Wie die Gier nach Geld den Roten Thunfisch ausrottet ... - Enorm
Wie die Gier nach Geld den Roten Thunfisch ausrottet ... - Enorm
Wie die Gier nach Geld den Roten Thunfisch ausrottet ... - Enorm
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Handys, Fernseher, Telefon, Kopfhörer wer<strong>den</strong> im Eiltempo<br />
durch neue Designs und bessere Technik ersetzt<br />
eingebautem Verfallsdatum? Sind iPods<br />
so konstruiert, dass sie <strong>nach</strong> einem Jahr<br />
kaputtgehen?<br />
Die Wartezeit überbrücke ich mit „Made<br />
to break“. Bislang, schreibt Slade, wagte<br />
es kaum ein Unternehmen, sich zur Obsoleszenz<br />
zu bekennen. Dabei werde <strong>die</strong>se<br />
Strategie unter Wirtschaftswissenschaftlern<br />
und Marketingexperten aus der Praxis<br />
seit <strong>den</strong> 1930er-Jahren offen diskutiert.<br />
Tatsächlich tauchte der Begriff 1932 in<br />
Bernhard Londons Schrift „Die Depression<br />
mit geplanter Obsoleszenz been<strong>den</strong>“<br />
erstmals auf. Um Konjunktur und Industrie<br />
wiederanzukurbeln, müsse <strong>die</strong> Regierung<br />
Waren <strong>nach</strong> bestimmter Zeit juristisch<br />
für „tot“ erklären und dann zerstören<br />
lassen, forderte der Immobilienkaufmann.<br />
Was wie <strong>die</strong> Einzelmeinung eines Wirrkopfs<br />
klingt, war durchaus mehrheitsfähig:<br />
„In <strong>den</strong> USA gab es damals eine starke<br />
Bewegung, <strong>die</strong> Weltwirtschaftskrise<br />
durch eine absolut offensichtliche Obsoleszenz<br />
zu überwin<strong>den</strong>. Das war eine offizielle<br />
politische Strategie“, sagt <strong>die</strong> Konsumforscherin<br />
Lucia Reisch.<br />
Die wahrscheinlich entschei<strong>den</strong>de<br />
Schlacht auf dem Weg zur Wegwerfgesellschaft<br />
wurde Mitte der zwanziger Jahre in<br />
Mehr dazu im<br />
neuen Heft 02/2012<br />
========================<br />
Seite 90<br />
Special<br />
iPod haben willst, musst du mindestens wirklich im Voraus berechnen? Und wird könnte. Und das machen <strong>die</strong> Firmen dann.<br />
jährlich einen neuen kaufen.“ <strong>Wie</strong> also hält das praktiziert? Fragen dazu an For- Da wird gespart, wo es geht.“<br />
es Apple mit der geplanten Obsoleszenz? schungs- und Entwicklungsabteilungen Anders sieht es bei Firmenkun<strong>den</strong> aus.<br />
Der Konzern hat meine Fragen mit nur ei- versan<strong>den</strong> in höflich-ausweichende Ant- Dort kann man sich kaum geplante Obsonem<br />
Satz beantwortet: Apple, schreibt worten. Oder in Schweigen.<br />
leszenz leisten, für <strong>den</strong> höheren Preis wird<br />
Pressesprecher Georg Albrecht, plant kei- Wer bereitwillig Auskunft gibt, ist Olaf Qualität verlangt. Die Gefahr, einen Kunnerlei<br />
Obsoleszenz seiner Produkte. Ein Wittler vom Berliner Fraunhofer-Institut <strong>den</strong> durch ein Schrottprodukt zu verär-<br />
Satz, der im Widerspruch zu einer Aussa- für Zuverlässigkeit und Mikrointegration gern, ist viel zu hoch, da Anschlussaufträge<br />
in Slades Buch steht. Die Lebensdauer (IZM). Der Ingenieur<br />
ge verloren gingen<br />
gerade elektronischer Produkte werde sucht für Hersteller<br />
und hohe Verluste<br />
schon seit <strong>den</strong> fünfziger Jahren nicht mehr Antworten auf <strong>die</strong> Wenn ein Gerät unerwartet entstün<strong>den</strong>. „Wenn<br />
dem Zufall überlassen, sondern systema- Frage: „<strong>Wie</strong> schaffe etwa drei statt nur einem es sehr hochwertige<br />
tisch geplant, „mit erschreckender Präzi- ich es, dass mein Ge-<br />
Produkte sind, hat<br />
sion durch wissenschaftliche Produkt- und rät am Ende so lange Jahr halten würde, dann sich der Kunde sehr<br />
Materialforschung“. Death Dating nennt hält, wie ich mir das<br />
genaue Gedanken<br />
wäre das schlecht<br />
Slade <strong>die</strong>se Ingenieurskunst. Bekannt ist, wünsche?“ Dafür<br />
über <strong>die</strong> Langlebig-<br />
dass das „Todesdatum“ bei Glühbirnen nimmt Wittler etwa<br />
keit gemacht, weil es<br />
festgelegt wurde: Das Phoebus-Kartell, ge- ein Handy und steckt es in <strong>den</strong> „Drop-Tes- eben mit hohen Kosten verbun<strong>den</strong> ist,<br />
gründet von <strong>den</strong> führen<strong>den</strong> Herstellern, ter“. Befestigt an der Schiene in einem wenn’s nicht lange genug hält. Ein Beispiel<br />
setzte 1924 durch, dass ihre Birnen künf- Glaskasten saust es dann mit einem ist <strong>die</strong> Automobilelektronik. In <strong>die</strong>sem Getig<br />
nur noch 1000 statt vorher 2000 Stun- „Plopp!“ gen Bo<strong>den</strong>. Hundertmal. Tauschäft wird intensiv getestet, berechnet<br />
<strong>den</strong> leuchten sollten.<br />
sendmal, bis es ausfällt. Manchmal lässt und analysiert, weil man eine recht lange<br />
Doch was hat das Beispiel der Glühbir- Wittler <strong>die</strong> Geräte auch im weißen run<strong>den</strong> Lebensdauer für relativ geringe Kosten rene,<br />
deren Lebensdauer sich einfach durch Shaker durchschütteln, stun<strong>den</strong>lang, taalisieren muss. Im Consumer-Bereich ist<br />
dickeren oder dünneren Draht einstellen gelang. Vibrationen, wie sie sonst bei Zug- das weniger kritisch“, sagt Wittler.<br />
lässt, mit komplexen elektronischen Ge- oder Autofahrten vorkommen. Die Zahl Es ist der große Kostendruck der ITräten<br />
von heute gemein? Lässt sich das To- der gewünschten Belastungszyklen gibt Branche, der Obsoleszenz in immer grödesdatum,<br />
etwa mei-<br />
der Hersteller vor. Die mittlere Lebensßerer Geschwindigkeit vorantreibt. Schon<br />
nes iPod,<br />
dauer von Bauteilen lässt sich so genau tes- 1965 formulierte der Gründer des Chipten<br />
– oder auf Basis der Tests mit Compuherstellers Intel, Gordon E. Moore, einen<br />
tersimulationen systematisch berechnen. Satz, der bald Gesetz für alle späteren Pla-<br />
Auch für <strong>die</strong> Hersteller von Unterhalnungen der Branche wer<strong>den</strong> sollte: Mootungselektronik<br />
hat Wittler ein Prores Law postulierte, dass sich <strong>die</strong> Leistung<br />
gramm zur Lebensdauer-Berechnung für <strong>den</strong> Prozessor, dem Herz jedes Com-<br />
entwickelt. Das Ziel der Hersteller: puters, alle eineinhalb bis zwei Jahre ver-<br />
eine Lebensdauer, gerade lang gedoppeln sollte. Damit gab Moore <strong>den</strong> Startnug,<br />
dass der Markt das Produkt schuss für <strong>den</strong> immer noch anhalten<strong>den</strong><br />
nicht als Schrott zurückweist. Wettlauf der IT-Unternehmen, <strong>die</strong> hohe<br />
Eine Lebensdauer, gerade Kosten in <strong>die</strong> Entwicklung immer leis-<br />
kurz genug, um möglichst am tungsfähigerer Chips stecken müssen, um<br />
Material zu sparen. Und konkurrenzfähig zu bleiben.<br />
wenn ein Gerät unerwar- <strong>Wie</strong> <strong>die</strong>se Wachstumsspirale funktiotet<br />
etwa drei statt nur einiert, hat Hans Dieter Hellige, Professor<br />
nem Jahr halten würde? für Industrial Ecology, Technik und Kon-<br />
„Dann“, sagt Wittler, sum an der Universität Bremen unter-<br />
„wäre das natürlich sucht. „Das sind immense Investitionen,<br />
schlecht.“ Denn zum <strong>die</strong> sich nur durch einen drastischen An-<br />
einen wäre dann das stieg der Ausstoßmengen amortisieren“,<br />
Gerät zu lange am sagt Hellige – also indem <strong>die</strong> Masse an<br />
Markt, bevor der Kun<strong>den</strong> immer mehr kauft.<br />
K u n d e e r n e u t In <strong>den</strong> 1980er-Jahren gewöhnten Mi-<br />
kauft. „Zum anderen crosoft und Intel <strong>die</strong> Computernutzer ge-<br />
sind da dann noch Matezielt daran, Software wie Rechner alle zwei<br />
rialkosten, <strong>die</strong> ich reduzieren Jahre auszutauschen: Die immer leistungs-<br />
Zum Auswechseln des Akkus braucht<br />
man beim iPod spezielles Werkzeug<br />
Seite 91<br />
Special<br />
fähigere Windows-Software fraß <strong>die</strong> eben- Doch neuerdings formiert sich Wider- Community hat sogar ein ironisches, klasfalls<br />
stetig verbesserten Hardware-Ressourstand gegen <strong>den</strong> geplanten Wegwerf- senkämpferisches „Manifest der eigenstäncen<br />
schneller und schneller auf. Mit der Wahnsinn: Mit einem neuen Internet-Pordigen Reparatur“ veröffentlicht. Eine wich-<br />
massenhaften Verbreitung des Mobilfunks tal unter dem Motto „Murks, nein danke!“ tige Parole: „Wenn du es nicht reparieren<br />
gelang dann endgültig <strong>die</strong> „Taktung will der Berliner Stefan Schridde nicht we- kannst, gehört es dir nicht.“<br />
des Verbraucherverhaltens durch das niger als einen Bewusstseinswandel bei Weiher gibt Hilfe zur Selbsthilfe – für<br />
Moore’sche Gesetz“, wie es der Bremer Herstellern anstoßen. Den Druck dafür iPhones, auch für iPods. „Wenn jemand<br />
Professor formuliert. Der scharfe Wettbe- will er aufbauen, indem er Meldungen von keine Anleitung hat, kriegt er es nie selber<br />
werb zwinge <strong>die</strong> Provider jährlich zu Ge- Produkten sammelt, <strong>die</strong> auf geplante Ob- auseinander. Wenn er es versucht, macht<br />
bührensenkungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se durch immer soleszenz setzen. Die Nutzer sollen „her- er es kaputt.“ Wäre auch mein iPod wie-<br />
neue Verträge, immer neue Tarife komaus aus der Vereinzelungsfalle“ – und erder zum Leben zu erwecken? Ifixit sei gepensieren<br />
müssen. Als Lockmittel dafür kennen, dass der vorschnelle Verschleiß rade für Laien gemacht, sagt Weiher.<br />
setzen sie subventionierte Handys ein, so Methode hat. Eine kritische und große „Mach es. Du schaffst das!“<br />
Hellige. Um Kun<strong>den</strong> zu bin<strong>den</strong>, halten <strong>die</strong> Community könnte Hersteller dann mit Eine Woche später liegt ein neuer Akku<br />
Anbieter <strong>die</strong>se mit einem fein abgestimm- fun<strong>die</strong>rten Vorwürfen konfrontieren. auf meinem Schreibtisch, daneben zwei<br />
ten Rhythmus neuer Features oder Schein- Markus Weiher aus Weisendorf bei Er- Werkzeuge, <strong>die</strong> Plastik-Skalpellen ähneln.<br />
innovationen im „ständigen Sog des vorlangen geht einen anderen Weg. Weiher Knapp zehn Euro hat das Set im Internet<br />
zeitigen Produktwechsels“. Die Folge: ist Reparier-Revoluzzer, Hunderte ver- gekostet. Butterweich gleitet das Plastik-<br />
Vertragsdauer und Lebensdauer der Momeintlich hoffnungslos kaputter MP3- werkzeug in <strong>die</strong> Seitennaht, vorsichtig löse<br />
biltelefone haben sich angeglichen. Spieler, Telefone und Notebooks hat er in ich <strong>die</strong> Platte. Es fühlt sich neu und ein<br />
„Apple“, sagt Hellige, „ist auf je<strong>den</strong> Fall seiner Dachgeschoß-Wohnung wieder zum wenig verboten an, Zögern und Bangen<br />
Treiber <strong>die</strong>ser Obsoleszenz.“ Die durch Laufen gebracht. „Ich wollte <strong>die</strong>sen Kon- stehen vor jedem Schritt. Eine gefühlte<br />
aggressives Marketing geschürte psychisumterror nicht mehr machtlos mitma- Ewigkeit später löst sich der Akku tatsächsche<br />
Obsoleszenz gehe dabei Hand in chen. Und es gibt viele, <strong>die</strong> ticken wie ich. lich aus dem Gehäuse, der neue passt.<br />
Hand mit „Maßnahmen gezielter Pro- Die bisher einfach keine Plattform hatten“, Nach einer weiteren halben Stunde ist <strong>die</strong><br />
duktverschlechterung, wie durch nicht er- sagt der Franke. Gleichgesinnte hat er bei Abdeckplatte wieder geschlossen. Das Geneuerbare<br />
Akkus oder durch technische ifixit.com gefun<strong>den</strong>, einer amerikanischen rät läuft. Mein iPod gehört wieder mir. /<br />
Schwachstellen wie der Verwendung ver- Internetseite, auf der <strong>die</strong> Nutzer sowohl<br />
============================<br />
formbarer Plastiksorten“.<br />
Fragen stellen als auch Reparaturanleitun-<br />
sElbsThIlfE Im nETz<br />
Die Umweltfolgen der Obsoleszenz-Spigen hochla<strong>den</strong> können.<br />
rale sind erschreckend: Die PC-Lebens- 1400 Fragen hat der frühere Handy-Ser-<br />
Nicht alle wollen sich damit zufrie<strong>den</strong> geben, dass<br />
dauer schrumpfte von zehn Jahren im Jahr vicetechniker Weiher beantwortet, als ei- man Dinge neu kaufen muss, wenn der Akku oder<br />
1980 auf heute zwei Jahre. Waren Telefoner der Ersten hatte er das neueste iPho- ein anderes Teil seinen Dienst versagt. Einige<br />
ne früher Jahrzehnte in Gebrauch, so werne in der Hand. Apple-Jünger hätten es Websites bieten Hilfe und Anleitung zur<br />
Selbstreparatur:<br />
<strong>den</strong> Handys heute <strong>nach</strong> 18 bis 24 Mona- wie ein Heiligtum gehütet, Weiher hat es<br />
www.murks-nein-danke.de<br />
ten gewechselt. In der EU wächst der Berg respektlos zerlegt. Das Fazit auf der Seite<br />
www.ifixit.com<br />
aus Elektroschrott dreimal schneller als von ifixit: Apple betrachtet <strong>die</strong> Selbstrepa-<br />
der des sonstigen Mülls, in In<strong>die</strong>n wird ratur als Bedrohung, „sie machen es dir www.teamhack.de<br />
2020 allein das Aufkommen aus alten Han- immer schwerer, dein Telefon aufzube- www.deutschland-repariert.de<br />
dys 18-mal höher liegen als 2010, so eine kommen. Die ifixit-Gemeinschaft ist be- www.insidemylaptop.com<br />
Schätzung der Vereinten Nationen. reit, <strong>die</strong>sen Kampf auszufechten.“ Die ============================<br />
Projektorientierter berufsbegleitender Stu<strong>die</strong>ngang<br />
Projektorientierter berufsbegleitender Stu<strong>die</strong>ngang<br />
Master of of Public Policy für für politisches und soziales Unternehmertum<br />
Master of Public Policy für politisches und soziales Unternehmertum<br />
Verwirklichen Sie Sie Ihre Ideen und bewerben Sie Sie sich bis bis zum 31.Mai 2012<br />
Verwirklichen Sie Ihre Ideen und bewerben Sie sich bis zum 31.Mai 2012<br />
HUMBOLDT-VIADRINA<br />
Wilhelmstraße 67 67 Telefon:<br />
030 030 - 20 - 20 05 05 971 971 23 23 mpp@humboldt-viadrina.org<br />
School HUMBOLDT-VIADRINA<br />
of of Governance<br />
10117 Wilhelmstraße Berlin<br />
67 Fax: Fax: Telefon: 030 030 - 030 20 - 20 02 - 20 02 971 05 971 11 971 11 23 www.humboldt-viadrina.org<br />
mpp@humboldt-viadrina.org<br />
School of Governance 10117 Berlin<br />
Fax: 030 - 20 02 971 11<br />
www.humboldt-viadrina.org