... mit Körper & Köpfchen - Die IKK-Community
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Fotos: Jörg Strehlau<br />
REPORTAGE<br />
Aufstehen, Schule, Hausaufgaben – und dann Feierabend? Nicht für<br />
Jan Magnus. Der 18-Jährige arbeitet in seiner Freizeit als Bahnhofsmissionar.<br />
Ehrenamtlich widmet er sich Reisenden und Gestrandeten –<br />
und lernt dabei viel über die Menschen.<br />
<strong>Die</strong>nstag, 18 Uhr – Schichtbeginn für Jan Magnus. Der Zwölftklässler<br />
kommt zur Tür herein, begrüßt die Kollegen, streift sich seine blaue<br />
Weste über. Dann macht er sich auf in sein Revier. Sein Revier, das sind<br />
die Hallen und Gänge des Krefelder Hauptbahnhofs. Ein älterer Herr<br />
benötigt Hilfe beim Umsteigen – Jan Magnus ist zur Stelle. Eine junge<br />
Mutter hat Probleme, ihren Kinderwagen ins Abteil zu hieven –<br />
Jan Magnus packt <strong>mit</strong> an. Wo immer eine helfende Hand gebraucht<br />
wird, ist der Blondschopf nicht weit. Alle zwei Wochen schiebt er<br />
<strong>Die</strong>nst für die Bahnhofsmission, nach einem anstrengenden Schultag,<br />
freiwillig, bekommt keinen müden Euro dafür.<br />
Von aggressiv bis völlig verschüchtert<br />
Dabei bewegt sich der Pfarrerssohn oftmals am Rande der Gesellschaft.<br />
Denn wie vielerorts wirkt auch der Hauptbahnhof in Krefeld<br />
wie ein Magnet auf Drogenabhängige und Alkoholiker, Obdachlose<br />
und Bettelkinder. „Natürlich gibt es Situationen, in denen ich schlucken<br />
muss“, so Jan Magnus. Neulich erst habe sich ein Mann ganz<br />
offensichtlich eingenässt, einfach so, beim Kaffeetrinken unten in der<br />
Bahnhofshalle. Auch kommt es vor, dass ein Junkie wie benebelt durch<br />
die Flure läuft, auf Entzug und verzweifelt auf der Suche nach dem<br />
nächsten Schuss ist. In solchen Fällen bietet Jan Magnus seine Hilfe<br />
an, fragt nach, ruft im Notfall auch mal einen Krankenwagen. Manche<br />
wehren seine Hilfsangebote aggressiv ab, andere reagieren total<br />
verschüchtert. Aber was hier auch immer vor sich geht: Wegsehen gilt<br />
nicht. Jan Magnus ist schließlich da, um zu helfen. Und das tut er aus<br />
Überzeugung.<br />
„Mir war früh klar, dass ich mich sozial engagieren wollte“, erzählt der<br />
angehende Abiturient. Vor einem Jahr absolvierte er sein Schulpraktikum<br />
in der Bahnhofsmission – und blieb. „Hier komme ich <strong>mit</strong> vielen<br />
verschiedenen Leuten in Kontakt“, sagt er. „Und neue Menschen<br />
kennenzulernen ist für mich immer eine Bereicherung.“ Außerdem<br />
habe er gelernt, Menschen unvoreingenommener zu begegnen. „Auch<br />
ich hatte früher Vorurteile“, gibt er ganz offen zu. Oft aber seien Arme<br />
und Verzweifelte eben nicht selbst Schuld an ihrer Situation, das habe<br />
er <strong>mit</strong>tlerweile gelernt.<br />
Kofferträger und Seelentröster<br />
Außerdem: „Niemandem sollte egal sein, was in Deutschland passiert“,<br />
begründet er sein Engagement. „Wir alle sind Staat!“ Mit dieser Einsicht<br />
ist er nicht allein. In Deutschland gibt es ein Millionenheer an Ehrenamtlichen,<br />
die sich wie Jan Magnus in die Gemeinschaft einbringen,<br />
aus freien Stücken und ohne reguläre Bezahlung. Sie rücken <strong>mit</strong> der<br />
freiwilligen Feuerwehr aus, zählen als Wahlhelfer Stimmzettel, nehmen<br />
für die Telefonseelsorge Anrufe entgegen, tischen in Suppenküchen auf<br />
oder engagieren sich für Non-Profit-Organisationen wie Greenpeace,<br />
Attac oder Amnesty International.<br />
Oder sie streifen als Schutzengel durch den Bahnhof. Rund 100 Bahnhofsmissionen<br />
gibt es in ganz Deutschland. <strong>Die</strong> allererste wurde vor<br />
einer Ewigkeit gegründet, 1894 in der alten Reichshauptstadt Berlin.<br />
Ohne ehrenamtliche Mitarbeiter könnten sie heute allesamt dichtmachen.<br />
Auch die Krefelder, die sich ganz bescheiden direkt an Bahnsteig<br />
1 eingerichtet hat. 20 Ehrenamtliche halten den Laden zusammen. Sie<br />
tragen Reisenden die Koffer, erklären ihnen den Fahrplan, lassen sie<br />
bei Bedarf telefonieren.<br />
Vor allem halten sie ihre Pforten geöffnet. Durchschnittlich fünf Gäste<br />
treten pro Stunde über die Türschwelle der Mission, um zu plaudern,<br />
einen Kaffee zu trinken, menschliche Wärme zu spüren. So wie<br />
Stammgast Achim etwa, der an seinem schwarzen Bohnentrunk nippt<br />
und dabei über Heidi Klum schwadroniert. Für vertrauliche 4-Augen-<br />
Gespräche ist der „Raum der Stille“ da, in dem sich verzweifelte Gäste