berücksichtigen.<br />
����� Zur Komprimierung � ����� der HDTV-Signale<br />
� � ����<br />
kommt das neue Format MPEG H.264/AVC<br />
(Advanced � ������ Video Coding) zum Einsatz, um<br />
die Kompressionseffi zienz zu verbessern. Der<br />
Übertragungsweg wird durch den Einsatz des<br />
weiterentwickelten Modulationsverfahrens<br />
� �����������<br />
DVB-S2 effi zienter nutzbar.<br />
Angesichts der genannten Faktoren wird<br />
klar, dass die Einführung von HDTV sehr viele<br />
Bereiche<br />
� �<br />
betrifft, wobei<br />
�<br />
für ein<br />
����<br />
optimales Endergebnis<br />
die gesamte Signalkette zu betrachten<br />
ist (vgl. Grafi k oben).<br />
Um Erfahrungen über die gesamte Kette<br />
hinweg zu erhalten, fanden neben einzelnen<br />
Tests erstmals während der Internationalen<br />
Funkausstellung (IFA) 2007 und dann im Jahr<br />
2008 zu Ostern so genannte HDTV-Showcases<br />
im Digitalkanal EinsFestival als Simulcast zur<br />
regulären SDTV-Aussendung statt. In Zusammenarbeit<br />
mit der federführenden Redaktion<br />
beim WDR erfolgte die Ausstrahlung von<br />
mehreren Hundert Stunden nativen (»echten«)<br />
HDTV-Produktionen aus unterschiedlichen Be-<br />
���������������������<br />
�����������������<br />
��������������<br />
�����������<br />
��������������������������� ��� �������������<br />
������������<br />
���������������<br />
reichen durch das <strong>ARD</strong> Play-Out-Center beim<br />
RBB in Potsdam. In diesem Rahmen konnten<br />
umfangreiche Erkenntnisse für die weitere<br />
HDTV-Einführung der <strong>ARD</strong> insgesamt gewonnen<br />
werden.<br />
HDTV-Ausstrahlungen im deutschsprachigen<br />
Raum gibt es seit Ende 2007 auch vom<br />
Schweizer Fernsehen mit dem Kanal »HD<br />
suisse«, der als reiner HDTV-Kanal und nicht<br />
als Simulcast mit SDTV angelegt ist. Hier<br />
wurde frühzeitig ebenfalls durchgängig auf das<br />
Format 1280 x 720/p50 gesetzt.<br />
Am 7. 6. 2008, mit Beginn der Fußball-EM<br />
2008 in Österreich und der Schweiz, begann der<br />
Simulcastbetrieb von ORF 1 ebenfalls in HDTV<br />
1280 x 720/p50.<br />
_ Die HDTV-Roadmap von <strong>ARD</strong> und ZDF<br />
Wie bereits frühzeitig bei den Showcases in<br />
EinsFestival festzustellen war, unterscheiden<br />
sich »echte« HDTV-Produktionen wesentlich<br />
von herkömmlichem, hochkonvertiertem<br />
SDTV-Material, so dass in Vorbereitung der Einführung<br />
ein entsprechendes HDTV-Programmvolumen<br />
aufzubauen ist, damit von Beginn an<br />
ein nennenswerter Anteil im neuen Format angeboten<br />
werden kann. Nur mit echten HDTV-<br />
Produktionen wird der wahre Mehrwert von<br />
HDTV erkennbar.<br />
Dazu ist im Vorfeld die entsprechende Technik<br />
für Produktion und Aussendung bereitzustellen.<br />
Zusammen mit der Vorbereitung der<br />
<strong>ARD</strong>-Qualitätsoffensive haben <strong>ARD</strong> und ZDF<br />
bereits weitere Satellitenkapazitäten angemietet<br />
sowie Verhandlungen mit den Kabelnetzbetreibern<br />
zur Weiterleitung eines HDTV-Äquivalents<br />
(die Bitrate für ein HDTV-Programm) geführt.<br />
Zum Abgleich der umfangreichen Vorbereitungen<br />
wurde Anfang 2008 ein Fahrplan, eine<br />
spading-original.indd 5 20.06.2008 14:15:46<br />
Grafiken_08.indd 3 18.07.2008 21:51:18 Uhr<br />
HDTV <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 53
54<br />
»Roadmap«, zur HDTV-Einführung zwischen<br />
den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern<br />
vereinbart (vgl. Grafi k unten). Die dunkleren<br />
Flächen in der Grafi k stellen einen 24-Stunden-<br />
Regelbetrieb dar, der dann bereits aus einer<br />
nennenswerten Anzahl echter HDTV-Produktionen,<br />
aber auch aus hochkonvertiertem SDTV-<br />
Programm-Material gespeist wird.<br />
Bis zum HDTV-Regelbetrieb, der zu den<br />
Olympischen Winterspielen 2010 starten soll,<br />
sind demnach eine Reihe weiterer Showcases<br />
mit überwiegend nativem (hochaufl ösenden)<br />
Sendematerial geplant, wobei ab August 2009<br />
zur Leichtathletik-WM in Berlin eine Ausweitung<br />
auf Das Erste HD und ZDF HD – das<br />
sind die HDTV-Simulcastprogramme zu den<br />
Hauptprogrammen von <strong>ARD</strong> und ZDF – geplant<br />
ist. ARTE als deutsch-französisches Kooperationsprogramm<br />
wird bereits 2008 mit<br />
dem HDTV-/SDTV-Simulcastbetrieb beginnen<br />
(ARTE HD).<br />
Der Anteil der Beiträge aus echten HDTV-<br />
Produktionen oder Filmabtastungen wird sich<br />
erst in den nächsten Jahren schrittweise erhöhen.<br />
Zu groß ist der Aufwand für eine vollständige<br />
Umstellung der Produktion, so dass vor<br />
allem zum Beginn der HDTV-Ausstrahlung auf<br />
2010 2009 2008<br />
Vereinfachte HDTV-Roadmap von <strong>ARD</strong> und ZDF<br />
SDTV-Programm-Material zurückgegriffen werden<br />
muss. Dabei wird senderseitig auf die bestmögliche<br />
Konvertierung geachtet.<br />
Nach der Einführung der HDTV-/SDTV-Simulcastverbreitung<br />
der Hauptprogramme wird<br />
im weiteren Verlauf die gleiche Umstellung für<br />
die Dritten und die gemeinsam mit Dritten veranstalteten<br />
Programme folgen. Voraussetzung<br />
hierfür ist eine Ausweitung der HDTV-Programmproduktion<br />
sowie eine Umstellung der<br />
Technik in den Rundfunkanstalten. Die notwendigen<br />
Übertragungskapazitäten müssen im<br />
Zusammenhang mit der Abschaltung der alten<br />
analogen Verbreitung bereitgestellt werden.<br />
_ Zusammenfassung und Ausblick<br />
Die Ausführungen zeigen den hohen Aufwand<br />
für die HDTV-Einführung auf allen Ebenen<br />
sowie die Zusammenhänge mit dem laufenden<br />
Digitalisierungsprozess und der in 2008 abgeschlossenen<br />
Qualitätsoffensive. Zur Einführung<br />
von HDTV gehört weitaus mehr als eine einfache<br />
Hochkonvertierung der bisherigen SDTV-<br />
Signale. Es sind nahezu alle Bereiche von der<br />
Produktion über die Aussendung bis hin zu<br />
Empfänger und Display betroffen. Die Änderungen<br />
gehen sogar so weit, dass grundsätzliche<br />
Veranstaltungen Das Erste HD ZDF HD ARTE HD EinsFestival HD<br />
und Ereignisse<br />
Transponder �<br />
(TP ��/����� MHz<br />
Transponder �<br />
(TP ��/����� MHz<br />
Transponder �<br />
(TP ��/����� MHz<br />
Transponder �<br />
(TP ���/����� MHz<br />
Horizontal)<br />
Horizontal)<br />
Horizontal)<br />
Horizontal)<br />
Osterzeit<br />
��. � – ��. �.<br />
SHOWCASE<br />
IFA Berlin<br />
��. �. – �. �.<br />
SHOWCASE<br />
Weihnachtszeit<br />
��. ��. �� – �. �. ��<br />
SHOWCASE<br />
Leichtathletik-WM<br />
��. �. – ��. �.<br />
SHOWCASE SHOWCASE<br />
Start HDTV-Regelbetrieb<br />
SHOWCASE<br />
IFA Berlin<br />
��. �. – ��. �.<br />
SHOWCASE SHOWCASE SHOWCASE<br />
Weihnachtszeit<br />
��. ��. – ��. ��.<br />
SHOWCASE SHOWCASE SHOWCASE<br />
TRAILER<br />
Start HDTV-Regelbetrieb Start HDTV-Regelbetrieb Start HDTV-Regelbetrieb<br />
Olympische Winterspiele<br />
Vancouver<br />
��. �. – ��. �.<br />
HDTV-SPORTEVENT HDTV-SPORTEVENT SHOWCASE<br />
Fußball-WM HDTV-SPORTEVENT HDTV-SPORTEVENT<br />
��. �. – ��. �.<br />
Abschaltung analoger Abschaltung analoger<br />
Transponder und erster Transponder und erster<br />
<strong>ARD</strong>-Transponder für HDTV <strong>ARD</strong>-Transponder für HDTV<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
RBB-Intendantin Dagmar Reim und<br />
<strong>ARD</strong>-Vorsitzender Fritz Raff eröffneten 2007<br />
den HDTV-Showcase auf der IFA.<br />
Technologien aus den Anfängen des analogen<br />
Fernsehens wie das Zeilensprung-/Halbbildverfahren<br />
abgelöst werden sollen.<br />
Der volle Mehrwert von HDTV erschließt<br />
sich erst, wenn jeder Teilbereich die Umstellungen<br />
vollzogen hat. Auf der Seite der Rundfunkveranstalter<br />
sind die Produktionen auf das<br />
neue Format um- und die notwendigen Übertragungskapazitäten<br />
bereitzustellen, was jeweils<br />
nur schrittweise passieren kann. Auf der Endgeräteseite<br />
sind neben neuen Displays auch neue<br />
Empfangsgeräte erforderlich.<br />
Es liegt auf der Hand, dass derart umfangreiche<br />
Umstellungen ein abgestimmtes Handeln<br />
aller Beteiligten erfordern. Aus diesem Grund<br />
haben <strong>ARD</strong> und ZDF ihre Roadmap zur Einführung<br />
von HDTV erstellt und damit den<br />
Zeitplan bis zum Start des Regelbetriebs der<br />
HDTV-Simulcastausstrahlung zu SDTV bis 2010<br />
vorgegeben.<br />
Neben den Vorbereitungen zur stufenweisen<br />
Umstellung der Programmproduktion in<br />
den Rundfunkanstalten werden seit 2007 und<br />
verstärkt in 2008 durch regelmäßige Showcases<br />
praktische Erfahrungen mit der gesamten Signalkette<br />
bis zu den Empfängern und Displays<br />
gesammelt, um eine reibungslose Einführung<br />
der HDTV-Ausstrahlung ab 2010 vorzubereiten.<br />
Die Auswertung der Ergebnisse dieser Tests nehmen<br />
<strong>ARD</strong> und ZDF sowie die Endgeräteindustrie<br />
gemeinsam vor.<br />
Insgesamt gesehen ist mit der HDTV-Einführung<br />
weit mehr verbunden als eine reine Bildverbesserung.<br />
Neben zusätzlichen Tonkanälen<br />
zur Ausstrahlung von Dolby-Digital-Ton und<br />
Audiodescription, werden zukünftig auch verbesserte<br />
Funktionen zur Programmnavigation<br />
sowie zum Abruf von Zusatzinformationen<br />
eine größere Rolle spielen. Diese Zusatzfunktionen<br />
müssen daher in dem neuen, hochauflösenden<br />
HDTV-Standard abgebildet werden<br />
und für ein modernes Erscheinungsbild auf den<br />
Flachdisplays der Zuschauer sorgen.<br />
Michael Spading,<br />
Leiter der Hauptabteilung Technik und Betrieb<br />
beim RBB<br />
Dirk Lüdemann,<br />
Leitung DVB-Systemplanung/-Service beim<br />
<strong>ARD</strong>-Play-Out-Center in Potsdam<br />
HDTV <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 55
56<br />
Drei Medien unter einem Dach<br />
Wie Hörfunk, Fernsehen und Internet in der <strong>ARD</strong> zusammenwachsen<br />
Von Reinhart Binder<br />
Die viel zitierte Digitalisierung hinterlässt in allen<br />
Bereichen der Medienproduktion tiefe Spuren und<br />
verändert sogar dort traditionelle Strukturen,<br />
wo sich am Endprodukt (bisher) wenig geändert hat.<br />
Vieles, was früher arbeitsteilig von unterschiedlich<br />
qualifizierten Spezialisten erarbeitet wurde, ist heute<br />
im wahrsten Sinne des Wortes ein Produkt aus einer<br />
Hand bzw. einer Redaktion. Printredakteure wissen nicht<br />
mehr nur, wie eine Setzerei funktioniert, sondern<br />
schreiben ihre Texte längst druckreif in Redaktions<br />
systeme. Hörfunkreporter in der Region haben inzwi<br />
schen gelernt, mit Video kameras umzugehen und<br />
auch OnlineRedaktionen zu beliefern. Und der Vernet<br />
zung der Produkte über OnlinePortale entspricht<br />
zunehmend eine Vernetzung schon in Planung, Redak<br />
tion und Produktion, die nicht nur neue Technik<br />
benötigt, sondern auch neue Arbeitsabläufe und letzt<br />
endlich neue Berufsbilder hervorbringen wird.<br />
W<br />
enn diese Zeilen als Teil des <strong>ARD</strong>-<br />
<strong>Jahrbuch</strong>s 08 in gedruckter Form<br />
erscheinen, wird im RBB bald<br />
ein Programmdirektor bzw. eine<br />
Programmdirektorin für die ab 1. 5. 2009 zusammengeführte<br />
Hörfunk- und Fernsehdirektion<br />
gewählt. Seit dann bereits drei Jahren bietet ein<br />
bimedial zusammengesetzter »Reporterpool«<br />
seine Rechercheergebnisse allen interessierten<br />
Redaktionen in Hörfunk und Fernsehen<br />
an. Videojournalisten sind im Auftrag vieler<br />
Fernsehredaktionen, aber im Rahmen eines Pilotprojekts<br />
auch für die Jugendwelle Fritz und<br />
deren Online-Auftritt unterwegs. Und es wird<br />
sich gezeigt haben, ob sich der im Mai 2008<br />
eingerichtete und in seiner Ausgestaltung bisher<br />
<strong>ARD</strong>-weit einmalige Fernsehnachrichtenplatz<br />
im Neubau der RBB-Hörfunkwelle Inforadio<br />
bewährt hat.<br />
Dies sind nur einige Beispiele aus einer Landesrundfunkanstalt,<br />
die veranschaulichen, wie<br />
rasch und umfassend sich angesichts der Digitalisierung<br />
Strukturen, Räume, Abläufe, Produktionsbedingungen<br />
und Berufsbilder im Rundfunk<br />
verändern. Auf diesen Wandel stellen sich<br />
alle Häuser ein und reagieren darauf. Wie dies<br />
geschieht, ist jeweils unterschiedlich. Der folgende<br />
Beitrag kann deshalb nur Schlaglichter<br />
werfen, ohne Anspruch darauf zu erheben, repräsentativ<br />
zu sein oder gar einen umfassenden<br />
Eindruck all dessen zu ermöglichen, was in den<br />
Landesrundfunkanstalten geschieht.<br />
Foto oben: Neubau für das Inforadio des RBB<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
_ Gegenwart und Zukunft: der digitale Wandel<br />
Erinnern Sie sich noch an die »Schließung der<br />
Nachtlücke« im Ersten Deutschen Fernsehen?<br />
Es ging darum, das in der Regel zwischen Mitternacht<br />
und frühem Morgen ausgestrahlte Testbild<br />
durch vollwertiges Programm zu ersetzen.<br />
Die Entscheidung zu diesem bahnbrechenden<br />
Schritt fiel – bitte festhalten – Anfang der 90er<br />
Jahre des vergangenen Jahrtausends, konkret:<br />
zur Internationalen Funkausstellung (IFA) 1993.<br />
Oder das Sprichwort: »Nichts ist so alt wie die<br />
Zeitung von gestern.« Noch vor wenigen Jahren<br />
gern und häufig zitiert. Für die Mediennutzer<br />
von heute, vor allem die jüngeren unter ihnen,<br />
wirkt beides geradezu unvorstellbar antiquiert.<br />
Mittlerweile konkurrieren die Rundfunkanstalten<br />
mit Medienunternehmen, die Inhalte<br />
rund um die Uhr ohne Redaktionsschluss produzieren.<br />
Darum gilt inzwischen: Nichts ist so<br />
alt wie die Online-Meldung von vorhin.<br />
Die heutige Informationsgesellschaft hungert<br />
nach Neuem. Aktualität geht über alles. Die<br />
dadurch veränderte Mediennutzung und die damit<br />
einhergehende Marktdynamik führen nach<br />
allem, was sich seit einiger Zeit abzeichnet,<br />
zu einer Vielzahl von ganz unterschiedlichen,<br />
tief greifenden Veränderungen – und die sind<br />
bereits im Gange. Dabei haben diese Prozesse<br />
einen deutlich anderen Stellenwert und weiter<br />
reichende Folgen als alle bisherigen Entwick-<br />
Der im Mai 2008 eröffnete Redaktions- und<br />
Sendekomplex von Inforadio in Berlin: Aus<br />
dem Inforadio-Studio kommen Hörfunk- und<br />
regionale Fernsehnachrichten. In einem einzigen<br />
Raum mit moderner Technik sind Studio,<br />
Regie und Redaktion vereinigt.<br />
Trimediale Nachrichtenredaktion im neuen<br />
Funk- und Fernsehhaus von Radio Bremen<br />
lungen innerhalb der Rundfunklandschaft. Sie<br />
sind nicht mehr vergleichbar mit dem Wechsel<br />
vom Schwarz-Weiß- zum Farbfernsehen oder<br />
mit der Ablösung der Audio- bzw. VHS-Kassette<br />
durch die CD bzw. DVD. Hier geht es um<br />
strukturelle Umwälzungen, die in der Summe<br />
einer Revolution näher kommen als einer Weiterentwicklung<br />
der bestehenden Medien.<br />
Insofern kann auch dieser Artikel im Lichte<br />
des für das Medium Buch maßgeblichen Redaktionsschlusses<br />
lediglich eine flüchtige Momentaufnahme<br />
bieten, welche Entwicklungen sich<br />
innerhalb der Landesrundfunkanstalten im Jahr<br />
2008 abgezeichnet haben. Wenn dies weitgehend<br />
an Beispielen aus dem Rundfunk Berlin-<br />
Brandenburg verdeutlicht wird, dann nicht<br />
des halb, weil er bereits besonders viele Neuerungen<br />
eingeführt hätte oder technisch durchweg<br />
an der Spitze des Fortschritts läge. Dazu<br />
wäre er schon aus Gründen fehlender Ressourcen<br />
überhaupt nicht in der Lage: Infolge seiner<br />
äußerst schwierigen finanziellen Situation<br />
mussten Sach- und Programmaufwand sowie<br />
Investitionsvolumen ganz im Gegenteil eingefroren<br />
werden, die personellen Kapazitäten sind<br />
infolge eines massiven Stellenabbaus auf das<br />
Nötigste reduziert. Umso wichtiger ist für ihn<br />
die Frage, wie der durch die Digitalisierung ausgelöste<br />
Veränderungsprozess optimal gesteuert<br />
werden kann.<br />
Was bedeutet dies für den RBB und natürlich<br />
auch für alle anderen <strong>ARD</strong>-Landesrundfunkanstalten?<br />
Vorab lohnt es sich, eines festzuhalten:<br />
Sie unterscheiden sich jedenfalls in<br />
einer Hinsicht von allen anderen Medienhäu-<br />
Drei Medien unter einem Dach <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 57
58<br />
sern, gleich ob öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich<br />
organisiert: Sie sind innerhalb ihres<br />
Sendegebiets die einzigen, die professionell<br />
jedes audiovisuelle Medium aus einer Hand<br />
bedienen, also alle elektronischen Medien unter<br />
einem Dach vereinen: Hörfunk, Fernsehen,<br />
Online. Die durch die Digitalisierung bedingten<br />
Veränderungsprozesse bieten ihnen die Chance,<br />
dieses einzigartige journalistische Poten zial<br />
noch besser als bisher auszuschöpfen und damit<br />
ihre publizistische Schlagkraft zu steigern.<br />
Über allem steht: Inhaltliche Qualität muss<br />
das entscheidende Merkmal des öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunks bleiben. Konvergenz<br />
kann und darf nicht um jeden Preis, schon gar<br />
nicht zulasten eines spezifisch öffentlich-rechtlichen<br />
Profils durchgesetzt werden. Jede Landesrundfunkanstalt<br />
hat hierfür ihre individuellen<br />
redaktionellen, technischen und finanziellen<br />
Lösungsansätze zu finden, um ihrer spezifischen<br />
Funktion für das jeweilige Sendegebiet<br />
sowie innerhalb der <strong>ARD</strong> gerecht zu werden.<br />
_ Überlegungen und Projekte<br />
Der RBB hat hierfür im Rahmen seiner Digitalstrategie<br />
zunächst die für ihn spezifischen<br />
Ausgangsbedingungen analysiert. Ein Leitbild<br />
umreißt seine Rolle in einer digitalen Medienlandschaft:<br />
Er will die digitale Technik nutzen,<br />
um Programme auf allen für seine publizistische<br />
Funktion wichtigen Verbreitungswegen und in<br />
der für die jeweilige Zielgruppe optimalen Form<br />
anzubieten und damit seinen Programmauftrag<br />
zeitgemäß erfüllen zu können. Die Devise<br />
lautet: Digitalisierung dient dem Programmauftrag<br />
und ist kein Selbstzweck. Ziel ist es, eine<br />
intensive Zusammenarbeit zwischen den Redaktionen<br />
und den Austausch der Medien untereinander<br />
zu ermöglichen und ökonomische<br />
und synergetisch wirkende Organisations- und<br />
Produktionsstrukturen zu schaffen.<br />
In letzter Konsequenz heißt dies für den<br />
RBB: Wo bi- oder multimediales Arbeiten als<br />
sinnvoll und erforderlich erkannt worden ist,<br />
bereitet künftig eine Redaktion den jeweiligen<br />
Inhalt für alle infrage kommenden Medien und<br />
Ausspielwege auf. Auf Flexibilität ist der RBB<br />
dabei in besonderer Weise angewiesen. Einheitslösungen,<br />
Pauschalarrangements und Standardantworten<br />
sind nicht vorgesehen: Intelligente<br />
Vernetzung – ergänzend zum klassischen Sendeplatz-<br />
und Programmdenken – soll stattfinden<br />
wo nötig und sinnvoll, nicht wo möglich.<br />
Dafür müssen die Strukturen und Abläufe<br />
Stück für Stück im Einzelnen überprüft werden.<br />
Gemeinsam mit den Mitarbeitern sind praxisorientierte,<br />
Flexibilität ermöglichende Ansätze zu<br />
finden. Programm und Technik sollen sich im<br />
Idealfall synchron entwickeln.<br />
Das Substrat formuliert der NDR für sich<br />
wie folgt: Im NDR sollen die Hörfunk-, Fernseh-<br />
und Online-Redaktionen künftig monomedial,<br />
aber eben auch medienübergreifend, also<br />
trimedial, vernetzt sein und verstärkt zusammenarbeiten.<br />
Diese Grundüberlegungen stellen<br />
alle <strong>ARD</strong>-Anstalten an und vergegenwärtigen<br />
sich, dass Organisationsstrukturen, Infrastruktur,<br />
Leitungswege und das Redaktions- und<br />
Planungssystem der trimedialen Produktion<br />
angepasst werden müssen. Das reicht von strategischen<br />
über strukturelle bis hin zu räumlichen<br />
Veränderungen, die idealerweise gar in einem<br />
Neubau – wie in Bremen (vgl. Heinz Glässgen:<br />
Ein Funkhaus fällt nicht vom Himmel) oder Stuttgart<br />
– kulminieren bzw. dort unmittelbar umgesetzt<br />
werden können.<br />
Langfristig scheint sich der Trend – blickt<br />
man zudem über den nationalen Tellerrand<br />
hinaus – zu einer zentralen Nachrichten- und<br />
Rechercheredaktion zu verstärken, wie dies<br />
innerhalb der <strong>ARD</strong> bereits u. a. SR und Radio<br />
Bremen praktizieren. Allerdings sprechen die<br />
bisherigen Erfahrungen etwa in Bremen dafür,<br />
dass das Motto »einmal generieren, unterschied-<br />
Erste Spatenstiche für das neue SWR-<br />
Gebäude in Stuttgart: Professor Hans Struhk,<br />
SWR-Intendant Peter Boudgoust und<br />
Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (v. l.)<br />
am 28. 4. 2008<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
OpenMedia-Einsatz und Arbeitsbesprechung<br />
im trimedialen Newsroom, den der SR im<br />
Dezember 2006 in Betrieb genommen hat.<br />
lich distribuieren« nur so lange uneingeschränkt<br />
gilt, wie nicht größere Ereignisse doch den<br />
Einsatz mehrerer Teams sinnvoll oder erforderlich<br />
machen. Auch die durch den digitalen<br />
Newsdesk generierten Nachrichten werden bei<br />
Radio Bremen weiterhin programmspezifisch<br />
ausgewählt und präsentiert. Gleiches gilt im SR:<br />
Er verfügt bereits seit 2006 über einen multimedialen<br />
Newsroom. Hier sind die Redaktionen<br />
neben der realen räumlichen Nähe auch virtuell<br />
durch das Redaktionssystem OpenMedia vernetzt.<br />
Der Newsroom ermöglicht konsequent<br />
medienübergreifende Planung und Koordination,<br />
vermeidet Doppelrecherchen und dop-<br />
Inzwischen 14 Videoreporter sind<br />
für den HR im Einsatz,<br />
darunter Michael Pörtner im Raum Fulda.<br />
pelte Planung, verbessert den Informationsfluss<br />
zwischen den Redaktionen. Die Redaktionssysteme<br />
werden durchlässiger. Die Entscheidung,<br />
was gesendet wird und wie die Informationen<br />
aufbereitet werden, trifft jedoch weiterhin die<br />
zuständige Redaktion.<br />
Zusätzlich eröffnet der Einsatz neuer Technik<br />
die Chance zu schnellerer, flexiblerer Berichterstattung<br />
gerade in dem für die Landesrundfunkanstalten<br />
bedeutsamsten Bereich der<br />
regionalen Nachrichtenkompetenz. Als erste<br />
Landesrundfunkanstalt setzte der HR umfassend<br />
und systematisch auf Videojournalisten,<br />
aber auch auf Videoreporter. Die Videoreporter<br />
sind inzwischen zu einer unverzichtbaren<br />
Quelle regionalen Bild- und Tonmaterials<br />
geworden, das wesentlich zur regionalen Verankerung<br />
des HR beiträgt – und das zu sehr<br />
moderaten Kosten. Inzwischen beliefern die<br />
Videoreporter auch die hr-online-Redaktion.<br />
Andere Häuser, darunter auch der RBB, bedienen<br />
sich mittlerweile ebenfalls dieses neuen<br />
Instruments.<br />
Für alle Landesrundfunkanstalten gilt: Ihr<br />
publizistisches Profil generiert sich in erster<br />
Linie aus ihren unverwechselbaren Hörfunkwellen<br />
und einem auf die spezifischen Bedürfnisse<br />
ihres Sendegebiets zugeschnittenen Dritten<br />
Fernsehprogramm. Diese klassischen linearen<br />
Drei Medien unter einem Dach <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 59
60<br />
Programme bilden auf absehbare Zeit weiterhin<br />
die Grundpfeiler. Die publizistischen Angebote<br />
im Internet wie auch neue nicht-lineare und<br />
mobil nutzbare Formate begleiten und unterstützen<br />
sie, sie runden also das sich aus ihnen ableitende<br />
Profil ab, akzentuieren und ergänzen es.<br />
Angesichts der überaus dynamischen Entwicklung<br />
zeichnet sich allerdings deutlich ab,<br />
dass vor allem jüngere Zielgruppen zunehmend<br />
eine web-spezifische Aufbereitung und mobile<br />
Nutzungsmöglichkeiten der für sie interessanten<br />
Inhalte erwarten. Es wird deshalb immer<br />
häufiger nötig sein, vorhandene Inhalte aus<br />
bestehenden »Gefäßen« in neue Form und auf<br />
anderen Wegen an die Rezipienten zu bringen<br />
– zeitgleich, später oder im Einzelfall durchaus<br />
auch früher als in den klassischen linearen<br />
Programmen. Jede Landesrundfunkanstalt wird<br />
deshalb ihre Abläufe und Organisationsstrukturen<br />
daraufhin überprüfen müssen, ob sie die<br />
dafür nötige Flexibilität ermöglichen.<br />
Jugend in BR-online: der »Südwild«-Auftritt<br />
im Internet mit Videos, Tourdaten, Videotagebüchern,<br />
einem Blog und vielem mehr<br />
Insoweit steht die Frage im Mittelpunkt:<br />
Wer ist für das Medium Internet zuständig? Der<br />
RBB hat sich hier bislang für eine dezentrale<br />
Lösung entschieden. Die programmbegleitenden<br />
Inhalte gestalten und verantworten die<br />
Wellen und Redaktionen selbst, eine in der Direktion<br />
Recht und Unternehmensentwicklung<br />
angesiedelte Online-Koordination unterstützt<br />
sie dabei und verantwortet die einheitlichen<br />
produktionstechnischen und finanziellen Rahmenbedingungen.<br />
Bereichsübergreifende Ereignisse<br />
bereitet die Online-Koordination zentral<br />
für das Unternehmensportal auf. Beispielhaft<br />
seien hier multimediale Projekte wie »Kalter<br />
Krieg im Radio« oder »Preußen-Chronik«<br />
genannt, von einem von vornherein auf alle<br />
multimedialen Darstellungsmöglichkeiten zielenden<br />
und sie einbeziehenden Großprojekt<br />
wie »24 Stunden Berlin« ganz zu schweigen.<br />
Auf ihre je eigene Weise und mit unterschiedlichen<br />
Akzentuierungen entwickeln auch die<br />
anderen Landesrundfunkanstalten intensiv ihre<br />
Kompetenz auf multimedialem Gebiet: so u. a.<br />
der BR mit dem multimedialen Angebot »Südwild«,<br />
der SWR mit DASDING oder der WDR<br />
mit seiner ersten trimedialen Sendung »Quarks<br />
& Co«.<br />
_ Strukturelle Veränderungen<br />
Die Digitalisierung wird Verfahren und Abläufe,<br />
räumliche Zuordnungen, technische Infrastruktur<br />
und viele weitere Rahmenbedingungen<br />
verändern. Dieser Prozess ist unausweichlich,<br />
kann und muss aber sinnvoll gesteuert, koordiniert<br />
und unterstützt werden. Diese Steuerung<br />
Der WDR stellt derzeit alle seine Regionalstudios<br />
auf trimediales Arbeiten um.<br />
Hier das 2007 eröffnete Studio Siegen.<br />
und Koordination zu leisten im Rahmen einer<br />
strukturierten, dauerhaften und nachhaltigen<br />
Gesamtstrategie ist eine der wichtigsten Aufgaben<br />
der nächsten Jahre, der sich alle Häuser<br />
stellen müssen.<br />
Der RBB hatte dafür zunächst seit Anfang<br />
2007 eine auf Geschäftsleitungsebene angesiedelte<br />
Lenkungsgruppe »rbb Digitalstrategie«<br />
beauftragt, den digitalen Entwicklungsprozess<br />
zu begleiten und transparent zu machen. Dazu<br />
gehörte u. a., zunächst einmal zu registrieren,<br />
welche digitalen Aktivitäten der RBB bereits<br />
entfaltet, die für das Haus spezifischen Rahmenbedingungen<br />
festzustellen und Kriterien<br />
zur Einordnung und Bewertung künftiger<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
Digitalvorhaben zu entwickeln. Außerdem<br />
verständigte sich die Geschäftsleitung darauf,<br />
in bestimmten Redaktionsbereichen konkrete<br />
Möglichkeiten bimedialer Zusammenarbeit<br />
zu erproben. In ähnlicher Weise, nämlich im<br />
Rahmen einer Projektstruktur, beschäftigen sich<br />
auch andere Häuser mit dem Themenspektrum<br />
und vergleichbaren Aufträgen.<br />
Seit 1. 5. 2008 obliegt im RBB diese Funktion<br />
der neu geschaffenen Direktion Recht und Unternehmensentwicklung.<br />
Grundlage ist die Annahme,<br />
dass die durch die Digitalisierung ausgelösten<br />
umfassenden Veränderungsprozesse auf<br />
absehbare Zeit die Agenda aller Häuser prägen<br />
und deshalb Teil des Regelgeschäfts sein werden<br />
und müssen. Weil diese Veränderungsprozesse<br />
sämtliche Bereiche und Aktivitäten des Hauses<br />
betreffen, betrachtet der RBB ihre sinnvolle<br />
Steuerung im Rahmen einer Gesamtstrategie als<br />
originäre Aufgabe der Geschäftsleitung. Die Direktion<br />
Recht und Unternehmensentwicklung<br />
Die Fernsehnachrichten »rbb AKTUELL« kommen<br />
ebenfalls aus dem Neubau des Info radios<br />
im Innenhof vom Haus des Rundfunks.<br />
soll insoweit als Vordenker, Ideengeber und Unterstützer<br />
aller Bereiche des Hauses fungieren.<br />
Sie ist die zentrale Anlaufstelle für Ideen und<br />
Vorschläge aus dem Haus, aber natürlich auch<br />
von außen. Die im Haus vorhandene Kreativität<br />
soll auf diese Weise über vorhandene Strukturen<br />
und Hierarchien hinweg nutzbar gemacht<br />
werden. Und umgekehrt sollen die Informationen<br />
über alle relevanten Entwicklungen besser<br />
zugänglich und die Bereiche untereinander<br />
optimal vernetzt werden. Unter dem Strich werden<br />
im besten Fall insbesondere die Programmbereiche<br />
von bestimmten strategischen, administrativen<br />
und organisatorischen Aufgaben<br />
entlastet, die sie im Tagesgeschäft nicht in der<br />
wünschenswerten Intensität – oder nur zulasten<br />
ihres Kerngeschäfts – wahrnehmen können.<br />
Mit dieser Institutionalisierung des Themas<br />
Unternehmensentwicklung auf Direktions ebene<br />
betritt der RBB Neuland in der <strong>ARD</strong>. Diese<br />
Strukturentscheidung, die untrennbar mit der<br />
besonderen Situation des Hauses verknüpft<br />
ist, steht exemplarisch dafür, wie jede einzelne<br />
<strong>ARD</strong>-Anstalt ihren eigenen Weg finden muss,<br />
welche Organisationsstruktur ihren spezifischen<br />
Bedürfnissen optimal entspricht.<br />
_ Bimediales Arbeiten im RBB als Ziel<br />
Eine der vorrangigen Aufgaben der neuen Direktion<br />
Recht und Unternehmensentwicklung<br />
ist es, die Zusammenführung der beiden Programmdirektionen<br />
Hörfunk und Fernsehen<br />
organisatorisch vorzubereiten und zu steuern.<br />
Die Geschäftsleitung sieht in dieser in ihrer<br />
Komplexität in der <strong>ARD</strong> bislang einmaligen<br />
Reorganisation mehrerer Hörfunkwellen und<br />
eines 24-stündigen Fernsehprogramms einen<br />
wichtigen strukturellen Zwischenschritt auf dem<br />
Weg zu ihrem Fernziel, dass künftig eine Redaktion<br />
den jeweiligen Inhalt für alle infrage kommenden<br />
Medien und Ausspielwege aufbereitet.<br />
Was dies für die verschiedenen Inhalte,<br />
Formate und Ausspielwege konkret bedeutet,<br />
wird selbstverständlich im Laufe der Zeit differenziert<br />
zu entwickeln und festzulegen sein.<br />
Eine entscheidende Prämisse für das künftig<br />
erforderliche Höchstmaß an Flexibilität besteht<br />
jedoch darin, schon strukturell den Blick auf<br />
alle denkbaren Aufbereitungsformen zu ermöglichen,<br />
um die jeweilige Redaktion in die Lage<br />
zu versetzen, über die dann jeweils sinnvollste<br />
entscheiden und sie auch umsetzen zu können.<br />
Die dafür erforderliche Öffnung des Horizonts<br />
über das klassische Sendeplatz- und Wellendenken<br />
hinaus ist, so die These, innerhalb einer<br />
offeneren Struktur leichter herstellbar.<br />
Ohne Frage kann dieses Ziel im Mai 2009,<br />
wenn eine Programmdirektorin oder ein Programmdirektor<br />
alle Hörfunkwellen, das rbb<br />
Fernsehen und die programmbegleitenden<br />
Online-Angebote verantwortet, noch nicht erreicht<br />
sein. Vielmehr wird sich dieser Prozess<br />
über viele Jahre erstrecken und zu durchaus<br />
unterschiedlichen Ergebnissen in Bezug auf die<br />
jeweiligen Programmgenres führen. Vor- und<br />
Nachteile solch weitgehender Veränderungen<br />
wollen gut abgewogen sein, dürfen doch die tragenden<br />
Säulen, die für das publizistische Profil<br />
des Hauses auf Sicht primär maßgeblichen line-<br />
Drei Medien unter einem Dach <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 61
62<br />
Ein Schwerpunkt bei der Erprobung von<br />
tri medialem Arbeiten im MDR: der Sport.<br />
Die Hörfunkwelle MDR INFO und die<br />
TV-Sendung »Sport im Osten« bieten seit<br />
April 2008 ein gemeinsames Online-Portal<br />
unter der Adresse www.mdr.de/sport.<br />
aren Programme, nicht beschädigt werden. Verständlicherweise<br />
lösen derartige Umwälzungen<br />
auch große Sorgen und Ängste in der Belegschaft<br />
aus. Transparenz, umfassende Information<br />
und intensive Diskussion aller wichtigen<br />
Schritte sind unabdingbar.<br />
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund setzt<br />
der RBB darauf, so viele Vorschläge und Ansätze<br />
bi- und multimedialer Arbeit wie möglich<br />
aus den Bereichen selbst herausentwickeln zu<br />
lassen. Anfang 2008 hat er deshalb eine größere<br />
Zahl bimedialer »Erprobungsfelder« definiert.<br />
Ohne konkrete Vorgabe über die zu erwartenden<br />
oder gewünschten Ergebnisse waren<br />
Redaktionen aus Hörfunk und Fernsehen aufgefordert,<br />
Vorschläge für intensivere Formen<br />
übergreifender Zusammenarbeit zu entwickeln.<br />
Dies betraf insbesondere die Bereiche Information,<br />
Kultur und Jugend:<br />
So testen beispielsweise die zentralen Regionalnachrichtensendungen<br />
des Fernsehens –<br />
»Abendschau« und »Brandenburg aktuell« –<br />
und die beiden Hörfunkwellen radioBerlin 88,8<br />
und Antenne Brandenburg die Möglichkeiten<br />
gemeinsamer bimedialer Planung und Recherche.<br />
Die Talkformate aus Hörfunk und Fernsehen<br />
sowie Kulturradio (Aktuelles Wort) und<br />
die Redaktion »Stilbruch« des Fernsehens loten<br />
Chancen bimedialer Vernetzung aus. Darüber<br />
Artikel<br />
Interne Nachrichtenagentur (INA) des SWR<br />
hinaus soll das Jugendprogramm Fritz Möglichkeiten<br />
multimedialer Gestaltung erproben, die<br />
für seine Zielgruppe von besonderem Interesse<br />
sind.<br />
Inforadio schließlich, das erfolgreichste<br />
Nachrichtenradio innerhalb der <strong>ARD</strong>, ist bereits<br />
räumlich und organisatorisch für multimediale<br />
Arbeit gerüstet. Dank seines im Mai<br />
2008 eröffneten Neubaus in einem Innenhof<br />
des historischen Hauses des Rundfunks stehen<br />
auf einer Gesamtfläche von 1 500 m² vier Sendestudios,<br />
zwei Produktionsstudios, zwei Reporterboxen<br />
und ein Fernseh-Nachrichtenplatz<br />
zur Verfügung. Von dort kommen Hörfunk-<br />
und regionale Fernsehnachrichten. Außerdem<br />
beherbergt der Neubau die rbb-Text- und die<br />
Online-Nachrichtenredaktion. Am Fernseh-<br />
Nachrichtenplatz findet eine völlig neue Arbeitsteilung<br />
statt: Studio, Regie und Redaktion<br />
sind in einem Raum zusammengefasst. Ein<br />
Team aus vier Mitarbeitern produziert die drei-<br />
bis fünfminütigen Tagesnachrichten »rbb aktuell«.<br />
Gesendet wird quasi aus dem »Redaktionsbüro«<br />
heraus. Inforadio ist nun auch Zentrum<br />
der RBB-internen Agentur für Regionalnachrichten<br />
INA (Interne Nachrichten-Agentur).<br />
Hier werden die regionalen journalistischen Aktivitäten<br />
des RBB nachrichtlich gebündelt und<br />
allen Redaktionen zur Verfügung gestellt.<br />
Neben diesen strukturell-organisatorisch<br />
angelegten Erprobungsbereichen befassen sich<br />
einzelne Bereiche des RBB mit konkreten digitalen<br />
Test- oder Pilotprojekten, so wie dies<br />
auch in den anderen Häusern geschieht. Dazu<br />
gehören ein mobil empfangbares Angebot der<br />
Jugendwelle Fritz, zwei in einer Zeitschleife<br />
online abrufbare Sendungen (Loopstreams)<br />
dieses Programms sowie ein »Inforadio phone-
Realität und Fiktion: Videoreporter Hendrik<br />
Graf (Armin Rohde) in dem BR-»Tatort«<br />
»Bluthunde« aus dem Jahr 2001 (l.) und der<br />
echte Reporter Nils Crauser vom SR (r.)<br />
cast« genanntes Angebot, mit dem Inforadio-<br />
Nachrichten und -Services telefonisch abgefragt<br />
werden können.<br />
Die Ergebnisse und Erfahrungen all dieser<br />
Erprobungsfelder und Testprojekte wertet die<br />
Direktion Recht und Unternehmensentwicklung<br />
aus. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse<br />
sollen nutzbar gemacht werden für andere Bereiche<br />
und Aktivitäten des Hauses, zur Kosten-/<br />
Nutzen-Analyse und nicht zuletzt zur Einschätzung<br />
des Bedarfs an Schulungs- und Qualifikationsmaßnahmen<br />
bei festen und freien Mitarbeitern.<br />
Die Konsequenzen werden in der<br />
Geschäftsleitung diskutiert und festgelegt.<br />
Darüber hinaus hat die Geschäftsleitung ein<br />
Verfahren verabredet, auf dessen Grundlage<br />
alle Digitalvorhaben abgewickelt werden. Als<br />
ein solches gilt jedes Vorhaben, das unmittelbar<br />
oder mittelbar der Programmproduktion,<br />
-veranstaltung oder -verbreitung dient. Solche<br />
Vorhaben sind per se Teil der Digitalstrategie.<br />
Grundsätzlich entscheidet dabei, soweit es<br />
sich um originär programmliche Aktivitäten<br />
handelt, die jeweilige Redaktion im Rahmen<br />
ihrer in der Programmdirektion verabredeten<br />
Vorgaben eigenverantwortlich über derartige<br />
Vorhaben. Allerdings ist die Direktion Recht<br />
und Unternehmensentwicklung in die Planungen<br />
insoweit einzubeziehen, als sie vor der<br />
Umsetzung dazu Stellung zu nehmen hat, ob<br />
es sich um ein »neues« oder »verändertes« Angebot<br />
handelt oder ihrer Ansicht nach sonstige<br />
Gründe dafür sprechen, es als für das Unternehmen<br />
bedeutsam zu qualifizieren.<br />
Solch ein neues, verändertes bzw. unternehmensrelevantes<br />
Vorhaben wird dann »unternehmensübergreifend«<br />
in einem von der<br />
Geschäftsleitung eingerichteten, interdisziplinär<br />
besetzten »rbb Digitalforum« diskutiert und<br />
anschließend auf der Grundlage der dort entwickelten<br />
Stellungnahme in der Geschäftsleitung<br />
abschließend behandelt. In allen anderen Fällen<br />
– in denen es also beispielsweise um die Weiterentwicklung<br />
des Programms im Rahmen des<br />
Regelgeschäfts geht – bleibt es hingegen bei der<br />
originären Verantwortung der Programmdirektion;<br />
das »rbb Digitalforum« wird dann jeweils<br />
lediglich über den Stand bzw. die Entwicklung<br />
sowie etwaige Erkenntnisse informiert.<br />
Auf diese Weise sollen nicht nur alle Direktionen<br />
des Hauses über sämtliche relevanten<br />
Entwicklungen informiert sein. Die Funktion<br />
einer Kommunikationsplattform ermöglicht als<br />
solche überhaupt erst eine sinnvolle Gesamtstrategie<br />
zur Weiterentwicklung des Unternehmens.<br />
Diese ist für den RBB umso wichtiger,<br />
als er unter besonders schwierigen finanziellen<br />
Rahmenbedingungen arbeiten muss. Für ihn<br />
gilt deshalb vielleicht noch mehr als für jede andere<br />
Landesrundfunkanstalt: Gefragt und erforderlich<br />
ist die permanente Vergewisserung darüber,<br />
was leistbar ist, wo Aufwand und Nutzen<br />
im besten Verhältnis zueinander stehen, welche<br />
Vorhaben optimal zum publizistischen Profil<br />
passen, wo es lohnt, für ein Mehr an Flexibilität<br />
auch einmal mehr Geld auszugeben.<br />
Dr. Reinhart Binder,<br />
Direktor Recht und Unternehmensentwicklung<br />
des RBB<br />
Drei Medien unter einem Dach <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 63
64<br />
Die neuen Weltempfänger<br />
Revolutionäre Umbrüche in der Unterhaltungselektronik<br />
Von Rüdiger Malfeld<br />
Die Revolution findet eher heimlich statt, zumindest<br />
wenn man die Debatte in der Fachöffentlichkeit be-<br />
trachtet: Die Technik des Internets unterwandert die<br />
klassische Unterhaltungselektronik. Am besten sichtbar<br />
ist dies bei WLAN-Radios. Die neuen Apparate mit dem<br />
»Frequenzbereich« Internet beginnen gerade, den<br />
Massenmarkt zu erobern.<br />
W<br />
enn im »digital living« die Kopfhörer<br />
ausgepackt werden, ist die<br />
Stimmung meist besonders gut. In<br />
der ange deuteten Küche des Ladenlokals,<br />
in dem der WDR die Auswirkungen<br />
handels üblicher Digitaltechnik auf die Mediennutzung<br />
erfahrbar macht, stehen dann zehn<br />
Radio apparate auf der Theke. Und noch keine<br />
Be suchergruppe ist nicht sofort ins Schwärmen<br />
geraten. Der eine freut sich darüber, dass er auf<br />
Anhieb einen Sender aus dem letzten Urlaubsort<br />
findet. Der zweite wundert sich, dass es<br />
auch für sein musikalisches Spezialinteresse ein<br />
Programm gibt. Den dritten begeistert, dass die<br />
LieblingsComedy oder das am Morgen verpasste<br />
»ZeitZeichen« seines WDRProgramms<br />
jederzeit auf Knopfdruck anspiel bereit ist. Den<br />
vierten . . .<br />
Um was für Apparate handelt es sich, die einen<br />
solchen Grad von Aufmerksamkeit auf sich<br />
ziehen? Eigentlich sind es ganz normale Radios,<br />
so unauffällig wie all die akustischen Tagesbegleiter,<br />
an die wir uns gewöhnt haben. Der<br />
Unterschied: Die neuen Geräte beziehen ihre<br />
Programme aus dem Internet, angeschlossen an<br />
die Breitbandverbindung, die sich inzwischen<br />
in über der Hälfte der deutschen Haushalte findet.<br />
Zur Nutzung muss kein PC eingeschaltet<br />
sein. Meist drahtlos per WLAN (Wireless Local<br />
Area Network) mit dem Internet verbunden,<br />
offerieren die Apparate eine Auswahl aus 10 000<br />
und mehr Stationen weltweit. Die zur Bedienung<br />
notwendige Benutzerführung ist gleich<br />
eingebaut. Nach Herkunftsland, Sprache, Programmgenre<br />
oder aufgrund redaktioneller Emp<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
fehlungen lässt sich mit dem Drücken von ein<br />
paar Tasten das Wunschprogramm auswählen.<br />
Aber interessiert das wirklich das Publikum?<br />
_ Demnächst ein neuer Massenmarkt<br />
»Die Verbreitung von InternetradioEndgeräten<br />
überschreitet 2008 die Grenze vom ›Nischenmarkt‹<br />
zum Massenmarkt«, sagt Heiko Meertz,<br />
in der amerikanischen Firma vTuner zuständig<br />
für die Märkte in Europa und Asien. »Die installierte<br />
Basis von Internetradios in KontinentalEuropa,<br />
also ohne England, überschreitet<br />
die Anzahl von DABRadios bei weitem. Wie<br />
oft in neuen Märkten verdoppelt sich die Anzahl<br />
verkaufter Geräte von Jahr zu Jahr. In 2008<br />
wird das erste Mal die Millionengrenze an verkauften<br />
Geräten pro Jahr überschritten.«<br />
vTuner stellt für zahlreiche EndgeräteHersteller<br />
das »Backend«, wie man neumodisch<br />
sagt, bereit. Von dort stammen jene Daten, die<br />
Breites Angebot<br />
an Geräten: Innerhalb<br />
kurzer Zeit hat die neue<br />
Technik in vielfältige<br />
Endgeräte Eingang<br />
gefunden.<br />
Übersicht in das weltweite Radiogeschehen<br />
bringen. Die Firma organisiert aber auch die<br />
Bedienoberflächen, über die Geräte konfiguriert<br />
und Dienste abonniert werden können. Derartige<br />
Firmen stellen eine neue Kategorie von<br />
Mitspielern im Medienmarkt dar, von Politik,<br />
Regulierung und Sendern noch eher wenig betrachtet.<br />
Sie befördern die wahre Konvergenz in<br />
den audiovisuellen Medien, die aus Nutzersicht<br />
nicht zwischen Radio, Fernsehen und Webseiten<br />
zum Lesen stattfindet, sondern innerhalb<br />
der Mediengattungen voll entbrannt ist: nämlich<br />
zwischen herkömmlichen Programmen,<br />
OndemandAngeboten wie Podcasts, eigenen<br />
Medien wie MP3Dateien sowie kommerziellen<br />
Musikdiensten wie Musicload oder Napster und<br />
personalisierten Musikstreams aus Communities<br />
wie Pandora oder last.fm.<br />
_ Neue Geräte für neue Nutzungsformen<br />
Diese Konvergenz aus Nutzersicht will zum<br />
Beispiel Grundig mit künftigen Geräten unterstützen.<br />
»Wir arbeiten unter anderem an<br />
Möglichkeiten zur Aufnahme – quasi wie<br />
früher beim Radiorekorder – und werden zeitversetztes<br />
Hören, also Timeshift, anbieten«, so<br />
Reiner Pechmann, Productmanager für Audio/<br />
HiFi. »Von den Sendern erhoffen wir uns eine<br />
bessere Qualität, höhere Bandbreiten, vielleicht<br />
zusätzliche Angebote wie beispielsweise Hintergrundberichte,<br />
die über das reine Rundfunkprogramm<br />
hinausgehen, und eine Verbreiterung<br />
des Angebots hin zum InternetTV.«<br />
Der Wunsch ist nachvollziehbar. Denn<br />
die Endgeräte, auf denen die Mediennutzung<br />
stattfindet, werden zunehmend hybrid, also<br />
aus unterschiedlichen Funktionen<br />
zusammengesetzt sein. Den<br />
elektronischen Bilderrahmen<br />
für<br />
die Digitalfotos<br />
mit eingebautem<br />
Internetradio gibt<br />
es schon. Für Handys<br />
von Weltmarktführer<br />
Nokia gibt es<br />
kostenlos bereits einen<br />
Kostenlose Zugabe:<br />
Eine Software aus dem<br />
Internet macht aktuelle<br />
Handys zum vollwertigen<br />
WLAN-Radio.<br />
Die neuen Weltempfänger <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 65
integrierten InternetRadioplayer. Und in die<br />
Wohnzimmer hält Einzug die InternetBox für<br />
den Fernseher, die den Zugang zur kommerziellen<br />
OnlineVideothek mit MediathekZugriff<br />
und Internetradio verbindet.<br />
Robert Hoffmann, Vorstandssprecher der<br />
1 & 1 Internet AG, vermarktet als einer der größten<br />
deutschen Betreiber von Internetanschlüssen<br />
für Privatkunden eine solche Box. Er weist<br />
auf die Bedeutung des Internets als »Infoquelle<br />
Kinderleichte Bedienung: Spezialisierte Redaktionen<br />
sortieren das weltweite Radioangebot<br />
nach Genres, Ländern und Sprachen.<br />
Nr. 1« von jüngeren Leuten hin: »Immer mehr<br />
DesktopTools auf dem PC integrieren Internetradio,<br />
zudem gibt es heute schon kaum noch<br />
ein Handy oder Smartphone ohne Streaming<br />
Funktion, also der Möglichkeit, Internetradio<br />
auf mobilen Endgeräten zu übertragen. Neben<br />
Text und Bewegtbild rundet Radio das Internet<br />
EntertainmentPortfolio einfach ab. Besonders<br />
Radioinhalte in Form von Podcasts erfreuen sich<br />
zunehmender Beliebtheit, das sehen wir ganz<br />
deutlich an den Nutzungszahlen unseres 1 & 1<br />
MediaCenters.« Und auch hier begegnet uns<br />
wieder ein Mitspieler der neuen Art: Ȇber unseren<br />
Partner phonostar«, so Hoffmann weiter,<br />
»haben wir eine riesige Zahl an Radiostationen<br />
integriert – über 4 000. Durch intelligente Suchfunktionen,<br />
Redaktionstipps und die Möglichkeit<br />
zur FavoritenSpeicherung ist die Nutzung<br />
komfortabel und geht weit über das hinaus, was<br />
der herkömmliche Rundfunk bieten kann.«<br />
_ Großes Publikumsinteresse an dem<br />
neuen Verbreitungsweg<br />
Wenn technisch auf dem Internet basierende<br />
Mediennutzung nicht auf dem Computer<br />
stattfinden muss, sondern mit herkömmlichen<br />
UnterhaltungselektronikEndgeräten wie Ra<br />
dio oder Fernseher stattfindet, dann könnte<br />
sie für das Publikum von hoher Attraktivität<br />
sein. Diese These wird auch durch eine groß<br />
angelegte qualitative Studie untermauert, die<br />
von der WDRMedienforschung wissenschaftlich<br />
unabhängig in Kooperation mit dem<br />
EndgeräteHersteller TerraTec kürzlich durchgeführt<br />
worden ist. Insgesamt 200 Menschen,<br />
von einem Forschungsinstitut für verschiedene<br />
Fokusgruppen rekrutiert, wurden über längere<br />
Zeit mit einer fünfstufigen Befragung beim Radiohören<br />
übers Internet begleitet – der eine Teil<br />
nutzte einen PC, der andere einen speziellen<br />
InternetRadioapparat. Nicht nur, dass 80 Prozent<br />
der Teilnehmenden bis zum Ende der Untersuchung<br />
durchhielten, was eine extrem gute<br />
Ausschöpfung darstellt. Die Nutzerinnen und<br />
Nutzer waren auch überaus zufrieden mit dem<br />
Radiohören übers Internet.<br />
Einzig die erste Installation des Apparats<br />
stellt eine gewisse Hürde dar. Schließlich muss<br />
man den Schlüssel für sein WLAN kennen und<br />
eintragen. Aber selbst daran scheinen sich Inhaber<br />
von BreitbandInternetanschlüssen inzwischen<br />
gewöhnt zu haben. Die durchschnittliche<br />
Dreiviertelstunde für die Installation konnte der<br />
Zufriedenheit mit der als leicht und übersichtlich<br />
empfundenen Bedienung der Geräte nicht<br />
schaden.<br />
Zufriedenheit mit dem Radiohören<br />
über das Internet in Prozent der Befragten<br />
Nutzer von WLAN-Radios PC-Nutzer<br />
Erste fünfte erste fünfte Befragung<br />
In der Studie zum Radiohören über<br />
Internet äußerten die Befragten kaum<br />
Kritik an WLAN-Radios.<br />
66 Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />
66<br />
37<br />
58<br />
5<br />
57<br />
43<br />
23<br />
59<br />
16<br />
2<br />
30<br />
60<br />
9<br />
1<br />
ó Sehr gut<br />
ó gut<br />
ó weniger gut<br />
ó gar nicht
In der Gruppe derjenigen, die einen InternetRadioapparat<br />
nutzten, lag am Ende die<br />
Zustimmung für diesen neuen Verbreitungsweg<br />
bei überraschenden 100 Prozent. Als Gründe<br />
für die Begeisterung wurden neben Tonqualität<br />
und Bedienungsfreundlichkeit vor allem die<br />
Auswahlmöglichkeiten aus einem riesigen Angebot<br />
genannt, auch wenn sich das praktische<br />
Hören – wie bei der herkömmlichen Radionutzung<br />
auch – anschließend in der Regel auf die<br />
wenigen Sender beschränkte, die auf den Stationstasten<br />
bzw. in der Favoritenliste landeten.<br />
Damit bestätigten sich die hoffnungsvollen Hypothesen,<br />
mit denen die Untersuchung gestartet<br />
wurde: Radios mit Internetanschluss sind offenbar<br />
sehr attraktiv für das Publikum und geben<br />
der Gattung die sonst gelegentlich vermisste<br />
»gefühlte« Modernität.<br />
_ Völlig neue Konkurrenzsituation<br />
An den Grundprinzipien des Radiohörens ändert<br />
dieser Verbreitungsweg nichts, wohl aber<br />
an der Konkurrenz und an der AuswahlSituation.<br />
Dass die großen bekannten Marken und<br />
nicht das Studentenradio oder die JazzStation<br />
aus den USA auf den vorderen Stationstasten<br />
landen, ist nicht gesichert. Und in welcher Rubrizierung<br />
und Reihenfolge Radiostationen in<br />
den Geräten zur Auswahl angeboten werden,<br />
entscheiden Gerätehersteller und Portalbetreiber<br />
aus aller Welt. 1 & 1Chef Hoffmann verweist in<br />
diesem Zusammenhang auf den so genannten<br />
Völlig veränderte Konkurrenzsituation: Dieses<br />
Portal listet immerhin 661 Radiostationen<br />
aus Deutschland auf.<br />
LongTail oder RattenschwanzEffekt, der das<br />
verfügbare Angebot breiter und auch Nischenprodukte<br />
profitabel macht. Das dürfte nicht<br />
nur an den im Gegensatz zum herkömmlichen<br />
Rundfunk kaum beschränkten Übertragungska<br />
pazitäten liegen, sondern auch an den geringen<br />
Kosten, die das Umkonfektionieren und Bereithalten<br />
von bereits einmal verwendeten Produktionen<br />
verursacht.<br />
Der WDR hat eben dieses mit vier inhaltlich<br />
ambitionierten, als »Webchannels« nur<br />
im Internet zu hörenden Radioangeboten erprobt:<br />
1LIVE Kunst (Popmusik, verbunden mit<br />
Kulturberichten aus WDR 3 und WDR 5; vgl.<br />
<strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> 07, S. 141), KIRAKA (16 Stunden<br />
tägliches Kinderradio, hergestellt aus 90 Minuten<br />
Kinderfunk von WDR 5) sowie zwei fremdsprachigen<br />
Angeboten aus dem Material von<br />
Funkhaus Europa.<br />
_ Neue Chancen für hochwertige Produktionen<br />
Das Umfeld ist ideal, um den Nutzen gerade<br />
der hochwertigen Produktionen des öffentlichrechtlichen<br />
Radios zu vergrößern und um die<br />
Ausschöpfung von Zielgruppen zu verbessern –<br />
sei es durch Podcasts, sei es durch genrebezogene<br />
Webchannels. Der gesamte Bereich des<br />
deutschsprachigen Wortes ist in den Internetradios<br />
noch Mangelware, besonders bei Hörspielen,<br />
Features und hintergründiger politischer<br />
Information. Aber auch unabhängiger Musikjournalismus<br />
und – vor allem – einheimische<br />
Konvergenz zum Anfassen: Auf der Bedienoberfläche<br />
dieses Radios verschmelzen<br />
Live-Programm und zugehörige On-demand-<br />
Angebote zu einer Einheit.<br />
Musikproduktionen finden sich in dem an sich<br />
überbordenden weltweiten Angebot eher selten.<br />
Wie eine aktuelle wissenschaftliche Studie<br />
des Kölner Instituts für Presseforschung<br />
zeigt, haben diese Rahmenbedingungen in der<br />
Schweiz zu einer medienpolitischen Diskussion<br />
geführt, an deren Ende die öffentlichrechtliche<br />
SRG ausdrücklich beauftragt wurde, drei digi<br />
Die neuen Weltempfänger <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 67
68<br />
Bei Vorführungen stets umlagert:<br />
WLAN-Radios in der WDR-Präsentation<br />
»digital living«<br />
tale MusikGenrekanäle anzubieten, die ein<br />
besonderes Augenmerk auf die schweizerische<br />
Musikszene werfen sollen.<br />
Von dieser Qualität oder gar diesen Ergebnissen<br />
scheint die deutsche medienpolitische<br />
Diskussion über die Ausdifferenzierung der<br />
Gattung Radio noch ein Stück entfernt zu<br />
sein, sofern eine solche Diskussion überhaupt<br />
stattfindet. Das geplante »Verbot mit Erlaubnisvorbehalt«<br />
für ausschließlich im Internet<br />
verbreitete Radioprogramme, wie es die StaatsvertragsDiskussion<br />
im Sommer 2008 vorsieht,<br />
ist sicherlich die strengste der möglichen Lösungen.<br />
Andererseits dürfte wohl kaum irgend<br />
wo der gesellschaftliche und künstlerische<br />
Mehrwert ebenso wie der technisch getriebene<br />
Anpassungsdruck so sichtbar sein wie auf<br />
den Bedienoberflächen der InternetRadioapparate,<br />
die mittlerweile schon die Werbeprospekte<br />
der großen Unterhaltungselektronik<br />
Ketten zieren.<br />
_ Das Beste aus zwei Welten kombinieren<br />
Bleibt noch die naheliegende Frage, ob der<br />
AudioBoom im Internet am Ende den Tod der<br />
Versuche bedeuten wird, einen digitalen terrestrischen<br />
Verbreitungsweg für das Radio, zum<br />
Beispiel mit der Technik der DABSystemfamilie<br />
(Digital Audio Broadcasting) zu etablieren.<br />
Gegen eine solche These spricht eine ganze<br />
Reihe von Argumenten: Radio wird überall in<br />
der Fläche mobil und portabel genutzt. Das<br />
gilt in Gebäuden wie außerhalb, in Fahrzeugen<br />
mit geringer wie in Fahrzeugen mit höchster<br />
Geschwindigkeit. Ob mobile InternetÜbertragungstechnik<br />
jemals in der Lage sein wird,<br />
jedem von uns an jedem Ort und jederzeit eine<br />
stabile ÜbertragungsBandbreite von 64 kbit/s<br />
zur Ver fügung zu stellen, ist ungewiss.<br />
Klassische Rundfunktechnik ist in Infrastruktur<br />
und Ökonomie jedenfalls überlegen, wenn<br />
es darum geht, zeitgleich vielen Menschen<br />
dasselbe BasisAngebot diskriminierungs und<br />
barrierefrei zur Verfügung zu stellen. Allerdings<br />
muss das digitale terrestrische Radio vor einem<br />
Neustart von der Entwicklung im Internet lernen.<br />
Mit ihren inhaltlichen Vorstellungen von<br />
der »Zukunft des Radios« hat die <strong>ARD</strong>Hörfunkkommission<br />
das gerade formuliert. »Podcasts<br />
via Broadcast«, aufgrund von Metadaten<br />
in die Playlist des eigenen MP3Players integrierbare<br />
Beiträge, visuelle Begleitung von Radiosendungen<br />
und fakultativ nutzbare Interaktivität<br />
im digitalen Radioapparat der Zukunft – so soll<br />
das Beste aus der Welt der Internetradios mit<br />
den Vorzügen des klassischen Rundfunks kombinierbar<br />
werden.<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />
Rüdiger Malfeld, Leiter der Hauptabteilung Infrastrukturmanagement<br />
im WDR, verantwortet die<br />
Programmverbreitung für Radio, TV und Internet
Das Interesse an aktueller Information ist das zweit-<br />
wichtigste Motiv für die Hörer, ein Radioprogramm ein-<br />
zuschalten. Zu diesem Ergebnis kam die <strong>ARD</strong>/ZDF-Lang-<br />
zeitstudie »Massenkommunikation 2005«. Nachrichten<br />
sind nach wie vor eine Domäne des öffentlich-recht-<br />
lichen Rundfunks. Die Nachrichten- und Informations-<br />
sendungen im <strong>ARD</strong>-Hörfunk, im Fernsehen und im Inter-<br />
net stehen für hohe journalistische Qualität, Seriosität<br />
und Glaubwürdigkeit. Die Untersuchung »InfoMonitor<br />
2007« etwa bestätigte die deutlichen qualitativen<br />
Unterschiede zwischen den öffentlich-rechtlichen und<br />
privaten Fernsehnachrichten.<br />
Mit ihren Informations- und Nachrichtenwellen garan-<br />
tiert die <strong>ARD</strong> eine wirtschaftlich und politisch unab-<br />
hängige Berichterstattung, ein Mehrwert für alle Nutzer<br />
des Mediums Radio.<br />
Ständig auf dem Laufenden<br />
Zur Situation der <strong>ARD</strong>-Infowellen<br />
Von Mercedes Riederer<br />
M<br />
ein Papa mag es am liebsten im<br />
Auto, meine Mama mag es am<br />
liebsten in der Küche und mein<br />
Opa mag es den ganzen Tag.« Mit<br />
diesem knappen Werbespot-Text für Rundfunkgebühren<br />
haben sich Schüler aus Nürnberg an<br />
einem Wettbewerb des BR beteiligt und dabei<br />
den Nagel auf den Kopf getroffen. Radio ist<br />
ein »Überall-Medium« mit dem unangreifbaren<br />
Vorteil der mobilen Nutzung nebenbei – unter<br />
der Dusche, beim Joggen, beim Bügeln und<br />
Kochen oder eben beim Autofahren. Die häufig<br />
abfällig gebrauchte Charakterisierung des »Nebenbei-Mediums«<br />
erweist sich in einer Zeit, in<br />
der auch Fernsehen und Internet mobil werden,<br />
als wichtiges Alleinstellungsmerkmal.<br />
_ Das Prinzip Radio<br />
Lange galt der Hörfunk als das schnellste und<br />
aktuellste Medium. Doch bei der schnellen Verfügbarkeit<br />
von Nachrichten hat er – vor allem<br />
online – Konkurrenz bekommen. Darauf weisen<br />
die Medienforscher die Macher von Inforadios<br />
seit längerem sorgenvoll hin. Doch »hören<br />
reicht«, sagt Andreas Wertz, Chefredakteur von<br />
Inforadio, dem Nachrichtenkanal des RBB,<br />
und begründet mit diesem »Prinzip Radio«<br />
seinen Optimismus für die Zukunft der <strong>ARD</strong>-<br />
Infowellen. Diese positive Grundeinschätzung<br />
wird in den anderen Häusern mit Inforadios<br />
geteilt, allerdings zwingt die veränderte Medienlandschaft<br />
zu einer Überprüfung von Format,<br />
Inhalten und Zusatzangeboten. Die Reaktion<br />
der Wellen steht auf drei Beinen: on air, online<br />
und off air.<br />
Infowellen <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 69
70<br />
Im Studio von hr-info:<br />
Alexander Schmitt, Moderator, Redakteur<br />
und Börsenreporter<br />
_ Mit Erfolg gestartet<br />
Als der BR am 6. 5. 1991 mit B5 aktuell den ersten<br />
reinen Informations- und Nachrichtenkanal<br />
im deutschen Hörfunkmarkt startete, war<br />
die Rund-um-die-Uhr-Nachrichtenversorgung<br />
durch den Hörfunk in Deutschland konkurrenzlos.<br />
B5 aktuell, für das France Info und die<br />
amerikanischen All-News-Channels Pate gestanden<br />
hatten, war so erfolgreich, dass weitere<br />
Landesrundfunkanstalten folgten: 1992 MDR<br />
INFO, 1995 Inforadio Berlin, 1998 NDR Info,<br />
und 2004 hr-info.<br />
Heute erreichen die fünf Infowellen der<br />
<strong>ARD</strong> von Montag bis Freitag 1,69 Millionen<br />
Hörer bundesweit (ma 2008 Radio II). Zum Vergleich:<br />
Die drei überregionalen Tageszeitungen<br />
»Süddeutsche Zeitung«, »Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung« und »WELT« (inkl. »Welt kompakt«)<br />
verkaufen zwischen Montag und Freitag<br />
täglich rund 1,10 Mio Exemplare.<br />
_ Die Konkurrenz wächst mit den Verbreitungswegen<br />
»Die schnellste Art, Bescheid zu wissen« hieß<br />
der erste Programmslogan von B5 aktuell, der<br />
auf die Besonderheit der ständig aktualisierten<br />
Nachrichtenübermittlung im Radio hinwies.<br />
Doch dieses Alleinstellungsmerkmal aus den erfolgreichen<br />
Gründungsjahren steht zunehmend<br />
infrage. Zunächst durch die Nachrichtenkanäle<br />
im Fernsehen wie das zu ProSiebenSat.1 gehörende<br />
Programm N 24 und n-tv, inzwischen<br />
Mitglied der RTL Group. Dazu kommt öffent-<br />
lich-rechtliche Konkurrenz im Fernsehen mit<br />
den digitalen Angeboten von <strong>ARD</strong> und ZDF,<br />
EinsExtra und ZDF Info.<br />
Die jüngsten Konkurrenten sind die Newsportale<br />
im Internet. Laut BITKOM (Bundesverband<br />
Informationswirtschaft, Telekommunikation<br />
und neue Medien) wurden im ersten<br />
Quartal 2008 die 20 meistgenutzten Nachrichtenseiten<br />
im Internet insgesamt 1,2 Milliarden<br />
Mal besucht. BITKOM-Vizepräsident<br />
Achim Berg kommentierte: »Diese Wachstumsraten<br />
sind ein weiterer Beleg, dass der Medienmarkt<br />
sich in einem radikalen Umbruch<br />
befindet.«<br />
_ Erkennbar bleiben auf dem Medienmarkt<br />
Dieser Umbruch mit dem rasant wachsenden<br />
Nachrichtenangebot, das uns vom Handy bis<br />
zum PC über alle denkbaren Verbreitungswege<br />
erreicht, kann jedoch auch eine Chance sein für<br />
Inforadios – wenn gilt, was der Pulitzer-Preisträger<br />
und Journalismus-Professor Michael Parks<br />
für die künftige Mediennutzung prognostiziert:<br />
»Wer gehaltvolle Nachrichten liefert, wird profitieren.«<br />
Parks stellt weiter fest, »dass die Mediennutzer<br />
immer wählerischer werden, weil immer<br />
mehr Informationen zur Verfügung stehen«.<br />
Deshalb werden Marken immer wichtiger.<br />
Gerade in einem sich differenzierenden Medienmarkt<br />
orientieren sich die Nutzer an Marken.<br />
Sie hören gerade einmal 1,4 Programme<br />
im Schnitt am Tag – nicht zuletzt jene, die als<br />
Internet-Livestream genutzt werden.<br />
Die Inforadios haben sich als Marken für<br />
glaubwürdige Informationsvermittlung etabliert.<br />
Das zeigt die Entwicklung der Hörerzahlen. Die<br />
rasanten Zuwächse der frühen Jahre sind zwar<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />
Reporterin Marie Asmussen meldet sich mit<br />
Live-Berichten aus Berlin und Brandenburg in<br />
Inforadio (RBB).
vorbei, doch die Zahlen halten sich auf hohem<br />
Niveau. Zur positiven Überraschung der Verantwortlichen<br />
hatte B5 aktuell bereits ein Jahr nach<br />
Programmstart 1992 eine Tagesreichweite von<br />
2,0 Prozent. Zwölf Jahre später – im Jahr 2004<br />
– meldete das Programm seinen bisherigen Rekord<br />
mit 5,8 Prozent, das sind 546 000 Hörer in<br />
Bayern. Seither liegt die Reichweite stabil zwischen<br />
vier und fünf Prozent.<br />
_ »Willkommen in gut informierten Kreisen«<br />
Die Inforadios haben sich in der Zeit ihres Bestehens<br />
zu einem heimlichen Leitmedium für<br />
Nachrichten entwickelt. Heimlich deshalb, weil<br />
sie selten Untersuchungsgegenstand von Kommunikationswissenschaftlern<br />
sind und deshalb<br />
in der öffentlichen Diskussion über Mediennutzung<br />
kaum eine Rolle spielen. Tatsächlich<br />
erreichen sie jedoch besonders die Infoelite. Ein<br />
typischer Hörer von B5 aktuell ist der Intendant<br />
des BR, Thomas Gruber. In einem Interview zu<br />
seiner eigenen Mediennutzung gefragt, berichtet<br />
er: »Heute morgen habe ich, so wie jeden<br />
Tag, B5 aktuell gehört, um schnell und zuverlässig<br />
informiert zu sein.« Der BR-Intendant steht<br />
für die Zielgruppe von Infoprogrammen. Diese<br />
erreichen deutlich stärker als andere Radioformate<br />
(berufstätige) Entscheidungsträger, Multiplikatoren<br />
und Meinungsbildner. Bei B5 aktuell<br />
ist der Anteil der formal Hochgebildeten sowie<br />
der Selbständigen und der leitenden Angestellten<br />
mehr als doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung.<br />
Nicht verwunderlich ist deshalb, dass die<br />
Domäne der Inforadios in Großstädten und<br />
Ballungsräumen liegt. Besonders profitiert hat<br />
davon das Inforadio des RBB. Mit dem Standortvorteil,<br />
in und aus der Bundeshauptstadt zu<br />
senden, liegt es mit seiner prozentualen Reichweite<br />
im eigenen Sendegebiet auf Platz eins der<br />
Nachrichtenprogramme der <strong>ARD</strong>. Die Berliner<br />
haben darauf ihren aktuellen Claim treffend<br />
formuliert: »Willkommen in gut informierten<br />
Kreisen.«<br />
_ Garant für Verlässlichkeit: die Stundenuhr<br />
Der Programmchef von Inforadio, Andreas<br />
Wertz, charakterisiert seine Hörer und bestätigt<br />
die zunehmende Bedeutung von Marken im<br />
Nachrichtengeschäft: »Es gibt Nachrichtenjunkies,<br />
die wollen die schnelle Übersicht. Wo<br />
steht die Welt? Bei den vielen Angeboten wird<br />
der Anbieter immer wichtiger.« Bei diesen An-<br />
bietern wollen die Inforadios der <strong>ARD</strong> auch in<br />
Zukunft mitspielen und setzen dabei auf ihre<br />
Alleinstellungsmerkmale: Nachrichtenkompetenz,<br />
inhaltliche Glaubwürdigkeit sowie die Formatverlässlichkeit.<br />
Auf die Bedeutung der Verlässlichkeit des<br />
Formats, die so genannte Stundenuhr, weisen<br />
alle Programmverantwortlichen hin. »Das<br />
Format ist sakrosankt«, sagt Max Stocker von<br />
B5 aktuell. Er kennt das Programm als Redakteur<br />
der ersten Stunde, verfolgte als Frankreichkorrespondent<br />
die Weiterentwicklung des<br />
Vorbilds France Info und ist heute der dritte<br />
Redaktionsleiter seit Bestehen des BR-Nachrichtenkanals.<br />
Stundenuhr von B5 aktuell<br />
Dieses Format bringt der aktuelle Programmslogan<br />
»In 15 Minuten kann sich die<br />
Welt verändern« auf den Punkt. Es war eine<br />
»böse« Ironie der Geschichte, dass dieser Slogan<br />
wenige Wochen vor dem Angriff auf das<br />
World Trade Center, am 11. 9. 2001, entwickelt<br />
wurde. Er gilt bis heute. Die Hörer erhalten<br />
Nachrichten im Viertelstundentakt, wann immer<br />
sie einschalten. Wolfgang Aigner hatte als<br />
erster Redaktionsleiter diesen bundesdeutschen<br />
Prototyp entwickelt: Top-News aus der Welt,<br />
aus Deutschland und der Region, mit den klassischen<br />
Ressorts Politik und Aktuelles, Wirtschaft,<br />
Kultur, Sport. Nur der RBB hat sich für<br />
einen 20-Minuten-Takt entschieden. Doch auch<br />
dort gilt: Am Format wird nichts geändert.<br />
Infowellen <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 71
72<br />
Obwohl also die Viertelstunden-Grundstruktur<br />
von B5 aktuell nicht angetastet wird,<br />
hört sich das Programm heute anders an als<br />
im ersten Sendejahr 1991. »Wir werden immer<br />
kleinteiliger«, beschreibt Redaktionsleiter Max<br />
Stocker die heutige Anmutung, die der durch<br />
das Internet veränderten Mediennutzung Rechnung<br />
trägt. Damals bestanden die Ressortblöcke<br />
Wirtschaft, Kultur und Bayern jeweils aus<br />
einem dreiminütigen Beitrag, heute werden die<br />
Hörer in kurzen Nachrichtenblöcken über drei<br />
bis fünf unterschiedliche Themen informiert.<br />
_ Neue Konzepte: mehr Themen, mehr Erklärung,<br />
mehr Regionalität<br />
Die jüngste Weiterentwicklung des Programms<br />
von B5 aktuell wurde Mitte 2008 eingeleitet:<br />
mehr Themenvielfalt, mehr formale Abwechslung,<br />
größere Verständlichkeit, aber auch mehr<br />
MDR-INFO-Reporter Karsten Möbius (r.)<br />
im Interview mit Dr. Tilman Lantzsch,<br />
dem Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde<br />
und Geburtshilfe in Halle (Saale)<br />
Erklärung. Wenn beispielsweise in Berlin Regierung<br />
und Opposition über eine Änderung<br />
der Altersteilzeit streiten, gibt es künftig nicht<br />
nur die Nachrichtenminute, sondern auch das<br />
ergänzende Expertengespräch, in dem die Vor-<br />
und Nachteile der Konzepte erläutert werden.<br />
Max Stocker will ein Newsformat, das verlässlich<br />
und seriös ist, aber nicht starr und langweilig.<br />
»Wir arbeiten an mehr als der reinen Nachricht«,<br />
beschreibt Andreas Wertz (RBB) den<br />
Trend, der die inhaltliche Programmentwicklung<br />
bei allen Inforadios kennzeichnet. Unterstützt<br />
von qualitativer Medienforschung<br />
kommt Wertz zu dem Ergebnis, dass der Bedarf<br />
nach Deutung und Einordnung zugenommen<br />
hat. Gerade hier sehen alle Häuser eine Kernaufgabe<br />
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.<br />
Inforadios als Lotsen. »Die Hörer wollen<br />
Orientierung im Informationsdschungel«, bestätigt<br />
auch der Chefredakteur des MDR, Christian<br />
Schneider: Im Programm hat MDR INFO<br />
unter anderem mit der Rubrik »Hörer machen<br />
Programm« darauf reagiert. Hier werden Fragen<br />
und Anregungen von Hörern aufgegriffen.<br />
Weniger Politiker-Statements, mehr Erklärung<br />
und einordnende Korrespondentengespräche<br />
sind eine Programmveränderung, die<br />
sich die neue NDR-Chefredakteurin und Programmchefin<br />
von NDR Info, Claudia Spiewak,<br />
vorgenommen hat. Außerdem wird es künftig<br />
mehr Reportagen zu relevanten Themen im<br />
Programm geben, denn »man begreift mehr,<br />
wenn man Geschichten am Menschen erzählt«,<br />
sagt Claudia Spiewak. Diese Renaissance der<br />
Radioreportage ist in allen Häusern zu be-<br />
obachten. Christian Schneider vom MDR<br />
nennt das »Themen herunterbrechen auf die Bedürfnisse<br />
der Hörer«.<br />
Besonderes Gewicht legt man beim MDR<br />
auf die Regionalität. Ehrgeiziges Ziel ist es, im<br />
mitteldeutschen Sendegebiet mit seinen drei<br />
Bundesländern bei regionalen Themen Marktführer<br />
zu werden. Die Bedeutung von Regionalität<br />
in Infoprogrammen verdeutlichte auch die<br />
Intendantin des RBB, Dagmar Reim, in einem<br />
Interview: »Wir könnten nur 8 bis 10 Prozent<br />
von dem, was Inforadio aus Berlin und Brandenburg<br />
sendet, in einem deutschlandweiten<br />
Kanal unterbringen.« Ob nationale oder internationale<br />
Berichterstattung, wo immer möglich<br />
wird der regionale Bezug hergestellt. Diese Maxime<br />
gilt für alle Infowellen der <strong>ARD</strong>, die ihre<br />
Stärke in der regionalen Berichterstattung als<br />
Mittel der Markenbildung nutzen gegen eine<br />
zunehmend globale Konkurrenz.<br />
Die Inforadios reagieren auf die zunehmende<br />
Konkurrenz also mit zwei Strategien,<br />
die nur auf den ersten Blick widersprüchlich<br />
erscheinen. Einerseits mit mehr Kleinteiligkeit<br />
und Tempo, eine Reaktion auf die veränderten<br />
Hörgewohnheiten der klickenden Infogesellschaft,<br />
andererseits mit mehr Hintergrund und<br />
journalistischem Anspruch.<br />
»Die Zukunft des Radios liegt im Journalismus«,<br />
ist auch der neue Hörfunkdirektor des<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
Im neuen Redaktions- und Sendekomplex<br />
von Inforadio (RBB) kann das Team bimedial<br />
arbeiten. Der neu entstandene Fernseh-<br />
Nachrichtenplatz ist bestens mit der Inforadio-Redaktion<br />
nebenan vernetzt.<br />
NDR, Joachim Knuth, überzeugt. Als Vorgänger<br />
von Claudia Spiewak leitete er bis Ende<br />
2007 NDR Info. In einem seiner ersten Interviews<br />
in der neuen Funktion stellte er fest: »Wir<br />
müssen in Zukunft noch stärker von den Inhalten<br />
her denken, weil wir uns in der digitalen<br />
Welt nur dadurch von anderen unterscheiden.<br />
Dies ist die natürliche Weiterentwicklung des<br />
Formatradios, das mit Wiederauffindbarkeit,<br />
Verlässlichkeit und Orientierung unser Medium<br />
in den vergangenen 15 Jahren geprägt hat.«<br />
_ Infowellen: der Weg aus dem Info-Dschungel<br />
»Wir sind overnewsed und underinformed«,<br />
stellt die Medienwissenschaftlerin Miriam Meckel<br />
in ihrem neuesten Buch »Das Glück der<br />
Unerreichbarkeit. Wege aus der Kommunikationsfalle«<br />
fest. Meckel fragt: »Wann wird aus viel<br />
Information zu viel Information?« Die jüngste<br />
journalistische Qualitätsoffensive der Inforadios<br />
ist eine Reaktion auf das von Meckel thematisierte<br />
Unbehagen der Medienwissenschaftler.<br />
Sozial- und Wahrnehmungspsychologen sagen,<br />
dass der Mensch nur zwei Prozent der ihm zur<br />
Verfügung stehenden Informationen wirklich<br />
wahrnimmt und verarbeitet. Die Reaktion darauf<br />
ist die selektive Wahrnehmung der Informationen,<br />
die wir tatsächlich brauchen. Hier<br />
wollen die Inforadios ihre Hörer abholen: Konzentration<br />
auf das Wesentliche und gleichzei-<br />
tige Einordnung. MDR-INFO-Chef Christian<br />
Schneider nennt Radioinformation das ideale<br />
Angebot bzw. die »bequeme Variante«.<br />
Doch wie werden Infowellen – und nicht nur<br />
sie – die Hörer künftig erreichen? Noch klingen<br />
die Zahlen für den Hörfunk komfortabel.<br />
Ob Radiowecker, Küchenradio, Kassettendeck<br />
oder vor allem Autoradio, fast jeder Haushalt<br />
in der Bundesrepublik verfügt über mindestens<br />
ein Empfangsgerät. Auf dem Markt sind derzeit<br />
über 300 Mio UKW-Geräte. Im Durchschnitt<br />
hört jeder Bundesbürger täglich rund drei Stunden<br />
linear Radio. Medienforscher bezeichnen<br />
deshalb die deutschen Radio-hörer im internationalen<br />
Vergleich als »Heavy User«.<br />
_ Radio und Internet: zwei Wege, eine Strategie<br />
Allerdings sagen die Statistiken auch, dass die<br />
Konkurrenz der Medien beim Radio erste<br />
Spuren hinterlässt. Danach ist Radionutzung<br />
neuerdings leicht rückläufig: Minus 0,6 Prozentpunkte<br />
gegenüber dem Vorjahr weist die<br />
ma 2008 Radio II für die Tagesreichweite (76,5<br />
Prozent, Mo – So, Deutsche über 14 Jahren)<br />
bei leicht abnehmender Hördauer aus. Beunruhigend<br />
für die Gattung Radio ist, dass die<br />
Tagesreichweite bei den ganz jungen Leuten<br />
abnimmt und bereits um elf Prozentpunkte unter<br />
der des älteren Publikums (Über-50-Jährige)<br />
liegt.<br />
Gleichzeitig nimmt Radiohören über das<br />
Internet zu, denn gerade die Jüngeren nutzen<br />
selbstverständlich die neuen Techniken:<br />
17 Prozent der Unter-30-Jährigen hören Radio<br />
über das Internet, ebenfalls 17 Prozent über das<br />
Handy und 15 Prozent nutzen die Radiofunktion<br />
ihres MP3-Players. Diese Zahlen stellte die<br />
Radiozentrale, eine gemeinsame Einrichtung<br />
öffentlich-rechtlicher und privater Hörfunkveranstalter,<br />
auf dem Radioday 2007 in Köln vor.<br />
Die Medienforscher von <strong>ARD</strong> und ZDF<br />
sind in ihrer Online-Studie 2007 auch der Frage<br />
nachgegangen, wie sich das Internet auf die<br />
Radionutzung auswirkt: 22 Prozent der Onlinenutzer<br />
meinen, wegen ihrer Internetnutzung<br />
weniger Radio zu hören. Aber hier spricht – wie<br />
so häufig in der empirischen Sozialforschung<br />
– die tatsächliche Nutzungsrealität eine andere<br />
Sprache als die Selbsteinschätzung der Befragten.<br />
So ergab die <strong>ARD</strong>/ZDF-Online-Studie<br />
2008, dass 71 Prozent Internet-Nutzer täglich<br />
Radio hören, unter den Nicht-Internet-Nutzern<br />
sind es nur 65 Prozent. Mit dem Internet hat<br />
Infowellen <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 73
74<br />
Immer aktuelle Sportberichte, so von<br />
der UEFA Fußball-Europameisterschaft 2008;<br />
im Bild: Teamchef Oliver Frick im SWR<br />
Radiobus, der mobilen Produktionseinheit zur<br />
<strong>ARD</strong>-Hörfunk-Berichterstattung<br />
das »alte« Medium Radio allerdings nicht nur<br />
weitere Konkurrenz bekommen, sondern es hat<br />
neben Antenne, Kabel und Satellit auch einen<br />
neuen Vertriebsweg gewonnen. Radio-Live-<br />
Streams haben inzwischen schon 23 Prozent der<br />
deutschen Internet-Anwender genutzt – Tendenz<br />
steigend.<br />
Die Hörer von Infowellen – auch das hat die<br />
Medienforschung herausgefunden – sind besonders<br />
Internet-affin. Sie erwarten, dass sich die<br />
linear ausgestrahlten Informationen auch online<br />
wiederfinden. Deshalb müssen die Inforadios<br />
im Internet präsent sein und auf programmbegleitende<br />
Onlineangebote setzen – unabhängig<br />
davon, dass alle als Live-Stream auch im Internet<br />
gehört werden können.<br />
_ Sinnvolle Ergänzung: begleitende Online-Angebote<br />
B5 aktuell bietet seit Mitte 2006 die Spezialsendungen<br />
des Wochenendes unter dem Slogan<br />
»Radio zum Mitnehmen« als Podcast an. Die<br />
Abrufzahlen steigen monatlich an. Besonders<br />
rasant für das Computermagazin, das neben der<br />
linearen Ausstrahlung jede Woche von mehr<br />
als 10 000 Interessenten zum zeitunabhängigen<br />
Hören heruntergeladen wird. Für die Programm-Macher<br />
ein weiterer Beleg für die Internetaffinität<br />
ihrer Hörer.<br />
»Die Digitalisierung ist die Zukunft des<br />
Hörfunks, denn der Hörfunk darf nicht eine<br />
analoge Insel in einem digitalen Umfeld sein«,<br />
schrieb vor zwei Jahren an dieser Stelle Johannes<br />
Grotzky, Hörfunk-Direktor des BR und<br />
damals Vorsitzender der Hörfunkkommission,<br />
in seinem Beitrag »Alles – überall – zu jeder<br />
Zeit? Der Hörfunk auf dem Weg ins digitale<br />
Zeitalter«. Grotzky sieht bei der digitalen Entwicklung<br />
vor allem für die Kultur- und Informationsprogramme<br />
Chancen, da deren häufig<br />
berufstätige Hörer daran interessiert sind, Sendungen<br />
zeitversetzt, orts- und geräteunabhängig<br />
abrufen zu können.<br />
B5 aktuell hat bereits mit Erfolg neue Angebote<br />
für diese Hörer ins tägliche Programm genommen.<br />
Jeweils zur Drive Time, also der Zeit,<br />
wenn die Hörer am späten Nachmittag auf dem<br />
Weg von der Arbeit nach Hause sind, werden<br />
Zusammenfassungen der wichtigsten Themen<br />
aus Bayern und der Wirtschaft ausgestrahlt, die<br />
auch über Podcast abrufbar sind. Die Nachfrage<br />
nach »Bayern kompakt« und »Wirtschaft<br />
kompakt« steigt kontinuierlich. Ebenso wie die<br />
Abrufzahlen von »Themen und Termine«, einer<br />
Vorschau auf die wichtigen Ereignisse des kommenden<br />
Tages.<br />
hr-info, das jüngste der <strong>ARD</strong>-Inforadios,<br />
setzt stark auf eine programmbegleitende Internetstrategie,<br />
die derzeit von einem Team um<br />
HR-Chefredakteurin Katja Marx, (ab 2009 auch<br />
für hr-info zuständig), entwickelt wird. Einmal<br />
um den strategischen Nachteil einer dünnen<br />
Frequenzversorgung auszugleichen und auch<br />
um dem Rückgang von Hörerzahlen im Tagesverlauf<br />
entgegenzuwirken.<br />
Die Veränderung von Hörgewohnheiten<br />
zeigt sich auffällig bei den schon länger im<br />
Markt etablierten Infowellen. Danach liegen<br />
die Spitzenwerte unverändert hoch in der Prime<br />
Time am Morgen und in der Drive Time. Denn<br />
Inforadios »leben« überwiegend von der Nut-<br />
Börsen-Nachrichten gehören zu jeder Stundenuhr,<br />
im Bild: Wolfgang Grün, Claudia<br />
Wehrle und Eva Zaher (v. l.) berichten aus der<br />
Frankfurter Börse.<br />
Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08
Hintergrundberichte sind wichtiger Bestandteil<br />
der Infowellen: Für Inforadio (RBB)<br />
recherchierte <strong>ARD</strong>-China-Korrespondentin<br />
Petra Aldenrath mit verstecktem Mikrofon in<br />
einer chinesischen Kohlegrube.<br />
zung im Auto auf der Fahrt zur Arbeit und<br />
zurück. So geben beispielsweise mehr als die<br />
Hälfte der Hörer von B5 aktuell (55 Prozent) an,<br />
das Programm im Auto zu hören. Allerdings<br />
verliert das Programm Hörer zwischen diesen<br />
Spitzenwerten, also ab 10.00 Uhr bis gegen<br />
16.00 Uhr. Das künftige Programmkonzept von<br />
hr-info zieht aus der beobachteten Veränderung<br />
die Konsequenz, das linear ausgestrahlte Programm<br />
verstärkt mit Angeboten zum zeitunabhängigen<br />
Radiohören zu ergänzen, so Katja<br />
Marx.<br />
_ Diskussionsveranstaltungen stärken die Marke<br />
Gesicht zeigen nicht nur on air und online,<br />
sondern auch off air. Darauf setzen besonders<br />
RBB, BR und NDR. Über 100 öffentliche Veranstaltungen<br />
im Jahr organisiert Inforadio in<br />
Berlin und Brandenburg. Die Diskussionen mit<br />
prominenten Gästen aus Politik, Wirtschaft,<br />
Wissenschaft und Kultur zahlen, so Programmchef<br />
Wertz, einerseits auf die Marke Inforadio<br />
ein und werden anderseits Programm. Die Gesprächssendung<br />
»Forum – die Debatte im Inforadio«<br />
läuft jeden Samstag.<br />
»B5 aktuell – Das Forum« heißt eine neu<br />
entwickelte Veranstaltung des bayerischen<br />
Nachrichtenprogramms. Auch hier entsteht aus<br />
öffentlichen Diskussionen mit Hörerbeteilung<br />
Programm. Zusätzlich hat sich die Zahl der<br />
Medienpartnerschaften im gesamten Sendegebiet<br />
mehr als verdoppelt, eine Chance für die<br />
Programm-Macher, B5 aktuell noch bekannter<br />
zu machen. Besonders gerne vereinbart Max<br />
Stocker diese Partnerschaften in Regionen, die<br />
auf den so genannten Hörerkarten der Medienforschung<br />
alarmrot sind, das heißt, dass dort<br />
B5 aktuell im Vergleich mit dem restlichen Sendegebiet<br />
unterdurchschnittlich gehört wird.<br />
»Menschen erreichen, die mitreden wollen<br />
und Erklärungen suchen«, das ist auch die Idee<br />
einer Veranstaltungsreihe, die derzeit bei NDR<br />
Info konzipiert wird. Neben der klassischen<br />
Werbung setzt Chefredakteurin Claudia Spiewak<br />
auf Off-air-Aktivitäten, um den Bekanntheitsgrad<br />
des Programms zu erhöhen.<br />
_ Wer hört, versteht<br />
Nicht nur Radioprogramme werben um Hörer.<br />
Besonders betroffen von der Medienkonkurrenz<br />
sind Tageszeitungen. Der Rückgang des<br />
Interesses von jungen Leuten an gedruckten<br />
Medien wurde zunächst auf die elektronische<br />
Konkurrenz zurückgeführt, zunehmend jedoch<br />
auf das Internet und die digitalen Welten von<br />
Web 2.0. Der Chefredakteur der »WELT«, Thomas<br />
Schmid, sprach bei einer Veranstaltung<br />
sogar von der Tageszeitung als »bedrohter Art«.<br />
Gegen diesen Trend initiierte deshalb der Bundesverband<br />
der Zeitungsverleger im April dieses<br />
Jahres gemeinsam mit der Bundesregierung eine<br />
Imagekampagne für die Presse. Was dabei über<br />
die Rolle der Tageszeitung für die Demokratie<br />
gesagt wurde, lässt sich auf die Infoprogramme<br />
der <strong>ARD</strong> übertragen: Wer sich verlässlich über<br />
die politischen und gesellschaftlichen Debatten<br />
informieren und an der öffentlichen Kommunikation<br />
teilhaben will, ist auf das gesprochene<br />
Wort angewiesen: Die Inforadios. Wer hört,<br />
versteht!<br />
Mercedes Riederer,<br />
Leiterin von B5 aktuell und<br />
Chefredakteurin Politik und Wirtschaft<br />
Infowellen <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 75