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11 Seiten topaktuelle Angebote von Wohnungen und ...

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Die<br />

Heiltortur<br />

irgendwann musste es<br />

ja so weit kommen.<br />

ich habe es jahrelang vor<br />

mir hergeschoben, keine<br />

Ausrede war mir<br />

zu dämlich, ich war sogar in<br />

der Kirche beten. Sinnlos.<br />

Die weibliche Kraft hat<br />

gesiegt – mit ärztlicher<br />

Unterstützung.<br />

Wir waren auf Kur.<br />

Und die Ängste sind wahr<br />

geworden <strong>und</strong> haben unter<br />

uns gewohnt. Lauter liebe<br />

Leute, die dafür sorgen, dass<br />

man schon um 6 Uhr in der Früh mit<br />

Kunststoffschlangen im Wasser turnt,<br />

um halb 7 eine Viertelst<strong>und</strong>e mit Wechselstromschlägen<br />

malträtiert wird <strong>und</strong><br />

sich um 7 Morgengymnastik zumutet.<br />

30 Minuten später gibt es zum Frühstück<br />

anregendes Heilquellwasser, das<br />

sofort eine vehemente Entschlackung<br />

auslöst, <strong>von</strong> der man sich um 8 Uhr im<br />

46-Grad-Celsius-Moorschwebstoffbad<br />

20 Minuten lang erholen kann. Während<br />

man sich daheim gerade zufrieden<br />

im Bett räkeln <strong>und</strong> vielleicht doch noch<br />

einmal umdrehen würde, hetzt man<br />

schweißgebadet um 9 Uhr zur Lendenwirbelgymnastik,<br />

hopst auf einem Ball<br />

herum <strong>und</strong> versucht, das Kreuzbeingelenk<br />

zu finden, mit dem offenbar ausschließlich<br />

die Gruppentherapeutin gesegnet<br />

ist. Die kreist ihre untere Hälfte<br />

mit der Erotik einer Bauchtänzerin <strong>und</strong><br />

ein etwas dicklicher Herr ruft doch tatsächlich:<br />

„Da Capo!“ „Vom Kopf her<br />

funktioniert das nicht“, meint sie. „Probieren<br />

Sie es einmal mit dem, worauf<br />

Sie sitzen!“<br />

Rein in den Jogging-Anzug! Nordic<br />

Walking! Der drahtige Vorwalker erklärt,<br />

wie’s geht, <strong>und</strong> nach 50 Meter<br />

gemütlich wird es ernst. Mit therapeutischer<br />

Konsequenz treibt uns der Anführer<br />

durch das Dickicht, vorbei an<br />

saftigen Weiden mit zufrieden wiederkäuenden<br />

Kühen <strong>und</strong> einem verdutzt<br />

äugenden Pferd. Nach exakt 30 Minuten<br />

ist der Vorturner wieder beim Hotel.<br />

Der Letzte taumelt atemringend 10<br />

Minuten später ein.<br />

Jetzt ist Rotlicht dran. Ich freue mich<br />

schon auf etwas wirklich Interessantes,<br />

aber es ist bloß eine Lampe. „Wo tut’s<br />

weh?“ fragt mich der Experte. „Überall!“<br />

sage ich <strong>und</strong> halte ihm die linke<br />

Schulter hin. Endlich sitzen. 8 Minuten<br />

lang. „Dankeee!“ sagt der Bestrahlungsfachmann.<br />

„Und nicht aufs Blutdruck-<br />

Messen vergessen!“ Eh nicht. Aber der<br />

obere <strong>und</strong> der untere Wert sind im<br />

Normbereich. Nur der Puls hetzt noch<br />

immer durch den Wald.<br />

Nein! Nicht schon wieder Gymnastik!<br />

Ich schummle. Ich hole mir die Unter-<br />

feuilleton<br />

schrift in der Kurkarte <strong>und</strong> schwöre bei<br />

Gott <strong>und</strong> meiner Frau, dass ich morgen<br />

freiwillig kommen werde. Da geht es<br />

sich zwischen 12 <strong>und</strong> 12 Uhr 30 gerade<br />

gut aus. Ich werde halt den ersten Gang<br />

vom Mittagessen spritzen, den Salat.<br />

Während die drinnen das Kinn vor <strong>und</strong><br />

zurück schieben <strong>und</strong> mit dem Kopf wackeln,<br />

dass die Gehörknöchelchen ordentlich<br />

durcheinanderwirbeln, schlendere<br />

ich den Bach entlang bis zum<br />

Parkplatz. Da stehen sie alle, die GFs,<br />

MBs , PEs, BAs <strong>und</strong> <strong>und</strong> <strong>und</strong> ... <strong>und</strong> natürlich<br />

die vielen Ws. Sie alle schaffen<br />

das liebenswert babylonische Flair in<br />

unserer Turngemeinschaft – vom indischen<br />

Wienerisch „Mahatma g’sogt,<br />

Se san a ausn Anazwanzigsten“ über das<br />

elegant Steirische „Na, vo Leoubn“ bis<br />

hin zum lupenrein Mosterviertlerischen<br />

„Ha? Wos host g’sogt?“ Wie hätte<br />

Martin Luther wohl seine Bibelübersetzung<br />

geschrieben, wenn er Österreicher<br />

gewesen wäre? Dann müssten die Deutschen<br />

so reden wie wir. A Hetz!<br />

Jetzt habe ich noch eine Moorpackung.<br />

Die Moorpackerin patzt mir den<br />

schwarzen brennheißen Schlammbrei<br />

überall hin, wo sie glaubt, dass ich ihn<br />

brauche, deckt mich mit dicken Tüchern<br />

zu <strong>und</strong> lässt mich 20 Minuten<br />

dunsten – eine Plackerei. Dann duscht<br />

sie mir noch den Rücken ab. Ich besorge<br />

das Übrige, aber die letzten Reste der<br />

heilenden Masse werde ich erst mit der<br />

abendlichen Körperpflege wieder los.<br />

Nach drei Wochen sind wir fertig.<br />

Total. Das Kreuzbein schmerzt, die<br />

Halswirbel schreien nach Hilfe <strong>und</strong> in<br />

den Oberschenkeln schnurrt der Muskelkater.<br />

„Das sind die posttherapeutischen<br />

Phantomschmerzen“, belehrt<br />

mich die Dame an der Rezeption. Ein<br />

bisschen was muss ich zahlen – für das<br />

Belohnungsbier <strong>und</strong> die verschiedenen<br />

Fluchtachterln. Den Rest übernimmt<br />

die Pensionsversicherungsanstalt.<br />

Wir kommen sicher wieder! Allein<br />

schon wegen der putzigen Mäuschen,<br />

die ab <strong>und</strong> zu im Speisesaal vorbeischauen<br />

<strong>und</strong> für helles Entzücken bei<br />

den Damen sorgen. n<br />

Text: Dr. Gregor Kozak<br />

E-Mail: g.kozak@besser-wohnen.co.at<br />

Illustration: Mag. Peter Zethofer<br />

Jänner 20<strong>11</strong> | besser Wohnen | 73<br />

freizeit

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