freizeit Psychologie 30 | besser Wohnen | Jänner 20<strong>11</strong> Ein Blick hinter die Maske Wir befinden uns in einer zeit des Umbruchs – des Umbruchs in uns selbst. in unserer epoche begeben wir uns auf die iCh-Jagd.
Zahlreiche Ideologien <strong>und</strong> „Haltegriffe der Gesellschaft“ sind brüchig geworden. Viele Menschen haben das Gefühl, dass wir uns nur mehr auf uns selbst verlassen können. Die Innenwelt des Menschen wird immer wichtiger <strong>und</strong> stürzt uns zugleich ins Dilemma. Der Mensch steckt in einem Dilemma: Einerseits will er sich als Individuum profilieren, anderseits strebt er Dazugehörigkeit zu einer Gruppe an. So gerät unser modernes Leben immer mehr zur Gratwanderung. Die Entfaltung des Charakters, sich selbst finden <strong>und</strong> trotzdem nicht außerhalb der Gruppe stehen - ein schwieriger Weg. Die freiheit hat ihren Preis Das war in früheren Zeiten anders: Man passte sich an, jeder hatte seinen Platz in der Gesellschaft, wusste quasi, wo er hingehörte. Durch Umgestaltungen in der Gesellschaft <strong>und</strong> das Wegfallen starrer Verhaltensregeln wurden wir freier, aber diese Freiheit hat natürlich auch ihren Preis: Sie verunsichert! Wir haben nicht mehr <strong>von</strong> Geburt an automatisch unseren Platz. Wir müssen ihn uns erkämpfen, können dafür aber alles erreichen. Früher stellte sich kaum jemand die Frage: „Wer bin ich?“ Man hätte diesen Menschen noch Anfang des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts für verrückt erklärt. Wer soll er schon sein….? Diese Frage stellten sich höchstens Philosophen. Die Mehrheit der Erdenbewohner hatte genug mit dem Überlebenskampf zu tun <strong>und</strong> gar keine Zeit, sich mit dem „Selbst“ zu befassen. Heute hat jede Buchhandlung eine große Abteilung, in der sich Bücher über genau dieses Thema stapeln: Wie soll ich sein? Wie finde ich meine Identität? Welcher Typ bin ich? Also, doch wieder die Suche nach einer Schablone – nach einer Schublade, in die man sich stecken kann, um „dazu zu gehören“ – Identitätssuche nicht in seinem Innersten, sondern in Ratgebern? Das kann es wohl auch nicht sein. Die Maske ist stets gegenwärtig Und dabei setzten doch viele, sobald sie aus der Wohnungstür schlüpfen, eine Maske auf. Im Alltag sind keine Individualisten gefragt. Man geht zu Farbberater, Fitnesscoaches, Trendstylisten, Einrichtungsberatern…. Trauen wir uns gar nichts mehr selbst zu? Müssen wir nach außen hin so perfekt die Maske des Konformen in Mode, Frisur <strong>und</strong> Wohnungsgestaltung tragen? Anderseits: Tanzt jemand mode- oder frisurentechnisch im fortgeschrittenen Alter – also alles über 20 – aus der Reihe, dann wird er rasch als „komisch“ tituliert, wird möglicherweise zum Außenseiter abgestempelt. Seine Individualität lobt kaum jemand. Und dabei wartet doch unter jeder der vielen Masken ein Freigeist, der sich entfalten möchte. Die Kluft zwischen dem Individuum <strong>und</strong> der Maske, die man sich überstülpt, wird immer größer. Dieser Widerspruch ist für uns nur schwer verständlich <strong>und</strong> akzeptabel. Deshalb inszenieren wir unsere Individualität. Wo sind die alten tugenden? Eigentlich müssten viele Menschen bereits gute Pokerspieler sein, denn ein wesentliches Element des Maskentragens ist auch das Bluffen. Man will stets mehr scheinen, als man eigentlich ist, schmückt sich mit Statussymbolen, will den Nachbar „ausstechen“. Nicht nur das Individuum agiert so, viele Institutionen machen es uns vor. Da wird hochgestapelt, die Werbung macht hochtrabende Versprechungen, Untugenden werden gepriesen. Viele fragen sich bereits, welchen Stellenwert Charaktereigenschaften wie Rücksichtnahme, Aufrichtigkeit, Gefälligkeit oder Herzlichkeit haben. Sind diese Tugenden hoffnungslos altmodisch? Der Mensch ohne Maske Und genau da hat man vielleicht doch noch eine kleine Chance, sich in unserer Welt Individualität zu erkämpfen: Denn in einer Welt, die immer rauer wird, in der immer mehr Menschen auf dem Egotrip sind, genau in dieser Welt tut es einfach gut, einem Menschen zu begegnen, der keine Maske trägt, der nicht die berühmten Ellenbogen einsetzt, um auf der Karriereleiter weiter zu kommen, der keine Statussymbole braucht, um sich selbst zu definieren, der sich seiner selbst bewusst ist, aber nicht menschenverachtend <strong>und</strong> selbst- Psychologie gefällig durchs Leben geht. Irgendwie klingt das alles ja ganz einfach: Genügend Selbstbewusstsein, „alte“ Tugenden achten <strong>und</strong> seinen Mitmenschen genügend Achtung entgegen bringen. Warum ist es dann doch so schwer <strong>und</strong> so viele Menschen schlagen den scheinbar leichteren Weg ein? Das Bauchgefühl hat meist recht Vielleicht, weil man es so oft in den Medien hört? Weil man glaubt, dass dieses Verhalten Glück, Zufriedenheit <strong>und</strong> Erfolgt verspricht. Doch möglicherweise sollte man daran einfach nicht glauben. Und sich auch nicht zu viel mit sich selbst als Individuum beschäftigen. Ein wenig Selbstreflexion ja, aber zuviel Beschäftigung mit dem eigenen „Ich“ lässt Menschen leicht zu einem Dorian Gray mutieren. Im Gr<strong>und</strong>e sagt uns unser Bauchgefühl ganz gut, wer wir sind <strong>und</strong> was wir brauchen. Diese Stimme wird halt leider <strong>von</strong> den lauteren Ratschlägen der Außenwelt übertrumpft. Einfach öfters mal weghören, wäre hier die Devise, denn der beste Ratgeber für uns sind immer noch eindeutig wir selbst. Das sollten wir uns immer vor Augen führen <strong>und</strong> genügend Selbstbewusstsein haben, um auch danach zu handeln! n Text: Mag. Manuela Hahofer E-Mail: redaktion@besser-wohnen.co.at Jänner 20<strong>11</strong> | besser Wohnen | 31 freizeit