cinearte 209 - Crew United
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Zeit und Geld<br />
Jubeln oder nicht? Im Tarifvertrag 2010<br />
sind Arbeitszeit und Gagen neu geregelt.<br />
Ein kurzer Überblick.<br />
Zum 1. Januar 2010 ist der neue Tarifvertrag<br />
für Film- und Fernsehschaffende<br />
in Kraft getreten. Die umstrittenste<br />
Regelung ist die Einführung der 13-<br />
Stunden-Arbeitszeitregelung. Während<br />
die für den Tarifabschluß verantwortliche<br />
Gewerkschaft Verdi darin eine erstmalige<br />
Arbeitszeitgrenze in der Filmbranche<br />
sieht, befürchten viele Filmschaffende<br />
und deren Berufsverbände,<br />
daß daraus eine »Regelarbeitszeit« von<br />
13 Stunden entstehen könnte.<br />
Tatsächlich ist die Neuregelung<br />
nicht nur aus Sicht der Filmschaffenden<br />
problematisch, sondern auch<br />
rechtlich. Voraussetzung für das Überschreiten<br />
der eigentlich vom Arbeitszeitgesetz<br />
maximal zulässigen zehn<br />
Stunden ist nämlich das Vorliegen von<br />
sogenannter »Arbeitsbereitschaft«.<br />
Die Tarifparteien (Verdi und die Produ<br />
zentenverbände) gehen in ihrem Abschluß<br />
bei einem 13-Stundentag »fiktiv«<br />
von einer Arbeitsbereitschaft der<br />
Filmschaffenden von mindestens drei<br />
Stunden aus. Das Bundesarbeitsgericht<br />
versteht unter Bereitschaft etwas nebulös<br />
die »Zeit wacher Achtsamkeit im<br />
Zustand der Entspannung«.<br />
Wann aber soll dieser Entspannungszustand<br />
bei Dreharbeiten gegeben<br />
sein? Die Zigarettenpause während<br />
des Umleuchtens? Für die Maske die<br />
Zeiten, in denen gedreht wird, weil da<br />
gerade kein An- oder Abschminken be-<br />
Illustration: <strong>cinearte</strong><br />
<strong>209</strong> | 11. März 2010 Tarifvertrag<br />
nötigt wird? Oder beim Motivwechsel<br />
die Fahrt auf der Rückbank eines Produktionsfahrzeugs?<br />
Der Europäische Gerichtshof hat jedenfalls<br />
einmal anhand der ärztlichen<br />
Bereitschaftsdienste festgestellt, daß<br />
eine ständige Anwesenheit am Arbeitsort<br />
selbst dann nicht als Bereitschaft zu<br />
sehen ist, wenn ein Ruheraum zur<br />
zwischenzeitlichen Entspannung vorhanden<br />
ist.<br />
Übertragen auf die Filmbranche bedeutet<br />
dies, daß allenfalls dort von einer<br />
echten Bereitschaft gesprochen werden<br />
kann, wo man sich zum Beispiel in ei-<br />
nem Wohnmobil für ein paar Stunden<br />
vom Drehgeschehen völlig zurückziehen<br />
kann.<br />
Nach dem neuen Tarifvertrag ist aber<br />
auch das Überschreiten der 13-Stunden-Grenze<br />
möglich, jedenfalls theoretisch.<br />
Zum einen sind es definierte Ausnahmen,<br />
etwa Szenen mit Massenkomparserie,<br />
die ein Überschreiten ermöglichen<br />
würden. Darüber hinaus ist aber<br />
bei diesem Umfang der Mehrarbeit der<br />
Nachweis der Einwilligung aller Teammitglieder<br />
im Einzelfall erforderlich.<br />
Weiterhin muß von der Produktion<br />
eine Überstunden-Dokumentation er-<br />
stellt werden, die auch den Filmschaffenden<br />
auszuhändigen ist. Für einen<br />
solchen Ausnahmefall ist außerdem ein<br />
Zuschlag von 100 Prozent zu zahlen.<br />
Nicht zuletzt muß durch die Produktion<br />
auch der Nachweis über die Bereitschaftszeit<br />
für die jeweiligen Teammitglieder<br />
erbracht werden. Spätestens,<br />
wenn in einer solchen Situation ein Arbeitsunfall<br />
entsteht, müssen die Haftungsfragen<br />
geklärt werden. Gemeinsames<br />
Ziel muß für alle Beteiligten sein,<br />
den Sendern beim weiteren Kürzen der<br />
Drehtage Einhalt zu gebieten. Nur<br />
dann ist ein kreatives und gesundes<br />
Filmschaffen möglich.<br />
16<br />
Was kommt mit<br />
den neuen Tarif regelungen<br />
auf die<br />
Filmschaffenden<br />
zu? Und wann hat<br />
ein Regisseur am-<br />
Set eigentlich<br />
Bereitschaftszeit?