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_ ARD-Jahrbuch 8

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_ <strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> 08<br />

40. Jahrgang<br />

Herausgegeben von der<br />

Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunkanstalten der Bundesrepublik<br />

Deutschland (<strong>ARD</strong>)<br />

unter Mitwirkung der<br />

<strong>ARD</strong>-Werbung<br />

Verantwortlich für den Herausgeber<br />

Fritz Raff,<br />

Intendant des Saarländischen Rundfunks


_ redaktion<br />

Horst O. Halefeldt (hhalefeldt@hr-online.de),<br />

Gudrun Augustin (gaugustin@hr-online.de),<br />

Susanne Hennings (shennings@hr-online.de),<br />

Renate Mohl (bis 30. 6. 2008)<br />

Doris Rehme-Lauer (drehme@hr-online.de),<br />

Jutta Weismüller (jweismueller@hr-online.de),<br />

Deutsches Rundfunkarchiv (DRA).<br />

_ produktion und vertrieb<br />

Jutta Weismüller (jweismueller@hr-online.de),<br />

Cornelia Springer (cspringer@hr-online.de),<br />

_ geschäftsführung<br />

Deutsches Rundfunkarchiv (DRA).<br />

Hans-Gerhard Stülb, Deutsches Rundfunkarchiv (DRA).<br />

_ anschrift von redaktion und geschäftsführung<br />

Bertramstr. 8, 60320 Frankfurt am Main,<br />

Telefon (0 69) 15 68 72 11, Fax (0 69) 15 68 71 00<br />

_ umschlag<br />

E-Mail: ardjahrbuch@hr-online.de<br />

Julia Eichhorn und Ludmilla Schmidt, Saarbrücken<br />

_ layout, typografie und grafik-design<br />

_ reproduktionen<br />

_ gesetzt<br />

_ druck<br />

Peter Wolf KommunikationsDesign, Hainburg.<br />

Dinges & Frick GmbH, Wiesbaden.<br />

in BSK Garamond und Thesis.<br />

Wilhelm & Adam Werbe- und Verlagsdruck GmbH,<br />

Heusenstamm. _ verlag<br />

_ auslieferung<br />

Hans-Bredow-Institut, Hamburg 2008.<br />

Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden.<br />

_ alle rechte vorbehalten.<br />

Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers.<br />

_ isbn 978-3-8329-4022-5<br />

_ Der Umschlag des <strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong>s ist aus einem Wett-<br />

bewerb hervorgegangen, den die <strong>ARD</strong> mit einer Meisterklasse<br />

der HBK Saar, Fachbereich Kommunikationsdesign, unter<br />

fachlicher Betreuung von Prof. Indra Kupferschmid und Prof.<br />

Ivica Maksimovic veranstaltet hat.


_ Artikel<br />

Viel mehr als nur »Programm«<br />

Die Vielfalt der <strong>ARD</strong> und die Zukunft des öffentlichrechtlichen<br />

Rundfunks – eine Standortbeschreibung<br />

Von Fritz Raff _ 13<br />

Föderal ist nicht egal<br />

Das »deutsche Modell« des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks<br />

Von Verena Wiedemann _ 16<br />

Ein nur noch seltenes Paar<br />

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Jugend –<br />

Strategien gegen den Generationenabriss<br />

Von Volker Giersch _ 23<br />

Mehr Markt für die europäische<br />

Telekommunikation?<br />

Zum aktuellen Diskussionsstand<br />

Von Eva-Maria Michel _ 30<br />

Ein neues Spannungsfeld<br />

<strong>ARD</strong>-Programme auf Plattformen Dritter<br />

Von Karola Wille _ 37<br />

Wunschprogramm zum Mitnehmen<br />

Die <strong>ARD</strong> Mediathek<br />

Von Heidi Schmidt _ 41<br />

Ständig steigende Qualität<br />

Digitales Fernsehen auf dem Weg zu hoch<br />

aufgelösten Bildern<br />

Von Michael Spading und Dirk Lüdemann _ 48<br />

Drei Medien unter einem Dach<br />

Wie Hörfunk, Fernsehen und Internet in der <strong>ARD</strong><br />

zusammenwachsen<br />

Von Reinhart Binder _ 56<br />

Die neuen Weltempfänger<br />

Revolutionäre Umbrüche in der<br />

Unterhaltungselektronik<br />

Von Rüdiger Malfeld _ 64<br />

Ständig auf dem Laufenden<br />

Zur Situation der <strong>ARD</strong>-Infowellen<br />

Von Mercedes Riederer _ 69<br />

Politische Information im Ersten<br />

Eine Innensicht<br />

Von Thomas Baumann _ 76<br />

Journalisten sind nicht immun<br />

Zur Inszenierung von Politik in den Medien<br />

Von Thomas Meyer _ 82<br />

Pressefreiheit unter Druck<br />

Recherche-Journalismus als Qualitätsanker<br />

Von Thomas Leif _ 87<br />

Kontrolle, Propaganda und ein schönes Lächeln<br />

Journalistischer Alltag in China<br />

Von Ariane Reimers _ 96<br />

Olympia im Bild<br />

Die Sommerspiele und Paralympics in Peking<br />

Von Walter Johannsen _ 103<br />

Olympia zum Hören<br />

Die Sommerspiele in Peking im Radio und Online<br />

Von Alexander Bleick und Jürgen Werwinski _ 107<br />

Ein »Tatort« für die Ohren<br />

Ein Zwischenbericht vom Gemeinschaftsprojekt<br />

»<strong>ARD</strong> Radio Tatort«<br />

Von Ekkehard Skoruppa _ 111<br />

Vom »Boot« bis zum »Baader-Meinhof-Komplex«<br />

Zur Situation des Fernsehfilms im Ersten<br />

Von Verena Kulenkampff _ 117<br />

»Männer und Frauen sind gleichberechtigt«<br />

Quote, Qualität und Gleichstellung in der <strong>ARD</strong><br />

Von Barbara Lessel-Waschbüsch _ 122<br />

Über den eigenen Bedarf hinaus<br />

Nachwuchsförderung und Ausbildung in der <strong>ARD</strong><br />

Von Helmut Reitze _ 129<br />

Reise zu den Synapsen<br />

Weiter bilden – weiter denken: die <strong>ARD</strong>.ZDF<br />

medienakademie<br />

Von Stefan Hanke _ 135<br />

Ein Neubau fällt nicht vom Himmel<br />

Zur Vorgeschichte von Radio Bremen Neu<br />

Von Heinz Glässgen _ 141<br />

Steiniger Weg<br />

Das erste Fusionskind des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks, der SWR, wird zehn Jahre alt<br />

Von Peter Boudgoust _ 149<br />

»Ihr gutes öffentliches Recht« – die Imagekampagne<br />

von <strong>ARD</strong> und ZDF Von Peter Meyer und Rolf-<br />

Dieter Ganz _ 154<br />

Inhalt <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 5


6<br />

_ Chronik und Berichte<br />

Chronik 2007 _ 159<br />

<strong>ARD</strong> und Rundfunkanstalten _ 159<br />

Wettbewerbe und Veranstaltungen _ 187<br />

Rundfunkpolitik 2007 _ 201<br />

Von Verena Wiedemann _ 201<br />

Beilegung des Beihilfeverfahrens _ 202 I Bundes-<br />

verfassungsgericht bestätigt Entwicklungsgarantie _<br />

202 I Öffentlich-rechtlicher Rundfunk auch inter-<br />

national gestärkt _ 203 I <strong>ARD</strong> legt Digitalstrategie vor _<br />

204 I Verlage und VPRT kontra Internet-Gemeinde _<br />

205 I Rundfunkgremien übernehmen zusätzliche<br />

Verantwortung _ 206 I Diskussion über Aufgaben<br />

und Rolle der Gremien _ 206 I Öffentlich-rechtliche<br />

Programmverantwortung wahrehmen _ 207 I<br />

Anmeldung des Finanzbedrafs bei der KEF _ 208 I<br />

Verteidigung der Pressefreiheit _ 208 I Verteidigung<br />

der Rundfunkkompetenzen der Länder gegenüber<br />

Brüssel _ 208<br />

Rundfunkfinanzen 2007 _ 209<br />

Gesamtergebnis: dank erfolgreicher Sparmaßnahmen<br />

größerer Überschuss im dritten Jahr der Gebühren-<br />

periode _ 210 I Ertragslage: Gebührenerträge kaum<br />

noch zu steigern, Werbeumsätze leicht gesunken _<br />

211 I Aufwands entwicklung: Abbau von Planstellen,<br />

keine Tarifsteigerungen, weniger aufwändige sportliche<br />

Großereignisse _ 214 I Finanzierungsstruktur:<br />

Eigenkapitalquote erhöht, aber weiter unter der vergleichbarer<br />

Unternehmen _ 214 I Aktiva _ 215 I<br />

Passiva _ 215<br />

Produktion und Technik 2007 _ 216<br />

DVB-T treibt Digitalisierung voran _ 217 I Sender,<br />

Leitungsverbindungen und Studios 2007 _ 218 I<br />

Politische Offensiven für das Digitalradio _ 220 I Radio<br />

via Internet: Podcasts, Live-Streams, Webchannels<br />

und mehr _ 220 I Programmverbreitung via Kabel und<br />

Satellit: Verhandlungen und Verbesserungen _<br />

221 I Weitere Verbesserung der UKW-Versorgung _ 221<br />

I Videofiletransfer im Regelbetrieb _ 222 I Funkhäuser<br />

und Studios: Ein neues Domizil für Radio Bremen<br />

_ 223 I Erneuerung von Sendezentralen: Die neue<br />

Fernsehzentrale des BR in Freimann _ 223 I Erneuerung<br />

von Studios: Multimedial von Siegen bis Frankfurt<br />

(Oder) _ 224 I Hörfunkproduktion und -sendung:<br />

Weiter im Zeichen der Digitalisierung _ 225 I Fernsehproduktion<br />

und -sendung: Breitbildformat und erste<br />

Schritte Richtung HDTV _ 226 I Außenübertragungen:<br />

Die ersten HDTV-Ü-Wagen in der <strong>ARD</strong> _ 226 I Groß-<br />

Inhalt <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 0 8<br />

ereignisse: Vom G8-Gipfel bis zur Kanu-WM _ 227 I IRT:<br />

Maßgebliche Beteiligung an der WRC-07 _ 228 I RBT:<br />

Kontinuierliche Optimierung _ 228<br />

Gemeinschaftseinrichtungen 2007 _ 229<br />

Degeto Film GmbH: Erfolgreiche Auftragsproduktionen<br />

für die <strong>ARD</strong> und 32 Prozent des Programms für das<br />

Erste _ 229 I Deutsches Rundfunkarchiv: Modernisie-<br />

rung der Datenbanken kommt voran, Nutzung nimmt<br />

weiter zu _ 230 I Gebühreneinzugszentrale: Wirtschaft-<br />

lichkeit erneut unter Beweis gestellt _ 231 I <strong>ARD</strong>.ZDF<br />

medienakademie: Der Start ist gelungen _ 232<br />

Medienforschung 2007 _ 233<br />

Sehdauer erstmals seit sieben Jahren verringert _ 234 I<br />

<strong>ARD</strong>/ZDF-Studie »Migranten und Medien 2007«: Keine<br />

mediale Parallelgesellschaft _ 234 I Das Erste und die<br />

Dritten der <strong>ARD</strong> vorn _ 234 I Das Informationsangebot<br />

des Ersten und dessen Nutzung haben zugenommen _<br />

236 I Die neuen politischen Diskussionssendungen<br />

im Ersten sind ein voller Erfolg _ 236 I Unterhaltung<br />

und Fiktion: Großes Zuschauerinteresse für anspruchs-<br />

volle Filme _ 237 I Sport: Finale der Handballwelt-<br />

meisterschaft ein Zuschauermagnet _ 239 I Image:<br />

Das Erste der Deutschen Lieblingssender _ 239 I<br />

Dritte Programme: In der Summe an der Spitze _ 239<br />

I Dritte Programme: Innovationen zahlten sich aus _<br />

240 I Dritte Programme: Erfolgreich mit zahlreichen<br />

Informationsangeboten _ 240 I <strong>ARD</strong>/ZDF-Online-<br />

Studie 2007: Fast 41 Millionen Online-Nutzer _ 241 I<br />

Dritte Programme: Guter Rat bringt Quoten _ 242 I<br />

Dritte Programme: Erfolg mit Wissenschafts- und<br />

Glaubensthemen _ 242 I Dritte Programme: Heimat-<br />

klänge zwischen Kultur und Unterhaltung mit hoher<br />

Resonanz _ 242 I Dritte Programme: Unterhaltungs-<br />

sendungen jeder Art weiter beliebt _ 243 I Media<br />

Analyse 2008 Radio I: Radionutzung blieb mehr oder<br />

weniger stabil _ 243 I Radiomarkt: <strong>ARD</strong>-Programme<br />

weiterhin Marktführer _ 244 I Radiomarkt: Kultur- und<br />

Infoprogramme weiter erfolgreich _ 244 I Radiomarkt:<br />

Unterschiede von Region zu Region _ 245 I DW-Radio<br />

und DW-TV: Asien als weiterer Schwerpunkt neben<br />

der arabischen Welt und dem Balkan _ 247<br />

Hörfunk 2007 _ 250<br />

Mehr Information, mehr Interaktivität: 1LIVE positio-<br />

nierte sich neu _ 251 I Neue Töne bei WDR4 _ 251 I<br />

Zeitgemäßes Kulturradio: SWR2 neu strukturiert _ 251 I<br />

Die Hörfunkprogramme der <strong>ARD</strong> 2007 _ 252 I SR 1<br />

Europawelle mit einem Plus an Information _ 252 I<br />

Bremen Vier schärfte sein Profil _ 253 I 103.7 Unser-<br />

Ding rundum erneuert _ 253 I B5 plus – der digitale<br />

Ereigniskanal _ 254 I Ein besonderes Angebot für das<br />

junge Bayern: Bavarian Open Radio auf Sendung _


254 I Voll im Trend: Neues bei DASDING (SWR), Fritz<br />

(RBB) und N-JOY (NDR) _ 254 I Information und Kultur:<br />

SWR cont.ra, Nordwestradio, Deutschlandradio Kultur<br />

und MDR 1 RADIO THÜRINGEN optimiert _ 255 I<br />

Programmwochen und Schwerpunktprogramme _ 256<br />

I Radiomultikulti und hr1 mit neuen Akzenten _ 257<br />

I Neue Sendungen: Die ganze kulturelle Bandbreite:<br />

vom »Lyrischen Intermezzo« bis zur »Movieshow« _<br />

258 I Aktuelles und thematische Schwerpunkte: Top-<br />

Thema G8-Gipfel: <strong>ARD</strong>-Radio berichtet umfassend<br />

über Armut und Klimawandel _ 260 I Akzente und<br />

Jahrestage: »Mythos RAF«: Spurensuche 30 Jahre<br />

nach dem Deutschen Herbst _ 262 I Hörspiel und<br />

Medienkunst: Günter Eichs »Träume« 1951 und 2007 _<br />

265 I Auslandsprogramme: DW-RADIO – Im Dialog mit<br />

der Welt _ 268<br />

Fernsehen 2007 _ 269<br />

Das Erste _ 269<br />

Die Fernsehprogramme der <strong>ARD</strong> 2007 _ 270 I Politik,<br />

Gesellschaft, Kultur: Innovation und Qualität _ 271 I<br />

Sport: Wintermärchen Handball _ 272 I Fernsehfilm:<br />

»Die Frau vom Checkpoint Charlie« _ 273 I Spielfilm:<br />

TV-Events und Kinohighlights im Ersten _ 274 I Unter-<br />

haltung: Pelzig und Pocher _ 275 I Kirche: Geschichte<br />

des Judentums erzählt _ 276 I Familie: Die Maus auf<br />

Deutschlandreise _ 277 I Ausland: Der Papst und die<br />

Queen _ 277 I Vorabend: Living History _ 277<br />

Die Dritten Programme<br />

Bayerisches Fernsehen: Neues Programmschema<br />

_ 278 I hr-fernsehen: »Noch mehr Hessen« _ 279 I<br />

MDR FERNSEHEN: Kultur, Kirche, Köpfe _ 280 I NDR<br />

Fernsehen in Zusammenarbeit mit Radio Bremen:<br />

Anwalt des Zuschauers _ 281 I rbb Fernsehen: Neues<br />

Programmschema _ 281 I SWR Fernsehen und SR<br />

Fernsehen: Rekordquoten mit Sport-Highlights _ 282 I<br />

WDR Fernsehen: »Schön hier!« _ 283<br />

Satelliten-, Digital- und Auslandsprogramme<br />

3sat: Wissensabende und Schwerpunkte _ 284 I ARTE:<br />

»Summer of Love« _ 284 I PHOENIX: Zehn Jahre »Das<br />

ganze Bild« _ 285 I KI.KA: Erfolgreiches Geburtstags-<br />

jahr _ 286 I BR-alpha: Zehn Jahre Bildungsprogramm _<br />

287 I <strong>ARD</strong> Digital: Mehr vom Fernsehen _ 287 I Eins-<br />

Extra: Mehr Information _ 287 I EinsFestival: Vom<br />

Feinsten _ 287 I EinsPlus: Mehr fürs Leben _ 288 DW-TV:<br />

Optimierung der regionalen Angebote _ 288<br />

Online 2007 _ 289<br />

Fast 63 Prozent der Deutschen sind online _ 289 I<br />

Multimedialität: Angebote für die zeit- und ortssouveräne<br />

Nutzung _ 290 I Information: Große internationale<br />

Politik in Deutschland und eine Landtagswahl _<br />

291 I Drei Weltmeisterschaften und ein Webmagazin<br />

zum Thema Doping _ 291 I Zeitgeschichte: Deutscher<br />

Herbst und Kalter Krieg _ 291 I <strong>ARD</strong> Online: ein Ort für<br />

Kultur _ 292 I Weltreligionen im Netz _ 293 I Neue<br />

Formate: Hundert Sekunden und mehr _ 293 I DW-<br />

WORLD.de: Umfassende Umstrukturierung _ 294<br />

_ Organisation und Personalien<br />

Stand 1. August 2008<br />

Personalien von A bis Z _ 298<br />

<strong>ARD</strong> _ 299<br />

Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunkanstalten der Bundesrepublik<br />

Deutschland _ 299<br />

<strong>ARD</strong>-Einrichtungen _ 300<br />

Degeto _ 300 I <strong>ARD</strong>.ZDF medienakademie _ 300 I<br />

Deutsches Rundfunkarchiv _ 300 I Gebühreneinzugszentrale<br />

_ 300 I Institut für Rund funktechnik _ 301 I<br />

Rundfunk-Betriebstechnik _ 301 I SportA Sport rechte-<br />

und Marketing-Agentur GmbH _ 301<br />

Gemeinsame Programme _ 302<br />

<strong>ARD</strong>-Gemeinschaftsprogramm Das Erste _ 302 I <strong>ARD</strong><br />

Digital _ 302 I EinsExtra _ 302 I EinsFestival _ 302 I<br />

EinsPlus _ 303 I KI.KA – Der Kinderkanal von <strong>ARD</strong><br />

und ZDF _ 303 I PHOENIX. Der Ereignis- und<br />

Dokumentationskanal von <strong>ARD</strong> und ZDF _ 303 I 3sat –<br />

Satellitenfernsehen des deutschen Sprachraums _ 303<br />

Auslandskorrespondenten _ 304<br />

Karte _ 304 I Liste _ 306<br />

<strong>ARD</strong>-Rundfunkanstalten _ 308<br />

Karte: Sendegebiete, Funkhäuser, Studios und<br />

Büros _ 308 I Bayerischer Rundfunk _ 309 I Hessischer<br />

Rundfunk _ 313 I Mitteldeutscher Rundfunk _ 315 I<br />

Norddeutscher Rundfunk _ 318 I Radio Bremen _ 322 I<br />

Rundfunk Berlin-Brandenburg _ 324 I Saarländischer<br />

Rundfunk _ 327 I Südwestrundfunk _ 329 I Westdeutscher<br />

Rundfunk _ 333 I Deutsche Welle _ 336<br />

<strong>ARD</strong>-Beteiligungen _ 338<br />

Deutschlandradio _ 338 I ARTE Deutschland und ARTE<br />

G.E.I.E. _ 340<br />

<strong>ARD</strong>-Werbung und Werbegesellschaften _ 341<br />

Arbeitsgemeinschaft der <strong>ARD</strong>-Werbegesellschaften _<br />

341 I Bayerische Rundfunkwerbung _ 341 I hr wer-<br />

bung _ 341 I MDR-Werbung _ 342 I NDR Media _ 342<br />

I Radio Bremen Media _ 342 I RBB Media _ 342 I SWR<br />

Media Services _ 343 I Werbefunk Saar _ 341 I WDR<br />

media group _ 343<br />

Inhalt <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 7


8<br />

_ Statistik 2007<br />

Finanzstatistik 2007 _ 347<br />

Landesrundfunkanstalten<br />

Vermögensrechnung: Statistische Zusammenfassung<br />

_ 348 I Landesrundfunkanstalten einzeln _ 350<br />

Ertrags- und Aufwandsrechnung/Finanzrechnung:<br />

Statistische Zusammenfassung _ 352 I Bayerischer<br />

Rundfunk _ 354 I Hessischer Rundfunk _ 356 I Mitteldeutscher<br />

Rundfunk _ 358 I Norddeutscher Rundfunk<br />

_ 360 I Radio Bremen _ 362 I Rundfunk Berlin-<br />

Brandenburg _ 364 I Saarländischer Rundfunk _ 366 I<br />

Südwestrundfunk _ 368 I Westdeutscher Rundfunk _<br />

370 I Grafik: Erträge und Aufwendungen 2006 _ 373<br />

Gesamtübersichten: Erträge aus Teilnehmergebühren<br />

_ 374 I Empfangsgeräte nach Einzugsgebieten _<br />

375 I Aufwendungen für die GEZ _ 376 I Aufwendun -<br />

gen für Befreiungsbearbeitung und Beauftragtendienst<br />

_ 376 I Anteil der Verwaltungskosten an den<br />

Gesamtkosten _ 376 I Ausstrahlungskosten _ 377 I<br />

Investitionen _ 377 I Besetzte Planstellen _ 378 I<br />

Finanzausgleich der <strong>ARD</strong> _ 378<br />

Deutsche Welle<br />

Ertrags- und Aufwandsrechnung _ 379 I<br />

Vermögensrechnung _ 380 I Investitionen _ 382<br />

Deutschlandradio<br />

Ertrags- und Aufwandsrechnung _ 383 I<br />

Vermögensrechnung _ 384 I Investitionen _ 386<br />

Werbestatistik 2007 _ 387<br />

Umsätze Werbefunk _ 388 I Umsätze Werbefernsehen<br />

_ 388 I Grafik: Programmanteile Werbefunk und<br />

Werbefernsehen 1998 – 2007 _ 390<br />

Hörfunkstatistik 2007 _ 391<br />

Landesrundfunkanstalten<br />

Bayerischer Rundfunk _ 392 I Hessischer Rundfunk _<br />

392 I Mitteldeutscher Rundfunk _ 394 I Norddeutscher<br />

Rundfunk _ 394 I Radio Bremen _ 396 I Rundfunk<br />

Berlin-Brandenburg _ 396 I Saarländischer Rundfunk _<br />

397 I Südwestrundfunk _ 398 I Westdeutscher<br />

Rundfunk _ 398 I Gesamtübersicht _ 400<br />

Deutschlandradio<br />

Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk _ 400<br />

Deutsche Welle<br />

Deutsches und Fremdsprachenprogramm _ 401<br />

Fernsehstatistik 2007 _ 402<br />

Erstes Deutsches Fernsehen<br />

Gesamtprogramm nach Erstsendungen und Wiederholungen<br />

_ 405 I Programmzulieferungen von <strong>ARD</strong>aktuell<br />

_ 405 I Gesamtprogramm nach Programm-<br />

Inhalt <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 0 8<br />

entstehung _ 406 I Grafik: Erstes Fernsehprogramm<br />

nach Erstsendungen, Wiederholungen und Programment<br />

stehung _ 406 I Grafik: Informationsanteil im<br />

Ersten und in den Dritten Programmen der <strong>ARD</strong> _ 407 I<br />

Dritte Fernsehprogramme<br />

Gesamtprogramme nach Ressorts _ 408 I Gesamtprogramme<br />

nach Programmentstehung _ 408 I Grafik:<br />

Dritte Fernsehprogramme nach Programmentste-<br />

hung _ 410<br />

Satellitenprogramm PHOENIX<br />

<strong>ARD</strong>-Anteil _ 408<br />

Satellitenprogramm KI.KA<br />

<strong>ARD</strong>-Anteil _ 409<br />

Satellitenprogramm 3sat<br />

<strong>ARD</strong>-Anteil nach Ressorts _ 410<br />

Europäischer Kulturkanal ARTE<br />

<strong>ARD</strong>-Anteil nach Ressorts _ 411<br />

Bayerischer Rundfunk<br />

BR-alpha nach Ressorts und nach Erstsendungen/<br />

Wiederholungen _ 411<br />

Deutsche Welle<br />

DW-TV nach Sprachen _ 412 I DW-TV nach Inhalten _<br />

412 I DW-TV nach Programmentstehung _ 412<br />

Medienforschungsdaten 2007 _ 413<br />

Hörfunknutzung 2007<br />

Bundesweit _ 414 I BR-Sendegebiet _ 416 I HR-<br />

Sendegebiet _ 416 I MDR-Sendegebiet _ 417 I NDR-<br />

Sendegebiet _ 417 I Radio-Bremen-Sendegebiet _ 418 I<br />

RBB-Sendegebiet _ 418 I SR-Sendegebiet _ 419 I SWR-<br />

Sendegebiet _ 419 I WDR-Sendegebiet _ 420<br />

Fernsehen 2007<br />

Empfangspotenziale der Fernsehprogramme bundesweit<br />

2002 – 2007 _ 421 I Ebenen des Fernsehempfangs<br />

und Anzahl empfangbarer Programme 2003 – 2007 _<br />

421 I Nutzung bundesweit, BRD West, BRD Ost,<br />

2003 – 2007 _ 422 I Nutzung einzelner Programme<br />

in einzelnen Zeitabschnitten _ 423 I Grafik:<br />

Marktanteile einzelner Programme in der Prime<br />

Time _ 423 I Nutzung einzelner Programme in einzelnen<br />

Altersgruppen _ 424 I Marktanteile der Dritten<br />

Programme in den einzelnen Sendegebieten _ 424<br />

_ Dokumente<br />

Zehnter Staatsvertrag zur Änderung<br />

rundfunkrechtlicher Staatsverträge<br />

(Zehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag)<br />

vom 19. Dezember 2007<br />

(Auszug) _ 427


Zur Überarbeitung der EU-Fernsehrichtlinie<br />

Eine Bewertung<br />

Von Eva-Maria Michel _ 437<br />

Novelle EU-Fernsehrichtline<br />

Richtlinie2007/65/EG des Europäischen Parlaments<br />

und des Rates zur Änderung der Richtlinie 89/552/<br />

EWG zur Koordinierung bestimmter Rechts- und<br />

Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die<br />

Ausübung der Fernsehtätigkeit<br />

vom 11. Dezember 2007<br />

(Text von Bedeutung für den EWR) _ 440<br />

Radio-Bremen-Gesetz (RBG)<br />

vom 23. Januar 2008 _ 452<br />

<strong>ARD</strong>-Leitlinien 2009/2010 und Bericht der <strong>ARD</strong><br />

über die Erfüllung ihres Auftrags _ 463<br />

Bericht der <strong>ARD</strong> über die Erfüllung ihres Auftrags<br />

sowie die Qualität und Quantität ihrer Angebote<br />

2007/2008 _ 464 I Leitlinien und Programmschwerpunkte<br />

2009/10 _ 480<br />

_ Register<br />

Personen _ 493 I Sachen _ 504 I Titel _ 514 I<br />

Abkürzungen _ 523 I Bildnachweis _ 526<br />

Inhalt <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 9


Artikel


D<br />

ie <strong>ARD</strong> ist mehr als Das Erste. Dieser<br />

Leitsatz wurde viel zitiert, als der SR<br />

Anfang 2007 die Geschäftsführung<br />

unserer Arbeitsgemeinschaft übernahm.<br />

Und natürlich stellt dieser Satz nicht die<br />

hervorragende Arbeit des Gemeinschaftsprogramms<br />

der <strong>ARD</strong> infrage. Das ist und bleibt ein<br />

als marktführend wahrgenommenes Aushängeschild<br />

der <strong>ARD</strong>. Aber der Satz sollte deutlich<br />

machen: Die <strong>ARD</strong> ist noch viel mehr, nämlich<br />

Fernsehen in neun Dritten Programmen, drei<br />

Digitalkanälen und vier in Kooperation betriebenen<br />

Programmen, Hörfunk auf mehr als 50<br />

Wellen, Internetauftritte, Fernsehtexte, Kulturträger<br />

mit zahlreichen Klangkörpern und und<br />

und . . .<br />

Davon gibt auch dieses <strong>Jahrbuch</strong> 2008 breit<br />

Kunde, das die Vielfalt der föderalen <strong>ARD</strong> und<br />

ihrer Landesrundfunkanstalten widerspiegelt.<br />

Dass diese Vielfalt nicht im politikfreien Raum<br />

entsteht, weiß jeder, der den medienpolitischen<br />

Diskurs der letzten Monate und Jahre verfolgt<br />

hat. Diese Vielfalt ist nur möglich, weil sie erkämpft<br />

und verteidigt wurde in dem Wissen,<br />

dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine<br />

gesellschaftliche Schlüsselrolle einnimmt, die<br />

mit einem Auftrag verbunden ist, der verfassungsrichterlich<br />

im Jahr 2007 erst wieder bestätigt<br />

wurde. Diese Aufgabe wahrzunehmen ist<br />

höchstes Ziel und oberste Pflicht. Und dafür<br />

lohnt es sich auch, in Zeiten von medienpoli-<br />

Viel mehr als nur »Programm«<br />

Die Vielfalt der <strong>ARD</strong> und die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks –<br />

eine Standortbeschreibung<br />

Von Fritz Raff<br />

Foto oben: WDR 3 widmete am 22. 8. 2008<br />

dem 2007 verstorbenen Komponisten Karlheinz<br />

Stockhausen einen ganzen Radiotag.<br />

tischem Dissens, Flagge zu zeigen, Standfestigkeit<br />

zu beweisen und für seine Sicht der »freien<br />

Presse« Konflikte auszufechten.<br />

_ Der öffentlich-rechtliche Rundfunk<br />

in der digitalen Welt<br />

Im Streit um den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />

wurde dabei von allen Seiten scharf auf<br />

den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geschossen.<br />

Und zu der Zeit, da dieser Text entsteht, ist<br />

der Vertrag von den Ministerpräsidenten auch<br />

noch nicht beschlossen. Ganz im Gegensatz<br />

zum 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der<br />

mit der Gebührenfestsetzung für die Jahre 2009<br />

bis 2012 Planungssicherheit bei den Landesrundfunkanstalten<br />

schafft. Hier ist bei allen Beteiligten<br />

der Wille spürbar, wenigstens auf Basis der<br />

zurückhaltenden Empfehlung der Kommission<br />

zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten<br />

(KEF) dem öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunk die Mittel an die Hand zu geben,<br />

seine gesellschaftliche Aufgabe weiter zu erfüllen.<br />

Anders ist das beim Konflikt darüber, was<br />

der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet<br />

dürfen soll, dürfen muss und was nicht.<br />

Massive Ambitionen kommerzieller Anbieter,<br />

mit dem World Wide Web Geld zu verdienen,<br />

standen und stehen hier dem berechtigten<br />

Wunsch der Gebührenzahler gegenüber, nicht<br />

von kommerziellen Interessen geleitete Informationen<br />

jederzeit und überall abrufen zu<br />

können und auch an den anderen Angeboten<br />

aus Kultur, Bildung, Sport und Unterhaltung<br />

im Internet partizipieren zu können. Denn nur<br />

wenn diese Angebote im Netz auch kostenfrei<br />

Editorial <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 13


14<br />

zur Verfügung stehen, wird die Schere zwischen<br />

Arm und Reich, zwischen denen, die sich alle<br />

Medien leisten können, und denen, die vielleicht<br />

ein Informationsangebot nicht anklicken,<br />

weil sie nicht genug Geld haben, nicht noch<br />

weiter auseinanderklaffen. Der öffentlich-rechtliche<br />

Rundfunk hat hier auch die soziale Aufgabe,<br />

dafür zu sorgen, dass jeder an der Vielfalt<br />

teilhaben kann. Denn eine Gesellschaft, in der<br />

Bildung und Kultur, aber auch Sport und Unterhaltung<br />

zu Luxusgütern werden, ist eine ärmere<br />

Gesellschaft, die in Deutschland niemand<br />

wirklich wollen kann.<br />

Hier zeigt sich schon, dass die Verleger mit<br />

ihrer »Münchner Erklärung« aus dem Juli 2008,<br />

in der sie behaupteten, sich durch den öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunk in ihrer Exis tenz bedroht<br />

zu fühlen, deutlich danebengegriffen haben.<br />

Zur Ehrenrettung der Verleger sei bemerkt,<br />

dass wichtige Verlagsgruppen und der Bundesverband<br />

Deutsche Zeitungsverleger (BDZV)<br />

nicht zu den Unterzeichnern der Erklärung gehörten.<br />

Aber die anderen wiederholten hier alte<br />

Maximalforderungen, als hänge die Zukunft des<br />

Zeitungsmarkts davon ab, die Öffentlich-Rechtlichen<br />

ins mediale Mittelalter zurückzukatapultieren.<br />

Natürlich war auch den Verlegern klar,<br />

dass ihre Forderungen weder durchsetzbar noch<br />

gewünscht und zudem durch das Urteil des<br />

Bundesverfassungsgerichts vom 11. 9. 2007 auch<br />

erledigt sind. Insofern war die Erklärung schnell<br />

als Manöver im Sommerloch durchschaut.<br />

Aber dennoch: Wer so argumentiert wie in<br />

der Münchner Erklärung, der verkennt, dass die<br />

wahren Gefahren aus anderen Richtungen drohen.<br />

Die »Enteignung der freien Presse« droht<br />

nicht durch <strong>ARD</strong>, ZDF und Deutschlandradio.<br />

Sie droht durch die Global Player, durch<br />

Hedgefonds und durch die Googles, Yahoos<br />

und YouTubes dieser Welt. Und ohne hier ein<br />

Feindbild entwerfen zu wollen, muss doch klar<br />

sein, dass wir hier – Politik, Verleger und öffentlich-rechtlicher<br />

Rundfunk – gemeinsam aufgefordert<br />

sind, Antworten zu finden, wie sich die<br />

deutsche Medienlandschaft weiterentwickeln<br />

soll und kann.<br />

_ Die Themen der Zukunft<br />

Die gesamtgesellschaftliche Verantwortung der<br />

<strong>ARD</strong> betrifft auch die Sicherung der Meinungsvielfalt<br />

in Deutschland. Das ist von besonderer<br />

Bedeutung mit Blick auf den Wandel der<br />

Gesellschaft, sowohl in ihrer Altersstruktur als<br />

auch in ihrer (multi-)kulturellen Zusammensetzung.<br />

Mit Erfolg hat die <strong>ARD</strong> deshalb 2008<br />

»Türkisch für Anfänger«: Die dritte Staffel<br />

startet im November 2008 im Ersten.<br />

die bislang noch kurze Tradition der Themenwochen<br />

mit einer Woche zum demografischen<br />

Wandel fortgesetzt. Im Jahr 2009 wird mit dem<br />

Themenschwerpunkt »Gesellschaftliches Engagement«<br />

ein weiteres wichtiges Thema reflektiert.<br />

Ein anderes Beispiel für Vielfalt: Die <strong>ARD</strong><br />

setzt ganz klar auf Integration. Denn die Anzahl<br />

der Menschen mit Migrationshintergrund<br />

in unserer Gesellschaft wächst ständig an. Deshalb<br />

bestimmt der Gedanke der Integration seit<br />

jeher unser publizistisches Selbstverständnis<br />

und unseren Programmauftrag. Hier müssen wir<br />

in Zukunft unser Engagement noch verstärken.<br />

Und ohne die Probleme des Zusammenlebens<br />

zu verschweigen, lässt sich die <strong>ARD</strong> deutlich<br />

von der Erkenntnis leiten, dass die Vielfalt und<br />

auch die Unterschiede der Kulturen ein großes<br />

Plus und eine wichtige Ressource unserer Gesellschaft<br />

sind.<br />

Eine wichtige, nein, die wichtigste Ressource<br />

der Gesellschaft ist natürlich die Jugend, weshalb<br />

die <strong>ARD</strong> sich nachhaltig Gedanken macht<br />

um die Erreichbarkeit der nachwachsenden<br />

Generation durch den öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunk. Hier waren wir in der Vergangenheit<br />

nicht konsequent genug, und wir sind gerade<br />

erst dabei, umzusetzen, was wir in den letzten<br />

Monaten und Jahren zunehmend erkannt haben.<br />

Auch das ist ein Grund, warum verstärkt<br />

Angebote im Internet in den Fokus unserer Arbeit<br />

rücken, denn die letzte <strong>ARD</strong>/ZDF-Online-<br />

Studie hat belegt, dass die 14- bis 19-Jährigen<br />

mit 120 Minuten täglich inzwischen mehr Zeit<br />

im Netz verbringen als mit Fernsehen (100 Minuten)<br />

oder Radiohören (97 Minuten). Beson-<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


ders attraktiv für Jugendliche sind multimediale<br />

Anwendungen. Wer die Jugend und damit die<br />

Zukunft nicht verlieren will, der muss hier Antworten<br />

finden und Angebote machen. Gerade<br />

junge Menschen brauchen Orientierung. Sie<br />

sind – da sind wir sicher – beim öffentlichrechtlichen<br />

Rundfunk gut aufgehoben, der auch<br />

ein inhaltliches Korrektiv zum rein kommerziellen<br />

Sektor darstellt, der für die jungen Leute<br />

auf den ersten Blick oftmals die größere Anziehungskraft<br />

hat.<br />

In diesem Zusammenhang weise ich gerne<br />

darauf hin, dass eine Untersuchung des Hans-<br />

Bredow-Instituts (Hamburg) zur Weiterentwicklung<br />

des Jugendmedienschutzsystems gerade<br />

das binnenplurale Kontrollsystem des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks in Deutschland in<br />

vollem Umfang bestätigt hat. Dieser Bericht<br />

bewertet den Umgang mit dem Jugendschutz in<br />

den Programmen der <strong>ARD</strong> und des ZDF durchgehend<br />

positiv.<br />

Aber wir dürfen uns nicht auf diesen Lorbeeren<br />

ausruhen. Denn Jugendschutz ist nur<br />

eine Seite der Medaille. Der nützt aber nichts,<br />

wenn die Jugend nicht durch das Angebot erreicht<br />

wird, das sie informieren, bilden und<br />

unterhalten soll. Deshalb ist die zielgerichtete<br />

Ansprache der Jugend für die <strong>ARD</strong> von großer<br />

strategischer Bedeutung. Dass die Gremienvorsitzendenkonferenz<br />

der <strong>ARD</strong> dieses Thema<br />

auch als eines von hoher Priorität für sich definiert<br />

hat, zeigt, dass hier auf verschiedenen<br />

Ebenen ein Paradigmenwechsel stattgefunden<br />

hat (vgl. Volker Giersch: Ein nur noch seltenes Paar).<br />

_ Die <strong>ARD</strong> als Bereicherung der Gesellschaft<br />

Aus all diesen Überlegungen wird eines klar:<br />

Obwohl wir in den letzten beiden Jahren sehr<br />

viel über Technik, neue Ausspielwege und<br />

die Digitalisierung der Medienwelt diskutiert<br />

haben, sind es nicht die Veränderungen der<br />

Technologien und des Nutzerverhaltens, die<br />

die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />

in der Zukunft bestimmen. Es sind nach wie<br />

vor die publizistische Aufgabe und der gesellschaftliche<br />

Auftrag. Diese Aufgabe und diesen<br />

Auftrag müssen wir unter sich wandelnden<br />

Bedingungen erfüllen, in einer immer stärker<br />

kommerzialisierten Medienlandschaft mit hunderten<br />

Special-Interest-Kanälen und unzähligen<br />

Content-Angeboten. Hier kann nur ein leistungsfähiger<br />

öffentlich-rechtlicher Rundfunk<br />

Garant sein für gut recherchierte, verlässliche,<br />

von kommerziellen Interessen freie Informationen.<br />

Mir ist nicht bange, dass der öffentlichrechtliche<br />

Rundfunk für seine publizistische<br />

Relevanz selbst Sorge tragen kann. Und egal<br />

ob anspruchsvolle Kulturprogramme oder ausführliche<br />

Berichte aus den Regionen, egal ob<br />

Reportagen über Randbereiche der Gesellschaft<br />

oder Unterhaltungsangebote für ältere Menschen,<br />

egal ob wichtige politische Debatten, die<br />

die Gesellschaft als Ganzes betreffen, oder die<br />

Vermittlung klassischer Musik für Kinder – klar<br />

ist: All dies würde in einer rein kommerziellen<br />

Medienlandschaft nicht stattfinden. Die bundesdeutsche<br />

Gesellschaft wäre deshalb ohne die<br />

Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />

viel ärmer. Stattdessen hat sie – und dieses<br />

Selbstbewusstsein sollte niemand mit Arroganz<br />

verwechseln – eines der besten Rundfunkangebote<br />

der Welt. Dieses Angebot gehört uns allen.<br />

Wir sollten es hegen und, wo nötig, verteidigen<br />

im Sinne aller, die es nutzen und davon profitieren.<br />

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist<br />

ein Teil des gemeinsamen Reichtums der Gesellschaft.<br />

Er sichert Entscheidungsfreiheit für je-<br />

Kulturradio (RBB) lud am 22. 7. 2008 zum<br />

Kinderkonzert in den Großen Sendesaal im<br />

Haus des Rundfunks. Vor dem Beginn konnten<br />

Kinder im »Open House« Instrumente<br />

kennenlernen und selber ausprobieren.<br />

dermann und jede Frau, indem er Informationsgleichheit<br />

herstellt, und er trägt vielleicht auch<br />

manchmal – etwa wenn die deutsche Fußball-<br />

Nationalmannschaft spielt – zu Momenten der<br />

Brüderlichkeit bei. Das sollten wir uns erhalten.<br />

Editorial <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 15


16<br />

Föderal ist nicht egal<br />

Das »deutsche Modell« des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />

Von Verena Wiedemann<br />

Auf den ersten Blick haben viele der Artikel in diesem<br />

<strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> wenig miteinander zu tun. Erst auf den<br />

zweiten Blick erschließt sich, dass sie Schlaglichter<br />

werfen auf die Stärken des föderalen Rundfunksystems<br />

der Bundesrepublik Deutschland und damit die<br />

Leistungsfähigkeit, aber auch die Gefährdungen dieses<br />

Systems deutlich werden lassen. Dabei reicht das Spek-<br />

trum von neuen und bewährten Programmangeboten<br />

wie den erfolgreichen Inforadios, den 2008 gestarteten<br />

»Radio Tatorten« und den vielfach ausgezeichneten<br />

Fernsehfilmen der <strong>ARD</strong>-Anstalten über Fragen der<br />

Berufsethik, der journalistischen Aus- und Fortbildung<br />

und der Arbeitsbedingungen für Journalisten im In- und<br />

Ausland bis hin zu den jüngsten technischen und poli-<br />

tischen Entwicklungen. Alles in allem also eine aktuelle<br />

Standortbestimmung der <strong>ARD</strong>.<br />

Foto oben: »Bilderbuch: Rudolstadt – Kräuter,<br />

Tanz und Ankersteine« am 24. 8. 2008 Uhr im<br />

Ersten; Feststimmung beim Tanz- und Folkfest<br />

M<br />

it heute neun Landesrundfunkanstal<br />

ten und mehreren<br />

Gemeinschafts einrichtungen,<br />

allen voran der Programmdirektion<br />

Erstes Deutsches Fernsehen, arbeitet das<br />

Rundfunksys tem der <strong>ARD</strong> seit nunmehr 58<br />

Jahren in einer Struktur, die dem Organisationsprinzip<br />

des föderal verfassten Gemeinwesens<br />

der Bundesrepublik Deutschland entspricht.<br />

Während die hohen Regionalanteile in den<br />

Nachrichten, in der Unterhaltung, beim Sport<br />

und in den Kulturprogrammen der Dritten<br />

Fernsehprogramme und im Hörfunk die tiefe<br />

regionale Verankerung der Programmmacher<br />

dokumentieren, bündelt die <strong>ARD</strong> ihre Kräfte<br />

zugleich für ihre nationalen Fernsehprogramme,<br />

allen voran für das Gemeinschaftsvollprogramm<br />

Das Erste, aber auch in ihren digitalen Spartenkanälen<br />

EinsExtra, EinsPlus und EinsFestival.<br />

Und sie bringt ihre journalistische und kreative<br />

Kompetenz in die in Kooperation betriebenen<br />

Fernsehprogramme ein, angefangen bei den<br />

gemeinsam mit dem ZDF veranstalteten Programmen<br />

KI.KA und PHOENIX bis hin zum<br />

deutsch­französischen Kultursender ARTE<br />

und dem in Kooperation mit dem ZDF, dem<br />

österreichischen und dem Schweizer öffentlichrechtlichen<br />

Rundfunk veranstalteten Kulturprogramm<br />

für den deutschen Sprachraum 3sat.<br />

Wie leistungsfähig dieses »deutsche Modell«<br />

des öffentlich­rechtlichen Rundfunks ist, zeigt<br />

sich unter anderem darin, dass es zunehmend<br />

der BBC Modell steht. Denn obwohl der öffentlich­rechtliche<br />

Rundfunk in Deutschland –<br />

zumindest im Norden und im Westen – eigent­<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


lich auf die BBC zurückgeht, zeigen jüngste<br />

Entwicklungen bei der BBC einen Trend, von<br />

den Strukturprinzipien der <strong>ARD</strong> zu lernen.<br />

Dies gilt zum einen für das neue Aufsichts­ und<br />

Kontrollsystem der BBC, den BBC Trust, der<br />

in seiner jetzigen Struktur erstmals nicht mehr<br />

Teil des Managements ist, sondern als eine<br />

wirklich unabhängige Binnenkontrolle funktioniert<br />

und damit dem System der Rundfunkräte<br />

in Deutschland bei allen weiter bestehenden<br />

Unterschieden an dieser Stelle nachempfunden<br />

ist. Zum anderen geht aber auch die neue<br />

Senderpolitik der BBC in diese Richtung.<br />

Denn die Rundfunkanstalt baut ihre regionalen<br />

Sendezentren inzwischen systematisch aus und<br />

verstärkt ihre regionale Berichterstattung und<br />

Programmproduktion deutlich. Die BBC, die<br />

als nationales Rundfunksystem von Anbeginn<br />

auf die Hauptstadt konzentriert war und ist,<br />

wird nämlich von den Zuschauern und Zuhörern<br />

in jüngerer Zeit vermehrt kritisiert. Die<br />

britischen Rundfunkgebührenzahler fordern<br />

immer dezidierter zusätzlich zu den nationalen<br />

BBC­Programmen eine klare Fokussierung des<br />

Programmangebots auch auf ihre regionalen<br />

Anliegen und Befindlichkeiten.<br />

Es lohnt sich deshalb, diesen Strukturen<br />

der <strong>ARD</strong> etwas genauer nachzugehen und den<br />

Blick darauf zu richten, welche besonderen<br />

Stärken in ihnen liegen. Dabei hilft eine Analyse<br />

des ehemaligen Bundesverfassungsrichters<br />

Wolfgang Hoffmann­Riem. Anlässlich eines<br />

Vortrags in Straßburg im Juli 2008 wies er darauf<br />

hin, dass sich die Frage der publizistischen<br />

Leistungen des öffentlich­rechtlichen Rundfunks<br />

nicht allein anhand der Qualität einzelner<br />

Beiträge beurteilen lässt, sondern auch das<br />

Zusammenspiel der Beiträge mit den anderen,<br />

für die publizistische Wirkung maßgeblichen<br />

Faktoren mit betrachtet werden muss.<br />

Welches nun sind diese weiteren Faktoren?<br />

Neben dem Prinzip der programmlichen Nähe<br />

zum Publikum, das Authentizität und Relevanz<br />

der Inhalte sichert, zählen dazu auch<br />

_ hohe berufsethische Standards und handwerkliches<br />

Können – beides Qualitäten, die<br />

nicht zuletzt eine solide journalistische Aus­<br />

und Fortbildung voraussetzen –;<br />

_ starke und glaubwürdige Programmmarken,<br />

die die Auffindbarkeit der Angebote garantieren<br />

und persönliche Orientierung ermöglichen;<br />

_ personell angemessen besetzte und miteinander<br />

vernetzte (Fach­)Redaktionen und die<br />

zu ihrer Unterstützung notwendige technische<br />

und administrative Infrastruktur;<br />

_ eine bedarfsgerechte und unabhängige Finanzierung,<br />

die weder durch staatliche noch<br />

durch marktliche Einflüsse determiniert ist,<br />

_ sowie schließlich eine binnenplurale Aufsicht,<br />

die die Erwartungen der Allgemeinheit<br />

repräsentiert und deshalb legitimiert ist, an der<br />

Gestaltung der Maßstäbe und Kriterien für die<br />

dem Gemeinwohl verpflichteten öffentlichrechtlichen<br />

Programmangebote mitzuwirken<br />

und ihre Einhaltung zu kontrollieren.<br />

Wie diese Prinzipien und Anforderungen in<br />

der <strong>ARD</strong> umgesetzt und gelebt werden, lässt<br />

sich anhand zahlreicher Beispiele aus Beiträgen<br />

des vorliegenden <strong>ARD</strong>­<strong>Jahrbuch</strong>s veranschaulichen.<br />

So unterschiedlich die Themen dieses<br />

<strong>Jahrbuch</strong>s auch sind, wie ein roter Faden zieht<br />

sich durch die einzelnen Kapitel die gemeinsame<br />

Erfahrung der Autoren, die sie mit den<br />

besonderen Stärken dieses Rundfunksystems<br />

gemacht haben, auch wenn sie aus ganz unterschiedlichen<br />

Berufszweigen und Aufgabenfeldern<br />

der <strong>ARD</strong> kommen.<br />

»Zwölfzweiundzwanzig – Zu Gast bei Ingo<br />

Kahle«: das Interview im Inforadio vom RBB,<br />

hier mit Moderator Ingo Kahle (r.) und<br />

Außenminister Frank-Walter Steinmeier<br />

_ Nachrichtenradios<br />

Ein Beispiel für die Informationskompetenz<br />

der <strong>ARD</strong> sind ihre Nachrichtenprogramme im<br />

Hörfunk, über die die Hörfunkchefredakteurin<br />

des BR, Mercedes Riederer, im Artikel »Ständig<br />

auf dem Laufenden« berichtet. BR, HR,<br />

MDR, NDR und RBB veranstalten diese Wellen<br />

seit Jahren mit großem Erfolg, auch wenn<br />

die Hörerquote dieser Programme nicht an die<br />

der massenattraktiven Landes­ und Popwellen<br />

heranreicht. Die am meisten eingeschaltete Infowelle<br />

der <strong>ARD</strong>, das Inforadio des RBB, hat<br />

Föderal ist nicht egal <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 17


246 000 Hörer pro Tag (Montag – Sonntag). Der<br />

BR erreicht mit seinem Informationsprogramm<br />

B5 aktuell einen Marktanteil zwischen vier<br />

und fünf Prozent. Bei diesen Informationsangeboten<br />

geht es vor allem um regionale­ bzw.<br />

landesbezogene Nachrichten und Ereignisse.<br />

Nationale und internationale Themen werden<br />

soweit möglich auf die Lebensbedingungen<br />

im regionalen Sendegebiet heruntergebrochen<br />

oder dazu in Bezug gesetzt. Die Redaktionen<br />

arbeiten täglich daran, ihre Programme für die<br />

Hörer attraktiv darzubieten und mit speziellen<br />

Angeboten auf die Hörerinteressen in ihren<br />

Bundesländern zuzuschneiden.<br />

Trotz ihrer regionalen Schwerpunkte bilden<br />

diese Programme jedoch ein gemeinsames Netz,<br />

das sich als <strong>ARD</strong>­Angebot über die Republik<br />

erstreckt. Im gesamten Bundesgebiet erreichen<br />

die fünf Infowellen täglich 1,55 Millionen Hörer<br />

(Montag – Sonntag). In der Kumulation zeigt<br />

sich also eine besondere Qualität der einzelnen<br />

Infowellen. Jede ist für sich selbständig und auf<br />

ihr Sendegebiet bezogen. Gleichzeitig sind sie<br />

Teil der Gesamtveranstaltung <strong>ARD</strong>, über Satellit,<br />

Kabel und Internet für alle Gebührenzahler<br />

empfangbar und damit Mosaiksteine einer täglichen<br />

flächendeckenden Informationsberichterstattung<br />

in Deutschland für die Region und das<br />

ganze Land.<br />

_ »Tatort« und »Radio Tatort«<br />

Je mehr sich der Markt der audiovisuellen Angebote<br />

in der digitalen Welt diversifiziert und<br />

differenziert, desto wichtiger wird es, dass die<br />

einzelnen öffentlich­rechtlichen Angebote<br />

auffindbar bleiben. Deshalb werden starke Programmmarken<br />

immer wichtiger. Mit dem »Tat­<br />

ort« hat die <strong>ARD</strong> eine Premium­Marke geschaffen,<br />

die in vielerlei Hinsicht einzigartig ist. Sie<br />

kennzeichnet nicht nur den wohl bekanntesten<br />

Fernsehkrimi in Deutschland. Einzigartig ist<br />

diese Marke auch deshalb, weil sie bundesweit<br />

eingeführt und etabliert ist, jedoch regionale<br />

Inhalte vermittelt und föderale Strukturen spiegelt.<br />

Denn »Hauptdarsteller« des »Tatorts« sind<br />

seit nunmehr 38 Jahren neben den berühmten<br />

Kommissaren vor allem auch die Drehorte der<br />

<strong>ARD</strong>. Vom großstädtischen Hamburg bis zum<br />

idyllischen Bodensee finden sich alle Regionen,<br />

Dialekte und Mentalitäten wieder, redaktionell<br />

betreut von Programmmachern, die ihre Sendegebiete<br />

und ihr regionales Publikum seit Jahren<br />

kennen und studieren. Der »Tatort« lenkt so<br />

den sonntäglichen Blick einer ganzen Republik<br />

in die Fläche Brandenburgs ebenso wie ins beschauliche<br />

Saarbrücken.<br />

Wie Ekkehard Skoruppa in seinem Beitrag<br />

»Ein Tatort für die Ohren« nachweist, funktioniert<br />

dieses Prinzip auch im Hörfunk. Im<br />

Januar 2008 haben neun Kultur­ und Wortprogramme<br />

der <strong>ARD</strong> den »Tatort« mit der zeitgleichen<br />

Ausstrahlung dieser neuen Hörkrimi­<br />

Reihe für den Hörfunk adaptiert. Dem föderalen<br />

Prinzip der <strong>ARD</strong> entsprechend haben alle<br />

Häuser ein oder sogar mehrere dieser Hörspiel­<br />

Krimis realisiert, die, ebenso wie das Vorbild<br />

im Fernsehen, jeweils in den Regionen der sie<br />

produzierenden Landesrundfunkanstalten spielen.<br />

Mit seiner großen Resonanz bei Publikum<br />

und Presse hat der »Radio Tatort« vielleicht<br />

sogar zu einer Renaissance des Genres Hörspiel<br />

beigetragen.<br />

_ <strong>ARD</strong>-Fernsehfilm<br />

Wie beim »Tatort« tragen die verschiedenen<br />

Senderfarben auch bei der Produktion von<br />

Fernsehfilmen für das Gemeinschaftsprogramm<br />

insgesamt sowie bei Kino­Koproduktionen zur<br />

Vielfalt des <strong>ARD</strong>­Filmangebots bei. Zu diesem<br />

Befund kommt Verena Kulenkampff in<br />

ihrem Beitrag zur Situation des Fernsehfilms<br />

im Ersten »Vom Boot bis zum Baader­Meinhof­<br />

Komplex«. Sie schildert die Leistungsbilanz<br />

der <strong>ARD</strong> bei der Produktion von Filmen in<br />

unterschiedlichen Genres. Insoweit spricht der<br />

Artikel für sich.<br />

Karoline Eichhorn als Kriminalhaupt kommissarin<br />

Nina Bröndle und Ueli Jäggi als<br />

Kriminaloberrat Xaver Finkbeiner in »Mordlauf«,<br />

einem »Radio Tatort« vom SWR<br />

18 Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />

18


»Mogadischu« rekonstruiert die Entführung<br />

der Lufthansa-Maschine »Landshut« in die<br />

Hauptstadt Somalias 1977. Der Film, der noch<br />

2008 ins Erste kommt, ist eine teamWorx-<br />

Produktion, koproduziert von Degeto und<br />

SWR in Kooperation mit dem BR, gefördert<br />

vom FilmFernsehFonds Bayern und der MFG<br />

Filmförderung Baden-Württemberg.<br />

Deutlich wird hier jedoch auch einer der<br />

»sekundären« Effekte der <strong>ARD</strong> für die Gesellschaft,<br />

in diesem Fall der Einfluss, den die<br />

Produktionsleistung der <strong>ARD</strong> auf die deutsche<br />

Filmwirtschaft entfaltet. Fernsehfilme werden<br />

in der <strong>ARD</strong> kaum mehr als Eigenproduktionen<br />

mit hauseigenem, festangestelltem Personal hergestellt,<br />

sondern als Auftragsproduktionen nach<br />

Ausschreibung an privatrechtlich organisierte<br />

Produktionsfirmen vergeben. Es sind keineswegs<br />

ausschließlich die Produktionstöchter der<br />

<strong>ARD</strong>, an die diese Aufträge gehen. Im Gegenteil,<br />

von diesem Auftragsvolumen profitieren<br />

vor allem unabhängige Produzenten.<br />

Und auch in diesem Zusammenhang zeigt<br />

sich wieder die Bedeutung des föderalen<br />

Rundfunksystems der <strong>ARD</strong>. Denn die dezentrale<br />

Auftragsvergabe fördert zugleich auch<br />

die Dezentralität der Produktionsstandorte in<br />

Deutschland. So werden neben Produktionsfirmen<br />

in München, Köln und Hamburg auch<br />

die kreativen Wirtschaftsstandorte Berlin und<br />

Babelsberg, Leipzig oder Frankfurt gefördert,<br />

mit allen positiven Folgen für die Ansiedlung<br />

weiterer, flankierend tätiger Unternehmen.<br />

_ <strong>ARD</strong>-Themenwochen<br />

Beim Blick auf die Leistungsfähigkeit des föderalen<br />

<strong>ARD</strong>­Systems sollte, obwohl kein eigener<br />

Schwerpunkt im vorliegenden <strong>Jahrbuch</strong>,<br />

sondern lediglich im Berichtsteil erwähnt, eine<br />

Anstrengung nicht unerwähnt bleiben, die die<br />

<strong>ARD</strong> im Jahr 2006 ins Leben gerufen hat und<br />

die sie aufgrund des großen Erfolgs bei Publi­<br />

kum und Kritik dauerhaft in ihr Programmkonzept<br />

implementiert hat: die einmal jährlich im<br />

Frühjahr stattfindenden Themenwochen, bei<br />

denen sich nicht nur das Gemeinschaftsprogramm,<br />

sondern auch die Dritten Fernsehprogramme,<br />

die Hörfunkprogramme und die Online­<br />

und Videotextangebote der <strong>ARD</strong> jeweils<br />

eine Woche lang sowohl informativ als auch<br />

unterhaltend und fiktiv einem gesellschaftlich<br />

relevanten Schwerpunktthema widmen.<br />

Im Zusammenwirken aller regionalen und<br />

nationalen Programmangebote gelingt es der<br />

<strong>ARD</strong>, das jeweilige Thema in seiner ganzen<br />

Bandbreite horizontal und vertikal zu durchdringen:<br />

Zum einen in der Tiefe des Themas<br />

durch die Vielzahl der Beiträge, die aus den<br />

Landesrundfunkanstalten und den Gemeinschaftseinrichtungen<br />

zugeliefert werden. Zum<br />

anderen, weil die <strong>ARD</strong> mit ihren Programmen<br />

die Gesellschaft in ihrer ganzen Breite anspricht<br />

und mit diesem Thema nachhaltig erreichen<br />

kann. Bezeichnenderweise sind die Dritten<br />

Programme dabei insbesondere mit Sendungen<br />

Im Rahmen der Themenwoche 2008 berichtete<br />

»Brandenburg aktuell« über die »Fabrik<br />

für Ältere« in Finsterwalde: Rosemarie<br />

Bresching bei der Vorbereitung von Anschlüssen<br />

für den Transformatorenbau.<br />

erfolgreich, die das jeweilige Thema mit spezifisch<br />

regionalem Bezug beleuchten. So war die<br />

Themenwoche 2008 »Mehr Zeit zu leben« mit<br />

insgesamt 340 Sendestunden und 811 Beiträgen<br />

im Fernsehen sowie 287 Sendestunden und<br />

1 271 Beiträgen im Hörfunk ein publizistisches<br />

Großereignis. Nach den Ergebnissen der GfK­<br />

Forschung sind die angebotenen Sendungen<br />

Föderal ist nicht egal <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 19


20<br />

im Fernsehen von 55,4 Prozent der Gesamtbevölkerung<br />

bewusst genutzt worden. In einer begleitend<br />

durchgeführten Studie beim Publikum<br />

gaben 90 Prozent der Befragten an, sie fänden<br />

es wichtig, dass die <strong>ARD</strong> derartige aktuelle Themen<br />

aufgreift. 77 Prozent der Befragten waren<br />

der Meinung, die <strong>ARD</strong> leiste mit der Themenwoche<br />

einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft.<br />

_ <strong>ARD</strong> Mediathek<br />

Die von der <strong>ARD</strong> im Jahr 2008 gestartete<br />

Mediathek, deren Entwicklung die Online­<br />

Koordinatorin der <strong>ARD</strong>, Heidi Schmidt, im<br />

Artikel »Wunschprogramm zum Mitnehmen«<br />

beschreibt, ist ein weiteres Beispiel für den<br />

besonderen Charakter und die Qualität der<br />

journalistischen Leistungen, die die föderalen<br />

öffentlich­rechtlichen Strukturen der <strong>ARD</strong><br />

ermöglichen. Die Mediathek eröffnet als virtuelles<br />

Portal einen zentralen Zugang zu den<br />

audiovisuellen Online­Angeboten der einzelnen<br />

Landesrundfunkanstalten. Hier wird kein zentrales,<br />

speziell geschaffenes Angebot mit nationalem<br />

Inhalt dargeboten. Vielmehr geht es darum,<br />

die vielfältigen regionalen Abrufangebote<br />

aus Hörfunk und Fernsehen der Landesrundfunkanstalten<br />

für das Publikum auf einfachem<br />

Wege auffindbar und nutzbar zu machen. Auf<br />

diese Weise kann die journalistische Arbeit über<br />

regionale Ereignisse, die Reinhart Binder in seinem<br />

Beitrag »Drei Medien unter einem Dach«<br />

beschreibt und die zunehmend nicht nur in<br />

den Sendezentralen, sondern auch in den<br />

Landes­ und Regionalstudios trimedial erfolgt,<br />

über die Mediathek auch einem nationalen Publikum<br />

übersichtlich, zeit­ und ortsunabhängig<br />

frei zugänglich gemacht werden.<br />

_ Journalistische Ausbildung<br />

Um den Qualitätsanspruch einzulösen, den die<br />

<strong>ARD</strong> mit ihren Angeboten verbindet, ist ein<br />

hohes Maß an journalistischer Kompetenz der<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erforderlich.<br />

In welcher Breite und Tiefe die <strong>ARD</strong> Nachwuchsförderung<br />

und Ausbildung betreibt, thematisiert<br />

der Intendant des HR, Helmut Reitze,<br />

in seinem Beitrag »Über den Bedarf hinaus«.<br />

Ausbildung zum Beleuchter im<br />

BildungsCentrum des MDR<br />

Neben der klassischen Journalistenausbildung<br />

über Volontariate bildet die <strong>ARD</strong> auch in 20<br />

weiteren Ausbildungsberufen aus und ermöglicht<br />

jedes Jahr fast 2 000 Schülern mit Hilfe<br />

von Praktika einen ersten Einblick in das Berufsleben.<br />

Damit die journalistischen Standards nicht<br />

nur erworben, sondern auch langfristig weiterentwickelt<br />

werden, müssen die Mitarbeiter<br />

aber auch ständig fortgebildet werden. Wie dies<br />

im Einzelnen geschieht, darüber gibt Stefan<br />

Hanke, der Leiter der <strong>ARD</strong>.ZDF medienakademie,<br />

in »Reise zu den Synapsen« Auskunft. Die<br />

Medienakademie trägt die <strong>ARD</strong> gemeinsam mit<br />

dem ZDF. Sie ist die größte Fortbildungseinrichtung<br />

der Medienbranche in Deutschland.<br />

Neben rein journalistischen und rundfunktechnischen<br />

Inhalten bietet sie auch themenübergreifende<br />

Seminare für Mitarbeiter aller Arbeitsbereiche<br />

des Rundfunks an.<br />

Das Ergebnis dieser soliden Aus­ und Fortbildung<br />

lässt sich nicht zuletzt am Publikumserfolg<br />

ablesen. So kann der <strong>ARD</strong>­Chefredakteur,<br />

Thomas Baumann, in seinem Artikel über<br />

die »Politische Information im Ersten« darauf<br />

verweisen, dass die »Tagesschau« nach über 55<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


Jahren noch immer die am meisten gesehene<br />

Informationssendung im deutschen Fernsehen<br />

ist. Unter den politischen Magazinen sind mit<br />

»Panorama« und »Monitor« ebenfalls <strong>ARD</strong>­<br />

Produktionen Marktführer in ihren Programmsegmenten.<br />

Das Publikum weiß die Glaubwürdigkeit<br />

und Kompetenz dieser Programme zu<br />

schätzen.<br />

_ Rundfunktechnische Forschung und Entwicklung<br />

Zu den »externen Effekten« der <strong>ARD</strong> für die<br />

Wirtschaft gehört der Anteil, den sie am technischen<br />

Fortschritt des Rundfunks hat. Wenn<br />

Michael Spading und Dirk Lüdemann in ihrem<br />

Artikel über die »Ständig steigende Qualität«<br />

die Perspektiven des hochauflösenden Fernsehens<br />

(HDTV) beschreiben, dann greifen sie<br />

zurück auf die Forschungsleistung, die das gemeinsam<br />

mit dem ZDF und weiteren Partnern<br />

betriebene Institut für Rundfunktechnik (IRT)<br />

zur Entwicklung dieses Standards beigetragen<br />

hat. So hat das Institut bereits im Jahr 1995 die<br />

erste digitale HDTV­Übertragung über Satellit<br />

nach MPEG­2­Norm vorgenommen. Die elektronische<br />

Zeitlupe, der Videotext, das Videopro­<br />

HDTV-Test im IRT<br />

grammiersystem VPS oder das Verkehrsfunksystem<br />

ARI, all dies sind Entwicklungen des IRT,<br />

mit denen der öffentlich­rechtliche Rundfunk<br />

den technischen Fortschritt vorangebracht und<br />

die Möglichkeiten des Publikums zur Nutzung<br />

des Mediums erweitert und vereinfacht hat.<br />

Wie die <strong>ARD</strong> zugleich inhaltlich auf die<br />

sich verändernden technischen Entwicklungen<br />

reagiert, beschreibt Rüdiger Malfeld, Hauptabteilungsleiter<br />

Infrastrukturmanagement im<br />

WDR. Unter der Themenstellung »Die neuen<br />

Weltempfänger« schildert er die revolutionären<br />

Umbrüche in der Unterhaltungselektronik und<br />

ihre Auswirkungen auf die Radionutzung. Er<br />

informiert auch über einige der Antworten, die<br />

die <strong>ARD</strong> hierauf gibt, von Webchannels des<br />

WDR bis hin zu »Podcast­via­Broadcast«­Angeboten<br />

der Landessender.<br />

Dass es ein föderales Sendersystem wie<br />

die <strong>ARD</strong> auch vermag, die Interessen der<br />

Zuschauer an frei zugänglichen und auffindbaren<br />

Programmen im Angesicht der schnellen<br />

technischen und marktlichen Entwicklungen<br />

gegenüber neuen Marktakteuren und Geschäftsmodellen<br />

durchzusetzen, wird im Beitrag der<br />

Justiziarin des MDR, Karola Wille, deutlich. Sie<br />

berichtet in »Ein neues Spannungsfeld« über<br />

die Strategien, die die <strong>ARD</strong> hierfür einsetzt,<br />

angefangen bei der gemeinsamen Festlegung<br />

der Bedingungen für ihre Programmverbreitung<br />

gegenüber Betreibern digitaler Plattformen bis<br />

hin zu ihrem Engagement zugunsten von standardisierten<br />

offenen Lösungen bei der Rundfunkverbreitung.<br />

Audiomischpult im neuen Funk- und Fernsehhaus<br />

von Radio Bremen<br />

_ Solidargemeinschaft<br />

Heinz Glässgen, Intendant von Radio Bremen,<br />

beschreibt in seinem Beitrag »Ein Neubau fällt<br />

nicht vom Himmel« an einem prominenten<br />

Beispiel, wie die <strong>ARD</strong> als Solidargemeinschaft<br />

ihrer Mitglieder funktioniert. Um die Überlebensfähigkeit<br />

der kleinsten <strong>ARD</strong>­Sendeanstalt<br />

und damit eigenständige Landesprogramme<br />

im Bundesland Bremen zu sichern, stellten die<br />

übrigen <strong>ARD</strong>­Landesrundfunkanstalten Radio<br />

Bremen die Investitionsmittel für den Bau<br />

Föderal ist nicht egal <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 21


22<br />

und die technische Ausstattung eines der modernsten<br />

Funkhäuser Europas zur Verfügung.<br />

Dieses Projekt hätte allein über den staatsvertraglich<br />

normierten Finanzausgleich zugunsten<br />

von Radio Bremen und SR nicht realisiert werden<br />

können.<br />

_ Zukunftsfähigkeit durch Strukturoptimierung<br />

Damit die <strong>ARD</strong> auch langfristig ihren Auftrag<br />

erfüllen kann, bedarf es der Bereitschaft<br />

zur Veränderung und zur Anpassung an neue<br />

Herausforderungen und Gegebenheiten. Zwei<br />

Beispiele für diese Prozesse schildert Peter<br />

Boudgoust in seinem Beitrag »Steiniger Weg«,<br />

in dem er die Erfahrungen mit den Fusionen<br />

von SWR und RBB auswertet. Wenn erkennbar<br />

wird, so legt er dar, dass eine Verschlankung<br />

»SWR3 latenight«, die Radio-TV-Show mit<br />

Pierre M. Krause, läuft samstags um<br />

Mitternacht im SWR Fernsehen, hier mit<br />

Mambo Kurt (l.), »King of Heimorgel«.<br />

an der richtigen Stelle unter Wahrung des föderalen<br />

Prinzips dazu beiträgt, das Programm<br />

zu optimieren, dann setzt die <strong>ARD</strong> dieses Ziel<br />

auch um. Es zeigt sich, dass es der <strong>ARD</strong> dabei<br />

gelingt, auch in neuen Senderverbünden<br />

als Partner und Interessenvertreter ihrer Hörer<br />

und Zuschauer anerkannt zu werden. Dies belegt<br />

etwa das Beispiel des Hörfunkprogramms<br />

SWR 3. Als erfolgreicher Nachfolger von SWF 3<br />

und SDR 3 ist die Welle seit Jahren Marktführer<br />

im eigenen Sendegebiet.<br />

_ Künftige Herausforderungen<br />

Wie notwendig Veränderungsprozesse sowie<br />

die weitere Erschließung aller Synergien, Erfahrungen<br />

und Stärken des Sendersystems die<br />

<strong>ARD</strong> auch künftig fordern werden, davon gibt<br />

der Beitrag des Rundfunkratsvorsitzenden des<br />

SR und Vorsitzenden der Gremienvorsitzendenkonferenz<br />

(GVK) eine Vorstellung. Volker<br />

Giersch warnt in seinem Beitrag »Ein nur noch<br />

seltenes Paar« davor, die sinkenden Zuschaueranteile<br />

der <strong>ARD</strong>­Programme bei jüngeren<br />

Menschen als unumkehrbar zu betrachten. Die<br />

<strong>ARD</strong> habe den Auftrag, alle Bevölkerungsgruppen<br />

zu erreichen und gerade auch junge Menschen<br />

an Qualitätsprogramme heranzuführen.<br />

Er appelliert an die Programmverantwortlichen<br />

der <strong>ARD</strong>, zügig Strategien zu entwickeln, wie<br />

jüngere Zielgruppen in allen Programmangeboten<br />

der <strong>ARD</strong> in Zukunft wieder stärker angesprochen<br />

werden können.<br />

Der Beitrag bezeugt dabei zugleich das Engagement<br />

der Aufsichtsgremien der <strong>ARD</strong> für<br />

die Interessen aller Zuschauer, Zuhörer und<br />

Nutzer. Die Rundfunkräte nehmen ihren Auftrag<br />

ernst, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten darauf<br />

hinzuwirken, dass die <strong>ARD</strong> die Erfüllung<br />

ihres öffentlich­rechtlichen Programmauftrags<br />

beständig optimiert. Auch die Gremienaufsicht,<br />

so wird deutlich, profitiert dabei von den<br />

<strong>ARD</strong>­Strukturen. Nicht nur die Landesrundfunkanstalten<br />

können durch ihren ständigen<br />

Erfahrungsaustausch und durch ihre Zusammenarbeit<br />

voneinander profitieren, sondern<br />

auch die Aufsichtsgremien der einzelnen Landesrundfunkanstalten.<br />

Gerade das »Voneinander­Lernen«,<br />

meint Volker Giersch, sei einer der<br />

Vorteile, die das föderale System biete.<br />

Dr. Verena Wiedemann,<br />

Generalsekretärin der <strong>ARD</strong><br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


Die Konferenz der Gremienvorsitzenden der Landes-<br />

rundfunkanstalten (GVK) hat 2007 beschlossen,<br />

sich intensiver mit dem Thema »Erreichbarkeit der<br />

Jugend« zu befassen, und im März 2008 bereits<br />

eine Tagung zu diesem Thema veranstaltet. Ziel dieser<br />

Aktivitäten war und ist zum einen eine Bestands-<br />

aufnahme, zum anderen die Identifizierung von innova-<br />

tiven Konzepten und Ideen für eine erfolgreiche<br />

Ansprache junger Menschen in den Fernseh- und Hör-<br />

funkprogrammen sowie den Online-Angeboten<br />

der <strong>ARD</strong>. Die Intendantinnen und Intendanten werden<br />

dazu ein Strategiepapier entwickeln. Und auch in die<br />

<strong>ARD</strong>-Leitlinien für die Jahre 2009/2010 ist die Initiative<br />

der GVK schon eingeflossen.<br />

Ein nur noch seltenes Paar<br />

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Jugend –<br />

Strategien gegen den Generationenabriss<br />

Von Volker Giersch<br />

D<br />

ie öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />

verlieren die jüngeren Bevölkerungsgruppen<br />

zunehmend an<br />

die private Konkurrenz – besonders<br />

im Fernsehen. Nicht nur bei den 15- bis 29-Jährigen,<br />

sondern auch bei den 30- bis 49-Jährigen<br />

prägen niedrige und weiter sinkende Marktanteile<br />

das Bild. Das Durchschnittsalter der<br />

<strong>ARD</strong>- und ZDF-Zuschauer ist auf gut 60 Jahre<br />

gestiegen. Tendenz weiter steigend. Es droht ein<br />

Generationen abriss. Überzeugende Strategien,<br />

die auf eine erfolgreiche Ansprache der jüngeren<br />

Altersgruppen zielen, sind bislang kaum<br />

erkennbar. Sie sind aber dringend nötig, denn<br />

der Befund ist gleichermaßen eindeutig wie<br />

alarmierend.<br />

_ Hohes und steigendes Durchschnittsalter<br />

Bei den öffentlich-rechtlichen TV-Programmen<br />

ist inzwischen fast die Hälfte der Zuschauer<br />

über 65 Jahre alt – also im Rentenalter. Nur<br />

rund fünf Prozent sind unter 30. Das durchschnittliche<br />

Zuschaueralter liegt beim Ersten<br />

inzwischen bei 59,8 Jahren, beim ZDF bei 60,6<br />

Jahren und bei den Dritten noch höher: bei<br />

60,9 Jahren. Der Vergleichswert der privaten<br />

Sender liegt mit etwa 45 Jahren weit darunter.<br />

Der durchschnittliche Zuschauer des öffentlichrechtlichen<br />

Rundfunks ist also um rund 15 Jahre<br />

älter als derjenige der privaten Anbieter.<br />

Sorge macht insbesondere, mit welchem<br />

Tempo das Durchschnittsalter bei den Öffentlich-Rechtlichen<br />

ansteigt. In den vergangenen 15<br />

Jahren nahm es bei der <strong>ARD</strong> um elf Jahre, beim<br />

ZDF um acht Jahre zu. Das <strong>ARD</strong>- und ZDF-<br />

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Jugend <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 23


24<br />

Fernsehpublikum altert damit mehr als dreimal<br />

so stark wie das Fernsehpublikum insgesamt.<br />

Wenn dieser Trend weiter Bestand hat, werden<br />

die Zuschauer der Öffentlich-Rechtlichen in<br />

zehn Jahren im Durchschnitt gut 66 Jahre alt<br />

sein.<br />

Bei RTL und Sat.1 stieg das Durchschnittsalter<br />

nur um rund 3,5 Jahre. Bei ProSieben<br />

ging es sogar um 1,5 Jahre zurück. Insgesamt<br />

ist also eine fortschreitende Spaltung des Fernsehmarkts<br />

zu beobachten: Die Älteren sehen<br />

öffentlich-rechtlich, die Jüngeren privat.<br />

Im Hörfunk ist die Situation weniger dramatisch,<br />

in der Tendenz aber ähnlich. Hier<br />

behaupten die <strong>ARD</strong>-Programme gegen eine<br />

zahlenmäßig große Konkurrenz bei den 14- bis<br />

29-Jährigen immerhin einen Anteil an der<br />

Tagesreichweite von 36,5 Prozent. Bei den 30-<br />

bis 39-Jährigen sind es sogar 44,0 Prozent, bei<br />

den 50-Jährigen und Älteren über 61 Prozent.<br />

Vor zehn Jahren waren es 43,3, 48,4 und 63,2<br />

Prozent. Der Rückgang ist also bei den Jüngeren<br />

stärker als bei den Älteren, aber deutlich<br />

weniger ausgeprägt als im Fernsehen. Allerdings<br />

verfügen die Landesrundfunkanstalten im<br />

Hörfunk auch über ausgesprochene Jugendprogramme<br />

und über Popwellen, die gerade die<br />

mittleren Jahrgänge gut erreichen.<br />

_ Jugendliche nach wie vor über Hörfunk<br />

und Fernsehen erreichbar<br />

Ein viel genannter Grund für das hohe und<br />

weiter steigende Durchschnittsalter bei den<br />

Öffentlich-Rechtlichen liegt im abweichenden<br />

Medienverhalten der Jugend-Jahrgänge. In der<br />

Tat nutzen Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren<br />

die Medien Fernsehen und Hörfunk weit<br />

unterdurchschnittlich – insgesamt 195 Minuten<br />

täglich. Das ist nur etwa halb so lange, wie die<br />

Zuschauer und Zuhörer aller Altersgruppen<br />

diese Medien nutzen. Jugendliche sind mehr<br />

online als vor dem Fernseher. Und sie hören<br />

ebenso viel Musik aus der Retorte (MP3), wie<br />

sie Radio hören.<br />

Dieser Befund gilt allerdings nur für die<br />

»Teens«. Denn mit zunehmendem Alter gleicht<br />

sich das Medienverhalten rasch den Durchschnittswerten<br />

an. Bereits bei den 20- bis 29-Jährigen<br />

steigt der Radio- und Fernsehkonsum auf<br />

330 Minuten täglich an. Das sind bereits gut 80<br />

Prozent des Durchschnittswerts für alle Altersgruppen<br />

(409 Minuten). Bei den 30- bis 39-Jährigen<br />

wird dieser Durchschnittswert mit 391 Minuten<br />

fast erreicht.<br />

Auch wenn man den Fernsehkonsum allein<br />

nimmt, ist der Anstieg der Sehdauer mit zunehmendem<br />

Alter deutlich zu erkennen. Sie wächst<br />

von 100 Minuten bei den 14- bis 19-Jährigen auf<br />

156 Minuten bei den 20- bis 29-Jährigen und 192<br />

Minuten bei den 30- bis 39-Jährigen (Gesamtdurchschnitt<br />

der Erwachsenen 223 Minuten).<br />

Aus diesen Fakten lassen sich zwei Schlüsse<br />

ziehen: Erstens, dass die jüngeren Menschen<br />

über die klassischen Medien Fernsehen und<br />

Hörfunk durchaus zu erreichen sind – wenn<br />

auch nicht ganz so gut wie die älteren. Und<br />

zweitens, dass sich die rasche Alterung des<br />

»öffentlich-rechtlichen Fernsehpublikums« nur<br />

zum kleinen Teil mit dem spezifischen Medienverhalten<br />

der Jugend erklären lässt.<br />

_ Niedrige, weiter sinkende Marktanteile<br />

bei jüngeren Zuschauern<br />

Der Kern des Problems liegt woanders. Er liegt<br />

darin, dass die Öffentlich-Rechtlichen bei den<br />

Zuschauern unter 50 Lebensjahren in beträchtlichem<br />

Ausmaß Marktanteile verlieren. Besonders<br />

ausgeprägt ist der Akzeptanz-Schwund bei<br />

den Unter-30-Jährigen.<br />

Das Erste erreicht in dieser Altersgruppe (14<br />

bis 29 Jahre) nur noch einen Marktanteil von<br />

fünf Prozent (2007). Das ZDF liegt mit 4,1 Prozent<br />

noch darunter. Denselben Wert erzielen<br />

die Dritten zusammen. Zum Vergleich: Marktführer<br />

ProSieben kam auf 17,4 Prozent, RTL auf<br />

16,8 Prozent.<br />

Im Klartext bedeutet das: Wenn Jugendliche<br />

und junge Erwachsene ihr Fernsehgerät anschalten,<br />

entscheiden sie sich nur zu etwa 15<br />

Prozent für öffentlich-rechtliche Programme<br />

und zu mehr als 85 Prozent für die privaten Sender.<br />

Bezogen auf alle Zuschauer kommen die<br />

Öffentlich-Rechtlichen – Das Erste, die Dritten<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />

Moderieren »DASDING.tv«: Domenica Berger<br />

und Rainer Jilg.


und das ZDF – dagegen auf einen Marktanteil<br />

von rund 40 Prozent. Die Quote für die 14- bis<br />

29-Jährigen liegt also bei nur etwa einem Drittel<br />

der Gesamtquote der Öffentlich-Rechtlichen.<br />

Weit unterdurchschnittlich ist der Marktanteil<br />

der öffentlich-rechtlichen TV-Programme<br />

mit rund 24 Prozent übrigens auch in der<br />

Gruppe der 30- bis 39-Jährigen, also bei den<br />

»Middle Agers«. Anlass zur Sorge gibt insbesondere<br />

das Ausmaß, mit dem die Öffentlich-<br />

Rechtlichen bei den jüngeren Zuschauergruppen<br />

in den vergangenen 15 Jahren an Akzeptanz<br />

verloren haben und immer noch verlieren:<br />

_ Bei den 14- bis 19-Jährigen ist der Marktanteil<br />

von <strong>ARD</strong> und ZDF zusammen von beachtlichen<br />

40,1 Prozent in 1992 auf nunmehr<br />

12,4 Prozent in 2007 gesunken, bei den 20- bis<br />

29-Jährigen von 41,2 auf 13,5 Prozent. Das sind<br />

immerhin Marktanteilsverluste in der Größenordnung<br />

von zwei Dritteln und mehr.<br />

_ Selbst bei den noch nicht im dualen System<br />

fernsehsozialisierten 30- bis 49-Jährigen hat sich<br />

der Marktanteil der Öffentlich-Rechtlichen seit<br />

1992 fast halbiert – von 45,8 auf 23,9 Prozent.<br />

Tröstlich ist da allenfalls der Umstand,<br />

dass sich der Akzeptanz-Schwund in den letzten<br />

fünf Jahren etwas verlangsamt hat – vor<br />

allem bei den 14- bis 19-Jährigen. Dennoch ist<br />

der Negativtrend keineswegs gebrochen. Die<br />

Entwicklung der Marktanteile zeigt bei allen<br />

Altersgruppen unter 50 Jahren bis zuletzt nach<br />

unten. Steigende Marktanteile erreichen <strong>ARD</strong><br />

und ZDF erst in den Rentnerjahrgängen. Bei<br />

den Ab-65-Jährigen liegt die Quote inzwischen<br />

bei 65 Prozent. Vor zehn Jahren lag sie noch bei<br />

weniger als 60 Prozent.<br />

Die Hoffnung nun darauf zu setzen, dass<br />

die Alterung der Gesellschaft die Quoten von<br />

<strong>ARD</strong> und ZDF insgesamt stabil halten wird,<br />

wäre allerdings verfehlt. Denn es ist keineswegs<br />

ein Automatismus, dass sich die Menschen<br />

mit fortschreitendem Alter den Öffentlich-<br />

Rechtlichen zuwenden. Vielmehr deuten die<br />

Ergebnisse der Medienforschung darauf hin,<br />

dass jüngere Generationen, deren Sehgewohnheiten<br />

bereits stark von den Privaten geprägt<br />

wurden, auch im Alter für die öffentlich-rechtlichen<br />

Sender nicht mehr so leicht zu erreichen<br />

sind wie jene Jahrgänge, die ausschließlich mit<br />

öffentlich-rechtlichen Programmen aufgewachsen<br />

sind.<br />

Im Ergebnis bedeutet das: Sender, die heute<br />

an Akzeptanz bei der Jugend verlieren, werden<br />

morgen und übermorgen mutmaßlich auch bei<br />

der Gesamtquote zurückfallen.<br />

_ In den Top 50 des Fernsehens nur mit<br />

Sport vertreten<br />

<strong>ARD</strong> und ZDF ziehen im Wettbewerb um die<br />

Jüngeren insbesondere deshalb den Kürzeren,<br />

weil sie zu wenige Programme für diese Zielgruppe<br />

anbieten. In der Hitliste der 50 Sendungen,<br />

die Teens und Twens 2007 in besonders<br />

großer Zahl eingeschaltet haben, kommen die<br />

Öffentlich-Rechtlichen praktisch nicht vor;<br />

Ausnahme: bei der Übertragung herausragender<br />

Sportereignisse (z. B. Fußball- und Handball-<br />

Weltmeisterschaften). Hier gibt es vier Treffer,<br />

alle vom Ersten. Und bei Unterhaltungsformaten<br />

heißt der traurige Befund: Fehlanzeige.<br />

»RTL und ProSieben«, so bilanzierte es der<br />

<strong>ARD</strong>-Vorsitzende Fritz Raff kürzlich, »dominieren<br />

diese Liste mit einer Klarheit, die betroffen<br />

machen kann.«<br />

Erstaunlich ist, dass diese Betroffenheit bislang<br />

keine stärkere Bereitschaft zum Wandel<br />

auslöst. Ist da bereits Resignation im Spiel, oder<br />

ist es bewusstes strategisches Kalkül, vor allem<br />

auf die älteren Zuschauer zu setzen? Befürchten<br />

<strong>ARD</strong> und ZDF, dass ihre Gesamtquote sinken<br />

wird, wenn sie die Programme stärker auf jüngere<br />

Menschen zuschneiden?<br />

Bezogen auf die Hauptprogramme mag ein<br />

solches Risiko durchaus bestehen. Zumindest<br />

ist a priori nicht auszuschließen, dass man mit<br />

einem »jüngeren« Programm in der Übergangszeit<br />

mehr ältere Zuschauer verliert als jüngere<br />

hinzugewinnt. Doch dürfte sich der Schwund<br />

bei den Älteren in engen Grenzen halten, wenn<br />

<strong>ARD</strong> und ZDF gemeinsam und behutsam umsteuern.<br />

Ein Versuch, das Thema Sport in einer Call-in-<br />

Sendung humorvoll umzusetzen:<br />

Arnd Zeigler in »Zeiglers wunderbare Welt des<br />

Fußballs« im WDR Fernsehen<br />

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Jugend <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 25


26<br />

Überdies besteht dann ja auch die Möglichkeit,<br />

eine stärkere Differenzierung im gesamten<br />

Programm-Portfolio zu wagen. Warum nicht<br />

eines oder mehrere Programme so gestalten,<br />

dass sie verstärkt jüngere Menschen ansprechen?<br />

Immerhin bieten <strong>ARD</strong> und ZDF zurzeit<br />

21 deutschlandweit empfangbare Fernsehprogramme<br />

an. Bei kaum einem dieser Programme<br />

liegt das Durchschnittsalter nennenswert unter<br />

60 Jahren. Am niedrigsten ist es mit 49 Jahren<br />

bei EinsFestival, mit 54 Jahren bei PHOENIX<br />

und mit 57 Jahren bei 3sat.<br />

_ Höchste Zeit für eine erfolgreichere Ansprache<br />

der Jüngeren<br />

Keine Frage: Es ist eine riesige Herausforderung,<br />

die jüngeren Zuschauergruppen in großer<br />

Zahl mit qualitätsvollen Informations- und<br />

Unterhaltungsangeboten zu erreichen. Und nur<br />

das kann das Ziel sein. Aber die Möglichkeiten<br />

dazu sind noch keineswegs ausgereizt. MDR-<br />

Intendant Udo Reiter hat völlig Recht, wenn er<br />

sagt: »Man kann nicht auf der einen Seite immer<br />

einen mangelhaften Informationsstand junger<br />

Leute und niedrige pädagogische Ansprüche<br />

mancher Privatprogramme beklagen und andererseits<br />

nichts dagegen tun.«<br />

Das Thema Ansprache der Jugend gehört<br />

deshalb verstärkt in den Fokus der programmstrategischen<br />

Überlegungen der Öffentlich-<br />

Rechtlichen. Und zwar rasch, denn die Zeit<br />

drängt:<br />

_ Erstens droht ansonsten eine Diskussion<br />

darüber, ob die Öffentlich-Rechtlichen ihren<br />

Funktionsauftrag noch hinreichend erfüllen.<br />

Dieser Auftrag verpflichtet sie ja u. a. dazu,<br />

»die demokratischen, sozialen und kulturellen<br />

Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen« und<br />

durch ihre Angebote »den gesellschaftlichen<br />

Zusammenhalt in Bund und Ländern zu fördern«,<br />

wie es im Entwurf zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />

heißt. Diese Aufgaben<br />

lassen sich befriedigend nur dann erfüllen,<br />

wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade<br />

auch die nachwachsenden Generationen in angemessenem<br />

Umfang erreicht. Bei anhaltendem<br />

Schwund der jüngeren Zuschauer wächst jedenfalls<br />

das Risiko, dass über kurz oder lang auch<br />

die Akzeptanz für die Gebührenfinanzierung<br />

schwindet.<br />

_ Zweitens muss es im ureigenen Interesse<br />

von <strong>ARD</strong> und ZDF liegen, junge Menschen<br />

möglichst frühzeitig an ihre Programme zu binden<br />

und die Marken <strong>ARD</strong> und ZDF in deren<br />

Köpfen zu verankern. Je früher die Öffentlich-<br />

Rechtlichen mit einer markenorientierten Strategie<br />

beginnen, desto besser sind die Erfolgsaussichten.<br />

_ Drittens braucht es Zeit, bis eine stärkere<br />

Programmausrichtung auf die Jugend die gewünschte<br />

Wirkung entfaltet. Es wird nicht auf<br />

Anhieb gelingen, entsprechende Programmformate<br />

zu entwickeln und den bestmöglichen<br />

Programm-Mix für eine Verjüngung des Fernsehpublikums<br />

zu finden. Vielfach wird man<br />

sich auf dem Weg von Versuch und Irrtum<br />

herantasten müssen. Je früher und beherzter die<br />

Öffentlich-Rechtlichen damit beginnen, desto<br />

besser die Erfolgsaussichten.<br />

_ Viertens macht es Sinn, Strategien der<br />

Jugendansprache auf Erkenntnissen aus der<br />

Medien- und Jugendforschung aufzubauen.<br />

Auf diesem Forschungsgebiet gibt es hierzulande<br />

bislang noch erhebliche Defizite. Da<br />

Forschungsprojekte Zeit brauchen, sollten sie<br />

schnellstmöglich gestartet werden – am besten<br />

in enger Abstimmung oder gar in Kooperation<br />

zwischen <strong>ARD</strong> und ZDF.<br />

Bildung für die Jüngeren: Homepage von<br />

»Planet Wissen« mit dem Angebot<br />

zum Thema »Olympische Spiele« aus der<br />

»Multimedia-Galaxie«<br />

_ Gesamtstrategie nötig<br />

Positiv ist, dass die Öffentlich-Rechtlichen bei<br />

der gezielten Ansprache junger Leute bereits auf<br />

wichtige eigene Erkenntnisse zurückgreifen können.<br />

Das zeigt die Übersicht über die Jugendangebote<br />

der <strong>ARD</strong>, die die <strong>ARD</strong>-Geschäftsführung<br />

auf Bitte der Gremienvorsitzenden erstellt<br />

hat. Auch die von der GVK im März 2008<br />

veranstaltete Fachtagung zur Jugendansprache<br />

hat bestätigt, dass zahlreiche gute Formate, innovative<br />

Konzepte und kreative Ideen bereits<br />

vorhanden sind, bisher aber nur punktuell zum<br />

Erfolg führen.<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


Die Gremienvorsitzenden halten deshalb<br />

eine <strong>ARD</strong>-Gesamtstrategie zur Ansprache Jugendlicher<br />

und junger Erwachsener für notwendig.<br />

Sie muss medienübergreifend und markenbildend<br />

angelegt sein und den Pool der Ideen,<br />

Erfahrungen und Projekte in der <strong>ARD</strong> konsequent<br />

ausschöpfen.<br />

Klar ist aber auch: Ein Patentrezept für die<br />

erfolgreiche Ansprache der Jugend gibt es nicht.<br />

Dagegen spricht schon die Differenziertheit der<br />

Jugend, die laut Jugendforschung weder alters-<br />

noch verhaltensabhängig in einer »Jugendkultur«<br />

fassbar ist. Umso mehr wird es nötig sein,<br />

an einer Vielzahl von Stellschrauben zu drehen.<br />

_ Behutsame Verjüngung des Gesamtprogramms<br />

Der strategische Schwerpunkt einer stärkeren<br />

Ausrichtung auf jüngere Zielgruppen muss<br />

darin liegen, das gesamte Programmangebot<br />

behutsam zu »verjüngen«. Zum einen bedeutet<br />

das, in die Programme der Öffentlich-Rechtlichen<br />

– insbesondere die zuschauerstarken<br />

Hauptprogramme – mehr Angebote für die jüngeren<br />

Zuschauergruppen aufzunehmen. Zum<br />

anderen gilt es, die Machart und Anmutung des<br />

gesamten Programmangebots stärker als bisher<br />

am Geschmack und an den Präferenzen der Zuschauer<br />

in den jüngeren und mittleren Altersgruppen<br />

auszurichten. Mehr junge Gesichter,<br />

mehr jugendrelevante Themen, neue jugendgerechte<br />

Programmkonzepte, mehr multimediale<br />

Formate heißt das Rezept. Dies sowohl bei Information,<br />

Bildung und Kultur als auch in der<br />

Unterhaltung. »Gerade auch bei ihren fiktionalen<br />

Produktionen müssen sich die Öffentlich-<br />

Rechtlichen verstärkt bemühen, das Lebensgefühl<br />

der Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

besser anzusprechen«, sagte Fritz Raff auf der<br />

Fachtagung der GVK. Dieser Erkenntnis sollten<br />

bald auch Taten folgen.<br />

Natürlich darf der öffentlich-rechtliche<br />

Rundfunk dabei nicht sein besonderes Profil<br />

verlieren. Es wäre falsch und letztlich kontraproduktiv,<br />

junge Menschen mit Angeboten zu<br />

gewinnen, die nicht spezifisch für den öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunk stehen. Sendungen<br />

wie »Bruce« Darnell sind der falsche Weg. Die<br />

Herausforderung liegt vielmehr darin, bei den<br />

Jugendlichen mit Qualität zu punkten. Neben<br />

entsprechenden Programmangeboten gilt es<br />

dazu auch, »Marken« zu entwickeln, die für<br />

Qualität, Originalität und Kreativität stehen.<br />

Keine Frage: Es gibt bereits eine Vielzahl<br />

von qualitätvollen Angeboten, für die sich<br />

»quer«-Moderator Christoph Süß (l.) mit<br />

Wolfgang Krebs als Double des bayerischen<br />

Ministerpräsidenten Günther Beckstein<br />

sowohl Jugendliche als auch »Middle Agers«<br />

interessieren. Zu nennen sind hier etwa die Sendereihe<br />

»Ich mach’s!« von BR-alpha, die über<br />

Fernsehen und Internet 350 Berufsbilder vorstellt,<br />

die WDR/SWR-Kooperationen »Planet<br />

Wissen« (unter Beteiligung von BR-alpha) und<br />

»Planet Schule«, »TV-Klassiker« wie das BR-<br />

Informationsmagazin »quer« oder auch die TV-<br />

und Internetangebote zu Naturwissenschaften,<br />

Sprachen, Kultur und Geschichte. Letztere sind<br />

zum Teil bereits auch als Unterrichtsmaterial<br />

aufbereitet.<br />

Im fiktionalen Bereich fällt auf, dass anspruchsvolle<br />

Filme wie »Die Flucht«, »Contergan«<br />

oder »Die Frau vom Checkpoint Charlie«<br />

überdurchschnittlich hohe Marktanteile von 10<br />

bis 13 Prozent bei den 14- bis 29-Jährigen erreichen<br />

konnten. Diese Filme waren eingebettet in<br />

ein multimediales Begleitangebot zu den historischen,<br />

rechtlichen und gesellschaftspolitischen<br />

Fragen. Gerade auch dieses zusätzliche Informationsangebot<br />

wurde von den Jüngeren intensiv<br />

genutzt (vgl. Medienforschung 2007).<br />

Als positives Signal für eine behutsame »Gesamtverjüngung«<br />

möchte ich 3sat erwähnen.<br />

Obwohl 3sat ein so genanntes Kulturprogramm<br />

ist, liegt der Altersdurchschnitt der Zuschauer<br />

bei 57 Jahren, und das ohne Sport, ohne Telenovelas,<br />

ohne Werberahmenprogramm. Dahinter<br />

stehen Originalität und Kreativität sowie<br />

die Entwicklung der Gesamtanmutung hin<br />

zu einem jüngeren und frischeren Aussehen<br />

(Studio bau, Kulissen, Trailer, Audience Flow,<br />

Farben, Moderatorenauswahl, Sprache etc.).<br />

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Jugend <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 27


28<br />

Der Schlüssel zum Erfolg liegt letztlich darin,<br />

die Jugendansprache als Querschnittaufgabe<br />

zu begreifen. Das heißt, bei jedem Format,<br />

jedem Beitrag zu fragen, wie er relevanter und<br />

attraktiver für die jüngeren Zuschauergruppen<br />

gestaltet werden kann.<br />

_ Mehr multimediale Formate, mehr<br />

jugendorientierte Internetangebote<br />

Ein Erfolg versprechender Weg, jüngere Zuschauergruppen<br />

zu erreichen, sind multimediale<br />

Angebote. Das gilt insbesondere dann, wenn<br />

sie Möglichkeiten zur Interaktivität und zur<br />

unmittelbaren Beteiligung an der Gestaltung<br />

einer Sendung bieten. Zu den innovativen Beispielen,<br />

die es im Bereich der <strong>ARD</strong> bereits gibt,<br />

zählt das SWR-Hörfunkangebot DASDING.<br />

Hier besteht für junge Leute die Möglichkeit,<br />

selbst Radio zu machen und mit ihrem Beitrag<br />

auf der entsprechenden Online-Plattform zu<br />

erscheinen. Ergänzt wird das Angebot noch um<br />

eine wöchentliche Fernsehsendung. Richtung-<br />

Rosemarie Bundz, Moderatorin von<br />

»Südwild« (BR)<br />

weisend ist auch das neue – ebenfalls trimediale<br />

– Format »Südwild« (BR). Es zeigt im Bayerischen<br />

Fernsehen und auf seiner Homepage<br />

»User generated content« (Video-Clips), wobei<br />

die Internet-Nutzer über die Aufnahme in die<br />

TV-Sendung entscheiden.<br />

Gerade solche auf das Nutzungsverhalten<br />

der Jugend zugeschnittenen Internetangebote<br />

versprechen Erfolg. Denn die Jugend legt<br />

großen Wert auf die spezifischen Möglichkeiten,<br />

die das Internet bietet – etwa auf autonome<br />

Recherchemöglichkeiten, Interaktivität,<br />

zeitsouveräne Nutzung, Podcasts, Chats und<br />

Communities. Entsprechend sind auch alle jungen<br />

Hörfunkwellen der <strong>ARD</strong> inzwischen mit<br />

einem begleitenden Online-Portal im Netz, sei<br />

es N-JOY vom NDR, 1LIVE vom WDR, YOU<br />

FM vom HR, MDR SPUTNIK, Bremen Vier<br />

von Radio Bremen, Fritz vom RBB oder 103.7<br />

UnserDing vom SR. Diese spezifischen Jugendwellen<br />

erreichen bereits erfolgreich die jüngere<br />

Zielgruppe (mit einem Durchschnittsalter von<br />

26 bis 35 Jahren) und können über ihre Internetpräsenz<br />

verstärkt dazu beitragen, die Jugend mit<br />

dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk »bekannt<br />

zu machen« und für weitere Angebote – auch<br />

aus dem TV-Bereich – zu interessieren.<br />

Darüber hinaus macht es Sinn, das Internet<br />

künftig verstärkt als Wegweiser hin zu jugendorientierten<br />

Sendungen und Formaten zu nutzen.<br />

Bislang findet sich auf der Startseite der<br />

<strong>ARD</strong> Mediathek nur die Kategorie »Kinder und<br />

Familie«. Hier besteht, ebenso wie auf nahezu<br />

allen Startseiten der einzelnen Landesrundfunkanstalten,<br />

dringend Nachbesserungsbedarf.<br />

Warum nicht ein über die <strong>ARD</strong> Mediathek erreichbares<br />

»Jugendportal« entwickeln, das einen<br />

strukturierten Überblick über all jene Angebote<br />

gibt, die sich an jüngere Zuschauergruppen<br />

richten? Denn attraktive Jugendangebote können<br />

nur dann die gewünschte Akzeptanz erreichen,<br />

wenn sie auch gefunden werden.<br />

Aus all diesen Gründen ist es wichtig, dem<br />

öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen ausreichenden<br />

Entwicklungsspielraum im Online-Bereich<br />

zu gewähren. Ein Fernseh- oder Hörfunkprogramm<br />

ohne Internet auftritt wird bei den<br />

Jugendlichen nur geringe Chancen haben.<br />

_ Innovationswerkstätten<br />

Um die Innovationskraft der Öffentlich-Rechtlichen<br />

weiter zu stärken, wäre es denkbar,<br />

»Innovationswerkstätten« bei einzelnen Landesrundfunkanstalten<br />

einzurichten, in denen<br />

insbesondere auch Jugendliche ihre Ideen einbringen<br />

können. Ansatzpunkte dazu gibt es<br />

bereits – u. a. beim SR. Hier wurde die Konzeption<br />

für die SR-Jugendwelle 103.7 Unser Ding<br />

seinerzeit von Jugendlichen für Jugendliche<br />

entwickelt (vgl. <strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> 04/05, S. 78). Das<br />

ist ein guter Weg, der authentische Produkte<br />

verspricht.<br />

_ »Audience Flow« nutzen<br />

Ein weiterer Ansatzpunkt liegt darin, den<br />

»Audience Flow« im Umfeld massenattraktiver<br />

Sendungen zielgerichtet zu nutzen. Die Öffentlich-Rechtlichen<br />

erreichen durchweg eine<br />

hohe Einschaltquote bei Jugendlichen, wenn<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


sie herausragende Sportereignisse übertragen.<br />

Deshalb sollten sie die Chance konsequent<br />

nutzen, im Umfeld solcher Übertragungen jugendorientierte<br />

Sendungen auszustrahlen und<br />

Jugendliche damit für ihre Hauptprogramme zu<br />

interessieren.<br />

In den <strong>ARD</strong>-Leitlinien für 2009/2010 (vgl.<br />

Dokumente), in denen auf Drängen der GVK<br />

das Thema »Jugend« erstmals vertieft behandelt<br />

wird, ist eine solche »jugend-affinere« Gestaltung<br />

des Programms in Aussicht gestellt.<br />

_ Schaffung eines eigenen TV-Jugendkanals<br />

MDR-Intendant Udo Reiter hat öffentlich vorgeschlagen,<br />

einen der <strong>ARD</strong>-Digitalkanäle in einen<br />

Jugendkanal umzuwandeln. Der <strong>ARD</strong>-Vorsitzende<br />

Fritz Raff hält das für einen möglichen<br />

Weg, verbindet damit aber die Frage, ob es Sinn<br />

macht, eine gesellschaftlich relevante Gruppe in<br />

einen weiteren Spartenkanal abzudrängen. Das<br />

ist aber keineswegs eine zwangsläufige Folge.<br />

Natürlich kann und darf ein Jugendkanal<br />

nicht der einzige Weg sein, die jüngeren Zuschauer<br />

zurückzugewinnen. Und natürlich<br />

muss es darüber hinaus immer auch Ziel sein,<br />

jüngere Zuschauer verstärkt ins <strong>ARD</strong>-Hauptprogramm<br />

zu ziehen. Die Frage ist nur, ob<br />

eine Jugend-Strategie hinreichend erfolgreich<br />

sein kann, wenn wir den jüngeren Zuschauern<br />

nicht zugleich auch eine feste Heimat in der öffentlich-rechtlichen<br />

Medienwelt anbieten. Aus<br />

meiner Sicht zumindest ist das eine notwendige<br />

Erfolgsbedingung – natürlich aber keine hinreichende.<br />

_ Off-Air-Veranstaltungen und Kooperationen<br />

mit Bildungseinrichtungen<br />

Veranstaltungen mit Eventcharakter tragen bereits<br />

heute dazu bei, dem öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunk ein »jüngeres« Gesicht zu geben.<br />

Aber es gibt durchaus noch Spielraum für<br />

zusätzliche jugendorientierte »Events«. Als<br />

Basis könnten etwa auch traditionelle Fernseh-<br />

und Hörfunkangebote dienen (beispielsweise<br />

»Tatort«-Public-Viewing).<br />

Ein Erfolg versprechender Weg zur Jugendansprache<br />

liegt auch in Partnerschaften mit<br />

Schulen und anderen Bildungseinrichtungen.<br />

Qualitätvolle Inhalte dafür gibt es gerade in den<br />

Bereichen Bildung, Wissen und Information<br />

in großer Zahl. Gelungene Beispiele für eine<br />

solche Zusammenarbeit finden sich im Kontext<br />

der bereits erwähnten Formate »Ich mach’s!«<br />

und »Planet Wissen«. Zudem gehen bereits<br />

fast alle Anstalten mit ihren Hörfunkwellen,<br />

Im Gespräch auf dem GVK-Forum: Oliver<br />

Pocher (l.) und der künftige Programmdirektor<br />

des Ersten, Volker Herres<br />

Orches tern oder Jugendsendungen in die Schulen,<br />

ini tiieren dort Wettbewerbe, Lesefeste oder<br />

Radio nächte, bieten Mitmachmöglichkeiten für<br />

die Jugendlichen oder auch Fortbildungsangebote<br />

für die Lehrer. Vieles davon hat dann wieder<br />

Eventcharakter und vermittelt Wissen mit<br />

Spaßfaktor. Hierauf lässt sich aufbauen.<br />

_ Die GVK will Treiber bleiben!<br />

Das Thema Jugendansprache muss und wird<br />

in der <strong>ARD</strong> in den kommenden Monaten und<br />

Jahren mehr und mehr zu einem Kernthema<br />

werden. Die GVK wird dabei weiterhin Motor<br />

und Treiber sein. Sie will die Gremien der einzelnen<br />

Rundfunkanstalten sensibilisieren und<br />

ihnen Fakten, Argumente und Anregungen an<br />

die Hand geben. Sie will – etwa durch Fachtagungen<br />

wie das diesjährige GVK-Forum in<br />

München – aktiv zum Informations- und Meinungsaustausch<br />

innerhalb der <strong>ARD</strong> beitragen.<br />

Gerade das »Voneinander-Lernen« ist ja einer<br />

der Vorteile, die föderale Systeme bieten. Und<br />

sie will in Gesprächen mit Fachleuten und in<br />

Diskussionen untereinander eigene Ideen entwickeln<br />

und sich auf diese Weise fit machen, das<br />

Thema innerhalb der <strong>ARD</strong> offensiv vorantreiben<br />

zu können.<br />

Gespannt sein darf man jetzt auf das Strategiepapier,<br />

das die Intendanten der GVK im<br />

April dieses Jahres zugesagt haben. Es wäre<br />

wünschenswert, wenn es neben grundsätzlichen<br />

Aussagen bereits auch konkrete Vorschläge enthalten<br />

würde, die sich schon bald programmlich<br />

umsetzen lassen.<br />

Volker Giersch, Vorsitzender der<br />

Konferenz der Gremienvorsitzenden<br />

und des SR-Rundfunkrats<br />

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Jugend <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 29


30<br />

Mehr Markt für die europäische<br />

Telekommunikation?<br />

Zum aktuellen Diskussionsstand · Von Eva-Maria Michel<br />

EU-Entscheidungen sollen auf einer möglichst bürger-<br />

nahen dezentralen Ebene getroffen werden, das<br />

ist das Prinzip der Subsidiarität, auf dem die Europäische<br />

Union basiert. Der 1993 in Kraft getretene Maastrichter<br />

Vertrag verankerte das Subsidiaritätsprinzip im EG-<br />

Vertrag. Danach darf die EU in den Bereichen, die nicht<br />

in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig<br />

werden, »sofern und soweit die Ziele der in Betracht ge-<br />

zogenen Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten<br />

nicht ausreichend erreicht werden können und daher<br />

wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf<br />

Gemeinschaftsebene erreicht werden können«.<br />

Nicht nur für die <strong>ARD</strong> stellt sich nun die Frage, ob bei-<br />

spielsweise die geplante neue europäische Regulie-<br />

rungsbehörde, die mit erheblichen Kompetenzen z. B.<br />

bei der Frequenzverteilung ausgestattet werden<br />

soll, diesem Prinzip entgegensteht.<br />

D<br />

er derzeitige Revisionsprozess des<br />

EU-Regulierungsrahmens für elektronische<br />

Kommunikation stellt einen<br />

weiteren bedeutsamen Schritt hin zur<br />

Liberalisierung der Telekommunikationsdienste<br />

und -netze dar. Der bisherige Regulierungsrahmen<br />

wird geprägt von den Grundprinzipien<br />

der Konkordanz von Infrastruktur- und Inhalteregulierung,<br />

der Zuweisung von Frequenzbereichen<br />

an bestimmte Dienste sowie der<br />

Einzelzuteilung von Frequenzen. Jetzt werden<br />

paradigmatische Veränderungen im Bereich<br />

der Frequenzverwaltung durch die Einführung<br />

eines marktorientierten Ansatzes angestrebt, die<br />

nachhaltige Auswirkun gen auf den öffentlichrechtlichen<br />

Rundfunk hätten.<br />

_ Der Revisionsprozess begann Ende 2005<br />

Den eigentlichen Revisionsprozess startete die<br />

EU-Kommission im November 2005 mit einem<br />

»Call for Input«, also einem öffentlichen Aufruf,<br />

zur beabsichtigten Überarbeitung des EU-<br />

Richtlinienpaketes Stellung zu nehmen. Der<br />

»Call for Input« wurde vorbereitet durch eine<br />

Reihe von Mitteilungen und Entscheidungen<br />

der Kommission oder von der Kommission<br />

beauftragter Gremien, in denen sich bereits die<br />

Positionen für das Revisionsverfahren abzeichneten.<br />

Nach der Auswertung der eingegangenen<br />

Stellungnahmen hat die Kommission im März<br />

2006 ihre Stellungnahme veröffentlicht. Daran<br />

schloss sich ein öffentliches Konsultationsverfahren<br />

an.<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


_ Die Legislativvorschläge der Kommission<br />

Auf der Grundlage der Ergebnisse des Konsulationsverfahrens<br />

legte die Kommission am<br />

13. 11. 2007 fünf Dokumente in Form von<br />

Legislativvorschlägen vor:<br />

_ einen Bericht über den bisherigen Revisionsprozess<br />

mit den Stellungnahmen der<br />

Marktteilnehmer im Rahmen der öffentlichen<br />

Konsultation und die Zusammenfassung der<br />

vorgeschlagenen Änderungen;<br />

_ eine Verordnung zur Einrichtung einer Europäischen<br />

Behörde für die Märkte der elektronischen<br />

Kommunikation;<br />

_ eine Richtlinie zur Änderung der Rahmenrichtlinie,<br />

Zugangsrichtlinie und Genehmigungsrichtlinie;<br />

_ eine Richtlinie zur Änderung der Universaldiensterichtlinie<br />

und der Datenschutzrichtlinie<br />

und<br />

_ eine Empfehlung zu den für die elektronische<br />

Kommunikation relevanten Produkt-<br />

und Dienstemärkten.<br />

Die Schwerpunkte der Vorschläge der Generaldirektion<br />

Informationsgesellschaft liegen<br />

dabei auf der geplanten Einführung einer Europäischen<br />

Behörde für die Märkte der elektronischen<br />

Kommunikation mit einer weitgehenden<br />

Verlagerung von Kompetenzen auf die<br />

EU-Ebene und auf einer weitreichenden Veränderung<br />

der Frequenzverwaltung in Europa.<br />

Die Kommission begründet ihre Vorschläge vor<br />

allem damit, dass so die vorhandenen Ressourcen<br />

effizienter verwaltet werden könnten.<br />

_ Dienste- und Technologieneutralität bei der Nutzung<br />

von terrestrischen Frequenzen – Jede Frequenz für<br />

jede Übertragung und jede Dienstleistung?<br />

Die Kommission strebt an, dass zukünftig<br />

grundsätzlich jede Frequenz für jede Übertragungstechnologie<br />

und jede Dienstleistung genutzt<br />

werden kann. Allein der Nutzer einer Frequenz<br />

soll bestimmen, welcher Technik er sich<br />

zur Übertragung elektronischer Kommunikationsdienste<br />

bedient. Die Zuweisung bestimmter<br />

Frequenzbänder und die Zuteilung bestimmter<br />

Frequenzen für bestimmte Dienste – beispielsweise<br />

an den Rundfunk – soll dann nicht mehr<br />

möglich sein. Allerdings sind begrenzte Ausnahmen<br />

zur Sicherstellung von Medienpluralismus<br />

und kultureller Vielfalt vorgesehen. Deren<br />

Anwendung wird aber an ein komplexes und restriktives<br />

Verfahren gebunden, durch das die<br />

Entscheidungsfreiheit der Mitgliedstaaten stark<br />

eingeschränkt würde.<br />

Der geltende EU-Regulierungsrahmen vom<br />

7. 3. 2002<br />

»Weniger Regulierung, leichterer Marktzugang<br />

und einheitliche Wettbewerbsbedingungen«<br />

(Erkii Liikanen, früherer<br />

EU­Kommissar).<br />

Es gibt fünf Harmonisierungsrichtlinien:<br />

_ Rahmenrichtlinie: Damit wird ein harmonisierter<br />

Rahmen für die Regulierung<br />

elektronischer Kommunikationsdienste<br />

und ­netze sowie zugehöriger Einrichtungen<br />

und Dienste vorgegeben. Sie legt<br />

die Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden<br />

sowie eine Reihe von Verfahren<br />

fest, die die Anwendung des Rechtsrahmens<br />

gewährleisten.<br />

_ Genehmigungsrichtlinie: Durch die<br />

Harmonisierung und Vereinfachung soll ein<br />

Binnenmarkt für elektronische Kommunikationsnetze<br />

und ­dienste errichtet werden.<br />

Sie gilt für Genehmigungen, die für die<br />

Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze<br />

und ­dienste erteilt werden.<br />

_ Zugangsrichtlinie: Diese Richtlinie harmonisiert<br />

die Regulierung des Zugangs zu<br />

elektronischen Kommunikationsnetzen<br />

und zugehörigen Einrichtungen sowie<br />

deren Zusammenschaltung durch die Mitgliedstaaten.<br />

Hier werden für Betreiber<br />

und für Unternehmen Rechte und Pflichten<br />

festgelegt. Außerdem werden Ziele für<br />

nationale Regulierungsbehörden in Bezug<br />

auf den Zugang und die Zusammenschaltung<br />

vorgegeben.<br />

_ Universaldiensterichtlinie: Sie regelt<br />

die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze<br />

und ­dienste für Endnutzer.<br />

Sie begründet die Rechte der Endnutzer<br />

und die entsprechenden Pflichten von<br />

Unternehmen, die öffentlich zugängliche<br />

elektronische Kommunikationsnetze und<br />

­dienste bereitstellen.<br />

_ Datenschutzrichtlinie: Sie soll einen<br />

gleichwertigen Schutz der Grundrechte<br />

und Grundfreiheiten, insbesondere des<br />

Rechts auf Privatsphäre, in Bezug auf die<br />

Verarbeitung personenbezogener Daten im<br />

Bereich der elektronischen Kommunikation<br />

sowie den freien Verkehr dieser Daten und<br />

von elektronischen Kommunikationsgeräten<br />

und ­diensten in der Gemeinschaft<br />

gewährleisten.<br />

Europäische Telekommunikation <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 31


Dienste<br />

MHZ<br />

BAnD<br />

32<br />

So sollen Ausnahmen nur nach einem öffentlichen<br />

Konsultationsverfahren möglich<br />

sein. Sie sollen zeitlich befristet, regelmäßig<br />

überprüft und schließlich im Rahmen von Verfahrensvorgaben<br />

der Kommission umgesetzt<br />

werden, durch die der Bereich der Ausnahmen<br />

definiert wird.<br />

Folgerichtig soll es bei der Zuteilung von<br />

Frequenzen grundsätzlich auch keine Einzelgenehmigungen,<br />

also individuelle Frequenzzuteilungen,<br />

mehr geben. Allgemeingenehmigungen,<br />

d. h. die Öffnung von Frequenzbereichen für<br />

eine Vielzahl von Diensten bei Einhaltung<br />

entsprechender frequenztechnischer Vorgaben,<br />

sollen die Regel sein. Die bestehenden Einzelgenehmigungen<br />

würden spätestens nach fünf<br />

Jahren überprüft und nur unter neuen, dann<br />

strengeren Voraussetzungen beantragt werden<br />

können. Sie müssten künftig zwei Voraussetzungen<br />

erfüllen, nämlich<br />

_ erstens die Verwirklichung von Zielen, die<br />

der Erfüllung gemeinwohlorientierter Interessen<br />

dienen, und<br />

_ zweitens die Erfüllung einer Rundfunkanbietern<br />

auferlegten Verpflichtung. Aber auch hierfür<br />

will die Kommission künftig harmonisierte<br />

Kriterien definieren und Vorgaben für die Verfahren<br />

auf mitgliedstaatlicher Ebene machen.<br />

_ Das Ziel: ein freier Handel mit Frequenzen<br />

Die Kommission fordert in diesem Zusammenhang<br />

die Kompetenz, EU-weit Frequenzbänder<br />

festlegen zu können, die dem Handel unterliegen.<br />

Außerdem will sie in Zukunft die Rahmenbedingungen<br />

für den Weiterverkauf von Frequenzen<br />

von einem Nutzer an den anderen in<br />

diesen Bändern festlegen. Schon der derzeitige<br />

Regulierungsrahmen eröffnet die Option für die<br />

Mitgliedstaaten, Frequenzhandel zuzulassen.<br />

Hiervon haben auch fast alle Mitgliedstaaten<br />

Gebrauch gemacht. So sieht auch das deutsche<br />

Telekommunikationsgesetz die Möglichkeit<br />

des Frequenzhandels vor. Allerdings sind die<br />

dem Rundfunk zugewiesenen Frequenzen<br />

davon ausgenommen.<br />

Gegenwärtige Frequenznutzung<br />

Hörfunk<br />

0,1485 – 0,2835<br />

Langwelle<br />

Hörfunk<br />

KW-Rundfunk:<br />

militärische<br />

Anwen dungen<br />

_ Harmonisierung der Auswahl- und Genehmigungs-<br />

verfahren für grenzüberschreitende Diensteanbieter<br />

Die Kommission will zukünftig das Verfahren<br />

zur Auswahl von Unternehmen, die in harmonisierten<br />

Frequenzbändern grenzüberschreitende<br />

Dienste anbieten, weitgehend selbst gestalten<br />

und unter Einbeziehung der neuen<br />

europäischen Regulierungsbehörde sogar selbst<br />

durchführen.<br />

_ Veränderung des Must-Carry-Regimes<br />

Darüber hinaus will die Kommission die Möglichkeit<br />

der Mitgliedstaaten begrenzen, Betreibern<br />

von Übertragungsplattformen Übertragungsverpflichtungen<br />

aufzuerlegen. Bisher<br />

können die Mitgliedstaaten solche Must-Carry-<br />

Verpflichtungen gemäß Art. 31 der Universaldiensterichtlinie<br />

für »specified radio and television<br />

broadcast channels und services« festlegen.<br />

Nach dem Vorschlag der Kommission soll dies<br />

künftig nur noch für »specified radio and television<br />

broadcast channels and accessibility services«,<br />

also Zugangsdienste für Menschen mit<br />

Behinderungen, möglich sein. Außerdem sollen<br />

Must-Carry-Auflagen künftig alle drei Jahre<br />

einer Überprüfung unterworfen werden.<br />

_ Neue Empfehlung zu relevanten Märkten<br />

Der bestehende EU-Regulierungsrahmen für<br />

elektronische Kommunikation enthält eine<br />

Empfehlung zu relevanten Märkten, die unter<br />

KW-Rundfunk:<br />

militärische<br />

Anwen dungen<br />

Rundfunk /<br />

Amateurfunk<br />

0,5265 – 1,6065 3,950 – 4,000 5,900 – 5,950 7,100 – 7,200<br />

Mittelwelle Kurzwelle Kurzwelle Kurzwelle<br />

Inzwischen auf vielen höheren Gebäuden:<br />

Masten mit Mobilfunkantennen<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />

Jedermannfunk<br />

26,560 – 27,410<br />

CB-Funk<br />

Drahtlose Mikrofone<br />

36,61– 37,75<br />

Drahtlose Mikros


estimmten Umständen der Vorabregulierung<br />

unterworfen werden können. Ziel ist es, diese<br />

Märkte EU-weit zu konkretisieren sowie die<br />

methodischen Instrumente der Vorabregulierung<br />

zu harmonisieren, um so gleiche Voraussetzungen<br />

für alle zu schaffen. Der Markt 18 in<br />

der zurzeit geltenden Empfehlung ist der Markt<br />

für Rundfunkübertragungsdienste. Dieser Markt<br />

soll nun, nach dem Vorschlag der Kommission,<br />

aus der Empfehlung gestrichen werden. Dies<br />

hätte zur Folge, dass in Zukunft als Regulierungsinstrument<br />

allein das allgemeine Wettbewerbsrecht<br />

maßgeblich sein würde und Fehlentwicklungen<br />

allenfalls nachträglich korrigiert<br />

werden könnten.<br />

_ Einrichtung einer neuen europäischen<br />

Regulierungsbehörde<br />

Des weiteren sieht das Telekom-Paket die<br />

Einrichtung einer europäischen Regulierungsbehörde<br />

für die Märkte der elektronischen<br />

Ermöglicht die digitale Dividende: Umstellung<br />

auf DVB-T. Hier: Sendemast in Magdeburg<br />

Kommunikation vor. Begründet wird dies mit<br />

der bislang uneinheitlichen Anwendung der<br />

EU-Vorschriften sowie der aufsichtsrechtlichen<br />

Fragmentierung des Binnenmarktes. Die neue<br />

Behörde soll insbesondere für eine einheitliche<br />

Umsetzung der Regeln durch die nationalen<br />

Behörden sorgen und mit diesen zusammenarbeiten,<br />

sie aber nicht ersetzen.<br />

Im Bereich der Frequenzpolitik soll der<br />

Behörde eine weitgehende Koordinierungs-<br />

Fernsteuerung von<br />

Fahrzeugmodellen<br />

Analoges Fernsehen<br />

(auslaufend)<br />

BOS-Funk: Polizei,<br />

THW, Feuerwehr, Zoll,<br />

Rettungsdienste etc.<br />

UKW-Hörfunk<br />

40,71– 40,99 47 – 68 84 – 87,5 87,5 – 108 108 – 137<br />

RC Modellbau VHF Band I BOS­Dienste UKW<br />

Flugfunk<br />

funktion bei der Vergabe von Frequenzen und<br />

der Ermittlung von europaweit harmonisierten<br />

bzw. harmonisierbaren Frequenzen zukommen.<br />

Darüber hinaus soll sie die verfahrensmäßige<br />

Umsetzung der Richtlinienvorgaben in den<br />

Mitgliedstaaten überwachen. Dies würde einen<br />

weitgehenden Eingriff in die Verwaltungshoheit<br />

der Mitgliedstaaten und eine weitere Durchbrechung<br />

des Subsidiaritätsprinzips darstellen.<br />

Für die Vergabe von paneuropäisch harmonisierten<br />

Frequenzen an paneuropäische Dienste<br />

wäre die neue EU-Behörde allein zuständig.<br />

_ Die digitale Dividende auf dem Prüfstand<br />

Der marktbasierte Regulierungsansatz der<br />

Kommission zeigt sich insbesondere hinsichtlich<br />

der künftigen Nutzung der so genannten<br />

digitalen Dividende. Ihre Vorschläge hierzu<br />

legte die Kommission zeitgleich mit den Revisionsvorschlägen<br />

zum Telekom-Paket vor. Die<br />

Kommission geht dabei von der Annahme aus,<br />

dass die durch die Digitalisierung der Rundfunkübertragung<br />

frei werdenden Frequenzkapazitäten<br />

im bisher vornehmlich für terrestrisches<br />

Fernsehen genutzten UHF-Bereich – die so<br />

genannte digitale Dividende – eine wichtige<br />

Ressource wirtschaftlichen Wachstums in der<br />

EU sind. Diese digitale Dividende dürfe nicht<br />

allein dem Rundfunk und mitgliedstaatlicher<br />

Verteilungszuständigkeit überlassen werden,<br />

sondern müsse auf EU-Ebene harmonisiert und<br />

auch anderen als Rundfunkdiensten – z. B. für<br />

die Breitbandversorgung im ländlichen Bereich<br />

oder für mobile Dienste – zur Verfügung gestellt<br />

werden.<br />

Die Kommission will das UHF-Band dafür<br />

nach dem digitalen »switch-over« in drei Nutzungsbereiche<br />

(cluster) aufgeteilt sehen:<br />

_ Rundfunkdienste unter der Regelungskompetenz<br />

der Mitgliedstaaten;<br />

_ mobile Multimedia-Dienste, wie beispiels-<br />

weise Mobil-TV, unter Regelungskompetenz der<br />

Mitgliedstaaten und optionaler EU-Koordinierung;<br />

_ Breitbandzugangsdienste auf der Grundlage<br />

einer EU-Harmonisierung.<br />

Drehfunkfeuer, Lande-<br />

kurssender, Instrumen-<br />

tenlandesysteme<br />

DVB-T und T-DAB<br />

174 – 230<br />

Rundfunk<br />

Privates Mobiles<br />

Radio:<br />

Kurzstreckenfunk<br />

446,0 – 446,2<br />

PMR-Funk<br />

Europäische Telekommunikation <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 33


Dienste<br />

MHZ<br />

BAnD<br />

34<br />

Bei Letzteren will die Kommission künftig<br />

in harmonisierten Subbändern nicht nur die<br />

Nutzungsart, sondern auch die Anbieter von<br />

Diensten auswählen.<br />

_ Die Position des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />

Die <strong>ARD</strong>, aber auch die UER haben bereits im<br />

Vorfeld der 1. Lesung der Legislativvorschläge<br />

im Europäischen Parlament eingehend Stellung<br />

genommen sowie konkrete Änderungsvorschläge<br />

zu einzelnen Regelungen gemacht.<br />

Dabei wurde grundsätzlich darauf hingewiesen,<br />

dass ein wesentliches Element des im Jahr<br />

2002 verabschiedeten EU-Regulierungsrahmens<br />

für elektronische Kommunikation die Anerkennung<br />

der Tatsache ist, dass Verbindungen<br />

zwischen Inhalte- und Infrastrukturregulierung<br />

bestehen und Telekommunikations- und audiovisuelle<br />

Politik daher im Zusammenhang zu sehen<br />

sind. Das derzeitige Richtlinienpaket trägt<br />

zudem der Bedeutung der Ziele Rechnung,<br />

die mit der audiovisuellen Politik in der Gemeinschaft<br />

verbunden sind – insbesondere die<br />

Sicherung kultureller Vielfalt und von Medienpluralismus.<br />

Aus Sicht der <strong>ARD</strong> ist es deshalb<br />

von fundamentaler Bedeutung, dass dieser Regulierungsansatz<br />

auch weiterhin erhalten bleibt.<br />

Dies gilt insbesondere für den von der Kommission<br />

verfolgten marktorientierten Ansatz für das<br />

Frequenzmanagement.<br />

_ Ausnahmen für Rundfunkdienste müssen<br />

bestehen bleiben<br />

Eine Sicherung der Belange des Rundfunks<br />

könnte am nachhaltigsten durch eine generelle<br />

Ausnahmeregelung für den Rundfunkbereich<br />

gewährleistet werden, d. h. durch die generelle<br />

Herausnahme von Rundfunkdiensten und der<br />

diesen Diensten zugeordneten Frequenzbereiche<br />

aus dem Regelungspaket. Es zeichnet<br />

sich aber ab, dass eine solche horizontale und<br />

regulatorisch eindeutige Ausnahmeregelung<br />

weder im Parlament noch im Europäischen Rat<br />

die notwendige Mehrheit finden wird.<br />

Daher muss zumindest sichergestellt werden,<br />

dass den Zielsetzungen der audiovisuellen<br />

DVB-T<br />

Short Range Devices<br />

Radio, Frequency<br />

Identification<br />

Global System for<br />

Mobile Communication<br />

Politik in den Mitgliedstaaten durch eine Reihe<br />

vertikaler Regelungen jedenfalls in folgenden<br />

Bereichen Rechnung getragen wird:<br />

_ Für den Rundfunk muss durch klare Ausnah<br />

men bei den Prinzipien der Technologie-<br />

und Diensteneutralität der Zugang zum benötigten<br />

Frequenzspektrum erhalten bleiben.<br />

Die Frequenzpolitik und das Frequenzmanagement<br />

sind traditionellerweise Regulierungsgegenstände,<br />

mit denen die Mitgliedstaaten<br />

kultur- sowie medienpolitische Ziele im Bereich<br />

des Rundfunks verfolgen. Deshalb müssen die<br />

in der Rahmenrichtlinie vorgesehenen möglichen<br />

Ausnahmen von den Prinzipien der Dienste-<br />

sowie Technologieneutralität konkreter<br />

gefasst und ein breiterer Ansatz für die Verfolgung<br />

von Zielen der audiovisuellen Politik muss<br />

sichergestellt werden.<br />

_ Rundfunkdienste, die Frequenzen in Übereinstimmung<br />

mit dem Genfer Wellenplan von<br />

2006 nutzen, müssen nachhaltig vor störenden<br />

Interferenzen geschützt werden.<br />

_ Notwendig ist außerdem, die Zuständigkeiten<br />

der Kommission sowie der neuen Europäischen<br />

Behörde für Märkte der elektronischen<br />

Kommunikation im Hinblick auf die in mitgliedstaatlicher<br />

Kompetenz liegenden Belange<br />

der Kultur- sowie der audiovisuellen Politik zu<br />

begrenzen.<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />

Die regionale und sprachliche Vielfalt in den<br />

Programmen muss erhalten bleiben. Im Bild:<br />

Das MDR FERNSEHEN zu Gast bei einem<br />

sorbischen Winteraustrieb in Seidenwinkel<br />

Mobile Communication:<br />

Downlink<br />

(Mobilfunk): Uplink Global System for<br />

Global Positioning<br />

System (Satelliten-<br />

navigation)<br />

T-DAB (terrestrisch)<br />

S-DAB (Satellit)<br />

470 – 862 862 – 870 880 – 915 925 – 960 1 227,6 1 452 – 1 479,5 1 479,5 – 1 492<br />

Rundfunk SRD/RFID GSM 900 GSM 900 GPS<br />

L-Band L-Band


Global Positioning<br />

System (Satellitennavigation)<br />

»Orientierung in der digitalen Welt«<br />

vermittelte die <strong>ARD</strong> auf der IFA 2007.<br />

_ Die EU-Kommission sollte keinen Handel<br />

mit Frequenzen und in den Frequenzbereichen<br />

zulassen, die ein Mitgliedstaat Rundfundiensten<br />

zugewiesen hat. Für den Fall, dass dennoch<br />

Frequenzhandel in diesen Bereichen zugelassen<br />

würde, müssten die Mitgliedstaaten Regelungen<br />

treffen können, mit denen sie auch dann noch<br />

Ziele der Kultur- und Medienpolitik, insbesondere<br />

die Sicherung von kultureller Vielfalt und<br />

des Medienpluralismus, verfolgen können.<br />

_ Das so genannte Spectrum Pricing sollte<br />

nicht für Rundfunkveranstalter mit Public-Service-Verpflichtungen<br />

gelten. Aus Sicht der <strong>ARD</strong><br />

müssen die Mitgliedstaaten nach wie vor die<br />

Möglichkeit haben, Regelungen beizubehalten<br />

oder einzuführen, bei denen das Entgelt für die<br />

Nutzung von Frequenzen ersetzt wird durch<br />

eine Programm-Verpflichtung. Das hieße, Rundfunkveranstalter<br />

verpflichteten sich zur Produktion<br />

bestimmter Inhalte oder zur Erfüllung<br />

spezifischer im öffentlichen Interesse liegender<br />

Ziele, etwa zur Sicherstellung regionaler oder<br />

sprachlicher Vielfalt in den Programmen.<br />

Gerade öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern<br />

werden in der Regel individuelle<br />

Frequenznutzungsrechte eingeräumt, weil sie<br />

Adressaten einer weitgehenden Regulierung<br />

sind, die auf bestimmte inhaltliche Verpflichtungen<br />

sowie der Erfüllung von Zielen, die im<br />

allgemeinen Interesse liegen, abstellen. Hierzu<br />

zählen etwa die Berücksichtigung originärer<br />

euro päischer Inhalte, die mit der Richtlinie<br />

Globales Satelliten-<br />

kommunikationssys-<br />

tem: Sprache, Daten<br />

Global System for<br />

Mobile Communication<br />

(Mobilfunk): Uplink<br />

Global System for<br />

Mobile Communication<br />

(Mobilfunk): Downlink<br />

über audiovisuelle Mediendienste und den nationalen<br />

Gesetzgebungen oder Verpflichtungen<br />

zu Investitionen in unabhängige Produktionen<br />

übereinstimmen.<br />

_ Die Mitgliedstaaten müssen wie bisher die<br />

Möglichkeit haben, individuelle Nutzungsrechte<br />

für Frequenzen mit Auflagen und Verpflichtungen<br />

zu verknüpfen, damit bestimmte<br />

Inhalte und Dienste sichergestellt werden. Darüber<br />

hinaus müssen die Besonderheiten des<br />

audiovisuellen Sektors und die Notwendigkeit<br />

eines angemessenen Zeitraums zur Amortisation<br />

bereits getätigter Investitionen – vor allem<br />

im Bereich des Aufbaus der DVB-T-Sendernetze<br />

– bei der Regulierung berücksichtigt werden.<br />

Gerade die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />

haben durch den Ausbau der digitalen<br />

terrestrischen Sendernetze maßgeblich zum<br />

analog-digitalen Umstieg in der Terrestrik beigetragen.<br />

_ Must-Carry-Regeln sollen sicherstellen, dass<br />

die Verbraucher Zugang zu einer großen und<br />

vielfältigen Bandbreite von Radio- und Fernsehkanälen<br />

haben. Die entsprechenden Regelungen<br />

sind daher ein wesentliches Instrument,<br />

durch das die Mitgliedstaaten Medienpluralismus,<br />

kulturelle Vielfalt sowie Verbraucherschutz<br />

gewährleisten können. Sie stellen überdies den<br />

Zugang zu Plattformen Dritter sicher, deren<br />

Betreiber mittlerweile oftmals eigene Inhalte<br />

anbieten.<br />

Gerade der letztere Aspekt gewinnt zunehmend<br />

an Bedeutung. Nach dem vorgesehenen<br />

neuen Wortlaut des Art. 31 URL würde jedoch<br />

in der Konsequenz die Möglichkeit der<br />

Mitgliedstaaten, Betreibern von Plattformen<br />

Übertragungspflichten aufzuerlegen, wesentlich<br />

beschränkt werden. Dann könnten nicht mehr<br />

wie bisher neben Radio- und Fernsehprogrammen<br />

auch zusätzliche Dienste wie elektronische<br />

Programmführer (EPGs) oder Teletextdienste<br />

in die Must-Carry-Verpflichtung aufgenommen<br />

werden. Gerade solche programmbegleitenden<br />

Dienste werden in der digitalen Welt aber immer<br />

wichtiger.<br />

Deshalb haben <strong>ARD</strong>, UER und BBC gefordert,<br />

die Reichweite des Anwendungsbe-<br />

Schnurlose Telefone<br />

Universal Mobile Telecommunications<br />

System,<br />

Time Division Duplex<br />

UMTS: Uplink<br />

1 575,42 1 613,6 – 1 626,5 1 710 – 1 785 1 805 – 1 880 1 880 – 1 900 1 900 – 1 920 1 920 – 1 980<br />

GPS Iridium GSM GSM DECT-Bereich UMTS TDD UMTS-Kernband<br />

Europäische Telekommunikation <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 35


Dienste<br />

MHZ<br />

BAnD<br />

36<br />

reichs für Must-Carry-Verpflichtungen über<br />

die bisherige Begrifflichkeit »television broadcast<br />

channels« hinaus an die Terminologie der<br />

Richtlinie über audiovisuelle Dienste durch<br />

Anknüpfung an den Begriff »audiovisual media<br />

services« anzupassen. Dies würde sicherstellen,<br />

dass die Regelung in Art. 31 URL zukunftsoffen<br />

gestaltet wäre und auch auf neue Plattformen<br />

und Dienste angewendet werden könnte. Die<br />

Mitgliedstaaten könnten damit auch den Zugang<br />

zu linearen und nichtlinearen Diensten<br />

sicherstellen. Neben Zugangsdiensten für Behinderte<br />

würden auch andere Dienste, die im<br />

Interesse bestimmter Gruppen der Gesellschaft<br />

liegen, etwa die Untertitelung für sprachliche<br />

Minderheiten oder Begleitdienste, die an die<br />

Allgemeinheit gerichtet sind – wie Radiotext,<br />

Teletext, Programminformationen, EPGs –, erfasst<br />

werden.<br />

Der Legislativvorschlag sieht auch eine regelmäßige<br />

Überprüfung der Must-Carry-Regeln<br />

nach drei Jahren vor. Diese Zeitspanne ist aber<br />

angesichts der Dauer gesetzgeberischer Verfahren<br />

zu kurz bemessen. Statt des vorgesehenen<br />

dreijährigen Überprüfungszeitraums sollte<br />

daher lediglich eine allgemeine Verpflichtung<br />

der Mitgliedstaaten zu einer regelmäßigen Kontrolle<br />

aufgenommen werden, damit sich die<br />

Mitgliedstaaten bei der zeitlichen Festlegung<br />

an ihren jeweiligen Verhältnissen orientieren<br />

können.<br />

_ Die Position der Bundesländer<br />

Auch die Bundesländer haben anlässlich der<br />

Beratung der Legislativvorschläge im Bundesrat<br />

am 14. 3. 2008 Stellung genommen. Sie reklamieren,<br />

dass die Ausgestaltung der Medienordnung<br />

in der Kompetenz der Länder liegt, was<br />

im gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für elektronische<br />

Kommunikationsnetze und -dienste<br />

abgesichert werden sollte. Die Positionen der<br />

Länder decken sich also weitgehend mit denen<br />

der Rundfunkanbieter. Das gilt insbesondere<br />

für den Aspekt, dass ein reiner Marktansatz bei<br />

der Zuweisung von Rundfunkübertragungskapazitäten<br />

nicht zum Tragen kommen kann.<br />

Dementsprechend muss es auch aus Sicht der<br />

International Mobile<br />

Telecommunications<br />

(Satellit)<br />

UMTS Terrestrial Radio<br />

Access: TDD-Bereich<br />

UMTS: Downlink<br />

Länder klare Ausnahmen für den Rundfunk<br />

bei den Grundsätzen der Technologie- und<br />

Diensteneutralität, beim Frequenzhandel sowie<br />

beim Prinzip der Allgemeingenehmigung geben.<br />

Die Länder fordern ebenfalls, dass weiter<br />

die Mitgliedstaaten über die digitale Dividende<br />

entscheiden sollen. Diese Kompetenz umfasst<br />

nicht zuletzt eine Entwicklungsperspektive für<br />

den digitalen terrestrischen Rundfunk in Richtung<br />

neuer multimedialer Dienste, verbesserter<br />

Empfangs- sowie Bild- und Tonqualität, aber<br />

auch in Richtung HDTV. Der Bundesrat fordert<br />

zusätzlich den Erhalt und die Erweiterung<br />

des Must-Carry-Regimes in Richtung neuer<br />

digitaler Dienste und die Beibehaltung der<br />

mitgliedstaatlichen Entscheidungsprärogative<br />

im Hinblick auf die allgemeinen öffentlichen<br />

Interessen, die mit Must-Carry-Ver pflichtungen<br />

erfüllt werden.<br />

_ Wie geht es weiter?<br />

Am 7. 7. 2008 haben die federführenden Ausschüsse<br />

des Europäischen Parlaments, der Industrieausschuss<br />

sowie der Binnenmarktausschuss,<br />

im Rahmen der ersten Lesung über die Legislativvorschläge<br />

abgestimmt. Die Beratung und<br />

Abstimmung im Parlament ist für den 23. 9.2008<br />

vorgesehen.<br />

Die Beratung und Beschlussfassung im Europäischen<br />

Rat erfolgte durch den Telekommunikationsministerrat<br />

am 12. 6. 2008 auf der Basis<br />

des Fortschrittsberichts der slowenischen Ratspräsidentschaft.<br />

Die Entscheidung mit der Verabschiedung<br />

eines Gemeinsamen Standpunkts<br />

unter französischer Ratspräsidentschaft ist für<br />

den 27. 11. 2008 vorgesehen. Die Abstimmung<br />

zur zweiten Lesung im EU-Parlament in den<br />

federführenden Ausschüssen soll im Dezember<br />

2008 stattfinden; Anfang 2009 erfolgt dann die<br />

abschließende Abstimmung im Parlament. Der<br />

Zeitpunkt für die Beratung und Entscheidung<br />

im Europäischen Rat steht noch nicht fest.<br />

B l u e t o o t h<br />

und WLAN<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />

Eva-Maria Michel,<br />

Justiziarin und<br />

stellvertretende Intendantin des WDR<br />

Breitband WiMAX,<br />

UMTS, Satelliten-TV<br />

und Kommunikation<br />

W L A N<br />

(Wireless Local Area<br />

Network)<br />

1 980 – 2 010 2 010 – 2 025 2 110 – 2 170 2 400– 2 483,5 3 400– 3 600 5 725– 5 875<br />

IMT 2 000 Sat. UTRA TDD UMTS Kernband ISM C-Band für Sat. ISM<br />

Satellitenfernsehen<br />

10 700 – 12 750<br />

KuBand


Solange Hörfunk- und Fernsehprogramme fast<br />

ausschließlich auf klassischem Weg – also analog über<br />

terrestrische Sender – verbreitet wurden, lag die<br />

Pro grammausstrahlung in der Hand der öffentlich-recht-<br />

lichen Rundfunkanstalten selbst oder in der des<br />

damaligen Betreibers der Infrastruktur, der Post.<br />

Ein wenig konfliktträchtiges Kooperationsverhältnis,<br />

zumal die Post als Staatsbetrieb nicht selbst Rundfunk<br />

veranstalten konnte. Mit dem Siegeszug von Kabel<br />

und Satellit seit den 80er Jahren haben sich die Verhält-<br />

nisse gründlich verändert. Und mit der derzeitigen Digi-<br />

talisierung aller Verbreitungswege entsteht ein<br />

völlig neues Spannungsfeld, denn die Betreiber der alten<br />

und neuen Verbreitungs»plattformen« geben sich nicht<br />

mehr mit der Rolle des Transporteurs zufrieden, sondern<br />

konzipieren neue Angebote mit Telefonie, Internet<br />

und Rundfunk, das so genannte Triple Play. Eine Heraus-<br />

forderung für die <strong>ARD</strong>-Anstalten.<br />

Ein neues Spannungsfeld<br />

<strong>ARD</strong>-Programme auf Plattformen Dritter<br />

Von Karola Wille<br />

D<br />

ie Digitalisierung der Rundfunkverbreitungswege<br />

hat neben vielen neuen<br />

Möglichkeiten der Rundfunkdistribution<br />

auch neue Begrifflichkeiten<br />

hervorgebracht. Eine solche ist die »Plattform«.<br />

Umgangssprachlich laut Wikipedia Synonym<br />

für eine ebene, meistens erhöht liegende Fläche,<br />

wurde »Plattform« schnell zu einem der meistgebrauchten<br />

Begriffe im Zusammenhang mit<br />

der Digitalisierung, ohne dass der Gesetzgeber<br />

zugleich eine Konkretisierung vorgenommen<br />

hätte.<br />

Umgangssprachlich hat sich der Begriff des<br />

Plattformbetreibers für Anbieter von Infrastrukturen<br />

für Rundfunk und Telemedien etabliert.<br />

Hintergrund für die neue Begrifflichkeit ist zum<br />

einen das Entstehen neuer digitaler Infrastrukturen,<br />

die für den Transport von Rundfunk,<br />

Telemedien und kommerziellen Angeboten<br />

geeignet sind. Zum anderen führt die Digitalisierung<br />

dazu, dass sich die klassische Trennung<br />

von Inhalteanbietern und Transporteuren mehr<br />

und mehr auflösen kann und neue Akteure in<br />

Erscheinung treten.<br />

_ Aktuelle Entwicklungen in Deutschland<br />

Mit der Digitalisierung traten neben die klassischen<br />

Anbieter von Infrastrukturen zur Rundfunkverbreitung<br />

wie Breitbandkabelnetz- und<br />

Satellitenbetreiber nun IPTV- und WebTV-<br />

Provider sowie Anbieter von mobilen Distributionsplattformen.<br />

Während Versuche des Satellitenbetreibers<br />

SES ASTRA bislang scheiterten, eine eigene<br />

Vermarktungsplattform zu etablieren und sich<br />

vom reinen Transportgeschäft zu lösen, haben<br />

<strong>ARD</strong>-Programme auf Plattformen Dritter <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 37


38<br />

Der nach dem Kabel wichtigste Verbreitungsweg,<br />

der via Satellit, wird in Deutschland von<br />

dem größten internationalen Betreiber, SES<br />

ASTRA, beherrscht. Foto: die Satellitenflotte<br />

die großen Breitbandkabelnetzbetreiber diesen<br />

Schritt bereits vollzogen. Ihre Geschäftsstrategien<br />

setzen heute überwiegend auf das so<br />

genannte Triple Play, das Angebot von Rundfunkinhalten,<br />

breitbandigem Internetzugang<br />

und Telefonie aus einer Hand. Die Einrichtung<br />

eines Rückkanals ermöglicht Interaktion und<br />

damit das Angebot darauf angewiesener Dienste<br />

wie Telefonie, Internet, E-Mail, E-Commerce<br />

etc. Damit geht ein Paradigmenwechsel einher:<br />

Die Unternehmen entwickeln sich zunehmend<br />

vom bloßen Transporteur von Rundfunksignalen<br />

zu Vermarktern und zum Teil auch zu Anbietern<br />

von eigenen und fremden Rundfunkprogrammen.<br />

Der marktbeherrschende Einfluss<br />

auf das eigene Kabelnetz versetzt sie dabei in<br />

eine komfortable Wettbewerbsposition.<br />

Auf der Suche nach neuen Erlösquellen<br />

treten nun auch die Telekommunikationsunternehmen<br />

in den Wettbewerb um die Rundfunkversorgung<br />

der Kunden ein. In den letzten<br />

Jahren hat sich die verfügbare technische Bandbreite<br />

von Telefonleitungen aufgrund neuer<br />

technischer Verfahren wie ADSL2+, VDSL<br />

drastisch erhöht und ermöglicht nun, das klassi-<br />

sche Produktportfolio, Internet und Telefonie,<br />

mit eigenen und fremden Rundfunkinhalten<br />

anzureichern. Auf diese Weise sind die Unternehmen<br />

in der Lage, ebenfalls ein »Triple Play«<br />

am Markt zu etablieren und auf Augenhöhe<br />

mit den etablierten Kabelnetzbetreibern um<br />

den Zugang zu den Kunden zu werben.<br />

Von Interesse ist auch das Angebot von<br />

Zattoo, einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen.<br />

Auf der Basis einer von Zattoo entwickelten<br />

Technologie erfolgen die Verbreitung<br />

von Programmsignalen über das Internet sowie<br />

deren Empfang durch die Endnutzer auf einer<br />

bereitgestellten peer-to-peer-assistierten Empfangssoftware.<br />

Allerdings unterscheidet sich das<br />

Angebot von der traditionellen Rundfunkversorgung<br />

in technischer Hinsicht. So gibt es für<br />

diese Art der Rundfunkverbreitung z. B. derzeit<br />

keine technischen Standards.<br />

Neben der Verbreitung über DSL-Netze gewinnen<br />

mobile Rundfunkangebote, die über<br />

terrestrische Frequenzen verbreitet werden,<br />

ebenfalls an Bedeutung. Zunächst hat die Mobiles<br />

Fernsehen Deutschland GmbH (MFD)<br />

ab Herbst 2006 begonnen, im so genannten<br />

Drei Kabelfirmen – Unitymedia in Hessen<br />

und NRW, Kabel BW in Baden-Württemberg und<br />

Kabel Deutschland in den übrigen Bundesländern<br />

– dominieren den Markt und setzen<br />

auf Triple Play. Digital im Standard DVB-C (Digital<br />

Video Broadcasting – Cable) auf diesen Plattformen:<br />

alle Radio- und TV-Programme der <strong>ARD</strong><br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />

Digital-TV im Standard IPTV (Internet Protocol<br />

TV) über schnelle Telefonleitungen bieten<br />

große Telefonfirmen wie Arcor, Telekom und<br />

Hansenet (Foto). In Pilotprojekten ist auch die<br />

<strong>ARD</strong> präsent: mit ihrem kompletten Fernsehangebot<br />

und fast allen Hörfunkprogrammen.


DMB-Standard bundesweit den terrestrischen<br />

mobilen Empfang von Hörfunk- und Fernsehprogrammen<br />

über Handy im L-Band anzubieten.<br />

Ende April 2008 hat MFD dieses Angebot<br />

eingestellt, da sich die Nutzerzahlen nicht wie<br />

gewünscht entwickelt haben.<br />

Im ersten Quartal 2007 haben die Landesmedienanstalten<br />

terrestrische digitale Übertragungskapazitäten<br />

zur Durchführung eines bundesweiten,<br />

zeitlich befristeten Versuchsprojekts<br />

mit Rundfunkdiensten und Telemedien zur<br />

Nutzung im DVB-H-Standard ausgeschrieben.<br />

Sie haben sich für die medienrechtliche Frequenzzuweisung<br />

an die Mobile 3.0 GmbH entschieden,<br />

ein Konsortium, an dem indirekt u. a.<br />

die Verlage Holtzbrinck und Burda beteiligt<br />

sind und dem bei der Belegung der insgesamt 16<br />

Im Testbetrieb von Mobile 3.0<br />

ist die <strong>ARD</strong> mit ihrem Hauptprogramm<br />

Das Erste vertreten.<br />

zur Verfügung stehenden Programmäquivalente<br />

ein weitreichendes Auswahlermessen eingeräumt<br />

wurde. Mobile 3.0 strahlt das bundesweit<br />

konzipierte Angebot seit dem 1. 6. 2008 in Hannover,<br />

München, Frankfurt und Hamburg aus.<br />

_ Erkennbare Problemlagen<br />

Diese Entwicklung führt zur Aufgabe der klassischen<br />

Rollenverteilung der analogen Welt mit<br />

Inhalteanbietern auf der einen und Inhaltetransporteuren<br />

auf der anderen Seite. Die Plattformbetreiber<br />

treten vielmehr in direkte Konkurrenz<br />

zu den Programmveranstaltern: um die Gunst<br />

und das Mediennutzungsbudget der Zuschauer<br />

und – im Falle von mobilen Plattformen – um<br />

bisher für den Rundfunk vorrangig vorgesehene<br />

Verbreitungskapazitäten (Frequenzen).<br />

Gleichzeitig verfügen sie über eine Verbreitungsinfrastruktur,<br />

auf die die <strong>ARD</strong> angewiesen<br />

ist, will sie ihre Zuschauer weiter erreichen.<br />

Aus dieser Konstellation entsteht ein Missbrauchspotenzial<br />

seitens der Plattformbetreiber<br />

gegenüber den potenziellen Konkurrenten, den<br />

Rundfunkanstalten. In diesem Spannungsfeld<br />

versucht die <strong>ARD</strong>, auf den neuen digitalen<br />

Plattformen einerseits mit ihren Inhalten prä-<br />

sent zu sein und andererseits eine Abhängigkeit<br />

oder gar ein Diktat von Verbreitungs- und Zugangsbedingungen<br />

zu vermeiden.<br />

_ Für eine Beteiligung der <strong>ARD</strong> maßgebliche<br />

Grundsätze<br />

Die <strong>ARD</strong> ist bestrebt, mit ihren gebührenfinanzierten<br />

Angeboten auf allen für die Rundfunk-<br />

verbreitung relevanten Plattformen und Ver-<br />

breitungswegen präsent zu sein. Nachdem sie<br />

neben der terrestrischen und Satellitenverbreitung<br />

die Kabelnetze schon seit langem nutzt,<br />

beteiligt sie sich seit 2006 auch an Tests mit<br />

IPTV-Providern. <strong>ARD</strong> und ZDF haben dazu<br />

gemeinsam Anforderungen definiert, deren Erfüllung<br />

Voraussetzung für ein Engagement auf<br />

solchen Plattformen ist.<br />

Triple Play über schnelle Telefonleitungen<br />

Sie enthalten zum einen Grundsätze, die<br />

für die Verbreitung von <strong>ARD</strong>-Programmen auf<br />

sämtlichen Plattformen Dritter gelten: Dies<br />

sind insbesondere die unverschlüsselte Verbreitung<br />

der Programme sowie die Verwendung<br />

von offenen DVB-Standards. Die von den Gebührenzahlern<br />

finanzierten Angebote müssen<br />

für alle Zuschauer und Zuhörer frei zugänglich<br />

sein. Der Einsatz von Zugangsberechtigungssystemen<br />

– beispielsweise Smartcards, Freischaltungen,<br />

Authentifizierung etc. – ist ebenso<br />

ausgeschlossen wie die Erhebung angebotsbezogener<br />

Entgelte für die Angebote der Rundfunkanstalten.<br />

Ebenfalls großen Wert legt die <strong>ARD</strong><br />

auf die vollständige und unveränderte Verbreitung<br />

ihres Programmbouquets <strong>ARD</strong> Digital<br />

sowie auf eine diskriminierungsfreie Berücksichtigung<br />

in elektronischen Programmführern<br />

(EPG) und Navigatoren.<br />

<strong>ARD</strong>-Programme auf Plattformen Dritter <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 39


40<br />

Zum anderen dienen die Tests dazu, die<br />

Tauglichkeit der neuen Verbreitungsmöglichkeiten<br />

für den Rundfunk zunächst zu untersuchen,<br />

bevor den Hörern und Zuschauern eine Nutzungsempfehlung<br />

gegeben wird. Dabei wird insbesondere<br />

darauf geachtet, dass eine adäquate<br />

Bild- und Tonqualität geboten wird und alle gewohnten<br />

Zusatzdienste des digitalen Fernsehens<br />

– etwa Videotext, Mehrkanalton, Untertitelung<br />

für Hörgeschädigte, Programminformationen –<br />

genutzt werden können. Besonderen Wert legt<br />

die <strong>ARD</strong> deshalb auf für die Rundfunkverbreitung<br />

standardisierte Lösungen.<br />

Auch bei der Beteiligung an mobilen Distributionsplattformen<br />

geht die <strong>ARD</strong> davon aus,<br />

dass die Signale unverschlüsselt und unabhängig<br />

von Dritten zugänglich sein müssen (Freeto-Air-Signalisierung).<br />

Das Kabel ist seit langem der wichtigste Verbreitungsweg<br />

für TV-Programme. Um<br />

Triple-Play-Angebote zu ermöglichen, wird er<br />

derzeit auf digitale Verfahren umgestellt.<br />

_ Ordnungspolitische Weichenstellung<br />

Der Gesetzgeber hat im 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag,<br />

der zum 1. 9. 2008 in Kraft<br />

getreten ist, erstmals eine Definition des »Plattformbetreibers«<br />

vorgenommen. »Plattformbetreiber«<br />

ist (verkürzt), »wer . . . Rundfunk und<br />

vergleichbare Telemedien mit dem Ziel zusammenfasst,<br />

diese als Gesamtangebot zugänglich<br />

zu machen, oder wer über die Auswahl für die<br />

Zusammenfassung entscheidet. Plattformanbieter<br />

ist nicht, wer Rundfunk oder vergleichbare<br />

Telemedien ausschließlich vermarktet.«<br />

»Plattformbetreiber« in diesem Sinne sind<br />

nach diesem Verständnis beispielsweise Kabelnetzbetreiber,<br />

die eigene Programmpakete<br />

schnüren und den Kunden zugänglich machen<br />

(z. B. Kabel Digital, Unity Digital TV, T-Home<br />

etc.). Wohl aber nicht Kabelnetzbetreiber, die<br />

nur Programmpakete zugänglich machen, die<br />

sie nicht selbst zusammengefasst haben, oder<br />

Unternehmen, die zwar selbst Programmpakete<br />

schnüren, aber nicht selbst zugänglich machen<br />

(Premiere beispielsweise).<br />

Aus Sicht der <strong>ARD</strong> ist die gesetzliche Definition<br />

nicht unproblematisch. Es ist von erheblicher<br />

Bedeutung, wer unter den rundfunkrechtlichen<br />

Plattformbetreiberbegriff fällt und welche<br />

Rechtsfolgen sich hieran knüpfen. Denn der<br />

Gesetzgeber hat seine Regulierungsregelungen<br />

daran auszurichten, dass das oben beschriebene<br />

Missbrauchspotenzial zum Schutz der Informations-<br />

und Meinungsfreiheit minimiert wird<br />

und Vielfalt gesichert bleibt. Ob dieser zum Teil<br />

etwas undifferenziert gestaltete Plattformbegriff<br />

ausreicht, muss die Praxis zeigen. Letztlich geht<br />

es auch bei den neuen Plattform-Regelungen<br />

darum, den Anforderungen an die Sicherung<br />

der Meinungsvielfalt und Gewährung publizistischen<br />

Wettbewerbs gerecht zu werden. Dabei<br />

bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber schnell<br />

reagieren wird, weil in diesem sensiblen Bereich<br />

der Rundfunkverbreitung einmal aufgetretene<br />

Fehlentwicklungen nur schwer wieder rückgängig<br />

zu machen sind.<br />

Erfreulich ist die im 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />

erfolgte technologieneutrale<br />

Ausgestaltung von Must-Carry-Verpflichtungen.<br />

Künftig unterliegen sämtliche Plattformbetreiber<br />

(bei einigen Ausnahmeregelungen) im digitalen<br />

Bereich Übertragungspflichten, die der<br />

Vielfaltssicherung auf allen Plattformen dienen.<br />

Eine besondere Bedeutung hat zudem das<br />

Jahr 2011, für das der 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />

eine Evaluierung der Vorschriften<br />

vorschreibt. Ein weiterer wichtiger Meilenstein<br />

für die Rundfunkverbreitung in Deutschland ist<br />

der Regulierungsrahmen der EU-Kommission<br />

für elektronische Kommunikation, der zurzeit<br />

umfassend überarbeitet wird (so genannter TK-<br />

Review; vgl. Eva-Maria Michel: Mehr Markt für<br />

die europäische Telekommunikation?). Von diesem<br />

Regelwerk, mit dessen Verabschiedung auf europäischer<br />

Ebene möglicherweise schon Ostern<br />

2009 gerechnet werden kann, werden weitere<br />

Weichenstellungen in die digitale Zukunft erwartet.<br />

Prof. Dr. Karola Wille,<br />

Juristische Direktorin des MDR<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


Das große medienpolitische Thema in Deutschland<br />

waren im Sommer 2008 – im Vorfeld der Verab­<br />

schiedung des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags –<br />

die Online­Aktivitäten von <strong>ARD</strong> und ZDF. Und kaum<br />

ein Einzelprojekt wurde dabei in der interessierten<br />

Presse so sehr angefeindet und kritisiert wie die im Mai<br />

gestartete <strong>ARD</strong> Mediathek.<br />

Statt dem publizistischen Wettbewerb um die besten<br />

Angebote auch online eine Chance zu geben,<br />

setzen die kommerziellen Konkurrenten des öffentlich­<br />

rechtlichen Rundfunks – speziell die an einer<br />

Ausweitung ihrer Webangebote Richtung Audio und<br />

Video interessierten Printkonzerne – auf öffentliche<br />

Kampagnen in ihren eigenen Organen und auf die<br />

Beeinflussung der maßgeblichen politischen Instanzen<br />

in Europa und den Bundesländern in ihrem Sinne.<br />

Wunschprogramm zum Mitnehmen<br />

Die <strong>ARD</strong> Mediathek<br />

Von Heidi Schmidt<br />

Z<br />

ur Internationalen Funkausstellung<br />

(IFA) 2007 hat die <strong>ARD</strong> den »Showcase«<br />

ihrer Mediathek präsentiert. Es<br />

wurden zwei Portale vorgestellt, die<br />

<strong>ARD</strong> Mediathek, die alle Inhalte der <strong>ARD</strong> zentral<br />

bündelt, und die DasErste Mediathek, die<br />

Sendungen und Beiträge aus dem Ersten Fernsehprogramm<br />

erschließt. Beide Versionen fußen<br />

auf derselben technischen Plattform.<br />

Der Showcase anlässlich der IFA und die<br />

sich anschließende Befassung der Gremien im<br />

Rahmen eines freiwilligen Drei-Stufen-Tests waren<br />

von einer regen Berichterstattung unserer<br />

kommerziellen Konkurrenz und der Printmedien<br />

begleitet.<br />

Obwohl die <strong>ARD</strong> mit der <strong>ARD</strong> Mediathek/<br />

DasErste Mediathek nur das gemacht hat, was<br />

andere öffentlich-rechtliche Sender wie ZDF,<br />

ARTE und DW auch anbieten, wurde das<br />

Projekt <strong>ARD</strong> Mediathek in besonderer Weise<br />

wahrgenommen und eine teilweise sehr grundsätzliche<br />

Diskussion über die Rolle des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks in der digitalen Medienwelt<br />

quasi exemplarisch an diesem Projekt<br />

geführt. Dabei war diese Berichterstattung und<br />

Kommentierung vielfach von einem grundsätzlichen<br />

Widerspruch in der Argumentation<br />

geprägt. Die <strong>ARD</strong> wurde dafür kritisiert, dass<br />

sie eine Mediathek anbieten will, und gleichzeitig<br />

dafür, dass sie dies später tue als einige andere.<br />

Sie wurde dafür kritisiert, dass sie so viele<br />

Inhalte anbietet, und gleichzeitig dafür, dass<br />

bestimmte Inhalte nicht umfangreicher angeboten<br />

würden. Außerdem bemühten die Kritiker<br />

Mediathek <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 41


42<br />

vielfach – mit Blick auf Brüssel – das nicht zutreffende<br />

Argument, die öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunkanstalten dürften nur dort tätig werden,<br />

wo der Markt versagt.<br />

Dies geschah vor dem Hintergrund der Beratungen<br />

der Länder zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag,<br />

der die Umsetzung des so genannten<br />

Brüsseler Kompromisses zum Bereich<br />

Telemedien vorsieht. Verbände kommerzieller<br />

Medien in Deutschland versuchten seit Mitte<br />

des Jahres 2007 intensiv dafür zu sorgen, dass<br />

den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />

im Internet engere Grenzen gesetzt werden (vgl.<br />

Rundfunkpolitik 2007).<br />

_ <strong>ARD</strong> Mediathek: Vielfalt auf einen Blick<br />

Wenn Sie sich darüber informieren wollen, wie<br />

unsere Wahrnehmung funktioniert, warum wir<br />

uns auf bestimmte Dinge konzentrieren und<br />

uns andere entgehen, dann können Sie dies<br />

zum Beispiel in der Fernsehsendung »Quarks<br />

& Co« »Wie man sich täuschen kann« tun, die<br />

zuerst am 1. 4. 2007 im WDR Fernsehen lief.<br />

Für Zuschauer, die die Sendung verpasst haben<br />

oder kein WDR Fernsehen empfangen können,<br />

existiert eine Lösung: »Quarks & Co« gibt es<br />

zum Mitnehmen. Sie können die Sendungen<br />

direkt über die Sendungsseite oder die <strong>ARD</strong><br />

Mediathek abrufen (Screenshot unten) und dort<br />

»Quarks & Co« als Videopodcast abonnieren.<br />

Die <strong>ARD</strong> Mediathek sammelt die online<br />

verfügbaren Wissenssendungen der <strong>ARD</strong>. Dies<br />

ist ein thematischer Schwerpunkt. Insgesamt<br />

spiegelt die <strong>ARD</strong> Mediathek die Vielfalt der<br />

Fernseh- und Hörfunkprogramme der <strong>ARD</strong>, sie<br />

bietet Information, Bildung und Unterhaltung.<br />

Das Spektrum der Angebote reicht von der »Tagesschau«<br />

über die Podcasts der Hörfunkwellen<br />

bis zu den Sachgeschichten aus »Die Sendung<br />

mit der Maus«. Der Fokus des Gesamtangebots<br />

liegt auf dem Bereich Information. Alle Inhalte<br />

sind über Kategorien erfasst und können nach<br />

Stichwörtern recherchiert werden. Wer sich für<br />

bestimmte Themen interessiert, hat die Möglichkeit,<br />

an einer zentralen Stelle <strong>ARD</strong>-weit die<br />

Abrufinhalte zu durchsuchen. So genannte Tag<br />

Clouds helfen dabei.<br />

_ Ein virtuelles Portal<br />

Die <strong>ARD</strong> Mediathek unterscheidet sich unter<br />

zwei Gesichtspunkten von den Portalen der<br />

Konkurrenten der <strong>ARD</strong>. Zum einen ist sie bimedial,<br />

sie erschließt sowohl Sendungen und<br />

Beiträge des Fernsehens als auch des Hörfunks.<br />

Zum zweiten ist sie ein virtuelles Portal.<br />

Dies bedeutet, dass die <strong>ARD</strong> Mediathek<br />

Inhalte aus den Mediatheken und On-demand-<br />

Seiten der Rundfunkanstalten und der <strong>ARD</strong>-<br />

Gemeinschaftseinrichtungen sammelt und<br />

zu diesen einen weiteren, zentralen Zugang<br />

schafft. Dabei verbleiben die Audios und Videos<br />

physisch auf den Servern und Serverparks<br />

der Partner. Die <strong>ARD</strong> Mediathek nutzt nur die<br />

Metadaten, also die beschreibenden Daten, die<br />

jeder Sendung bzw. jedem Beitrag mitgegeben<br />

werden.<br />

Die <strong>ARD</strong> Mediathek ist also dezentral aufgebaut.<br />

Sie nutzt synergetisch die redaktionelle<br />

und technische Leistung der Bereitstellung der<br />

Abrufinhalte bei den Rundfunkanstalten und<br />

Gemeinschaftseinrichtungen. Redakteure in den<br />

Programmdirektionen dort entscheiden, welche<br />

Inhalte sie über die <strong>ARD</strong> Mediathek zugänglich<br />

machen wollen. Dafür gibt es verschiedene<br />

technische Anbindungen. Werden die Inhalte<br />

dann wieder aus den Seiten der Landesrundfunkanstalten<br />

herausgenommen, verschwinden<br />

sie auch aus der <strong>ARD</strong> Mediathek. Ein kleines<br />

Team aus drei Redakteurinnen und Redakteuren<br />

bei <strong>ARD</strong>.de in Mainz gestaltet redaktionell die<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


Homepage der <strong>ARD</strong> Mediathek und die Radio-<br />

und TV-Übersichtsseiten. Es sucht die Highlights<br />

aus, stellt Themen des Tages zusammen,<br />

weist auf besondere Reihen hin.<br />

Die <strong>ARD</strong> Mediathek ist eng verwoben mit<br />

den jeweiligen programmbezogenen Angeboten<br />

oder Sendungsseiten. In der Regel sind die Audios,<br />

Videos und Podcasts in die jeweiligen Sendungsseiten<br />

eingebettet. Ruft man diese Inhalte<br />

über die <strong>ARD</strong> Mediathek auf, so gibt es von<br />

dort immer einen Link zu dieser Heimatseite<br />

der Inhalte.<br />

Über die <strong>ARD</strong> Mediathek und DasErste<br />

Mediathek werden auch die Livestreams aller<br />

Radio programme und die live gestreamten<br />

Fernsehsendungen und Events des Ersten angeboten.<br />

_ Zwei Zugänge – eine Anwendung<br />

Mit dem Angebot von zwei Ausspielwegen –<br />

<strong>ARD</strong> Mediathek und DasErste Mediathek – will<br />

die <strong>ARD</strong> den unterschiedlichen Bedürfnissen<br />

der Nutzer gerecht werden. Wer sich für alle<br />

Online-Inhalte der <strong>ARD</strong> interessiert, findet<br />

diese in der <strong>ARD</strong> Mediathek, wer insbesondere<br />

die Sendungen des Ersten nachschauen möchte,<br />

kann dies gezielt bei der DasErste Mediathek<br />

tun. Dort gibt es zusätzliche Navigationselemente<br />

wie den Programmkalender (Screenshot<br />

unten).<br />

Zum Start der DasErste Mediathek waren<br />

Clips aus rund 50 regelmäßigen Sendungen des<br />

Ersten abrufbar. Neben der Eins-zu-eins-Darstellung<br />

von Beiträgen bietet diese Mediathek<br />

auch Videos, die in unmittelbarem Zusammenhang<br />

mit dem <strong>ARD</strong>-Gemeinschaftsprogramm<br />

stehen: Trailer, Interviews mit Protagonisten,<br />

Zusammenfassungen oder Langfassungen von<br />

Beiträgen, Hintergrundberichte zu Sendungen<br />

oder produzierte Beiträge, die wieder aus dem<br />

Programm gefallen sind. <strong>ARD</strong> Mediathek und<br />

DasErste Mediathek nutzen dieselbe technische<br />

Plattform. Sie bieten quasi zwei Zugänge zu<br />

einem Portal. Dieses Konzept einer synergetischen<br />

technischen Plattform wurde unter der<br />

Federführung der <strong>ARD</strong>.de in Mainz beim SWR<br />

entwickelt. Weitere Partner in der <strong>ARD</strong> können<br />

daran partizipieren und diese Plattform nutzen.<br />

Sie verknüpft die bestehenden Mediatheken der<br />

Landesrundfunkanstalten und der DW, indem<br />

gemeinsame technische Standards und inhaltliche<br />

Leitfäden für die Kennzeichnung der Inhalte<br />

verwendet werden.<br />

_ Die drei Stufen<br />

Als federführender Sender hatte sich der SWR<br />

im September 2007 entschieden, freiwillig für<br />

die <strong>ARD</strong> Mediathek einen so genannten Drei-<br />

Stufen-Test durchzuführen. Dieser Test stellt<br />

in Zukunft das Genehmigungsverfahren für<br />

neue oder wesentlich veränderte Angebote<br />

im Bereich der Telemedien dar. Der SWR<br />

hat den Test mit Blick auf den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />

gemacht, obwohl es sich<br />

bei der <strong>ARD</strong> Mediathek nicht um ein neues<br />

oder wesentlich verändertes Digitalangebot handelt.<br />

Denn die <strong>ARD</strong> Mediathek ist eine Weiterentwicklung<br />

im Zuge des technischen Fortschritts<br />

auf der bereits bestehenden Plattform<br />

<strong>ARD</strong>.de. In einem Telemedienkonzept wurde<br />

für den Rundfunkrat des SWR dargelegt, wie<br />

das Konzept der <strong>ARD</strong> Mediathek aussieht und<br />

welche Kosten dieses Weiterentwicklungsprojekt<br />

verursacht. Außerdem wurden die Fragen nach<br />

Mediathek <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 43


44<br />

Selbstverständlich verbunden: DasErste<br />

Mediathek und tagesschau.de<br />

dem qualitativen Beitrag zum publizistischen<br />

Wettbewerb und zur Meinungsbildung beantwortet.<br />

Dieses sind Kernfragen des Tests, der ab Mai<br />

2009 obligatorisch werden soll. Dem Konzept<br />

stimmte der federführende Rundfunkrat des<br />

SWR zu. Danach schlossen sich Beratungen<br />

in den Rundfunkräten der Landesrundfunkanstalten,<br />

im Programmbeirat Erstes Deutsches<br />

Fernsehen und in der Gremienvorsitzendenkonferenz<br />

der <strong>ARD</strong> an. Erst nach Abschluss dieser<br />

Beratungen wurde die Umsetzung der <strong>ARD</strong><br />

Mediathek weiter vorangetrieben – bis zum<br />

Start im Mai 2008.<br />

Diesen Test haben einige Verbände der kommerziellen<br />

Wettbewerber der <strong>ARD</strong> als nicht<br />

ausreichend kritisiert. Bei dieser Kritik wurde<br />

unter anderem übersehen, dass der Test freiwillig<br />

stattfand, da der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />

erst ab Mai 2009 gelten wird, und<br />

dass es im September 2007 im Entwurf des Gesetzestextes<br />

noch keine fertiggestellte Formulierung<br />

als Grundlage gab. Berücksichtigt wurden<br />

bei dieser probeweisen Durchführung des Tests<br />

auch die Einwendungen Dritter in Form einer<br />

Auswertung der veröffentlichten Kritik an diesem<br />

Projekt der <strong>ARD</strong>.<br />

_ Teilhabe an der Informationsgesellschaft<br />

Die Sender, man kann auch sagen die Anbieter<br />

von Massenkommunikation, reagieren mit den<br />

Mediatheken auf ein verändertes Nutzerverhalten.<br />

Können Inhalte unabhängig von einem<br />

fixen Ausstrahlungstermin verfügbar gemacht<br />

werden, so wird dies von den Nutzern auch als<br />

Service erwartet. Diese Erwartung gibt es unabhängig<br />

von der Tatsache, dass die Mehrzahl der<br />

Zuschauer und Hörer weiter die klassischen Verbreitungswege<br />

der Programme nutzt. Verfolgt<br />

man die Entwicklung der Nutzung multimedialer<br />

Inhalte anhand der <strong>ARD</strong>/ZDF-Online-Stu-<br />

dien, so sieht man, dass die zeitsouveräne Nutzung<br />

audiovisueller Inhalte stetig ansteigt und<br />

das Internet bei den Jungen den klassischen<br />

Medien den Rang abgelaufen hat bzw. gerade<br />

dabei ist. Daraus folgt, dass der öffentlich-rechtliche<br />

Rundfunk in Zukunft nur noch dann<br />

alle Publika erreichen kann, wenn er seine Programme<br />

linear und nicht-linear anbieten kann.<br />

Nach dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />

haben die Onlineangebote der öffentlichrechtlichen<br />

Rundfunkanstalten die Aufgabe,<br />

allen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe an der<br />

Informationsgesellschaft zu ermöglichen, Orientierungshilfe<br />

zu bieten sowie die technische<br />

und inhaltliche Medienkompetenz aller Generationen<br />

und von Minderheiten zu fördern.<br />

Das kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk<br />

nur leisten, wenn er eine angemessene Teilhabe<br />

an der digitalen Entwicklung hat, wenn er die<br />

Möglichkeit hat, weiterhin auch im Internet<br />

Rundfunk zu machen.<br />

_ Vernetzte Massenkommunikation<br />

Die Teilhabe aller an der Informationsgesellschaft<br />

zu ermöglichen, ist in Zeiten des Umbruchs<br />

eine anspruchsvolle Aufgabe. Denn<br />

Massenkommunikation hat sich verändert. Mit<br />

Die »Tag Clouds« links, Stichwörter zu den<br />

Audio- und Videoclips, erleichtern die Suche.<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


Übersichtlich gegliedert: Die Einstiegsseite<br />

von DasErste Mediathek<br />

dem Internet als universeller Plattform, die alle<br />

Medien abbilden kann, die weltweit vernetzt<br />

ist und die Massenkommunikation direkt mit<br />

Individualkommunikation verbindet, verfügen<br />

wir plötzlich über ein bisher nicht gekanntes<br />

Maß an neuen Möglichkeiten der Kommunikation<br />

und Information. Niklas Luhmann stellt in<br />

»Die Gesellschaft der Gesellschaft« die Theorie<br />

auf, dass die bisherige gesellschaftliche Struktur<br />

und Kultur zunächst nicht ausreichen, um mit<br />

diesen Möglichkeiten eines neuen Verbreitungsmediums<br />

umzugehen.<br />

In Erweiterung der klassischen Massenkommunikation<br />

haben wir in der vernetzten<br />

Massenkommunikation eine potenziell unbegrenzte<br />

Anzahl von Akteuren, es gibt einen<br />

integrierten Rückkanal, eine Vernetzung der<br />

Medien, die Beteiligung von Nicht-Experten<br />

und Non-Linearität, den Zugang zu Inhalten<br />

über Plattformen und Suchmaschinen. Das Internetprotokoll<br />

(TCP/IP) erobert immer mehr<br />

Verbreitungsplattformen, es gibt gemeinsame<br />

Softwareentwicklung im Internet, gemeinsame<br />

Autorenschaft nach dem Wiki-Prinzip und neue<br />

Konzepte von Urheberschaft. Dies sind heute<br />

bestimmende Faktoren bei der Entwicklung<br />

von Massenkommunikation.<br />

_ Sieben Tage und Flexibilität<br />

Mit den Mediatheken reagieren die Rundfunkanstalten<br />

und andere Kommunikationsunternehmen<br />

auch auf die sich verändernde Massenkommunikation.<br />

Die Anbieter von »Content«<br />

machten zudem die Erfahrung, dass ihre Inhalte<br />

plötzlich in den unterschiedlichsten Portalen<br />

erscheinen: Sie werden von Fans dort eingestellt<br />

oder einfach kopiert. Die Konzepte der<br />

Suchmaschinen und Onlineportale orientieren<br />

sich an der thematischen Erschließung dieser<br />

Inhalte; die Konzepte von Rundfunkanbietern<br />

setzen häufig am Ausstrahlungsdatum an.<br />

Am bekanntesten ist das Modell des Seven-<br />

Day-Catch-up oder Sieben-Tage-Abrufs. Dieses<br />

Modell setzt an am kulturell gelernten Prinzip<br />

der Sieben-Tage-Fernsehwoche und gibt den<br />

Nutzern die Möglichkeit, Sendungen innerhalb<br />

von sieben Tagen nach der Ausstrahlung als<br />

Abrufangebot oder als Download zu nutzen.<br />

Populär geworden ist dieses Modell vor allem<br />

durch den iPlayer der BBC (vgl. <strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong><br />

07, S. 210; Screenshot unten). Allerdings lässt der<br />

iPlayer, der sehr erfolgreich ist und jeden Abend<br />

in den Programmen der BBC beworben wird,<br />

innerhalb von sieben Tagen einen Download<br />

zu, der dann nicht nur sieben, sondern maximal<br />

44 Tage genutzt werden kann. Darüber<br />

hinaus kann die BBC News und so genannte<br />

originäre Online-Inhalte unabhängig von dieser<br />

Frist anbieten. ARTE bietet arteplus7 an.<br />

Die <strong>ARD</strong> hat sich darauf verständigt, dass<br />

der Sieben-Tage-Abruf Kernbestandteil ihres<br />

Konzepts zur Verweildauer von Abrufinhalten<br />

im Netz ist. Allerdings ist es aus redaktionellen<br />

Gründen erforderlich, diese Frist für bestimmte<br />

Inhaltekategorien zu überschreiten. Deshalb<br />

hat die <strong>ARD</strong> ein differenziertes Konzept zur<br />

Verweildauer von Informations-, Kultur-, Wissens-<br />

und Unterhaltungssendungen erarbeitet.<br />

Es sieht unter anderem vor, dass Nachrichten,<br />

Magazine und Dokumentationen ein Jahr und<br />

nachhaltige Inhalte, Bildung beispielsweise,<br />

auch länger vorgehalten werden können. Dies<br />

soll zum einen gewährleisten, dass weiterhin<br />

eine Hintergrundberichterstattung möglich ist,<br />

Mediathek <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 45


46<br />

die bei einer Entfernung der Videos und Audios<br />

nach sieben Tagen nicht mehr gewährleistet<br />

wäre. Zum anderen soll damit sichergestellt werden,<br />

dass den Rundfunkteilnehmern Bildungsinhalte<br />

so lange zur Verfügung stehen, wie sie<br />

daraus einen Nutzen ziehen können.<br />

Ob eine Sendung zum Nachhören oder<br />

Nachschauen angeboten wird und wie lange,<br />

dahinter liegt immer eine redaktionelle Entscheidung.<br />

Ob ein Video in die Mediathek<br />

eingestellt wird, hängt auch von der rechtlichen<br />

Situation ab. Die Problematik, die sich aus der<br />

notwendigen Berücksichtigung der Rechte Dritter<br />

ergibt, erschwert in vielen Fällen das Einstellen<br />

in die Mediathek.<br />

Die Inhalte haben ein unterschiedliches redaktionelles<br />

Verfallsdatum. Manche Beiträge<br />

über Benzinpreise sind möglicherweise am<br />

nächsten Tag schon vom nächsten Preisanstieg<br />

überholt. Andere Sendungen haben noch lange<br />

Zeit Wissenswert, wie das Beispiel »Quarks &<br />

Co« zeigt. Spezielle Wissensinhalte können im<br />

Internet über eine längere Dauer ihr Publikum<br />

finden und versammeln dabei manchmal mehr<br />

Nutzer als bei der einmaligen linearen Ausstrahlung.<br />

Dieser Long-Tail-Effekt ist insbesondere<br />

bei Bildungsinhalten zu beobachten. Deshalb<br />

wäre es kontraproduktiv, für alle Inhalte dieselbe<br />

Verweildauer – zum Beispiel sieben Tage<br />

– gesetzlich festzulegen. Damit würde der Nutzen<br />

für die Rundfunkteilnehmer, die für die<br />

Erstellung der Inhalte Gebühren bezahlt haben,<br />

deutlich verringert.<br />

Beiträge wie der des »Weltspiegels« über<br />

die PR-Maschinerie des Dalai Lama bleiben<br />

über Monate hinweg aktuell<br />

_ Der Wert der Informationen<br />

Die erwähnte Sendung »Wie man sich täuschen<br />

kann« ist ein Beispiel dafür. Sie stammt aus<br />

dem Frühjahr 2007, wurde in 2008 wiederholt<br />

und wäre längst dem Zugriff der Gebührenzahler<br />

entzogen, wenn es der <strong>ARD</strong> nur erlaubt<br />

wäre, Inhalte sieben Tage vorzuhalten. Das<br />

wäre schade, denn man kann dort anhand frappierender<br />

Tests sehen, dass man – lenkt man<br />

die Aufmerksamkeit von Probanden auf einen<br />

bestimmten Gegenstand – nicht einmal mehr<br />

das sieht, was man direkt vor der Nase hat. Es<br />

findet eine Selektion statt, eine bestimmte Information<br />

wird wahrgenommen, eine andere<br />

nicht.<br />

Das passiert in der direkten zwischenmenschlichen<br />

Kommunikation. Um wie viel<br />

schwieriger ist es, den Wert von Informationen<br />

in den überschießenden Kommunikationsmöglichkeiten<br />

des Internetzeitalters zu bewerten?<br />

Niklas Luhmann beschreibt in »Die Gesellschaft<br />

der Gesellschaft«, dass die moderne<br />

Computertechnologie die Autorität der Experten<br />

angreift. »Die Art und Weise, wie Wissen in<br />

den Computer kommt, lässt sich zwar schwer<br />

überprüfen. Sie lässt sich aber jedenfalls nicht<br />

in Autorität ummünzen. Das ändert natürlich<br />

nichts daran, dass jeder, der sich in der einen<br />

oder anderen Weise auf Kommunikationen verlässt,<br />

auf Vertrauen angewiesen bleibt. Nur lässt<br />

sich dieses Vertrauen im Zeitalter der elektro-<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


nischen Datenverarbeitung nicht mehr personalisieren,<br />

also auch nicht mehr in sozialen Status<br />

umsetzen; es ist nur noch Systemvertrauen.«<br />

Es wird zunehmend schwieriger, Informationen<br />

und Kommunikation zu selektieren<br />

und zu bewerten. Das Suchergebnis in Google<br />

ignoriert Expertentum und Wert von Inhalten.<br />

Die Portale und Mediatheken der öffentlichrechtlichen<br />

Rundfunkanstalten unterscheiden<br />

sich davon. Sie sind werbefrei, sie bieten umfassende<br />

Information, thematische Vielfalt von<br />

selbst produzierten Programmen, Transparenz<br />

der Informationsumgebung und Verständlichkeit.<br />

Sie bilden im kommerzialisierten Umfeld<br />

des World Wide Web nicht-kommerzielle Inhaltepools.<br />

_ Public Value und publizistischer Wettbewerb<br />

Das, was in der <strong>ARD</strong> Mediathek zu finden<br />

ist, gibt es in dieser Vielfalt und Mischung in<br />

keinem Angebot eines kommerziellen Konkurrenten.<br />

Das häufig bemühte Argument der Lobbyisten<br />

einiger kommerzieller Anbieter, man<br />

brauche die <strong>ARD</strong> im Internet nicht, es bestünden<br />

genügend publizistischer Wettbewerb und<br />

Vielfalt, trifft nicht zu. Das Gegenteil ist der<br />

Fall: Erst die öffentlich-rechtlichen Angebote<br />

garantieren eine publizistische Vielfalt im Netz.<br />

Würde es im Sinne der Argumentation einiger<br />

Lobbyisten aus der Gruppe derer, die zum Beispiel<br />

gerade mit Millionenbeträgen in kommerzielle<br />

Portale im Internet investieren, dem öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunk untersagt, seine<br />

bereits produzierten und linear gesendeten Inhalte<br />

dem Nutzer zur zeitsouveränen Nutzung<br />

in einer <strong>ARD</strong> Mediathek zur Verfügung zu stellen,<br />

hieße dies, publizistischen Wettbewerb zu<br />

unterdrücken, um Kommerz zu fördern.<br />

Ein kurzer Blick in die <strong>ARD</strong> Mediathek<br />

und die teilweise kostenpflichtigen Audio- und<br />

Video-Abrufportale kommerzieller Medienkonzerne<br />

zeigt, wie stark die Unterschiede sind. Bei<br />

einigen sieht es so aus, dass man Nachrichtenangebote<br />

vergebens sucht, Kulturberichterstattung<br />

gar nicht stattfindet und Hintergrundberichterstattung<br />

unbekannt oder höchstens in<br />

Spurenelementen vorhanden ist. Die <strong>ARD</strong> Mediathek<br />

gewährleistet dagegen, dass qualitativ<br />

hochwertige Sendungen auch längerfristig über<br />

das Internet unverändert, unverschlüsselt und<br />

ohne Zusatzkosten zum Rundfunkteilnehmer<br />

gelangen können. Damit wird die Teilhabe an<br />

diesen Inhalten für viele Bevölkerungsgruppen<br />

Einstieg in ein breites Angebot: die Startseite<br />

der <strong>ARD</strong> Mediathek<br />

verbessert, die zum Beispiel zum Zeitpunkt der<br />

linearen Ausstrahlung in Erwerbs- und Familienarbeit<br />

sind.<br />

Die Mediatheken sind ein Kernbaustein<br />

eines modernen digitalen Programmangebots<br />

des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. In Zukunft<br />

werden immer mehr Menschen darauf<br />

angewiesen sein, über Informationen zeit- und<br />

ortsunabhängig zu verfügen und diese Informationen<br />

in kurzer Zeit selektieren zu müssen.<br />

Die <strong>ARD</strong> Mediathek kann dazu das passende<br />

digitale Rundfunkangebot machen und sich in<br />

Zukunft noch stärker auf die neuen Kommunikationsbedürfnisse<br />

einstellen.<br />

In der <strong>ARD</strong> Mediathek kann man gezielt<br />

nach Themen suchen, man kann darin stöbern,<br />

man kann sich damit informieren, unterhalten<br />

und bilden. Zum Beispiel lernen, wie leicht<br />

man sich täuschen lässt. Unter Umständen ist<br />

das ein sehr nützliches Wissen, nicht nur für<br />

die Schule oder den Alltag, sondern auch dafür,<br />

in der sehr regen Diskussion über die Entwicklung<br />

der digitalen Medien den klaren Blick zu<br />

behalten.<br />

Heidi Schmidt,<br />

Online-Koordinatorin der <strong>ARD</strong><br />

beim SWR in Mainz<br />

Mediathek <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 47


48<br />

Ständig steigende Qualität<br />

Digitales Fernsehen auf dem Weg zu hochaufgelösten Bildern<br />

Von Michael Spading und Dirk Lüdemann<br />

Die ersten Stufen der Qualitätsverbesserung sind deut-<br />

lich erkennbar. Wer heute digital fernsieht über Kabel,<br />

Satellit oder Antenne – und das sind schon mehr als<br />

17 Mio TV-Haushalte –, erhält schärfere Bilder, einen<br />

besseren Ton und überwiegend das neue Breitbildformat<br />

16 : 9. Je besser sein Empfänger und sein Bildschirm sind,<br />

desto klarer ist der technische Fortschritt zu erkennen.<br />

Doch auch wenn die <strong>ARD</strong> inzwischen ihre Qualitäts-<br />

offensive für das Standard Defi nition TV (SDTV) erfolg-<br />

reich abgeschlossen hat: Es geht noch besser – mit<br />

digitalem High Defi nition TV (HDTV). Diese nächste<br />

Stufe der Qualitätsverbesserung soll 2010 erklommen<br />

werden. Der Weg dahin ist inzwischen vorgezeichnet,<br />

und erste »Showcases« haben den Zuschauern einen<br />

Vorgeschmack gegeben, was mit HDTV möglich ist.<br />

Für <strong>ARD</strong> und ZDF dienen diese Probeläufe dazu, die neue<br />

Technik umfassend zu erproben und erst einzuführen,<br />

wenn alle Ansprüche erfüllt werden können.<br />

M<br />

it der Digitalisierung der Fernsehsignale<br />

seit Mitte der 90er Jahre<br />

haben sich auf der Produktions-<br />

und Ausstrahlungs- wie<br />

auf der<br />

Empfangsseite bereits grundsätzliche Änderungen<br />

ergeben, ohne dass sich die bisher aus dem<br />

analogen Fernsehen bekannte Bildaufl ösung<br />

von 720 x 576 Bildpunkten verändert hat.<br />

Für den Zuschauer fand durch die digitale<br />

und damit störungsärmere Signalverarbeitung<br />

generell eine Optimierung der Bild-/Tonqualität<br />

auf Basis des bisherigen TV-Formats statt, das<br />

auch als Standard Defi nition TV (SDTV) bezeichnet<br />

wird. Bei diesem Verfahren erfolgt die<br />

Signalverarbeitung und Abbildung auf den analogen<br />

Röhrenfernsehgeräten in Form von zwei<br />

aufeinanderfolgenden, getrennten Halbbildern<br />

mit je 25 Hz.<br />

Dieses »Zeilensprung-« oder »Halbbildverfahren«<br />

(Englisch: interlace) wurde im Zusammenhang<br />

mit der Entwicklung des analogen<br />

Fernsehens eingeführt, um die Bildaufl ösung<br />

zu verbessern und gleichzeitig die notwendige<br />

Übertragungsbandbreite zu minimieren. Dabei<br />

wird durch die abwechselnde Übertragung<br />

von Bildern mit jeweils der halben Aufl ösung<br />

– erstes Halbbild alle ungeraden, zweites Halbbild<br />

alle geraden Zeilen mit je 25 Hz – im Zusammenspiel<br />

mit dem Nachleuchteffekt von<br />

Bildröhren und der Trägheit des Auges eine<br />

höhere Aufl ösung als vorhanden vermittelt. Die<br />

Bewegungsinformation mit 2 x 25 Bildern pro<br />

Sekunde beträgt 50 Hz. Obwohl nur Informationen<br />

für 25 Vollbilder pro Sekunde übertragen<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


werden, gelingt so eine nahezu ruckelfreie Darstellung.<br />

Der Erfolg dieses Verfahrens ist allerdings<br />

eng mit den physikalischen Eigenschaften<br />

von Bildröhren verbunden.<br />

Werden keine Bildröhren zur Anzeige verwendet,<br />

sondern moderne Flachdisplays, die<br />

grundsätzlich nur Vollbilder darstellen, müssen<br />

die Halbbilder entsprechend in Vollbilder gewandelt<br />

werden. Dieser Prozess wird De-Inter-<br />

lacing genannt und ist aufwändig, da bei bewegten<br />

Sequenzen prinzipbedingt ein Versatz<br />

zwischen den Zeilen der aufeinanderfolgenden<br />

Halbbilder besteht, woraus sich »Kammeffekte«<br />

und Unschärfen ergeben. Das eingesetzte<br />

Bildverarbeitungsverfahren (Processing) in den<br />

Displays hat hier wesentlichen Einfluss auf die<br />

letztendliche Bildqualität, mehr als die angegebene<br />

Auflösung. Ein Beispiel hierfür zeigen die<br />

unten stehenden Bilder aus einer Testreihe der<br />

Europäischen Rundfunkunion (UER/EBU).<br />

Neben der Qualitätsverbesserung der Sendesignale<br />

wurde es im Rahmen der Digitalisierung<br />

auch möglich, mehr Programme und Tonvarianten<br />

zu übertragen. Basis dafür ist die effizientere<br />

Komprimierbarkeit digitaler Signale, die eine<br />

sehr viel bessere Ausnutzung der Übertragungsbandbreite<br />

ermöglicht, so dass ein herkömmlicher<br />

analoger Übertragungskanal nunmehr<br />

für eine Vielzahl von Programmen im SDTV-<br />

Format nutzbar ist. Dadurch vervielfachte sich<br />

auf nationaler und internationaler Ebene die<br />

Anzahl der Fernsehangebote.<br />

Um eine bessere Orientierung in der Menge<br />

der Angebote zu ermöglichen, wurden zusammen<br />

mit dem digitalen TV so genannte DVB-<br />

Service-Informationen (DVB-SI) eingeführt, die<br />

eine Beschreibung aller Sendungen inklusive<br />

Vorschau bieten. Damit können Navigatoren<br />

Links: interlaced (Zeilensprung/Halbbildverfahren),<br />

rechts progressive (Vollbildverfahren)<br />

und Zusatzdienste wie elektronische Programmführer<br />

(Electronic Programm Guide – EPG) in<br />

den Endgeräten realisiert werden. Die digitale<br />

Verbreitung ermöglicht zudem die Bildung von<br />

Senderfamilien, indem zusammengehörige Angebote<br />

der Programmveranstalter in Bouquets<br />

»gebündelt« werden – eine Funktion, die zukünftig<br />

immer mehr an Bedeutung gewinnen<br />

wird.<br />

Die Möglichkeiten aktueller TV-Displays führt<br />

die <strong>ARD</strong> in ihrem mobilen digitalen Wohnzimmer<br />

vor, hier in einer Version für das Sendegebiet<br />

des NDR.<br />

Um alle bisher genannten Vorteile des digitalen<br />

Fernsehens –<br />

_ bessere Bildqualität,<br />

_ zusätzliche Tonvarianten inklusive Mehrkanalton,<br />

_ mehr Programme/Programmvielfalt,<br />

_ bessere Programminformation/Navigation<br />

und Zusatzdienste –<br />

nutzen zu können, benötigt der Zuschauer pro<br />

Fernseher/Display ein internes oder externes<br />

Zusatzempfangsgerät (Set-Top-Box). Solche Geräte<br />

gibt es nach dem »Digitalisierungsbericht<br />

2008« der Landesmedienanstalten inzwischen in<br />

fast 17,5 Mio TV-Haushalten, was derzeit – Mitte<br />

2008 – einem Digitalisierungsgrad von 46,7 Pro-<br />

zent entspricht. Fast alle seit Beginn der Digitalisierung<br />

verkauften Geräte, darunter mehr<br />

als neun Mio DVB-T-Empfänger, sind nur für<br />

das anfangs beschriebene SDTV-Fernsehformat<br />

ausgelegt.<br />

Mit Bezug auf die Bildauflösung und das<br />

Zeilensprung-/Halbbildverfahren wird dieses<br />

Format auch als 720 x 576/i25 bezeichnet. Es soll<br />

bis etwa 2018/2020 genutzt werden, bevor die<br />

HDTV <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 49


50<br />

vollständige, fl ächendeckende Ablösung durch<br />

ein Nachfolgeformat mit höherer Aufl ösung<br />

(High Defi nition TV – HDTV) erfolgen kann.<br />

Ein wesentlicher Schritt in der Vorbereitung des<br />

neuen Formats war die in 2007 erfolgte Umstellung<br />

vom bisherigen Bildseitenverhältnis<br />

4 : 3 auf 16 : 9, da dieses bereits den zukünftigen<br />

Fernseh- und Displayformaten entspricht.<br />

_ Die <strong>ARD</strong>-Qualitätsoffensive – optimales SDTV<br />

für alle und sofort<br />

Im Zusammenhang mit der steigenden Anzahl<br />

der digitalen Empfangsgeräte und vor dem Hintergrund,<br />

dass seinerzeit die Initiative Digitaler<br />

Rundfunk (IDR) den vollständigen Umstieg auf<br />

die digitale Verbreitung bis 2010 und damit die<br />

Abschaltung der bisherigen analogen Fernseh-<br />

Übertragungswege für die Bundesrepublik<br />

ge plant hat, hat die <strong>ARD</strong> langfristig eine umfassende<br />

SDTV-Qualitätsoffensive vorbereitet,<br />

die bis zum 2. 6. 2008 abgeschlossen worden ist.<br />

Ziel war es, die rasant steigende Anzahl von Zuschauern<br />

mit digitalen SDTV-Empfangsgeräten<br />

bestmöglich zu versorgen. Im Ergebnis werden<br />

alle 18 <strong>ARD</strong>-Fernsehprogramme zuzüglich aller<br />

Regionalfenster, die gemeinsam mit dem ZDF<br />

betriebenen Kanäle sowie alle 63 Radiowellen<br />

– durch optimierte Bandbreitenverteilung<br />

hochqualitativ mit MPEG-2 (bzw. Audio mit<br />

MPEG-1/L-2) komprimiert – im DVB-Verfahren<br />

(Digital Video Broadcasting) über Satellit und<br />

im Kabel digital übertragen. Für die terrestrische<br />

Verbreitung wird in diesem Jahr mit der<br />

vollständigen Umstellung auf DVB-T die Digitalisierung<br />

abgeschlossen (vgl. Rundfunktechnik<br />

2007), wobei hier die Übertragungsbandbreite<br />

an die Gegebenheiten angepasst ist.<br />

Damit sind für alle Zuschauer mit digitalen<br />

Endgeräten wesentliche Vorteile des digitalen<br />

Fernsehens nutzbar. Der jetzt erreichte SDTV-<br />

Stand stellt für Produktion und Übertragung<br />

ein Optimum an Bildqualität und Verbreitungseffi<br />

zienz dar und bildet die Basis für die Jahre<br />

nach Abschaltung der analogen Verbreitung,<br />

also die Jahre 2010 bis 2018/2020.<br />

Welche Bedeutung diese Optimierung der<br />

SDTV-Aussendung hat, lässt sich auch deutlich<br />

daran erkennen, dass in Deutschland bis Ende<br />

2007 neben den genannten digitalen Set-Top-<br />

Boxen bereits mehr als sechs Mio »HD-Ready«-<br />

Displays, aber nur maximal 450 000 HD-Empfangsgeräte<br />

(Set-Top-Boxen inklusive Boxen für<br />

Internet Protocol TV – IPTV) verkauft wurden.<br />

Alle Zuschauer mit digitalen Empfangsgeräten<br />

profi tieren von der Qualitätsverbesserung, vor<br />

allem die Zuschauer mit Flachdisplays, da bei<br />

großen Bildschirmdiagonalen Signalbeeinträchtigungen<br />

schnell sichtbar werden. Für eine gute<br />

Bildqualität ist neben dem Quellsignal auch<br />

die Qualität des beschriebenen De-Interlacing<br />

und der optimale Anschluss der Displays an die<br />

Empfangsgeräte entscheidend.<br />

_ Der Weg in Richtung HDTV<br />

Hintergrund für die bereits jetzt absehbare Begrenzung<br />

der Ausstrahlung im SDTV-Format<br />

ist die erkennbare internationale Weiterentwicklung<br />

des TV-Markts in Richtung hochaufl<br />

ösendes Fernsehen – High Defi nition TV<br />

(HDTV) –, die eine weitere wesentliche Bildverbesserung<br />

bedeutet, die aber auch umfangreiche<br />

Änderungen in allen Bereichen von der Produktion<br />

bis zur Ausstrahlung sowie auch neue<br />

Endgeräte beim Zuschauer erfordert. Daher<br />

und wegen des damit verbundenen Investitionsaufwands<br />

sind für den Umstieg von SDTV zu<br />

HDTV umfangreiche Vorplanungen sowie ein<br />

Migrationskonzept erforderlich, das einen fl ießenden<br />

Übergang zulässt. Wesentlich dabei ist,<br />

dass HDTV nicht abwärtskompatibel zu SDTV<br />

Abschaltung der analogen Satellitensignale<br />

���� ���� ����<br />

Analog<br />

DVB-S: SDTV<br />

ist, so dass hier wiederum eine Simulcastphase<br />

erforderlich wird, die nach derzeitiger Planung<br />

bis etwa 2018/2020 andauert, um auch auf der<br />

Endgeräteseite beim Verbraucher einen Investitionsschutz<br />

sicherzustellen.<br />

Durch die parallele Austrahlung in SDTV<br />

und HDTV ergeben sich jedoch auch wieder<br />

zusätzliche Verbreitungskosten, so dass eine<br />

vollständige reguläre HDTV-Aussendung erst<br />

nach einer Abschaltung der analogen Verbreitung<br />

fi nanzierbar ist.<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />

HDTV


_ HDTV-Formate und Unterschiede zwischen<br />

Halb- und Vollbildverfahren<br />

Die Fotos oben ermöglichen einen plakativen<br />

Vergleich der Bildauflösung vom aktuellen<br />

SDTV- und von zukünftigen HDTV-Formaten.<br />

Ein tatsächlicher Vergleich dieser Formate ist<br />

jedoch nur im Zusammenhang mit den eingangs<br />

beschriebenen Abtast-/Signalformaten<br />

(Zeilensprung/Halbbild bzw. interlaced und<br />

Vollbild bzw. progressive) möglich. In der Praxis<br />

sind deshalb folgende Formate zu unterscheiden<br />

– Ausgangspunkt für den Vergleich<br />

ist hierbei noch einmal das bisher verwendete<br />

SDTV-Format: _ SDTV: 720 x 576/i25 (= 2 x 25 Halbbilder pro<br />

Sekunde mit je 720 x 288 Punkten),<br />

_ HDTV mit 1280 x 720/p50 (= 50 Vollbilder<br />

pro Sekunde mit je 1280 x 720 Punkten),<br />

_ HDTV mit 1920 x 1080/i25 (= 2 x 25 Halbbilder<br />

pro Sekunde mit je 1920 x540 Punkten),<br />

_ HDTV mit 1920 x 1080/p50 (= 50 Vollbilder<br />

pro Sekunde mit je 1920 x 1080 Punkten).<br />

Dabei bietet das HDTV-Format 1920 x 1080/<br />

p50 die höchste Auflösung und Bildqualität.<br />

Aufgrund der sehr hohen Bandbreitenanforderung<br />

ist dieses Vollbild-Format jedoch derzeit<br />

nicht durchgängig von der Produktion über<br />

die Aussendung bis zu Empfang und Darstellung<br />

auf den Flachdisplays einführbar. Ohne<br />

Signalkompression sind hierfür Datenraten von<br />

3 GB/s zu verarbeiten. Die Vollbildverarbeitung<br />

(/p50) hat wesentlichen Einfluss auf die Bildqualität,<br />

aber auch auf die erforderlichen Bitraten.<br />

Bei der theoretisch erreichbaren hohen Auflösung<br />

ist zu berücksichtigen, dass diese aufgrund<br />

des natürlichen Auflösungsvermögens des<br />

menschlichen Auges erst ab einer bestimmten<br />

Bildschirmgröße oder bei geringem Betrachtungsabstand<br />

erkennbar ist.<br />

Um die benötigten Bandbreiten zu verringern,<br />

findet bei einem anderen HDTV-Format<br />

mit der Bezeichnung 1920 x 1080/i25 wieder das<br />

eingangs beschriebene (alte) Zeilensprung-/<br />

Halbbildverfahren Anwendung. Dabei sind jedoch<br />

auch hier die gleichen Einschränkungen<br />

zu berücksichtigen, so dass der praktische<br />

Qualitätsgewinn geringer ausfällt, als die Zahlen<br />

vermuten lassen. Das wird besonders bei<br />

schnell bewegten Bildinhalten und großen<br />

Bildschirmen sichtbar. Der Zusatz /i25 steht<br />

für ein sehr altes Verfahren, um Bandbreite<br />

zu reduzieren, was die Bildqualität sowie die<br />

Produktion, die Kompression/Übertragung<br />

und die Verarbeitung beim Zuschauer negativ<br />

beeinflusst. Grund dafür ist, dass sich Einzel-/<br />

Vollbilder elektronisch besser verarbeiten bzw.<br />

komprimieren lassen als zwei versetzte Halbbilder<br />

nach einem Verfahren vom Beginn des<br />

analogen Fernsehens, das für Röhrenmonitore<br />

optimal war.<br />

Das HDTV-Format 1280 x 720/p50 (mit 50<br />

Vollbildern pro Sekunde) bietet bezüglich der<br />

soeben genannten Faktoren eine gute Alternative,<br />

da die negativen Einflüsse des Zeilensprung-/Halbbildverfahrens<br />

in der gesamten<br />

HDTV <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 51


52<br />

Signalkette entfallen und die Bildpunkte bereits<br />

kleiner sind, als das menschliche Auge aufl ösen<br />

kann – bezogen auf Displays mit bis zu 50 Zoll<br />

Bildschirmdiagonale und üblichen Betrachtungsabständen.<br />

An dieser Stelle noch einmal der Hinweis,<br />

dass auch bei digitalen Signalen die letztendlich<br />

erreichbare Bildqualität auf den Displays wesentlich<br />

von zwei weiteren Faktoren abhängig ist:<br />

_ dem Signalprozessing im Display (besonders<br />

beim De-Interlacing) und<br />

_ der Anbindung der digitalen Empfangsteile<br />

(Set-Top-Boxen oder geräteinterne Empfänger)<br />

an das Display.<br />

Für eine gute Display-Anbindung sind mindestens<br />

drei getrennte YUV-Signale erforderlich<br />

– YUV ist das Farbmodell des analogen<br />

Fernsehens, das die<br />

Lichtstärke Y und die<br />

Farbanteile U und V<br />

zur Darstellung der<br />

Farbinformation benötigt.<br />

Optimal ist eine<br />

digitale Variante per<br />

HDMI (High Defi nition<br />

Multimedia Interface)<br />

in Verbindung<br />

mit einem HDTV-Vollbildformat,<br />

so dass im<br />

Display keine Zusam-<br />

HDMI-Buchse (o.)<br />

und HDMI-Stecker<br />

(u.)<br />

menführung von zwei<br />

Halbbildern erfolgen<br />

muss. Dadurch kann<br />

das De-Interlacing entfallen,<br />

das die Bildqua-<br />

lität besonders negativ beeinfl usst.<br />

Das bedeutet vereinfacht, dass auch ein sehr<br />

hochaufl ösendes Display keine scharfen Bilder<br />

zeigen wird, wenn die Signale von einem analogen<br />

Empfangssignal über eine einfache analoge<br />

Videoleitung zugeführt werden.<br />

_ Die HDTV-Formatentscheidung der <strong>ARD</strong><br />

Die <strong>ARD</strong> hat frühzeitig die HDTV-Entwicklungen<br />

in allen wichtigen Bereichen wie Produktion,<br />

Verbreitung und Endgerätemarkt<br />

verfolgt und umfangreiche Untersuchungen<br />

hinsichtlich der verschiedenen Formate durchgeführt,<br />

um die bestmögliche Bildqualität zu ermitteln<br />

und den Aufwand zur Einführung von<br />

HDTV genau einschätzen zu können. Dabei<br />

ist zu berücksichtigen, dass für die Produktion<br />

und Aussendung in HDTV ausnahmslos alle<br />

Bereiche einer Rundfunkanstalt, von Redaktion<br />

bis Technik, betroffen sind, was bei der vorhergehenden<br />

Digitalisierung durch die Beibehaltung<br />

des SDTV-Fernsehformats nicht in dieser<br />

Konsequenz der Fall war.<br />

Die Tests der unterschiedlichen HDTV-<br />

Formate – anhand der Kriterien Aufl ösung,<br />

Displaygröße, Betrachtungsabstand, Halb- oder<br />

Vollbildformat und Komprimierbarkeit – fanden<br />

unabhängig voneinander bei verschiedenen<br />

Institutionen (UER, Institut für Rundfunktechnik/IRT)<br />

und den Rundfunkanstalten statt:<br />

in umfangreichen Testreihen mit aktuellen<br />

Flachdisplays in verschiedenen Größen und mit<br />

demselben Ergebnis.<br />

In diesen Testreihen wurden die beiden<br />

einsetzbaren HDTV-Formate mit dem Format<br />

1920 x 1080/p50 verglichen. Dabei bestätigte sich,<br />

dass aufgrund des begrenzten Aufl ösungsvermögens<br />

des menschlichen Auges bis zu einer<br />

Bildschirmgröße von 50 Zoll und dem üblichen<br />

Betrachtungsabstand ein Unterschied zu dem<br />

HDTV-Format 1280 x 720 Bildpunkte nicht<br />

wahrnehmbar ist. Im Gegensatz dazu fi elen vor<br />

allem die Probleme auf, die durch das De-Interlacing<br />

bei schnell bewegten Bildern entstehen.<br />

Die hohen Anforderungen an die Displays zur<br />

Minimierung dieses Problems sind besonders<br />

im Preissegment der gängigen Endgeräte schwer<br />

zu erfüllen.<br />

Unten dazu noch einmal ein Ausschnitt aus<br />

einer Testsequenz des IRT, wobei der Halbbildversatz<br />

und der Qualitätsverlust besonders gut<br />

auf der linken Abbildung an der Baumkante<br />

(rechts im Bild) zu erkennen ist.<br />

Die Skalierung der Formate 1920 x 1080 oder<br />

1280 x 720 auf die jeweilige Displayaufl ösung<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


�<br />

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������������<br />

HDTV <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 5<br />

���������������������� ���������������������<br />

�������������������<br />

zeigte weniger Einfl uss auf die Bildqualität, da<br />

ohnehin immer eine Anpassung an die physikalisch<br />

vorhandenen Bildpixel erforderlich ist.<br />

Weitere Untersuchungen zu den HDTV-Formaten<br />

fanden auf Produktions-, Kompressionsund<br />

Ausstrahlungsebene statt. Auch hier ergeben<br />

sich durch das alte Zeilensprung-/Halbbild<br />

verfahren Nachteile. So lassen sich – wie<br />

schon erwähnt – progressive Signale leichter<br />

komprimieren, was bei gleicher Bitrate dem<br />

Format 1280 x 720/p50 gegenüber 1920 x 1080/i25<br />

zugutekommt und die Bildqualität verbessert.<br />

Dies<br />

�����������������������������������������<br />

ist besonders mit Hinblick auf die begrenzt<br />

verfügbare Übertragungsbandbreite und die<br />

damit verbundenen Kosten zu berücksichtigen.<br />

����� Zur Komprimierung � ����� der HDTV-Signale<br />

� � ����<br />

kommt das neue Format MPEG H.264/AVC<br />

(Advanced � ������ Video Coding) zum Einsatz, um<br />

die Kompressionseffi zienz zu verbessern. Der<br />

Übertragungsweg wird durch den Einsatz des<br />

weiterentwickelten Modulationsverfahrens<br />

� �����������<br />

DVB-S2 effi zienter nutzbar.<br />

Angesichts der genannten Faktoren wird<br />

klar, dass die Einführung von HDTV sehr viele<br />

Bereiche<br />

� �<br />

betrifft, wobei<br />

�<br />

für ein<br />

����<br />

optimales Endergebnis<br />

die gesamte Signalkette zu betrachten<br />

ist (vgl. Grafi k oben).<br />

Um Erfahrungen über die gesamte Kette<br />

hinweg zu erhalten, fanden neben einzelnen<br />

Tests erstmals während der Internationalen<br />

Funkausstellung (IFA) 2007 und dann im Jahr<br />

2008 zu Ostern so genannte HDTV-Showcases<br />

im Digitalkanal EinsFestival als Simulcast zur<br />

regulären SDTV-Aussendung statt. In Zusammenarbeit<br />

mit der federführenden Redaktion<br />

beim WDR erfolgte die Ausstrahlung von<br />

mehreren Hundert Stunden nativen (»echten«)<br />

HDTV-Produktionen aus unterschiedlichen Be-<br />

���������������������<br />

�����������������<br />

��������������<br />

�����������<br />

��������������������������� ��� �������������<br />

������������<br />

���������������<br />

reichen durch das <strong>ARD</strong> Play-Out-Center beim<br />

RBB in Potsdam. In diesem Rahmen konnten<br />

umfangreiche Erkenntnisse für die weitere<br />

HDTV-Einführung der <strong>ARD</strong> insgesamt gewonnen<br />

werden.<br />

HDTV-Ausstrahlungen im deutschsprachigen<br />

Raum gibt es seit Ende 2007 auch vom<br />

Schweizer Fernsehen mit dem Kanal »HD<br />

suisse«, der als reiner HDTV-Kanal und nicht<br />

als Simulcast mit SDTV angelegt ist. Hier<br />

wurde frühzeitig ebenfalls durchgängig auf das<br />

Format 1280 x 720/p50 gesetzt.<br />

Am 7. 6. 2008, mit Beginn der Fußball-EM<br />

2008 in Österreich und der Schweiz, begann der<br />

Simulcastbetrieb von ORF 1 ebenfalls in HDTV<br />

1280 x 720/p50.<br />

_ Die HDTV-Roadmap von <strong>ARD</strong> und ZDF<br />

Wie bereits frühzeitig bei den Showcases in<br />

EinsFestival festzustellen war, unterscheiden<br />

sich »echte« HDTV-Produktionen wesentlich<br />

von herkömmlichem, hochkonvertiertem<br />

SDTV-Material, so dass in Vorbereitung der Einführung<br />

ein entsprechendes HDTV-Programmvolumen<br />

aufzubauen ist, damit von Beginn an<br />

ein nennenswerter Anteil im neuen Format angeboten<br />

werden kann. Nur mit echten HDTV-<br />

Produktionen wird der wahre Mehrwert von<br />

HDTV erkennbar.<br />

Dazu ist im Vorfeld die entsprechende Technik<br />

für Produktion und Aussendung bereitzustellen.<br />

Zusammen mit der Vorbereitung der<br />

<strong>ARD</strong>-Qualitätsoffensive haben <strong>ARD</strong> und ZDF<br />

bereits weitere Satellitenkapazitäten angemietet<br />

sowie Verhandlungen mit den Kabelnetzbetreibern<br />

zur Weiterleitung eines HDTV-Äquivalents<br />

(die Bitrate für ein HDTV-Programm) geführt.<br />

Zum Abgleich der umfangreichen Vorbereitungen<br />

wurde Anfang 2008 ein Fahrplan, eine<br />

spading-original.indd 5 20.06.2008 14:15:46<br />

Grafiken_08.indd 3 18.07.2008 21:51:18 Uhr<br />

HDTV <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 53


54<br />

»Roadmap«, zur HDTV-Einführung zwischen<br />

den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern<br />

vereinbart (vgl. Grafi k unten). Die dunkleren<br />

Flächen in der Grafi k stellen einen 24-Stunden-<br />

Regelbetrieb dar, der dann bereits aus einer<br />

nennenswerten Anzahl echter HDTV-Produktionen,<br />

aber auch aus hochkonvertiertem SDTV-<br />

Programm-Material gespeist wird.<br />

Bis zum HDTV-Regelbetrieb, der zu den<br />

Olympischen Winterspielen 2010 starten soll,<br />

sind demnach eine Reihe weiterer Showcases<br />

mit überwiegend nativem (hochaufl ösenden)<br />

Sendematerial geplant, wobei ab August 2009<br />

zur Leichtathletik-WM in Berlin eine Ausweitung<br />

auf Das Erste HD und ZDF HD – das<br />

sind die HDTV-Simulcastprogramme zu den<br />

Hauptprogrammen von <strong>ARD</strong> und ZDF – geplant<br />

ist. ARTE als deutsch-französisches Kooperationsprogramm<br />

wird bereits 2008 mit<br />

dem HDTV-/SDTV-Simulcastbetrieb beginnen<br />

(ARTE HD).<br />

Der Anteil der Beiträge aus echten HDTV-<br />

Produktionen oder Filmabtastungen wird sich<br />

erst in den nächsten Jahren schrittweise erhöhen.<br />

Zu groß ist der Aufwand für eine vollständige<br />

Umstellung der Produktion, so dass vor<br />

allem zum Beginn der HDTV-Ausstrahlung auf<br />

2010 2009 2008<br />

Vereinfachte HDTV-Roadmap von <strong>ARD</strong> und ZDF<br />

SDTV-Programm-Material zurückgegriffen werden<br />

muss. Dabei wird senderseitig auf die bestmögliche<br />

Konvertierung geachtet.<br />

Nach der Einführung der HDTV-/SDTV-Simulcastverbreitung<br />

der Hauptprogramme wird<br />

im weiteren Verlauf die gleiche Umstellung für<br />

die Dritten und die gemeinsam mit Dritten veranstalteten<br />

Programme folgen. Voraussetzung<br />

hierfür ist eine Ausweitung der HDTV-Programmproduktion<br />

sowie eine Umstellung der<br />

Technik in den Rundfunkanstalten. Die notwendigen<br />

Übertragungskapazitäten müssen im<br />

Zusammenhang mit der Abschaltung der alten<br />

analogen Verbreitung bereitgestellt werden.<br />

_ Zusammenfassung und Ausblick<br />

Die Ausführungen zeigen den hohen Aufwand<br />

für die HDTV-Einführung auf allen Ebenen<br />

sowie die Zusammenhänge mit dem laufenden<br />

Digitalisierungsprozess und der in 2008 abgeschlossenen<br />

Qualitätsoffensive. Zur Einführung<br />

von HDTV gehört weitaus mehr als eine einfache<br />

Hochkonvertierung der bisherigen SDTV-<br />

Signale. Es sind nahezu alle Bereiche von der<br />

Produktion über die Aussendung bis hin zu<br />

Empfänger und Display betroffen. Die Änderungen<br />

gehen sogar so weit, dass grundsätzliche<br />

Veranstaltungen Das Erste HD ZDF HD ARTE HD EinsFestival HD<br />

und Ereignisse<br />

Transponder �<br />

(TP ��/����� MHz<br />

Transponder �<br />

(TP ��/����� MHz<br />

Transponder �<br />

(TP ��/����� MHz<br />

Transponder �<br />

(TP ���/����� MHz<br />

Horizontal)<br />

Horizontal)<br />

Horizontal)<br />

Horizontal)<br />

Osterzeit<br />

��. � – ��. �.<br />

SHOWCASE<br />

IFA Berlin<br />

��. �. – �. �.<br />

SHOWCASE<br />

Weihnachtszeit<br />

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SHOWCASE<br />

Leichtathletik-WM<br />

��. �. – ��. �.<br />

SHOWCASE SHOWCASE<br />

Start HDTV-Regelbetrieb<br />

SHOWCASE<br />

IFA Berlin<br />

��. �. – ��. �.<br />

SHOWCASE SHOWCASE SHOWCASE<br />

Weihnachtszeit<br />

��. ��. – ��. ��.<br />

SHOWCASE SHOWCASE SHOWCASE<br />

TRAILER<br />

Start HDTV-Regelbetrieb Start HDTV-Regelbetrieb Start HDTV-Regelbetrieb<br />

Olympische Winterspiele<br />

Vancouver<br />

��. �. – ��. �.<br />

HDTV-SPORTEVENT HDTV-SPORTEVENT SHOWCASE<br />

Fußball-WM HDTV-SPORTEVENT HDTV-SPORTEVENT<br />

��. �. – ��. �.<br />

Abschaltung analoger Abschaltung analoger<br />

Transponder und erster Transponder und erster<br />

<strong>ARD</strong>-Transponder für HDTV <strong>ARD</strong>-Transponder für HDTV<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


RBB-Intendantin Dagmar Reim und<br />

<strong>ARD</strong>-Vorsitzender Fritz Raff eröffneten 2007<br />

den HDTV-Showcase auf der IFA.<br />

Technologien aus den Anfängen des analogen<br />

Fernsehens wie das Zeilensprung-/Halbbildverfahren<br />

abgelöst werden sollen.<br />

Der volle Mehrwert von HDTV erschließt<br />

sich erst, wenn jeder Teilbereich die Umstellungen<br />

vollzogen hat. Auf der Seite der Rundfunkveranstalter<br />

sind die Produktionen auf das<br />

neue Format um- und die notwendigen Übertragungskapazitäten<br />

bereitzustellen, was jeweils<br />

nur schrittweise passieren kann. Auf der Endgeräteseite<br />

sind neben neuen Displays auch neue<br />

Empfangsgeräte erforderlich.<br />

Es liegt auf der Hand, dass derart umfangreiche<br />

Umstellungen ein abgestimmtes Handeln<br />

aller Beteiligten erfordern. Aus diesem Grund<br />

haben <strong>ARD</strong> und ZDF ihre Roadmap zur Einführung<br />

von HDTV erstellt und damit den<br />

Zeitplan bis zum Start des Regelbetriebs der<br />

HDTV-Simulcastausstrahlung zu SDTV bis 2010<br />

vorgegeben.<br />

Neben den Vorbereitungen zur stufenweisen<br />

Umstellung der Programmproduktion in<br />

den Rundfunkanstalten werden seit 2007 und<br />

verstärkt in 2008 durch regelmäßige Showcases<br />

praktische Erfahrungen mit der gesamten Signalkette<br />

bis zu den Empfängern und Displays<br />

gesammelt, um eine reibungslose Einführung<br />

der HDTV-Ausstrahlung ab 2010 vorzubereiten.<br />

Die Auswertung der Ergebnisse dieser Tests nehmen<br />

<strong>ARD</strong> und ZDF sowie die Endgeräteindustrie<br />

gemeinsam vor.<br />

Insgesamt gesehen ist mit der HDTV-Einführung<br />

weit mehr verbunden als eine reine Bildverbesserung.<br />

Neben zusätzlichen Tonkanälen<br />

zur Ausstrahlung von Dolby-Digital-Ton und<br />

Audiodescription, werden zukünftig auch verbesserte<br />

Funktionen zur Programmnavigation<br />

sowie zum Abruf von Zusatzinformationen<br />

eine größere Rolle spielen. Diese Zusatzfunktionen<br />

müssen daher in dem neuen, hochauflösenden<br />

HDTV-Standard abgebildet werden<br />

und für ein modernes Erscheinungsbild auf den<br />

Flachdisplays der Zuschauer sorgen.<br />

Michael Spading,<br />

Leiter der Hauptabteilung Technik und Betrieb<br />

beim RBB<br />

Dirk Lüdemann,<br />

Leitung DVB-Systemplanung/-Service beim<br />

<strong>ARD</strong>-Play-Out-Center in Potsdam<br />

HDTV <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 55


56<br />

Drei Medien unter einem Dach<br />

Wie Hörfunk, Fernsehen und Internet in der <strong>ARD</strong> zusammenwachsen<br />

Von Reinhart Binder<br />

Die viel zitierte Digitalisierung hinterlässt in allen<br />

Bereichen der Medienproduktion tiefe Spuren und<br />

verändert sogar dort traditionelle Strukturen,<br />

wo sich am Endprodukt (bisher) wenig geändert hat.<br />

Vieles, was früher arbeitsteilig von unterschiedlich<br />

qualifizierten Spezialisten erarbeitet wurde, ist heute<br />

im wahrsten Sinne des Wortes ein Produkt aus einer<br />

Hand bzw. einer Redaktion. Printredakteure wissen nicht<br />

mehr nur, wie eine Setzerei funktioniert, sondern<br />

schreiben ihre Texte längst druckreif in Redaktions­<br />

systeme. Hörfunkreporter in der Region haben inzwi­<br />

schen gelernt, mit Video kameras umzugehen und<br />

auch Online­Redaktionen zu beliefern. Und der Vernet­<br />

zung der Produkte über Online­Portale entspricht<br />

zunehmend eine Vernetzung schon in Planung, Redak­<br />

tion und Produktion, die nicht nur neue Technik<br />

benötigt, sondern auch neue Arbeitsabläufe und letzt­<br />

endlich neue Berufsbilder hervorbringen wird.<br />

W<br />

enn diese Zeilen als Teil des <strong>ARD</strong>-<br />

<strong>Jahrbuch</strong>s 08 in gedruckter Form<br />

erscheinen, wird im RBB bald<br />

ein Programmdirektor bzw. eine<br />

Programmdirektorin für die ab 1. 5. 2009 zusammengeführte<br />

Hörfunk- und Fernsehdirektion<br />

gewählt. Seit dann bereits drei Jahren bietet ein<br />

bimedial zusammengesetzter »Reporterpool«<br />

seine Rechercheergebnisse allen interessierten<br />

Redaktionen in Hörfunk und Fernsehen<br />

an. Videojournalisten sind im Auftrag vieler<br />

Fernsehredaktionen, aber im Rahmen eines Pilotprojekts<br />

auch für die Jugendwelle Fritz und<br />

deren Online-Auftritt unterwegs. Und es wird<br />

sich gezeigt haben, ob sich der im Mai 2008<br />

eingerichtete und in seiner Ausgestaltung bisher<br />

<strong>ARD</strong>-weit einmalige Fernsehnachrichtenplatz<br />

im Neubau der RBB-Hörfunkwelle Inforadio<br />

bewährt hat.<br />

Dies sind nur einige Beispiele aus einer Landesrundfunkanstalt,<br />

die veranschaulichen, wie<br />

rasch und umfassend sich angesichts der Digitalisierung<br />

Strukturen, Räume, Abläufe, Produktionsbedingungen<br />

und Berufsbilder im Rundfunk<br />

verändern. Auf diesen Wandel stellen sich<br />

alle Häuser ein und reagieren darauf. Wie dies<br />

geschieht, ist jeweils unterschiedlich. Der folgende<br />

Beitrag kann deshalb nur Schlaglichter<br />

werfen, ohne Anspruch darauf zu erheben, repräsentativ<br />

zu sein oder gar einen umfassenden<br />

Eindruck all dessen zu ermöglichen, was in den<br />

Landesrundfunkanstalten geschieht.<br />

Foto oben: Neubau für das Inforadio des RBB<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


_ Gegenwart und Zukunft: der digitale Wandel<br />

Erinnern Sie sich noch an die »Schließung der<br />

Nachtlücke« im Ersten Deutschen Fernsehen?<br />

Es ging darum, das in der Regel zwischen Mitternacht<br />

und frühem Morgen ausgestrahlte Testbild<br />

durch vollwertiges Programm zu ersetzen.<br />

Die Entscheidung zu diesem bahnbrechenden<br />

Schritt fiel – bitte festhalten – Anfang der 90er<br />

Jahre des vergangenen Jahrtausends, konkret:<br />

zur Internationalen Funkausstellung (IFA) 1993.<br />

Oder das Sprichwort: »Nichts ist so alt wie die<br />

Zeitung von gestern.« Noch vor wenigen Jahren<br />

gern und häufig zitiert. Für die Mediennutzer<br />

von heute, vor allem die jüngeren unter ihnen,<br />

wirkt beides geradezu unvorstellbar antiquiert.<br />

Mittlerweile konkurrieren die Rundfunkanstalten<br />

mit Medienunternehmen, die Inhalte<br />

rund um die Uhr ohne Redaktionsschluss produzieren.<br />

Darum gilt inzwischen: Nichts ist so<br />

alt wie die Online-Meldung von vorhin.<br />

Die heutige Informationsgesellschaft hungert<br />

nach Neuem. Aktualität geht über alles. Die<br />

dadurch veränderte Mediennutzung und die damit<br />

einhergehende Marktdynamik führen nach<br />

allem, was sich seit einiger Zeit abzeichnet,<br />

zu einer Vielzahl von ganz unterschiedlichen,<br />

tief greifenden Veränderungen – und die sind<br />

bereits im Gange. Dabei haben diese Prozesse<br />

einen deutlich anderen Stellenwert und weiter<br />

reichende Folgen als alle bisherigen Entwick-<br />

Der im Mai 2008 eröffnete Redaktions- und<br />

Sendekomplex von Inforadio in Berlin: Aus<br />

dem Inforadio-Studio kommen Hörfunk- und<br />

regionale Fernsehnachrichten. In einem einzigen<br />

Raum mit moderner Technik sind Studio,<br />

Regie und Redaktion vereinigt.<br />

Trimediale Nachrichtenredaktion im neuen<br />

Funk- und Fernsehhaus von Radio Bremen<br />

lungen innerhalb der Rundfunklandschaft. Sie<br />

sind nicht mehr vergleichbar mit dem Wechsel<br />

vom Schwarz-Weiß- zum Farbfernsehen oder<br />

mit der Ablösung der Audio- bzw. VHS-Kassette<br />

durch die CD bzw. DVD. Hier geht es um<br />

strukturelle Umwälzungen, die in der Summe<br />

einer Revolution näher kommen als einer Weiterentwicklung<br />

der bestehenden Medien.<br />

Insofern kann auch dieser Artikel im Lichte<br />

des für das Medium Buch maßgeblichen Redaktionsschlusses<br />

lediglich eine flüchtige Momentaufnahme<br />

bieten, welche Entwicklungen sich<br />

innerhalb der Landesrundfunkanstalten im Jahr<br />

2008 abgezeichnet haben. Wenn dies weitgehend<br />

an Beispielen aus dem Rundfunk Berlin-<br />

Brandenburg verdeutlicht wird, dann nicht<br />

des halb, weil er bereits besonders viele Neuerungen<br />

eingeführt hätte oder technisch durchweg<br />

an der Spitze des Fortschritts läge. Dazu<br />

wäre er schon aus Gründen fehlender Ressourcen<br />

überhaupt nicht in der Lage: Infolge seiner<br />

äußerst schwierigen finanziellen Situation<br />

mussten Sach- und Programmaufwand sowie<br />

Investitionsvolumen ganz im Gegenteil eingefroren<br />

werden, die personellen Kapazitäten sind<br />

infolge eines massiven Stellenabbaus auf das<br />

Nötigste reduziert. Umso wichtiger ist für ihn<br />

die Frage, wie der durch die Digitalisierung ausgelöste<br />

Veränderungsprozess optimal gesteuert<br />

werden kann.<br />

Was bedeutet dies für den RBB und natürlich<br />

auch für alle anderen <strong>ARD</strong>-Landesrundfunkanstalten?<br />

Vorab lohnt es sich, eines festzuhalten:<br />

Sie unterscheiden sich jedenfalls in<br />

einer Hinsicht von allen anderen Medienhäu-<br />

Drei Medien unter einem Dach <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 57


58<br />

sern, gleich ob öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich<br />

organisiert: Sie sind innerhalb ihres<br />

Sendegebiets die einzigen, die professionell<br />

jedes audiovisuelle Medium aus einer Hand<br />

bedienen, also alle elektronischen Medien unter<br />

einem Dach vereinen: Hörfunk, Fernsehen,<br />

Online. Die durch die Digitalisierung bedingten<br />

Veränderungsprozesse bieten ihnen die Chance,<br />

dieses einzigartige journalistische Poten zial<br />

noch besser als bisher auszuschöpfen und damit<br />

ihre publizistische Schlagkraft zu steigern.<br />

Über allem steht: Inhaltliche Qualität muss<br />

das entscheidende Merkmal des öffentlichrechtlichen<br />

Rundfunks bleiben. Konvergenz<br />

kann und darf nicht um jeden Preis, schon gar<br />

nicht zulasten eines spezifisch öffentlich-rechtlichen<br />

Profils durchgesetzt werden. Jede Landesrundfunkanstalt<br />

hat hierfür ihre individuellen<br />

redaktionellen, technischen und finanziellen<br />

Lösungsansätze zu finden, um ihrer spezifischen<br />

Funktion für das jeweilige Sendegebiet<br />

sowie innerhalb der <strong>ARD</strong> gerecht zu werden.<br />

_ Überlegungen und Projekte<br />

Der RBB hat hierfür im Rahmen seiner Digitalstrategie<br />

zunächst die für ihn spezifischen<br />

Ausgangsbedingungen analysiert. Ein Leitbild<br />

umreißt seine Rolle in einer digitalen Medienlandschaft:<br />

Er will die digitale Technik nutzen,<br />

um Programme auf allen für seine publizistische<br />

Funktion wichtigen Verbreitungswegen und in<br />

der für die jeweilige Zielgruppe optimalen Form<br />

anzubieten und damit seinen Programmauftrag<br />

zeitgemäß erfüllen zu können. Die Devise<br />

lautet: Digitalisierung dient dem Programmauftrag<br />

und ist kein Selbstzweck. Ziel ist es, eine<br />

intensive Zusammenarbeit zwischen den Redaktionen<br />

und den Austausch der Medien untereinander<br />

zu ermöglichen und ökonomische<br />

und synergetisch wirkende Organisations- und<br />

Produktionsstrukturen zu schaffen.<br />

In letzter Konsequenz heißt dies für den<br />

RBB: Wo bi- oder multimediales Arbeiten als<br />

sinnvoll und erforderlich erkannt worden ist,<br />

bereitet künftig eine Redaktion den jeweiligen<br />

Inhalt für alle infrage kommenden Medien und<br />

Ausspielwege auf. Auf Flexibilität ist der RBB<br />

dabei in besonderer Weise angewiesen. Einheitslösungen,<br />

Pauschalarrangements und Standardantworten<br />

sind nicht vorgesehen: Intelligente<br />

Vernetzung – ergänzend zum klassischen Sendeplatz-<br />

und Programmdenken – soll stattfinden<br />

wo nötig und sinnvoll, nicht wo möglich.<br />

Dafür müssen die Strukturen und Abläufe<br />

Stück für Stück im Einzelnen überprüft werden.<br />

Gemeinsam mit den Mitarbeitern sind praxisorientierte,<br />

Flexibilität ermöglichende Ansätze zu<br />

finden. Programm und Technik sollen sich im<br />

Idealfall synchron entwickeln.<br />

Das Substrat formuliert der NDR für sich<br />

wie folgt: Im NDR sollen die Hörfunk-, Fernseh-<br />

und Online-Redaktionen künftig monomedial,<br />

aber eben auch medienübergreifend, also<br />

trimedial, vernetzt sein und verstärkt zusammenarbeiten.<br />

Diese Grundüberlegungen stellen<br />

alle <strong>ARD</strong>-Anstalten an und vergegenwärtigen<br />

sich, dass Organisationsstrukturen, Infrastruktur,<br />

Leitungswege und das Redaktions- und<br />

Planungssystem der trimedialen Produktion<br />

angepasst werden müssen. Das reicht von strategischen<br />

über strukturelle bis hin zu räumlichen<br />

Veränderungen, die idealerweise gar in einem<br />

Neubau – wie in Bremen (vgl. Heinz Glässgen:<br />

Ein Funkhaus fällt nicht vom Himmel) oder Stuttgart<br />

– kulminieren bzw. dort unmittelbar umgesetzt<br />

werden können.<br />

Langfristig scheint sich der Trend – blickt<br />

man zudem über den nationalen Tellerrand<br />

hinaus – zu einer zentralen Nachrichten- und<br />

Rechercheredaktion zu verstärken, wie dies<br />

innerhalb der <strong>ARD</strong> bereits u. a. SR und Radio<br />

Bremen praktizieren. Allerdings sprechen die<br />

bisherigen Erfahrungen etwa in Bremen dafür,<br />

dass das Motto »einmal generieren, unterschied-<br />

Erste Spatenstiche für das neue SWR-<br />

Gebäude in Stuttgart: Professor Hans Struhk,<br />

SWR-Intendant Peter Boudgoust und<br />

Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (v. l.)<br />

am 28. 4. 2008<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


OpenMedia-Einsatz und Arbeitsbesprechung<br />

im trimedialen Newsroom, den der SR im<br />

Dezember 2006 in Betrieb genommen hat.<br />

lich distribuieren« nur so lange uneingeschränkt<br />

gilt, wie nicht größere Ereignisse doch den<br />

Einsatz mehrerer Teams sinnvoll oder erforderlich<br />

machen. Auch die durch den digitalen<br />

Newsdesk generierten Nachrichten werden bei<br />

Radio Bremen weiterhin programmspezifisch<br />

ausgewählt und präsentiert. Gleiches gilt im SR:<br />

Er verfügt bereits seit 2006 über einen multimedialen<br />

Newsroom. Hier sind die Redaktionen<br />

neben der realen räumlichen Nähe auch virtuell<br />

durch das Redaktionssystem OpenMedia vernetzt.<br />

Der Newsroom ermöglicht konsequent<br />

medienübergreifende Planung und Koordination,<br />

vermeidet Doppelrecherchen und dop-<br />

Inzwischen 14 Videoreporter sind<br />

für den HR im Einsatz,<br />

darunter Michael Pörtner im Raum Fulda.<br />

pelte Planung, verbessert den Informationsfluss<br />

zwischen den Redaktionen. Die Redaktionssysteme<br />

werden durchlässiger. Die Entscheidung,<br />

was gesendet wird und wie die Informationen<br />

aufbereitet werden, trifft jedoch weiterhin die<br />

zuständige Redaktion.<br />

Zusätzlich eröffnet der Einsatz neuer Technik<br />

die Chance zu schnellerer, flexiblerer Berichterstattung<br />

gerade in dem für die Landesrundfunkanstalten<br />

bedeutsamsten Bereich der<br />

regionalen Nachrichtenkompetenz. Als erste<br />

Landesrundfunkanstalt setzte der HR umfassend<br />

und systematisch auf Videojournalisten,<br />

aber auch auf Videoreporter. Die Videoreporter<br />

sind inzwischen zu einer unverzichtbaren<br />

Quelle regionalen Bild- und Tonmaterials<br />

geworden, das wesentlich zur regionalen Verankerung<br />

des HR beiträgt – und das zu sehr<br />

moderaten Kosten. Inzwischen beliefern die<br />

Videoreporter auch die hr-online-Redaktion.<br />

Andere Häuser, darunter auch der RBB, bedienen<br />

sich mittlerweile ebenfalls dieses neuen<br />

Instruments.<br />

Für alle Landesrundfunkanstalten gilt: Ihr<br />

publizistisches Profil generiert sich in erster<br />

Linie aus ihren unverwechselbaren Hörfunkwellen<br />

und einem auf die spezifischen Bedürfnisse<br />

ihres Sendegebiets zugeschnittenen Dritten<br />

Fernsehprogramm. Diese klassischen linearen<br />

Drei Medien unter einem Dach <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 59


60<br />

Programme bilden auf absehbare Zeit weiterhin<br />

die Grundpfeiler. Die publizistischen Angebote<br />

im Internet wie auch neue nicht-lineare und<br />

mobil nutzbare Formate begleiten und unterstützen<br />

sie, sie runden also das sich aus ihnen ableitende<br />

Profil ab, akzentuieren und ergänzen es.<br />

Angesichts der überaus dynamischen Entwicklung<br />

zeichnet sich allerdings deutlich ab,<br />

dass vor allem jüngere Zielgruppen zunehmend<br />

eine web-spezifische Aufbereitung und mobile<br />

Nutzungsmöglichkeiten der für sie interessanten<br />

Inhalte erwarten. Es wird deshalb immer<br />

häufiger nötig sein, vorhandene Inhalte aus<br />

bestehenden »Gefäßen« in neue Form und auf<br />

anderen Wegen an die Rezipienten zu bringen<br />

– zeitgleich, später oder im Einzelfall durchaus<br />

auch früher als in den klassischen linearen<br />

Programmen. Jede Landesrundfunkanstalt wird<br />

deshalb ihre Abläufe und Organisationsstrukturen<br />

daraufhin überprüfen müssen, ob sie die<br />

dafür nötige Flexibilität ermöglichen.<br />

Jugend in BR-online: der »Südwild«-Auftritt<br />

im Internet mit Videos, Tourdaten, Videotagebüchern,<br />

einem Blog und vielem mehr<br />

Insoweit steht die Frage im Mittelpunkt:<br />

Wer ist für das Medium Internet zuständig? Der<br />

RBB hat sich hier bislang für eine dezentrale<br />

Lösung entschieden. Die programmbegleitenden<br />

Inhalte gestalten und verantworten die<br />

Wellen und Redaktionen selbst, eine in der Direktion<br />

Recht und Unternehmensentwicklung<br />

angesiedelte Online-Koordination unterstützt<br />

sie dabei und verantwortet die einheitlichen<br />

produktionstechnischen und finanziellen Rahmenbedingungen.<br />

Bereichsübergreifende Ereignisse<br />

bereitet die Online-Koordination zentral<br />

für das Unternehmensportal auf. Beispielhaft<br />

seien hier multimediale Projekte wie »Kalter<br />

Krieg im Radio« oder »Preußen-Chronik«<br />

genannt, von einem von vornherein auf alle<br />

multimedialen Darstellungsmöglichkeiten zielenden<br />

und sie einbeziehenden Großprojekt<br />

wie »24 Stunden Berlin« ganz zu schweigen.<br />

Auf ihre je eigene Weise und mit unterschiedlichen<br />

Akzentuierungen entwickeln auch die<br />

anderen Landesrundfunkanstalten intensiv ihre<br />

Kompetenz auf multimedialem Gebiet: so u. a.<br />

der BR mit dem multimedialen Angebot »Südwild«,<br />

der SWR mit DASDING oder der WDR<br />

mit seiner ersten trimedialen Sendung »Quarks<br />

& Co«.<br />

_ Strukturelle Veränderungen<br />

Die Digitalisierung wird Verfahren und Abläufe,<br />

räumliche Zuordnungen, technische Infrastruktur<br />

und viele weitere Rahmenbedingungen<br />

verändern. Dieser Prozess ist unausweichlich,<br />

kann und muss aber sinnvoll gesteuert, koordiniert<br />

und unterstützt werden. Diese Steuerung<br />

Der WDR stellt derzeit alle seine Regionalstudios<br />

auf trimediales Arbeiten um.<br />

Hier das 2007 eröffnete Studio Siegen.<br />

und Koordination zu leisten im Rahmen einer<br />

strukturierten, dauerhaften und nachhaltigen<br />

Gesamtstrategie ist eine der wichtigsten Aufgaben<br />

der nächsten Jahre, der sich alle Häuser<br />

stellen müssen.<br />

Der RBB hatte dafür zunächst seit Anfang<br />

2007 eine auf Geschäftsleitungsebene angesiedelte<br />

Lenkungsgruppe »rbb Digitalstrategie«<br />

beauftragt, den digitalen Entwicklungsprozess<br />

zu begleiten und transparent zu machen. Dazu<br />

gehörte u. a., zunächst einmal zu registrieren,<br />

welche digitalen Aktivitäten der RBB bereits<br />

entfaltet, die für das Haus spezifischen Rahmenbedingungen<br />

festzustellen und Kriterien<br />

zur Einordnung und Bewertung künftiger<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


Digitalvorhaben zu entwickeln. Außerdem<br />

verständigte sich die Geschäftsleitung darauf,<br />

in bestimmten Redaktionsbereichen konkrete<br />

Möglichkeiten bimedialer Zusammenarbeit<br />

zu erproben. In ähnlicher Weise, nämlich im<br />

Rahmen einer Projektstruktur, beschäftigen sich<br />

auch andere Häuser mit dem Themenspektrum<br />

und vergleichbaren Aufträgen.<br />

Seit 1. 5. 2008 obliegt im RBB diese Funktion<br />

der neu geschaffenen Direktion Recht und Unternehmensentwicklung.<br />

Grundlage ist die Annahme,<br />

dass die durch die Digitalisierung ausgelösten<br />

umfassenden Veränderungsprozesse auf<br />

absehbare Zeit die Agenda aller Häuser prägen<br />

und deshalb Teil des Regelgeschäfts sein werden<br />

und müssen. Weil diese Veränderungsprozesse<br />

sämtliche Bereiche und Aktivitäten des Hauses<br />

betreffen, betrachtet der RBB ihre sinnvolle<br />

Steuerung im Rahmen einer Gesamtstrategie als<br />

originäre Aufgabe der Geschäftsleitung. Die Direktion<br />

Recht und Unternehmensentwicklung<br />

Die Fernsehnachrichten »rbb AKTUELL« kommen<br />

ebenfalls aus dem Neubau des Info radios<br />

im Innenhof vom Haus des Rundfunks.<br />

soll insoweit als Vordenker, Ideengeber und Unterstützer<br />

aller Bereiche des Hauses fungieren.<br />

Sie ist die zentrale Anlaufstelle für Ideen und<br />

Vorschläge aus dem Haus, aber natürlich auch<br />

von außen. Die im Haus vorhandene Kreativität<br />

soll auf diese Weise über vorhandene Strukturen<br />

und Hierarchien hinweg nutzbar gemacht<br />

werden. Und umgekehrt sollen die Informationen<br />

über alle relevanten Entwicklungen besser<br />

zugänglich und die Bereiche untereinander<br />

optimal vernetzt werden. Unter dem Strich werden<br />

im besten Fall insbesondere die Programmbereiche<br />

von bestimmten strategischen, administrativen<br />

und organisatorischen Aufgaben<br />

entlastet, die sie im Tagesgeschäft nicht in der<br />

wünschenswerten Intensität – oder nur zulasten<br />

ihres Kerngeschäfts – wahrnehmen können.<br />

Mit dieser Institutionalisierung des Themas<br />

Unternehmensentwicklung auf Direktions ebene<br />

betritt der RBB Neuland in der <strong>ARD</strong>. Diese<br />

Strukturentscheidung, die untrennbar mit der<br />

besonderen Situation des Hauses verknüpft<br />

ist, steht exemplarisch dafür, wie jede einzelne<br />

<strong>ARD</strong>-Anstalt ihren eigenen Weg finden muss,<br />

welche Organisationsstruktur ihren spezifischen<br />

Bedürfnissen optimal entspricht.<br />

_ Bimediales Arbeiten im RBB als Ziel<br />

Eine der vorrangigen Aufgaben der neuen Direktion<br />

Recht und Unternehmensentwicklung<br />

ist es, die Zusammenführung der beiden Programmdirektionen<br />

Hörfunk und Fernsehen<br />

organisatorisch vorzubereiten und zu steuern.<br />

Die Geschäftsleitung sieht in dieser in ihrer<br />

Komplexität in der <strong>ARD</strong> bislang einmaligen<br />

Reorganisation mehrerer Hörfunkwellen und<br />

eines 24-stündigen Fernsehprogramms einen<br />

wichtigen strukturellen Zwischenschritt auf dem<br />

Weg zu ihrem Fernziel, dass künftig eine Redaktion<br />

den jeweiligen Inhalt für alle infrage kommenden<br />

Medien und Ausspielwege aufbereitet.<br />

Was dies für die verschiedenen Inhalte,<br />

Formate und Ausspielwege konkret bedeutet,<br />

wird selbstverständlich im Laufe der Zeit differenziert<br />

zu entwickeln und festzulegen sein.<br />

Eine entscheidende Prämisse für das künftig<br />

erforderliche Höchstmaß an Flexibilität besteht<br />

jedoch darin, schon strukturell den Blick auf<br />

alle denkbaren Aufbereitungsformen zu ermöglichen,<br />

um die jeweilige Redaktion in die Lage<br />

zu versetzen, über die dann jeweils sinnvollste<br />

entscheiden und sie auch umsetzen zu können.<br />

Die dafür erforderliche Öffnung des Horizonts<br />

über das klassische Sendeplatz- und Wellendenken<br />

hinaus ist, so die These, innerhalb einer<br />

offeneren Struktur leichter herstellbar.<br />

Ohne Frage kann dieses Ziel im Mai 2009,<br />

wenn eine Programmdirektorin oder ein Programmdirektor<br />

alle Hörfunkwellen, das rbb<br />

Fernsehen und die programmbegleitenden<br />

Online-Angebote verantwortet, noch nicht erreicht<br />

sein. Vielmehr wird sich dieser Prozess<br />

über viele Jahre erstrecken und zu durchaus<br />

unterschiedlichen Ergebnissen in Bezug auf die<br />

jeweiligen Programmgenres führen. Vor- und<br />

Nachteile solch weitgehender Veränderungen<br />

wollen gut abgewogen sein, dürfen doch die tragenden<br />

Säulen, die für das publizistische Profil<br />

des Hauses auf Sicht primär maßgeblichen line-<br />

Drei Medien unter einem Dach <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 61


62<br />

Ein Schwerpunkt bei der Erprobung von<br />

tri medialem Arbeiten im MDR: der Sport.<br />

Die Hörfunkwelle MDR INFO und die<br />

TV-Sendung »Sport im Osten« bieten seit<br />

April 2008 ein gemeinsames Online-Portal<br />

unter der Adresse www.mdr.de/sport.<br />

aren Programme, nicht beschädigt werden. Verständlicherweise<br />

lösen derartige Umwälzungen<br />

auch große Sorgen und Ängste in der Belegschaft<br />

aus. Transparenz, umfassende Information<br />

und intensive Diskussion aller wichtigen<br />

Schritte sind unabdingbar.<br />

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund setzt<br />

der RBB darauf, so viele Vorschläge und Ansätze<br />

bi- und multimedialer Arbeit wie möglich<br />

aus den Bereichen selbst herausentwickeln zu<br />

lassen. Anfang 2008 hat er deshalb eine größere<br />

Zahl bimedialer »Erprobungsfelder« definiert.<br />

Ohne konkrete Vorgabe über die zu erwartenden<br />

oder gewünschten Ergebnisse waren<br />

Redaktionen aus Hörfunk und Fernsehen aufgefordert,<br />

Vorschläge für intensivere Formen<br />

übergreifender Zusammenarbeit zu entwickeln.<br />

Dies betraf insbesondere die Bereiche Information,<br />

Kultur und Jugend:<br />

So testen beispielsweise die zentralen Regionalnachrichtensendungen<br />

des Fernsehens –<br />

»Abendschau« und »Brandenburg aktuell« –<br />

und die beiden Hörfunkwellen radioBerlin 88,8<br />

und Antenne Brandenburg die Möglichkeiten<br />

gemeinsamer bimedialer Planung und Recherche.<br />

Die Talkformate aus Hörfunk und Fernsehen<br />

sowie Kulturradio (Aktuelles Wort) und<br />

die Redaktion »Stilbruch« des Fernsehens loten<br />

Chancen bimedialer Vernetzung aus. Darüber<br />

Artikel<br />

Interne Nachrichtenagentur (INA) des SWR<br />

hinaus soll das Jugendprogramm Fritz Möglichkeiten<br />

multimedialer Gestaltung erproben, die<br />

für seine Zielgruppe von besonderem Interesse<br />

sind.<br />

Inforadio schließlich, das erfolgreichste<br />

Nachrichtenradio innerhalb der <strong>ARD</strong>, ist bereits<br />

räumlich und organisatorisch für multimediale<br />

Arbeit gerüstet. Dank seines im Mai<br />

2008 eröffneten Neubaus in einem Innenhof<br />

des historischen Hauses des Rundfunks stehen<br />

auf einer Gesamtfläche von 1 500 m² vier Sendestudios,<br />

zwei Produktionsstudios, zwei Reporterboxen<br />

und ein Fernseh-Nachrichtenplatz<br />

zur Verfügung. Von dort kommen Hörfunk-<br />

und regionale Fernsehnachrichten. Außerdem<br />

beherbergt der Neubau die rbb-Text- und die<br />

Online-Nachrichtenredaktion. Am Fernseh-<br />

Nachrichtenplatz findet eine völlig neue Arbeitsteilung<br />

statt: Studio, Regie und Redaktion<br />

sind in einem Raum zusammengefasst. Ein<br />

Team aus vier Mitarbeitern produziert die drei-<br />

bis fünfminütigen Tagesnachrichten »rbb aktuell«.<br />

Gesendet wird quasi aus dem »Redaktionsbüro«<br />

heraus. Inforadio ist nun auch Zentrum<br />

der RBB-internen Agentur für Regionalnachrichten<br />

INA (Interne Nachrichten-Agentur).<br />

Hier werden die regionalen journalistischen Aktivitäten<br />

des RBB nachrichtlich gebündelt und<br />

allen Redaktionen zur Verfügung gestellt.<br />

Neben diesen strukturell-organisatorisch<br />

angelegten Erprobungsbereichen befassen sich<br />

einzelne Bereiche des RBB mit konkreten digitalen<br />

Test- oder Pilotprojekten, so wie dies<br />

auch in den anderen Häusern geschieht. Dazu<br />

gehören ein mobil empfangbares Angebot der<br />

Jugendwelle Fritz, zwei in einer Zeitschleife<br />

online abrufbare Sendungen (Loopstreams)<br />

dieses Programms sowie ein »Inforadio phone-


Realität und Fiktion: Videoreporter Hendrik<br />

Graf (Armin Rohde) in dem BR-»Tatort«<br />

»Bluthunde« aus dem Jahr 2001 (l.) und der<br />

echte Reporter Nils Crauser vom SR (r.)<br />

cast« genanntes Angebot, mit dem Inforadio-<br />

Nachrichten und -Services telefonisch abgefragt<br />

werden können.<br />

Die Ergebnisse und Erfahrungen all dieser<br />

Erprobungsfelder und Testprojekte wertet die<br />

Direktion Recht und Unternehmensentwicklung<br />

aus. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse<br />

sollen nutzbar gemacht werden für andere Bereiche<br />

und Aktivitäten des Hauses, zur Kosten-/<br />

Nutzen-Analyse und nicht zuletzt zur Einschätzung<br />

des Bedarfs an Schulungs- und Qualifikationsmaßnahmen<br />

bei festen und freien Mitarbeitern.<br />

Die Konsequenzen werden in der<br />

Geschäftsleitung diskutiert und festgelegt.<br />

Darüber hinaus hat die Geschäftsleitung ein<br />

Verfahren verabredet, auf dessen Grundlage<br />

alle Digitalvorhaben abgewickelt werden. Als<br />

ein solches gilt jedes Vorhaben, das unmittelbar<br />

oder mittelbar der Programmproduktion,<br />

-veranstaltung oder -verbreitung dient. Solche<br />

Vorhaben sind per se Teil der Digitalstrategie.<br />

Grundsätzlich entscheidet dabei, soweit es<br />

sich um originär programmliche Aktivitäten<br />

handelt, die jeweilige Redaktion im Rahmen<br />

ihrer in der Programmdirektion verabredeten<br />

Vorgaben eigenverantwortlich über derartige<br />

Vorhaben. Allerdings ist die Direktion Recht<br />

und Unternehmensentwicklung in die Planungen<br />

insoweit einzubeziehen, als sie vor der<br />

Umsetzung dazu Stellung zu nehmen hat, ob<br />

es sich um ein »neues« oder »verändertes« Angebot<br />

handelt oder ihrer Ansicht nach sonstige<br />

Gründe dafür sprechen, es als für das Unternehmen<br />

bedeutsam zu qualifizieren.<br />

Solch ein neues, verändertes bzw. unternehmensrelevantes<br />

Vorhaben wird dann »unternehmensübergreifend«<br />

in einem von der<br />

Geschäftsleitung eingerichteten, interdisziplinär<br />

besetzten »rbb Digitalforum« diskutiert und<br />

anschließend auf der Grundlage der dort entwickelten<br />

Stellungnahme in der Geschäftsleitung<br />

abschließend behandelt. In allen anderen Fällen<br />

– in denen es also beispielsweise um die Weiterentwicklung<br />

des Programms im Rahmen des<br />

Regelgeschäfts geht – bleibt es hingegen bei der<br />

originären Verantwortung der Programmdirektion;<br />

das »rbb Digitalforum« wird dann jeweils<br />

lediglich über den Stand bzw. die Entwicklung<br />

sowie etwaige Erkenntnisse informiert.<br />

Auf diese Weise sollen nicht nur alle Direktionen<br />

des Hauses über sämtliche relevanten<br />

Entwicklungen informiert sein. Die Funktion<br />

einer Kommunikationsplattform ermöglicht als<br />

solche überhaupt erst eine sinnvolle Gesamtstrategie<br />

zur Weiterentwicklung des Unternehmens.<br />

Diese ist für den RBB umso wichtiger,<br />

als er unter besonders schwierigen finanziellen<br />

Rahmenbedingungen arbeiten muss. Für ihn<br />

gilt deshalb vielleicht noch mehr als für jede andere<br />

Landesrundfunkanstalt: Gefragt und erforderlich<br />

ist die permanente Vergewisserung darüber,<br />

was leistbar ist, wo Aufwand und Nutzen<br />

im besten Verhältnis zueinander stehen, welche<br />

Vorhaben optimal zum publizistischen Profil<br />

passen, wo es lohnt, für ein Mehr an Flexibilität<br />

auch einmal mehr Geld auszugeben.<br />

Dr. Reinhart Binder,<br />

Direktor Recht und Unternehmensentwicklung<br />

des RBB<br />

Drei Medien unter einem Dach <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 63


64<br />

Die neuen Weltempfänger<br />

Revolutionäre Umbrüche in der Unterhaltungselektronik<br />

Von Rüdiger Malfeld<br />

Die Revolution findet eher heimlich statt, zumindest<br />

wenn man die Debatte in der Fachöffentlichkeit be-<br />

trachtet: Die Technik des Internets unterwandert die<br />

klassische Unterhaltungselektronik. Am besten sichtbar<br />

ist dies bei WLAN-Radios. Die neuen Apparate mit dem<br />

»Frequenzbereich« Internet beginnen gerade, den<br />

Massenmarkt zu erobern.<br />

W<br />

enn im »digital living« die Kopfhörer<br />

ausgepackt werden, ist die<br />

Stimmung meist besonders gut. In<br />

der ange deuteten Küche des Ladenlokals,<br />

in dem der WDR die Auswirkungen<br />

handels üblicher Digitaltechnik auf die Mediennutzung<br />

erfahrbar macht, stehen dann zehn<br />

Radio apparate auf der Theke. Und noch keine<br />

Be suchergruppe ist nicht sofort ins Schwärmen<br />

geraten. Der eine freut sich darüber, dass er auf<br />

Anhieb einen Sender aus dem letzten Urlaubsort<br />

findet. Der zweite wundert sich, dass es<br />

auch für sein musikalisches Spezialinteresse ein<br />

Programm gibt. Den dritten begeistert, dass die<br />

Lieblings­Comedy oder das am Morgen verpasste<br />

»ZeitZeichen« seines WDR­Programms<br />

jederzeit auf Knopfdruck anspiel bereit ist. Den<br />

vierten . . .<br />

Um was für Apparate handelt es sich, die einen<br />

solchen Grad von Aufmerksamkeit auf sich<br />

ziehen? Eigentlich sind es ganz normale Radios,<br />

so unauffällig wie all die akustischen Tagesbegleiter,<br />

an die wir uns gewöhnt haben. Der<br />

Unterschied: Die neuen Geräte beziehen ihre<br />

Programme aus dem Internet, angeschlossen an<br />

die Breitbandverbindung, die sich inzwischen<br />

in über der Hälfte der deutschen Haushalte findet.<br />

Zur Nutzung muss kein PC eingeschaltet<br />

sein. Meist drahtlos per WLAN (Wireless Local<br />

Area Network) mit dem Internet verbunden,<br />

offerieren die Apparate eine Auswahl aus 10 000<br />

und mehr Stationen weltweit. Die zur Bedienung<br />

notwendige Benutzerführung ist gleich<br />

eingebaut. Nach Herkunftsland, Sprache, Programmgenre<br />

oder aufgrund redaktioneller Emp­<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


fehlungen lässt sich mit dem Drücken von ein<br />

paar Tasten das Wunschprogramm auswählen.<br />

Aber interessiert das wirklich das Publikum?<br />

_ Demnächst ein neuer Massenmarkt<br />

»Die Verbreitung von Internetradio­Endgeräten<br />

überschreitet 2008 die Grenze vom ›Nischenmarkt‹<br />

zum Massenmarkt«, sagt Heiko Meertz,<br />

in der amerikanischen Firma vTuner zuständig<br />

für die Märkte in Europa und Asien. »Die installierte<br />

Basis von Internetradios in Kontinental­Europa,<br />

also ohne England, überschreitet<br />

die Anzahl von DAB­Radios bei weitem. Wie<br />

oft in neuen Märkten verdoppelt sich die Anzahl<br />

verkaufter Geräte von Jahr zu Jahr. In 2008<br />

wird das erste Mal die Millionengrenze an verkauften<br />

Geräten pro Jahr überschritten.«<br />

vTuner stellt für zahlreiche Endgeräte­Hersteller<br />

das »Backend«, wie man neumodisch<br />

sagt, bereit. Von dort stammen jene Daten, die<br />

Breites Angebot<br />

an Geräten: Innerhalb<br />

kurzer Zeit hat die neue<br />

Technik in vielfältige<br />

Endgeräte Eingang<br />

gefunden.<br />

Übersicht in das weltweite Radiogeschehen<br />

bringen. Die Firma organisiert aber auch die<br />

Bedienoberflächen, über die Geräte konfiguriert<br />

und Dienste abonniert werden können. Derartige<br />

Firmen stellen eine neue Kategorie von<br />

Mitspielern im Medienmarkt dar, von Politik,<br />

Regulierung und Sendern noch eher wenig betrachtet.<br />

Sie befördern die wahre Konvergenz in<br />

den audiovisuellen Medien, die aus Nutzersicht<br />

nicht zwischen Radio, Fernsehen und Webseiten<br />

zum Lesen stattfindet, sondern innerhalb<br />

der Mediengattungen voll entbrannt ist: nämlich<br />

zwischen herkömmlichen Programmen,<br />

On­demand­Angeboten wie Podcasts, eigenen<br />

Medien wie MP3­Dateien sowie kommerziellen<br />

Musikdiensten wie Musicload oder Napster und<br />

personalisierten Musikstreams aus Communities<br />

wie Pandora oder last.fm.<br />

_ Neue Geräte für neue Nutzungsformen<br />

Diese Konvergenz aus Nutzersicht will zum<br />

Beispiel Grundig mit künftigen Geräten unterstützen.<br />

»Wir arbeiten unter anderem an<br />

Möglichkeiten zur Aufnahme – quasi wie<br />

früher beim Radiorekorder – und werden zeitversetztes<br />

Hören, also Timeshift, anbieten«, so<br />

Reiner Pechmann, Productmanager für Audio/<br />

HiFi. »Von den Sendern erhoffen wir uns eine<br />

bessere Qualität, höhere Bandbreiten, vielleicht<br />

zusätzliche Angebote wie beispielsweise Hintergrundberichte,<br />

die über das reine Rundfunkprogramm<br />

hinausgehen, und eine Verbreiterung<br />

des Angebots hin zum Internet­TV.«<br />

Der Wunsch ist nachvollziehbar. Denn<br />

die Endgeräte, auf denen die Mediennutzung<br />

stattfindet, werden zunehmend hybrid, also<br />

aus unterschiedlichen Funktionen<br />

zusammengesetzt sein. Den<br />

elektronischen Bilderrahmen<br />

für<br />

die Digitalfotos<br />

mit eingebautem<br />

Internetradio gibt<br />

es schon. Für Handys<br />

von Weltmarktführer<br />

Nokia gibt es<br />

kostenlos bereits einen<br />

Kostenlose Zugabe:<br />

Eine Software aus dem<br />

Internet macht aktuelle<br />

Handys zum vollwertigen<br />

WLAN-Radio.<br />

Die neuen Weltempfänger <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 65


integrierten Internet­Radioplayer. Und in die<br />

Wohnzimmer hält Einzug die Internet­Box für<br />

den Fernseher, die den Zugang zur kommerziellen<br />

Online­Videothek mit Mediathek­Zugriff<br />

und Internetradio verbindet.<br />

Robert Hoffmann, Vorstandssprecher der<br />

1 & 1 Internet AG, vermarktet als einer der größten<br />

deutschen Betreiber von Internetanschlüssen<br />

für Privatkunden eine solche Box. Er weist<br />

auf die Bedeutung des Internets als »Infoquelle<br />

Kinderleichte Bedienung: Spezialisierte Redaktionen<br />

sortieren das weltweite Radioangebot<br />

nach Genres, Ländern und Sprachen.<br />

Nr. 1« von jüngeren Leuten hin: »Immer mehr<br />

Desktop­Tools auf dem PC integrieren Internetradio,<br />

zudem gibt es heute schon kaum noch<br />

ein Handy oder Smartphone ohne Streaming­<br />

Funktion, also der Möglichkeit, Internetradio<br />

auf mobilen Endgeräten zu übertragen. Neben<br />

Text und Bewegtbild rundet Radio das Internet­<br />

Entertainment­Portfolio einfach ab. Besonders<br />

Radioinhalte in Form von Podcasts erfreuen sich<br />

zunehmender Beliebtheit, das sehen wir ganz<br />

deutlich an den Nutzungszahlen unseres 1 & 1<br />

MediaCenters.« Und auch hier begegnet uns<br />

wieder ein Mitspieler der neuen Art: Ȇber unseren<br />

Partner phonostar«, so Hoffmann weiter,<br />

»haben wir eine riesige Zahl an Radiostationen<br />

integriert – über 4 000. Durch intelligente Suchfunktionen,<br />

Redaktionstipps und die Möglichkeit<br />

zur Favoriten­Speicherung ist die Nutzung<br />

komfortabel und geht weit über das hinaus, was<br />

der herkömmliche Rundfunk bieten kann.«<br />

_ Großes Publikumsinteresse an dem<br />

neuen Verbreitungsweg<br />

Wenn technisch auf dem Internet basierende<br />

Mediennutzung nicht auf dem Computer<br />

stattfinden muss, sondern mit herkömmlichen<br />

Unterhaltungselektronik­Endgeräten wie Ra­<br />

dio oder Fernseher stattfindet, dann könnte<br />

sie für das Publikum von hoher Attraktivität<br />

sein. Diese These wird auch durch eine groß<br />

angelegte qualitative Studie untermauert, die<br />

von der WDR­Medienforschung wissenschaftlich<br />

unabhängig in Kooperation mit dem<br />

Endgeräte­Hersteller TerraTec kürzlich durchgeführt<br />

worden ist. Insgesamt 200 Menschen,<br />

von einem Forschungsinstitut für verschiedene<br />

Fokusgruppen rekrutiert, wurden über längere<br />

Zeit mit einer fünfstufigen Befragung beim Radiohören<br />

übers Internet begleitet – der eine Teil<br />

nutzte einen PC, der andere einen speziellen<br />

Internet­Radioapparat. Nicht nur, dass 80 Prozent<br />

der Teilnehmenden bis zum Ende der Untersuchung<br />

durchhielten, was eine extrem gute<br />

Ausschöpfung darstellt. Die Nutzerinnen und<br />

Nutzer waren auch überaus zufrieden mit dem<br />

Radiohören übers Internet.<br />

Einzig die erste Installation des Apparats<br />

stellt eine gewisse Hürde dar. Schließlich muss<br />

man den Schlüssel für sein WLAN kennen und<br />

eintragen. Aber selbst daran scheinen sich Inhaber<br />

von Breitband­Internetanschlüssen inzwischen<br />

gewöhnt zu haben. Die durchschnittliche<br />

Dreiviertelstunde für die Installation konnte der<br />

Zufriedenheit mit der als leicht und übersichtlich<br />

empfundenen Bedienung der Geräte nicht<br />

schaden.<br />

Zufriedenheit mit dem Radiohören<br />

über das Internet in Prozent der Befragten<br />

Nutzer von WLAN-Radios PC-Nutzer<br />

Erste fünfte erste fünfte Befragung<br />

In der Studie zum Radiohören über<br />

Internet äußerten die Befragten kaum<br />

Kritik an WLAN-Radios.<br />

66 Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />

66<br />

37<br />

58<br />

5<br />

57<br />

43<br />

23<br />

59<br />

16<br />

2<br />

30<br />

60<br />

9<br />

1<br />

ó Sehr gut<br />

ó gut<br />

ó weniger gut<br />

ó gar nicht


In der Gruppe derjenigen, die einen Internet­Radioapparat<br />

nutzten, lag am Ende die<br />

Zustimmung für diesen neuen Verbreitungsweg<br />

bei überraschenden 100 Prozent. Als Gründe<br />

für die Begeisterung wurden neben Tonqualität<br />

und Bedienungsfreundlichkeit vor allem die<br />

Auswahlmöglichkeiten aus einem riesigen Angebot<br />

genannt, auch wenn sich das praktische<br />

Hören – wie bei der herkömmlichen Radionutzung<br />

auch – anschließend in der Regel auf die<br />

wenigen Sender beschränkte, die auf den Stationstasten<br />

bzw. in der Favoritenliste landeten.<br />

Damit bestätigten sich die hoffnungsvollen Hypothesen,<br />

mit denen die Untersuchung gestartet<br />

wurde: Radios mit Internetanschluss sind offenbar<br />

sehr attraktiv für das Publikum und geben<br />

der Gattung die sonst gelegentlich vermisste<br />

»gefühlte« Modernität.<br />

_ Völlig neue Konkurrenzsituation<br />

An den Grundprinzipien des Radiohörens ändert<br />

dieser Verbreitungsweg nichts, wohl aber<br />

an der Konkurrenz­ und an der Auswahl­Situation.<br />

Dass die großen bekannten Marken und<br />

nicht das Studentenradio oder die Jazz­Station<br />

aus den USA auf den vorderen Stationstasten<br />

landen, ist nicht gesichert. Und in welcher Rubrizierung<br />

und Reihenfolge Radiostationen in<br />

den Geräten zur Auswahl angeboten werden,<br />

entscheiden Gerätehersteller und Portalbetreiber<br />

aus aller Welt. 1 & 1­Chef Hoffmann verweist in<br />

diesem Zusammenhang auf den so genannten<br />

Völlig veränderte Konkurrenzsituation: Dieses<br />

Portal listet immerhin 661 Radiostationen<br />

aus Deutschland auf.<br />

Long­Tail­ oder Rattenschwanz­Effekt, der das<br />

verfügbare Angebot breiter und auch Nischenprodukte<br />

profitabel macht. Das dürfte nicht<br />

nur an den im Gegensatz zum herkömmlichen<br />

Rundfunk kaum beschränkten Übertragungska­<br />

pazitäten liegen, sondern auch an den geringen<br />

Kosten, die das Umkonfektionieren und Bereithalten<br />

von bereits einmal verwendeten Produktionen<br />

verursacht.<br />

Der WDR hat eben dieses mit vier inhaltlich<br />

ambitionierten, als »Webchannels« nur<br />

im Internet zu hörenden Radioangeboten erprobt:<br />

1LIVE Kunst (Popmusik, verbunden mit<br />

Kulturberichten aus WDR 3 und WDR 5; vgl.<br />

<strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> 07, S. 141), KIRAKA (16 Stunden<br />

tägliches Kinderradio, hergestellt aus 90 Minuten<br />

Kinderfunk von WDR 5) sowie zwei fremdsprachigen<br />

Angeboten aus dem Material von<br />

Funkhaus Europa.<br />

_ Neue Chancen für hochwertige Produktionen<br />

Das Umfeld ist ideal, um den Nutzen gerade<br />

der hochwertigen Produktionen des öffentlichrechtlichen<br />

Radios zu vergrößern und um die<br />

Ausschöpfung von Zielgruppen zu verbessern –<br />

sei es durch Podcasts, sei es durch genrebezogene<br />

Webchannels. Der gesamte Bereich des<br />

deutschsprachigen Wortes ist in den Internetradios<br />

noch Mangelware, besonders bei Hörspielen,<br />

Features und hintergründiger politischer<br />

Information. Aber auch unabhängiger Musikjournalismus<br />

und – vor allem – einheimische<br />

Konvergenz zum Anfassen: Auf der Bedienoberfläche<br />

dieses Radios verschmelzen<br />

Live-Programm und zugehörige On-demand-<br />

Angebote zu einer Einheit.<br />

Musikproduktionen finden sich in dem an sich<br />

überbordenden weltweiten Angebot eher selten.<br />

Wie eine aktuelle wissenschaftliche Studie<br />

des Kölner Instituts für Presseforschung<br />

zeigt, haben diese Rahmenbedingungen in der<br />

Schweiz zu einer medienpolitischen Diskussion<br />

geführt, an deren Ende die öffentlich­rechtliche<br />

SRG ausdrücklich beauftragt wurde, drei digi­<br />

Die neuen Weltempfänger <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 67


68<br />

Bei Vorführungen stets umlagert:<br />

WLAN-Radios in der WDR-Präsentation<br />

»digital living«<br />

tale Musik­Genrekanäle anzubieten, die ein<br />

besonderes Augenmerk auf die schweizerische<br />

Musikszene werfen sollen.<br />

Von dieser Qualität oder gar diesen Ergebnissen<br />

scheint die deutsche medienpolitische<br />

Diskussion über die Ausdifferenzierung der<br />

Gattung Radio noch ein Stück entfernt zu<br />

sein, sofern eine solche Diskussion überhaupt<br />

stattfindet. Das geplante »Verbot mit Erlaubnisvorbehalt«<br />

für ausschließlich im Internet<br />

verbreitete Radioprogramme, wie es die Staatsvertrags­Diskussion<br />

im Sommer 2008 vorsieht,<br />

ist sicherlich die strengste der möglichen Lösungen.<br />

Andererseits dürfte wohl kaum irgend­<br />

wo der gesellschaftliche und künstlerische<br />

Mehrwert ebenso wie der technisch getriebene<br />

Anpassungsdruck so sichtbar sein wie auf<br />

den Bedienoberflächen der Internet­Radioapparate,<br />

die mittlerweile schon die Werbeprospekte<br />

der großen Unterhaltungselektronik­<br />

Ketten zieren.<br />

_ Das Beste aus zwei Welten kombinieren<br />

Bleibt noch die naheliegende Frage, ob der<br />

Audio­Boom im Internet am Ende den Tod der<br />

Versuche bedeuten wird, einen digitalen terrestrischen<br />

Verbreitungsweg für das Radio, zum<br />

Beispiel mit der Technik der DAB­Systemfamilie<br />

(Digital Audio Broadcasting) zu etablieren.<br />

Gegen eine solche These spricht eine ganze<br />

Reihe von Argumenten: Radio wird überall in<br />

der Fläche mobil und portabel genutzt. Das<br />

gilt in Gebäuden wie außerhalb, in Fahrzeugen<br />

mit geringer wie in Fahrzeugen mit höchster<br />

Geschwindigkeit. Ob mobile Internet­Übertragungstechnik<br />

jemals in der Lage sein wird,<br />

jedem von uns an jedem Ort und jederzeit eine<br />

stabile Übertragungs­Bandbreite von 64 kbit/s<br />

zur Ver fügung zu stellen, ist ungewiss.<br />

Klassische Rundfunktechnik ist in Infrastruktur<br />

und Ökonomie jedenfalls überlegen, wenn<br />

es darum geht, zeitgleich vielen Menschen<br />

dasselbe Basis­Angebot diskriminierungs­ und<br />

barrierefrei zur Verfügung zu stellen. Allerdings<br />

muss das digitale terrestrische Radio vor einem<br />

Neustart von der Entwicklung im Internet lernen.<br />

Mit ihren inhaltlichen Vorstellungen von<br />

der »Zukunft des Radios« hat die <strong>ARD</strong>­Hörfunkkommission<br />

das gerade formuliert. »Podcasts<br />

via Broadcast«, aufgrund von Metadaten<br />

in die Playlist des eigenen MP3­Players integrierbare<br />

Beiträge, visuelle Begleitung von Radiosendungen<br />

und fakultativ nutzbare Interaktivität<br />

im digitalen Radioapparat der Zukunft – so soll<br />

das Beste aus der Welt der Internetradios mit<br />

den Vorzügen des klassischen Rundfunks kombinierbar<br />

werden.<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />

Rüdiger Malfeld, Leiter der Hauptabteilung Infrastrukturmanagement<br />

im WDR, verantwortet die<br />

Programmverbreitung für Radio, TV und Internet


Das Interesse an aktueller Information ist das zweit-<br />

wichtigste Motiv für die Hörer, ein Radioprogramm ein-<br />

zuschalten. Zu diesem Ergebnis kam die <strong>ARD</strong>/ZDF-Lang-<br />

zeitstudie »Massenkommunikation 2005«. Nachrichten<br />

sind nach wie vor eine Domäne des öffentlich-recht-<br />

lichen Rundfunks. Die Nachrichten- und Informations-<br />

sendungen im <strong>ARD</strong>-Hörfunk, im Fernsehen und im Inter-<br />

net stehen für hohe journalistische Qualität, Seriosität<br />

und Glaubwürdigkeit. Die Untersuchung »InfoMonitor<br />

2007« etwa bestätigte die deutlichen qualitativen<br />

Unterschiede zwischen den öffentlich-rechtlichen und<br />

privaten Fernsehnachrichten.<br />

Mit ihren Informations- und Nachrichtenwellen garan-<br />

tiert die <strong>ARD</strong> eine wirtschaftlich und politisch unab-<br />

hängige Berichterstattung, ein Mehrwert für alle Nutzer<br />

des Mediums Radio.<br />

Ständig auf dem Laufenden<br />

Zur Situation der <strong>ARD</strong>-Infowellen<br />

Von Mercedes Riederer<br />

M<br />

ein Papa mag es am liebsten im<br />

Auto, meine Mama mag es am<br />

liebsten in der Küche und mein<br />

Opa mag es den ganzen Tag.« Mit<br />

diesem knappen Werbespot-Text für Rundfunkgebühren<br />

haben sich Schüler aus Nürnberg an<br />

einem Wettbewerb des BR beteiligt und dabei<br />

den Nagel auf den Kopf getroffen. Radio ist<br />

ein »Überall-Medium« mit dem unangreifbaren<br />

Vorteil der mobilen Nutzung nebenbei – unter<br />

der Dusche, beim Joggen, beim Bügeln und<br />

Kochen oder eben beim Autofahren. Die häufig<br />

abfällig gebrauchte Charakterisierung des »Nebenbei-Mediums«<br />

erweist sich in einer Zeit, in<br />

der auch Fernsehen und Internet mobil werden,<br />

als wichtiges Alleinstellungsmerkmal.<br />

_ Das Prinzip Radio<br />

Lange galt der Hörfunk als das schnellste und<br />

aktuellste Medium. Doch bei der schnellen Verfügbarkeit<br />

von Nachrichten hat er – vor allem<br />

online – Konkurrenz bekommen. Darauf weisen<br />

die Medienforscher die Macher von Inforadios<br />

seit längerem sorgenvoll hin. Doch »hören<br />

reicht«, sagt Andreas Wertz, Chefredakteur von<br />

Inforadio, dem Nachrichtenkanal des RBB,<br />

und begründet mit diesem »Prinzip Radio«<br />

seinen Optimismus für die Zukunft der <strong>ARD</strong>-<br />

Infowellen. Diese positive Grundeinschätzung<br />

wird in den anderen Häusern mit Inforadios<br />

geteilt, allerdings zwingt die veränderte Medienlandschaft<br />

zu einer Überprüfung von Format,<br />

Inhalten und Zusatzangeboten. Die Reaktion<br />

der Wellen steht auf drei Beinen: on air, online<br />

und off air.<br />

Infowellen <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 69


70<br />

Im Studio von hr-info:<br />

Alexander Schmitt, Moderator, Redakteur<br />

und Börsenreporter<br />

_ Mit Erfolg gestartet<br />

Als der BR am 6. 5. 1991 mit B5 aktuell den ersten<br />

reinen Informations- und Nachrichtenkanal<br />

im deutschen Hörfunkmarkt startete, war<br />

die Rund-um-die-Uhr-Nachrichtenversorgung<br />

durch den Hörfunk in Deutschland konkurrenzlos.<br />

B5 aktuell, für das France Info und die<br />

amerikanischen All-News-Channels Pate gestanden<br />

hatten, war so erfolgreich, dass weitere<br />

Landesrundfunkanstalten folgten: 1992 MDR<br />

INFO, 1995 Inforadio Berlin, 1998 NDR Info,<br />

und 2004 hr-info.<br />

Heute erreichen die fünf Infowellen der<br />

<strong>ARD</strong> von Montag bis Freitag 1,69 Millionen<br />

Hörer bundesweit (ma 2008 Radio II). Zum Vergleich:<br />

Die drei überregionalen Tageszeitungen<br />

»Süddeutsche Zeitung«, »Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung« und »WELT« (inkl. »Welt kompakt«)<br />

verkaufen zwischen Montag und Freitag<br />

täglich rund 1,10 Mio Exemplare.<br />

_ Die Konkurrenz wächst mit den Verbreitungswegen<br />

»Die schnellste Art, Bescheid zu wissen« hieß<br />

der erste Programmslogan von B5 aktuell, der<br />

auf die Besonderheit der ständig aktualisierten<br />

Nachrichtenübermittlung im Radio hinwies.<br />

Doch dieses Alleinstellungsmerkmal aus den erfolgreichen<br />

Gründungsjahren steht zunehmend<br />

infrage. Zunächst durch die Nachrichtenkanäle<br />

im Fernsehen wie das zu ProSiebenSat.1 gehörende<br />

Programm N 24 und n-tv, inzwischen<br />

Mitglied der RTL Group. Dazu kommt öffent-<br />

lich-rechtliche Konkurrenz im Fernsehen mit<br />

den digitalen Angeboten von <strong>ARD</strong> und ZDF,<br />

EinsExtra und ZDF Info.<br />

Die jüngsten Konkurrenten sind die Newsportale<br />

im Internet. Laut BITKOM (Bundesverband<br />

Informationswirtschaft, Telekommunikation<br />

und neue Medien) wurden im ersten<br />

Quartal 2008 die 20 meistgenutzten Nachrichtenseiten<br />

im Internet insgesamt 1,2 Milliarden<br />

Mal besucht. BITKOM-Vizepräsident<br />

Achim Berg kommentierte: »Diese Wachstumsraten<br />

sind ein weiterer Beleg, dass der Medienmarkt<br />

sich in einem radikalen Umbruch<br />

befindet.«<br />

_ Erkennbar bleiben auf dem Medienmarkt<br />

Dieser Umbruch mit dem rasant wachsenden<br />

Nachrichtenangebot, das uns vom Handy bis<br />

zum PC über alle denkbaren Verbreitungswege<br />

erreicht, kann jedoch auch eine Chance sein für<br />

Inforadios – wenn gilt, was der Pulitzer-Preisträger<br />

und Journalismus-Professor Michael Parks<br />

für die künftige Mediennutzung prognostiziert:<br />

»Wer gehaltvolle Nachrichten liefert, wird profitieren.«<br />

Parks stellt weiter fest, »dass die Mediennutzer<br />

immer wählerischer werden, weil immer<br />

mehr Informationen zur Verfügung stehen«.<br />

Deshalb werden Marken immer wichtiger.<br />

Gerade in einem sich differenzierenden Medienmarkt<br />

orientieren sich die Nutzer an Marken.<br />

Sie hören gerade einmal 1,4 Programme<br />

im Schnitt am Tag – nicht zuletzt jene, die als<br />

Internet-Livestream genutzt werden.<br />

Die Inforadios haben sich als Marken für<br />

glaubwürdige Informationsvermittlung etabliert.<br />

Das zeigt die Entwicklung der Hörerzahlen. Die<br />

rasanten Zuwächse der frühen Jahre sind zwar<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08<br />

Reporterin Marie Asmussen meldet sich mit<br />

Live-Berichten aus Berlin und Brandenburg in<br />

Inforadio (RBB).


vorbei, doch die Zahlen halten sich auf hohem<br />

Niveau. Zur positiven Überraschung der Verantwortlichen<br />

hatte B5 aktuell bereits ein Jahr nach<br />

Programmstart 1992 eine Tagesreichweite von<br />

2,0 Prozent. Zwölf Jahre später – im Jahr 2004<br />

– meldete das Programm seinen bisherigen Rekord<br />

mit 5,8 Prozent, das sind 546 000 Hörer in<br />

Bayern. Seither liegt die Reichweite stabil zwischen<br />

vier und fünf Prozent.<br />

_ »Willkommen in gut informierten Kreisen«<br />

Die Inforadios haben sich in der Zeit ihres Bestehens<br />

zu einem heimlichen Leitmedium für<br />

Nachrichten entwickelt. Heimlich deshalb, weil<br />

sie selten Untersuchungsgegenstand von Kommunikationswissenschaftlern<br />

sind und deshalb<br />

in der öffentlichen Diskussion über Mediennutzung<br />

kaum eine Rolle spielen. Tatsächlich<br />

erreichen sie jedoch besonders die Infoelite. Ein<br />

typischer Hörer von B5 aktuell ist der Intendant<br />

des BR, Thomas Gruber. In einem Interview zu<br />

seiner eigenen Mediennutzung gefragt, berichtet<br />

er: »Heute morgen habe ich, so wie jeden<br />

Tag, B5 aktuell gehört, um schnell und zuverlässig<br />

informiert zu sein.« Der BR-Intendant steht<br />

für die Zielgruppe von Infoprogrammen. Diese<br />

erreichen deutlich stärker als andere Radioformate<br />

(berufstätige) Entscheidungsträger, Multiplikatoren<br />

und Meinungsbildner. Bei B5 aktuell<br />

ist der Anteil der formal Hochgebildeten sowie<br />

der Selbständigen und der leitenden Angestellten<br />

mehr als doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung.<br />

Nicht verwunderlich ist deshalb, dass die<br />

Domäne der Inforadios in Großstädten und<br />

Ballungsräumen liegt. Besonders profitiert hat<br />

davon das Inforadio des RBB. Mit dem Standortvorteil,<br />

in und aus der Bundeshauptstadt zu<br />

senden, liegt es mit seiner prozentualen Reichweite<br />

im eigenen Sendegebiet auf Platz eins der<br />

Nachrichtenprogramme der <strong>ARD</strong>. Die Berliner<br />

haben darauf ihren aktuellen Claim treffend<br />

formuliert: »Willkommen in gut informierten<br />

Kreisen.«<br />

_ Garant für Verlässlichkeit: die Stundenuhr<br />

Der Programmchef von Inforadio, Andreas<br />

Wertz, charakterisiert seine Hörer und bestätigt<br />

die zunehmende Bedeutung von Marken im<br />

Nachrichtengeschäft: »Es gibt Nachrichtenjunkies,<br />

die wollen die schnelle Übersicht. Wo<br />

steht die Welt? Bei den vielen Angeboten wird<br />

der Anbieter immer wichtiger.« Bei diesen An-<br />

bietern wollen die Inforadios der <strong>ARD</strong> auch in<br />

Zukunft mitspielen und setzen dabei auf ihre<br />

Alleinstellungsmerkmale: Nachrichtenkompetenz,<br />

inhaltliche Glaubwürdigkeit sowie die Formatverlässlichkeit.<br />

Auf die Bedeutung der Verlässlichkeit des<br />

Formats, die so genannte Stundenuhr, weisen<br />

alle Programmverantwortlichen hin. »Das<br />

Format ist sakrosankt«, sagt Max Stocker von<br />

B5 aktuell. Er kennt das Programm als Redakteur<br />

der ersten Stunde, verfolgte als Frankreichkorrespondent<br />

die Weiterentwicklung des<br />

Vorbilds France Info und ist heute der dritte<br />

Redaktionsleiter seit Bestehen des BR-Nachrichtenkanals.<br />

Stundenuhr von B5 aktuell<br />

Dieses Format bringt der aktuelle Programmslogan<br />

»In 15 Minuten kann sich die<br />

Welt verändern« auf den Punkt. Es war eine<br />

»böse« Ironie der Geschichte, dass dieser Slogan<br />

wenige Wochen vor dem Angriff auf das<br />

World Trade Center, am 11. 9. 2001, entwickelt<br />

wurde. Er gilt bis heute. Die Hörer erhalten<br />

Nachrichten im Viertelstundentakt, wann immer<br />

sie einschalten. Wolfgang Aigner hatte als<br />

erster Redaktionsleiter diesen bundesdeutschen<br />

Prototyp entwickelt: Top-News aus der Welt,<br />

aus Deutschland und der Region, mit den klassischen<br />

Ressorts Politik und Aktuelles, Wirtschaft,<br />

Kultur, Sport. Nur der RBB hat sich für<br />

einen 20-Minuten-Takt entschieden. Doch auch<br />

dort gilt: Am Format wird nichts geändert.<br />

Infowellen <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 71


72<br />

Obwohl also die Viertelstunden-Grundstruktur<br />

von B5 aktuell nicht angetastet wird,<br />

hört sich das Programm heute anders an als<br />

im ersten Sendejahr 1991. »Wir werden immer<br />

kleinteiliger«, beschreibt Redaktionsleiter Max<br />

Stocker die heutige Anmutung, die der durch<br />

das Internet veränderten Mediennutzung Rechnung<br />

trägt. Damals bestanden die Ressortblöcke<br />

Wirtschaft, Kultur und Bayern jeweils aus<br />

einem dreiminütigen Beitrag, heute werden die<br />

Hörer in kurzen Nachrichtenblöcken über drei<br />

bis fünf unterschiedliche Themen informiert.<br />

_ Neue Konzepte: mehr Themen, mehr Erklärung,<br />

mehr Regionalität<br />

Die jüngste Weiterentwicklung des Programms<br />

von B5 aktuell wurde Mitte 2008 eingeleitet:<br />

mehr Themenvielfalt, mehr formale Abwechslung,<br />

größere Verständlichkeit, aber auch mehr<br />

MDR-INFO-Reporter Karsten Möbius (r.)<br />

im Interview mit Dr. Tilman Lantzsch,<br />

dem Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde<br />

und Geburtshilfe in Halle (Saale)<br />

Erklärung. Wenn beispielsweise in Berlin Regierung<br />

und Opposition über eine Änderung<br />

der Altersteilzeit streiten, gibt es künftig nicht<br />

nur die Nachrichtenminute, sondern auch das<br />

ergänzende Expertengespräch, in dem die Vor-<br />

und Nachteile der Konzepte erläutert werden.<br />

Max Stocker will ein Newsformat, das verlässlich<br />

und seriös ist, aber nicht starr und langweilig.<br />

»Wir arbeiten an mehr als der reinen Nachricht«,<br />

beschreibt Andreas Wertz (RBB) den<br />

Trend, der die inhaltliche Programmentwicklung<br />

bei allen Inforadios kennzeichnet. Unterstützt<br />

von qualitativer Medienforschung<br />

kommt Wertz zu dem Ergebnis, dass der Bedarf<br />

nach Deutung und Einordnung zugenommen<br />

hat. Gerade hier sehen alle Häuser eine Kernaufgabe<br />

des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.<br />

Inforadios als Lotsen. »Die Hörer wollen<br />

Orientierung im Informationsdschungel«, bestätigt<br />

auch der Chefredakteur des MDR, Christian<br />

Schneider: Im Programm hat MDR INFO<br />

unter anderem mit der Rubrik »Hörer machen<br />

Programm« darauf reagiert. Hier werden Fragen<br />

und Anregungen von Hörern aufgegriffen.<br />

Weniger Politiker-Statements, mehr Erklärung<br />

und einordnende Korrespondentengespräche<br />

sind eine Programmveränderung, die<br />

sich die neue NDR-Chefredakteurin und Programmchefin<br />

von NDR Info, Claudia Spiewak,<br />

vorgenommen hat. Außerdem wird es künftig<br />

mehr Reportagen zu relevanten Themen im<br />

Programm geben, denn »man begreift mehr,<br />

wenn man Geschichten am Menschen erzählt«,<br />

sagt Claudia Spiewak. Diese Renaissance der<br />

Radioreportage ist in allen Häusern zu be-<br />

obachten. Christian Schneider vom MDR<br />

nennt das »Themen herunterbrechen auf die Bedürfnisse<br />

der Hörer«.<br />

Besonderes Gewicht legt man beim MDR<br />

auf die Regionalität. Ehrgeiziges Ziel ist es, im<br />

mitteldeutschen Sendegebiet mit seinen drei<br />

Bundesländern bei regionalen Themen Marktführer<br />

zu werden. Die Bedeutung von Regionalität<br />

in Infoprogrammen verdeutlichte auch die<br />

Intendantin des RBB, Dagmar Reim, in einem<br />

Interview: »Wir könnten nur 8 bis 10 Prozent<br />

von dem, was Inforadio aus Berlin und Brandenburg<br />

sendet, in einem deutschlandweiten<br />

Kanal unterbringen.« Ob nationale oder internationale<br />

Berichterstattung, wo immer möglich<br />

wird der regionale Bezug hergestellt. Diese Maxime<br />

gilt für alle Infowellen der <strong>ARD</strong>, die ihre<br />

Stärke in der regionalen Berichterstattung als<br />

Mittel der Markenbildung nutzen gegen eine<br />

zunehmend globale Konkurrenz.<br />

Die Inforadios reagieren auf die zunehmende<br />

Konkurrenz also mit zwei Strategien,<br />

die nur auf den ersten Blick widersprüchlich<br />

erscheinen. Einerseits mit mehr Kleinteiligkeit<br />

und Tempo, eine Reaktion auf die veränderten<br />

Hörgewohnheiten der klickenden Infogesellschaft,<br />

andererseits mit mehr Hintergrund und<br />

journalistischem Anspruch.<br />

»Die Zukunft des Radios liegt im Journalismus«,<br />

ist auch der neue Hörfunkdirektor des<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


Im neuen Redaktions- und Sendekomplex<br />

von Inforadio (RBB) kann das Team bimedial<br />

arbeiten. Der neu entstandene Fernseh-<br />

Nachrichtenplatz ist bestens mit der Inforadio-Redaktion<br />

nebenan vernetzt.<br />

NDR, Joachim Knuth, überzeugt. Als Vorgänger<br />

von Claudia Spiewak leitete er bis Ende<br />

2007 NDR Info. In einem seiner ersten Interviews<br />

in der neuen Funktion stellte er fest: »Wir<br />

müssen in Zukunft noch stärker von den Inhalten<br />

her denken, weil wir uns in der digitalen<br />

Welt nur dadurch von anderen unterscheiden.<br />

Dies ist die natürliche Weiterentwicklung des<br />

Formatradios, das mit Wiederauffindbarkeit,<br />

Verlässlichkeit und Orientierung unser Medium<br />

in den vergangenen 15 Jahren geprägt hat.«<br />

_ Infowellen: der Weg aus dem Info-Dschungel<br />

»Wir sind overnewsed und underinformed«,<br />

stellt die Medienwissenschaftlerin Miriam Meckel<br />

in ihrem neuesten Buch »Das Glück der<br />

Unerreichbarkeit. Wege aus der Kommunikationsfalle«<br />

fest. Meckel fragt: »Wann wird aus viel<br />

Information zu viel Information?« Die jüngste<br />

journalistische Qualitätsoffensive der Inforadios<br />

ist eine Reaktion auf das von Meckel thematisierte<br />

Unbehagen der Medienwissenschaftler.<br />

Sozial- und Wahrnehmungspsychologen sagen,<br />

dass der Mensch nur zwei Prozent der ihm zur<br />

Verfügung stehenden Informationen wirklich<br />

wahrnimmt und verarbeitet. Die Reaktion darauf<br />

ist die selektive Wahrnehmung der Informationen,<br />

die wir tatsächlich brauchen. Hier<br />

wollen die Inforadios ihre Hörer abholen: Konzentration<br />

auf das Wesentliche und gleichzei-<br />

tige Einordnung. MDR-INFO-Chef Christian<br />

Schneider nennt Radioinformation das ideale<br />

Angebot bzw. die »bequeme Variante«.<br />

Doch wie werden Infowellen – und nicht nur<br />

sie – die Hörer künftig erreichen? Noch klingen<br />

die Zahlen für den Hörfunk komfortabel.<br />

Ob Radiowecker, Küchenradio, Kassettendeck<br />

oder vor allem Autoradio, fast jeder Haushalt<br />

in der Bundesrepublik verfügt über mindestens<br />

ein Empfangsgerät. Auf dem Markt sind derzeit<br />

über 300 Mio UKW-Geräte. Im Durchschnitt<br />

hört jeder Bundesbürger täglich rund drei Stunden<br />

linear Radio. Medienforscher bezeichnen<br />

deshalb die deutschen Radio-hörer im internationalen<br />

Vergleich als »Heavy User«.<br />

_ Radio und Internet: zwei Wege, eine Strategie<br />

Allerdings sagen die Statistiken auch, dass die<br />

Konkurrenz der Medien beim Radio erste<br />

Spuren hinterlässt. Danach ist Radionutzung<br />

neuerdings leicht rückläufig: Minus 0,6 Prozentpunkte<br />

gegenüber dem Vorjahr weist die<br />

ma 2008 Radio II für die Tagesreichweite (76,5<br />

Prozent, Mo – So, Deutsche über 14 Jahren)<br />

bei leicht abnehmender Hördauer aus. Beunruhigend<br />

für die Gattung Radio ist, dass die<br />

Tagesreichweite bei den ganz jungen Leuten<br />

abnimmt und bereits um elf Prozentpunkte unter<br />

der des älteren Publikums (Über-50-Jährige)<br />

liegt.<br />

Gleichzeitig nimmt Radiohören über das<br />

Internet zu, denn gerade die Jüngeren nutzen<br />

selbstverständlich die neuen Techniken:<br />

17 Prozent der Unter-30-Jährigen hören Radio<br />

über das Internet, ebenfalls 17 Prozent über das<br />

Handy und 15 Prozent nutzen die Radiofunktion<br />

ihres MP3-Players. Diese Zahlen stellte die<br />

Radiozentrale, eine gemeinsame Einrichtung<br />

öffentlich-rechtlicher und privater Hörfunkveranstalter,<br />

auf dem Radioday 2007 in Köln vor.<br />

Die Medienforscher von <strong>ARD</strong> und ZDF<br />

sind in ihrer Online-Studie 2007 auch der Frage<br />

nachgegangen, wie sich das Internet auf die<br />

Radionutzung auswirkt: 22 Prozent der Onlinenutzer<br />

meinen, wegen ihrer Internetnutzung<br />

weniger Radio zu hören. Aber hier spricht – wie<br />

so häufig in der empirischen Sozialforschung<br />

– die tatsächliche Nutzungsrealität eine andere<br />

Sprache als die Selbsteinschätzung der Befragten.<br />

So ergab die <strong>ARD</strong>/ZDF-Online-Studie<br />

2008, dass 71 Prozent Internet-Nutzer täglich<br />

Radio hören, unter den Nicht-Internet-Nutzern<br />

sind es nur 65 Prozent. Mit dem Internet hat<br />

Infowellen <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 73


74<br />

Immer aktuelle Sportberichte, so von<br />

der UEFA Fußball-Europameisterschaft 2008;<br />

im Bild: Teamchef Oliver Frick im SWR<br />

Radiobus, der mobilen Produktionseinheit zur<br />

<strong>ARD</strong>-Hörfunk-Berichterstattung<br />

das »alte« Medium Radio allerdings nicht nur<br />

weitere Konkurrenz bekommen, sondern es hat<br />

neben Antenne, Kabel und Satellit auch einen<br />

neuen Vertriebsweg gewonnen. Radio-Live-<br />

Streams haben inzwischen schon 23 Prozent der<br />

deutschen Internet-Anwender genutzt – Tendenz<br />

steigend.<br />

Die Hörer von Infowellen – auch das hat die<br />

Medienforschung herausgefunden – sind besonders<br />

Internet-affin. Sie erwarten, dass sich die<br />

linear ausgestrahlten Informationen auch online<br />

wiederfinden. Deshalb müssen die Inforadios<br />

im Internet präsent sein und auf programmbegleitende<br />

Onlineangebote setzen – unabhängig<br />

davon, dass alle als Live-Stream auch im Internet<br />

gehört werden können.<br />

_ Sinnvolle Ergänzung: begleitende Online-Angebote<br />

B5 aktuell bietet seit Mitte 2006 die Spezialsendungen<br />

des Wochenendes unter dem Slogan<br />

»Radio zum Mitnehmen« als Podcast an. Die<br />

Abrufzahlen steigen monatlich an. Besonders<br />

rasant für das Computermagazin, das neben der<br />

linearen Ausstrahlung jede Woche von mehr<br />

als 10 000 Interessenten zum zeitunabhängigen<br />

Hören heruntergeladen wird. Für die Programm-Macher<br />

ein weiterer Beleg für die Internetaffinität<br />

ihrer Hörer.<br />

»Die Digitalisierung ist die Zukunft des<br />

Hörfunks, denn der Hörfunk darf nicht eine<br />

analoge Insel in einem digitalen Umfeld sein«,<br />

schrieb vor zwei Jahren an dieser Stelle Johannes<br />

Grotzky, Hörfunk-Direktor des BR und<br />

damals Vorsitzender der Hörfunkkommission,<br />

in seinem Beitrag »Alles – überall – zu jeder<br />

Zeit? Der Hörfunk auf dem Weg ins digitale<br />

Zeitalter«. Grotzky sieht bei der digitalen Entwicklung<br />

vor allem für die Kultur- und Informationsprogramme<br />

Chancen, da deren häufig<br />

berufstätige Hörer daran interessiert sind, Sendungen<br />

zeitversetzt, orts- und geräteunabhängig<br />

abrufen zu können.<br />

B5 aktuell hat bereits mit Erfolg neue Angebote<br />

für diese Hörer ins tägliche Programm genommen.<br />

Jeweils zur Drive Time, also der Zeit,<br />

wenn die Hörer am späten Nachmittag auf dem<br />

Weg von der Arbeit nach Hause sind, werden<br />

Zusammenfassungen der wichtigsten Themen<br />

aus Bayern und der Wirtschaft ausgestrahlt, die<br />

auch über Podcast abrufbar sind. Die Nachfrage<br />

nach »Bayern kompakt« und »Wirtschaft<br />

kompakt« steigt kontinuierlich. Ebenso wie die<br />

Abrufzahlen von »Themen und Termine«, einer<br />

Vorschau auf die wichtigen Ereignisse des kommenden<br />

Tages.<br />

hr-info, das jüngste der <strong>ARD</strong>-Inforadios,<br />

setzt stark auf eine programmbegleitende Internetstrategie,<br />

die derzeit von einem Team um<br />

HR-Chefredakteurin Katja Marx, (ab 2009 auch<br />

für hr-info zuständig), entwickelt wird. Einmal<br />

um den strategischen Nachteil einer dünnen<br />

Frequenzversorgung auszugleichen und auch<br />

um dem Rückgang von Hörerzahlen im Tagesverlauf<br />

entgegenzuwirken.<br />

Die Veränderung von Hörgewohnheiten<br />

zeigt sich auffällig bei den schon länger im<br />

Markt etablierten Infowellen. Danach liegen<br />

die Spitzenwerte unverändert hoch in der Prime<br />

Time am Morgen und in der Drive Time. Denn<br />

Inforadios »leben« überwiegend von der Nut-<br />

Börsen-Nachrichten gehören zu jeder Stundenuhr,<br />

im Bild: Wolfgang Grün, Claudia<br />

Wehrle und Eva Zaher (v. l.) berichten aus der<br />

Frankfurter Börse.<br />

Artikel <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08


Hintergrundberichte sind wichtiger Bestandteil<br />

der Infowellen: Für Inforadio (RBB)<br />

recherchierte <strong>ARD</strong>-China-Korrespondentin<br />

Petra Aldenrath mit verstecktem Mikrofon in<br />

einer chinesischen Kohlegrube.<br />

zung im Auto auf der Fahrt zur Arbeit und<br />

zurück. So geben beispielsweise mehr als die<br />

Hälfte der Hörer von B5 aktuell (55 Prozent) an,<br />

das Programm im Auto zu hören. Allerdings<br />

verliert das Programm Hörer zwischen diesen<br />

Spitzenwerten, also ab 10.00 Uhr bis gegen<br />

16.00 Uhr. Das künftige Programmkonzept von<br />

hr-info zieht aus der beobachteten Veränderung<br />

die Konsequenz, das linear ausgestrahlte Programm<br />

verstärkt mit Angeboten zum zeitunabhängigen<br />

Radiohören zu ergänzen, so Katja<br />

Marx.<br />

_ Diskussionsveranstaltungen stärken die Marke<br />

Gesicht zeigen nicht nur on air und online,<br />

sondern auch off air. Darauf setzen besonders<br />

RBB, BR und NDR. Über 100 öffentliche Veranstaltungen<br />

im Jahr organisiert Inforadio in<br />

Berlin und Brandenburg. Die Diskussionen mit<br />

prominenten Gästen aus Politik, Wirtschaft,<br />

Wissenschaft und Kultur zahlen, so Programmchef<br />

Wertz, einerseits auf die Marke Inforadio<br />

ein und werden anderseits Programm. Die Gesprächssendung<br />

»Forum – die Debatte im Inforadio«<br />

läuft jeden Samstag.<br />

»B5 aktuell – Das Forum« heißt eine neu<br />

entwickelte Veranstaltung des bayerischen<br />

Nachrichtenprogramms. Auch hier entsteht aus<br />

öffentlichen Diskussionen mit Hörerbeteilung<br />

Programm. Zusätzlich hat sich die Zahl der<br />

Medienpartnerschaften im gesamten Sendegebiet<br />

mehr als verdoppelt, eine Chance für die<br />

Programm-Macher, B5 aktuell noch bekannter<br />

zu machen. Besonders gerne vereinbart Max<br />

Stocker diese Partnerschaften in Regionen, die<br />

auf den so genannten Hörerkarten der Medienforschung<br />

alarmrot sind, das heißt, dass dort<br />

B5 aktuell im Vergleich mit dem restlichen Sendegebiet<br />

unterdurchschnittlich gehört wird.<br />

»Menschen erreichen, die mitreden wollen<br />

und Erklärungen suchen«, das ist auch die Idee<br />

einer Veranstaltungsreihe, die derzeit bei NDR<br />

Info konzipiert wird. Neben der klassischen<br />

Werbung setzt Chefredakteurin Claudia Spiewak<br />

auf Off-air-Aktivitäten, um den Bekanntheitsgrad<br />

des Programms zu erhöhen.<br />

_ Wer hört, versteht<br />

Nicht nur Radioprogramme werben um Hörer.<br />

Besonders betroffen von der Medienkonkurrenz<br />

sind Tageszeitungen. Der Rückgang des<br />

Interesses von jungen Leuten an gedruckten<br />

Medien wurde zunächst auf die elektronische<br />

Konkurrenz zurückgeführt, zunehmend jedoch<br />

auf das Internet und die digitalen Welten von<br />

Web 2.0. Der Chefredakteur der »WELT«, Thomas<br />

Schmid, sprach bei einer Veranstaltung<br />

sogar von der Tageszeitung als »bedrohter Art«.<br />

Gegen diesen Trend initiierte deshalb der Bundesverband<br />

der Zeitungsverleger im April dieses<br />

Jahres gemeinsam mit der Bundesregierung eine<br />

Imagekampagne für die Presse. Was dabei über<br />

die Rolle der Tageszeitung für die Demokratie<br />

gesagt wurde, lässt sich auf die Infoprogramme<br />

der <strong>ARD</strong> übertragen: Wer sich verlässlich über<br />

die politischen und gesellschaftlichen Debatten<br />

informieren und an der öffentlichen Kommunikation<br />

teilhaben will, ist auf das gesprochene<br />

Wort angewiesen: Die Inforadios. Wer hört,<br />

versteht!<br />

Mercedes Riederer,<br />

Leiterin von B5 aktuell und<br />

Chefredakteurin Politik und Wirtschaft<br />

Infowellen <strong>ARD</strong>-JAHRBUCH 08 75

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