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Thema »<br />

Lichtmomente<br />

in dunklen<br />

Tagen<br />

Adventzeit – das bedeutet für die meisten Vorfreude,<br />

Hoffnung und Gemütlichkeit. Doch Katinka Grebenar kennt<br />

auch eine ganz andere Seite der Vorweihnachtszeit. Als<br />

ambulante Krankenschwester ist die 45-Jährige täglich bei<br />

Menschen zu Besuch, die krank und einsam sind – und<br />

das gerade in diesen Wochen besonders deutlich spüren.<br />

Ein Engel unterwegs:<br />

Katinka Grebenar besucht<br />

als ambulante Krankenschwester<br />

täglich pflegebedürftige<br />

Menschen. Sie<br />

verteilt Medikamente,<br />

schüttelt Betten auf,<br />

füttert, wäscht und hört zu.<br />

DONBOSCOmagazin 6/2010 7


Thema<br />

8 DONBOSCOmagazin 6/2010<br />

Text: Claudia Klinger, Fotos: P. Gregor Gugala<br />

Die Welt von Wilma Kuropka ist klein<br />

geworden. Sie reicht von dem alten<br />

Holzschrank an der einen Wand bis zur<br />

Kommode mit dem ausklappbaren Spiegel<br />

auf der anderen. Vom Bild der Muttergottes<br />

über dem Bett bis zum Fenster<br />

mit den gelben Vorhängen gegenüber. Hinter dem Fenster<br />

liegt die Stadt, in der sich langsam Vorweihnachtsfreude<br />

breit macht. Die Geschäfte, in denen schon Weihnachtsmusik<br />

dudelt. Die weihnachtlich geschmückten Schaufenster.<br />

Die ersten Glühweinstände. Doch für Wilma Kuropka<br />

ist das gleichgültig. Seit die 97-Jährige nicht mehr<br />

stehen kann – von gehen ganz zu schweigen – ist ihre Welt<br />

auf das Schlafzimmer beschränkt. Auf ihren Sohn, der<br />

selbst schon über 70 ist und seiner alten Mutter nicht <strong>viel</strong><br />

helfen kann. Und auf Katinka Grebenar, die ambulante<br />

Krankenschwester, die jeden Tag mehrmals vorbeikommt.<br />

Sobald sie drei Mal geklingelt und der Sohn geöff net<br />

hat, kommt Leben in die stille Wohnung mit den alten Möbeln.<br />

Die knallrote Caritas-Jacke landet auf dem Bügelbrett<br />

im Flur. Katinka Grebenars fröhliche Stimme fegt wie frischer<br />

Wind durch die Zimmer. „Hallo, hallo. Wie geht es<br />

Ihnen?“ Mit geübten Handgriff en setzt sie Wilma Kuropka<br />

im Bett auf, wäscht sie, kämmt ihr die kinnlangen grauen<br />

Haare und hebt sie dann in den Rollstuhl, um sie zu füttern.<br />

Morgens gibt es Grießbrei. Löff el für Löff el schiebt die<br />

Krankenschwester der alten Frau in den Mund – behutsam,<br />

vorsichtig, mit <strong>viel</strong> gutem Zureden. „Ich könnte das<br />

alles nicht“, sagt der Sohn nebenan im Wohnzimmer, wo<br />

sich Medikamentenpackungen auf dem Couchtisch mit<br />

der weißen Spitzendecke stapeln. Vor sieben Jahren, zum<br />

90. Geburtstag seiner Mutter, sind die beiden noch zusammen<br />

nach Hamburg gereist. Jetzt ist es still geworden in<br />

ihrem Leben. Zum 97. Geburtstag hat kaum mehr jemand<br />

gratuliert. Die meisten von Wilma Kuropkas Freunden und<br />

Bekannten sind schon verstorben oder selbst krank und<br />

bettlägerig. Die nächsten Verwandten leben in Hamburg.<br />

„Meistens schläft Mami den ganzen Tag“, sagt der<br />

Sohn. „Aber manchmal wird sie unruhig – und ich weiß<br />

dann gar nicht recht, was ich machen soll.“ Er ist froh,<br />

dass regelmäßig die Schwester von der Caritas kommt.<br />

Katinka Grebenar hält die alte Dame sanft, aber bestimmt<br />

fest, als sie versucht im Rollstuhl aufzustehen. Sie hält ihr<br />

die Schnabeltasse an den Mund, redet beruhigend auf sie<br />

ein wie auf ein kleines Kind. Ob Wilma Kuropka das alles<br />

bewusst mitbekommt, ist nicht sicher. Die 97-Jährige<br />

leidet an Alzheimer – <strong>viel</strong>leicht hat sie alles ganz schnell<br />

wieder vergessen. Doch manchmal spielt ein Lächeln um<br />

die faltigen Lippen, und die hellblauen Augen leuchten,<br />

wenn Kantinka Grebenar sanft über die eingefallene Wange<br />

streicht. „Wenn man einen Menschen jahrelang pfl egt,<br />

lernt man ihn ziemlich gut kennen, und dann wächst er<br />

einem ans Herz“, erklärt die Krankenschwester. Sie kann<br />

fast jeden Gesichtsausdruck von Wilma Kuropka deuten,<br />

weiß, dass sie am liebsten Schwarztee mit Milch trinkt und<br />

nur auf der rechten Seite gut einschlafen kann.<br />

Seit 17 Jahren arbeitet Katinka Grebenar als ambulante<br />

Krankenschwester. Mit einer Kollegin zusammen versorgt<br />

sie zurzeit 40 Patienten im Münchner Stadtviertel Haidhausen.<br />

Mit ihrem Fahrrad fährt sie von einem zum anderen.<br />

Ein Computer in Handy-Größe gibt vor, wann sie wo<br />

sein muss und wie <strong>viel</strong> <strong>Zeit</strong> sie für welchen Patienten hat.<br />

Waschen, füttern, Blutdruck messen und Verbände wechseln<br />

gehören zu den Leistungen, für die sie bezahlt wird.<br />

Dasein, zuhören und Neuigkeiten erzählen gehört nicht<br />

dazu – aber ohne das alles wäre für Katinka Grebenar ihre<br />

Arbeit nicht denkbar. „Irgendwie sind meine Patienten<br />

auch ein bisschen meine Familie“, sagt die 45-jährige Mutter<br />

von zwei erwachsenen Kindern. Viele Menschen, die<br />

sie gepfl egt hat, sind ihr über deren Tod hinaus in Erin-<br />

Die Welt ist eng geworden:<br />

Viele von Katinka Grebenars<br />

Patienten können ihre<br />

Wohnung nicht mehr alleine<br />

verlassen. Die ambulante<br />

Krankenschwester, das Radio<br />

oder die <strong>Zeit</strong>ung sind oft<br />

ihre einzige Verbindung zur<br />

Welt draußen.<br />

Das Radio hilft,<br />

dass die<br />

„Stille <strong>Zeit</strong>“ nicht<br />

bedrückend still<br />

wird.


10 DONBOSCOmagazin 5/2010<br />

Josef Tremmel<br />

hat <strong>viel</strong> <strong>Zeit</strong>.<br />

Besonders jetzt,<br />

wenn die Tage<br />

dunkler werden.<br />

nerung geblieben. Da war zum Beispiel das Ehepaar, das<br />

sich schon von der Sandkiste her kannte und Diamanthochzeit<br />

feierte, als die Frau im Pfl egebett lag. Und der<br />

alte Mann, dessen Beerdigung sie organisiert hat, weil sie<br />

am Ende seine einzige Bezugsperson gewesen war. Katinka<br />

Grebenar war die einzige, die wusste, welches Sterbebild<br />

er haben wollte und wie er sich die Seelenmesse<br />

gewünscht hat.<br />

Auch von ihren aktuellen Patienten kennt<br />

die ambulante Krankenschwester oft die<br />

ganze Lebensgeschichte. Zum Beispiel<br />

von dem 90-jährigen Josef Tremmel. Er<br />

verlor seine Frau schon vor <strong>viel</strong>en Jahren<br />

durch eine schwere Krankheit. Seine<br />

spätere Lebensgefährtin starb vor knapp einem Jahr ganz<br />

plötzlich. Seitdem lebt er allein in der Wohnung, die noch<br />

immer aussieht wie damals in den siebziger Jahren, als<br />

seine Frau noch gelebt hat. Eine ganze Reihe Fotos von<br />

ihr hängen an der Wand. „Früher habe ich sehr gerne fotografi<br />

ert“, erzählt Josef Tremmel. Jetzt beschäftigt er sich<br />

hauptsächlich mit Lesen und Tagebuchschreiben. Er notiert<br />

jeden Tag, welches Wetter war, was es zu essen gab<br />

und wann Katinka Grebenar gekommen ist. Sie hat einen<br />

Schlüssel für die Wohnung im dritten Stock, und sie bringt<br />

ihm jeden Tag die <strong>Zeit</strong>ung aus dem Briefkasten mit nach<br />

oben. Im Wohnzimmer stapelt sich das Papier bereits.<br />

Aber Josef Tremmel will die alten Ausgaben nicht wegwerfen.<br />

Er behält sie immer einige Wochen, denn er liest langsam<br />

und genau. Schließlich hat er <strong>viel</strong> <strong>Zeit</strong>. Gerade jetzt,<br />

wenn die Tage dunkler werden.<br />

Die Wochen vor Weihnachten, die „Stille <strong>Zeit</strong>“, in der<br />

sich die meisten Menschen auf Heiligabend einstimmen,<br />

ihre Wohnungen schmücken und gemütlich im Kreis der<br />

Familie zusammensitzen, sind für Katinka Grebenars Patienten<br />

eine besonders harte <strong>Zeit</strong>. „Viele sagen, sie können<br />

mit Weihnachten nichts mehr anfangen. Das wäre nichts<br />

mehr für sie“, erzählt die Krankenschwester. Und manchen<br />

wird ihre Einsamkeit gerade an diesen Tagen ganz<br />

besonders bewusst. Kekse backen? Einen Christbaum aufstellen?<br />

Sterne aufhängen? „Das war früher,“ sagt Maria<br />

Glaser. „Jetzt feiere ich sowieso immer allein.“ Sogar die<br />

kleine Krippe aus Olivenholz, die sie von einer Reise nach<br />

Israel mitgebracht hat, hat die 93-Jährige letztes Jahr verschenkt.<br />

„Die soll jemand haben, der sich richtig daran<br />

erfreuen kann“, sagt sie. „Ich brauche das nicht mehr.“<br />

<strong>Zeit</strong>gefühl: Für pflegebedürftige<br />

Menschen vergehen die Tage oft<br />

langsam. Die Krankenschwester<br />

dagegen muss genau notieren,<br />

wofür sie wie <strong>viel</strong> <strong>Zeit</strong> braucht.<br />

Umso lieber sind ihr dafür das Fernsehen und ihr altes<br />

Blaupunkt-Radio geworden. Nachmittags und abends<br />

setzt sie sich gerne davor – damit die Stille <strong>Zeit</strong> nicht so<br />

bedrückend still ist. „Der Kontakt zur Außenwelt fehlt<br />

mir schon sehr“, klagt Maria Glaser. Früher war sie Filialleiterin<br />

in einer Bäckerei und immer auf den Beinen. Im<br />

Missionskreis der Pfarre hat sie Decken gestrickt. Ein paar<br />

davon polstern ihre eigene Küchenbank. Und sie hat ihre<br />

Mutter gepfl egt. „Die konnte zu Hause sterben“, sagt Maria<br />

Glaser, und ihrer Stimme ist anzuhören, dass sie sich<br />

das für sich selbst auch wünscht.<br />

Seit einem Beckenbruch im Frühjahr kann Maria Glaser<br />

nicht mehr aus dem Haus gehen. Trotzdem will sie lieber<br />

in den eigenen vier Wänden leben als in einem Heim.<br />

„Ich kann ja noch selber kochen und saubermachen“, sagt<br />

die 93-Jährige stolz. Für Staubsaugen und Wäschewaschen<br />

hat sie eine Zugehfrau. Den Einkauf übernimmt eine Nachbarin.<br />

Und zwei Mal pro Woche kommt Katinka Grebenar<br />

und hilft ihr, sich den Rücken und die Haare zu waschen<br />

und das Bett neu zu beziehen. Und sie bringt Nachrichten<br />

von draußen: über das, was der Arzt gesagt hat, über die<br />

Sonderangebote in den Läden der Umgebung und über<br />

die Weihnachtsvorbereitungen in der Stadt. Maria Glaser<br />

freut sich über jede Neuigkeit aus ihrem Stadtviertel, über<br />

jeden Plausch, jede Abwechslung und jede Anteilnahme.<br />

Genau das ist es, was Katinka Grebenar an<br />

ihrem Beruf liebt: Die persönliche Beziehung<br />

zu den Pfl egebedürftigen, die Vertrautheit,<br />

die mit der <strong>Zeit</strong> entsteht, und<br />

das gute Gefühl, ihre Situation sichtbar<br />

verbessern zu können. „Wenn ich zum<br />

ersten Mal zu einem neuen Patienten in die Wohnung<br />

komme, sieht es dort oft ziemlich verwahrlost aus – weil<br />

alte, kranke Menschen einfach nicht mehr die Kraft haben,<br />

alles sauber zu halten“, erzählt sie. Bei jedem Besuch<br />

räumt sie dann ein bisschen mehr auf, sorgt für frische<br />

Wäsche und wirft alte Sachen weg. „Natürlich geht das<br />

nur ganz vorsichtig und langsam. Schließlich will ich die<br />

alten Leute nicht verletzen und nicht plötzlich aus der<br />

vertrauten Umgebung reißen“, sagt Katinka Grebenar.<br />

Aber wenn sie sieht, wie die Lebensqualität ihrer Patienten<br />

steigt, wie ihre Einsamkeit für Momente verfl iegt,<br />

wenn sie kommt, dann ist die Krankenschwester glücklich.<br />

Dann weiß sie, warum es sich lohnt, jeden Tag früh<br />

morgens aufzustehen, auch im Winter dick vermummt mit<br />

Mütze und Handschuhen mit dem Fahrrad durch die Straßen<br />

zu kurven und gelegentlich etwas mehr <strong>Zeit</strong> für einen<br />

Patienten zu investieren, als die Minutenzahl, die für die<br />

eigentlichen Pfl egeleistungen vorgesehen ist.<br />

Thema<br />

DONBOSCOmagazin 6/2010 11


Thema<br />

Was bedeutet<br />

pfl egebedürftig?<br />

Ein Mensch, der wegen Krankheit oder Behinderung auf<br />

fremde Hilfe angewiesen ist, um seinen Alltag meistern zu<br />

können, gilt als pflegebedürftig und hat grundsätzlich Anspruch<br />

auf Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung.<br />

Wie <strong>viel</strong> er bekommt, hängt davon ab, wie <strong>viel</strong><br />

Hilfe er braucht. Es gibt sieben Pflegestufen, die Höhe des<br />

Pflegegeldes hängt vom Pflegeaufwand ab. Es beträgt<br />

monatlich zwischen 154 Euro und 1.655 Euro. Es soll die<br />

Möglichkeit der Betroffenen verbessern, das Leben selbst<br />

zu gestalten - zum Beispiel in der häuslichen gewohnten<br />

Umgebung zu bleiben. Pflegegeld kann bezogen werden,<br />

wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:<br />

• ständiger Betreuungs- und Hilfsbedarf wegen einer<br />

körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung<br />

bzw. einer Sinnesbehinderung, die voraussichtlich<br />

mindestens sechs Monate andauern wird.<br />

• ständiger Pflegebedarf von monatlich mehr als<br />

50 Stunden.<br />

Eine Pflegeversicherung ist eine Sozialversicherung, die<br />

Fälle der Pflegebedürftigkeit als Maßnahme der Pflegevorsorge<br />

abdeckt. Sie erfasst im Allgemeinen auch die<br />

häusliche Pflege. Man unterscheidet die gesetzlichen<br />

Pflegeversicherungen (Pflichtversicherungen), die<br />

privaten Pflegeversicherungen und die Pflegezusatzversicherungen<br />

(freiwillige Privatversicherungen).<br />

Soziale Dienste wurden geschaffen, um pflegebedürftigen<br />

Personen und Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit<br />

zu bieten, nach Ihren Wünschen und Bedürfnissen<br />

betreut werden zu können. Alle Agenden der sozialen<br />

Dienste fallen in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer.<br />

Soziale Dienste werden von freien Wohlfahrtsverbänden,<br />

Ländern und Gemeinden angeboten und<br />

durch Fachkräfte aus Gesundheits- und Krankenpflegeberufen<br />

sowie aus Sozialbetreuungsberufen durchgeführt.<br />

Es sind dies vor allem Diplom-Krankenschwestern<br />

bzw. -pfleger, PflegehelferInnen, HeimhelferInnen,<br />

Alten(fach)betreuerInnen, Behinder-ten(fach)betreuerInnen<br />

in den Bereichen Altenarbeit, Familienarbeit,<br />

Behindertenarbeit und -begleitung.<br />

Informationen gibt es beim Bundessozialamt und seinen<br />

Landesstellen www.bundessozialamt.gv.at<br />

12 DONBOSCOmagazin 6/2010<br />

Im November fängt Katinka Grebenar an, für<br />

ihre eigene Familie Kekse zu backen. Dann<br />

macht sie ein paar Bleche mehr – und bringt<br />

ihren Patienten etwas mit. „Für manche ist alles,<br />

was ich mache, völlig selbstverständlich.<br />

Aber die meisten sind sehr dankbar und zeigen<br />

mir das auch.“ Zum Beispiel Gertrud Eibäck. „Katinka ist<br />

unser Engel“, schwärmt die 81-Jährige. Seit drei Jahren ist<br />

die Rentnerin, die nur noch mit Mühe laufen kann, auf ambulante<br />

Pfl ege angewiesen. Vor einem Jahr hatte ihr Mann<br />

Herbert einen Herzanfall. Seitdem hat Katinka Grebenar<br />

auch seine Pfl ege übernommen. Mindestens drei Mal am<br />

Tag schaut sie bei dem Ehepaar vorbei.<br />

Meistens wird sie schon sehnsüchtig erwartet. „Gut,<br />

dass Sie da sind. Ich muss zur Toilette“, antwortet Gertrud<br />

Eibäck auf das fröhliche „Hallo“. Selbst dafür braucht<br />

die 81-Jährige fremde Hilfe. „Es ist schlimm, wenn man<br />

so hilfl os ist“, sagt sie, und Tränen glitzern in den Augen<br />

hinter der Brille mit dem dünnen Goldrand. „Ich wüsste<br />

gar nicht, wie wir ohne Katinka zurechtkommen würden.“<br />

Und dann erzählt sie, dass die komplette Familie Grebenar<br />

sie unterstützt. Ehrenamtlich. Als Nachbarschaftshilfe.<br />

Einfach so. Dass Katinka Grebenars Mann ihnen Wasserkästen<br />

vom Getränkemarkt geholt hat, als der Lieferdienst<br />

dicht machte. Dass die Tochter zusätzlich vorbeikam, als<br />

Gertrud Eibäcks Knie so dick war, dass sie nicht einmal<br />

aufstehen konnte. Dass der Sohn die Taschenlampe repariert<br />

hat.<br />

Eigene Kinder haben die Eibäcks nicht. Früher haben<br />

beide gearbeitet, er als Verwaltungsangestellter, sie als<br />

Verkäuferin. Nach Kroatien sind sie oft in den Urlaub gefahren,<br />

25 Jahre lang immer wieder in den gleichen Ort.<br />

Jetzt ist daran nicht mehr zu denken. Auch wenn Herbert<br />

Eibäck sagt, sie seien eigentlich sehr zufrieden mit ihrem<br />

Leben. Immerhin seien sie noch zu zweit und fi nanziell<br />

abgesichert. Auch wenn Gertrud Eibäck immer wieder<br />

gute Tage hat, an denen sie es schaff t, ein Stückchen zu<br />

gehen. Das Leben ist eintönig geworden. „Man fühlt sich<br />

wie eingesperrt – immer nur in diesen vier Wänden“, sagt<br />

die 81-Jährige. Katinka Grebenar ist da eine willkommene<br />

Abwechslung. Ein Hoff nungsstrahl. Ein Fenster nach draußen.<br />

Ihre Besuche machen die enge Welt der Pfl egebedürftigen<br />

ein wenig weiter.<br />

Voller Sehnsucht erwartet:<br />

Gertrud Eibäck freut sich jeden<br />

Tag auf den Besuch der ambulanten<br />

Krankenschwester.<br />

„Katinka ist unser Engel“,<br />

sagt sie.<br />

12 DONBOSCOmagazin 5/2010<br />

Wenn man<br />

einen Menschen<br />

lange pfl egt,<br />

wächst er einem<br />

ans Herz.

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